Pressedienst Travail.Suisse – Nr. 10 – 23. Juni 2008 – Arbeitsmarkt _______________________________________________________________________________ Personenfreizügigkeit: Vertrauen und Sicherheit sind noch zu schaffen Travail.Suisse, der Dachverband der Arbeitnehmenden, bedauert den Entscheid des Parlaments, die Weiterführung und Erweiterung der Personenfreizügigkeit in einem Beschluss zusammenzufassen. Es wird damit nicht einfacher, die Arbeitnehmenden für ein Ja zur Personenfreizügigkeit zu mobilisieren. Damit diese Mobilisierung gelingt, muss der Bundesrat jetzt unbedingt Vertrauen und Sicherheit schaffen. Travail.Suisse, der Dachverband der Arbeitnehmenden, bedauert den Entscheid des Parlaments, die Weiterführung und die Erweiterung der Personenfreizügigkeit in einem Beschluss zusammenzufassen. Zwei von einander getrennte Vorlagen hätten eine differenziertere Betrachtungsweise erlaubt und die Unsicherheiten bei den Arbeitnehmenden verringert. Beunruhigend für Travail.Suisse ist die Tatsache, dass die flankierenden Massnahmen kaum Gegenstand der parlamentarischen Debatte waren. Dieses Ausblenden der flankierenden Massnahmen ist fahrlässig und kurzsichtig, insbesondere weil die konjunkturelle Schönwetterlage sich in Bälde verändern könnte. Und die Erfahrung zeigt, dass in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten mit steigender Arbeitslosigkeit der Druck auf die Löhne und die Arbeitsbedingungen zunimmt. In dieser Situation werden wasserdichte flankierende Massnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping von zentraler Bedeutung sein. Bundesrat muss vertrauensbildende Massnahmen ergreifen Im Hinblick auf die Abstimmung, die mit grosser Wahrscheinlichkeit stattfinden wird, muss der Bundesrat bei den Arbeitnehmenden das nötige Vertrauen und mehr Sicherheit schaffen. Nur dann werden sie die Personenfreizügigkeit weiterhin unterstützen. Folgende vertrauensbildende Massnahmen sind zu ergreifen: 1. Rigorose Umsetzung der flankierenden Massnahmen Der Bericht vom letzten Herbst zur Umsetzung der flankierenden Massnahmen zeigt auf, dass noch einige Mängel bei der Umsetzung der flankierenden Massnahmen bestehen. Insbesondere was die Anzahl der Kontrollen betrifft, haben die Kantone Basel-Stadt, Fribourg, Solothurn, Luzern und Thurgau ihr Soll nicht erreicht. Auch wird in den verschiedenen Kantonen sehr unterschiedlich sanktioniert bzw. gebüsst. Diese Lücken müssen unverzüglich geschlossen werden. Pressedienst Travail.Suisse – Nr. 10 – 23. Juni 2008 – Arbeitsmarkt _______________________________________________________________________________ Zudem ist die Verstossquote bei den Temporärfirmen, in der Reinigungsbranche und im Bereich der Haushaltshilfen überdurchschnittlich hoch. Deshalb gilt es nun, das Instrumentarium der flankierenden Massnahmen unverzüglich anzuwenden und für die Temporärbranche sowie für die Reinigung Gesamtarbeitsverträge und für die Haushaltshilfen einen Normalarbeitsvertrag zu erlassen. 2. Erhöhung der Anzahl Kontrollen bereits Anfang 2009 In der Botschaft des Bundesrats zur Weiterführung und Erweiterung der Personenfreizügigkeit zuhanden des Parlaments wird eine Erhöhung der Anzahl Kontrollen um 5'500 auf 27'000 für das Jahr 2010 vorgesehen. Angesichts des äusserst dynamischen Arbeitsmarktes und der hohen Zuwanderungsrate ist ein Zuwarten bis ins Jahr 2010 völlig verfehlt. Es gilt, die Anzahl Kontrollen bereits 2009 auf 27'000 zu erhöhen. 3. Übernahme der Kontrollkosten bei kurzfristigen Stellenantritten ab 2009 Travail.Suisse hat im Vorfeld der parlamentarischen Debatte gefordert, dass der Bund die Kosten übernimmt, die für die Kontrollen von Schweizer Arbeitgebern anfallen, die in Branchen mit allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen für kurze Zeit ausländisches Personal anstellen. In den Branchen mit AVE GAV übernimmt der Bund heute nur die Kosten für die Kontrolle der Löhne und Arbeitsbedingungen bei den entsandten Arbeitnehmenden. Es gibt jedoch Branchen mit AVE GAVs mit wenigen Entsandten. In diesen Branchen stellen die Schweizer Arbeitgeber ausländische Arbeitnehmende für eine kurze Zeitspanne an. Prominentes Beispiel ist das Gastgewerbe. Der durch das Personenfreizügigkeitsabkommen bedingte Mehraufwand wird bis anhin nicht entschädigt. Diese Lücke muss geschlossen werden. Bundesrätin Leuthard hat das Anliegen in der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats aufgenommen und eine verbindliche Zusicherung gegeben, das Problem zu lösen. Travail.Suisse erwartet, dass der Bund die Kosten per Anfang 2009 übernimmt. 4. Arbeitslosenversicherung schnell und nachhaltig sanieren Gleichzeitig mit der weiteren Öffnung des Arbeitsmarktes steht die Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes vor der parlamentarischen Debatte. Die Situation des Arbeitslosenversicherungsfonds ist nicht die Beste. Der Schuldenstand beläuft sich auf 5 Milliarden Franken. Der Bundesrat darf in seiner Botschaft ans Parlament die Situation der Arbeitslosenversicherung nicht weiter schwächen, sondern muss eine nachhaltige und rasche Sanierung vorschlagen. Eine gesunde Arbeitslosenversicherung mit guten Leistungen für die Erwerbslosen ist zentral – und erhöht die Sicherheit der Erwerbstätigen in der Schweiz. Pressedienst Travail.Suisse – Nr. 10 – 23. Juni 2008 – Arbeitsmarkt _______________________________________________________________________________ 5. Arbeitgeber müssen faire Arbeitsbedingungen und gerechte Lohnerhöhungen bieten Nicht zuletzt sind es die Arbeitgeber, die mit ihrem Verhalten dazu beitragen müssen, bei den Arbeitnehmenden Vertrauen für die Weiterführung und Erweiterung der Personenfreizügigkeit zu schaffen. Das können sie tun, indem sie den Arbeitnehmenden eine bestmögliche Arbeitsplatzsicherheit garantieren, ihnen gute und faire Arbeitsbedingungen bieten und im Rahmen der Lohnverhandlungen gerechte Lohnerhöhungen gewähren. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann auch die Basis von Travail.Suisse motiviert werden, sich ein weiteres Mal für die Personenfreizügigkeit einzusetzen. Und die Arbeitnehmenden können überzeugt werden, der Personenfreizügigkeit ein weiteres Mal zuzustimmen. Susanne Blank, Leiterin Wirtschaftspolitik, Travail.Suisse Travail.Suisse, Hopfenweg 21, 3001 Bern, Tel. 031 370 21 11, [email protected], www.travailsuisse.ch