Strafrechtliche Klausurenlehre - Rotsch, Leseprobe

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Academia Iuris - Examenstraining
Strafrechtliche Klausurenlehre
von
Prof. Dr. Thomas Rotsch
1. Auflage
Strafrechtliche Klausurenlehre – Rotsch
schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
Thematische Gliederung:
Allgemeines
Verlag Franz Vahlen München 2013
Verlag Franz Vahlen im Internet:
www.vahlen.de
ISBN 978 3 8006 4595 4
Inhaltsverzeichnis: Strafrechtliche Klausurenlehre – Rotsch
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B. Lösung
jektiven Theorie anhängt.2 Indem der BGH – auch im vorliegenden Fall3 – auf das
Interesse der Beteiligten am Taterfolg abstellt, kann er auch für A von mittäterschaftlicher Strafbarkeit ausgehen. Denn es lag gerade im Interesse des Eigentümers des
Hallenkomplexes, dass dieser durch Feuer zerstört wurde, um an die Grundstücke zu
gelangen.
bb) Dieser Ansicht folgt jedenfalls im Ergebnis aber auch ein Teil der Literatur, die 925
im Übrigen freilich der Tatherrschaftslehre anhängt. Habe der am Tatort nicht anwesende Beteiligte die Planung oder Organisation der Tat geleistet, sei er Mittäter.4 Der
Plan zeichne das Verhalten der Beteiligten im Ausführungsstadium vor, gestalte die
einzelnen Rollen und beteilige den Organisator deshalb an der Tatherrschaft.5 Ein
»Minus im Ausführungsstadium« könne daher durch ein »Plus im Vorbereitungsstadium« kompensiert werden.6 Auch nach dieser Ansicht ist A als derjenige, der offenbar die Tat geplant hat, Mittäter.
cc) Beiden Auffassungen kann nicht gefolgt werden. Richtiger Weise ist mit der re- 926
striktiven Tatherrschaftslehre ein – wesentlicher – Tatbeitrag im Ausführungsstadium
zu verlangen. Mittäterschaft ist funktionelle Tatherrschaft, diese Tatherrschaft muss
aber im Ausführungszeitraum gegeben sein. Insbesondere kann nicht ein gewichtiger
Beitrag im Vorbereitungsstadium – hier evtl. die federführende Planung durch A –
den mangelnden Tatbeitrag ersetzen.7 Daher kann der am Tatort nicht anwesende A
nicht Mittäter gewesen sein (wollen).
e) Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgen wollte, weil man entweder für richtig 927
hält, dass eine Strafbarkeit wegen bloßer Anstiftung der Verantwortlichkeit des planenden und lenkenden Hintermannes nicht gerecht wird (extensive Tatherrschaftslehre) oder die Verantwortung des Beteiligten nur in wertender Gesamtbetrachtung
festgestellt werden kann (Rechtsprechung des BGH), kommt man im Ergebnis freilich ebenfalls nicht zur Strafbarkeit wegen Versuchs:
Hinweis: Grundsätzlich ist die Prüfung im Gutachten sofort abzubrechen, wenn eine Voraussetzung
der Strafbarkeit nicht vorliegt. Im Ausnahmefall kann es jedoch geboten sein, zur Bestärkung des gefundenen Ergebnisses auch das Nichtvorliegen der nächsten Voraussetzung zu belegen. Damit kann
dann das gefundene Ergebnis argumentativ abgesichert werden. Diese Vorgehensweise muss dann
aber durch eine entsprechende Formulierung deutlich gemacht werden. In der didaktischen Literatur
ist die Zulässigkeit dieses Vorgehens umstritten,8 sodass insoweit Zurückhaltung geboten ist und nur
dann, wenn man sich seiner Argumentation und des Ergebnisses wirklich sicher ist, von ihr Gebrauch
gemacht werden sollte.
Wer sich auf diese Art der unterstützenden gutachterlichen Stellungnahme nicht einlassen mag,
lehnt (mit der Argumentation unter 씮 Rn. 927 die restriktive Tatherrschaftslehre ab (wobei dann
eine Stellungnahme zwischen der extensiven Tatherrschaftslehre und der Rechtsprechung offen zu
bleiben hat, da die beiden Ansichten zu demselben Ergebnis kommen) und kann dann die Prüfung
ohne Weiteres ebenfalls wie folgt fortsetzen:
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3
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5
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7
8
Vgl. bereits insbes. BGHSt 11, 268 (271)**; 37, 289 (292)**.
