Universität Dresden Laborpraktikum Der ATLAS Versuch Eigenschaften von W-Bosonen und die Suche nach neuer Physik 2 Inhaltsverzeichnis 0 Vorbemerkung 1 Einführung IV 2 1.1 Die elementaren Bausteine der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.2 Relativistische Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Streureaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.4 Feynman-Graphen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.5 Elektromagnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.6 Starke Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.6.1 Hadronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.6.2 Fragmentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.6.3 QCD in Hadronkollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.6.4 Jets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.7 Schwache Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.8 Die elektroschwache Wechselwirkung und das Standardmodell . . . . . . . . . . 15 1.8.1 Der Higgsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2 Der LHC und das ATLAS-Experiment 17 2.1 Der Large Hadron Collider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2 Wechselwirkungen von Teilchen mit dem Detektormaterial . . . . . . . . . . . . . 18 2.3 Der ATLAS-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.3.1 Die Detektor-Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3 Proton-Proton Kollisionen an der Tera-Skala 24 3.1 Die Struktur des Protons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.2 Anschauliche Beschreibung einer Hadron-Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.3 Ereignis-Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.4 Beispielreaktion: der Drell-Yan-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.5 Wirkungsquerschnitte interessanter Prozesse am LHC . . . . . . . . . . . . . . . 30 II INHALTSVERZEICHNIS 4 Die schweren Eichbosonen 31 4.1 Die Eichbosonen der schwachen Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.2 W- und Z-Boson-Produktion am LHC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.2.1 Der indirekte Neutrinonachweis und ET-mis . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.2.2 Kinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.2.3 Transversalimpuls von W und Z-Bosonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3 Messungen der schweren Eichbosonmassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3.1 Präzisionsmessung der Z0 -Masse bei LEP . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.3.2 Messungen der W-Boson-Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.3.3 Methoden zur W-Massen-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.4 Z 0 -Paar-Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 5 Die Suche nach neuer Physik 5.1 39 Die Suche nach dem Higgs-Boson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5.1.1 Der Higgsmechanismus im Standardmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5.1.2 Die Phänomenologie des Higgs-Bosons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.1.3 Produktion des Higgs-Bosons am LHC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.1.4 Die Suchkanäle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5.2 Die Suche nach Supersymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5.2.1 SUSY im ZZ (∗) -Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.2.2 Der Higgssektor in Modellen mit Supersymmetrie . . . . . . . . . . . . . . 47 5.3 Weitere exotische Physikszenarien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5.3.1 Neue schwere Quarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5.3.2 Neue Eichbosonen (Z 0 ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Versuchsaufgaben 48 49 6.1 Versuchsteil 1: Graphische Darstellung von Teilchenreaktionen . . . . . . . . . . 49 6.1.1 Versuchsbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 6.1.2 Versuchsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 6.2 Versuchsteil 2: Kalibration der Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 6.2.1 Die Datei ElecCalib.C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 6.2.2 Anmerkungen zum Fit des Z 0 -Peaks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 6.2.3 Vor Versuchsbeginn zu beantwortende Fragen . . . . . . . . . . . . . . . 53 6.2.4 Versuchsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6.2.5 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6.3 Versuchsaufgabe 3: Messung der W-Boson-Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 6.3.1 Vor Versuchsbeginn zu beantwortende Fragen . . . . . . . . . . . . . . . 56 6.3.2 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 INHALTSVERZEICHNIS III 6.3.3 Versuchsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 6.3.4 Bestimmung der W-Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 6.3.5 Anmerkungen zu systematischen Unsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 58 6.4 Versuchsaufgabe 4: Die Suche nach neuer Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 6.4.1 Vor Versuchsbeginn zu beantwortende Fragen . . . . . . . . . . . . . . . 58 6.4.2 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 6.4.3 Versuchsaufgabe: Z-Paare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 6.4.4 Versuchsaufgabe: Suche nach neuer Physik. . . . . . . . . . . . . . . . . 60 7 Appendix: I.T.-Hilfsmittel 7.1 Datenanalyse mit ROOT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 χ2 -Anpassungen 61 61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 7.3 Die Programmiersprachen C und C++ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 7.4 Graphische Ereignisdarstellung mit dem ATLANTIS-Eventdisplay . . . . . . . . . 68 7.4.1 Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 7.4.2 Das ATLAS-Koordinatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 7.4.3 Die Ereignisdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 7.4.4 Tipps für die Arbeit mit Atlantis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 7.5 Das Kalibrationsobjekt im zweiten Versuchsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 7.6 Das W-Fit-Objekt im dritten Versuchsteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 8 Appendix: ROOT-Tree Descriptions 75 8.0.1 General Remarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 8.1 Z to ee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 8.2 W to e nu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 8.3 Z-Pairs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Bibliography 79 List of Tables 81 List of Figures 81 Kapitel 0 Vorbemerkung In diesem Praktikumsversuch geht es um die fundamentalen Bausteine der Materie – um Quarks und Leptonen. Die Studenten sollen einen Einblick in die Physik am Large Hadron Collider (LHC) gewinnen, einem Teilchenbeschleuniger am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik (CERN), in dem Protonen auf Protonen bei einer Schwerpunktsenergie von 14 Tera-Elektronvolts (TeV) treffen. Der LHC hat eine siebenmal höhere Schwerpunktsenergie als der Beschleuniger der vorhergehenden Generation, und erschließt so einen deutlich größeren Forschungsbereich. In zwei von den insgesamt vier Experimenten am LHC wird die Physik an der Tera-Skala untersucht werden, d.h. die Physik, die im Bereich von 1 TeV liegt. Das ist eine Energieskala, an der die elektroschwache Symmetriebrechung (der ein Richtwert von 246 GeV zugewiesen werden kann) ein große Rolle spielt. Im Prinzip ist diese Physik noch vollkommen unbekannt. Es existieren bestenfalls Extrapolationen in diesen Energiebereich hinein. Das Physikalische Institut der Universität Dresden ist am ATLAS-Detektor beteiligt, einem Detektor, der speziell für die Erforschung der Tera-Skala ausgelegt ist. Er ist mit einer Länge von 44 m und einer Höhe von 26 m eines der größten und komplexesten Physikinstrumente, die jemals gebaut wurden. In diesem Versuch werden Daten des ATLAS-Detektors verwendet. Bei Drucklegung dieses Skriptes ist der Beschleuniger bereits in der Startphase. Trotzdem muss der Versuch zunächst mit simulierten Datensätzen durchgeführt wird, die unserem jetzigen Verständnis der physikalischen Vorgänge am LHC entsprechen. Die simulierten Datensätze haben das gleiche Format wie „echte“ Daten und erlauben so detaillierte Studien zur Rekonstruktion von Proton-Proton-Kollisionen bei hoher Energie. Mit ähnlichen simulierten Datensätzen wurden zahlreiche Vorstudien zur Physik bei ATLAS durchgeführt. Sobald die ersten echten Daten vom LHC zur Verfügung stehen, werden die ersten beiden Versuchsteile auf echte Daten umgerüstet. Die Versuchsteile 3 und 4 erfordern Datensätze, die einer mehrjährigen Datennahme entsprechen. Sie werden daher entsprechend später umgerüstet. Dabei ergibt sich für die Studenten (also für Sie) schon jetzt die Gelegenheit, im Rahmen eines Praktikumsversuches ein aktuelles Thema der experimentellen Teilchenphysik und deren Methodik kennenzulernen. Dabei steht die Physikanalyse im Vordergrund. Die Detektorphysik, die den anderen wichtigen Bereich der Teilchenphysik bildet, wird in Kapitel 2 kurz angeschnitten. Alles, was Sie in diesem Versuch über Detektoren wissen müssen, finden Sie in diesem Kapitel. Für weitere Informationen zu Detektoren empfehlen wir die Vorlesung „Detektoren und Beschleuniger“. Einige der Themen, die wir in diesem Versuch und auch im Skript anreißen, sind recht fortgeschritten. Ihre Behandlung ist aber auf das Niveau des Laborpraktikums abgestimmt. Wir empfehlen bei Fragen, die das Skript nicht beantworten kann, im Vorfeld des Versuches den Betreuer zu kontaktieren. 1 Wenn Sie mehr erfahren wollen, als Sie eigentlich für den Versuch benötigen, haben wir am Ende der Abschnitte weiterführende Literatur angegeben. Diese sind z.T. auf den wissenschaftlichen Preprint-Servern abgelegt und entsprechend referenziert (siehe http://www.arxiv.org/ bzw. http: //www-library.desy.de/spires/hep/search/). Es gibt insgesamt vier Aufgabenblöcke, die an zwei Tagen bearbeitet werden. Die Aufgaben 1 und 2 werden am ersten Versuchstag durchgeführt und bereiten Sie auf den Hauptteil des Versuches (Aufgaben 3 und 4) am darauffolgenden Tag vor. Beachten Sie bitte, dass es in einigen Kapiteln Verständnisfragen gibt, die Sie bitte vor Versuchsbeginn schriftlich beantworten. Viel Spaß und Erfolg bei diesem FP-Versuch, wünscht Ihnen ihr ATLAS-Versuchsteam. Nicolas Möser, Jörg Meier, Jieh-Wen Tsung, Eckhard von Törne (Universität Bonn) sowie Michael Kobel, Marcus Heinrich (Universität Dresden) Danksagung Die Entwicklung des Versuchs sowie des Scripts wurde im Physikalischen Institut der Universität Bonn unternommen. Dafür sind wir im Institut für Kern- und Teilchenphysik der TU Dresden äußerst dankbar und freuen uns, dieses Produkt nun auch bei uns anbieten zu können. Für die Hilfsbereitschaft und das zur Verfügung stellen bedanken wir uns bei Eckhard von Törne (Universität Bonn) und seinem Entwicklungsteam. In Anbetracht dessen, seien Sie bitte nicht verwundert, wenn einige Textpassagen noch Referenzen auf die Uni Bonn haben (Verweise auf den Versuch E214 bzw Bachelor- und Masterstudium) oder einige der weiterführenden Links auf Bonner Internetseiten führen. Bis zur vollständigen Überarbeitung bzw Verselbständigung dieses Versuches bitten wir Sie, die angebotenen Verweise zu nutzen und uns mit Rückmeldungen auf Fehler oder Verbesserungen zu unterstützen. Nochmalig vielen Dank sagen Michael Kobel und Marcus Heinrich Kapitel 1 Einführung Im Rahmen des Versuches E-214 soll in die Physik am ATLAS-Experiment eingeführt werden. Der Gegenstand dieses Versuches ist ein eher unhandlicher: ein typischer Teilchendetektor ist mindestens hausgroß, der ATLAS-Detektor hat sogar eine Länge von über 40 Metern. Diese Größe erklärt sich aus der Notwendigkeit, äußerst hochenergetische Teilchen nachzuweisen bzw. um Endzustände mit sehr vielen Teilchen zu detektieren. Die Teilchen werden in Kollisionen von Protonen auf Protonen bei einer Schwerpunktsenergie von 14 TeV erzeugt. Diese hohe Energie ist notwendig, um kleine Abstände aufzulösen und die Substruktur der Materie zu erforschen. Dazu benötigt man kleine Wellenlängen oder nach de Broglie λ = |~hp| einen hohen Impuls. Die Energieskala, die dabei im Brennpunkt des Interesses liegt, ist die Teraskala – Physik im Bereich von 1 Tera-Elektronvolt (1 TeV). Die Physik an dieser Energieskala hat neben ihrer fundamentalen Bedeutung auch Konsequenzen für die Kosmologie. Im frühen Universum, Sekundenbruchteile nach dem Urknall, herrschten so extreme Druck- und Temperaturverhältnisse, dass die thermische Energie von Teilchen in der Ursuppe an der Teraskala bzw. darüber lag. Wir versuchen im Rahmen dieses Versuches in die Physik bei ATLAS einzuführen. Dabei sind folgende Aufgabenblöcke zu bearbeiten: Aufgabenblock 1: Eventdisplays Machen sie sich mit dem ATLAS-Detektor vertraut und lernen Sie die Charakteristika von LHC-Kollisionen kennen, so wie sie vom Detektor aufgenommen werden. Dazu studieren sie graphische Repräsentationen, sogenannte Eventdisplays, und bearbeiten einführende Aufgaben. Aufgabenblock 2: Kalibration der Elektronen Da Elektronen in den letzten beiden Versuchsteilen ein große Rolle spielen, wird in diesem Block die Energiemessung von Elektronen im ATLAS-Kalorimeter kalibriert. Dabei wird das Datenanalyse-Programm ROOT verwendet. Aufgabenblock 3: Messung der W-Boson-Masse Basierend auf dem vorhergehenden Versuchsteil wird die Masse des W-Bosons im Zerfallskanal W → e− ν̄e gemessen. Aufgabenblock 4: Suche nach neuer Physik In diesem Versuchteil werden Ereignisse mit vier Leptonen untersucht. Neben Z 0 -Paaren gibt es zahlreiche Szenarien für neue Physik, die zu diesem Endzustand beitragen können. Es wird neben der Untersuchung der Z-Paare auch nach Anzeichen für neue Physik geforscht werden. 3 Das Skript soll auf die Durchführung des Versuches vorbereiten. Dabei kann es nicht so umfangreich gestaltet sein, dass es eine einführende Vorlesung über Teilchenphysik ersetzen könnte. Daher setzen wir gewisse Vorkenntnisse voraus, wie Sie z.B. in der einführenden Vorlesung zur Teilchenphysik an der Uni Bonn angeboten werden. Im Diplomstudiengang ist das die Vorlesung Elementarteilchenphysik-1 (LV-6803); im Bachelor-Studiengang die Vorlesung Kern- und Teilchenphysik (Physik511). Als Auffrischung des Gelernten aus dieser Vorlesung ist Kapitel 1 gedacht. Im zweiten Kapitel wird in die Physik der Hadronkollisionen eingeführt. Das dritte Kapitel behandelt den Beschleuniger und den Detektor, sowie einige wichtige Identifikationsmethoden. Kapitel 4 behandelt die schweren Eichbosonen, die in diesem Versuch eine große Rolle spielen. In Kapitel 5 werden mögliche Szenarien für neue Physik diskutiert. Dieses Kapitel bereitet Sie auf den letzten Aufgabenblock dieses Versuches vor. Die Versuchsaufgaben werden in Kapitel 6 dargestellt. Hinzu kommen zwei Anhänge (Hilfsmittel sowie die Beschreibung der ROOT-Trees). Abbildung 1.1: Vom Kristall zum Quark (Quelle: DESY Medienkatalog). Was ist ein Elementarteilchen? Betrachten Sie zunächst die Abb. 1.1, in der verschiedene Größenskalen von der makroskopischen Welt bis hin zu den atomaren und subatomaren Skalen dargestellt sind. Um immer kleinere Skalen aufzulösen benötigt man immer höhere Energien. Einige der dargestellten Objekte gelten bei niedrigen Energien als fundamentale, unteilbare Objekte. Z.B. bedeutet das Wort Atom im Griechischen ’unteilbar’. Wendet man immer höhere Energien auf, so erschließt sich uns eine Unterstruktur, in der selbst atomare Bausteine, wie die Protonen, noch weiter unterteilt werden können. D.h. Protonen sind zwar Teilchen, aber keine Elementarteilchen. Die Definition, was ein Elementarteilchen ist, hängt somit mit unserem Wissensstand und unseren Experimentiermethoden zusammen. Es ist nicht auszuschließen, 4 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG dass Teilchen, die wir derzeit als elementar betrachten, doch eine Substruktur besitzen. Elementarteilchen sind punktförmig. Mit derzeitigen Nachweismethoden heißt punktförmig kleiner als 10−18 m. Eine umfassende Theorie der Elementarteilchen muss eine Vielzahl von Phänomenen erklären: • Das Spektrum der Hadronen und die fundamentale Einteilung in Mesonen und Hadronen. • Das Wechselspiel der drei Kräfte, die für Teilchenreaktionen relevant sind (elektromagnetische Wechselwirkung, starke und schwache Wechselwirkung1 ). • Die Substruktur der Hadronen, vor allem der Protonen und Neutronen, wie Sie in ElektronHadron- oder Hadron-Hadron-Kollisionen zutage tritt. Das Standardmodell der Elementarteilchen ist in der Lage, diese Phänomene zufriedenstellend zu erklären. Die Experimente am LHC stellen einen Test dieser Theorie bei hohen Energien dar. 1.1 Die elementaren Bausteine der Materie Ein wichtiges Ziel der Physik war es schon immer, nach einem einheitlichen Konzept zu suchen, um die Vielfalt der beobachteten Naturerscheinungen zu erklären. Es zeigte sich, dass sich alle physikalischen Vorgänge im Prinzip auf einige wenige Bausteine und Kräfte zurückführen lassen. Nach dem gegenwärtigen Verständnis sind die Grundelemente strukturlose Elementarteilchen. Die Elementarteilchen lassen sich nach ihrem Spin als Fermionen (halbzahliger Spin), oder Bosonen (ganzzahliger Spin) klassifizieren. Die bekannte Materie besteht aus Spin 1/2 -Fermionen, den Leptonen und Quarks2 , die sich in drei Familien einteilen lassen (siehe Abb. 1.2). Die Wechselwirkungen werden durch Austauschteilchen (sog. Eichbosonen) übertragen, die einen Spin von eins haben. Das letzte verbleibende Elementarteilchen ist das Higgs-Boson, dessen Existenz noch nicht experimentell bestätigt werden konnte. Nach dem Higgs-Boson wird bereits seit einigen Jahrzehnten gesucht. Mit der Erschließung des Energiebereiches bis zur Teraskala durch den LHC hofft man, das Higgs-Boson nachweisen zu können, oder aber seine Existenz zu widerlegen. Es ist interessant zu bemerken, dass das Higgs-Boson das einzige elementare, skalare Teilchen (d.h. Teilchen mit Spin Null) im Standardmodell ist. Diese Beobachtung unterstreicht den Sonderstatus des Higgs-Bosons. Elementarteilchen besitzen eine recht unterschiedliche Masse. Vom masselosen Photon und den fast masselosen Neutrinos bis hin zum Top-Quark (Masse ca. 175 GeV) liegt ein sehr weitreichendes Massenspektrum vor. Zwar kann der Ursprung der Masse letztendlich auf das Higgs-Boson zurückgeführt werden, der Ursprung dieses Spektrums ist aber nicht bekannt. Aufschlüsse für diese Frage erhofft man sich vom LHC-Projekt. 1 Gravitation bezogen auf einzelne Elementarteilchen ist zu schwach, um in Teilchenwechselwirkungen eine Rolle zu spielen. 2 Die Buchstaben u, d, c, s, t, b stehen im Folgenden für die Bezeichnungen Up, Down, Charm, Strange, Top und Bottom-Quark. 1.2. RELATIVISTISCHE KINEMATIK 5 Abbildung 1.2: Die Elementarteilchen im Standardmodell. 1.2 Relativistische Kinematik Entsprechend der Einsteinschen Gleichung E = mc2 kann Energie in Materie und Materie in Energie umgewandelt werden. Teilchenphysiker schauen quasi der Natur bei der Erzeugung und Vernichtung von Materie zu. Die Energien, die dabei umgesetzt werden, sind typischerweise 1 bis 1000 GeV. Das ist zwar in Joule umgerechnet nicht viel, ein GeV entspricht ungefähr 1,6 10−10 Joule, stellt aber konzentriert auf nur ein Teilchen eine ungeheure Energie dar. Die typische Geschwindigkeit von Teilchen in unseren Experimenten liegt in der Regel nahe der Lichtgeschwindigkeit. Für jedes Bezugssystem gilt, dass sich masselose Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Kein Teilchen kann sich jedoch schneller als mit Lichtge2 schwindigkeit fortbewegen. Für die Energie eines Teilchens gilt: E = √ mc 2 2 und für den Impuls: p~ = √ γ=√ 1 . 1−v 2 /c2 m~v . 1−v 2 /c2 1−v /c Dabei ist m die Ruhemasse des Teilchens. Wir definieren β = v/c und Bei gegebener Energie und Impuls berechnen sich β und γ wie folgt: |~ p| E und γ = . (1.1) E m Koordinatentransformationen von einem gleichförmig bewegten Bezugssystem (Inertialsystem) in ein anderes werden durch Lorentztransformationen beschrieben. Fasst man Raum und Zeitkomponenten eines Ereignisses zu einem Orts-Vierervektor x mit den Komponenten ct x x= y z β= zusammen, so kann man Lorentztransformationen in Matrixform angeben. Eine Transformation in ein bewegtes Bezugssystem mit Relativgeschwindigkeit v und einer Bewegungsrichtung entlang der x-Achse hat dann folgende Form: γ −βγ 0 0 −βγ γ 0 0 Λ= (1.2) 0 0 1 0 0 0 0 1 6 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG Generell transformiert sich jeder Vierervektor beim Übergang in ein anderes Inertialsystem mittels der Lorentztransformation. Der häufigste Vierer-Vektor, den man in der Teilchenphysik antrifft, ist der Impuls-Vierervektor, oder kurz der Viererimpuls p. Er hat die Komponenten E/c px p= py pz Bei Teilchenkollisionen, sowie bei Teilchenzerfällen, gilt die Erhaltung des Viererimpulses. D.h. die Summe aller Vierervektoren der Anfangszustandsteilchen ist gleich der Summe der Vierervektoren der Endzustandsteilchen. Wenn man Rechnungen in der relativistischen Kinematik durchführt, empfehlen sich häufig Rechenverfahren, in denen man das explizite Anwenden von Lorentztransformationen vermeidet und stattdessen mit Skalarprodukten von Vierervektoren rechnet, die lorentzinvariant sind3 . Zum Beispiel ergibt das Skalarprodukt eines Vierer-Impulses mit sich selber das Quadrat der Ruhemasse des Teilchens: p2 = (E/c)2 −~ p 2 = (mc)2 . Lichtgeschwindigkeitsfaktoren kann man entsprechend der Natürliche-Einheiten-Konvention weglassen, also E 2 − p~ 2 = m2 . Beispiel: Wir betrachten einen Z 0 -Zerfall. Das Z 0 hat eine so kurze Lebensdauer, dass es nicht im Detektor beobachtet werden kann und sofort wieder in ein Elektron-Positron-Paar zerfällt. Die Vierervektoren von Elektron und Positron sind (in GeV): 205, 664 63, 085 19, 529 , pe+ = −26, 691 pe− = 30, 839 −8, 865 −204, 543 −48, 127 Elektron und Positron sind reelle Teilchen. Aus der Viererimpulserhaltung folgt: pe− + pe+ = pZ 0 . Die invariante Masse von pZ 0 lässt sich somit berechnen. Wir erhalten 88,6 GeV, ein Wert, der dicht bei der nominellen Z 0 -Masse liegt. Der Hochenergiegrenzfall Zum Schluss betrachten wir noch den Grenzfall eines Teilchens mit hoher Energie, also E >> m. In den relativistischen Rechnungen kann man in diesem Fall die Masse vernachlässigen. Im relativistischen Grenzfall gilt somit E ≈ P und p2 ≈ 0. Diese Näherung vereinfacht einige relativistische Rechnungen erheblich. 