84 Technologien Immer mehr Unternehmen ersetzen Abläufe in hierarchischen Linien durch flexible Projektarbeit. © S.Joh n - m Fotolia.co Projektmanagement: Die richtige Software am richtigen Ort Projekte statt hierarchischer Linien als Organisationsprinzip erfordern geeignete Software-Lösungen. Projektmanagement-Software für das Enterprise sollte jedoch nicht nur nach dem Umfang ihrer Features ausgesucht werden – sie muss auch zur Organisation und ihren Zielen passen. IT-BUSINESS / Dr. Andreas Bergler E ine Berlecon-Studie vom Sommer 2011 legt es offen: In deutschen Unternehmen geht der Trend zur Organisation in Projekten. Um den steigenden Anforderungen und neuen Verfahren zu begegnen, werden in mehr als der Hälfte von befragten 149 Unternehmen starre Abläufe in hierarchischen Linien durch flexible Projektarbeit ersetzt. Das gilt besonders für wissensintensive Bereiche wie IT, Forschung und Finanzen. Tool-Auswahl Folglich wächst der Markt der Tools für das Projektmanagement. Nicht wenige ad hoc konstituierte Arbeitsgruppen ohne enge organisatorische Bindung würden ohne einschlägige Web-2.0-Plattformen gar nicht existieren. Für den Einsatz im Unternehmen, der ein hohes Maß an Skalierbarkeit und Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Bedingungen voraussetzt, sind jedoch nicht alle Tools geeignet. Außerdem nützt ein Tool im Enterprise-Einsatz nur selten etwas, IT-Business 7 / 2012 wenn es nicht im gesamten Produkt-Lifecycle eingesetzt werden kann. Projektmanagement-Werkzeuge sind jedoch nicht selten auf die Planungsphase eines Produkts fokussiert, vernachlässigen dafür Funktionalitäten für die Verfolgung des Projektverlaufs. Demzufolge bieten sie nicht ausreichend Möglichkeiten, auf unvorhergesehene Ereignisse mit Planänderungen zu reagieren und sich in dynamische Workflows zu integrieren. Qualitätskriterium für ein Tool ist seine Fähigkeit, sich an Projektdynamiken anzupassen, Vorabeinschätzungen der Wirkungen von Eingriffen in den Ablauf zu ermöglichen und Planänderungen schnell und unmissverständlich an alle Beteiligten zu kommunizieren. Best Practices Die Latte hängt also hoch. Für die erste Auswahl empfiehlt Oliver Mack, Leiter der Project and Program Management Office Group beim österreichischen Chemikalienhersteller Borealis, sich nicht allein auf Ein- flüsterungen von Anbietern zu verlassen, sondern sich konkrete Einsatzfälle von Software in anderen, vergleichbaren Unternehmen anzusehen. „Nichts geht über Best Practices“, bringt er seinen Ansatz auf den Punkt. Der Pragmatismus bei der Tool-Implementierung von Borealis zeigte sich auch darin, dass Mack sich an den internen Gegebenheiten ausrichtete. Es sei vor der Einführung einer Software vor allem wichtig, zu analysieren, mit welchen Methoden und in welchem organisatorischen Rahmen Projekte bis dato gesteuert werden. Nur so könne man Tools auswählen, die unter diesen Voraussetzungen optimal sind. Grundlegende Methoden seien nämlich zunächst mal unabhängig vom SoftwareTool, betont Mack. „Eine Zeitablaufsteuerung zum Beispiel kann man auch in Power­ point oder auf Papier machen.“ Das Tool zum Projektmanagement sei unter diesem konkreten Kriterium dann danach auszuwählen, dass es das erforderliche Scheduling unterstützt, etwa Microsoft Project ▹ 86 ▹ © Dmitry Ersler – Fotolia.com Technologien oder einen anderen Werkzeugkasten für das Enterprise Project Management. Neue Einfachheit Für Mack ist es wichtig, dass eine Projektmanagement-Software nicht überkompliziert ist und die Aufgabe dadurch unnötig schwierig macht. Komplexe Algorithmen, etwa für die Priorisierung von Tasks und den abgestimmten Einsatz von Ressourcen, seien oft nicht intuitiv zu begreifen und einzusetzen; und denselben Zweck könne man mitunter schneller, kostengünstiger und verlässlicher mit manuellen Ad-hoc-Eingriffen erreichen. Eric Schott, Mitbegründer des Frankfurter Beratungsunternehmens Campana und Schott, das auf Projektmanagement und Prozessoptimierung spezialisiert ist, spricht in diesem Zusammenhang von kompetentem „Hand-am-Arm“-Vorgehen, mit dem sich Probleme oft am schnellsten lösen ließen. Ein Tool muss zum methodischen Ansatz des Projektmanagements, den ein Unternehmen oder eine Abteilung verfolgt, passen; es kann ihn nicht vorschreiben. Eine Organisation, die sich zum Beispiel in der Software-Entwicklung