BGH NStZ 2004, 614.
Stratenwerth/Kuhlen StrafR AT § 12 Rn. 91 ff.
Stratenwerth/Kuhlen StrafR AT § 12 Rn. 94.
Exemplarisch SSW-StGB/Murmann § 25 Rn. 42 mwN.
Hierzu insbes. Roxin StrafR AT II § 25 Rn. 198 ff.
Eingehend dazu Arzt Strafrechtsklausur 228 ff. (232) ff.
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Fall 7: Der kontaminierte Recyclingbetrieb
2. Unmittelbares Ansetzen, § 22 StGB
929 Problematisch ist nämlich darüber hinaus, ob A zur Tatbestandsverwirklichung bereits unmittelbar angesetzt hat, da er am Tatort überhaupt nicht anwesend war. Er
selbst hat am Tatort nicht gehandelt; da er aber vorsätzlich hinsichtlich einer Tatbegehung in Mittäterschaft gem. § 25 II StGB gehandelt hat, könnte ihm das Handeln der
am Tatort anwesenden Ukrainer zuzurechnen sein.
930 Hinweis: Das Zurechnungsinstrument des § 25 II StGB hilft nach hM auch beim Versuch weiter, indem nämlich auch diejenige Handlung des Mittäters, die den Versuchsbeginn markiert – das unmittelbare Ansetzen iSv § 22 StGB – als auch von dem jeweils anderen Mittäter vorgenommen fingiert
wird (sog. Gesamtlösung, dazu sogleich im Text Rn. 932). Vgl. auch bereits Fall 6 Rn. 864 ff.
931 a) Nach der sog. Einzellösung ist bei der Beantwortung der Frage, wann der Versuch
des Mittäters beginnt, der jeweils einzelne Tatbeitrag zugrunde zu legen. Nur und
erst dann, wenn der Betreffende Beteiligte selbst zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt hat, kann für ihn die Schwelle zum Versuchsbeginn überschritten sein.9 Danach hat A noch nicht iSd § 22 StGB unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
932 b) Dem entgegnet die herrschende Gesamtlösung, dass diese Auffassung der Struktur
der Mittäterschaft nicht gerecht werde. Sie sei einerseits zu weit, wenn ein Mittäter
nur im Vorbereitungsstadium tätig werden soll. Er müsse nach dieser Ansicht auch
dann als Mittäter bestraft werden, wenn er zwar seinen Tatbeitrag geleistet habe, die
Tat aber insgesamt im Vorbereitungsstadium stecken bleibe. Andererseits sei sie zu
eng. Habe bereits der eine Mittäter seinen Tatbeitrag im Ausführungsstadium voll
erbracht, so sei ein anderer, dessen Beitrag erst später erbracht werden soll, nicht gem.
§ 25 II StGB strafbar, selbst wenn das Rechtsgut bereits konkret gefährdet sei.10
933 Auch der BGH folgt traditionell dieser überwiegenden Auffassung der Gesamtlösung,11 er sieht im vorliegenden Fall auch keinen Grund, sonstige Bedenken zu erheben und rechnet das Verhalten der beiden Ukrainer A zu;12 A habe iSv § 22 StGB
unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
934 Dieser Auffassung des BGH kann nicht zugestimmt werden: Zwar trifft es zu, dass
über die herrschende Gesamtlösung auch dem am Tatort nicht anwesenden Beteiligten die Tatbeiträge anderer Mittäter zugerechnet werden können, was grundsätzlich
auch der Struktur des § 25 II StGB gerecht werden mag. Das gilt aber selbstverständlich nur, wenn zumindest irgendein anderer Mittäter bereits zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt hat. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall offensichtlich. X und Y haben lediglich die »Tatvorbereitungen« abgebrochen. Wer seine
Vorbereitungen zur Tatbegehung abbricht, befindet sich aber gerade noch bei den
Vorbereitungen zur Tat, nicht bereits im Versuchsstadium. Überschreitet nun aber
von den am Tatort anwesenden Beteiligten noch niemand die Grenze zum Versuch,
kann keinesfalls der am Tatort nicht anwesende A als Mittäter strafbar sein.13
9
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So vor allem Roxin StrafR AT II § 29 Rn. 297; SK-StGB/Rudolphi § 22 Rn. 19a.