1.3 Streureaktionen Die wichtigsten Begriffe aus der Streutheorie, die wir in diesem Praktikumsversuch benützen, sind Matrixelement, Wirkungsquerschnitt, Luminosität und integrierte Luminosität. Das Matrixelement bzw. die Übergangsamplitude, wird sehr gut bei Berger, Abschnitt 2.1 eingeführt [2]. Aus dem Matrixelement, dass mit Hilfe von Feynmanregeln aus dem Feynmangraphen berechnet werden kann, lassen sich die differentiellen Wirkungsquerschnitte ableiten. Wirkungsquerschnitte werden in barn angegeben (1 barn = 10−28 m). Der Zusammenhang zwischen der mittleren Rate für das Auftreten einer bestimmten Reaktion und dem Wirkungsquerschnitt ist einfach Ṅ = σ · L (1.3) 3 Die Lorentztransformation einer Lorentzinvarianten ist eine triviale Operation, denn der Wert der Invarianten ändert sich nicht dabei. 1.4. FEYNMAN-GRAPHEN 7 dabei ist Ṅ die Zählrate (Streureaktionen pro Sekunde), σ der Wirkungsquerschnitt und L die Luminosität. Die Luminosität ist eine rein auf das Experiment bezogene Größe (in Einheiten von sek−1 cm−2 angegeben), während der Wirkungsquerschnitt die eigentliche Physik enthält. Ereignisanzahlen sind proportional zur integrierten Luminosität, d.h. zum zeitlichen Integral der Luminosität. Daher wird die integrierte Luminosität häufig in inversen barn bzw. in inversen Femtobarn (fb−1 ) angegeben. 1.4 Feynman-Graphen In den 1940ern kam Richard Feynman auf die Idee, Matrixelemente für Streuprozesse durch anschauliche Diagramme, einer Art von Raumzeitdiagrammen, darzustellen, die aus Linien und Vertizes aufgebaut sind. Bei Feynmangraphen entspricht eine Richtung der Zeitachse. Wir folgen der Konvention, dass die Zeitachse von links nach rechts läuft. Die andere Achse ist raumartig, jedoch sollte man bei räumlichen Interpretationen von Feynmangraphen vorsichtig sein. Aus einem Feynmandiagramm kann ein algebraischer Ausdruck für das Matrixelement abgeleitet werden, wobei die sogenannten Feynman-Regeln zur Anwendung kommen. Jede Linie und jeder Vertex im Diagramm entspricht einem mathematischen Term. Legt man die Viererimpulse der einlaufenden und auslaufenden Teilchen fest, so lässt sich das Matrixelement auf effiziente Weise berechnen und liefert letztendlich eine komplexe Zahl. Zudem helfen Feynmandiagramme über die qualitativen Eigenschaften von Reaktionen nachzudenken, sodass diese Diagramme nicht mehr aus der Teilchenphysik wegzudenken sind. Linien, die an einem Ende offen sind, nennt man äußere Linien. Sie entsprechen beobachtbaren Teilchen im Anfangs- oder Endzustand mit definierten Viererimpulsen. Innere Linien sind nicht beobachtbar. Da Viererimpulserhaltung an jedem Vertex gilt, lassen sich bei einer großen Anzahl von Feynmandiagrammen, den sogenannten Baumdiagrammen, die Viererimpulse der inneren Linien aus den äußeren berechnen. In Abb. 1.3 ist ein Beispiel für einen Feynmangraphen zu sehen. In diesem Diagram gilt für den Viererimpuls qγ der inneren Photonlinie qγ = pe− + pe+ = pµ− + pµ+ . Die Viererimpulse von inneren Teilchenlinien können in der Regel nicht die Massenbeziehung M 2 = E 2 − p~2 erfüllen. Als Faustregel gilt, dass der Betrag des Matrixelementes um so kleiner wird, je mehr die innere Linie von der Massenbeziehung abweicht. Teilchen, die inneren Linien entsprechen und nicht die Massenbeziehung erfüllen, nennt man virtuelle Teilchen. Sie werden häufig durch einen hochgestellten Sternchenindex gekennzeichnet, z.B. γ ∗ . 1.5 Elektromagnetismus Die Quantenelektrodynamik (QED) ist die älteste, im gewissen Sinne einfachste und auch die erfolgreichste Eichtheorie. In ihr werden die Wechselwirkungen zwischen elektrisch geladenen Elementarteilchen beschrieben, wobei das Austauschteilchen das Photon ist. Die Feynmandiagramme sind alle aus dem fundamentalen Fermion-Fermion-Photon-Vertex aufgebaut. Der Beispiel-Feynman-Graph Abb. 1.3 hat zum Beispiel zwei solche Vertizes. Genaue Rechnungen von Wirkungsquerschnitten erfordern in der Regel mehr als nur die Born’sche Näherung. Man benötigt zusätzliche Feynmangraphen höherer Ordnung, sogenannte Strahlungskorrekturen. 8 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG Abbildung 1.3: Beispiel für einen Feynman-Graphen. Gezeigt ist der Feynmangraph für die Reaktion e+ e− → µ+ µ− in führender Ordnung Störungstheorie. Die einzige innere Linie ist die des virtuellen Photons. Dabei unterscheidet man generell reelle und virtuelle Korrekturen. Bei reellen Strahlungsprozessen gibt es Anfangsbremsstrahlung (inital state radiation), und die Endbremsstrahlung (final state radiation (FSR), Abb. 1.4) und die Interferenz dieser beiden Effekte zusammen. Die andere Gruppe von Strahlungskorrekturen bilden virtuelle Strahlungsprozesse wie z.B. Vertex- und Propagator-Korrekturen, siehe Abb. 1.5. Diese Korrekturen fügen keine neuen äußeren Teilchen zum Feynmandiagramm hinzu, führen jedoch bei der Berechnung von Matrixelementen zu schwerwiegenden Problemen. Die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung wird durch den Wert der dimensions1 e2 = 1/137 (SI-Einheiten) bestimmt. In natürlichen losen Feinstrukturkonstanten αem = 4πε 0 ~c 2 e Einheiten gerechnet ergibt sich αem = 4π . Wirkungsquerschnitte in erster Ordnung sind pro2 portional zu α . Das Coulomb-Wechselwirkungspotential in der niedrigsten Ordnung Störungstheorie entspricht in natürlichen Einheiten V (r) = −αem /r. Höhere Ordnungen bedeuten auch zusätzliche Faktoren in αem und können aufgrund des kleinen Wertes von αem oft vernachlässigt werden. Die Schleifenkorrekturen führen jedoch zu einer Modifikation der Kopplungskonstante: die QED-Kopplung nimmt mit steigendem Q2 = |q 2 | > 0 zu, wobei q der Viererimpuls des (virtuellen) Austauschteilchens ist. Die Abhängigkeit der Kopplungskonstanten von Q2 liegt an Vakuumpolarisationseffekten, die durch die Erzeugung virtueller e+ e− -Paare dominiert werden und die zur Abschirmung der nackten Ladung führen. Die Kopplung lässt sich in eine Potenzreihe entwickeln: " # 2 2 2 αem Q αem Q 2 αem (Q ) = αem 1 + log + log + ... (1.4) 3π µ2 3π µ2 wobei µ eine willkürliche Renormalisierungsskala ist. Die Bedingung, das beobachtbare Größen von µ unabhängig sind, führt zur Renormierungsgruppengleichung, die die Q2 -Abhängigkeit von αem beschreibt. Die Kopplungskonstante ist daher keine wirkliche Konstante, sondern ist abhängig von der Energieskala, an der man die Reaktion betrachtet. Man spricht von der laufenden Kopplungskonstanten. Bei niedrigen Q2 gilt αem = 1/137. An der Skala der Z-Masse gilt: αem (MZ2 ) ≈ 1/128. 1.6 Starke Wechselwirkung Die Quantenchromodynamik (QCD) ist als Theorie der starken Wechselwirkung ebenso wie die QED eine Eichtheorie. An die Stelle der elektrischen Ladung tritt die Farbladung, ein in- 1.6. STARKE WECHSELWIRKUNG Abbildung 1.4: Beispiel für eine reelle QED-Strahlungskorrektur, Abstrahlung im Endzustand, final state radiation (FSR). Abbildung 1.5: Beispiel für eine virtuelle QED-Strahlungskorrektur (links, Propagator-Korrektur, rechts: Vertexkorrektur). 9 10 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG nerer Freiheitsgrad mit drei möglichen Zuständen, rot, grün, blau, deren Benennung willkürlich festgesetzt wurde 4 . Kräfte treten nur zwischen farbgeladenen Zuständen auf. So wie in der QED sind in der QCD die Quanten des Kraftfeldes masselose Teilchen mit Spin = 1, die sogenannten Gluonen. Die Symmetriegruppe der starken Wechselwirkung ist SU (3). Sowohl Quarks als auch Gluonen unterliegen der starken Wechselwirkung. Quarks tragen eine Farbladung (Rot, Grün, Blau); Gluonen übertragen nicht nur die Farbwechselwirkung, sondern tragen selber eine Farbladung, die sich aus einem Farb- und einem Anti-Farbanteil zusammensetzt. Es gibt insgesamt neun Kombinationen von Farbe und Anti-Farbe. Eine Kombination ist jedoch insgesamt farbneutral und kann durch Wahl einer geeigneten Eichung eliminiert werden. Es gibt somit acht Gluonen, die eine Oktettdarstellung der SU (3)-Gruppe bilden. Die Rolle des Fermion-Fermion-Photon-Vertex der QED spielt in der QCD der Quark-QuarkGluon-Vertex. Aufgrund der Farbladung der Gluonen gibt es aber noch zwei weitere fundamentale Vertizes. Einen Drei-Gluon-Vertex und einen Vier-Gluon-Vertex. Die Gluonselbstwechselwirkung hat einen großen Einfluss auf Vakuumpolarisationseffekte5 . An die Stelle der elektromagnetischen Kopplungskonstanten α, die die Stärke der Kraft charakterisiert, tritt die QCD-Kopplungskonstante αs . Wie in der QED, so führt auch in der QCD die Vakuumpolarisation zu einer laufenden Kopplungskonstanten αs (Q2 ), die vom Impulsübertrag Q2 abhängt. 12π (1.5) αs (q 2 ) = (33 − 2Nf ) · log(Q2 /Λ2 ) Dabei bezeichnet Λ den Skalenparameter der QCD mit einem Wert, der experimentell bestimmt werden muss und alternativ zu αs verwendet werden kann, um die Stärke der Farbkraft zu charakterisieren (Λ ≈ 200 M eV ). Nf ist die Zahl der Quarksorten (Flavors), die in dem Prozess zu betrachten sind (Nf = 5 bei ECM ≈ MZ ). Im Gegensatz zur QED nimmt αs (Q2 ) mit wachsendem Q2 ab und geht im Grenzwert sogar gegen Null. Man spricht von asymptotischer Freiheit. Dies zeigt sich auch experimentell, wenn man in tief-inelastischen Streuungen die Quarks in Hadronen untersucht. Diese verhalten sich bei hohen Impulsüberträgen wie quasifreie Teilchen. Die Kopplungskonstante αs (Q2 ) wächst mit kleiner werdendem Q2 und hat bei Q2 = Λ2 sogar eine Polstelle. D.h. bei kleinen Q2 wird αs so groß, dass sich die Wechselwirkung nicht mehr mit den Methoden der Störungsrechnung beschreiben lässt. Dort treten die Farbwechselwirkungen in den Hintergrund und man muss theoretische Ansätze wählen, in denen gebundene Zustände, wie z.B. Pionen, die effektiven Freiheitsgrade sind. Überträgt man die Argumentation von Impulsüberträgen Q2 in effektive Potentiale als Funktion des Abstandes (große Abstände entsprechen kleinen Q2 und umgekehrt), so ergibt sich, dass bei langreichweitigen QCD-Feldern die Störungstheorie zusammenbricht. Das liefert einen Erklärungsansatz für die Tatsache, dass alle Hadronen farbneutral sind, d.h. dass alle Farbfelder in das Innere von Hadronen gebannt sind und somit kurzreichweitig sind. Man spricht vom confinement. Versucht man ein Quark aus einem Hadron zu stoßen, so wirken auf die Hadronen effektive Potentiale, die aufgrund des laufenden Kopplungskonstanten αS einen langreichweitigen Anteil erhalten V (r) = κ · r, Je größer die Entfernung wird, desto größer wird die Feldenergie, bis diese ausreicht, aus dem Vakuum Quark-Antiquark-Paare zu erzeugen, die die Farbladung effektiv abschirmen (Vakuumpolarisationseffekte). 4 So ganz willkürlich ist die Namensgebung nicht, da eine Überlagerung aller drei QCD-Ladungszustände einen ungeladenen Zustand erzeugt, so wie die Überlagerung der drei Grundfarben die Farbe weiß, also farblos, ergibt. 5 QCD-Vakuumpolarisation können entweder virtuelle Quark-Antiquark-Paare sein oder auch Gluonen, da diese selber Farbladungen besitzen. 1.6. STARKE WECHSELWIRKUNG 11 Erklärungen für die Phänomenologie der QCD haben somit ihren Ursprung in der Skalenabhängigkeit der starken Kopplungskonstanten. Ihr Verlauf ist in Abb. 1.6 dargestellt. Man sollte sich den Wert der starken Kopplung an der Z-Massenskala merken: αs (MZ2 ) ≈ 0, 12. 1.6.1 Hadronen Die Hadronen sind gebundene Zustände aus Quarks. Gebundene Quarkzustände gibt es in der Form von q q̄, das sind Mesonen, und Drei-Quark-Zustände, den Baryonen. Der Grund für diese Struktur ist wieder die Farbladung. Aufgrund des Confinements müssen Hadronen farbneutrale Zustände sein. Dies kann man erreichen, indem man ein rotes, grünes und blaues Quark kombiniert – das ergibt ein Baryon, oder man kombiniert ein rotes Quark mit einem antiroten Anti-Quark, das ergibt grob gesprochen, ein Meson. Genauer gesagt ist der Farbzustand eines Mesons √13 (qB q̄B̄ + qG q̄Ḡ + qR q̄R̄ ), wobei die Indizes die (Anti-)Farben der (Anti-)Quarks angeben. Der Farbzustand eines Baryons ist √16 εijk qi qj qk . Dabei ist εijk der total-antisymmetrische Tensor dritter Stufe, Die Bezeichnung q1 entspricht einem roten Quark, q2 einem grünen und q3 einem blauen. 1.6.2 Fragmentation Wie gehen aus hochenergetischen Quarks und Gluonen Hadronen hervor, die wir im Detektor beobachten können? Exakt lässt sich das nicht ausrechnen, da dieser Prozess bei niedrigem Q2 stattfindet und daher nicht-perturbativ ist. Man kann sich jedoch ein anschauliches Bild von diesem Prozess machen, das sich mit Hilfe von phänomenologischen Modellen weiter ausgestalten lässt. Wir betrachten zunächst einen Zustand aus Quarks und Gluonen, z.B. ein q q̄-Paar aus der Streureaktion e+ e− → q q̄. Diese Reaktion geschieht durch elektromagnetische Wechselwirkung und ist problemlos berechenbar. Nun betrachten wir die weitere Evolution des q q̄-Zustandes. Würden wir die elektromagnetische Wechselwirkung zugrunde legen, so hätten wir einen elektrischen Dipol, dessen Kopplung mit der Entfernung abnimmt. Im Falle der Quantenchromodynamik haben wir einen Farb-Dipol, bei dem die Kopplung mit zunehmender Entfernung ansteigt anstatt abzufallen. Die Feldlinien bilden kein reguläres Dipolfeld aus, sondern sind auf einen kleinen Bereich zwischen den Farbladungen beschränkt, der sogenannten Farbflussröhre, dem String. Wenn man nun versucht, zwei Quarks auseinanderzuziehen, so wird die Energiedichte im String größer, bis sie schließlich ausreicht, aus dem Vakuum durch Tunneln ein Quark-Antiquark-Paar zu erzeugen. Das Farbfeld wird unterbrochen. Ein langreichweitiges Farbfeld wird so unterbunden. Die Quark-Antiquark-Paare aus dem String gehen meistens in Mesonzustände über. Der Mechanismus, um Baryonen zu erzeugen, ist komplizierter und erfordert die Erzeugung eines Diquark-Anti-Diquark-Paares aus dem Vakuum. Baryonen machen daher nur ca. 10% der Teilchen in hochenergetischen Hadronreaktionen aus. 1.6.3 QCD in Hadronkollisionen Quarks und Gluonen kommen nicht als freie Teilchen vor, sondern nur als gebundene Zustände. Protonen sind nicht als fundamental anzusehen, sondern bestehen aus drei (Valenz-)Quarks. Die Quarks wiederum werden durch den Austausch von Gluonen zusammengehalten. Das führt zu großen Unterschieden zwischen den Streureaktionen von Lepton-Lepton gegenüber 12 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG Abbildung 1.6: Das Laufen der Kopplung αs als Funktion der Renormierungsskala Q. (Quelle: S. Bethke, [arXiv: hep-ex/0407021]) Abbildung 1.7: Feynman-Diagramm für eine reelle QCD-Strahlungskorrektur. 1.7. SCHWACHE WECHSELWIRKUNG 13 Hadron-Hadron-Kollisionen. Eine Reaktion zweier Leptonen (z.B. Elektron auf Positron) führt in der Regel nur zur Erzeugung weniger neuer Teilchen (Ausnahme sind Reaktionen wie z.B. e+ e− → q q̄). Betrachtet man dem gegenüber die Kollision von Hadronen bei hohen Energien, so findet man praktisch keine übersichtlichen Endzustände mehr. Zwar kommt es in der Kollision zu einer Zwei-Teilchenreaktion zweier Partonen (z.B. Quark-Quark, Quark-Gluon oder GluonGluon), gleichzeitig fliegen die restlichen Bestandteile der Hadronen weiter in die ursprüngliche Richtung. Es gibt in Hadron-Hadron-Reaktionen also immer einen Vielteilchen-Endzustand. 1.6.4 Jets Aufgrund der Struktur der starken Wechselwirkung bilden sich aus einem gestreuten, hochenergetischen Parton (entweder ein Quark oder ein Gluon) sogenannte Jets. Das sind Bündel aus Hadronen, die ungefähr in die ursprüngliche Richtung des Partons fliegen und die ein bis ein paar Dutzend Hadronen umfassen können. Die experimentelle Herausforderung ist die Rekonstruktion von Jets, die sich teilweise überlappen oder sehr breit sein können. Es gibt verschiedene Jet-Rekonstruktionsalgorithmen, deren Ziel es, ist die Viererimpuls der ursprünglichen Partonen möglichst gut zu rekonstruieren. Wir verwenden in diesem Versuch sogenannte Kegel-Algorithmen (“Jet cone algorithm”). In einem Kegel um eine Achse werden alle Energieeinträge gesammelt und der Gesamtimpuls der Einträge berechnet. Ein Kegel wird um die neue Impulsachse gelegt und die Energieeinträge werden erneut gesammelt. Dieser Algorithmus wird iteriert, bis sich die Kegelachse nicht mehr verschiebt. Alle Teilchen/Energieeinträge werden einem Jet zugeordnet und ein Jet-Viererimpuls wird berechnet. Die Anzahl der Jets kann in Hadron-Kollisionen sehr groß sein, da es auch in der QCD Strahlungskorrekturen gibt. Die Abstrahlung reeller Gluonen entweder im Anfangs- oder im Endzustand führt zur Bildung weiterer Jets (siehe Abb. 1.7). Da die starke Kopplungskonstante recht groß ist, ist die Wahrscheinlichkeit für zusätzliche (harte) Gluonen recht hoch. Dieser Sachverhalt spielt in diesem Versuch eine wichtige Rolle. Näheres dazu in Kapitel 3. 1.7 Schwache Wechselwirkung Die schwache Wechselwirkung wurde erstmals anhand von Beobachtungen des nuklearen Beta-Zerfalles hergeleitet. Enrico Fermi postulierte in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts erstmals eine Theorie der schwachen Wechselwirkung. Die Form der Wechselwirkung wurde analog zu elektromagnetischen Reaktionen angesetzt. Die nach Fermi benannte Kopplungskonstante ist jedoch anders als bei Elektromagnetismus und QCD eine dimensionsbehaftete Kopplungskonstante (Fermikonstante in natürlichen Einheiten GF = 1, 16637(1) × 10−5 GeV −2 ). Fermis Theorie liegt eine Vierpunktwechselwirkung zugrunde. Aus der Messung von Reaktionsraten schwacher Wechselwirkungen bei niedrigen Energien konnte abgeleitet werden, dass die schwache Kraft deutlich schwächer als die starke Kraft oder die elektromagnetische Wechselwirkung ist. Fermis Theorie beschrieb erfolgreich niederenergetische Wechselwirkungen, versagte jedoch bei hohen Energien. Ein einfaches Argument gegen Fermis Theorie bei hohen Wechselwirkungen beruht auf der Tatsache, dass die Fermikonstante eine Dimension aufweist (GeV−2 ). Einige Wirkungsquerschnitte, die im Rahmen dieser Theorie berechnet werden, sind proportional zur Schwerpunktsenergie zum Quadrat, d.h. sie divergieren, wenn die Schwerpunktsenergie gegen unendlich strebt. Das führt zu einer Verletzung der Unitarität bei hohen Energien. Aus der modernen Sicht wird die Vierpunktwechselwirkung durch den Austausch eines virtuellen W-Bosons ersetzt. Beispiele für schwache Zerfälle in der modernen Sichtweise sind in 14 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG Abb. 1.8 angegeben. B-Hadron-Zerfälle stellen eine Quelle von Leptonen an HadronBeschleunigern dar. Wie man Abb. 1.8 (a,b) entnehmen kann, koppeln W-Bosonen nicht nur an Quarks einer Generation. Die Kopplungen des W-Bosons an die einzelnen Quark-Flavors wird durch die Cabibbo-Kobayashi-Maskawa-Matrix (kurz CKM-Matrix) beschrieben. Kopplungen der WBosonen an Quarks unterschiedlicher Generation sind unterdrückt, z.B. hat das CKM-MatrixElement Vcb einen Wert von 0,04. Die Zerfallsbreite Γ(b → c) ist proportional zu |Vcb |2 , daher ist die Lebensdauer von B-Hadronen6 recht groß: das cτ beträgt einige hundert µm. Die schwache Wechselwirkung ist eine Eichwechselwirkung mit Spin-1 Eichbosonen und der Eichgruppe SU (2). In Abb. 1.9 sind die wichtigsten Vertizes der Schwachen Wechselwirkung gezeigt (Es gibt außerdem noch Vier-Eichbosonen-Vertizes). Abbildung 1.8: Beispiele für schwache Zerfälle. (a) Hadronischer Zerfall eines B-Hadrons. (a) Semi-Leptonischer Zerfall eines B-Hadrons. In beiden Fällen ist das W-Boson sehr virtuell. Unten: Schwacher Zerfall eines Top-Quarks. Aufgrund der großen Masse (175 GeV >> mW ) zerfällt das Top-Quark in ein relles W und ein b-Quark. Im Jahr 1967 stellten Glashow, Weinberg und Salam eine Theorie der schwachen Wechselwirkung auf, die auf einer SU (2)-Eichtheorie mit dimensionsloser Kopplungskonstanten gW basierte. Die Fermikonstante ergab sich aus dieser Theorie zu √ GF = 2 2 gW 2 8 MW (1.6) Die Theorie beschreibt sowohl schwache als auch elektromagnetische Wechselwirkungen in einer gemeinsamen Theorie. Im Rahmen dieser elektroschwachen Theorie wurden die schweren Eichbosonen W ± und das Z 0 vorhergesagt, deren Massen zwischen 80 und 100 GeV liegen sollten. Die Entdeckung des W-Bosons mit einer Masse MW von ca. 80 GeV und später die des Z 0 -Bosons mit einer Masse von 91 GeV stellten einen spektakulären Erfolg der Theorie dar. 6 Das sind Hadronen mit b-Quark-Flavor. 1.8. DIE ELEKTROSCHWACHE WECHSELWIRKUNG UND DAS STANDARDMODELL 15 Abbildung 1.9: Die wichtigsten Vertizes der Schwachen Wechselwirkung. ’f’ steht dabei für ein Fermion. 