für die „agile” Methode „Scrum“ entschieden hat – hierbei werden die Anforderungen an eine Software nicht ein für allemal festgelegt, sondern nach jedem Zwischen-Entwicklungsschritt neu bewertet und bei Bedarf angepasst – braucht eine Lösung, die einen solchen iterativen Prozess unterstützt, anstatt eine lineare Ablaufsteuerung vorzuschreiben, sagt etwa Mey Mark Meyer von der Bremer Marktforschungs- und Beratungsfirma „M3 Pro­ jekt:Informations:Management“. Andererseits kann ein Tool, das so genannte Gantt-Diagramme nutzt – bei der die Projektaktivitäten auf einer Zeitachse dargestellt werden – Beteiligte von logischen Erfordernissen im Entwicklungsprozess ablenken, denn der muss nicht zwingend chronologisch sein. Business Case I Wird eine Projektmanagement-Lösung mit einem genau definierten Ziel und einem realistischen Erwartungshorizont eingeführt, können die Fristen bis zum Return on Investment sehr kurz ausfallen. Das war der Fall bei der Göttinger Sartorius AG, die unter anderem Filtertechnik für die Medikamentenproduktion herstellt, im Kundenauftrag die Funktionsfähigkeit der Filter und der Prozesse validiert und so die Voraussetzung für die Zulassung der Medikamente IT-Business 7 / 2012 Auch Groupware- und Collaboration-Tools können das Projektmanagement unterstützen. schafft. Bislang war Excel das Werkzeug der Wahl für das Jonglieren mit den oft widerstreitenden Anforderungen beim Aufteilen der Labor-Ressourcen, was es bei sechs Projektmanagern erschwerte, für die erforderliche Transparenz zu sorgen, so Axel Hühne, Director Backoffice Solutions bei der Sartorius Corporate Administration GmbH. Außerdem kam es zu Verzögerungen im Prozessablauf, etwa, wenn ein Labormitarbeiter die Datei geöffnet hatte und währenddessen niemand anders daran arbeiten konnte. Wachstumsplanung im Fachbereich konnte man mit dem herkömmlichen Tool ebenfalls nicht leisten. Unter Hühnes Verantwortung wurde auf Basis von Microsofts Project Server eine Lösung eingeführt, die Wachstumsplanung und paralleles Arbeiten ermöglicht und frühzeitig Alarm gibt, bevor ein Validierungskunde säumig wird. Die Kosten waren mit 25.000 Euro überschaubar, der Effekt trat unmittelbar ein. Hühne: „Wir können nun Laborzeiten anbieten, ohne umplanen zu müssen. Die Kommunikation mit den Kunden wird souveräner.“ Business Case II Auf der Grundlage der Microsoft-Serverprodukte Project und Sharepoint führte Campana und Schott bei Bayer Animal Health in Monheim eine integrierte Lösung für das Projektmanagement ein. Gesteuert werden der Projektverlauf und die Ablage der Dokumente. In jedem Forschungsprojekt sollen Projektleiter, Portfoliomanager und alle anderen Beteiligten dieselbe Sicht auf das Projekt und seinen Verlauf haben. „So behalten wir die Korrelation zwischen Wert und Zeitverlauf im Blick“, erklärt Jörg Cramer, der für die Einführung der Lösung verantwortlich zeichnet, die Zielsetzung. Verzögert sich etwa eine Versuchsreihe beim Entwickeln eines Medikaments und gerät dadurch der Termin für seine Markteinführung in Gefahr, kann das Projektmanagement frühzeitig Alarm schlagen. So bringe die Einführung des Tools mehr Prozesssicherheit. Zudem, stellt Cramer fest, rechne die Einführung sich dadurch, dass kaufmännische Daten aus jedem einzelnen Projekt in Verbindung mit einem SAP-System verwaltet werden könnten: „Projektleiter haben so die Möglichkeit, eine teure Kostenentwicklung in Projekten sofort zu identifizieren.” □ Fazit Werkzeuge für das Projektmanagement entwickeln sich weiter. Das hat mit zunehmender Verbreitung projekthafter Organisation in Unternehmen zu tun, sagt Hasso Reschke vom Institut für Projektmanagement. Es hat aber auch damit zu tun, dass zunehmend nicht nur die Entwicklung neuer Produkte und Services als Projekt begriffen wird. Zum Beispiel kann auch das Marketing bereits eingeführter Produkte mit Werkzeugen unterstützt werden, die im weiteren Sinn zur Gruppe der Projektmanagement-Software gehören, etwa Groupware- und Collaboration-Tools. Die Integration solcher Features in die ursprüngliche Funktionalität klassischer Projektmanagement-Lösungen, so Reschke, führe zu einer Reife und Benutzungsfreundlichkeit der Produkte, die ihre Verbreitung zusätzlich fördere. Das sei ein Prozess, der sich im Verlauf der vergangenen Jahre immer stärker beschleunigt habe.