FAHRZEUGE österreich test Scania R500 EURO 5 Blau-gelb in der höchsten Euro-Liga Was im Fußball aus der Sicht der Blau-Gelben (First VIENNA Football Club) nur Wunschdenken wäre, ist für den schwedischen Scania mit dem R500 Realität: Champion-League-Format mit 500 PS in EURO 5-Version. Ö-TEST Nach den 2006 bereits durchgeführten Traktuell-Österreich-Tests mit den Leistungsgrößen 420 PS und 620 PS ist auch auszutesten, ob der R500 die goldene Mitte darstellt. An Scania sind bei realistischen Langstreckentests hohe Erwartungen zu stellen. Denn diese blau-gelbe Schwedenmarke hat sich auf den Fernverkehr spezialisiert. Mit Seitenblicken auf Baustellen und besondere Einsätze, alles jedoch jenseits der 16-t-Grenze. Der selektive Traktuell-Österreich-Test mit nahezu 600 km Länge entspricht ziemlich genau dem Haupteinsatz des R500. Da ist ein Fahrtbericht über die Eindrücke im Tagesablauf angebracht. Bezüglich des Fahrzeuges, versteht sich. Denn mit drei Autobahnsperren waren die Ereignisse rund herum eher zum Vergessen. Starker Motor und Dreiviertel-Automatik Von einem Motor mit 500 PS und 2.500 Nm Drehmoment ist schon einiges zu erwarten. Interessant ist auch, wie das automatische 12-Gang-Getriebe mit diesen Kräften umgeht. Und warum die Bezeichnung „3/4-Automatik“? So wie bei 24 trak11_06.indd 24 Scania üblich, ist für das Anfahren und Anhalten ein Kupplungspedal erforderlich. Manuelle Korrekturen erscheinen öfters von Vorteil. Weil die Automatik-Steuerung den weiteren Straßenverlauf und die Verkehrssituation natürlich nicht erkennen kann. Oder aber, weil der errechnete Gang per Hand-Korrektur zu optimieren ist. Die Kombination „Automatik mit Kupplungspedal“ ist wie immer am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig. Vielleicht hilft zur Erinnerung für den Lenker ein Knopf im Schalthebel. Dadurch, dass der Druckpunkt an der Kupplung nicht sehr ausgeprägt ist, erfordert das Anfahren auch dann noch erhöhte Konzentration, wenn die Anwesenheit des Kupplungspedals nicht mehr in Vergessenheit gerät. Dabei wäre es gar nicht erforderlich mit mehr als Standgas loszufahren. Beim langsamen Anfahren schaltet die Automatik 2 - 3 - 4 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 12. Einen Zweigang-Sprung gibt es nur von Gangstufe 4 auf 6. Da wäre dem 500 PS-Motor eigentlich mehr zuzutrauen. Nicht so zimperlich ist das Getriebe oft beim Zurückschalten. Da werTRAKTUELL den einige Male, vorwiegend auf Autobahn-Steigungen, die Gänge von 12 auf 10 gewechselt. Mit einem vorbeugenden manuellen Zurückschalten auf die Elfte zieht der starke Motor anstandslos bergauf. Auch die bekannt berüchtigten Serpentinen auf der Teststrecke sind mit manueller Sperre gezielter zu durchfahren. Der starke Motor verzeiht aber auch Fehleinschätzungen der Automatik-Steuerung. Dazu ist die gute Straßenlage zu erwähnen, die ein schwungvolles und sicheres Durchziehen durch die Kurven ermöglicht. Auch beim Hinaufschalten vom 11. auf den 12. Gang auf Autobahn und Bundesstraßen lässt sich die automatische Steuerung unnötigerweise Zeit. Da traut das Getriebe dem starken Motor zu wenig zu. Hebel händisch gedrückt – und schon ist wieder die Zwölfte im Spiel. Fakt ist aber auch, dass das Motorgeräusch im 11. Gang so gering ist und das akustische Schaltsignal nicht vom Ohr erkannt wird. Der manuelle Eingriff in die Automatik ist mittels eines Hebels an der Lenksäule leicht durchzuführen. Das Lenkrad braucht dabei nicht einmal ausgelassen zu werden. Für 80 km/h sind im 12. Gang etwa 1.130 U/min. erforderlich. Bei diesem Autobahn-Tempo