Zu dieser Argumentation Wessels/Beulke StrafR AT Rn. 611.
Siehe bereits BGHSt 36, 249; 39, 236.
BGH NStZ 2003, 253.
Rotsch/Sahan JA 2005, 171 (172).
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B. Lösung
c) Damit kann A nach beiden Auffassungen nicht iSv § 22 StGB unmittelbar zur Tat- 935
bestandsverwirklichung angesetzt haben, weshalb eine Entscheidung zwischen der
Einzel- und der Gesamtlösung hier entbehrlich ist.
Hinweis: Folgt man der hier für unzutreffend gehaltenen Ansicht des BGH zur Anwendbarkeit der
Gesamtlösung, kommen die beiden Gegenpositionen zu unterschiedlichen Ergebnissen mit der Folge,
dass der Streit entschieden werden muss.
Hat man bereits den Tatentschluss verneint und das unmittelbare Ansetzen »nur« zur Bekräftigung
dieses Ergebnisses geprüft, muss man in jedem Fall zur Ablehnung des unmittelbaren Ansetzens
kommen, weil sonst freilich gerade der bei Rn. 928 beabsichtigte Unterstreichungseffekt nicht
eintritt.
Folgt man dem BGH, ist die Prüfung wie im Folgenden dargestellt fortzusetzen. Dies geschieht hier
allein aus didaktischen Gründen (obwohl die Prüfung ja eigentlich an dieser Stelle zu Ende wäre), um
die vom Senat problematisierte Frage des Rücktritts im Rahmen des § 306 StGB darstellen zu können; in Wahrheit kommt es hierauf nach dem Gesagten freilich gar nicht an.
936
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
A handelte rechtswidrig und schuldhaft.
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4. Rücktritt
Möglicherweise ist A aber strafbefreiend vom Versuch der Brandstiftung zurückge- 938
treten, als er gegen Mitternacht am Tatort erschien und X und Y aufforderte, die Tatvorbereitungen abzubrechen.
a) Da es hier um die Beteiligung Mehrerer geht, ist – wie der BGH richtig sieht14 – 939
§ 24 II StGB einschlägig.
Hinweis: Vorsicht! § 24 II StGB regelt den Rücktritt bei Tatbeteiligung Mehrerer, nicht den Rücktritt
Mehrerer. Die Vorschrift ist also auch dann einschlägig, wenn nur einer von mehreren Beteiligten zurücktritt!
b) Es liegt kein fehlgeschlagener Versuch vor.15
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941
c) Da die Tat weder ohne Zutun des A nicht vollendet (§ 24 II 2 Var. 1 StGB) noch 942
unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wurde (§ 24 II 1 Var. 2 StGB),
kommt nur ein Rücktritt gem. § 24 II 1 StGB in Frage. Danach müsste A die Vollendung der Tat freiwillig verhindert haben. Fraglich ist, ob es genügt, dass A die beiden
Ukrainer X und Y lediglich aufforderte, die Tatvorbereitungen abzubrechen. Da diese daraufhin ihre Tätigkeit ohne Weiteres einstellten, die bereits installierten Vorrichtungen aber nicht abbauten, kam es durch offensichtlich bereits entstandene Dämpfe
zur Kontaminierung von Kunststoffgranulat, wodurch einem Fremdbetrieb ein
Schaden in Millionenhöhe entstand. Damit stellt sich die Frage, ob A genug getan,
um in den Genuss der Strafbefreiung des § 24 StGB zu kommen.
aa) Aufgrund der den Rücktritt des A ablehnenden landgerichtlichen Entscheidung16 943
sah der Senat sich im vorliegenden Fall veranlasst, darauf hinzuweisen, dass auch
14 BGH NStZ 2004, 614.
15 Zum Fehlschlag Roxin JuS 1981, 1.
16 LG Lüneburg, Urt. v. 10.12.2003 – 21 KLs – 607 Js 16323/00 (2/03).
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Fall 7: Der kontaminierte Recyclingbetrieb
nach der Rechtsprechung des BGH für die Bejahung des Rücktritts nicht mehr als die
kausale Verursachung der Nichtvollendung verlangt werde.
