2. Trierer Holzbaugespräch der FH-Trier am 11. Mai 2012 Thema: Referent: Schallschutz – Eine Herausforderung für den modernen Holzbau? Dipl.-Ing. (FH) Axel Bettendorf 1. Grundlagen und Begriffe im Schallschutz Weshalb ist der Holzbau eine Herausforderung an den Schallschutz? Viel geringere flächenbezogene Masse als bei Massivbauteilen Oftmals Undichtigkeiten im Bereich der Elementverbindungen und Fugen Problem der tiefen Frequenzen < 100 Hz Holzbau verzeiht keinen Fehler in der Ausführung und in der Planung (Sanierung sind daher immer mit hohen Kosten verbunden) DIN 4109 ist eigentlich für den Massivbau konzipiert, die Rechenregeln des Massivbaus gelten nicht für den Holzbau. Folge: Der Planer muss sich exakt an die Normbeispiele halten oder selbst Bauabnahmemessungen vornehmen oder greift auf Messungen der Industrie zurück (eigenes Risiko) Bauakustisch relevanter Frequenzbereich: 100 Hz bis 3150 Hz Problem im Holzbau sind aber die Frequenzen < 100 Hz Luftschall: Sprache und Musik sind Beispiele für Luftschall. Die Schallwellen im Raum treffen auf die Wände und Decken, werden in diese Bauteile eingeleitet und in die benachbarten Räume wieder als Luftschallwellen abgestrahlt. Körperschall: Spricht man ganz allgemein, wenn Bauteile durch direktes Einwirken z.B. durch Klopfen, Bohren, Hämmern oder durch Vibrationen (Haustechnik) angeregt werden. Trittschall: Eine spezielle Form von Körperschall, bei der Decken, Treppen und ähnliche Bauteile direkt mechanisch angeregt werden. Grenzfrequenz: Die Frequenz, bei der die Wellenlänge der schräg einfallenden Schallwelle mit der Biegewelle des einschaligen Bauteils übereinstimmt. Dieses hat einen drastischen Einbruch in der Schalldämmung zur Folge. Resonanzfrequenz: Die Frequenz, bei der bei einer zweischaligen Konstruktion beide Schalen die maximale Auslenkung erfahren. Dies hat einen drastischen Einbruch in der Schalldämmung zur Folge. Biegeweich: Bauteile mit einer Grenzfrequenz > 2000 Hz Biegesteif: Bauteile mit einer Grenzfrequenz < 2000 Hz Schalldämmaß Rw: Kenngröße für Luftschalldämmung eines Bauteils in dB als Einzahlangabe (bewertetes Schalldämmaß) Index C: Spektrum-Anpassungswert für rosa Rauschen (Musik, Gespräch) Index Ctr: Spektrum-Anpassungswert für Verkehr (tieffrequente Geräusche) NormtrittschallKenngröße für Trittschalldämmung eines Bauteils in dB als dämmaß Ln,w: Einzahlangabe (bewertetes Normtrittschalldämmaß) Index Ci: Spektrum-Anpassungswert Trittschall (tieffrequente Geräusche) Seite 1 von 4 2. Normen / Richtlinien / Verordnungen / Anforderungen DIN 4109 Schallschutz im Hochbau Für alle an der Bauplanung und Bauausführung Beteiligten ist die Anforderungs- und Bewertungsgrundlage für baulichen Schallschutz die baurechtlich eingeführte Norm DIN 4109 – 11/89 neben dem ebenfalls eingeführten Beiblatt 1 „Ausführungsbeispiele und Rechenverfahren.“ Dient der Gefahrenabwehr und enthält lediglich die öffentlich-rechtlichen Mindestanforderungen zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren (Unterschreitung ist unzulässig). Problem: wird zivilrechtlich nicht mehr als Stand der Technik anerkannt, insbesondere bei erhöhtem Wohnstandard. Beiblatt 2 „Vorschläge für den erhöhten Schallschutz“ ist nicht baurechtlich eingeführt und muss gesondert vertraglich vereinbart werden. VDI 4100 Schallschutz von Wohnungen Vom Verein Deutscher Ingenieure erarbeitete Richtlinie mit Kriterien für die Planung und die Beurteilung Richtlinie definiert drei Schallschutzstufen mit zahlenmäßig festgelegten bauakustischen Kennwerten Schallschutzstufe I entspricht den Anforderungen an die DIN 4109 Schallschutzstufe II liegt höher als die Anforderungen von Beiblatt 2 der DIN 4109 Schallschutzstufe III kann man von Wohnungen erwarten, die auch in ihrer sonstigen Ausstattung gehobenen Komfortansprüchen genügt. VDI 4100 muss vertraglich vereinbart werden. Landesbauordnung Rheinland-Pfalz Sehr allgemein gehaltene Anforderung § 16 Wärme-, Schall - und Erschütterungsschutz (2) Gebäude müssen einen ihrer Lage und Nutzung entsprechenden Schallschutz haben. Geräusche, die von ortsfesten Anlagen und Einrichtungen in baulichen Anlagen oder auf Grundstücken ausgehen, sind so zu dämmen, dass Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. 