ist es in der Kabine äußerst ruhig. Der 70er im Freiland begnügt sich im 12. Gang mit Drehzahlen knapp unter 1.000. Also: es geht ja doch, auf das starke Drehmoment von 2.500 Nm zu vertrauen. Auf den meisten Autobahn-Bergstrecken ist der 11. Gang das Maß fast aller Steigungen. Die erlaubten 80 km/h können auch mit den nahezu 40 t Gesamtgewicht lange gehalten werden. Bei hohem Leistungsbedarf bergauf wird der Turbo ab einer Motordrehzahl von 1.500 U/min. ähnlich einem „Pfeifen der Komantschen“ deutlich hörbar. Da kommt der Turbo ganz schön auf Touren. TESTGESCHWINDIGKEIT MESSPUNKT TEMPO A21 Hochstraß 54 A21 Gießhübl 55 B54 Wechsel 46 Arnwiesen 66 A2 A9 Bosruck 68 B138 St. Pankraz 36 B1 Strengberg 44 Durchschnitt 52,7 11/2006 03.11.2006 13:14:26 FAHRZEUGE Auf dem Strengberg muss in einigen Bergauf-Kurven sogar das Gas etwas zurückgenommen werden, um dem Prinzip des Fahrens auf Sicht zu entsprechen. So stark ziehen die 500 PS bergwärts. Herausragend das Spitzen-Tempo von 36 km/ h auf der starken Steigung von der B1 zur A1-Auffahrt Oed. War erzielbar mit Glück (kein Verkehr auf der Abzweigung), Schwung und Kraft. Bei einigen TunnelBaustellen der A9 gilt Tempo 50, die im 12. Gang sogar mit unter 900 Touren durchfahren werden. Der gute Geradeauslauf ist auf diesen noch weiter verengten Tunnelstrecken besonders wichtig. österreich test GESCHWINDIGKEIT UND VERBRAUCH STRECKE Autobahn A – Freiland+Ortsdurchfahrten FO Die richtige, sichere und sparsame Tempogestaltung hat viel mit der Traktion zwischen Reifen und Fahrbahn zu tun. Da liegt der Scania R500 wirklich gut – im wahrsten Sinn des Wortes. Die satte Straßenlage des gesamten Sattelzuges ermöglicht es, den Schwung gut mit in die Kurven zu nehmen. So gleich zu Beginn der Teststrecke bei der Abzweigung der A1 auf die Außenring-Autobahn am Knoten Steinhäusl. Hier besonders von Vorteil, weil es dann die lange und steile Hochstraß-Steigung hinauf geht. Wirkt sich in der Geschwindigkeit beim Messpunkt am Ende des Berges mit 60 km/h sehr positiv aus. Die mit Tempomat gesetzte Geschwindigkeit und die Überziehung sind am Display gut sichtbar. Die Tempomat-Toleranz kann zwischen +3 und +15 km/h eingestellt werden. Wird der Tempomat vorübergehend ausgeschaltet, so bleiben diese beiden Werte (Tempo + Toleranz) in punktierter Schrift weiterhin sichtbar. Damit weiß man jederzeit, was nach einem „Reset“ des Tempomats zu erwarten ist. Eine der von Scania für den Lenker mitgedachten Funktionen. Auf Änderungswünsche bezüglich der Geschwindigkeit reagiert der Tempomat Einladung zum Einstieg in die große Klasse 26 trak11_06.indd 26 ZEIT TEMPO VERBRAUCH km h:min km/h l/100 km Großram – A1 – A21 – Kreuz Vösendorf A 44 0:35 75 35,3 A2 – Ausfahrt Edlitz A 63 0:49 77 33,9 FO 32 0:32 62 56,9 B54 Wechsel – Auffahrt Friedberg A2 – Autobahn-Kreuz Graz A 88 1:09 77 27,8 A9 – Liezen – Ausf. Windischgarsten A 140 1:47 77 34,8 FO 36 0:35 61 36,9 A 62 0:48 77 24,9 FO 22 0:21 62 58,4 B138 – Auffahrt Inzersdorf A9 – A1 – Linz – Ausfahrt St. Valentin B1 – Strengberg – Auffahrt Oed A1 – Großram A 104 1:21 76 32,9 Autobahn A 500 6:30 77 32,3 FO 90 1:29 60 49,8 590 7:59 74 34,9 Freiland+Ort Tempo und Traktion DISTANZ Gesamt Anmerkungen: Zum Dieselverbrauch von 200,5 Liter sind die 8,3 Liter AdBlue wertberichtigt im Vergleich zum Diesel-Preis dazugerechnet. Wetter: 17°C bei der Abfahrt, zunehmend sonnig. Zu Mittag klettert das Thermometer auf bis zu 28°C Außentemperatur. Nach der Mittagspause hatte die dunkelblaue Lackierung das Fahrerhaus auf 40°C aufgewärmt. Leider darf laut ScaniaWerksanweisung