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Hinweis: »Soweit das Landgericht den Rücktritt verneint hat, weil der Angeklagte über das bloße
Beenden der Aktivitäten hinaus noch weitere Maßnahmen hätte ergreifen können, um – etwa durch
Lüften des Hallenkomplexes oder durch Alarmierung von Polizei und Feuerwehr – das bereits vorhandene Gefährdungspotential zu beseitigen, überspannt es die Anforderungen, die § 24 II 1 StGB an den
Rücktritt stellt.«17
945 Damit ist das seit langem kontrovers diskutierte Problem angesprochen, welche Anforderungen an das Rettungsverhalten des Täters zu stellen sind.18 Hier findet sich
eine Vielzahl von Meinungen, die zwischen den Polen von bloß (mit)kausaler Handlung auf der einen und optimalem Rettungsverhalten auf der anderen Seite die unterschiedlichsten Anforderungen zu begründen versuchen.19 In positiver Hinsicht hat
die vom Senat auch vorliegend in Bezug genommene jüngere Grundsatzentscheidung
des BGH20 insoweit aber kaum Klärung gebracht. Denn mit der bloß negativen Aussage, es sei kein optimales Rettungsbemühen notwendig, ist eben immer noch nicht
gesagt, was denn nun vorausgesetzt wird.
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Hinweis: Für unseren Fall ist dies aber in Wahrheit auch ohne Bedeutung. Abgesehen davon, dass
man eigentlich gar nicht bis zur Frage des Rücktritts kommt ( Rn. 936), wird die Diskussion um die
Anforderungen an das Rücktrittsverhalten nämlich bislang an sich nur im Rahmen des § 24 I StGB
geführt. Geht es aber um die Tatbeteiligung Mehrerer, so wird das Anforderungsprofil an das Rücktrittsverhalten – wie der BGH selbst richtig sieht – von § 24 II StGB festgelegt. Nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur genügt aber für einen Rücktritt nach § 24 II 1 StGB,
wenn ein Tatbeteiligter mit dem die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen einverstanden ist.21 Daher muss auch nach Ansicht des BGH der Mittäter im Rahmen eines Rücktritts nach
§ 24 II 1 StGB noch nicht einmal kausal für das Ausbleiben des Taterfolges geworden sein.22 Der Hinweis des Senats auf die vermeintliche Klarstellung durch BGHSt 48, 147 trifft also nicht ganz. Vielmehr hätte der BGH nur feststellen müssen, dass er in Fällen wie dem vorliegenden nicht nur nicht
mehr als Kausalität, sondern noch nicht einmal diese verlangt. Aus diesem Grunde, und nicht weil A
nicht auf die »bestmögliche« Art und Weise zurückgetreten ist, hätte das LG keinesfalls mehr als
– die gegebene – bloße Kausalität fordern dürfen.
947 bb) Da A durch seine Aufforderung an X und Y, die Tatvorbereitungen abzubrechen,
kausal für die Verhinderung der Tatvollendung geworden ist und er im Übrigen auch
freiwillig gehandelt hat, ist er jedenfalls gem. § 24 II 1 StGB strafbefreiend vom in
Mittäterschaft begangenen Versuch der Brandstiftung zurückgetreten.
948
Hinweis: Im Ergebnis scheidet eine Strafbarkeit wegen versuchter mittäterschaftlicher Brandstiftung
daher in jedem Fall aus.
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18
19
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BGH NStZ 2004, 614 (615).
Zum Überblick vgl. NK-StGB/Zaczyk § 24 Rn. 58 ff.
Siehe Engländer JuS 2003, 641; Zwiehoff StV 2003, 631.
BGHSt 48, 147.
BGHSt 44, 204. Vgl. LK/Vogler, 10. Aufl. 1985, § 24 Rn. 170; diff. jetzt LK/Lilie/Albrecht § 24
Rn. 402. Eingehend und krit. Rotsch GA 2002, 165.
22 Rotsch GA 2002, 165 (170).
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B. Lösung
5. Ergebnis
A ist nicht strafbar wegen versuchter Brandstiftung in Mittäterschaft gem. §§ 306 I 949
Nr. 3, 22, 23 I, 25 II StGB.
