Wer Transparenz fordert, muss Akzeptanz bieten

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STEUERN — MONIKA SETZERMANN
Wer Transparenz
fordert, muss
Akzeptanz bieten
Politik
Maßvolle Berichtspflichten führen zu mehr Markttransparenz und
Vertrauen. Dabei gilt es, die Risiken der Finanzwelt von der Realwirtschaft
zu entkoppeln und das Regulierungstempo zu drosseln.
A
uf die Wirtschafts- und Finanzkrise in Europa wurde in
den letzten Jahren auf verschiedenste Weise reagiert. Zahlreiche
Rettungsprogramme wurden aufgelegt und Maßnahmen entwickelt, die künftig Krisen frühzeitig erkennen und verhindern sollen. Im Fokus stehen dabei die Finanzwirtschaft, deren Wirken
im Allgemeinen als Auslöser der Finanzkrise gesehen wird, und
internationale Unternehmen, denen eine aggressive Steuerplanung vorgeworfen wird. Die Folge ist eine Regulierungswelle, die
von der EU ausgeht und nicht nur die Finanzwirtschaft betrifft,
sondern inzwischen auch die Realwirtschaft erreicht.
Dabei tritt der Transparenzgedanke immer stärker in den
Vordergrund. Sicherheit durch Transparenz heißt der neue Slogan. Die These lautet: Je höher der Transparenzgrad ist, desto
eher lassen sich Fehlentwicklungen und Betrug erkennen und
verhindern. Doch was ist der Preis für Transparenz, und werden
die Ziele wirklich erreicht?
DER WUNSCH NACH TRANSPARENZ
WÄCHST STETIG
Der Wunsch, insbesondere aus Politik und Öffentlichkeit, nach
mehr Transparenz in unserer Gesellschaft hat sich in den vergangenen zehn Jahren stetig erhöht. Skandale und Fehlentwicklungen in vielen Bereichen des täglichen Lebens waren der Auslöser.
Als Reaktion auf Korruptions- und Bestechungsfälle, Geldwäsche, Umweltvergehen, Lebensmittelskandale wurden Regeln
geschaffen, die mehr Transparenz und damit auch Kontrolle in
die gescholtenen Bereiche bringen sollen. Jüngster Auslöser ist
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02.8
die durch Fehlverhalten in der Finanzwirtschaft verursachte Finanzkrise.
Sozial- und Umweltbilanzen, Corporate Governance Regeln und eine grundsätzliche Erweiterung
von Berichtspflichten im Rahmen der Corporate Social Responsibility sind neben Finanzmarktregelungen
wie MiFID I und II (Markets in Financial Instruments
Directive), EMIR (European Market Infrastructure
Regulation) oder Basel III die Folge.
Auf internationaler Ebene wurden die Standards
der Berichterstattung ebenfalls stetig angepasst. Dabei stehen die Interessen der Stakeholder im Vordergrund. Die Fortentwicklungen des Rechnungslegungsstandards IFRS (International Financial Reporting
Standards) auf europäischer Ebene stellen international ausgerichtete Unternehmen Jahr für Jahr vor neue
Herausforderungen. Die jüngste Transparenzinitiative betrifft Regeln zur Offenlegung nicht-finanzieller
Unternehmensinformationen und entfaltet damit
konkrete Auswirkungen für Industrieunternehmen
und die gesamte Wertschöpfungskette.
WIRD JEDES UNTERNEHMEN ZUM
FINANZINSTITUT?
Als Folge der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise wurden die Informationsanforderungen insbesondere an die Finanzwirtschaft erhöht. MiFID II,
P
Politik
METALLE
FÜR DIE
GESELLSCHAFT
Wie weit darf der Blick in ein Unternehmen reichen? Abwägung zwischen Transparenz und Schutz
EMIR und erhöhter Verbraucher- und Anlegerschutz
durch bessere Darlegung der Chancen und Risiken
von Finanzprodukten seien hier exemplarisch genannt. Die Definitionen und Grenzen für die Einstufung von Unternehmen als Finanzinstitute sind zum
Teil so eng gesetzt, dass auch Unternehmen der Realwirtschaft je nach Umfang ihrer Finanzmarktaktivitäten als Finanzinstitut eingestuft werden.
Mit den engen Regelungen zur Einstufung als
Finanzinstitut wird das Unternehmen für seine Risikoabsicherung bestraft. Die Konsequenz aus der
Absicherung der operativen Geschäftsgrundlage ist
ein erhöhter Meldeaufwand, der sich direkt auf das
Geschäftsergebnis auswirkt.