1.8 Die elektroschwache Wechselwirkung und das Standardmodell Die Masse der schweren Eichbosonen stellt prinzipiell ein Problem dar, da die Massenterme in der Lagrange-Dichte die Eichinvarianz der Theorie zerstören und zur Nicht-Renormierbarkeit der Theorie führen. Der Higgsmechanismus und die spontane Symmetriebrechung der elektroschwachen Symmetrie lösen jedoch dieses Problem. Die elektroschwache Wechselwirkung entsteht aus der Vereinigung der schwachen mit der elektromagnetischen Kraft. Beide Wechselwirkungen beruhen auf lokalen Eichtheorien U (1)em für die elektromagnetische und SU (2)L für die schwache Kraft. Die vereinigte Wechselwirkung mit der Eichgruppe U (1)Y × SU (2)L lässt sich am Beispiel des Elektrons und seines Neutrinos erörtern. Die Wellenfunktionen dieser Teilchen bestehen aus einem linkshändigen eL SU (2)L -Dublett und einem rechtshändigen Singulett (eR ). Y ist die schwache HyperlaνeL dung, die die Erzeugende von U (1)Y ist. Das dazugehörige Vektorfeld wird mit Bµ bezeichnet. Die Kopplungskonstanten beider Eichwechselwirkungen sind g für SU (2)L und g 0 für U (1)Y . Zu diesen Eichgruppen gehören vier Vektorbosonen, γ, Z 0 und die beiden W-Bosonen. Photon und Z 0 sind Linearkombinationen der neutralen Eichfelder Z0µ = cos ϑW Wµ3 − sin ϑW Bµ γµ = sin ϑW Wµ3 + cos ϑW Bµ . (1.7) (1.8) Die Linearkombinationen werden dabei so angesetzt, dass das Photonfeld nicht an das Neutrino koppelt. Der Weinbergwinkel ϑW ist gegeben durchpeine Kombination der SU(2)-Kopplung g und Hyperladungskopplung g 0 , und zwar sin ϑW = g 0 / g 02 + g 2 . Die in dieser Lagrangedichte beschriebenen Eichbosonen sind masselos. Eine Ad-HocEinführung von Massentermen der Form m2 Wµα Wαµ bräche die Invarianz unter lokalen Eichtransformationen Wµα → Wµα + ∂µ λ und würde dazu führen, dass die Theorie nicht renormierbar ist. Zudem ist die SU (2)L -Symmetrie zwischen Elektron und Neutrino vollständig gültig und beide Teilchen sind masselos. Die Lagrangedichte muss nun so modifiziert werden, dass Massenter- 16 KAPITEL 1. EINFÜHRUNG me für Eichbosonen und Fermionen auftreten und die SU (2)L -Symmetrie gebrochen ist, ohne dass die Eigenschaft der Renormierbarkeit verloren geht. 1.8.1 Der Higgsmechanismus Um diese Probleme zu überwinden, wurde Mitte der 60er Jahre der Higgsmechanismus entwickelt. Im Rahmen dieser Theorie wird ein SU (2)L -Dublett komplexer skalarer Felder postuliert, Φ1 Φ= . Φ2 Einer der Beiträge des Higgs-Feldes zur Gesamtlagrangedichte ist der sogenannte Potentialterm, der bewirkt, daß der Grundzustand des Systems, an dem V (Φ) minimal wird, nicht mehr mit der Abwesenheit aller Felder zusammenfällt, sondern einen Vakuumerwartungswert von Φ mit < 0|Φ|0 >= Φ0 aufweist, dessen Wert bei 246 GeV (in natürlichen Einheiten) liegt. Damit werden dem niedrigsten Energiezustand (was dem Vakuum entspricht) Eigenschaften zugeordnet, die die Symmetrie der Grundgleichungen brechen. Man spricht von einer spontanen Symmetriebrechung. Um zu einer Feldtheorie für beobachtbare Felder zu gelangen, wird Φ um den Vakuumerwartungswert entwickelt: Φ = Φ0 + Φ0 . Das Feld Φ0 besitzt vier reelle Feldfreiheitsgrade, während Φ0 als konstanter Term in die Entwicklung der Lagrangedichte eingeht. Einige Terme in dieser Entwicklung, die die Konstante Φ0 enthalten, stellen effektive Massenterme für die Eichbosonen W± und Z 0 dar. Auf ähnliche Weise treten Massenterme für die Fermionen auf. Der Grundzustand besitzt weiterhin eine Symmetrie, die nach dem Goldstone-Theorem zum Auftreten von drei masselosen Skalaren führt. Diese skalaren Feldfreiheitsgrade bilden die longitudinalen Spinpolarisationszustände der vorher masselosen Eichbosonen. Der letzte verbleibende Freiheitsgrad des Higgsdubletts stellt ein reelles Spin-0-Teilchen dar, das HiggsBoson. Mehr zum Higgsmechanismus in Abschnitt 5.1. Kapitel 2 Der LHC und das ATLAS-Experiment 2.1 Der Large Hadron Collider Der Large Hadron Collider (LHC) ist ein Proton-Proton-Ringbeschleuniger, der am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik (CERN) in Genf aufgebaut worden ist. Zum Zeitpunkt der Drucklegung durchläuft der LHC die ersten Tests an Einzelkomponenten. Der LHC ist in dem alten Tunnel des LEP-Beschleunigers untergebracht, der sich ca. 100 Meter unter der Erde vor den Toren der Stadt Genf befindet. Ein Bild aus dem LHC-Ring ist in Abb. 2.1 gegeben. Abbildung 2.1: Ein Bild aus dem LHC-Ring. Man sieht deutlich die beiden Strahlrohre, wie sie aus einem der 14 m langen Dipolmagnete herausragen, sowie zahlreiche Leitungen des umfangreichen Kühlsystems. Die Protonen stammen aus einer Wasserstoffquelle und werden in mehreren Vorbeschleunigerstufen auf eine Energie von 450 GeV gebracht und danach in den LHC-Ring injiziert. Die Beschleunigung erfolgt mit Hochfrequenz-Kavitäten mit einer Frequenz von ca. 400 MHz. Die 18 KAPITEL 2. DER LHC UND DAS ATLAS-EXPERIMENT Maximalenergie der Strahlen wird interessanterweise durch das Feld der Dipolmagnete limitiert. Die Protonen müssen auf der durch den Ring vorgegebenen Kreisbahn gehalten werden. Daher sind überall am Ring 14 m lange Dipolmagnete aufgestellt. Es gibt nur kurze Unterbrechungen in der Kette der Dipolmagnete, um Platz für Beschleunigungskavitäten, Fokussierungmagnete oder Detektoren zu lassen. Die Magneten werden ebenso wie das Hochfrequenzsystem supraleitend betrieben. Zur Ablenkung der beiden entgegengesetzt laufenden Protonenstrahlen werden entgegengerichtete Feldrichtungen benötigt. Man arbeitet daher mit zwei verschiedenen Strahlrohren und zwei voneinander unabhängigen Magnetsystemen. Nur an den vier Wechselwirkungspunkten werden die beiden Strahlen zur Kollision gebracht. Jeder der beiden Protonenstrahlen soll eine Energie von 7,0 Tera-Elektronenvolt (TeV) erreichen. Da beiden Strahlen genau entgegengesetzt aufeinandertreffen, ist der Schwerpunkt der Reaktion in Ruhe. Das Laborsystem ist daher auch das Schwerpunktssystem und die Energie √ im Schwerpunktssystem ist somit ECM = s = 14 T eV . Nach einer zeitlich begrenzten Phase bei einer niedrigen Luminosität wird die angestrebte Luminosität, die sogenannte DesignLuminosität von L = 1034 s−1 cm−2 erreicht werden, so lautet die derzeitige Planung. Wichtige Parameter des Beschleunigers sind in Tabelle 2.1 angegeben. An den vier WechselwirkungsUmfang Energie pro Strahl ECM Anfangs-Luminosität Integrierte Anfangs-Lumi pro Jahr Design-Luminosität Integrierte Design-Lumi pro Jahr Maximale Feldstärke der Ablenkmagnete 27 km 7,0 TeV 14,0 TeV 2 × 1033 s−1 cm−2 10 fb−1 pro Jahr 1 × 1034 s−1 cm−2 100 fb−1 pro Jahr 8,3 Tesla Tabelle 2.1: Kenngrößen des LHC-Beschleunigers. punkten des LHC befinden sich die Experimente ALICE, ATLAS, CMS und LHC-b. Der LHC-bDetektor ist an die Erfordernisse der b-Quark-Physik angepasst. Das ALICE-Experiment nimmt nur Daten in speziellen Runs mit Schwer-Ionen. Die beiden Detektoren ATLAS und CMS sind als Vielzweckdetektoren ausgelegt. Die Untersuchung von Proton-Protonkollisionen bei 14 TeV Schwerpunktsenergie mit dem ATLAS-Detektor ist der Gegenstand dieses Praktikumsversuches. 2.2 Wechselwirkungen von Teilchen mit dem Detektormaterial Der ATLAS-Detektor am CERN ist so konzipiert, dass er einen möglichst großen Raumwinkelbereich abdeckt und möglichst alle Teilchen, die erzeugt werden, nachweist. Aufgrund der verschiedenartigen Wechselwirkungen der Teilchen mit Materie ist dies nur dadurch möglich, dass spezialisierte Detektorkomponenten eingesetzt werden. Bevor wir die einzelnen Komponenten des Detektors diskutieren, wollen wir kurz auf die Prinzipien des Teilchennachweises eingehen. Zunächst einmal haben hochenergetische Elementarteilchen die Fähigkeit, in gewissen Maße Materie zu durchdringen. Geladene Teilchen ionisieren dabei das Detektormaterial und erleiden einen Energieverlust (je nach Materialart im Bereich von keV/cm bis MeV/cm). Die Ionisationsladung kann nachgewiesen werden und bildet die Grundlage für den Teilchennachweis. 2.2. WECHSELWIRKUNGEN VON TEILCHEN MIT DEM DETEKTORMATERIAL 19 Spurrekonstruktion bedeutet die Rekonstruktion von Flugbahnen elektrisch geladener Teilchen. Gewöhnlich wird ein B-Feld angelegt, da man aus der Krümmung der Bahnen auf den Impuls des Teilchens schließen kann. Das Magnetfeld wird dabei parallel zur Strahlrichtung ausgerichtet, um die Flugbahnen der Protonen im Beschleuniger nicht zu stören. Photonnachweis Elektrisch neutrale Teilchen, wie z.B. Photonen können (praktisch) nicht nachgewiesen werden, ohne zerstört zu werden. Während die meisten Materialien für Photonen im Lichtbereich (Energie von einigen Elektronenvolt) undurchdringbar sind (undurchsichtig), ändert sich das rasch, wenn man über den Röntgen- in den Gamma-Bereich (einige MeV) übergeht. Photonen von mehr als einem GeV können durch einige Zentimeter Materie fliegen, ohne zu wechselwirken. Die Reichweite hängt dabei sehr stark von der Dichte des Materials und der Kernladungszahl ab. Kommt es zur Absorption hochenergetischer Photonen (durch die Prozesse Paarbildung oder Comptonstreuung) wird die Energie in eine Kaskade von Photonen und Elektron-Positron-Paaren übertragen. Es bildet sich ein Teilchenschauer aus. Aus der Lichtmenge oder der Menge der erzeugten Ladung, die man z.B. mit Spurkammern nachweisen kann, lässt sich auf die Energie des ursprünglichen Teilchens schließen. Elektromagnetische Schauer werden von Elektronen (und Positronen) oder Photonen ausgelöst. Die Prozesse Paarbildung, Comptonstreuung und Bremsstrahlung treten bei der Schauerentwicklung auf. Da diese Prozesse ebenfalls nur Elektronen und Photonen erzeugen, ist der Schauer recht homogen. Die longitudinale Ausdehnung der Schauer wird durch die Strahlungslänge X0 beschrieben, die für die meisten Materialien im Bereich von einigen cm liegt. Ein Elektron hat nach einer Strahlungslänge nur noch 1/e seiner urspünglichen Energie und hat den Rest aufgrund von Bremsstrahlungsprozessen abgegeben. Hadronische Schauer werden von Hadronen ausgelöst, die mit Atomkernen des Detektormaterials inelastisch wechselwirken. Dabei werden zahlreiche Hadronen und Kernbruchstücke erzeugt, die wiederum stark wechselwirken können. Bei hochenergetischen Hadronen bildet sich daher ein lawinenartiger Hadronschauer aus. Auch hier ist die Anzahl der erzeugten Teilchen ein Maß für die Energie des Primärteilchens. Die longitudinale Ausdehnung der hadronischen Schauer kann durch die hadronische Wechselwirkungslänge λ abgeschätzt werden. Die Wechselwirkungslänge λ ist so definiert, dass nach einem λ ist die Anzahl der Hadronen, die noch nicht eine starke Wechselwirkung hatten, auf den Bruchteil 1/e abgefallen ist. λ ist deutlich größer als die Strahlungslänge X0 . Berücksichtigt man all diese Aspekte, so ergibt sich als Leitidee für den Detektorbau ein in Subdetektorkomponenten aufgeteilter Detektor, in dessen inneren Lagen Messungen an geladenen Teilchen vorgenommen werden (nicht-destruktive Messungen in Spurdetektoren). Danach werden dickere Materieschichten eingesetzt um (fast) alle Teilchen aufschauern zu lassen (destruktive Messungen in Kalorimetern). Der Kalorimeterteil wird dabei in zwei Subdetektoren unterteilt. Die ersten Detektorlagen sind speziell für elektromagnetiche Schauer ausgelegt, sie werden also deutlich feiner segmentiert, da Elektronen und Photonen deutlich früher aufschauern als Hadronen. Daran schließt sich ein gröber segmentiertes Kalorimeter an, in dem die meisten Hadronen aufschauern. 20 KAPITEL 2. DER LHC UND DAS ATLAS-EXPERIMENT Myonen sind zwar elektrisch geladene Leptonen, bilden aber keinen elektromagnetischen Schauer aus, da Myonen aufgrund ihrer hohen Masse kaum Bremsstrahlung abgeben1 . Es bildet sich somit kein Schauer. Myonen haben daher eine sehr hohe Reichweite in Materie und verlassen in der Regel den Detektor. Die äußerste Detektorkomponente dient daher dem Myonnachweis. τ -Leptonen sind noch schwerer als Myonen. Ihre Reichweite ist aber aufgrund der kurzen Lebensdauer auf maximal Millimeter beschränkt. Tau-Leptonen können aufgrund ihrer Zerfallsprodukte nachgewiesen werden. Die wichtigsten Verzweigungsverhältnisse (BR) sind • BR(τ − → e− ντ ) = 17,8 % • BR(τ − → µ− ντ ) = 17,4 % • BR(τ − → hadronen + ντ ) = 64,8 % Die ersten beiden Zerfälle sind kaum von primären Elektronen bzw. Myonen zu unterscheiden. Die dritte Kategorie erlaubt jedoch eine Identifikation von τ -Leptonen anhand des kollimierten “Minijets” aus Hadronen. Eine Anmerkung zu top-Quarks Im allgemeinen ist man nicht in der Lage, die ursprüngliche Quark-Flavor eines Jets zu ermitteln. Eine Ausnahme bilden die schweren Quarks (t,b). Das top-Quark ist mit einer Masse von ca. 170 GeV so schwer und daher so kurzlebig, dass es zerfällt, bevor es einen Jet ausbilden kann. Man beobachtet daher nur die Zerfallsprodukte im Detektor: den Jet des b-Quarks und die Zerfallsprodukte des W-Bosons, entweder zwei Jets oder ein Lepton und ein Neutrino. Eine Anmerkung zum b-Tagging b-Quarks sind langlebig und bilden reguläre Jets aus. Die Lebensdauer von b-Hadronen2 ist so groß, dass sie makroskopische Strecken zurücklegen, bevor sie zerfallen; das cτ beträgt einige hundert µm. B-Hadronen zerfallen in der Regel innerhalb der Strahlröhre, die einen äußeren Radius von 30 mm hat. Der Zerfallsvertex ist in der Regel hinreichend weit vom Primärvertex entfernt, so dass er mit geeigneten Rekonstruktionsmethoden identifiziert werden kann. Der innerste Spurdetektor spielt somit eine wichtige Rolle bei der Identifizierung von b-Quark-Jets, dem sogenannten b-tagging. Eine weiterer, wichtiger Aspekt von b-Quark-Zerfällen sind semileptonische Zerfälle. In ca. 25% aller B-Zerfälle wird ein Lepton erzeugt (siehe Abb. 1.8 (b)). B-Hadronen bilden eine wichtige Quelle von Leptonen, die aber in der Regel nicht isoliert auftreten, sondern vom restlichen b-Jet umgeben sind. Neutrinos sind weder elektromagnetisch noch stark wechselwirkend, der direkte Nachweis einzelner Neutrinos in einem Kollider-Detektor ist daher nicht möglich. Trägt das Neutrino jedoch einen signifikanten Transversalimpuls, so ist man in der Lage, dass Neutrino indirekt nachzuweisen3 . 1 Sehr hochenergetische Myonen (TeV und höher) verlieren durch Bremsstrahlung signifikant an Energie und hinterlassen einen Bruchteil ihrer Energie im Kalorimeter, bevor sie den Detektor verlassen. 2 Das sind Hadronen mit b-Quark-Flavor. 3 Wie wir später sehen werden, ist der Vektorsumme des Transversalimpulses in einer Hadron-Kollider-Reaktion gleich null. 2.2. WECHSELWIRKUNGEN VON TEILCHEN MIT DEM DETEKTORMATERIAL Abbildung 2.2: Signatur der einzelnen Teilchenspezies in den verschiedenen Detektorkomponenten. Quelle: ATLAS Outreach. Spurdetektor ECAL HCAL Myonkammern Photon – Cluster – – Elektron Spur Cluster – – Myon Spur vern. vern. Spur geladenes Hadron Spur vern. Cluster – neutrales Hadron – vern. Cluster – Neutrino – – – – Tabelle 2.2: Detektorwechselwirkungmatrix für den ATLAS-Detektor. “Cluster” bedeutet eine signifikante Energiedeposition, “Vern.” bedeutet eine in der Regel vernachlässigbare Energiedeposition, “–” bedeutet in der Regel kein oder kein verwertbares Signal. 21 22 KAPITEL 2. DER LHC UND DAS ATLAS-EXPERIMENT In modernen Detektorkonzepte treten mehrere Lagen spezialisierter Detektorkomponenten auf. Das Ansprechverhalten der einzelnen Lagen hängt stark von der Teilchensorte ab. Insgesamt ergibt sich eine Wechselwirkungsmatrix, die schematisch in Abb. 2.2 und Tabelle 2.2 wiedergegeben ist . 2.3 Der ATLAS-Detektor Bei dem Namen ATLAS handelt es sich um ein Akronym (A Toroidal LHC ApparatuS). Der Aufbau des Detektors ist in Abb. 2.3 skizziert. Mit einer Länge von 46 m und einer Höhe von 25 m besitzt er ein Gewicht von fast 7000 Tonnen. Abbildung 2.3: Schematischer Aufbau des ATLAS-Detektors. 2.3.1 Die Detektor-Komponenten Von innen nach außen betrachtet besteht der ATLAS-Detektor aus folgenden Komponenten. Der Pixeldetektor ist die innerste Detektorkomponente mit einem Radialabstand von 5 cm bis 15 cm zu den Protonstrahlen. Mit ihm werden Spuren geladener Teilchen genau vermessen. Der Silizium-Pixeldetektor ist in der Lage, die elektrischen Signale von über 80 Millionen Pixel parallel zu verarbeiten. Jeder Pixel ist dazu mit einem eigenen Elektronikschaltkreis ausgestattet. Mit Hilfe des Pixeldetektors wird der primäre Wechselwirkungspunkt rekonstruiert, sowie sekundäre Vertizes, die durch den Zerfall langlebiger Hadronen mit b-Quark-Inhalt entstehen können. Der Silizium-Halbleitertracker (SCT) falls präzise Spurpunkte. besteht aus Siliziumstreifensensoren und liefert eben- 2.3. DER ATLAS-DETEKTOR 23 Der Übergangsstrahlungsdetektor (TRT) besteht aus dünnen gasgefüllten Driftkammern. Das Signal ionisierender Teilchen wird durch Übergangsstrahlung angereichtert. Die Übergangsstrahlung kann ebenfalls für die Identifizierung von Elektronen eingesetzt werden. Die Spule liefert das Magnetfeld für den Inneren Detektor (B=2 Tesla) und wird supraleitend betrieben. Der Feldstärkevektor zeigt in Richtung der Protonenstrahlen. Die drei ersten Detektorkomponenten und die Spule bilden den Inneren Detektor. Der Prä-Schauer-Detektor (Presampler) unterstützt das Elektromagnetische Kalorimeter in der Messung elektromagnetischer Schauer und dient vor allem der Unterscheidung zwischen Einzelphotonen und Photonpaaren aus π 0 -Zerfällen. Der Presampler wird in diesem Versuch nicht weiter verwendet. Das Elektromagnetische Kalorimeter (ECAL) dient der Erzeugung und dem Nachweis elektromagnetischer Schauer. Im ATLAS-ECAL wechseln sich Bleilagen, in denen die Teilchen aufschauern, mit Nachweislagen4 ab. Das ATLAS-ECAL hat ein innovatives Akkordeon-Design, in dem die einzelnen Nachweislagen wie bei einem Akkordeon gefaltet sind und einen typischen Winkel von 45 Grad zur Teilchenflugrichtung aufweisen. Die Teilchen fliegen durch mehrere Akkordeonfaltungen und durchlaufen auf diese Art deutlich mehr Material. Das Hadron-Kalorimeter (HCAL) enthält sehr viel mehr Material als das ECAL. Es ist daher nahezu sicher, dass Hadronen vollständig absorbiert werden. Die Schauerlagen bestehen aus Eisen. Für den Nachweis der Schauerteilchen im Barrelbereich werden Szintillatorkacheln und im Vorwärtsbereich Flüssig-Argonkammern eingesetzt. Das Myonsystem. Da das Hadronkalorimeter so konzipiert ist, das Hadronen komplett aufschauern, sollten nur noch Myonen in den Spurkammern des Myonsystems wechselwirken können. Das Myonsystem nimmt mehr als die Hälfte des ATLAS-Detektorvolumens ein. Es verfügt über ein eigenes Magnetsystem aus großen Toroidspulen, sodass eigenständige Impulsmessungen vorgenommen werden können. Weiterführende Literatur 1. ATLAS Collaboration, “The ATLAS Experiment at the CERN Large Hadron Collider”, to be published. 2. Der ATLAS Technical Design Report http://atlas.web.cern.ch/Atlas/internal/tdr.html 3. http://youtube.com/TheATLASExperiment 4. Der Bonner Beitrag zum Bau des ATLAS-Detktors: Der Pixeldetektor. J. Grosse-Knetter et al. [ATLAS Pixel Collaboration], “The ATLAS pixel detector”, Nucl. Instrum. Meth. A 568 (2006) 252. N. Wermes,“Pixel vertex detectors,” [arXiv:physics/0611075]. 4 In diesem Fall sind das dünne, mit flüssigem Argon gefüllte Spurkammern. Kapitel 3 Proton-Proton Kollisionen an der Tera-Skala Die wichtigsten Aspekte von hochenergetischen Proton-Proton-Kollisionen erklären sich aus der Tatsache, dass Teilchen miteinander kollidieren, die aus Partonen (d.h. (Anti-)Quarks oder Gluonen) zusammengesetzt sind. Reaktionen zwischen Hadronen bei hohen Energien sind praktisch immer inelastische Reaktionen. Jeweils ein Parton aus den beiden Hadronen wechselwirken miteinander und bilden die sogenannte harte Streureaktion. Die restlichen Partonen fliegen nahezu ungestreut weiter und bilden das restliche Ereignis. Da zumindest der ungestreut weiterfliegende Rest aus Quarks und Gluonen besteht, sind immer stark wechselwirkende Teilchen an der harten Streureaktion beteiligt. Die QCD spielt deshalb immer eine zentrale Rolle bei Hadron-Kollisionen, auch wenn die harte Reaktion durch die QED oder die schwache Wechselwirkung verursacht wird. 3.1 Die Struktur des Protons In der simpelsten Modellvorstellung besteht das Proton nur aus drei Quarks uud. Man würde also zunächst annehmen, dass jedes Quark ein Drittel des Protonimpulses trägt. Neben den Valenzquarks gibt es im Proton auch Gluonen, die einen großen Anteil am Gesamtimpuls des Protons tragen. Da Gluonen wiederum in q q̄-Paare aufspalten können, gibt es auch im Proton Antiquarks. An der harten Streureaktion können somit Quarks, Antiquarks oder Gluonen teilnehmen. Um Aussagen über Wirkungsquerschnitte treffen zu können, muss man die Kinematik der Partonen im Anfangszustand kennen. In der Standardbeschreibung der Protonstruktur tragen die Partonen Anteile am Protonimpuls, der durch die Partonverteilungsfunktionen f (x) (im Englischen parton distribution function oder kurz PDF) vorgegeben sind. Dies sind Funktionen, deren Ursprung in der nicht-perturbativen QCD liegt, sodass die PDF gemessen werden müssen und nicht durch die Theorie vorhergesagt werden. Dies ist in zahlreichen Experimenten geschehen (z.B. bei DESY oder am CERN), sodass wir relativ gut-gemessene PDFs besitzen. Für jede Partonsorte gibt es jeweils eine PDF. Die Normierung ergibt sich aus der Impulserhaltung: alle Partonen zusammen ergeben einen Gesamtimpulsbruchteil von eins. XZ i 0 1 fi (x)x dx = 1, (3.1) 3.1. DIE STRUKTUR DES PROTONS 25 ¯ s̄, c̄. b-Quarks werden aufdabei läuft die Summe i über alle Partonensorten: g, u, d, s, c, ū, d, grund ihrer schweren Masse nicht berücksichtigt. Das Produkt x f (x) entspricht einer Impulsdichte. Die Valenzquarkstruktur zeigt sich in den PDFs so, dass ein Überschuss von u-Quarks über ū-Quarks besteht und dass dieser Überschuss doppelt so groß ist wie der zwischen d und ¯ d-PDF. Z 1 Z 1 Z 1 fu (x) − fū (x)dx = 2, fd (x) − fd¯(x)dx = 1, fs (x) − fs̄ (x)dx = 0. (3.2) 0 0 0 Die Partonverteilungsfunktionen hängen von der Skala ab, an der man die harte Reaktion betrachtet, also f (x) ist eigentlich f (x, Q2 ). Die PDFs an der Skala Q2 = 104 GeV2 sind in Abb. 3.1 angegeben. Als Faustregel dient hier die Beobachtung, dass ca. 1/6 des Gesamtimpulses auf die Valenzquarks entfällt. In der Streuung zweier Quarks am LHC kann der Impulsübertrag Q somit realistisch betrachtet bis zu 2 TeV hoch sein. Bei Kleinwinkelstreuung geht das meiste jedoch in die Vorwärtsrichtung und ist nicht im Detektor beobachtbar. Aus den Partonverteilungen kann man leicht abschätzen, dass die meisten Reaktionen am LHC nicht Kollisionen von Valenz-Quarks, sondern Reaktionen von See-Quarks oder Gluonen sind. Daher hat es bei LHC-Energien keinen großen Einfluss auf die Wirkungsquerschnitte, ob nun Protonen mit Protonen kollidieren oder Protonen und Anti-Protonen. Der Beitrag der einzelnen Partonsorten bei einer vorgegebenen Reaktion hängt stark von der Härte der harten Streureaktion ab. Die härtesten Jets am LHC werden z.B. von Valenzquark-Valenzquark Kollisionen erzeugt, an denen Valenzquarks teilnehmen. Abbildung 3.1: Die Partonverteilungsfunktionen (PDF) für das Proton bei einer Skala von Q2 = 104 GeV2 . Aufgetragen ist die Impulsdichte xf (x). Man beachte, dass bei niedrigen x die Gluon-PDf dominiert. Bei hohen x überwiegen die Quark-PDF aufgrund der Tatsache, dass es drei Quarks als Valenzzustände im Proton gibt. Da das Proton uud Quarkinhalt hat, ist die uQuark-PDF bei hohen x ungefähr doppelt so groß wie die d-Quark-PDF. Für s- und c-Quarks, die nur als See-Quarks vorkommen, gilt fs (x) = fs̄ (x) bzw. fc (x) = fc̄ (x). 