II. Versuchte Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in Mittäterschaft,
§§ 308 I, 22, 23 I, 25 II StGB
Daher ist A auch jedenfalls im Hinblick auf eine versuchte Herbeiführung einer 950
Sprengstoffexplosion in Mittäterschaft gem. §§ 308 I, 22, 23 I, 25 II StGB straflos,
weil es entweder am unmittelbaren Ansetzen iSd § 22 StGB fehlt oder er aber im Falle der Annahme eines Versuchs von diesem strafbefreiend zurückgetreten ist. Insoweit gelten die Ausführungen unter I. sinngemäß.
III. Verabredung zur Brandstiftung, §§ 306 I Nr. 3, 30 II Var. 3 StGB
Mit der Aufforderung an X und Y, den Hallenkomplex zu zerstören, könnte A sich 951
jedoch wegen Verabredung zur Brandstiftung gem. §§ 306 I Nr. 3, 30 II Var. 3 StGB
strafbar gemacht haben.
1. Tatbestand
a) A hat mit X und Y verabredet, das Verbrechen der Brandstiftung zu begehen.
952
b) Nach der hier vertretenen Literaturansicht hat A mit X und Y aber keine – iSd 953
§ 30 II Var. 3 StGB nach hA notwendige23 – mittäterschaftliche Begehung verabredet.
Daher scheidet eine Verabredung zur Brandstiftung aus.
Hinweis: Folgt man dem BGH – der konsequenterweise die Frage der Verbrechensverabredung nicht
erörtert – oder der extensiven Literaturansicht und nimmt Mittäterschaft an ( Rn. 924 f.), ist ein
Rücktritt gem. § 31 I Nr. 3 Var. 1 StGB zu erörtern, der A letztlich wiederum von Strafe befreit (insoweit zu § 31 I Nr. 1 StGB sogleich Rn. 963 ff.).
954
2. Ergebnis
A hat sich nicht wegen einer Verabredung zur Brandstiftung gem. §§ 306 I Nr. 3, 955
30 II Var. 3 StGB strafbar gemacht.
IV. Versuchte Anstiftung zur Brandstiftung, §§ 306 I Nr. 3, 30 I 1 StGB
Hinweis: Der BGH erörtert die versuchte Anstiftung konsequenterweise nicht, weil der Senat Mittäterschaft annimmt.
956
Hinweis: Eine (vollendete) Anstiftung zum Versuch kommt nicht in Betracht, da die Tat von X und Y
schon nicht ins Versuchsstadium gelangt ist. Die Strafbarkeit der versuchten Anstiftung ist in § 30 I 1
StGB geregelt und kommt danach nur in Betracht, wenn es sich bei der ins Auge gefassten Tat um ein
Verbrechen handelt. Dabei geht es um die Fragen der Nichtvollendung und Versuchsstrafbarkeit,
worauf – wie üblich beim Versuch – sogleich zu Beginn einzugehen ist (zur – untunlichen – Bezeichnung als »Vorprüfung« vgl. Fall 1 Rn. 10).
957
23 Rotsch ZJS 2012, 680 (681) mwN. Vgl. dazu noch ausführlich Fall 17 Rn. 2214 ff.
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Fall 7: Der kontaminierte Recyclingbetrieb
958 A könnte sich aber durch die Aufforderung an X und Y, den Hallenkomplex zu zerstören, wegen versuchter Anstiftung zur Brandstiftung gem. §§ 306 I Nr. 3, 30 I 1
StGB strafbar gemacht haben. Die Anstiftung ist nicht vollendet, da die Haupttat
noch nicht versucht ist, Rn. 929 ff. Die versuchte Anstiftung zur Brandstiftung ist
gem. § 30 I 1 StGB strafbar, weil es sich bei § 306 I StGB aufgrund der Strafmindestandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe um ein Verbrechen iSd § 12 I StGB handelt.
1. Tatentschluss
959 Durch die Aufforderung an X und Y, die Gebäude zu zerstören, hat A die beiden
Ukrainer zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen.