bei Presse-Testfahrten die Klimaanlage nur in Süd-Spanien eingeschaltet werden. Daher ist bei den Verbrauchswerten auf einer Strecke von etwa 250 km dem tatsächlichen Verbrauch die Konsumation einer bei allen anderen Herstellern bei derartigen Temperaturen in Verwendung gewesenen Klimaanlage aus Vergleichsgründen hinzuzurechnen. Andererseits ist der mittelstarke Gegenwind auf den etwa 70 km der A9 von St. Michael bis Liezen als Mehrverbrauch zu berücksichtigen. Verkehr: Drei Autobahn-Staus (15 + 35 + 100 Minuten Stillstand), im Verbrauchswert berücksichtigt. prompt in jeder Situation, egal ob gerade im starken Zugbereich oder bergab auf Schub. Wird beim Zurollen auf eine Kreuzung oder eine enge Kurve der Fuß vom Gas genommen, so erfolgt das Zurückschalten im Automatik-Modus oft mit heftigem Zwischengas. Dadurch kommt es zu einem kräftigen Beschleunigungs-Ruck und es ist dann doch eine Betätigung der Betriebsbremse erforderlich. Weitere Erkenntnisse zum straffen Fahrwerk Akkurate Dämpfung der Stöße und Querrinnen auf den noch nicht sanierten Autobahnen. Der erste Stoß ist zwar deutlich spürbar, aber es federt nur einmal nach. Kabinenaufhängung und Lenkersitz mäßigen diese etwas straffe Federung. Die gute Bodenhaftung ist nicht nur in Querrichtung gegeben, sondern zusammen mit der Lenkung geht es schnurstracks dahin – oder exakt wohin gelenkt wird. Gekrönte Leistung: EURO 5 mit 500 PS TRAKTUELL Durchdachte Dauerbremsen Die Gefällestrecken auf den Autobahnen werden über den Tempomat mit einer Toleranz von mindestens + 3 km/h gehalten. Beim kurzen Antippen auf das Bremspedal gestattet diese zu- und abschaltbare Temposteuerung aber keine Überziehung. Droht das derzeit gefahrene Tempo überschritten zu werden, wird unverzüglich mit den Verlangsameranlagen wirkungsvoll gebremst. Dabei wird zum 4-stufigen Retarder die Motorbremse „dazugemischt“, je nach erforderlicher Bremswirkung. Die Dauerbremsen sind auch über einen Lenkradhebel zu steuern. In den ersten vier Stufen wird der Retarder aktiviert und erst auf Stufe 5 die Motorbremse. Diese Reihenfolge hat einen positiven Einfluss auf die Motortemperatur und vermeidet Lärm. Wichtig vor allem zu nächtlicher Stunde und im Ortsgebiet. Wie bei der Testfahrt erkennbar, hat sich der KühlVentilator nur ganz selten eingeschaltet. Übersichtliche Schalter in guter Reichweite 11/2006 03.11.2006 13:15:29 Neuer Leuchtenblock: sicher und formschön Auf Schub kann der Motor bis 2.200 U/ min hoch gedreht werden. Besonders wegen der stärkeren Wirkung der Motorbremse und der besseren Kühlung. Den Wechsel auf der steirischen Seite hinunter werden 70 km/h im 9. Gang vorerst mit den Retarderstufen gehalten. Erst später ist die Motorbremse bei gleichzeitigem Zurückschalten spür- und hörbar. Dann erst kommt der Ventilator dazu, und auch das nur kurzzeitig. Mit diesem Ablauf sorgen Reserven und eine ausgeruhte Betriebsbremse für Sicherheit. Lenk- und Steuerrad Das Lenkrad ist längst schon nicht mehr nur für die Einleitung von Richtungsänderungen zuständig. So auch bei der Scania R-Serie. Über die untere rechte Taste am Lenkrad sind viele Informationen am Display abrufbar. Auch Einstellungen sind möglich, wie die Überzieh-Toleranz der mit dem Tempomat eingestellten Geschwindigkeit. Mit dem Wippschalter am Lenkrad kann im Display geblättert werden. Einerseits sind die gerade aktuellen Werte ablesbar (Geschwindigkeit, Verbrauch, Turboladung, Öldruck, etc.), ande- Zusätzliche, geschlossene Fächer 11/2006 trak11_06.indd 27 rerseits können die Daten der bisherigen Fahrt abgerufen