Aktuelles aus der Forschung Bewegungsbeobachtung mit unmittelbarem Üben zur Verbesserung der Armmotorik nach ­chronischem Schlaganfall Sugg K, Müller S, Winstein C, Hathorn D, Dempsey A. Does action observation training with immediate physical practice improve hemiparetic upper-limb function in chronic stroke? Neurorehabil Neural Repair 2015; 29(9): 807–817. DOI: 10.1177/1545968314565512 Zusammenfassung der Studie Ziele Ziel der Studie war es, die Effekte eines Bewegungsbeobachtungsprotokolls mit unmittelbar anschließendem Üben zur Verbesserung der Armmotorik nach chronischem Schlaganfall zu evaluieren. Methodik Design.Phase A-B-Design Ein- und Ausschlusskriterien.Eingeschlossen wurden 14 Patienten von einem Krankenhaus in Perth mit chronischem Schlaganfall (definiert als mehr als sechs Monate Schlaganfalldauer). Einschlusskriterien waren: älter als 18 Jahre und derzeit nicht in einem stationären Reha-Programm aufgenommen sowie etwas Bewegung im paretischen Arm (definiert als ein Fugl-Meyer-Armtest-Wert [FMA-Wert] zwischen 20 und 55 Punkte). Weitere Einschlusskriterien waren mindestens 26 Punkte auf dem 30 Punkte umfassenden Montreal Cognitive Assessment (MoCa), sodass effektiv kommuniziert werden konnte und dass die Bedingungen der Studie verstanden wurden. Ausschlusskriterien waren räumlicher Neglekt und Wohnen außerhalb eines 60-km-Radius der Universität. Interventionen. Nach einer reinen Testphase wurde 14 Tage jeden zweiten Tag in Sitzungen der Arm beübt. Das Üben erfolgte kombiniert mit Entspannungstraining. In den anschließenden 14 Tagen wurde jeden zweiten Tag geübt und wurden Bewegungen beobachtet. Bei der Beobachtung wurde immer dreimal die Bewegung beobachtet und unmittelbar anschließend dreimal geübt. Die mittlere Zeit der individuellen Videoclips der motorischen Bewährungsbeobachtung betrug zehn neuroreha 2016; 8 Sekunden. Dieser Prozess der Bewegung, Beobachtung und anschließenden Übung jeder einzelnen motorischen Aufgabe wurde zehnmal wiederholt. Insgesamt wurden fünf verschiedene Aufgaben geübt. Die Sitzungszeit variierte zwischen einer Stunde und 90 Minuten – je nachdem wie schwer der Teilnehmer betroffen war und wie komplex die individuelle motorische Leistungsfähigkeit war. Messungen.Primärer Zielparameter war der FMA und der Functional Test of the Hemiparetic Upper Extremity (FTHUE). Sekundäre Zielparameter waren die Confidence in Arm and Hand Movement Scale (CAHM) und der Motor Activity Log (MAL); ebenso wurden Interviews mit den Patienten durchgeführt, um die Belastung der motorischen Übungen näher zu beschreiben. Ergebnisse Die Ergebnisse zeigten insgesamt deutliche Verbesserung im FMA, im FTHUE und in der Bewegungsqualität sowie der Bewegungsausführung, gemessen mit dem MAL. Am deutlichsten war die Verbesserung jedoch in der Phase, wenn Bewegungsbeobachtung und Aktivität zusammen nacheinander geübt wurden. In der Phase, in der Entspannung und Aktivität nacheinander geübt wurden, waren die Ergebnisse schlechter. In Interviews mit den Patienten stellte die Untersuchung fest, dass es zusätzlich gewinnbringend eingeschätzt wurde, wenn die Bewegungsbeobachtung zusätzlich zur Übung durchgeführt wurde. Schlussfolgerung Die Autoren schlussfolgern, dass Bewegungsbeobachtung zwischen den Übungsphasen bei Patienten nach Schlaganfall zu deutlicheren Verbesserungen der Bewegungszeit der oberen Extremität führt und damit zum motorischen Lernen beiträgt. Kommentar Die hier vorgestellte, sehr kleine Studie zeigt, dass Bewegungsbeobachtung und unmittelbares Üben von Aufgaben für die oberen Extremitäten bei Schlaganfall gut miteinander kombinierbar sind. Interessant ist dabei aber auch, dass schon das alleinige Üben in Kombination mit Entspannung die motorische Armleistung verbessert. Wenn anstelle von Entspannung Be- wegungsbeobachtung in die Therapie „eingebaut“ wird, erholen sich die motorischen Funktionen noch deutlicher. Das deutet, gemeinsam mit anderen Studien zum Thema, darauf hin, dass die Bewegungsbeobachtung ein wichtiger Bestandteil des Übens sein sollte. Bewegungsbeobachtung ist somit mehr als „nichts tun und entspannen“ und bedeutet wahrscheinlich eine verbesserte Vorbereitung auf die motorische Ausführung, wenn diese unmittelbar darauf erfolgt. Interessant ist somit, dass sich mit zusätzlichen Bewegungsbeobachtungen in der Übungsphase weitere Effekte in der Armmotorik bei chronischen Patienten erreichen lassen. Das zeigt das Potenzial einer in motorischen Aufgaben integrierten Bewegungsbeobachtung und kann auch eine ideale Pausengestaltung zwischen Übungssequenzen bedeuten. Das sollte in weiteren Stunden untersucht werden. Die methodische Qualität der Studie ist zwar gut. Allerdings handelt es sich hier lediglich um einen Vorher-nachher-Vergleich mit geringem Evidenzniveau. Besser wäre es, wenn die Autoren eine kontrollierte Studie zu dieser Thematik durchgeführt hätten. So wüsste man anhand eines methodisch robusteren Ansatzes, ob die Bewegungsbeobachtung deutlich effektiver ist als bloße Entspannung zwischen den Therapieminuten. Das kann aus dieser Studie jedoch nicht haltbar geschlossen werden. Die Studie gibt eventuell wichtige Impulse für noch zu erstellende Studien. Weitere Studien sollten auf jeden Fall randomisiert kontrolliert diesen Forschungsansatz untersuchen. Vorher lässt sich keine eindeutige Aussage zur Wirkung dieses implizierten Therapieansatzes machen. Fazit. Eine interessante Studie, die uns Ideen zur Pausengestaltung in der motorischen Therapie der oberen Extremitäten bei Schlaganfall liefert. Autor Prof. Dr. rer. medic. habil. Jan Mehrholz Leiter Wissenschaftliches Institut Private Europäische Medizinische Akademie der Klinik Bavaria in Kreischa GmbH An der Wolfsschlucht 1–2 01731 Kreischa Bibliografie DOI 10.1055/s-0042-106238 neuroreha 2016; 8: 56 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 1611-6496 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 56