TRANSPARENZ SCHAFFT
AKZEPTANZ UND VERTRAUEN
Die Unternehmen haben sich immer detaillierteren Formen
der Berichtserstattung zu stellen. Dabei wird die Erhöhung der
Transparenz auch als Chance und Erfolgsfaktor wahrgenommen.
Transparenz schafft Akzeptanz und Vertrauen, dient der Konfliktreduktion und kann den Marktwert eines Unternehmens positiv
beeinflussen. Daher ist heute in vielen Unternehmen Transparenz ein wichtiger Aspekt der Unternehmenskultur.
TRANSPARENZ VERSUS KONTROLLE
UND ÜBERREGULIERUNG
Unübersehbar sind Tendenzen, die die Frage aufwerfen, ob nicht
unter dem Deckmantel der Transparenz bei Behörden und Regie-
Politik: Wer Transparenz fordert, muss Akzeptanz bieten
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rungen eine regelrechte Regulierungswut ausgebrochen ist. Können mehr Regeln und eine detailliertere Informationsaufbereitung
Fehlentwicklungen verhindern, und wo ist die Grenze zwischen
Transparenz und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder der
unternehmerischen Freiheit?
DISKUSSION ÜBER STEUERVERMEIDUNG
Eine neue Dimension der Transparenz hat sich mit der Diskussion über Steuervermeidung ergeben. Unter dem Schlagwort „Base
Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) haben es sich die Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zum Ziel gesetzt, mehr Gerechtigkeit bei der Besteuerung von Unternehmen herbeizuführen. Dabei geht es auch
um die Verhinderung sogenannter aggressiver Steuerplanung.
Der Vorwurf, der internationalen Großkonzernen gemacht
wird, lautet, dass sie legale Gestaltungsmöglichkeiten zur Einsparung von Steuern ausnutzen. Folge dieser Diskussion ist die
Einführung erweiterter Berichtspflichten, wie sie auch von der
EU in ihrem jüngsten Entwurf einer Richtlinie über Regeln zur
Berichterstattung zu nicht-finanziellen und weiteren Unternehmensinformationen aufgegriffen wurden.
Neben länderspezifischen Angaben zur wirtschaftlichen
Entwicklung des Unternehmens (Umsatz, Gewinn, Steuern) werden auch Angaben zu strategischen Bereichen (Due Diligence,
Produkteinführungen) gefordert.
Die Umsetzung einer länderspezifische Berichterstattung ist
eine Herausforderung an bestehende interne Berichtssysteme.
Je nach Detaillierungs- und Harmonisierungsgrad im jeweiligen
Unternehmen erhöht sich der administrative Aufwand. Insbesondere kritisch ist die Veröffentlichung von strategischen Informationen.
PFLICHTEN NICHT ÜBERDREHEN
Höhere Transparenzanforderungen steigern den administrativen Aufwand und erhöhen in bestimmten
Bereichen das Geschäftsrisiko. Überregulierung und
erhöhte Kontrollmöglichkeiten bergen das Risiko, dass
unternehmerische Freiheiten eingeschränkt und Innovationen erschwert werden.
Dennoch ist Transparenz erforderlich, um Akzeptanz und Vertrauen zu stärken. Chancen und Risiken können schneller erkannt und Strategien zur
Förderung von Stärken oder zur Vermeidung von
Fehlentwicklungen erarbeitet werden. Dabei gilt es,
das richtige Maß und den richtigen Adressatenkreis
zu finden, damit aus Transparenz keine Überregulierung und absolute Kontrolle wird, die die Wirtschaftskreisläufe hemmt.
In Bezug auf die Steuergerechtigkeitsdebatte ist
festzuhalten, dass ein detaillierter Transparenzgrad
per se noch kein geeignetes Instrument zur Erhöhung
des Steueraufkommens oder einer höheren Steuergerechtigkeit darstellt. Solange nationale Gesetzgebungen sogenannte aggressive Steuerplanungen ermöglichen, werden Unternehmen, deren Erfolg nicht
zuletzt am Gewinn nach Steuern gemessen wird, diese
legalen Möglichkeiten ausschöpfen.
Die Realwirtschaft wehrt sich gegen den Pauschalvorwurf der aggressiven Steuerplanung zur
Steuervermeidung. Zu Recht, denn die Mehrheit der
Unternehmen ist an ihren nationalen Standorten
wirtschaftlich und gesellschaftlich tief verankert und
wird ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung
auch in Form von Steuerzahlungen gerecht. Eine Industriepolitik, welche die Belastungsschraube durch
ein Übermaß an Berichts- und Transparenzpflichten
nicht überdreht, führt zu mehr Markttransparenz und
Vertrauen.
AUTORIN
Monika Setzermann ist Referentin für Steuer- und
Finanzpolitik bei der WirtschaftsVereinigung Metalle.
Sie erreichen sie unter [email protected]
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