26 KAPITEL 3. PROTON-PROTON KOLLISIONEN AN DER TERA-SKALA 3.2 Anschauliche Beschreibung einer Hadron-Kollision Sie haben im vorhergehenden Abschnitt gesehen, dass an Hadron-Kollidern eigentlich Partonen kollidieren. Im folgenden diskutieren wir anschaulich eine komplette Beispielreaktion, in der zwei Jets in der harten Streureaktion erzeugt werden. Es gibt insgesamt 8 verschiedene 2 → 2 Partonstreuprozesse in der QCD: q q̄ → q q̄, q q̄ → gg, qg → qg, q̄g → q̄g, gg → q q̄, gg → gg, qq → qq., q̄ q̄ → q̄ q̄ Wir betrachten als Beispiel den Prozess q q̄ → gg. In Abb. 3.2 sind die Feynmangraphen für diese Streureaktion angegeben. Abbildung 3.2: Feynmangraphen für den harten Streuprozess q q̄ → gg. Bei der Kollision der beiden Protonen fliegen die meisten Partonen wechselwirkungslos aneinander vorbei und nur ein Quark wechselwirkt mit einem Antiquark und bilden zwei Gluonen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zwei harte Wechselwirkungen in der selben Kollision zweier Protonen gibt, ist praktisch null. Die beiden Partonen, die an der harten Reaktion teilnehmen tragen vor der Reaktion die Impulsbruchteile x1 und x2 . Die Viererimpulse der beiden Partonen vor der Streuung sind somit Ebeam · xA Ebeam · xB 0 0 und pB = . pA = 0 0 +Ebeam · xA −Ebeam · xB Die Strahlrichtung liegt entlang der z-Achse und Ebeam ist die Strahlenergie von 7 TeV. Die Impulskomponente q pz wird als Longitudinalimpuls bezeichnet, der Transversalimpuls pT des Teilchens ist pT = p2x + p2y . Die Viererimpulse der gestreuten Partonen bezeichnen wir mit pC und pD . Aus der Viererimpulserhaltung folgt pA + pB = pC + pD . Wenn die beiden Gluonen mit einem signifikanten Transversalimpuls gestreut wurden, können die zwei Jets aus der Fragmentation der Gluonen im Detektor beobachtet werden. Eine schematische Darstellung der Reaktion ist in Abb. 3.3 zu sehen. Aus den Viererimpulsen der Jets lässt sich die Kinematik der Reaktion herleiten. 2 2 Mjj = (pC + pD )2 = ECM xA xB , (3.3) Ejet1 + Ejet2 = EC + ED = Ebeam (xA + xB ). (3.4) 3.2. ANSCHAULICHE BESCHREIBUNG EINER HADRON-KOLLISION 27 Die daraus berechneten xA und xB sind natürlich durch Fragmention- und Detektoreffekte stark verschmiert worden. Nach der harten Streuung fliegen die beiden Gluonen aus dem Proton heraus und fragmentieren zu Jets. Die beiden Proton-Überreste fliegen weiter in Strahlrichtung. Da sie nicht länger farbneutral sind, fragmentieren sie ebenfalls und bilden Jets. Diese Proton-Rest-Jets liegen jedoch (fast) vollständig im Strahlrohr und werden kaum im Detektor nachgewiesen. Der beobachtbare Endzustand dieser simplen Reaktion besteht somit aus zwei Jets im Detektor. Soweit diese einfache Betrachtung. Das ganze Bild wird aufgrund von QCD-Strahlungskorrekturen komplizierter. Strahlung im Anfangszustand oder Endzustand kann zur Bildung zusätzlicher Jets führen. Ein Beispiel dafür ist in Abb. 3.4 zu sehen. p p ) Proton−Rest ) Proton−Rest Abbildung 3.3: Schematische Darstellung einer Proton-Proton-Reaktion (Zwei-Jet-Ereignis). ) Proton−Rest ) Proton−Rest p p Abbildung 3.4: Schematische Darstellung einer Proton-Proton-Reaktion mit einem zusätzlichen Jet aus der QCD-Abstrahlung im Anfangszustand. 28 KAPITEL 3. PROTON-PROTON KOLLISIONEN AN DER TERA-SKALA 3.3 Ereignis-Kinematik Wir bezeichnen als hartes System die Endzustandsteilchen des harten Streuprozesses. Im Beispiel oben sind das die beiden Gluonen. Der Viererimpulserhaltung in der harten Reaktion entspricht folgender Gleichung, die den Ausgangspunkt der meisten kinematischen Betrachtungen ist: pHart = pA + pB = pC + pD (3.5) Damit lassen sich zahlreiche nützliche kinematische Variablen aufstellen. • Die invariante Masse des harten Systems und xA und xB hängen so zusammen: ŝ = pHart 2 = s xA xB (3.6) √ Dabei ist s die Schwerpunktsenergie der Proton-Proton-Kollision, also 14 TeV. Die Größe √ s ist eine von den drei Mandelstammvariablen. Da für die harte √ Streureaktion s nicht besonders relevant ist, führt man die Schwerpunktsenergie ŝ des harten Systems ein. E+pz • Die Rapidität y ist definiert durch y = 12 ln( E−p ). Für die Rapidität des harten Ereignisses z 1 gilt yhart = 2 ln(x1 /x2 ). Rapiditätsdifferenzen sind invariant unter Lorentzboosts entlang der z-Achse. • Für Systeme mit einer invarianten Masse von null geht die Rapidität in die Pseudorapidität η über, die nur noch vom Polarwinkel abhängt. ϑ η = − ln(tan ) 2 (3.7) insbesondere für einzelne Partonen ist die Masse vernachlässigbar, und η, das praktisch ein skalierter Polarwinkel ist, wird an Hadronkollidern fast immer anstatt des Polarwinkels verwendet. Man sollte sich merken, dass im ATLAS-Detektor Leptonen im Winkelbereich −2, 5 < η < +2, 5 nachgewiesen werden können und Jets in einem Bereich von −5 < η < +5. Eine weitere nützliche Beziehung zwischen Polarwinkel und Pseudorapidität η ist cos(ϑ) = tanh(η) Die Winkelverteilung von Hadronen in Hadronkollisionen nimmt in Vorwärtsrichtung stark zu. Häufigkeitsverteilungen von Teilchen oder Jets werden daher gewöhnlich nicht gegen den Polarwinkel aufgetragen sondern gegen die Pseudorapidität η. • Da der Polarwinkel keine geeignete Größe ist, werden Winkelabstände wenig verwendet. Eine Ausnahme bildet der Azimuthalwinkel φ. Man beachte, dass der Azimuthalwinkel ebenso wie Rapiditätsabstände invariant ist unter Lorentzboosts entlang der Strahlachse. Man definiert daher als allgemeines Abstandsmaß die Größe p (3.8) ∆R = (∆η)2 + (∆φ)2 Dabei wird der Azimuthalwinkel in Radianten gemessen, das größte ∆Φ ist damit π. In der Pseudorapidität hängt der größte mögliche Abstand von der Raumwinkelabdeckung des Detektors ab und ist für den ATLAS-Detektor ca. 10. Graphische Darstellungen von Hadronkollisionen werden gerne als zweidimensionaler Plot in der ηφ-Ebene dargestellt. Die Jet-Rekonstruktionsalgorithmen benutzen ebenfalls ∆R als Abstandsmaß. In diesem Versuch werden Jetkegel mit einem Öffnungs”winkel” von Rmax =0.7 verwendet. D.h. Energieeinträge, die zu einem Jet gehören, haben einen Abstand ∆R < Rmax von der Jet-Achse. 3.4. BEISPIELREAKTION: DER DRELL-YAN-PROZESS 29 • Die Gesamtenergie einer harten Reaktion ist keine aussagekräftige Größe, da der größte Teil der Energie die Strahlröhre entlang verschwindet. Energiebeiträge sind unbedeutender, je weiter sie in Vorwärtsrichtung liegen. Man betrachtet daher anstelle der Energie die transversale Energie ET = E · sin ϑ, bzw die gesamte transversale Energie P P P E = E · sin ϑ . Die transversale Gesamtenergie E ist ein nützliches Maß i i i T i T P für die Härte einer Hadronkollision. Typische ET -Werte von harten Ereignissen liegen zwischen einigen 10 GeV bis hin zu TeV. 3.4 Beispielreaktion: der Drell-Yan-Prozess Ein Beispiel für eine harte Reaktion, die nicht auf der QCD basiert, sondern eine QED-Reaktion ist. Der Feynmangraph für einen Drell-Yan-Prozess ist in Abb. 3.5 zu sehen. Im Drell-Yan- p ) Proton−Rest e e p ) Proton−Rest Abbildung 3.5: Feynman Diagramm für den Prozess pp → e+ e− (Drell-YanProzess). Prozess wird ein Lepton-Paar durch Fusion eines Quark-Antiquark-Paares erzeugt. Im QEDDrell-Yan-Prozess fusionieren q q̄ in ein virtuelles Photon, es gibt aber auch schwache Drell-YanProzesse. Der QED-Wirkungsquerschnitt für q q̄ → µ+ µ− entspricht dem Wirkungsquerschnitt für die Reaktion e+ e− → µ+ µ−, wenn entsprechende Ladungs- und Farbfaktoren hinzugefügt werden. 2 1 2 4παem Q (3.9) σ̂0 = 3ŝ Nc q Dabei ist Qq die (elektrische) Quarkladung: (Qu = +2/3, Qd = −1/3 etc.). Der globale Faktor 1/Nc kommt daher, dass die Farbe des Quarks zur Anti-Farbe des Antiquarks passen muss, um einen farbneutralen virtuellen Zwischenzustand zu bilden1 . Nun muss man berücksichtigen, dass in der Drell-Yan-Produktion Quarks aufeinandertreffen, die nur einen Bruchteil des Impulses des Protons tragen. Um den differentiellen Wirkungsquerschnitt zu erhalten, muss 1 Nc ist die Anzahl der Farben Nc = 3. 30 KAPITEL 3. PROTON-PROTON KOLLISIONEN AN DER TERA-SKALA man über die Impulsbruchteile x1 , x2 integrieren. " # Z X σ̂0 1 dσ 2 2 = dx1 dx2 δ(sx1 x2 −M )× Qk (fk (x1 , M ) fk̄ (x2 , M ) + fk (x2 , M ) fk̄ (x1 , M )) . dM 2 Nc 0 k (3.10) Die Partonverteilungsfunktionen fk (x, M ) werden an einer Skala evaluiert, die der invarianten Masse des Leptonpaares entspricht. Legt man nun sowohl die invariante Masse des Lepton-Paares als auch eine weitere kinematische Größe fest, z.B. die Rapidität des harten Systems, so liegen die Werte für sowohl x1 als auch x2 fest und die Integration wird trivial. Folgen wir der Argumentation in [4], Seite 13, so erhalten wir daraus den zweifach differentiellen Wirkungsquerschnitt für Drell-Yan-Produktion in der QED. " # X σ̂0 dσ = Q2k [fk (x1 , M ) fk̄ (x2 , M ) + fk (x2 , M ) fk̄ (x1 , M )] . (3.11) dM 2 dy Nc s k Frage: Welche x-Werte haben das einlaufende Quark und Antiquark, wenn in der Kollision der Partonen ein W-Boson mit Rapidität +0.5 entsteht? 2 Antwort: Wir wissen, dass MW = sx1 x2 , sowie yW = 12 log(x1 /x2 ). Auflösung des GleiM y M −y chungssystems nach x1 und x2 liefert x1 = √ e und x2 = √ e . s s 3.5 Wirkungsquerschnitte interessanter Prozesse am LHC Folgende Tabelle gibt ihnen einen Überblick über einige wichtige Prozesse. Um gewisse, interessante Endzustände zu untersuchen, muss mit Untergrundprozessen gerungen werden, die teilweise Milliardenmal größer sind als das, was man eigentlich sucht. Dies stellt eine große Herausforderung an den experimentellen Physiker dar. Aber das Leben wäre langweillig, wenn alles einfach wäre :-) Prozess Gesamt-Wirkungsquerschnitt b-Quark-Paare Di-jets mit einem pT > 100 GeV W-Boson-Erzeugung W-Boson-Erzeugung (Zerfall W nach e nu) Z 0 -Boson-Erzeugung (Zerfall Z nach e e) top-Quark-Paarproduktion Z 0 -Paar-Produktion Z 0 -Paar-Produktion (Z 0 → e+ e− oder Z 0 → µ+ µ− ) Higgs-Produktion (mH=130 GeV) Higgs-Produktion (mH=300 GeV) Higgs-Prod. (mH=300 GeV) , (H → Z 0 Z 0 , wobei Z 0 → e+ e− oder Z 0 → µ+ µ− ) σ [f b] ca. 1014 0,5 × 1012 ca. 1,8 × 109 0,17 × 109 17 × 106 1,6 × 106 8 × 105 1,6 × 103 70 35× 103 12× 103 16 Tabelle 3.1: Wirkungsquerschnitte einiger wichtiger Prozesse am LHC. Kapitel 4 Die schweren Eichbosonen 4.1 Die Eichbosonen der schwachen Wechselwirkung Die schwache Wechselwirkung tritt bei niedrigen Energien hauptsächlich durch Zerfälle, wie z.B. den nuklearen Beta-Zerfall in Erscheinung: n → pe− ν̄e . Das Lepton-Neutrino-Paar ensteht dabei durch Abstrahlung eines virtuellen W-Bosons. Da in nuklearen Zerfällen die Impulsüberträge nur einige MeV groß sind, ist das abgestrahlte W-Boson sehr virtuell und der Zerfall ist entsprechend stark unterdrückt. Das führt letztendlich zur Schwachheit dieser Wechselwirkung. Bei hohen Energien werden W ± und Z 0 -Bosonen als reelle Teilchen mit einem beachtlichen Wirkungsquerschnitt erzeugt (Siehe Tab. 3.1). Die W-Bosonen und das Z0 wurden in der achtziger Jahren am SppS-Beschleuniger am CERN entdeckt. Für die Entdeckung wurde 1984 der Nobelpreis an Rubbia und van der Meer verliehen. In Tab. 4.1 und 4.2 finden Sie die wichtigsten Eigenschaften von W - und Z-Bosonen. Eigenschaft elektrische Ladung [e] Spin [~] Zerfallsbreite Γtot [GeV ] Masse [GeV ] Z 0 -Boson W − -Boson 0 1 2,495 ± 0,002 91,1876 ± 0,0021 -1 1 2,141 ± 0,041 80,403 ± 0,029 Tabelle 4.1: Wichtige Eigenschaften der W- und Z-Bosonen. Z 0 -Boson Zerfall e+ e− µ+ µ− τ +τ − Jets Neutrinos BR [%] 3,363 ± 0,004 3,366 ± 0,007 3,370 ± 0,008 69,91 ± 0,060 20,00 ± 0,060 W − -Boson Zerfall BR [%] − e ν̄e 10,75 ± 0,13 µ− ν̄µ 10,57 ± 0,15 − τ ν̄τ 11,25 ± 0,20 Jets 67,60 ± 0,27 Tabelle 4.2: Verzweigungsverhältnisse von W - und Z 0 -Bosonen. Quelle: PDG 2006 32 KAPITEL 4. DIE SCHWEREN EICHBOSONEN 4.2 W- und Z-Boson-Produktion am LHC Der wichtigste Prozess für die Erzeugung von W- oder Z-Bosonen ist der schwache Drell-YanProzess (Abb. 4.1 a). Daneben gibt es 2 → 2-Prozesse mit W-Boson-Abstrahlung (Abb. 4.1 b,c). Für die Z-Produktion gibt es entsprechende Graphen. Die Bosonen zerfallen mit einem großen Verzweigungsverhältnis in q q̄-Paare, die wiederum in Jets übergehen. Dieser Zerfallskanal ist wegen der hohen Anzahl an Ereignissen mit Jets kaum vom Untergrund unterscheidbar. Zusätzlich ist die experimentelle Zweijet-Massenauflösung recht ungenau. Daher betrachten wir in diesem Praktikumsversuch die Zerfälle von W- und Z-Bosonen in stabile Leptonen1 . Elektronen und Myonen hinterlassen im ATLAS-Detektor eine sehr gut zu identifizierende Signatur. Vor allem das Z-Boson ist als klares Signal im Detektor beobachtbar. Zwar gibt es den irreduziblen Untergrund der QED-Drell-Yan-Produktion, dieser ist bei Minv ≈ 91 GeV jedoch aufgrund der hohen Virtualität des Photons stark unterdrückt. Das W-Signal ist ähnlich deutlich, jedoch kann das Neutrino nicht direkt nachgewiesen werden. Es macht sich jedoch indirekt durch ein Ungleichgewicht in der Transversalimpulsbilanz bemerkbar. Abbildung 4.1: Harte Prozesse, die zur W-Boson-Produktion beitragen. In (a) ist der schwache Drell-Yan-Prozess zu sehen. 4.2.1 Der indirekte Neutrinonachweis und ET-mis Wenn wir ein nicht-wechselwirkendes Teilchen, z.B. ein Neutrino, in unserem Ereignis haben, so gilt für dessen Transversalimpuls X p~T (N eutrino) = − p~T (i) (4.1) i Dabei läuft die Summe über alle Energieeinträge im Kalorimeter: (~ pT )i = E i sin ϑi ~ni,⊥ . E i ist der i-te Energieeintrag im Kalorimeter, ϑi der Polarwinkel des Eintrags und ~ni,⊥ ist der auf den Energieeintrag zeigende Einheitsvektor in der x-y-Ebene. Diese Größe wird als fehlender Transversalimpuls E / T bezeichnet: X E /~ T = − E i sin ϑi ~ni,⊥ (4.2) i 1 Da das τ -Lepton nicht stabil ist, ergeben sich in den Zerfällen schwerer Eichbosonen in τ -Leptonen zahlreiche mögliche Endzustände. Aus diesem Grunde werden τ -Leptonen in diesem Versuch nur am Rande behandelt. Die τ -Leptonen können jedoch aufgrund der Zerfälle tau− → e− ν̄e bzw. tau− → µ− ν̄µ zu Endzuständen mit e/µ beitragen. 4.2. W- UND Z-BOSON-PRODUKTION AM LHC 33 In Ereignissen mit Myonen wird E / T zusätzlich noch um den Myonimpuls korrigiert, da Muonen kaum Energie im Kalorimeter hinterlassen. Die Observable E /~ T ist sensitiv auf den fehlenden Transversalimpuls, wird aber bei einigen Autoren aufgrund der Tatsache, dass die Größe hautsächlich mit dem Kalorimeter bestimmt wird, als fehlende Transversalenergie bezeichnet. Vor allem in der englischen Literatur hat sich “missing transverse energy” als Bezeichnung durchgesetzt. Es handelt sich bei E /~ T um eine Vektor-Größe mit zwei Komponenten: E / Tx und E / Ty . Der Betrag des Vektors wird als E / T bezeichnet. Man sollte sich klarmachen, dass es keine ~ z-Komponente von E / T gibt, da der Longitudinalimpuls der harten Reaktion nicht festgelegt ist. Auch in Ereignissen mit mehreren nur schwach wechselwirkenden Teilchen ist E / T eine nützliche Observable. Der Wert von E / T hängt in solchen Ereignissen von der relativen Ausrichtung der Transversalimpulse der unbeobachteten Teilchen ab. Man beachte bitte, dass E / T i. a. kein Maß für fehlende Energie ist. In einem Ereignis mit zwei Neutrinos, die exakt entgegengerichteten Transversalimpuls haben, ist z.B. E / T null, obwohl sehr viel Energie unbeobachtet den Detektor verlässt. Die große Bedeutung von E / T ist einer der Gründe warum man bemüht ist, dass die Kalorimeter möglichst den gesamten Raumwinkel abdecken. Lücken im Detektor können zu E /T -Fehlmessungen führen. Für solche Fehlmessungen kann es sehr viele unterschiedliche Ursachen geben. Darum ist es im allgemeinen schwierig E / T genau zu kalibrieren, vor allem in Ereignissen mit vielen Jets. 4.2.2 Kinematik Die Gemeinsamkeit der W- und Z-Bosonzerfälle in Leptonen ist, dass beide Zweikörperzerfälle sind. Betrachten wir den generischen Zweikörperzerfall A → BC im Ruhesystem des Mutterteilchens A, so haben die Tochterteilchen beide denselben Dreier-Impulsbetrag und entgegengesetzte Impulsvektoren. |~ pB | = |~ pC | = (MA2 − (MB + MC )2 ) (MA2 − (MB − MC )2 ) 2MA 1 2 (4.3) Kann man die Masse der Tochterteilchen vernachlässigen, so entspricht der Impuls der Tochterteilchen im Ruhesystem 12 MA . In einem Ereignis mit nur einem Eichboson ohne zusätzliche Jets ist der Vierer-Impuls des Bosons gegeben durch die Viererimpulse der kollidierenden Partonen P = P 1 + P 2 , also EW = EBeam · (x1 + x2 ), der Longitudinalimpuls pz ist pz = EBeam · (x1 − x2 ). Die Impulskomponenten in transversaler Richtung pX , py , sind gleich null. Das Boson hat einen Boost entlang der z-Richtung – jedoch keinen Transversalimpuls. Zerfällt nun das W-Boson in ein Lepton und ein Lepton-Neutrino, so ist nur das geladenene Lepton im Detektor sichtbar. Während der Transversalimpuls des Neutrinos dem E / T -Vektor entspricht, kann der Longitudinalimpuls des Neutrinos nicht gemessen werden. Die Kinematik kann daher ohne zusätzliche Annahmen (wie z.B. die W-Masse) nicht vollständig rekonstruiert werden. Im Ruhesystem des W-Bosons ist die Winkelverteilung des Leptons im Bezug auf die Achse der einlaufenden Partonen annähernd gegeben durch dσ = 1 + cos2 ϑ∗ d cos ϑ∗ (4.4) Der Transversalimpuls des Leptons brechnet sich dann mithilfe einer Variablentransformation. Der Transversalimpuls ist dabei kleiner oder gleich der halben W-Masse und ist folgenderma- 34 KAPITEL 4. DIE SCHWEREN EICHBOSONEN ßen verteilt: dσ dσ = dpT d cos ϑ∗ dpT −1 dσ 2pT 1 q = d cos ϑ∗ ∗ d cos ϑ MW 1 M 2 − p2 T 4 W (4.5) Im Laborsystem ist der Transversalimpuls der gleiche wie im W-Ruhesystem, da sich die beiden Systeme nur durch einen Lorentzboost entlang der Strahlachse unterscheiden und da Transversalkomponenten bei einem Boost gleich bleiben. Wir können also Gleichung 4.5 verwenden, um das pT -Spektrum im Laborsystem abzuschätzen. Dabei ergibt sich als prominentester Aspekt ein Pol bei der halben W-Masse aufgrund des Transformationsterms von ϑ nach pT . Dieser Pol wird Jakobispitze genannt2 . Eine Messung der Position der Jakobispitze stellt eine Methode zur Messung der W-Masse dar. Eine schematische Darstellung der Jakobi-Spitze ist in Abb. 4.2 zu sehen. Bei echten W-Zerfällen wird die Jakobispitze aufgrund von drei Effekten verschmiert: • die Detektorauflösung, • die W-Zerfallsbreite, • der Transversalimpuls pW T der W-Bosonen. Ein echtes pT -Spektrum von Elektronen aus W-Zerfällen ist in Abb. 4.3 zu sehen. 4.2.3 Transversalimpuls von W und Z-Bosonen Wie Drell-Yan Lepton-Paare, so werden auch W ± und Z 0 -Bosonen vornehmlich mit geringem Transversalimpuls produziert (im Vergleich zu ihrer Masse). Betrachtet man den Produktionsprozess in niedrigster Ordnung, q q̄ → W ± , so ergibt sich wegen der Kollinearität der einlaufenden Partonen zunächst ein Transversalimpuls für das W- oder Z-Boson von null. Dieser Ansatz berücksichtigt jedoch nicht die Möglichkeit, dass zusätzliche Partonen erzeugt werden, gegen die das W oder Z einen Rückstoß erleidet. Die Abstrahlung von Gluonen im Anfangszustand kann jedoch zu zusätzlichen Jets im Endzustand führen. 4.3 4.3.1 Messungen der schweren Eichbosonmassen Präzisionsmessung der Z0 -Masse bei LEP Die Masse des Z-Bosons wurde sehr genau am LEP-Beschleuniger am CERN gemessen. In jahrelanger Arbeit wurden die statistischen und systematische Unsicherheiten3 auf unter ein Prozent gedrückt und liegen nun bei 2 × 10−6 . Dieses exzellente Ergebnis war möglich, da die Gesamtenergie der Strahlen bei einem symmetrischen Beschleuniger der invariante Masse des Z-Bosons entspricht (EBeam1 + EBeam2 = mZ c2 ), und da die Strahlenergie aufgrund von Untersuchungen der Elektronenspinpräzession genau vermessen werden konnten. Im Laufe der Strahlenergie-Kalibration wurden immer weitere kleine Effekte entdeckt, die einen Einfluss auf die Elektronenenergie haben, darunter die Gezeitenkräfte (abhängig von den Mondphasen), der Wasserstand im Genfer See oder auch der Fahrplan des Hochgeschwindigkeitszuges TGV, dessen Vorbeifahrten am CERN-Gelände zu Kriechströmen im Beschleunigertunnel führten. 2 3 Der Term dpT /d cos ϑ entspricht einer eindimensionalen Jakobideterminante. Das sind Fehler, die nicht aufgrund statistischer Fluktuationen entstanden sind. 4.3. MESSUNGEN DER SCHWEREN EICHBOSONMASSEN 35 pt pt Entries 1400 0.393 RMS 0.1109 Underflow Overflow Integral 1200 10000 Mean 0 0 1e+04 Skewness -1.142 1000 800 600 400 200 0 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 pT Abbildung 4.2: Transversalimpuls im isotropen Zweikörperzerfall. Sehr gut ist die Jakobispitze bei der halben Masse zu sehen. Abbildung 4.3: Das pT -Spektrum von Elektronen aus W-Zerfällen - gemessen mit dem D∅-Detektor am Tevatron (Siehe auch Referenz [5]). Die Jakobispitze ist aufgrund der oben genannten Efffekte verschmiert. Das dunkle Histogramm zeigt den Untergrund, der nur sehr gering beiträgt. 36 KAPITEL 4. DIE SCHWEREN EICHBOSONEN 4.3.2 Messungen der W-Boson-Masse Der Weltmittelwert für die W-Masse stammt von den Beschleunigern LEP-II und Tevatron. Aber immer noch ist die W-Masse ein relativ schlecht bekannter Parameter. Im Rahmen des Standardmodells wird vorhergesagt, dass das Massenverhältnis der schweren Eichbosonen in erster Ordnung Störungstheorie durch den Weinbergwinkel gegeben ist cos ϑW = MW /MZ . (4.6) Diese Relation wird durch Strahlungskorrekturen beeinflusst, die durch Schleifendiagramme gegeben sind, in denen die bekannten Fermionen des Standardmodells umlaufen, aber auch das noch nicht entdeckte Higgs-Boson. Da die Schleifenkorrekturen mit steigender Masse des umlaufenden Teilchens kleiner werden, erlauben genaue Messungen der Eichboson-Massen Rückschlüsse auf die Higgs-Masse. Eine präzise W-Massenmessung stellt damit auch eine indirekte Abschätzung der Higgs-Boson-Masse dar. 4.3.3 Methoden zur W-Massen-Messung Zunächst benötigen wir einen Datensatz von ATLAS-Ereignissen, die W-Bosonzerfälle und nur sehr wenig andere Prozesse enthält, also viel Signal und wenig Untergrund. Das erreicht man am einfachsten durch eine sog. “Schnittselektion”, in der eine Reihe von Bedingungen au die Ereignisse aufgestellt werden, die alle erfüllt sein müssen. Man fordert z.B. ein gutrekonstruiertes Lepton mit mindestens einem genügend hohem Transversalimpuls und ähnliche Bedingungen. Eine solche Selektion wird “Schnittselektion” genannt (und die Bedingungen Schnitte), da die Bedingungen in z.B. die pT -Verteilung einschneiden. Die Hauptmethode zur Messung der W-Masse an Hadronkollidern benutzt die Variable MT , die folgendermaßen definiert ist. p (4.7) MT = 2pT e pT ν [1 − cos(ϕe − ϕν )] Dabei sind pT e und pT ν die Transversalimpulse von Elektron und Neutrino, ϕe und ϕν sind die Azimuthalwinkel. Man kann zeigen, dass unter Vernachlässigung der Elektronmasse und für den Fall, dass Lepton und Neutrino beide ein pz von Null haben, MT gleich der W-Masse ist. Die Variable MT weist eine Jakobispitze an der W-Masse auf. Ein Vorteil der Variable MT ist, dass die MT -Verteilung nur sehr wenig vom Transversalimpuls des W-Bosons beeinflusst wird. Der Nachteil der MT -Methode liegt in der Verwendung von pT ν , das durch E /~ T angenähert wird. Bei jeder Massenmessung mit MT muss daher E / T gut bekannt sein. Eine Alternativmethode, die vor allem von der D∅-Kollaboration erfolgreich angewendet wurde, benutzt die Kinematik des Lepton-pT -Spektrums, so wie es im Abschnitt 4.2.2 diskutiert wurde. Dabei wird das pT -Spektrum der geladenen Leptonen analysiert [5, 6]. Diese Methode wird auch in diesem Praktikumsversuch Anwendung finden. Weiterführende Literatur 1. C. Rubbia, Nobel Lecture, Experimental Observation of the Intermediate Vector Bosons W+ , W− and Z0 http://nobelprize.org/nobel prizes/physics/laureates/1984/rubbia-lecture.html 2. Diskussion der W-Zerfallskinematik, in C. Berger, Teilchenphysik, Springer Verlag, S. 111, Ref. [2]. 