3. Lösungsansätze im Holzbau Akustisch optimale Grundrissgestaltung Besonders schützenswerte Räume (z.B. Schlaf- und Wohnräume) sollten weder horizontal noch vertikal an „laute Räume“ (z.B. Bäder) von fremden Nutzungseinheiten geplant werden. Wohnungstrennwände Wohnungstrennwände werden überwiegend als zweischalige Wände mit Trennfuge ausgeführt. Nicht nur die Schalldämmung der Wand, sondern auch die der flankierenden Bauteile ist von großer Relevanz und müssen bei dem Nachweis berücksichtigt werden Seite 2 von 4 Haustrennwände Haustrennwände werden überwiegend als zweischalige Wände mit Trennfuge ausgeführt. Bei konsequenter Einhaltung der Trennung auch im Anschlussbereich (Dach bis Keller) kann die Übertragung von Schall über Nebenwege vernachlässigt werden (Ausnahme Dachgeschoss). Bei fehlerfreier Ausführung lassen sich für mittlere und hohe Frequenzen sehr gute Werte erzielen. Bei tieffrequenten Geräuschen < 100 Hz weisen die Holzständerwände Defizite auf, was als Dröhnen wahrgenommen wird (Resonanzen der Beplankung). Dies Problem kann durch eine Vergrößerung des Fugenabstandes und damit eine Absenkung der Resonanzfrequenz gelöst werden. Außenwände Außenwände bestehen aus einem Ständerwerk, aus konstruktivem Vollholz, aus Stegträgern oder aus Massivholzelementen, deren Hohlräume mit Hohlraumdämpfung (z.B. Mineralwolle) ausgefüllt und die mindestens einseitig beplankt sind. Für Holzständerwände relevante Faktoren sind die Beplankung (biegeweich), die Befestigung am Ständerwerk (fest oder entkoppelt), die Hohlraumbedämpfung, das Rastermaß der Ständer (größerer Abstand besser), die Verkleidung im Außenbereich (Art des Dämmstoffes). Für Massivholzwände relevante Faktoren sind die Materialdicke (biegesteif), die Fugenausbildung (Dichtheit), und die Verkleidung im Außenbereich. Holzdecken Bei Holzdecken ist der Trittschallschutz das Problem. Wird die Anforderung an den Trittschallschutz erfüllt, ist in der Regel auch die Anforderung an den Luftschallschutz erfüllt. Holzdecken werden in Holzbalken- und Massivholzdecken unterschieden. Sie bestehen aus der Rohdecke und können mit einem Deckenaufbau und einer Unterdecke versehen werden. Aufgrund der geringen flächenbezogenen Masse von Holzdecken können die Anforderungen an die Trittschalldämmung durch die Rohdecke alleine nicht erreicht werden. Daher werden die Rohdecken immer mindestens zweischalig (Estrich, Unterdecke) aufgebaut. Für die schalltechnische Optimierung von Holzdecken sind die folgenden Punkte zu beachten. Erhöhung der flächenbezogenen Masse von Estrich, Rohdecke, abgehängter Decke Verringerung der Steifigkeit der Trittschalldämmplatte Erhöhung des Abstandes zwischen Rohdecke und Unterdecke Entkopplung der Unterdecke von der Rohdecke Einsatz biegeweicher Materialien in der Unterdecke Hohlraumbedämpfung durch geeignete Materialien Seite 3 von 4 Dächer Dächer verhalten sich grundsätzlich ähnlich wie Wände. Einflussfaktoren für die Schalldämmung von Dächern mit Zwischensparren- und Aufdachdämmung sind: Raumseitige Beplankung (Nut- und Federschalung mit Verschlechterung >5 dB im Vergleich zu GK-Platten) Hohlraumdämmung und Sparren (weicher Dämmstoff wie MW besser als steifes PS) und je höher die Dämmstoffdicke umso besser die Schalldämmung. Unterdachschalung verbessert die Schalldämmung insbesondere bei tiefen Frequenzen Dacheindeckung aus Schiefer, Ton oder Betonsteinen ist besser als Blecheindeckungen aus Trapezblech. Treppen Treppen werden in Mehrfamilien- und Reihenhäusern häufig direkt an der Trennwand befestigt. Dadurch findet eine direkte Körperschalleinleitung in das Bauteil statt. Die Trittschalldämmung einer Treppe wird entscheidend durch die Schalldämmung des Bauteils geprägt, an der sie angebunden ist. Hier gibt es im Holzbau häufig das Problem, dass niederfrequentes Dröhnen wahrgenommen wird. Lösung: vollständige Entkopplung der Treppe von allen Bauteilen z.B. über Elastomerlager oder Elastomerstreifen. Installationen und Haustechnik Geräte von Heizungs- und Lüftungsanlagen sind schalltechnisch von dem Baukörper zu trennen (z.B. Lagerung von Waschmaschinen) Rohrbefestigungen sind mit Schellen über elastischen Materialien zu befestigen Körperschallbrücken sind zu vermeiden (Ummantelung bei Durchführung durch Wände und Decken) Vermeidung von 90° Winkel bei Abwasserrohren (Aufp rallgeräusch) Sanitäreinrichtungen (WC, Badewanne usw.) müssen ebenfalls entkoppelt werden. Verwendung von Amaturen mit Druckminderung. Verwendete Quellen: Holzbau Handbuch R3, T3, F3. 1999. Schalldämmende Holzbalken- und Brettstapeldecken. München: DGfH Innovations und Service GmbH, 1999, ISSN-NR. 0466-2114 Holzbau Handbuch R3, T3, F4. 2004. Schallschutz Wände und Dächer. München: DGfH Innovations und Service GmbH, 2004, ISSN-NR. 0466-2114 Raum- und Bauakustik 1974. Bauakustische Grundlagen. Zürich: LIGNUM, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für das Holz Schalldämmung von Geschossdecken aus Holz 1990. Impulsprogramm Holz. Zürich: LIGNUM, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für das Holz Schallschutz im Holzbau 1988. Impulsprogramm Holz. Zürich: LIGNUM, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für das Holz Schall Wärme Feuchte 1989. Grundlagen, Erfahrungen und praktische Hinweise für den Hochbau. Gösele / Schüle. Stuttgart: Bauverlag, ISSN-Nr. 3-7625-2732-6 Internetadresse mit vielen Beispielen und Messwerten: www.dataholz.com Seite 4 von 4