werden (gefahrene Kilometer, Durchschnitt an Tempo und Verbrauch, Erinnerung an die Lenk-Pausen). Auch die anderen Armaturen und Schalter sind übersichtlich und leicht erreichbar angeordnet. Leider ist auf Scania-Pressefahrten die Klimaanlage in Mitteleuropa tabu. Aus Gründen des Verbrauchs versteht sich. Was gegenüber den Tests mit anderen Marken zu den Verbrauchswerten dazu zu zählen ist, bleibt daher jedem Leser selbst überlassen. Weitere Steuerungselemente: Der automatische Abstandsregler ist in fünf Stufen von etwa 1,5 bis drei Sekunden einzustellen. Solange diese Funktion zwar aktiviert, aber niemand im Vorfeld erfasst wird, ist die Anzeige am Display „gepunktet“. Bei Annäherung auf etwa 150 m werden diese Zahlen und Zeichen des Abstandsreglers betreffend in voller Schrift angezeigt. Bei Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten und der Überholverbote kommt es fast nicht zu eigenen Überholvorgängen, aber wenn es erforderlich ist, wird durch Gasgeben die Abstandsregulierung aufgehoben. Auf der Testfahrt gab es nur zwei Gelegenheiten zum Überholen: auf der Hochstraß-Steigung und vor dem Gleinalm-Tunnel. Hier jedoch mit einem jähen Ende: Plötzlicher Stillstand der Kolonne und 35 Minuten Wartezeit. Ö3-Verkehrsfunk weiß nicht warum. Des Rätsels Lösung: überbreiter Schiffstransport durch den Gleinalmtunnel. Wäre ein nettes Service von der Asfinag, die teuer zahlenden Kunden via Verkehrsfunk zu informieren. Auch vom Stau auf der A1Baustelle Amstetten wurde erst nach langem Stillstand berichtet. Angeblich keine Mitteilung von der Polizei. Das ist aber ein anderes Kapitel und hat auf den Scania-Test im Unterschied zu Hunderten gestauten Lkw mangels Zeitdruck keinen Einfluss. Eher sogar positiv: die Bequemlichkeit der Sitze und die vielen neuerdings geschlossenen und verschließbaren Staufächer fielen auf. Natürlich stellt der Scania auch von außen einiges dar: Formgebung, Farbe und Leuchtenblöcke sind markante Zeichen dafür. Nach acht Stunden Lenkzeit und 2 ½ Stunden Standzeit auf der Autobahn und ohne Klimaanlage bei bis zu 28°C Außentemperatur frisch und gelassen das Testfahrzeug zu verlassen, spricht für das gute Gesamtkonzept des Scania R500. P. Smirz TRAKTUELL TECHNISCHE DATEN Scania R 500 EURO 5 MOTOR Type Zylinder / Ventile Einspritzung Hubraum Bohrung / Hub Verdichtung Leistung Max. Drehmoment DC16 09, Euro 5 8 Zylinder, 4 Ventile/Zylinder Scania EMS, PDE, SCR 15.607 cm3 127 x 154 mm 17:1 368 kW/500 PS bei 1.800 U/min 2.500 Nm bei 1.000 bis 1.350 U/min ELEKTRIK 24 V 2x180 Ah Lichtmaschine 100 A Spannung Batterien GETRIEBE RGRS900 14 vorwärts, 2 retour Übersetzung 16,38:1 bis 1:1 Schaltung Range-Split-Getriebe, elektronisch geschalten Type Gangzahl FAHRGESTELL Radstand Fahrerhaus Lenkung Wendekreis Ø Räder Reifen Federung Achsen 3.550 mm CR19 Highline ZF 8098: Einkreislenkung variabel 14.388 mm; Spurkreis 13.020 mm 22,5 x 9,00, Alufelgen Michelin 315/70 R 22,5 XZA2 und XDE2 vorne Parabel 3x29, hinten Luft VA: AM950, 8.000 kg HA: ADA1302, 11.500 kg BREMSEN Elektronisch gesteuerte Scheibenbremsen, EBS Feststellbremse Federspeicher Vorderund Hinterachse Dauerbremsen Motorbremse, Scania Retarder Betriebsbremse GEWICHTE 7.580 kg technisch:19.500 kg gesetzlich: 18.000 kg Gesamtzuggewicht technisch: 66.000 kg gesetzlich: 40.000 kg Tats. Ges. Gew. 39.960 kg Eigengewicht SZM Höchstzul. Ges.Gew. ABMESSUNGEN SZM: 6.000 mm Sattelzug: 16.500 mm Breite SZM: 2.550 mm Auflieger: 2.550 mm SZM SZM: 3.950 mm Auflieger: 4.000 mm Länge Die technischen Daten sind Werksangaben. 27 03.11.2006 13:16:19