4.4. Z 0 -PAAR-PRODUKTION 37 3. D. Glenzinski, U. Heintz, “Precision Measurements of the W-Boson Mass,” [arXiv:hepex/0007033] Ref.[7]. 4. A. D. Martin, R. G. Roberts, W. J. Stirling and R. S. Thorne, “Parton distributions and the LHC: W and Z production,” Eur. Phys. J. C 14 (2000) 133 [arXiv:hep-ph/9907231], Ref. [3]. 4.4 Z 0 -Paar-Produktion Z-Paare werden im 4. Versuchsteil näher behandelt werden. Es gibt neben Z-Paaren auch W W und W Z-Paare, die sogar einen höheren Wirkungsquerschnitt als ZZ aufweisen. Z-Paare haben jedoch von allen Eichbosonpaaren die klarste Signatur, wenn man verlangt, dass beide Z-Bosonen in geladene Leptonen zerfallen. Der dominante, harte Prozess, der zu Z-Paaren führt, ist in Abb. 4.4 gezeigt. Abb. 4.5 zeigt den bei LEP-II gemessenen Wirkungsquerschnitt für die Produktion von reellen Z-Paaren [8]. Dabei wird ein reelles Z0 so definiert, dass die invariante Masse der Zerfallsteilchen im Bereich mZ 0 − 2ΓZ < mf f¯ < mZ 0 + 2ΓZ liegt. Der Wirkungsquerschnitt steigt im Bereich der Z-Schwelle stark an. Auch unterhalb der Schwelle für die Produktion von Z-Paaren gibt es Ereignisse, jedoch können aus kinematischen Gründen nicht beide Z-Bosonen reell sein. Kommen ein oder mehrere virtuelle Z-Bosonen im Endzustand vor, ist auch die Photon-Z-Interferenz nicht mehr zu vernachlässigen und man berücksichtigt dort sowohl γ ∗ , als auch Z ∗ , als auch den Interferenzterm. Diskussion des Untergrunds Neben Z-Paaren können auch andere Prozesse zu vier Leptonen führen, z.B. die Produktion von Top-Quark-Paaren. Top-Quarks sind so kurzlebig, dass sie zerfallen bevor sich aus dem Top-Quark ein Hadron bilden kann. Im Zerfall t → bW + entsteht ein reelles W-Boson. Bei einem Top-Quark-Paar entstehen zwei reelle W. Wenn zusätzlich die beiden b-Quarks semileptonisch zerfallen, erhält man insgesamt vier Leptonen, von denen zwei jedoch als Bestandteile von b-Quark-Jets aufteten und daher in der Regel nicht isoliert sind. Auf ähnliche Weise kann die Produktion von Z-Bosonen mit zwei zusätzlich auftretenden b-Quarks zum Vier-Lepton-Endzustand beitragen. Beispiel-Feynmandiagramme für die beiden Untergrundprozesse sind in Abb. 4.6 angegeben. Abbildung 4.4: Der harte Prozess für die Z-Paar-Erzeugung. 38 KAPITEL 4. DIE SCHWEREN EICHBOSONEN Abbildung 4.5: Wirkungsquerschnitt der Produktion reeller Z-Paare in e+ e− Kollisionen. Messung der vier LEP-Experimente ALEPH, DELPHI, L3 und OPAL. Abbildung 4.6: Die beiden Standardmodell-Prozesse, die (neben den ZPaaren) zu Vier-Lepton-Endzuständen führen. Andere Prozesse sind vernachlässigbar. Links: Top-Quark-Paarproduktion, Recht: Z-Boson in Assoziation mit einem Bottom-Quark-Paar. Kapitel 5 Die Suche nach neuer Physik Im allgemeinen gibt es bei Suchen keine Garantie dafür, dass man etwas findet. Das gilt vor allem für die Suche nach etwas Neuem. Zwar sind sich die Physiker sehr sicher, irgendetwas neues am LHC zu finden, das bedeutet aber keineswegs, dass jede Suche erfolgreich sein wird. 5.1 Die Suche nach dem Higgs-Boson 5.1.1 Der Higgsmechanismus im Standardmodell Das Higgs-Boson, benannt nach dem schottischen Physiker Peter Higgs, ist vielleicht das meistgesuchteste Teilchen der Welt. Nachdem in den sechziger Jahren der Einfluss von SpinNull-Feldern auf Quantenfeldtheorien studiert wurde, die bei geeigneter Parameterwahl spontane Symmetriebrechung verursachen konnten, war es Peter Higgs, der das Higgs-Boson als Konsequenz dieser Symmetriebrechung als erster postulierte. Da das vor den bahnbrechenden Arbeiten zur elektroschwachen Wechselwirkung geschah, war der Higgs-Mechanismus von Anfang an Teil des Standardmodell und darin verantwortlich für die Brechung der elektroschwachen Symmetrie und für die Masse der schweren Eichbosonen. Nach dem Higgs-Boson wird also schon seit einigen Jahren gefahndet. Suchen an früheren Experimenten waren in der Lage, Standardmodell-artige Higgs-Bosonen bis zu einer Masse von 114 GeV auszuschließen [8]. Das Higgsfeld wird als ein SU (2)L -Dublett komplexer skalarer Felder postuliert. Φ1 Φ= . Φ2 Skalar bedeutet in diesem Zusammenhang: der Spin dieses Feldes ist Null. Zunächst scheint es erstaunlich, dass ein skalares, also ein eher einfaches Feld, einen so großen Einfluss auf die schwache Wechselwirkung nehmen kann. Aber es ist gerade die Einfachheit, die dazu führt, dass man sehr viele verschiedenen Wechselwirkungsterme (Terme in der Lagrangedichte) mit dem Higgsfeld formulieren kann. Dazu gehören auch zwei sogenannte Potentialterme die proportional zum Quadrat und zur vierten Potenz des Higgsfeldes sind. V (Φ) = µ2 |Φ|2 + λ|Φ|4 (5.1) Ist der Parameter µ2 negativ, so ergibt sich der Potentialverlauf in Abb. 5.1. Wie man dem Potentialverlauf entnehmen kann, weisen die Zustände niedrigster Energie einen nicht verschwindende Feldstärke auf. Da der niedrigste Energiezustand dem Vakuum entspricht, hat das Higgsfeld 40 KAPITEL 5. DIE SUCHE NACH NEUER PHYSIK pot Higgs Potential 150 100 50 0 -50 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 Abbildung 5.1: Das Potential des Higgs-Feldes für µ2 < 0. Man beachte, dass der Potentialterm für |Φ| = 6 0 minimal wird. somit einen Vakuumserwartungswert (VEW). Gewöhnlich wird der VEW als ρ0 /0√2 angesetzt. Der Wert für ρ0 kann im Rahmen des Standardmodells aus der Fermikonstante berechnet werden und hat einen Wert von ρ0 = 0, 246 TeV. Dieser Wert weist letztlich der Teraskala ihre Bedeutung in der modernen Teilchenphysik zu. Das Higgs-Feld ist ein Dublett bzgl. der schwachen Wechselwirkung, und besitzt damit eine schwache Ladung. Ein Vakuumerwartungswert des Higgsfeldes führt dann zur Brechung der elektroschwachen Symmetrie. Das Higgsfeld wird dann um den VEW herum entwickelt. Damit werden aus den Wechselwirkungstermen der Eichbosonen mit dem Higgs-Feld Massenterme für die Eichbosonen. Ähnliches gilt für die Fermionen, da diese auch an das Higgsfeld koppeln. Die Kopplung der Eichbosonen und der Fermionen an das Higgsfeld gibt diesen Teilchen eine Masse. 5.1.2 Die Phänomenologie des Higgs-Bosons Zunächst einmal muss man zwischen dem Higgs-Feld und dem Higgs-Boson unterscheiden. Das Higgsfeld ist ein komplexwertiges Dublett an Feldern, weist also insgesamt vier reelle Freiheitsgrade auf. Drei der Freiheitsgrade werden bei der Symmetriebrechung von den massebehafteten Eichbosonen absorbiert, die aufgrund der neugewonnenen Masse einen longitudinalen Polarisationsfreiheitsgrad gewinnen. Es bleibt ein Freiheitsgrad übrig, der als freies Teilchen beobachtet werden kann – das Higgs-Boson. Da die Kopplung der Eichbosonen und der Fermionen an das Higgsfeld diesen Teilchen eine Masse gibt, kann man im Umkehrschluss ableiten, dass die Higgskopplung stärker ist, je größer die Masse der Teilchen ist. Somit koppelt das Higgs vornehmlich an schwere Quarks (vor allem das Top-Quark) und die schweren Eichbosonen. Für die Masse des Higgs-Bosons gilt in erster Ordnung p mH 0 = 2λρ0 . √ Da ρ0 durch die Masse der schweren Eichbosonen zu ρ0 = ( 2GF )−1/2 ≈ 246 GeV festgelegt ist, hängt die Higgsmasse nur noch von der quartischen Kopplung λ ab, deren Wert nicht von bekannten Größen des Standardmodells abgeleitet werden kann, so daß die Masse des HiggsBosons ein freier Parameter der Theorie ist. Nimmt man aber eine Higgsmasse an, so lassen sich alle Higgseigenschaften berechnen. Die Vertexfaktoren für Fermionen und Eichbosonen 5.1. DIE SUCHE NACH DEM HIGGS-BOSON 41 sehen dann so aus (g ist die schwache Kopplungskonstante). H 0 f f¯ : H 0W +W − : H 0Z 0Z 0 : −i g mf 2mW i g mW g µν i g mZ µν g cos ϑW (5.2) (5.3) (5.4) Diese Vertexfaktoren sind auch ohne besonderen Rechenaufwand sehr nützlich. Betrachten wir z.B. ein Higgs-Boson mit einer Masse von ca. 100 GeV. Kinematisch betrachtet zerfällt das Higgs in alle Paare von Teilchen, die leichter sind als die halbe Higgs-Masse. Bei 100 GeV sind das u, d, s, c, b, e− , µ− , τ − . Hinzu kommen weitere Zerfälle, die über Schleifendiagramme laufen oder Zerfälle in virtuelle Teilchen, die jedoch weniger als 20% des Verzweigungsverhältnisse ausmachen. In erster Ordnung ist das Verzweigungsverhältnis H → bb̄ gegeben durch ΓH→bb̄ /Γtot = Nc m2b ≈ 0, 85 m2τ + Nc m2c + Nc m2b Mit zunehmender Higgs-Masse gewinnen Higgs-Zerfälle in Eichbosonen immer mehr an Bedeutung und bilden für MH > 140GeV die dominanten Zerfälle. Eine Abbbildung mit Verzweigungsverhältnissen des Higgs-Bosons als Funktion der Higgs-Masse ist in Abb. 5.2 gegeben. Die Zerfallsbreite des Higgs-Bosons unterhalb von mH 0 = 160 GeV ist vernachlässigbar, steigt aber danach auf einige GeV an. Abbildung 5.2: Verzweigungsverhältnisse des Higgs-Bosons als Funktion der Higgs-Masse. 5.1.3 Produktion des Higgs-Bosons am LHC Der dominante Prozess für die Higgs-Produktion am LHC hat seinen Ursprung in der Kopplung des Higgs an das schwerste stark-wechselwirkende Teilchen – das Top-Quark. Der stärkste 42 KAPITEL 5. DIE SUCHE NACH NEUER PHYSIK Beitrag liefert das Schleifendiagramm in Abb. 5.3 oben. Zwei Gluonen fusionieren zu einer Top-Quark-Schleife, die wiederum an das Higgs koppelt. Weitere Erzeugungsmechanismen sind ebenfalls angegeben. Ihr Beitrag ist, wie man Abb. 5.4 entnehmen kann, jedoch deutlich kleiner. Der Gluon-Fusionsprozess gg → H 0 ist am relevantesten für diesen Versuch, während viele der Higgs-Suchen am LHC mit dem Vektor-Boson-Fusionskanal qq → qqH 0 arbeiten (Abb. 5.3 unten) Abbildung 5.3: Higgs-Produktionsmechanismen am LHC. 5.1.4 Die Suchkanäle Higgs-Ereignisse unterscheiden sich zum Teil erheblich. Je nach Produktionsmechanismus wird das Teilchen alleine oder assoziert mit schweren Teilchen erzeugt. Der Zerfall des Higgsbosons trägt weiter zur Vielfalt bei. So spaltet sich die Higgssuche in verschiedene sogenannte Suchkanäle auf. Die Kanäle ergeben sich durch Kombination eines Produktionsprozesses (z.B. Gluon-Fusion) mit der Wahl der Zerfallskanäle der Endzustandsteilchen und weisen eine bestimmte Signatur im Detektor auf. Betrachten wir z.B. folgenden Prozess. gg → H 0 → ZZ → `+ `− `+ `− (5.5) Die Signatur dieses Kanals sind die vier Leptonen im Endzustand. Unterhalb von MH = 180 GeV können die Z-Bosonen nicht beide reell produziert werden, oberhalb der Schwelle ist dies jedoch möglich. Abb. 5.5 zeigt ein mögliches Higgs-Signal bei einer Masse von 300 GeV. Dieser Kanal wird im 4. Versuchsteil behandelt werden. Ein Überblick über die die verschiedenen Suchkanäle findet sich in [11], und [9]. Weiterführende Literatur 5.1. DIE SUCHE NACH DEM HIGGS-BOSON Abbildung 5.4: Wirkungsquerschnitte für Higgs-Produktion. Abbildung 5.5: Die invariante 4-Lepton-Masse mit simulierten Daten eines Higgs-Bosons mit einer Masse von 300 GeV [10]. 43 44 KAPITEL 5. DIE SUCHE NACH NEUER PHYSIK 1. V. Büscher, K. Jakobs, “Higgs Boson Searches at Hadron Colliders”, Int. J. Mod. Phys. Lett. A 20, 2523 (2005) [arXiv:hep-ex/0504099], Ref. [9] 2. K. Desch, “LHC physics: What can be done in the first years,” Acta Phys. Polon. B 36 (2005) 3343. 3. G. Unal, “Higgs physics at the LHC,” Acta Phys. Polon. B 38 (2007) 717. http://th-www.if.uj.edu.pl/acta/vol38/pdf/v38p0717.pdf 5.2. DIE SUCHE NACH SUPERSYMMETRIE 45 5.2 Die Suche nach Supersymmetrie Die Supersymmetrie (SUSY) ist eine Symmetrie zwischen Fermionen und Bosonen. In der minimalen sypersymmetrischen Erweiterung des Standardmodells (MSSM) gibt es zu jedem fermionischen Freiheitsgrad genau einen bosonischen Freiheitsgrad und umgekehrt. D.h. zu jedem Fermion (das zwei Chiralitätszustände hat) existieren zwei Spin-Null Partner (genannt bosonischer Superpartner) und zu jedem Spin-1-Boson genau ein Fermion (fermionischer Superpartner). Das ganze Spektrum ist in Abb. 5.6 angegeben. Normale Teilchen und ihre Superpartner unterscheiden sich um 12 ~ im Spin 0. Zu einem Elektron (Spin 12 ) müsste es also zwei sog. Selektron-Teilchen mit Spin Null geben. Es ist offensichtlich, dass SUSY in dieser idealen Form nicht in der Natur realisiert sein kann, denn eine Konsequenz aus dieser Symmetrie wäre, dass die Superpartner immer die gleiche Masse besitzen, wie ihre Gegenstücke im Standardmodell. Leider wurde nie ein Teilchen mit Spin 0 und einer Masse von 511 keV entdeckt. Sollte also SUSY existieren, so muss es sich um eine gebrochene Symmetrie handeln. Abbildung 5.6: Das Teilchenspektrum in Modellen mit Supersymmetrie. 46 KAPITEL 5. DIE SUCHE NACH NEUER PHYSIK Aus theoretischer Sicht, ist SUSY letztlich deshalb eine sehr beliebte Theorie, weil sie Lösungen zu einigen im Standardmodell auftretenden Problemen bietet. • Die Kopplungskonstanten der drei für die Elementarteilchenphysik relevanten Wechselwirkungen (elektromagnetische, schwache und starke Wechselwirkung) sind, anders als der Name impliziert, nicht konstant, sondern abhängig von der Energieskala, an der die Wechselwirkung stattfindet. Wenn es eine Theorie gibt, die alle drei Wechselwirkungen vereinigt (Grand Unified Theory, GUT ), würde man erwarten, dass diese Kopplungskonstanten bei der Energieskala zusammentreffen, ab der die vereinigte Wechselwirkung wiederhergestellt wird. Berücksichtigt man nur Standardmodellwechselwirkungen, so ergibt die Extrapolation der Kopplungen zu hoher Energie hin, dass die Kopplungen nicht an einem Punkt zusammentreffen. Erst mit SUSY ist ein solches Zusammentreffen möglich. • Das Standardmodell sagt voraus, dass die Masse des Higgsbosons, so es denn existiert, in der Größenordnung der elektroschwachen Skala, also ca. 100 GeV liegt. Berechnet man jedoch die Masse des Higgsbosons, so führen Terme in höherer Ordnung Störungstheorie dazu, dass die ’natürliche’ Masse irgendwo zwischen 1015 GeV und 1019 GeV liegt. Es ist zwar möglich, durch extremes Feineinstellen aller Terme die Masse auf die gewünschte Größenordnung zu bringen. Dies aber erscheint vielen als unnatürlich. Durch die Existenz von Superpartnern zu den Standardmodell-Teilchen wird dieses Problem jedoch behoben. • SUSY liefert einen Kandidaten für dunkle Materie, das sogenannte “Lightest Supersymmetric Particle” (LSP). Im MSSM ist das leichteste SUSY-Teilchen (also das LSP) aufgrund der Erhaltung der sogenannten R-Parität1 . Ist dieses leichteste Teilchen elektrisch neutral, wird es kaum mit der sichtbaren Materie im Universum wechselwirken und hauptsächlich durch seinen gravitativen Einfluss auf Galaxien und Galaxienhaufen in Erscheinung treten. • Die Formulierung der Supersymmetrie als lokale Symmetrie ermöglicht eventuell die Einbindung der Gravitation in eine Quantenfeldtheorie (die sog. Supergravitation). In der kleinstmöglichen Erweiterung des Standardmodells (Minimal Supersymmetric Standard Model (MSSM)) hat jeder chirale fermionische Freiheitsgrad einen skalaren Partner, der “Sfermion” genannt wird. Diese Bezeichnung ist ein wenig irreführend, da es sich bei sfermions um Spin-Null-Teilchen, also um Bosonen handelt. Jedes masselose Eichboson mit zwei Helizitätszuständen hat einen masselosen Spin-1/2-Partner (genannt Gaugino) mit zwei Chiralitäten. In so ein Modell passen also keine schweren Eichbosonen, so dass auch im MSSM ein Higgs-Mechanismus erforderlich ist. Die Wechselwirkungen von SUSY-Teilchen können auf einfache Weise von Standard-ModellWechselwirkungen abgeleitet werden, indem jeweils zwei Linien zu einem Vertex durch die jeweiligen SUSY-Partner ersetzt werden. Z.B. kann man den Gluon-Quark-Quark-Vertex durch einen Gluino-Quark-Squark-Vertex ersetzen. Die Kopplungen am Vertex sind ansonsten gleich denen des Standardmodells. 5.2.1 SUSY im ZZ (∗) -Spektrum SUSY ist ein weites Forschungsgebiet mit zahlreichen Parametern. Es gibt daher zahlreiche Möglichkeiten, wie Zerfälle schwerer supersymmetrischer Teilchen Endzustände mit vier Lepto1 R-Parität ist eine multiplikative Quantenzahl, R = (−1)3B+L+2S (B=Baryonenzahl, L=Leptonenzahl und S=Spin des Teilchens) stabil. R ist so gewählt, dass Standardmodell-Teilchen eine R-Parität von +1 haben, die SUSYPartner dagegen -1. 5.2. DIE SUCHE NACH SUPERSYMMETRIE 47 nen bilden könnten, die dann als Beimischung in Z-Paar-Datensätzen auftreten können. Zwar gibt es interessantere Suchkanäle, in denen SUSY besser entdeckt werden könnte, wir beschränken uns hier aber auf den Vier-Lepton-Kanal und ignorieren aus Zeitgründen alle anderen Suchkanäle für SUSY. Im elektroschwachen Sektor des Standardmodells besitzen die W30 und B 0 die gleichen Quantenzahlen, was dazu führt, dass sie mischen und so die beiden physikalisch messbaren Zustände Z 0 und γ bilden. Derselbe Mechanismus sorgt im MSSM dafür, dass die Supersymmetrischen Partner der Higgsfelder und der neutralen elektroschwachen Eichbosonen mischen. Die vier messbaren Zustände nennt man Neutralinos. Einige SUSY-Modelle sagen voraus, dass das leichteste Neutralino (∼χ01 ) gleichzeitig das leichteste SUSY-Teilchen darstellt, also das LSP ist. In diesem Fall wäre es stabil und nur schwach wechselwirkend und würde nicht im Detektor nachgewiesen werden können. Im folgenden betrachten wir ein Beispiel, in dem ein Neutralino-Paar, das zweitleichteste (∼χ02 ) und drittleichteste (∼χ03 ), zusammen erzeugt werden (Siehe Abb. 5.7). Die Neutralinos zerfallen jeweils in das leichteste Neutralino ∼χ01 unter Aussendung von Z 0 -Bosonen. Die ∼χ01 führen zu einem Ungleichgewicht im beobachtbaren Transversalimpuls und damit zu einem beträchtlichen E /T . Abbildung 5.7: Neutralinopaarproduktion und Zerfall. In diesem Versuch wird nach neuer Physik im ZZ (∗) -Spektrum gesucht. Abb. 5.7 zeigt einen Prozess, mit dem SUSY zu diesem Kanal beitragen könnte. 5.2.2 Der Higgssektor in Modellen mit Supersymmetrie Man benötigt im MSSM, anders als im Standardmodell, nicht ein sondern zwei Higgs-Doubletts und erhält ingesamt 5 beobachtbare Higgs-Bosonen, Zwei dieser Teilchen sind dem StandardmodellHiggs sehr ähnlich (h0 , H 0 ), ein Higgs-Boson (A0 ) hat die CP-Quantenzahl CP = −1, und schließlich gibt es zwei elektrisch geladene Higgs-Bosonen H + und H − . Weiterführende Literatur 48 KAPITEL 5. DIE SUCHE NACH NEUER PHYSIK 1. M. Schumacher, “Investigation of the discovery potential for Higgs bosons of the minimal supersymmetric extension of the standard model (MSSM) with ATLAS,” [arXiv:hepph/0410112]. 5.3 Weitere exotische Physikszenarien 5.3.1 Neue schwere Quarks Nimmt man an, dass es exakt drei Generationen von Elementarteilchen gibt, so sind alle Quarkflavors bekannt. Falls es jedoch weitere Generationen gibt, so müssen die dazugehörenden Quarks schwerer sein als das Top-Quark2 . Die Zerfälle der hypothetischen Quarks vierter Generation hängen dann davon ab, ob es sich um ein Quark vom up-Typ mit Ladung +2/3 oder down-Typ mit Ladung −1/3 handelt. Zerfälle eines schweren, down-artigen Quarks. Unter der Annahme, dass das down-TypQuark vierter Generation, im Folgenden als d4 bezeichnet, deutlich schwerer ist als das TopQuark, ergibt sich folgende Zerfallskaskade: g g → d4 d¯4 → t W − t̄ W + → b W + W − b̄ W − W + (5.6) Je nach Zerfall der W-Bosonen ergeben sich Endzustände mit bis zu vier Leptonen sowie einigen Jets. Zerfälle eines schweren, up-artigen Quarks. Für das up-Typ-Quark vierter Generation, im Folgenden als u4 bezeichnet, ergibt sich folgende Zerfallskaskade: g g → u4 ū4 → b W − b̄ W + (5.7) Endzustände mit vier isolierten Leptonen ergeben sich hier eher selten. 5.3.2 Neue Eichbosonen (Z 0 ) Es gibt einige Theorien mit neuen, schweren Eichbosonen, unter anderem einem schweren Eichboson mit ähnlichen Eigenschaften wie dem Z 0 -Boson, das dann ebenfalls an Quarks und Leptonen koppelt. Weiterführende Literatur 1. A. Leike, “The phenomenology of extra neutral gauge bosons,” Phys. Rept. 317 (1999) 143, [arXiv:hep-ph/9805494]. 2 Um eine in sich konsistente Theorie zu bilden und um mit den Messungen bei LEP-I im Einklang zu sein, muss es zu den zu den Quark-Doublett auch ein Lepton-Doublett geben und das dazugehörige Neutrino muss eine Masse > 50 GeV besitzen. Kapitel 6 Versuchsaufgaben Es gibt insgesamt vier Aufgaben. Die beiden ersten werden am ersten Versuchstag durchgeführt, und bereiten Sie auf den Hauptteil des Versuches (Teile 3 und 4) vor. Beachten Sie bitte, dass es in diesem Kapitel Verständnisfragen gibt, die vor Versuchsbeginn schriftlich von Ihnen beantwortet werden sollen. 6.1 Versuchsteil 1: Graphische Darstellung von Teilchenreaktionen 6.1.1 Versuchsbeschreibung In diesem Versuchsteil arbeiten sie mit dem Programm ATLANTIS, das Teilchenreaktionen graphisch darstellt. Lesen Sie bitte dazu den Abschnitt 7.4. Die Detektorgeometrie wird zusammen mit der Antwort des Detektors auf die durchlaufenden Teilchen dargestellt. Zusätzlich werden auch rekonstruierte Objekte wie z.B. Spuren elektrisch geladener Teilchen durch das Programm angezeigt. Dieser Versuchsteil wird im Verzeichnis Atlantis ausgeführt. Wechseln sie zunächst von der Kommandozeile aus in das Verzeichnis (cd ∼/Atlantis) und starten Sie das Eventdisplay mit folgenden Befehlen: skitathena -r 12.0.7 java -jar atlantis.jar Zum Laden eines Datensatzes verwenden sie den Menü-Eintrag in der Oberen Fensterleiste des Rechten Atlantis-Fensters, (Menü-Eintrag Files/Read Event). Die Ereignis-Dateien liegen im Unterverzeichnis events. Die Namen der Dateien sind selbsterklärend. Machen Sie sich zunächst mit der Funktionalität des ATLAS-Eventdisplays vertraut. Laden Sie dann nacheinander die fünf Lerndatensätze Elektronen, Myonen, Photonen, τ -Leptonen und Jets. In diesen Ereignissen sind jeweils eines der angegebenen Teilchen vorhanden, diese Datensätze sind also keine wirklichen Physikereignisse. Bei den Jet-Datensätzen handelt es sich um Zwei-Jet-Ereignisse (Di-Jets). Die Namen der Lerndatensätze sind singlepart xxx.zip, bzw dijet-xxx.zip. Studieren Sie die Detektorantwort auf die verschiedenen Teilchentypen. Die Bedienung des Programmes wird in Abschnitt 7.4 erklärt. 