BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

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BULLETIN
DER
BUNDESREGIERUNG
Nr. 60-2 vom 6. Juni 2008
Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
beim vierten Integrationspolitischen Dialog
mit Migrantinnen und Migranten
am 4. Juni 2008 in Berlin:
Liebe Maria Böhmer,
sehr geehrter Herr Marincola,
meine Damen und Herren,
Sie haben heute schon miteinander eine Menge Gespräche geführt. Ich komme jetzt
sozusagen zur Schlussphase hinzu. Das hat immer den Vorteil, dass einem dann
schon ein paar Ergebnisse präsentiert werden. Natürlich stehe ich Ihnen für jede
Form der Diskussion zur Verfügung. Am Schluss machen wir noch ein Abschlussbild.
Ich habe gesagt, dass ich Sie gerne wiedersehen möchte. Einige waren auch beim
Jugendintegrationsgipfel im Mai dabei. Da hatten wir eine sehr, sehr lebhafte Diskussion, eine sehr konstruktive Diskussion mit jungen Leuten, die gesagt haben, dass
sie im ersten Jahr Forderungen an den Staat gestellt haben, dann sich aber überlegt
haben, selbst Vorschläge zu machen, was sie dann eben auch gemacht haben. Das
hat uns dann in eine sehr gute Diskussion geführt.
Der Sinn dieser Veranstaltung ist, dass wir nicht bei der Stunde Null stehen bleiben.
Wir haben schon Erfahrungen gesammelt und können auf eine Zeit zurückblicken, in
der Selbstverpflichtungen eingegangen wurden, die wir überprüfen können. Frau
Böhmer wird Ihnen bereits erzählt haben, dass wir heute im Kabinett über das Thema Integration in Bezug auf ein Monitoring gesprochen haben, also auf die Frage,
wie wir vorankommen, damit wir uns nicht einfach in die Tasche lügen oder die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen. Ich glaube – ich will das für die ganze Bundesregie-
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rung sagen –, dass ein solches Monitoring unerlässlich ist, um Aussagen über den
Stand der Integration zu erhalten, Schwächen analysieren und damit schließlich einen Fortschritt erzielen zu können. Wir müssen als Bundesregierung schauen, dass
wir mit den verfügbaren finanziellen Mitteln wirklich Fortschritte erreichen.
Wenn ich ein Thema herausgreifen darf, so liegt uns ganz besonders die Frage der
Ausbildungssituation am Herzen. Glücklicherweise ist die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in den letzten Jahren besser geworden. Aber längst nicht alle Kinder und
Jugendliche aus den Zuwanderungsfamilien haben die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Es gibt sehr lange Warteschleifen. Das gehört zu den ganz großen Sorgen, die wir nach wie vor haben. Wir haben deshalb versucht, mit dem Ausbildungsbonus, der diese Woche im Deutschen Bundestag behandelt wird, ein wirksames Instrument für junge Menschen zu schaffen, die schon zwei Jahre oder länger
warten.
Auf dem Jugendintegrationsgipfel sind wir der Frage nachgegangen, wie wir den Übergang von Schule zu Beruf besser gestalten können. Ein Stichwort war dort das
Netzwerk „Jugend – Schule – Wirtschaft“, in dem die Wirtschaft die Bereitschaft
zeigt, sich zu engagieren. Deshalb freut es mich, dass heute Wirtschaftsvertreter hier
sind. Die einen sagen, dass junge Facharbeiter, die ausbildungsfähig sind, dringend
gesucht werden; dass wir einen Fachkräftemangel haben. Andere sagen, dass viele
die Ausbildung nicht schaffen. Dazwischen müssen wir eine Brücke bauen. Es gibt
überhaupt keine Alternative dazu.
Wir wissen im Übrigen aus Zeiten der frühen Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland – ich habe mit jemandem gesprochen, der über langjährige Erfahrung
verfügt –, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg durchaus die Situation in Deutschland gab, dass in vielen Bereichen jungen Menschen die Möglichkeit gegeben wurde,
eine bessere Schulbildung zu erhalten, die zum Beispiel aus dem ländlichen Raum
oder aus Elternhäusern stammten, in denen das nicht von Haus aus vorgesehen war.
So eine Anstrengung, die wir damals unternommen haben, müssen wir eigentlich
wieder unternehmen. Wir haben erlebt – und das war das Interessante –, dass oft
diejenigen, die aus Elternhäusern kamen, in denen über Generationen hinweg keine
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akademische Bildung vorhanden war, zu den ganz großen Leistungsträgern der Republik gehörten, sich unglaublich kreativ, intelligent eingebracht haben und auch ein
Stück Enthusiasmus hatten. Und das oft im Gegensatz zu Familien, in denen vielleicht bereits die 17. Generation selbstverständlich studiert – das sind die Figuren,
die man bei Thomas Mann in Lübeck findet –, die manchmal etwas saturierter sind
und das alles als selbstverständlich nehmen.
Was ich sagen will, ist, dass von einer besseren Schulbildung eine große Bereicherung für unser Land ausgeht. Das ist für die Einzelnen wichtig. Aber das ist natürlich
auch für unsere Gesellschaft insgesamt wichtig.
Ich will Ihnen jetzt nicht weiter die Möglichkeit verwehren, dass Sie mir etwas erzählen. Das waren meine einleitenden Gedanken. Ich halte das Thema Integration – ich
sage es immer wieder, aber ich will es hier auch noch einmal sagen – für ein wirkliches Schlüsselthema der Zukunftsfähigkeit Deutschlands.
Wir werden in der nächsten Woche den 60. Jahrestag der Sozialen Marktwirtschaft
begehen. Im Grunde genommen ist der 21. Juni der eigentliche Jahrestag. Das ist
der Tag, an dem der amerikanische General Clay Ludwig Erhard erlaubt hat – zu
einer Zeit, als die Bundesrepublik noch gar nicht gegründet war, musste man bei
wichtigen Entscheidungen zu den Alliierten gehen –, die Preisbewirtschaftung, also
im Grunde die Rationierung aufzuheben, und zwar an dem Tag, an dem die D-Mark
eingeführt wurde. Die Amerikaner waren extrem skeptisch, weil überall Mangel
herrschte. Man hat gesagt: „Was soll das werden? Das endet doch im Chaos.“ Dann
hat Erhard darauf bestanden, dass nicht nur ein bisschen etwas verändert wird, sondern dass alles wegfällt. Das Chaos blieb aus. Stattdessen sind neue Kräfte entstanden.
Wenn wir heute schauen, wo die Herausforderungen sind, dann müssen wir an einige Dinge mutig herangehen. Ein Thema ist die Integration. In diesem Sinne freue ich
mich auf die verbleibende Zeit mit Ihnen und erteile jetzt Maria Böhmer das Wort, die
das Ganze lenken und leiten kann.
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