964 M 1.3 1.3 Topografische Anatomie des oberflächlichen Kopfbereichs Aufgrund der geringen Weichteilbedeckung des Schädels werden die Konturen des Kopfes wesentlich durch ihn geprägt. Aufgrund der geringen Weichteilbedeckung des Schädels werden die wesentlichen Konturen im Kopfbereich durch die Form der Schädelknochen bestimmt. Die Darstellung topografisch interessanter tiefer gelegener Regionen im Kopfbereich erfolgt jeweils im Zusammenhang mit den besprochenen Strukturen. 1.3.1 1.3.1 Regionen und Proportionen Regionen und Proportionen Regionen (Abb. M-1.18): Das Gesicht reicht vom Haaransatz der Stirn bis zum Unterkiefer. Topografisch unterscheidet man die Regio frontalis, orbitalis, temporalis, parotideomasseterica, zygomatica, infraorbitalis, nasalis, buccalis, oralis und mentalis. Der Kopf besitzt zudem noch die Regio parietalis und occipalis. ⊙ M-1.18 Regionen (Abb. M-1.18): Das Gesicht reicht oben von den Augenbrauen seitlich über die Schläfen bis zum Ohr und Hinter- und Unterrand der Mandibula. Wird die Stirn – wie allgemein üblich – mit einbezogen, reicht es bis zur Haargrenze. Topografisch unterscheidet man: ■ Regio frontalis (Stirnregion), ■ Regio temporalis (Schläfenregion), ■ Regio orbitalis (Augenregion), ■ Regio infraorbitalis (Unteraugenregion), ■ Regio zygomatica (Jochbeinregion), ■ Regio parotideomasseterica, ■ Regio nasalis (Nasenregion), ■ Regio buccalis (Wangenregion), ■ Regio oralis (Mundregion) und ■ Regio mentalis (Kinnregion). Die Regio parietalis (Scheitelregion) und die Regio occipitalis (Hinterhauptsregion) bilden den oberen und rückwärtigen Bereich des Kopfes. ⊙ M-1.18 Regionen des Kopfes* Regio parietalis Regio frontalis Regio orbitalis Regio infraorbitalis (Prometheus LernAtlas. Thieme, 3. Aufl.) Regio zygomatica Regio temporalis Regio parotideomasseterica Regio occipitalis * Näheres zu den hier nicht beschrifteten Halsregionen (S. 906). Regio nasalis Regio oralis Regio mentalis Regio buccalis Proportionen: Beim kindlichen Kopf überwiegen Hirnschädel und Augenregion relativ, während Nasen- und Kieferpartie einen kleineren Raum einnehmen. Geschlechts- und populationstypische Merkmale finden sich beim Erwachsenen vorwiegend im Gesicht. Die Gesichtsproportionen wirken bei annähernd gleichen Abständen von Ober-, Mittelund Untergesicht bzw. Nasen- und Augenregionen harmonisch. Proportionen: Die Kopf- und Gesichtsform ist bei Kindern und Erwachsenen durch Unterschiede in den Proportionen von Viszero- und Neurokranium sehr unterschiedlich. Der kindliche Kopf unterscheidet sich von dem des Erwachsenen durch das relative Überwiegen des Hirnschädels samt der Augenregion bei einer kleineren Nasen- und Kieferpartie. Beim Kopf des Erwachsenen sind geschlechts- und altersabhängige sowie populationstypische Merkmale zu beachten. Als Faustregel für harmonische Gesichtsproportionen gilt beim Erwachsenen die Drittelregel: Ober-, Mittel- und Untergesicht, d. h. die Bereiche Haaransatz–Glabella, Glabella–Nasenspitze, Nasenspitze–Kinnspitze sind etwa je gleich groß. Der Nasofazialwinkel beträgt etwa 35°, der Nasolabialwinkel rund 100°. In der Ansicht von vorn sollten idealer Weise die Abstände der Vertikalen durch den medialen und lateralen Lidwinkel etwa gleich sein. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Topografische Anatomie des oberflächlichen Kopfbereichs 1 Kopf – Schädel und mimische Muskulatur 1.3.2 Tastbare Knochenpunkte im Kopfbereich Wegen der teilweise nur sehr dünnen Bedeckung durch Weichteile sind viele Knochenpunkte im Bereich des Kopfes tastbar (vgl. auch Abb. A-1.4b). Im Gesicht sind dies die nachfolgend genannten: Die Squama frontalis kann unterschiedlich stark ausgeprägte Tubera frontalia (Stirnhöcker) und Arcus superciliares (Überaugenbögen) sowie eine verschieden breite Glabella (schwach behaarter Bereich zwischen den Margines supraorbitales) besitzen. Im medialen Drittel der Margo supraorbitalis kann entweder eine Incisura oder ein Foramen supraorbitale ausgebildet sein; der N. supraorbitalis (aus N. frontalis, V1) tritt hier an die Stirn. Auch die Form und Stellung des knöchernen Aditus orbitae (Orbitaöffnung) mit seinen gut tastbaren Rändern (Margo supraorbitalis des Os frontale, Margo infraorbitalis des Os zygomaticum u. der Maxilla, Os zygomaticum, Processus frontalis der Maxilla) unterscheiden sich individuell (auch alters- und geschlechtsabhängig). Die Nasenwurzel (aus den Ossa nasalia und den Processus frontales der Maxilla) ist ebenfalls unterschiedlich breit und hoch. Seitlich davon liegt auf der Facies anterior der Maxilla das Foramen infraorbitale, darunter die Fossa canina, eine seichte Grube, die eine operative Zugangsstelle zum Sinus maxillaris bietet. Die knöcherne Umrandung der Nasenhöhle (durch die Processus frontales der Maxilla) ist als Apertura piriformis zu tasten, unten medial besitzt sie eine Spina nasalis anterior als Fixpunkt für das knorpelige Nasenseptum. Die Form des Untergesichts wird durch die Stellung der Kinnspitze (Protuberantia mentalis mit außen gelegenen Tubercula mentalia), der Mandibula, mit dem Angulus mandibulae und die Höhe der Pars alveoralis beider Kiefer beeinflusst. Alle diese Merkmale sind stark altersabhängig. Bei älteren Menschen ist durch Änderung der Mandibulaform und Abnahme des M. masseter häufig das Gelenkköpfchen des Kiefergelenks zu sehen bzw. bei Bewegungen zu tasten. Die Lage des Foramen mentale im vorderen Drittel des Corpus mandibulare variiert mit der Ausprägung der Pars alveolaris bzw. dem Zahnbesatz des Unterkiefers. Die seitlichen Konturen des Gesichts werden durch das Os zygomaticum, den Arcus zygomaticus und – als nicht knöcherne Strukturen – die Ausprägung des M. masseter und M. temporalis (Tab. M-3.6) bestimmt. Die Ausladung der Jochbögen ist ebenfalls stark unterschiedlich (auch typisch für verschiedene Populationen, etwa Mongolide oder Europide). An der Dorsalseite des Kopfes lassen sich die Scheitelhöcker (Tubera parietalia), die Protuberantia occipitalis externa und lateral die Processus mastoidei tasten. 1.4 965 1.4 Entwicklung des Kopfbereichs Entwicklung des Kopfbereichs 1.3.2 Tastbare Knochenpunkte im Kopfbereich Tastbare Knochenpunkte (vgl. auch Abb. A-1.4b) im Gesicht sind: ■ Tubera frontalia, ■ Arcus superciliares, ■ Foramen (Incisura) supra- und infraorbitale, ■ Aditus orbitae, ■ Ossa nasalia und Apertura piriformis, ■ Fossa canina, ■ Arcus zygomaticus, ■ Protuberantia mentalis, ■ Foramen mentale, ■ Angulus mandibulae und ■ bei älteren Menschen das Caput mandibulae (Processus condylaris). Die Protuberantia mentalis mit den Tubercula mentalia, die Mandibula, der Angulus mandibulae und die Höhe der Pars alveolaris bestimmen die Form des Untergesichts. Die seitlichen Gesichtskonturen werden v. a. durch den Jochbogen sowie die Mm. masseter und temporalis bestimmt. Dorsal tastet man am Kopf die Ossa parietalia, die Protuberantia occipitalis externa und die Processus mastoidei. 1.4 Entwicklung des Kopfbereichs Grundelemente der embryonalen Anlage von Kopf und z. T. auch Hals sind die präund parachordalen Knorpel, das Material der 4½ obersten Somiten sowie das System der Schlundbögen. Die für die Realisierung der Schädelentwicklung entscheidenden Gene (z. B. sonic hedge hog = shh) sind funktionell eng mit den sog. Homeobox-Genen gekoppelt. An der Bildung der embryonalen Kopf- und Halsanlage beteiligen sich prä- und parachordale Knorpel, die 4½ obersten Somiten und die Schlundbögen. Ein System von Regulationsgenen steuert die Entwicklung. 1.4.1 Entwicklung des Schädels 1.4.1 Anlagematerial für die Schädelentwicklung Anlagematerial für die Schädelentwicklung Das Anlagematerial des Schädels entstammt ■ der Neuralleiste (S. 111), ■ dem paraxialen Mesoderm (S. 113), ■ den Okzipitalsomiten und ■ den beiden oberen Schlundbögen (Tab. M-1.8). Die Entwicklung der Schädelkapsel steht auch in enger Beziehung zu der der Hirnhäute. Bereits in der 5.–6. Woche ist die Hirnanlage von einer Mesenchymverdichtung (Meninx primitiva) umgeben. Deren äußeres Blatt (Ektomeninx) verdichtet sich zur Dura mater encephali, aus dem inneren (Endomeninx) entwickelt sich die Leptomeninx (Pia mater encephali und Arachnoidea). Die Meninx primitiva liefert im Bereich der Hirnbasis die Vorknorpelzellen für das Chondrokranium (s. u.) und Osteoblasten für das Desmokranium (s. u.). Es entstammt Neuralleiste (S. 111), paraxialem Mesoderm (S. 113), Okzipitalsomiten und den oberen 2 Schlundbögen (Tab. M-1.8). Entwicklung des Schädels Die Hirnanlage ist ab der 5. Woche von einer Mesenchymverdichtung (Meninx primitiva) umgeben (Ektomeninx → Dura mater encephali und Endomeninx → Leptomeninx). Die Meninx primitiva liefert die Vorknorpelzellen für das Chondrokranium und Osteoblasten für das Desmokranium. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. M