50 KAPITEL 6. VERSUCHSAUFGABEN 6.1.2 Versuchsaufgaben • Schauen Sie sich alle Lerndatensätze an, um einen Überblick zu gewinnen. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass Sie alle Ereignisse in einem Datensatz betrachten. • Bitte bearbeiten Sie aus der nachfolgenden Aufgabenliste zwei vom Tutor vorgegebene Aufgaben. Aufgabenliste 1. Was ist - grob abgeschätzt - die mittlere Ausdehnung eines Schauers im Elektromagnetischen Kalorimeter des ATLAS-Detektors. Bestimmen Sie durch eine grobe Abschätzung die mittlere transversale Ausdehnung. Ist die Ausdehnung für Elektronen und Photonen die gleiche? Benutzen Sie bitte zur Beantwortung der Frage die ersten 15 Elektron und die ersten 15 Photon-Ereignisse aus den jeweiligen Lerndatensätzen. 2. Laden Sie den Elektronen-Lerndatensatz und bestimmen Sie für zwanzig ElektronenEreignisse den Krümmungsradius der Elektron-Spuren im Inneren Detektor. Bestimmen Sie daraus den Impuls der Elektronen. Bestimmen Sie weiter die Energie des ECALClusters und erstellen sie eine Tabelle des Verhältnisses von Cluster-Energie zu ElektronenImpuls. Erstellen sie daraus außerdem noch ein Histogramm. 3. Laden Sie den Myonen-Lerndatensatz und vergleichen Sie den Impuls der Myonen, wie er im Inneren Detektor gemessen wird mit der Impulsmessung im Myon-Detektorsystem. benutzen Sie die ersten zwanzig Ereignisse. Bestimmen Sie den mittleren Energieverlust der Myonen im Kalorimeter. Von welchen Größen hängt der Energieverlust besonders stark ab? 4. Bestimmen Sie anhand des Photonen-Lerndatensatzes die Konversionswahrscheinlichkeit für Photonen in den innersten Lagen des Detektors. Überlegen Sie sich, bis zu welcher Lage Sie noch sinnvolle Aussagen über die Konversionswahrscheinlichkeit machen können. 5. Bestimmen sie die mittlere Anzahl zusätzlicher Jets in Ereignissen, in denen ein W-Boson erzeugt wird. 6. Bestimmen Sie für drei Z 0 → e+ e− Zerfälle die invariante Elektron-Positron-Masse. a) exakt, d.h. mit Berücksichtigung der Elektronenmasse und b) unter der Näherung me ≈ 0. 7. Untersuchen sie den Datensatz Mystery-xxx.dat. Versuchen Sie anhand von markanten Eigenschaften wie z.B. Leptonen, Jets oder E / T den Standard-Modell-Physikprozess1 zu ermitteln, der für die Ereignisse im Mystery-Datensatz verantwortlich sein könnte. Beachten Sie bitte, dass auf den Mystery-Datensatz eine Vorselektion angewandt wurde, in der mindestens zwei Leptonen (e, µ) verlangt werden. Stellen Sie Hypothesen auf, die Sie gut begründen. Eventuell können sie auch einige Physikprozesse ausschließen. Sollte es am Ende mehrere mögliche Prozesse geben, die in Frage kommen, so ist das durchaus akzeptabel. 8. Echte ATLAS-Daten. Im Jahr 2007 wurden mit dem ATLAS-Detektor Höhenstrahlungsereignisse aufgenommen. In Meereshöhe besteht die Höhenstralung fast ausschließlich 1 Im Mystery-Datensatz kommt keine exotische Physik vor, sondern nur Standardmodell-Prozesse. 6.2. VERSUCHSTEIL 2: KALIBRATION DER ELEKTRONEN 51 aus Myonen, die aus dem Zerfall geladenener Pionen stammen. Aufgrund der großen Reichweite in Materie kann man selbst in 100 Meter Tiefe noch Myonen nachweisen. Bestimmen sie anhand des Höhenstrahlungsdatensatzes ATLASData-Cosmics-M5.zip die Zenith-Winkelverteilung der Myonen. Überlegen Sie sich, wie der Zenithwinkel mit den Winkeln η und φ0 zusammenhängt, die Sie mit dem Pick-Befehl erhalten. Entspricht ihre Winkelverteilung der bekannten Verteilung auf Meereshöhe? 6.2 Versuchsteil 2: Kalibration der Elektronen Ihnen ist vielleicht schon aufgefallen, dass wir sie sehr großzügig mit “Daten” in diesem Versuch versorgen. Hier haben Sie die Gelegenheit, selbst Hand an die Daten zu legen und die Qualität der Daten entscheidend zu verbessern. Dabei verwenden Sie das Programm ROOT (siehe Abschnitt 7.1). Die genaueste Messung der Elektronen-Energie erfolgt über die Energie des vom Elektron ausgelösten Schauers im Elektromagnetischen Kalorimeter. Die Richtung des Elektrons wird anhand der rekonstruierten Spur im inneren Detektor bestimmt. Die Energiemessung der Elektronen im Kalorimeter muss kalibriert werden, da ein Kalorimeter aus vielen hunderten Modulen besteht, die leicht untereinander in Ihrer Energieausbeute variieren. Zudem gibt es systematische Verluste durch tote Bereiche im Kalorimeter oder durch Energieverluste der Elektronen vor dem Eintritt ins Kalorimeter. Die ATLAS-Datensätze, die Ihnen in diesem FP-Versuch zur Verfügung stehen, enthalten nur die Roh-Energie, die in der Regel unterhalb der wahren Energie liegt. Es ist nun ihre Aufgabe, die Elektronenenergie zu kalibrieren. 6.2.1 Die Datei ElecCalib.C Die Kalibration wird in der Datei ElecCalib.C festgelegt. Diese Datei enthält eine C-Funktion, deren Rückgabewert die wahre (d.h. die kalibrierte) Elektronen-Energie ist. Eingabegrößen der Funktion sind alle Elektron-Größen, die im ROOT-Tree enthalten sind (siehe auch 8). Die e raw pt phi, eta etiso eoverp drjet Eingabegrößen von ElecCalib.C Roh-Energie Transversalimpuls Richtung des Elektrons (Azimuthalwinkel und η) Transversale Energie im Kalorimeter in der Umgebung des Elektrons Das Verhältnis von Elektronen-Roh-Energie zu Elektronenimpuls. Dabei wird der Impuls des Elektrons im Inneren Detektor gemessen. Der Abstand in der ϕη-Ebene vom Elektron zum nächsten Jet. voreingestellte Kalibration ist zu Versuchsbeginn denkbar einfach: die kalibrierte Elektronenenergie ist gleich der Roh-Energie. double ElecCalib(double e raw, double pt, double eta, double phi, double etiso, double eoverp, double mindrjet) { double energy = e raw; return energy; } 52 KAPITEL 6. VERSUCHSAUFGABEN Ändert man in diesem Beispiel die 4. Zeile in energy = e raw*1.05; um, so verschiebt sich die kalibrierte Elektronenenergie pauschal um 5% nach oben. Probieren Sie das bitte aus und machen sie sich klar, wie sich dabei der Z 0 -Peak verändert. In diesem Zusammenhang muss unbedingt folgendes beachtet werden: Änderungen in der Datei ElecCalib.C kommen nur dann zur Geltung, wenn ElecCalib.C gespeichert, das ROOT-Programm verlassen und ROOT neu gestartet wurde. 6.2.2 Anmerkungen zum Fit des Z 0 -Peaks Um die Kalibration durchzuführen stehen Ihnen Elektron-Positron-Paar-Ereignisse zur Verfügung. Die meisten dieser Paare stammen von Z 0 -Zerfällen. Die Eigenschaften von Z 0 -Bosonen sind am LEP-Speicherring in den neunziger Jahren sehr genau gemessen worden (Siehe Abschnitt 4.3.1). Zum Beispiel sind die Masse des Z 0 auf 2 × 10−6 genau bekannt. Die Breite kennt man auf ca. 1 Promille genau. Der Z 0 -Peak stellt damit ein bekanntes Signal dar, mit dessen Hilfe das von hochenergetischen Elektronen erzeugte Signal im Kalorimeter (die Kalorimeterantwort) geeicht werden kann. Bei einer Messung mit einem perfekten Detektor würde man folgende Verteilung der invarianten Elektron-Positron-Masse Mee erwarten: 1 a + F (M ) + Bg(M ) (6.1) F (Mee ) = 2 · ee ee Int Mee (Mee − MZ2 )2 + MZ2 Γ2 Dabei ist MZ ist die nominelle Z 0 -Masse, ΓZ die Zerfallsbreite des Z 0 -Bosons und FInt (Mee ) ist der γZ 0 -Interferenzterm. Der Faktor a ist ein willkürlich eingeführter Normierungsfaktor und die Funktion Bg(Mee ) parametrisiert den Untergrund, der hauptsächlich auf QED-Prozessen oder auf miss-identifizierten Leptonen beruht. Der erste Term in der Klammer entspricht der relativistischen Breit-Wigner-Funktion. Im Versuch wird die beobachtete Massenverteilung an eine Fitfunktion angepasst (χ2 Fit, Abschnitt 7.2). Dabei werden im Fit folgende Näherungen berücksichtigt: (1) der γZ 0 Interferenzterm wird vernachlässigt, (2) der Standard-Breit-Wigner F (Mee ) = Γ2Z /4 (Mee − MZ )2 + Γ2Z /4 (6.2) wird anstatt des relativistischen Breit-Wigners verwendet. Beide Näherungen haben so kleine Effekte, dass deren Einflüsse vernachlässigbar sind. Berücksichtigt man nun Detektoreffekte, so ergibt sich als erste Konsequenz, dass der recht schmale Breit-Wigner-Peak aufgrund der Detektoreffekte verschmiert, d.h. breiter wird. Je nachdem in welchen Bereich des Kalorimeters das Elektron fliegt, erhält man eine RohEnergie-Messung, die z.T. erheblich und systematisch von der tatsächlichen Energie abweichen kann. Gerade die systematischen Variationen der Z 0 -Masse in unterschiedlichen Detektorbereichen kann die beobachtete Z-Breite stark erhöhen. Die Fitfunktion berücksichtigt die Detektorauflösung, indem die Breit-Wigner-Funktion durch die sogenannte Voigt-Funktion ersetzt wird (siehe Referenz [12]). Die Voigtfunktion ist eine Faltung eines Breit-Wigners mit einer Gauss-Funktion. Wir verwenden also im Fit die Annahme, dass die Auflösungseffekte streng gauss-verteilt sind. Diese Annahme ist nur annähernd gerechtfertigt und ihr Fit wird daher kein besonders kleines Chi2 liefern. Die Gaussische Breite in der Voigt-Funktion ist ein freier Parameter des Fits und neben der gemessenen Z 0 -Masse der wichtigste Parameter in diesem Versuchsteil. Insgesamt werden folgende Parameter gefittet: 6.2. VERSUCHSTEIL 2: KALIBRATION DER ELEKTRONEN 53 • Normierung des Z-Peaks (proportional zur Anzahl der Signalereignisse), • Die Verbreiterung des Peaks aufgrund von Detektoreffekten (in GeV), • Z-Masse (in GeV), • Untergrundnormierung (proportional zur Anzahl der Untergrundereignisse), • Vier Parameter (BG1, BG2, BG3 und BG4), die die Form des Untergrundes beschreiben. 6.2.3 Vor Versuchsbeginn zu beantwortende Fragen Frage A: Zerfall eines Z 0 -Bosons Wie groß ist der Impuls eines Elektrons im Zerfall eines Z 0 -Bosons Z 0 → e+ e− , wenn sich das Z 0 -Boson in Ruhe befindet? Frage B: Streureaktion e+ e− → τ + τ − Wie groß ist der Impuls von Tau-Leptonen in der Reaktion e+ e− → τ + τ − , wenn die Reaktion im Schwerpunktssystem stattfindet (Schwerpunktsenergie = 5 GeV)? 6.2.4 Versuchsaufgaben • (a) Erstellen Sie mit Hilfe des Befehles tree->Draw ein Histogramm der Elektronenenergie, der Positronenenergie und der invarianten Masse des Elektron-Positron-Paares. Bei welcher Masse beobachten Sie den Z-Peak? • (b) Erstellen Sie eine Kalibration der Elektronenenergie und implementieren Sie sie in der Datei ElecCalib.C. Wiederholen sie das Verfahren ein paar Mal um einen möglichst guten Wert für die Detektorauflösung nach Kalibration zu erreichen. 6.2.5 Versuchsdurchführung Dieser Versuchsteil wird im Verzeichnis ZeeFit ausgeführt. Von der Kommandozeile kommen sie mit cd ∼/ZeeFit in dieses Verzeichnis. Zu Beginn einer Session starten Sie ROOT mit dem Befehl: source setup.sh Die Kalibration sowie sämtliche Fits führen Sie mit Hilfe des Datenanalyseprogrammes ROOT (Siehe Abschnitt 7.1) durch. Bei der Kalibration hilft Ihnen ein Kalibrationsobjekt, das in Abschnitt 7.5 detailliert beschrieben wird. Zu Beginn der ROOT-Session laden Sie das Kalibrationsobjekt mit den beiden Befehlen (auszuführen in der ROOT-Kommandozeile): .L fitZee.C+ fitZee z Damit haben Sie ein Kalibrationsobjekt mit dem Namen ’z’ erzeugt, auf dass Sie bei der Kalibration zurückgreifen. Mit dem Erzeugen des Kalibrationsobjektes wird automatisch eine Datei geöffnet, die die Informationen über Z0-Zerfälle in einem ROOT-Tree enthält. Die Ereignisdaten, die Ihnen dabei zur Verfügung stehen, enthalten alle jeweils ein Elektron und Positron. Die genaue Selektion wird im Abschnitt 8 beschrieben. Der Name des ROOT-Trees ist, wie bei allen 54 KAPITEL 6. VERSUCHSAUFGABEN anderen Root-Trees in unserem Versuch, einfach ’tree’. Variablen des Trees können Sie sich ohne Verwendung des Kalibrationsobjektes mit dem Befehl tree->Draw("Variablen-Name") bzw. mit dem Befehl tree->Draw("Variablen-Name", "Schnitt-Bedingung") anschauen. Eine Beschreibung der Variablen im ROOT-Tree findet sich in Abschnitt 8. Die Variablen des ROOT-Trees sind getrennt für Elektronen und Positronen aufgeführt und unterscheiden sich anhand der Vorsilben el bzw. pos . Die eigentliche Kalibration erfolgt mit Hilfe des Kalibrationsobjektes z, dessen Methoden Sie aufrufen. Beispiel: z.Fit("") fittet alle e+ e− -Paare im Datensatz. Wollen Sie sich z.B. nur Ereignisse mit Elektronen in einen Polarwinkel-Bereich von 0.5 < |η| < 1. anschauen, so verwenden sie: z.Fit("0.5<TMath::Abs(el eta) && TMath::Abs(el eta)<1.0") Weitere Details zur Benutzung von z finden sie im Abschnitt 7.5. Die Kalibration wird so durchgeführt, dass Sie in verschiedenen Bereichen des Detektors unterschiedliche Korrekturfaktoren auf die Elektronenenergie anwenden, sodass in allen Phasenraumbereichen die Z-Masse auf den nominellen Wert kalibriert ist. Die Kalibration wird dabei als global angesehen, d.h. sie wird auf alle Elektromagnetischen Cluster angewendet. Für das weitere Vorgehen empfiehlt es sich, dass Sie zunächst nach Detektorbereiche suchen, in denen der Z 0 -Peak besonders stark abweicht. Die Richtungen der Elektronen sind hinreichend gut gemessen sind und Abweichungen in der Z-Masse gehen weitgehend auf die Energiemessungen zurück. Sie können diese Abweichungen mit dem Kalibrationsobjekt z messen und eine verbesserte Energiekalibration in der Datei ElecCalib.C implementieren. In diesem Zusammenhang bietet sich ein iteratives Vorgehen an. Messen sie systematische Abweichungen in der Position der Z-Masse, ändern sie danach die Datei ElecCalib.C ab und wiederholen diese Prozedur ein paar Mal. Beispiel: Eta-Scan Die Abbildung 6.1 zeigt das Ergebnis eines Scans, in der die Z-Masse in Abhängigkeit der Variablen η untersucht wurde. Man sieht eine deutliche Abhängigkeit der Peak-Position vom Eta-Bereich. An der Kalibrierung muss also noch einiges getan werden. Die folgenden Befehle erzeugten die Abbildung 6.1 (eingegeben in der ROOT-Kommandozeile): z.Fit("el energy>50. z.Fit("el energy>50. z.Fit("el energy>50. z.Fit("el energy>50. z.List() z.Draw(0,1,2,3) && && && && el el el el eta>0. && el eta<1. ") eta>1. && el eta<1.5 ") eta>1.5 && el eta<2. ") eta>2. && el eta<2.5 ") Aufgrund der gemessenen Abweichungen empfiehlt sich nachfolgende Kalibration. Implementiert in ElecCalib.C sähe das dann etwa so aus: double ElecCalib(double e raw, double pt, double eta, double phi, double etiso, double eoverp, double mindrjet) { double energy = e raw; 6.2. VERSUCHSTEIL 2: KALIBRATION DER ELEKTRONEN } 55 if (eta > 0. && eta < 1.) energy = energy * xxx; else if (eta > 1. && eta < 1.5) energy = energy * xxx; else if (eta > 1.5 && eta < 2.) energy = energy * xxx; else if (eta > 2. && eta < 2.5) energy = energy * xxx; return energy; Nach einigen Anwendungen von z.Fit() werden Sie eine gute Vorstellung bekommen, wie man die Elektronenkalibration in der Datei ElecCalib.C noch weiter verbessern kann. Wenn alles klappt, werden Sie feststellen, dass nach einigen Iterationen die Detektorauflösung sichtbar besser geworden ist. Das kann man auch am Fitparameter Resolution sehen, der kleiner geworden ist. Wenn die Detektorauflösung hinreichend erscheint und keine Variationen der beobachteten Z-Masse aufgrund systematischer Effekte mehr festzustellen sind, ist dieser Versuchsteil abgeschlossen. Im allgemeinen ist die Kalibration ein Herantasten an einen perfekten Zustand. Verzweifeln sie also nicht, wenn sie es nicht 100% hinkriegen. Sie sollten sich jedoch klarmachen, dass die Kalibration (bzw. eine fehlende Kalibration) Auswirkungen auf die Versuchsteile des nächsten Versuchstages haben werden. Am Ende des Versuchsteiles wird der Tutor ihre Kalibration auf die Datensätze der Versuchsteile 3 und 4 anwenden. Ihnen stehen somit am zweiten Versuchstag kalibrierte Elektronen zur Verfügung. Abbildung 6.1: Resultate von verschiedenen Z-Fits. 56 KAPITEL 6. VERSUCHSAUFGABEN 6.3 Versuchsaufgabe 3: Messung der W-Boson-Masse Wie in Abschnitt 4.3.2 diskutiert wurde, kann man mit Hilfe des Elektron-pT -Spektrums die W-Masse bestimmen. Diese Methode hat den Vorteil, weitgehend unabhängig von der E /T Variablen und ihrer Kalibration zu sein. 6.3.1 Vor Versuchsbeginn zu beantwortende Fragen Bitte beantworten Sie vor Versuchsbeginn folgende Fragen: • Überlegen Sie sich eine Methode um den Transversalimpuls des W-Bosons zu bestimmen. Die Variable ptw entspricht dem gemessenen Transversalimpuls des W -Bosons. Sie ist redundant. Wie lässt sie sich aus den anderen Variablen des ROOT-Trees berechnen? • Leiten Sie Gleichung 4.5 aus Gleichung 4.4 her. 6.3.2 Versuchsdurchführung Zur Messung der W-Masse in diesem Versuchsteil steht Ihnen wieder ein C++ -Objekt zur Verfügung, das diesmal w heißt. Dieses W-Fit-Objekt und dessen Benutzung wird in Abschnitt 7.6 beschrieben. Ausgangspunkt sind wieder ROOT-Trees, deren Format in Kapitel 8 beschrieben wird. Diesmal stehen eine Reihe von Datensätzen zur Verfügung. • Ein (simulierter) ATLAS-Datensatz, ohne Elektron-Kalibration • Ein (simulierter) ATLAS-Datensatz mit ihrer Kalibration. Diese Datei wird unter Verwendung ihrer ElecCalib.C am Morgen des zweiten Versuchstages vom Tutor erstellt werden. • Monte-Carlo-Datensätze mit W-Zerfällen W → eν, die mit verschiedenen W-Massen simuliert wurden (79 bis 81 GeV in 500 MeV Schritten). • Ein Datensatz mit Monte-Carlo-Untergrund. • Ein ATLAS-Datensatz mit kalibrierten Z → ee Daten. • Ein ATLAS-Datensatz mit unkalibrierten Z → ee Daten. Die Monte-Carlo Datensätze werden im folgenden sehr nützlich sein: Aus dem Halbhöhenpunkt als Funktion der Monte-Carlo-W-Masse erstellen Sie eine Eichkurve (Messwert als Funktion der simulierten Masse). In der Auswertung werden Sie daraus unter Verwendung des ATLAS-Daten-Halbhöhenpunktes (oder des Maximums) die W-Masse extrahieren. Der Versuchsteil wird im Verzeichnis Wmass ausgeführt. Zu Beginn der ROOT-Session laden Sie das W-Fit-Objekt mit den beiden Befehlen (auszuführen in der ROOT-Kommandozeile): .L Wenu.C+ Wenu z Ein Menü erscheint, in dem man den zu bearbeitenden Datensatz auswählen kann. Danach können Sie mit dem tree->Draw-Befehl Histogramme erstellen, die Sie mit dem W-Fit-Objekt w weiter analysieren. 6.3. VERSUCHSAUFGABE 3: MESSUNG DER W-BOSON-MASSE 57 Wählen sie zunächst den Datensatz “(8)” (ATLAS Daten). Mit dem Draw() Befehl sollen einige Histogramme erstellt werden. Mit dem Befehl tree->Draw(“el pt”,”njet==0”) plotten Sie beispielsweise das Elektron-pT -Spektrum aller Ereignisse, die keinen Jet enthalten. 6.3.3 Versuchsaufgaben 1. Plotten Sie folgende Observablen für den ATLAS-Datensatz und für einen W-BosonMonte-Carlo-Datensatz: die Jet-Anzahl, das Elektron-pT und den W-Transversalimpuls ptw. 2. Plotten Sie das W -Boson-pT -Spektrum im ATLAS-Datensatz für null, eins, . . . , vier Jets. Wie unterscheiden sie sich und warum? 3. Im Folgenden sollen sie eine aussagekräftige Messung der W-Masse vornehmen. Der vorliegenden Datensatz stellt nur eine grobe Vorselektion von W → eν-Ereignissen dar. Überlegen Sie sich, welche Ereignisse Sie letztendlich verwenden wollen, um die WMasse zu bestimmen. Stellen Sie dazu eine geeignete Schnittselektion auf und geben für ihre Selektion eine Begründung an. 4. Wenden Sie ihre Selektion auf alle Datensätze an (auch auf die beiden Z0 -Datensätze) und bestimmen jeweils den Halbhöhenpunkt im Bereich der Jacobi-Spitze. 5. Bestimmen Sie die W-Masse mit Fehler. Aus Messungen aus der Zeit vor dem LHC ist bekannt, dass die W-Masse im Bereich von 80 GeV liegt. Im Prinzip sollte es möglich sein, anhand der vorliegenden Daten die W-Masse auf 1 GeV oder besser bestimmen zu können. 6.3.4 Bestimmung der W-Masse Die Hauptaufgabe der Versuchsauswertung der 3. Aufgabe wird die Bestimmung der W-Masse in den ATLAS-Daten sein. Die W-Masse ergibt sich im Prinzip aus der Position des Jakobispitze (Siehe Abschnitt 4.2.2). Da die Jakobispitze durch Detektor-Auflösungseffekte, W-Boson-pT und auch durch die W-Zerfallsbreite verschmiert ist, müssen Sie zunächst eine Methode entwickeln, mit der sie die Position abschätzen können. Im Prinzip stellt ein Fit des pT -Spektrums mit einer geeigneten Funktion, die von der W-Masse abhängt, die optimale Methode dar. Diese Methode geht jedoch über einen Praktikumsversuch weit hinaus. Sie werden daher einfachere Verfahren verwenden, um die Lage der Jakobispitze abzuschätzen. Man kann verschiedene Größen zu Hilfe nehmen, z.B. den Halbhöhenpunkt der rechten Flanke des pT -Spektrums oder die Lage des Maximums der pT -Verteilung oder auch den Mittelwert der pT-Verteilung. Für die Messung der W-Masse haben wir Monte-Carlo-Datensätze bereitgestellt, mit denen Sie eine Eichkurve aufgestellen können aus der Man die in den ATLAS-Daten vorliegende W-Masse bestimmen kann. Eventuell sind aber noch weitere Korrekturen notwendig, da das Monte Carlo in der Regel die Wirklichkeit nicht perfekt beschreibt. Versuchen Sie neben den rein statistischen Unsicherheiten auch systematische Unsicherheiten zu identifizieren und deren Einfluss abzuschätzen. 58 KAPITEL 6. VERSUCHSAUFGABEN 6.3.5 Anmerkungen zu systematischen Unsicherheiten Systematische Unsicherheiten beruhen auf Unsicherheiten in der Methodik und nicht auf statistischen Fluktuationen. Im allgemeinen ist es besser systematische Effekte möglichst auszuschalten, d.h. die Analyse so anzusetzen, dass die systematische Abweichungen möglichst klein sind. Die verbleibenden systematischen Effekte stellen letztendlich systematische Unsicherheiten dar und werden als der “systematische Fehler” zitiert, der in der Teilchenphysik getrennt vom rein statistischen Fehler angegeben wird. Die W-Massen-Messungsmethode basiert auf der Messung der Elektronen, für die eine Kalibration vorliegt. Das Problem dieser Methode ist jedoch, dass der Transversalimpuls der Elektronen nicht nur von der W-Masse sondern auch vom pT der W-Bosonen abhängt. Benutzt man nun Monte-Carlo-Datensätze um die Messung zu eichen, so müssen die pT-Spektren von Daten und Monte-Carlo möglichst gut übereinstimmen oder man muss andere Methoden finden um die Abhängigkeit von W-Boson-pT möglichst zu minimieren. Der Zee-Datensatz Der Zee-Datensatz, den sie schon aus dem Versuchsteil 2 kennen, liefert ebenfalls ein pT -Spektrum von Elektronen, die aus einem Zweikörperzerfall stammen. Da die Z-Masse sehr genau bekannt ist, können Sie anhand des Zee-Datensatzes ihre Methode überprüfen und systematische Effekte abschätzen. Die beiden Zee-Datensätze haben das Standard Zee-Format, können aber trotzdem mit dem W-Fitobjekt untersucht werden, da die Formate Zee und Wenu zueinander kompatibel sind (siehe Kapitel 8). eine Ausnahme zu dieser Regel ist, dass die Größe ptw nicht im Zee-Datensatz enthalten ist, sondern durch pt ee ersetzt werden muss. 6.4 Versuchsaufgabe 4: Die Suche nach neuer Physik Eine der Hauptaufgaben des ATLAS-Detektors wird in der Suche nach “neuer Physik”, also Physik, die bislang noch nicht zu beobachten war, bestehen. Wahrscheinlich werden Ereignisse, die diese neue Physik zu Tage bringen, um viele Größenenordnungen seltener sein als solche, die lediglich schon Bekanntes enthalten. Bei der Suche spielen daher auch statistische Überlegungen eine große Rolle. In diesem Versuchsteil untersuchen wir die Eigenschaften von Endzuständen mit vier Leptonen (d.h. Elektronen oder Muonen). Z-Paare sind der einzige Standardmodell-Physik-Prozess, der im Standardmodell vier isolierte Leptonen mit einem signifikanten Wirkungsquerschnitt produziert. Neben Z-Paaren gibt es auch andere Physik-Prozesse, hauptsächlich Top-QuarkPaare sowie Z0 bb̄-Ereignisse, die zu diesem Endzustand beitragen können. In diesen Ereignissen sind aber nur in seltenen Fällen alle Leptonen von Jets isoliert. Neben dem Studium von Z-Paaren werden Sie in Vier-Lepton-Endzuständen nach Anzeichen für neuen Physik suchen. Man kann sich leicht klarmachen, dass sich neue Physik in anderen Endzuständen deutlicher niederschlagen könnte. Das soll uns aber hier nicht weiter kümmern. Auf alle Datensätze in diesem Versuchsteil ist eine Vorselektion angewendet worden, die im Abschnitt 8 erläutert wird. 6.4.1 Vor Versuchsbeginn zu beantwortende Fragen • Wie groß ist die invariante Vier-Lepton-Masse mindestens, wenn die Leptonen von einem Paar reeller Z 0 -Bosonen stammen? Warum finden sich dennoch Vier-Lepton-Ereignisse mit einer invarianten Masse unterhalb dieses Schwellenwertes? 