2. Unmittelbares Ansetzen
960 A müsste zur Bestimmungshandlung unmittelbar angesetzt haben. Da er X und Y
bereits aufgefordert hat, die Hallen zu zerstören, hat er zum Anstiftungsversuch nach
jeder Ansicht bereits unmittelbar angesetzt.
961
Hinweis: Die Tathandlung der Anstiftung gem. § 26 StGB ist das Bestimmen eines anderen zur Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Zeigen Sie durch Ihre Formulierung (»müsste zur Bestimmungshandlung unmittelbar angesetzt haben«), dass Sie das verstanden haben.
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
962 Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben.
4. Rücktritt
963 Möglicherweise ist A aber vom Versuch der Anstiftung strafbefreiend zurückgetreten. Der Rücktritt vom Anstiftungsversuch gem. § 30 I 1 StGB ist in § 31 I Nr. 1
StGB geregelt. A müsste demnach den Versuch aufgegeben haben, einen anderen zu
einem Verbrechen zu bestimmen und eine etwa bestehende Gefahr, dass der andere
die Tat begeht, abgewendet haben.
964 a) Mit der Aufforderung an X und Y, die Tatvorbereitungen abzubrechen, hat A den
Versuch der Anstiftung aufgegeben.24
965 b) Darüber hinaus muss er aber auch die Gefahr der Tatbegehung abgewendet haben.
Fraglich ist, was hierunter zu verstehen ist. Denn durch das bereits entstandene LuftGas-Gemisch war die Gefahr entstanden, dass es etwa durch das fahrlässige Handeln
eines Dritten zur Explosion kommt.25 Im Rahmen des § 31 I Nr. 1 StGB ist man sich
allerdings – entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift – einig, dass der Täter nur und
gerade die Gefahr der Tatbegehung durch den oder die von ihm Angestifteten beseitigt haben muss. Das hat A durch den Abbruch der Tatvorbereitungen von X und Y
getan.26
24 Zu den Voraussetzungen eines Rücktritts nach § 31 StGB vgl. insgesamt Schönke/Schröder/Heine
§ 31 Rn. 3 ff.
25 Vgl. die Auseinandersetzung des BGH mit dem – freilich im Rahmen des § 24 StGB – diesbezüglich geäußerten Einwand des Landgerichts, BGH NStZ 2004, 614 (615).
26 Rotsch/Sahan JA 2005, 171 (172).
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B. Lösung
5. Ergebnis
A ist von der versuchten Anstiftung zur Brandstiftung iSd §§ 306 I Nr. 3, 30 I 1 StGB 966
gem. § 31 I Nr. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten und bleibt daher auch insoweit
straflos.
V. Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion bzw. versuchte
Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, §§ 308 I, 30 II Var. 3
bzw. 308 I, 30 I 1 StGB
Insoweit gilt das zu Rn. 951 ff. und Rn. 956 ff. Gesagte. Auch hier scheidet eine 967
Strafbarkeit jedenfalls aus.
Hinweis: Legte man daher nur die vom BGH in Betracht gezogenen Strafnormen zu Grunde, wäre A
straflos. Der Sachverhalt legt aber die Prüfung weiterer Vorschriften nahe (dazu im Folgenden), die
vom BGH offenbar übersehen wurden: Zwar hatte im zugrunde liegenden Fall der Angeklagte, der
vom LG wegen mittäterschaftlich begangener versuchter Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion
in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden
war, Revision eingelegt. Allerdings verbietet das dann gem. § 358 II StPO geltende Verbot der reformatio in peius nur die nachteilige Abänderung der Rechtsfolgen, nicht aber hingegen die Abänderung
des Schuldspruchs (die gem. § 354 I StPO möglich ist). Es wäre also möglich gewesen, die Versuchsstrafbarkeit aufzuheben und gleichzeitig einen Schuldspruch hinsichtlich eines der nachfolgend geprüften Delikte zu formulieren, ohne das Verbot der reformatio in peius zu verletzen.
968
VI. Herbeiführen einer Brandgefahr in Mittäterschaft, §§ 306f I Nr. 1, 25 II StGB
A könnte sich wegen Herbeiführens einer Brandgefahr in Mittäterschaft gem. §§ 306f I 969
Nr. 1, 25 II StGB strafbar gemacht haben.