6.4. VERSUCHSAUFGABE 4: DIE SUCHE NACH NEUER PHYSIK 59 • Denken sie sich nun ein Higgs-Boson, das in zwei Z 0 -Bosonen zerfällt. Welche Verteilung der invarianten Vier-Lepton-Masse erwarten sie? • Angenommen, Sie haben einen idealen Detektor zur Verfügung. Welche fehlende tranversale Energie erwarten sie in Ereignissen, bei denen lediglich Z 0 -Bosonen produziert werden, welche dann ausschließlich in Elektronen oder Myonen zerfallen? Welches Ergebnis erwarten Sie, wenn Sie einen realistischen Detektor annehmen? • Das Verzweigungsverhältnis t → W b beträgt quasi eins. Beim Zerfall eines Topquarks wird somit direkt nur ein geladenes Lepton durch den Zerfall das W -Bosons erzeugt. Wie kann es trotzdem vorkommen, dass ein tt̄-Paar in einen Endzustand zerfällt in dem vier geladene Leptonen vorkommen? In der Hochenergiephysik werden neue Teilchen gewöhnlich nicht dadurch entdeckt dass auf einem Event Display ein mit den bisher bekannten Teilchen nicht zu erklärendes Ereignis erscheint. Stattdessen werden erwartete Ereignisraten mit den tatsächlich gemessenen Raten verglichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Überschuss an Ereignissen eine statistische Fluktuation darstellt wird in Standardabweichungen vom erwarteten Wert angegeben. Für ausreichend große Erwartungswerte ist dies√die Anzahl der überschüssigen Ereignisse S geteilt durch den Fehler der erwarteten Anzahl B. Diese Zahl wird als Signifikanz bezeichnet. Eine Signifikanz von eins bedeutet somit, dass der gemessene Überschuss mit einer Wahrscheinlichkeit von 32% eine statistische Fluktuation ist. Von einer Entdeckung spricht man ab einer Signifikanz von fünf, also der Wahrscheinlichkeit von 0.00006%, dass der Überschuss nur eine statistische Schwankung darstellt. • Machen sie folgendes Gedankenexperiment: Sie würfeln Zufallszahlen zwischen 1 und 200. Sie tragen ihre Ergebnisse in ein Histogramm mit 200 Bins ein. Nach 20.000 mal Würfeln sollten sie im Mittel 100 Einträge pro Bin haben. Wie groß ist der statistische Fehler auf diese 100 Einträge? Wie wahrscheinlich ist es also, in einem Bin 130 Einträge zu finden? Wie viele solche Bins erwarten sie im Mittel bei 200 Bins? Wie wahrscheinlich ist es also tatsächlich, ein Bin mit einer Abweichung von drei Standardabweichungen zu finden? 6.4.2 Versuchsdurchführung Wechseln sie zunächst in das Verzeichnis ZZ und starten ROOT. Für diesen Versuchsteil stehen drei vorsortierte Lerndatensätze zur Verfügung. Z 0 -Paarproduktion, Topquark-Paarproduktion, sowie Z 0 -Produktion in Assoziation mit zwei Bottomquarks. Die integrierten Luminositäten dieser Datensätze sind in Tabelle 6.1 angegeben. Datensatz Z 0 -Paarproduktion Topquark-Paarproduktion Z0 bb̄-Produktion ATLAS Datensatz Integrierte Luminosität [f b−1 ] 400 140 140 100 Tabelle 6.1: Integrierte Luminositäten der im vierten Versuchsteil verwendeten Datensätze. 60 KAPITEL 6. VERSUCHSAUFGABEN Die Lerndatensätze können sie mit dem ROOT-Makro compareDatasets.cpp vergleichen. Indem sie die zu untersuchende Größe in der Anweisung drawer->Fill(...) angeben, wird sie für alle verfügbaren Lerndatensätze dargestellt. while (drawer->go_on) { event* ev = drawer->GetNextEvent(); drawer->Fill(ev->lep_px[0]); } 6.4.3 Versuchsaufgabe: Z-Paare Weitere Details zur Benutzung des Makros, sowie Beispiele sind im Makro selbst enthalten. Das Makro wird aufgerufen, indem sie in ROOT zunächst einmalig .L hDrawer.cpp+ (damit werden die Klassen event und hDrawer geladen) und anschließend .x compareDatasets.cpp eingeben. • Machen sie sich klar, wie die vier Leptonen in den unterschiedlichen Prozessen entstehen. • Entwickeln sie Schnittkriterien, mit denen sie Ereignisse mit zwei Z 0 -Bosonen selektieren können und gleichzeitig Untergrundereignisse (Top-Paare und Zbb) ablehnen. Nutzen sie dazu ihre Überlegungen aus den vorherigen Fragen. • Sobald sie mit ihren Schnitten zufrieden sind, wird der Tutor ihnen den (simulierten) ALTAS-Datensatz zur Verfügung stellen. Der Datensatz enthält Ereignisse mit einer integrierten Luminosität von 100 fb−1 . Mit ihm untersuchen Sie zunächst Z-Paare. Wir definieren Z-Bosonen in einem Bereich von ±2ΓZ um die nominelle Z-Masse herum als reelle Z-Bosonen, die übrigen als virtuell. Ermitteln sie nun die Anzahl der Z ∗ Z ∗ -, Z ∗ Zund ZZ-Ereignisse. Dabei bezeichnet das Z ein reelles Z-Boson und Z ∗ ein virtuelles Z. Bestimmen sie die anzahlen sowohl oberhalb als auch unterhalb der kinematischen Schwelle. Was beobachten Sie? 6.4.4 Versuchsaufgabe: Suche nach neuer Physik. In diesem Versuchsteil wird eine “blinde” Analyse durchgeführt, d.h. Sie werden keine Lerndatensätze mit möglicher neuer Physik erhalten. Die nächsten beiden Aufgaben erfordern evtl. das Erstellen eines (programmiertechnisch) einfachen Analyseprogramms in C+ +. Hierzu können sie die Datei makro template.cxx editieren. Sie können aber auch mit compareDatasets.cpp weiterarbeiten. • Überlegen sie sich Observablen, die auf mögliche, neue Physik sensitiv sind. • Suchen sie nach Anzeichen für neue Physik im ATLAS-Datensatz. Können sie die Anzahl der Untergrund- bzw. Signalereignisse (so vorhanden) abschätzen? Wie signifikant ist ihr Fund? Kapitel 7 Appendix: I.T.-Hilfsmittel 7.1 Datenanalyse mit ROOT ROOT ist, knapp gesagt, ein Programm zur Datenanalyse. Das Hauptmerkmal von ROOT ist, dass es auf einem C ++ Interpreter basiert. Das bedeutet, dass ROOT auf der Kommandozeile mit C ++ Befehlen gesteuert wird. Um ROOT zu starten, muss auf den FP-Rechnern erst einmal ein Setup-Skript ausgeführt werden: setup-root. ROOT selber wird dann mit dem Befehl root gestartet. ROOT kann kostenlos vom Europäischen Zentrum für Teilchenphysik (CERN) bezogen werden http://root.cern.ch und läuft unter Linux und unter Window-XP mit Cygwin. Auch auf den Linuxrechnern des CIP-Pool der Uni Bonn ist ROOT installiert. Starten des Programmes: Geben Sie root ein. Beenden Zum Verlassen .q eingeben. Bei Programmfehlern kann es zu einem „Aufhänger“ kommen. Probieren Sie dann „Steuerung-c“ und danach .q. Was ist ein Tree? Ein Tree ist eine Zusammenfassung von Daten in Tabellenform. Jedes Ereignis liefert denselben Satz an Daten die für jedes „Ereignis“ im Tree abgelegt werden. Daten können mit den Befehlen tree->Draw() oder tree->Scan() abgerufen werden. Was ist ein Histogramm? Mit Histogrammen stellt man Verteilungen von Daten graphisch dar. Dabei wird auf der x-Achse die Variable dargestellt, deren Verteilung man betrachten möchte. Die x-Achse ist in Intervalle (Bins) unterteilt. Gegen die y-Achse werden die Anzahl der Einträge in jedem Intervall aufgetragen. Bei der Erstellung eines Histogrammes muss in der Regel das „Binning“ vorgegeben werden, d.h. Anzahl der Bins, die untere Grenze der Variablen und die Obergrenze. Die Histogramme können am Bequemsten mit dem tree->Draw() Befehl erzeugt werden (siehe nächsten Absatz). Ein schon erzeugtes Histogramm kann mit HNAME->Draw() geplottet werden. Dabei ist HNAME der Name des Histogramms. Angenommen, man hat zwei Histogramme und will deren Inhalt vergleichen. Dann bietet es sich an, die Histogramme im gleichen Fenster darstellen zu lassen. Das geht so: histo2->SetLineColor(2); histo1->Draw(); histo2->Draw("same"); 62 KAPITEL 7. APPENDIX: I.T.-HILFSMITTEL Der Befehl SetLineColor(2) ist natürlich nicht nötig, er ändert lediglich die Farbe des Histogramms. Aber schließlich will man die beiden Histogramme auch unterscheiden können. Histogramm-Infos: Der Befehl histo1->Draw("range"); druckt Ihnen die Bininhalte aus. Allgemeine Informationen über das Histogramm, wie z.B. die Anzahl der Einträge (entries), der Mittelwert (Mean), oder die Standardabweisung (RMS) finden sich in der sog. „Statbox“ in der rechten oberen Ecke des Histogrammes. Histogramme von Hand erstellen: Histogramme können auch von Hand erzeugt und gefüllt werden. Ein neues Histogramm erstellt man folgendermaßen: TH1D *histo = new TH1D("histo", "Mein Titel", 50, 0, 100); Dieser Befehl erzeugt ein eindimensionales (daher die 1 in TH1D) Histogramm mit Einträgen vom Typ „double“ – also reelle Zahlen. Das erste Argument in der Klammer gibt den ROOT-internen Namen des Histogramms an, der genauso wie der C ++ -Variablennamen lauten sollte. Das zweite Argument ist der Titel, der später in der graphischen Ausgabe angezeigt wird. Die drei Zahlen setzen das Binning fest. (Anzahl der Bins, untere und obere Grenze). Wir haben nun ein frisches Histogramm. Das kann man von Hand mit Einträgen füllen.: histo->Fill(10.0); Dieser Befehl fügt dem Histogramm einen Eintrag zum Intervall bei x = 10 hinzu. tree->Draw() Mit diesem Befehl können sie einzelne Variablen eines Trees in einem Histogramm darstellen. In der einfachsten Befehlsvariante gibt man nur die Variable an. tree->Draw("el pt") ROOT erzeugt dann automatisch ein Histogramm mit Namen htemp und automatisch gewähltem Binning. Wenn man das automatische Binning nicht mag, kann man ein Binning vorgeben, indem man folgende Syntax verwendet: tree->Draw("el pt >>hname(100, 0.0, 50.0)") Dieses Beispiel erzeugt ein Histogramm mit Namen hname und Binning von 0 bis 50 in 100 Bins. Man kann zusätzlich noch eine Schnittbedingung angeben. Es werden dann nur Ereignisse in das Histogramm gefüllt, die die Bedingung erfüllen. Beispiel: tree->Draw("el pt >> hname(100, 0.0, 50.0)", " el eta>0.") In dieses Histogramm werden nur Ereignisse gefüllt, in denen das Elektron in die Vorwärtsrichtung flog (eta>0). Auch hier wurde das Binning vorgegeben. Man kann neben den Variablen des Trees auch mathematische Terme aus Tree-Variablen bilden und damit die Histogramme füllen. Beispiel: tree->Draw("sqrt(el px^2+el py^2)") füllt das Histogramm mit dem aus px und py berechneten Transversalimpuls. Solche Konstrukte lassen sich ebenfalls in den Schnittbedingungen anwenden. Die wichtigsten Operatoren sind das Quadrat ^2, die Wurzel sqrt() und der Absolutwert TMath::Abs(). 7.1. DATENANALYSE MIT ROOT 63 tree->Scan() Dieser Befehl zeigt die Einträge im Tree in Tabellenform an. Beispiel: tree->Scan("el pt:ptw:njet:etmis") Makros: Man kann sich das Eintippen von Befehlen auf zweierlei Arten vereinfachen. (a) Indem man sich vorher eingetippte Befehle in der Kommandozeile mit den Pfeil-hoch/PfeilrunterTasten zurückholt. (b) Indem man die Befehle in eine sogenannte Makro-Datei schreibt und diese mit dem Befehl .x MAKRODATEINAME ausführt. Die Befehle müssen von ein Paar geschweifter Klammern umgeben sein. Beispiel: { TCanvas* c1=new TCanvas(); c1->Divide(2,2); c1->cd(1); tree->Draw("el_pt>>histo1(200,20.,60.)","njet==0"); c1->cd(2); tree->Draw("el_pt>>histo2(200,20.,60.)","njet==1"); c1->cd(3); tree->Draw("el_pt>>histo3(200,20.,60.)","njet==2"); c1->cd(4); tree->Draw("el_pt>>histo4(200,20.,60.)","njet==3"); } Weitere Beispiele finden sich auf der Bonner Webseite des Versuches, unter anderem ein Beispiel für einen χ2 -Geraden-Fit und für die Gaussische Verschmierung eines Signales, sowie Beispiele für die Anwendung von Vektoren und Vierervektoren [13]. Was ist eine Canvas? Die von ROOT erzeugten Grafikfenster werden „Canvas“ genannt. Die dazugehörige Objektklasse heißt TCanvas. Die erste Befehlszeile des Macros erzeugt ein solches Grafikfenster, das in vier Bereiche unterteilt wird. In jedem der Bereiche wird ein Histogramm mit tree->Draw() geplottet. Jede Canvas kann abgespeichtert werden. In der Menü-Leiste des Grafikfensters File/Save-As kann das Fenster als .eps oder .jpg abgespeichert werden (eps ist besser). Vierer-Vektoren: Es gibt in ROOT eine Objektklasse, die Vierervektoren darstellt und die TLorentzVector heißt. Mit dem Befehl TLorentzVector tvec; erzeugt man einen solchen. Will man nun z.B. die invariante Masse zweier Teilchen ermitteln, geht das recht einfach mit diesem Makro (befindet sich auf der Webseite des Versuches (Siehe Referenz [13]): { TLorentzVector tvec1, tvec2, tvec3; double minv; tvec1.SetPxPyPzE( 1, 2, 3, 4 ); tvec2.SetPxPyPzE( 2, -1, 0, 4.5 ); tvec3 = tvec1 + tvec2; minv = tvec3.M(); 64 KAPITEL 7. APPENDIX: I.T.-HILFSMITTEL printf("invariante Masse=%d",minv); } Auch an andere, zum Vierervektor gehörende Größen, wie pT oder Delta Phi zwischen zwei Teilchen kommt man mit entsprechenden Methoden. Einen Überblick ber alle Methoden der TLorentzVectorKlasse findet sich unter http://root.cern.ch/root/html/TLorentzVector.html TBrowser, ein Datei-Explorer für ROOT. Mit dem Befehl new TBrowser können sie eine Art Datei-Explorer für ROOT öffnen. Dieser zeigt alle verbundenen Dateien und ihren Inhalt an. Durch Doppelklicken lassen sich Objekte entweder plotten oder näher untersuchen. In der linken Spalte des Browsers klicken Sie auf ROOT Files. Rechts werden nun die eingebundenen Dateien angezeigt. Ein Doppelklick auf einen ROOT-Tree zeigt dann eine Reihe von Blattsymbolen, die die Einträge im Tree darstellen. Doppelklicken auf ein Blattsymbol entspricht dem Befehl tree->Draw(). Weiterführende Literatur 1. Die ROOT Webseite http://root.cern.ch 2. Die sehr nützliche Tutorial-Seite http://root.cern.ch/root/Tutorials.html 3. Das ROOT Manual http://root.cern.ch/root/doc/RootDoc.html 4. Fitten mit ROOT http://atlas-wiki1.physik.uni-bonn.de/mediawiki/index.php/RootTutorialFits 5. Weitere ROOT-Beipspiele auf der Webseite dieses Versuches http://www.uni-bonn.de/~etoerne/fp214 7.2 χ2 -Anpassungen Eine Anpassung (engl.: Fit) einer parametrisierten Funktion an Messdaten ist ein in der Physik häufig vorkommendes Problem. Sie kennen es evtl. aus dem Grundpraktikum (Anpassung von Messdaten an eine Geraden mit der Methode der kleinsten Quadrate). Die Messdaten Mi , die an den Punkten xi gemessen wurden, sollen durch eine Funktion f (x, p1 , p2 , .., pN ) beschrieben werden. Dabei ist f eine Funktion der Variablen x, hängt aber gleichzeitig noch von N Parametern p1 , .., pN ab. Ziel der Anpassung ist es, die optimalen Werte für die Parameter zu bestimmen. Dazu wird das χ2 definiert: χ2 = X [Mi − f (xi , p1 , .., pN )]2 i σi2 (7.1) Die optimalen Parameterwerte liegen vor, wenn der χ2 -Term minimal wird. Eine ausführliche Diskussion findet man z.B. im Buch von Barlow [14]. Der χ2 -Wert am Minimum ist ein Maß für die Qualität des Fits. Ein hohes χ2 deutet darauf hin, dass die gewählte Funktion f die Daten nicht gut beschreibt. Ein gutes χ2 ist in etwa so groß wie die Anzahl der Freiheitsgrade des Fits (Engl: Number of Degrees of Freedom, n.d.f.), also χ2 /ndf ≈ 1. Die Anzahl der Freiheitsgrade ist gleich der Anzahl der Messpunkte minus der Anzahl der gefitteten Parameter. Ein sehr kleines χ2 /ndf ist übrigens auch schlecht und deutet häufig darauf hin, dass etwas mit den Fehlern χ2 der Messwerte nicht stimmt. χ2 -Fits sind in ROOT implementiert und werden in den Versuchsteilen 2 und 3 verwendet. 7.3. DIE PROGRAMMIERSPRACHEN C UND C ++ 65 Weiterführende Literatur 1. R. Barlow, Statistics: A Guide to the Use of Statistical Methods in the Physical Sciences, Wiley Verlag 1994. Das Buch ist in der Lehrbuchsammlung vorhanden. 2. Fitten mit ROOT http://atlas-wiki1.physik.uni-bonn.de/mediawiki/index.php/RootTutorialFits 7.3 Die Programmiersprachen C und C ++ Die Syntax zum Kompilieren eines Programmes ist: g++ -o beispiel beispiel.cpp Das Beispielprogramm beispiel.cpp findet sich auf der Webseite des Versuches (Siehe Referenz [13]). Am Besten probiert man Programmbeispiele einfach aus. C ist eine der berühmtesten Programmiersprachen, C ++ ist die Erweiterung von C, die es erlaubt, Objekte zu definieren bzw. fremddefinierte Objekte zu benutzen (in diesem Versuch machen Sie letzteres). In diesem Kapitel werden sie zwei von uns definierte Objekte kennenlernen: Das Kalibrationsobjekt und das W-Fitobjekt. Alles, was sie zur C ++ -Syntax benötigen, finden Sie dort (Abschnitt 7.5 und 7.6). Falls Sie schon über Vorkenntnisse in C bzw. in C ++ verfügen, können Sie diesen Abschnitt überspringen. Sollten Sie keinerlei C-Kenntnisse besitzen, so seien Sie beruhigt. Sie müssen im Rahmen dieses Versuches nur recht einfache Dinge programmieren - halt: programmtechnisch einfache, aber physikalisch anspruchsvolle Dinge. Variablen und Variablenzuweisungen Wie in jeder Programmiersprache gibt es auch in C Variablen. Wir arbeiten mit int also ganzen Zahlen, sowie double, d.h. reellen Variablen. Jede Variable muss zu Beginn deklariert werden, z.B. double e electron = 50; Vergessen sie nicht das Semikolon am Ende eines jeden Befehles. Ein Befehl kann über mehrere Zeilen gehen, z.B. double e calibrated = 1.05 * e electron + 0.01 * e something; Der if-Befehl Ein if-Befehl besteht aus einer logischen Bedingung und einem Block von Befehlen, die alle ausgeführt werden, falls die Logikbedingung wahr ist. Beispiel: if ( e electron > 55.0) { e calibrated = e electron * 1.05; e something = e electron * 1.04; } Die Logikbedingung wird dabei in runde Klammern gefasst und der Befehlsblock in geschweifte. Die häufigsten Logikabfragen sind größer als >, kleiner < und Test auf Gleichheit if (a ==b) .... Ein if-Befehl kann auch durch einen else-Block erweitert werden Beispiel: if ( e electron > 55.0) { e calibrated = e electron * xxx; e something = e electron * xxx; }else { e calibrated = e electron * xxx; e something = e electron * xxx; } 66 KAPITEL 7. APPENDIX: I.T.-HILFSMITTEL Dabei wird der Befehlsblock nach dem else ausgeführt, wenn die if-Bedingung falsch ist. Simple mathematische Operationen Der natürliche Logarithmus ist log(), Potenzrechnung wird mit der Funktion pow(Grundzahl, Exponent) berechnet. Der Absolutwert einer float oder double-Variablen wird mit der Funktion fabs(), bzw. mit TMath::Abs() bestimmt. Der Absolutwert einer Integer-Variablen wird mit abs() berechnet. Logische Verknüpfungen Die Verknüpfung UND ist &&, ODER ist ||, NOT ist !. Beispiel: if ( e electron > 40.0 && fabs(eta) > 3.0 ) Schleifen (Loops) Mit dem for-Befehl kann man eine Schleife durchlaufen: for (int i = 0; i < 10; i++) { ... } Hier wird die Variable i hochgezählt und der Code ausgeführt, der innerhalb der geschweiften Klammern steht. Die Variable i beginnt dabei bei 0 und wird so lange um 1 erhöht (das macht das i++) wie i < 10 gilt. Arrays Ein Array ist im Grunde ein Variablenbehälter mit einer festgelegten Anzahl an Einträgen. int interessanter array[3] erzeugt einen solchen Array mit drei (natürlich hoch interessanten) ganzzahligen Einträgen. Mit interessanter array[0] = 2 wird der erste Eintrag das Arrays gleich 2 gesetzt. Man beachte, dass es insgesamt drei Einträge im Array gibt, nicht aber ein Element interessanter array[3] (Warum?). Kommentarzeilen Kommentare die vom Computer ignoriert werden sollen, fügt man mit // ein bzw. als Block auch so: /* kommentar */. Ein Beispiel #include <iostream> using namespace std; // Kommentarzeile: Dies ist beispiel.cpp // Im PC-POOL kompilieren Sie mit: g++ -o beispiel beispiel.cpp // Ausführen mit: ./beispiel int main() { int zahl = 0; int korrektur[3]; korrektur[0] = 1; korrektur[1] = 2; korrektur[2] = -6; for( int i = 1; i < 10; i++ ) { zahl = zahl + i; } zahl = zahl + korrektur[0] + korrektur[1] + korrektur[2]; cout << "Die Antwort lautet: " << zahl << endl; } 7.4. ATLANTIS-EVENTDISPLAY 67 Was macht nun dieses Beispielprogramm? Die am Anfang des Programms stehenden include-Befehle weisen den Compiler an, zusätzliche Befehlsbibliotheken einzubinden. Anschließend folgt das Hauptprogramm, das immer mit int main() gekennzeichnet wird. Der auszuführende Code steht innerhalb der geschweiften Klammern. Dort werden zunächst verschiedene Variablen deklariert. Die erste Variable, zahl, ist einfach das, nämlich eine ganze Zahl. Wir haben ihr auch vorsorglich den Wert 0 zugewiesen. Vor korrektur steht zwar auch die Bezeichnung int, es handelt sich hierbei aber nicht um eine einfache Zahl, sondern einen sog. Array von Zahlen (s.o.). Der Array hat drei Einträge und diese werden nun gefüllt. Im nächsten Schritt wird eine for-Schleife durchlaufen. Effektiv macht dieser Programmteil nichts anderes als zum Wert von zahl (nämlich 0) 1+2+3+4+5+6+7+8+9 zu addieren, also 45. Schließlich werden noch die drei Einträge des Arrays hinzuaddiert und der Wert von zahl ausgegeben. Das macht der cout-Befehl. Die meistverbreitetsten Syntax-Fehler und wie man sie vermeidet: Folgende Fehler können leicht passieren: • Kein Semikolon am Ende eines Befehles, • Abschließende Klammer eines Befehls-Blockes vergessen, • Eine runde mit einer geschweiften Klammer verwechseln, • Das Logische UND entspricht dem Operator &&. Benutzt man anstelle das einfache &, was dem Bit-weisen UND entspricht, kann das zu Problemen führen. • Das Logische ODER ist der doppelte Hochstrich ||. Natürlich gibt es auch den einfachen Hochstrich, der aber leider eine ganz andere Operation repräsentiert. Das bedeutet: Fehler in logischen Verknüpfungen führen leider selten zu einer Fehlermeldung. Das trifft auch auf folgenden fatalen Fehler zu: if (e_electron = 0) Das geht hier mächtig schief... Der Test auf Gleichheit wird mit dem Operator == und nicht mit = durchgeführt. In der if-Abfrage wird fälschlicherweise der Variable e_electron ein Wert von Null zugewiesen. • Verwechseln von abs() und fabs() ist leider auch ein Fehler der Kategorie ’fatal’. Die Operation abs() angewendet auf eine float oder double Variable führt dazu, dass die Variable erst in eine Integer-Variable umgewandelt wird. Dann erst wird der Absolutwert gebildet. Wir empfehlen die Verwendung von TMath::Abs(). 7.4 Graphische Ereignisdarstellung mit dem ATLANTIS-Eventdisplay Mit dem ATLANTIS-Programm können Sie ATLAS-Ereignisse graphisch darstellen und untersuchen. Das Programm liefert eine Ansicht des Detektors mit der graphischen Repräsentation der elektrischen Impulse, die die Detektorkomponenten aufgezeichnet haben. 7.4.1 Vorbereitung Starten des Programms Zum Starten des Eventdisplays geben sie in der Befehlszeile skitathena -r 12.0.7 java -jar atlantis.jar 68 KAPITEL 7. APPENDIX: I.T.-HILFSMITTEL Abbildung 7.1: Das Standardfenster des Eventdisplays ein. Es erscheinen zwei Fenster. Das rechte dient zur Steuerung des Programmes, das linke dient zur Darstellung der Grafik. Es ist zunächste eine Repräsentation des ATLAS-Detektors zu sehen. Die Darstellung ist zunächst leer, d.h. es sind keine Kollisionsprodukte im Detektor dargestellt. Laden eines Datensatzes Im Menü-Punkt File / Read Event können Sie Datensätze laden. Die Datensätze sind selbsterklärend benannt. 7.4.2 Das ATLAS-Koordinatensystem Das grundlegende Koordinatensystem mit den Achsen x, y, z hat seinem Ursprung in der Mitte des Detektors, Die Proton-Proton-Wechselwirkungen werden ungefähr dort stattfinden. Die z-Achse liegt in Strahlrichtung. x-Achse ist horizontal und zeigt zum geometrischen Mittelpunkt des LHC-Ringes. Weitere von den x, y, z-Koordinaten abgeleitete Größen sind: • der Polarwinkel ϑ, • der Azimuthalwinkel φ zur x-Achse, • die Pseudorapidität η = − log tan(ϑ/2), p • der Radialabstand zur Strahlachse ρ = x2 + y 2 7.4.3 Die Ereignisdarstellung Nach dem Laden eines Datensatzes füllt sich der ATLAS-Detektor mit dem eigentlichen Ereignis. 7.4. ATLANTIS-EVENTDISPLAY 69 Das Standard-Fenster Das große Fenster auf der linken Seite ist in drei Abschnitte unterteilt. Links oben ist die Ansicht des Detektors senkrecht zur Strahlrichtung (x-y-Ansicht). Die Signale des Barrel-Bereiches werden hier angezeigt. Oben rechts ist ein Zoom der X-Y-Ansicht zu sehen. Im unteren Fensterbereich ist eine Seitendarstellung des Detektors angezeigt. Zoomen (ZMR) Die Zoomfunktion wird mit dem Klicken auf den ZMR-Tab aktiviert. Gezoomt wird durch Klicken der linken Maustaste und gleichzeitigem Ziehen der Maus im jeweiligen Grafikfenster. Fisheye Der Myon-Detektor ist deutlich größer als alle anderen Detektorkomponenten. Dies ist von Nachteil in der grafischen Darstellung, wenn man gleichzeitig den Innendetektor und die MyonKammern betrachten will. Daher gibt es den sogennanten Fisheye-Modus, in dem der Detektor verzerrt dargestellt wird und das Muonsystem deutlich kleiner erscheint. Im rechten Fenster unter dem FisheyeTab kann man den Fisheye-Modus ein und ausschalten. Der Default ist die Darstellung mit Fisheye. Die ηφ-Darstellung Eine nützliche Darstellung der Detektoreinträge in einem Histogramm ist die zweidimensionale Darstellung Pseudorapidität gegen Azimuthalwinkel (ηφ-Plot). Dieser wird für ein beliebiges Teilfenster aktiviert, indem sie zunächst durch Klicken das Teilfenster aktivieren und dann im Projection-Tab ηφ auswählen. Die Einträge bedeuten folgendes: • Grünes Feld: Energieeintrag im Elektromagnetischen Kalorimeter. • Rotes Feld: Energieeintrag im Hadronkalorimeter. • Haken: Spur eines elektrisch geladenen Teilchens (geladene Spur). • Weiße Punkte: Spurpunkte im Inneren Detektor. Rubberband Wenn sie im Tab den Modus Rubberband selektieren, können sie durch Ziehen der Maus einen Teilbereich des Fensters selektieren. Es erscheint ein Kontextmenü in dem die entweder Zoomen können, oder durch Print Content bzw. Summarize sich Ereignisgrößen ausgeben lassen können. Pick Wenn sie im Tab den Modus Rubberband selektieren, dann können Sie durch Klicken auf einzelne Objekte sich Ereignisgrößen ausgeben lassen. Mit dem Befehl Pick können Sie sich auch Eigenschaften geladener Spuren ausgeben lassen. Die elektrische Ladung einer Spur ist dabei durch das Vorzeichen des Transversalimpulses pT gegeben. Koordinierte Mauszeiger (SC) Wenn sie im Tab den Modus SC selektieren, erscheint ein Mauszeiger, der gleichzeitig in jedem Teilfenster die entsprechende Position des Mauszeigers anzeigt. ET-mis-Vektor Die Richtung des /ET -Vektors lässt sich auch in Atlantis anzeigen. Selektieren Sie dazu im rechten Atlantis-Fenster in der zweiten Tabulatorzeile den Tab Data, dort ATLAS und markieren dort ETMis collections. 70 KAPITEL 7. APPENDIX: I.T.-HILFSMITTEL Reset der Grafikeinstellungen In der oberen Menüleiste können Sie die Grafikeinstellungen zurücksetzen. Das sollte die meisten Probleme beseitigen. sollte das Program darauf nicht reagieren, so empfehlen wir das Verlassen des Programmes (Menü-Punkt File / Exit) und Neustart. Abspeichern von Bildern Siehe Menü-Punkt File / Save Canvas. Nächstes Ereignis/Vorhergehendes Ereignis In der oberen Menü-Leiste gibt es dazu die Buttons Next und Previous. 7.4.4 Tipps für die Arbeit mit Atlantis • Im ersten Ereignis eines Datensatzes, teilweise auch in den ersten beiden Ereignissen, werden geladene Spuren nicht dargestellt. • Die Beziehung zwischen Größe eines Kalorimetereintrages und der tatsächlichen, gemessenen Energiedeposition wird vom Programm bei jedem Ereignis neu festgelegt. 7.5 Das Kalibrationsobjekt im zweiten Versuchsteil Abbildung 7.2: Ein Screenshot der Kalibrierungsaufgabe mit ROOT Im zweiten Versuchsteil benutzen Sie ROOT um die Z → e+ e− Zerfälle zu untersuchen. Dabei werden Sie von einem C ++ -Objekt unterstützt. Sie müssen dafür kein C ++ können, es reicht aus, sich mit den Befehlen auseinanderzusetzen, die hier vorgestellt werden. Sie laden die Bibliothek und erzeugen ein Kalibrationsobjekt mit dem Befehlen (auszuführen in der ROOT-Kommandozeile): 7.5. DAS KALIBRATIONSOBJEKT IM ZWEITEN VERSUCHSTEIL 71 .L fitZee.C+ fitZee z Die Bibliothek fitZee.C berücksichtigt ihre Kalibration, so wie Sie sie in der Datei ElecCalib.C implementieren. Wenn Sie also ElecCalib.C ändern und danach fitZee neu kompilieren, so werden sich auch die Ergebnisse des z.Fit() Befehles ändern. Hoffentlich zum Besseren. Sie arbeiten mit dem Kalibrationsobjekt, indem Sie die Methoden des Objektes aufrufen. Die generelle Syntax ist OBJEKTNAME.METHODE(EINGABEPARAMETER1, EINGABEPARAMETER2, ...) Der Objektname ist in diesem Versuchsteil z. Folgende Methoden stehen Ihnen zur Verfügung: Methode: Fit() Mit dieser Methode wird der Z-Peak gefittet. Die Syntax des Fit-Kommandos lautet: z.Fit("CUT") Das ist die wichtigste Methode des Kalibrationsobjektes. Mit dem Befehl wird ein Histgramm der invarianten e+ e−-Masse erzeugt. Dabei werden nur Ereignisse verwendet, die der Schnittbedingung CUT genügen. Bei der Berechnung der Masse werden die kalibrierte Elektronen verwendet. Die Kalibration basiert dabei auf ihrer Implementation der Kalibration in der Datei ElecCalib.C. Der Fit wird automatisch durchgeführt und das Ergebnis dargestellt. Die Werte der gefitteten Parameter und das χ2 am Minimum werden in einer Text-Box dargestellt. Die wichtigsten Parameter sind die Z-Masse und die Detektorauflösung (Resolution). Beide werden in GeV angegeben. Um Zeit zu sparen wird das Fit-Histogramm nur mit einem Teil des ROOT-Trees gefüllt. Wollen sie eine größere Datenmenge verwenden, können Sie die Methode Fit mit einer weiteren Option aufrufen. z.Fit("CUT","large") gibt ihnen ca. die Hälfte der Daten z.Fit("CUT","LARGE") gibt ihnen alle Daten im ROOT-Tree. Methode: SetBinning() Mit diesem Befehl setzen Sie das Binning für das Mee -Histogramm fest, das mit dem Fit()-Befehl erstellt wird. Die Syntax des Fit-Kommandos lautet: z.SetBinning(NBINS,XMIN,XMAX) Nach Aufruf dieser Methode werden Histogramme in diesem Binning erzeugt. NBINS ist die Anzahl der Bins, XMIN die untere Grenze des Histogrammes, XMAX die obere Grenze. Die Voreinstellung ist NBINS=180, XMIN=60, XMAX=120. Dieses Binning funktioniert recht gut. Sie kommen also eventuell ohne SetBinning aus. Methode: List() Mit diesem Befehl können Sie sich alle bisher durchgeführten Fits anzeigen lassen. In der Liste erscheinen: • Die Identifizierungsnummer (ID) des Fits, durchgehend nummeriert von 0 bis ... • Die gefittete Z-Masse mit Fehler • Der Detektor-Auflösungsparameter • Die bei diesem Fit angewendete Schnittbedingung. 72 KAPITEL 7. APPENDIX: I.T.-HILFSMITTEL Methode: Draw() Mit diesem Befehl können Sie mehrere Fitergebnisse gleichzeitig plotten. Die Syntax lautet: z.Draw(ID1,ID2,...) Es können bis zu 6 verschiedenene Fits dargestellt werden. Die verschiedenen Fits werden dabei mit ihren IDs adressiert. Die IDs können sie dem List()-Befehl entnehmen. Methode: Compare() Mit diesem Befehl wird der Z-Peak zweimal gefittet: Zunächst ohne Schnittbedingungen mit ihrer Kalibration (entspricht dem Befehl z.Fit("")) und dann noch einmal ohne Schnittbedingung unter Verwendung der Roh-Energien. Die beiden Peaks werden dargestellt und sie können den Fortschritt ihrer Kalibration abschätzen. Ein Screenshot ist in Abb. 7.2 gezeigt. 7.6 Das W-Fit-Objekt im dritten Versuchsteil Abbildung 7.3: Ein Screenshot des Fits des Halbhöhenpunktes Im dritten Versuchsteil benutzen Sie ROOT um die W-Boson-Masse im Zerfall W → eν zu bestimmen. Dabei werden Sie von einem C ++ -Objekt unterstützt, dessen Name diesmal w ist. Sie laden die Bibliothek und Erzeugen ein Fitobjekt mit dem Befehlen (auszuführen in der ROOT-Kommandozeile): .L Wenu.C+ Wenu w Folgende Methoden stehen Ihnen zur Verfügung: 7.6. DAS W-FIT-OBJEKT IM DRITTEN VERSUCHSTEIL 73 Methode: GetHalfMaximum() Mit dieser Methode wird der Halbhöhenpunkt mit einem χ2 -Fit bestimmt. Die Syntax des Fit-Kommandos lautet: w.GetHalfMaximum("HISTNAME",XMIN,XMAX) HISTNAME ist der Name des Histogrammes, der im ROOT-Plot ganz oben rechts angegeben wird. XMIN, XMAX ist die Grenzen des Fitbereiches. Mit dieser Methode bestimmen Sie den Halbhöhenpunkt1 der rechten Flanke des Elektron-pT -Spektrums. Die Methode gibt den Halbhöhenpunkt 1 und dessen statistischen Fehler aus. Methode: GetMaximum() Die Syntax des Fit-Kommandos lautet: w.GetMaximum("HISTNAME",XMIN,XMAX) Mit dieser Methode bestimmen Sie das Elektron-pT , an dem die Verteilung maximal wird. Das Maximum wird mit demselben Fit an die Daten bestimmt, wie der Halbhöhenpunkt. Die Methode gibt die Position des Maximums und den statistischen Fehler aus. Ein Screenshot eines Beispielfits ist in Abb. 7.3 gezeigt. Methode: SetDataSample() Mit dieser Methode können Sie den Datensatz auswählen, den Sie bearbeiten wollen. Die Syntax des Kommandos lautet: w.SetDataSample() Es ist nicht nötig ROOT neu zu starten, wenn sie einen neuen Datensatz laden wollen. Methode: AddHistograms() Mit dieser Methode können sie zwei Histogramme addieren. H3 = a1 * H1 + a2 * H2 Dabei sind H1 und H2 Histogramme mit Namen HNAME1/2 und a1 und a2 sind Vorfaktoren. Die Syntax des Kommandos lautet: AddHistograms("HNAME1","HNAME2","HNAME3",a1,a2) Sind beide Vorfaktoren eins, können Sie auch weggelassen werden. AddHistograms("HNAME1","HNAME2","HNAME3") 1 Das Elektron-pT, an dem die gefittete Funktion den halben Wert des Maximalwerts annimmt. 74 KAPITEL 7. APPENDIX: I.T.-HILFSMITTEL Kapitel 8 Appendix: ROOT-Tree Descriptions Please refer to the section about the ROOT program (section 7.1) for an explanation what a ROOT-Tree is. 8.0.1 General Remarks As a general rule, the variables that you will find in the ROOT-Tree are lowercase and all tree entries are of type “double”, except for integers starting with the letter ’n’. All energy, momentum and mass quantities are given in Giga-Electronvolts (GeV), all angles are in radians, all quantities of dimension length are given in millimeters and all charges in units of electron charge. Transverse and longitudinal momentum components are always relative to the direction of the beams, which in the ATLAS coordinate system travel along the (positive and negative) zdirection. The quantity η is labelled “eta” and is explained in section 3.3. The observable E / T is labelled “etmis” (explanation in section 4.2.1). Its components are “ptmisx”, and “ptmisy”. Their q x 2 relation is: E / T = (pT −mis ) + (pyT −mis )2 . The Observable etiso is a measure of the isolation of a lepton. It is defined as the transverse energy in a cone around the lepton momentum direction. The cone is defined in the ηφ-plane by ∆R < 0.45 (see also the discussion in 3.3). 8.1 Z to ee Cut selection: • Exactly two good-quality electrons of opposite charge, • Transverse Momentum of e± : pT >15 GeV • |ηe± | < 2.5 • lepton-isolation in a cone < 10 GeV. The cone is defined by ∆ R < 0.45 with respect to the lepton direction. • No muons in the event • Invariant Mass of electron-positron pair Mee > 20 GeV Block General event properties 76 KAPITEL 8. APPENDIX: ROOT-TREE DESCRIPTIONS • njet Number of reconstructed jets • nphot Number of hard photons • sumet Calorimeter sum over transverse energy (Et), corrected for muons • sumetjets Sum of Et over all jets • etmis Missing Transverse Energy (absolute value) • ptmisx x-component Et-mis vector • ptmisy y-component Et-mis vector • m trans Block Electron • el energy Energy of the electron • el px Momentum component in x-direction • el py ... in y-direction • el pz ... in z-direction • el pt Transverse momentum = sqrt(px*px+py*py) • el eta Pseudorapidity η • el phi Azimuthal angle ϕ • el eoverp Energy cluster over track momentum • el etiso isolation: sum et in cone defined by ∆R < 0.45 • el drjet Distance in ∆R from the lepton to the next jet • el charge electric charge, always minus one Block Positron This block is analogous to the electron block. • pos energy Energy of the positron • pos px Momentum component in x-direction • pos py • pos pz • pos pt Transverse momentum = sqrt(px*px+py*py) • pos eta Pseudorapidity η • pos phi Azimuthal angle ϕ • pos eoverp Energy cluster over track momentum 8.2. W TO E NU • pos etiso isolation: sum et in cone defined by ∆R < 0.45 • pos drjet ∆R to the next jet • pos charge electric charge, always plus one Block Properties of the e+ e− Pair • pt ee Transverse momentum component of the momentum vector of the e+ e− pair • pt ee Pseudorapidity of the pair • phi ee Azimuthal angle of the pirs momentum • drjet ee ∆R difference between e+ e− momentum vector and the next jet • phi ee Angle between electron and positron 8.2 W to e nu Cut selection: • Exactly one good-quality electron • pt-e >15 GeV • |ηe− | < 2.5 • electron-isolation in cone < 10 GeV (Cone defined by ∆R < 0.45) • No muons in the event • Etmis > 15 GeV Block General event properties • njet Number of reconstructed jets • nphot Number of hard photons • sumet Calorimeter sum over transverse energy (Et), corrected for muons • sumetjets Sum of Et over all jets • etmis E / T ,Missing Transverse Energy (absolute value) • ptmisx x-component E / T vector • ptmisy y-component E / T vector • m trans • ptw Estimated transverse Momentum of W-Boson 77 78 KAPITEL 8. APPENDIX: ROOT-TREE DESCRIPTIONS Block Electron • el energy • el px • el py • el pz • el pt Transverse momentum = sqrt(px*px+py*py) • el eta Pseudorapidity η • el phi Azimuthal angle ϕ • el eoverp Energy cluster over track momentum • el etiso isolation: sum et in cone defined by ∆R < 0.45 • el drjet ∆R to the next jet • el charge electric charge 8.3 Z-Pairs All variables are lowercase and all tree entries are of type “double”, except for integers starting with the letter ’n’. All lepton entries are arrays of type double. Cut selection: • Exactly four leptons (leptons or anti-leptons) • Transverse Momentum of leptons: pT >10 GeV • |ηlepton | < 2.5 Block General event properties • njet Number of reconstructed jets • nphot Number of hard photons • sumet Calorimeter sum over transverse energy (Et), corrected for muons • sumetjets Sum of Et over all jets • etmis E / T , Missing Transverse Energy (absolute value) / T vector • ptmisx x-component E • ptmisy y-component E / T vector • nlep Number of reconstructed (Anti-)Leptons 8.3. Z-PAIRS Block Leptons (Electrons / Muons) All Quantities in this block are arrays. • lep energy[0..nlep-1] • lep px[0..nlep-1] • lep py[0..nlep-1] • lep pz[0..nlep-1] • lep pt[0..nlep-1] Transverse momentum = sqrt(px*px+py*py) • lep eta[0..nlep-1] Pseudorapidity η • lep phi[0..nlep-1] Azimuthal angle ϕ • lep etiso[0..nlep-1] Transverse Energy in ∆R cone around the lepton • lep drjet[0..nlep-1] ∆R to the next jet • lep id[0..nlep-1] =11 for electrons, -11 for positrons, 13 for muons, -13 for antimuons 79 Literaturverzeichnis [1] ATLAS Collaboration, “The ATLAS Experiment at the CERN Large Hadron Collider”, Chapter 1 (Detector Overview), to be published. [2] Diskussion der W-Zerfallskinematik, in C. Berger, Teilchenphysik, Springer Verlag, S. 111. [3] A. D. Martin, R. G. Roberts, W. J. Stirling and R. S. Thorne, “Parton distributions and the LHC: W and Z production,” Eur. Phys. J. C 14 (2000) 133 [arXiv:hep-ph/9907231]. [4] J. M. Campbell, J. W. Huston and W. J. Stirling, “Hard interactions of quarks and gluons: A primer for LHC physics,” Rept. Prog. Phys. 70 (2007) 89 [arXiv:hep-ph/0611148]. [5] B. Abbott et al. [D∅ Collaboration], Phys. Rev. Lett. 80, 3008 (1998); Phys. Rev. D 58, 092003 (1998). [6] I. Adam, Ph.D. thesis, Columbia University, http://www-d0.fnal.gov/publications talks/thesis/adam/ian thesis all.ps [7] D. Glenzinski, U. Heintz, “Precision Measurements of the W-Boson Mass,” [arXiv:hepex/0007033] [8] final-lep-II paper: hep-ex/0511027 [9] V. Büscher, K. Jakobs, “Higgs Boson Searches at Hadron Colliders”, Int. J. Mod. Phys. Lett. A 20, 2523 (2005) [arXiv:hep-ex/0504099]. [10] Der ATLAS Technical Design Report http://atlas.web.cern.ch/Atlas/internal/tdr.html [11] G. Unal, “Higgs physics at the LHC,” Acta Phys. Polon. B 38 (2007) 717. http://th-www.if.uj.edu.pl/acta/vol38/pdf/v38p0717.pdf [12] Technische Implementation der Voigt-Funktion: http://root.cern.ch/root/html310/TMath.html. [13] http://www.uni-bonn.de/~etoerne/fp214 [14] R. Barlow, Statistics: A Guide to the Use of Statistical Methods in the Physical Sciences, Wiley Verlag 1994. Tabellenverzeichnis 2.1 Kenngrößen des LHC-Beschleunigers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.2 Detektorwechselwirkungmatrix für den ATLAS-Detektor. . . . . . . . . . . . . . . 21 3.1 Wirkungsquerschnitte einiger wichtiger Prozesse am LHC. . . . . . . . . . . . . . 30 4.1 Wichtige Eigenschaften der W- und Z-Bosonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.2 Verzweigungsverhältnisse von W - und Z 0 -Bosonen. . . . . . . . . . . . . . . . . 31 6.1 Integrierte Luminositäten der im vierten Versuchsteil verwendeten Datensätze. . 59 Abbildungsverzeichnis 1.1 Vom Kristall zum Quark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Die Elementarteilchen im Standardmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Beispiel für einen Feynman-Graphen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.4 Beispiel für eine reelle QED-Strahlungskorrektur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.5 Beispiel für eine virtuelle QED-Strahlungskorrektur. . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.6 Das Laufen der Kopplung αs als Funktion der Renormierungsskala Q. . . . . . . 12 1.7 Feynman-Diagramm für eine reelle QCD-Strahlungskorrektur. . . . . . . . . . . . 12 1.8 Beispiele für schwache Zerfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.9 Die wichtigsten Vertizes der Schwachen Wechselwirkung. . . . . . . . . . . . . . 15 2.1 Der LHC-Ring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2 Signatur der einzelnen Teilchenspezies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.3 Schematischer Aufbau des ATLAS-Detektors. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.1 Die Partonverteilungsfunktionen für das Proton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.2 Feynmangraphen für den harten Streuprozess q q̄ → gg. . . . . . . . . . . . . . . 26 3.3 Schematische Darstellung einer Proton-Proton-Reaktion (Zwei-Jet-Ereignis). . . 27 3.4 Proton-Proton-Reaktion mit einem zusätzlichen Jet . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.5 Feynman Diagramm für den Prozess pp → e+ e− (Drell-Yan-Prozess). . . . . . . 29 4.1 W-Boson-Produktionsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.2 Transversalimpuls im isotropen Zweikörperzerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.3 Das pT -Spektrum von Elektronen aus W-Zerfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.4 Der harte Prozess für die Z-Paar-Erzeugung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.5 Wirkungsquerschnitt der Produktion reeller Z-Paare bei LEP . . . . . . . . . . . . 38 4.6 Untergrund zu Z-Paarproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 5.1 Das Potential des Higgs-Feldes für µ2 < 0. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.2 Verzweigungsverhältnisse des Higgs-Bosons als Funktion der Higgs-Masse. . . 41 5.3 Higgs-Produktionsmechanismen am LHC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5.4 Wirkungsquerschnitte für Higgs-Produktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 83 5.5 Die invariante 4-Lepton-Masse mit simulierten Daten eines Higgs-Bosons mit einer Masse von 300 GeV [10]. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.6 Das Teilchenspektrum in Modellen mit Supersymmetrie. . . . . . . . . . . . . . . 45 5.7 Neutralinopaarproduktion und Zerfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6.1 Resultate von verschiedenen Z-Fits. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 7.1 Das Standardfenster des Eventdisplays. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 7.2 Ein Screenshot der Kalibrierungsaufgabe mit ROOT. . . . . . . . . . . . . . . . . 71 7.3 Ein Screenshot des Fits des Halbhöhenpunktes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72