1. Objektiver Tatbestand
a) Bei den in dem Hallenkomplex lagernden Gegenständen handelt es sich um eine 970
– fremde – feuergefährdete Anlage.
b) Durch die Kontaminierung des Kunststoffgranulats mit den bei den Tatvorberei- 971
tungen entstandenen Benzindämpfen ist diese Anlage auch – in sonstiger Weise – in
Brandgefahr gebracht worden.
c) Da diese Brandgefahr unmittelbar aber nur von X und Y herbeigeführt worden ist, 972
kann A nur Mittäter sein, wenn ihm die Handlungen der beiden Ukrainer über
§ 25 II StGB zuzurechnen sind. Nach der Ansicht des BGH, der in diesen Fällen Mittäterschaft bejaht ( Rn. 924), wäre A Mittäter. Bleibt man bei der oben ( Rn. 926)
favorisierten Literaturansicht, scheidet eine Strafbarkeit des A wegen mittäterschaftlicher Herbeiführung einer Brandgefahr gem. §§ 306f I Nr. 1, 25 II StGB aus.
2. Ergebnis
A ist nicht strafbar wegen Herbeiführens einer Brandgefahr in Mittäterschaft gem. 973
§§ 306f I Nr. 1, 25 II StGB.
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Fall 7: Der kontaminierte Recyclingbetrieb
VII. Anstiftung zur Herbeiführung einer Brandgefahr, §§ 306f I Nr. 1, 26 StGB
974 Da dann aber jedenfalls Anstiftung gegeben ist, ist A einer Anstiftung zur Herbeiführung einer Brandgefahr gem. §§ 306f I Nr. 1, 26 StGB schuldig.
VIII. Vorbereitung eines Explosionsverbrechens, § 310 I Nr. 2 iVm § 308 I StGB
975 Durch die Überlassung des Schlauchsystems zur Zerstörung der Hallen könnte A
sich des Weiteren der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens schuldig gemacht
haben.
1. Objektiver Tatbestand
976 A hat X und Y mit dem Schlauchsystem zur Ausführung der Zerstörung der Hallen
erforderliche besondere Vorrichtungen überlassen.
2. Subjektiver Tatbestand
977 Dies geschah vorsätzlich und auch – wie in § 310 I StGB vorausgesetzt – zur Vorbereitung einer Straftat, und zwar zu einer solchen iSd § 310 I Nr. 2 StGB, nämlich nach
§ 308 I StGB.
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
978 Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor.
4. Tätige Reue, § 314a III Nr. 2 StGB
979 A könnte freilich von dem vollendeten Delikt des § 310 im Wege der tätigen Reue
gem. § 314a III Nr. 2 StGB »zurückgetreten« sein. Dazu müsste er in einem Fall des
§ 310 StGB freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgegeben oder sonst die Gefahr abgewendet haben.
980 Die Formulierung der Vorschrift »sonst« die Gefahr abgewendet haben zeigt, dass es
nicht genügt, wenn der Täter nur die Ausführung der Tat aufgibt, er muss in jedem
Fall (damit) »die Gefahr« abgewendet haben. Fraglich ist, was mit »der Gefahr« hier
gemeint ist. Im Rahmen des Rücktritts nach § 31 I Nr. 1 StGB stand es der Strafbefreiung des A nicht entgegen, dass die durch das Luft-Gas-Gemisch entstandene Gefahr von A nicht beseitigt worden war, da es dort nur darauf ankam, gerade die Gefahr der Tatbegehung durch die von A angestifteten Personen abzuwenden. Das ist
hier anders. Bei § 314a III StGB muss die »tatbestandsmäßige Gefahr« abgewendet
werden. Diese besondere Gefahr besteht aber darin, dass das in Bezug genommene
vorbereitete Delikt des § 308 StGB tatsächlich zur Ausführung kommt. Da es hier
eine Beschränkung darauf, dass die Tat gerade von dem Angestifteten ausgeführt
wird, nicht gibt, hätte A im Rahmen der tätigen Reue auch die durch das entstandene
Luft-Gas-Gemisch entstandene Gefahr beseitigen müssen. Da dies nicht geschehen
ist, kann A nicht im Wege der tätigen Reue von der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens zurückgetreten sein.27
27 Zum Ganzen Rotsch/Sahan JA 2005, 171 (173).
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