Aus dem Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität zu Köln Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. phil. K. Bergdolt Pierre Fauchard Sein Werk „Französischer Zahn-Arzt oder Tractat von den Zähnen“ und dessen Bedeutung für die moderne Zahnmedizin Inaugural-Dissertation zur Erlangung der zahnärztlichen Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Judit Weinbeck geb. Csorba Bathori aus Neumarkt/Rumänien Promoviert am 23. März 2011 Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter 1. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. Dr. phil. K. Bergdolt 2. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. med. dent. M. Noack Erklärung: Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskripts habe ich keine Unterstützungsleistungen erhalten. Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die in Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen. Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Köln, 10.10.2010 Judit Weinbeck Danke Matti für deine großzügige Liebe und Unterstützung. Inhaltsverzeichnis 1. 2. 3. Einleitung..................................................................................................................1 1.1 Problemstellung und Zielsetzung...................................................................1 1.2 Aufbau der Arbeit ..........................................................................................2 Die Person Pierre Fauchard....................................................................................3 2.1 Kurzer Lebenslauf von Pierre Fauchard ........................................................3 2.2 Zahnmedizin in Frankreich zu der Zeit von Pierre Fauchard ........................5 Erkenntnisse Pierre Fauchards in verschiedenen Fachbereichen.....................11 3.1 Zahnmedizinische Aspekte ..........................................................................11 3.1.1 Prophylaxe .....................................................................................12 3.1.2 Konservierende Zahnheilkunde .....................................................17 3.1.2.1 Kariologie und Füllungstherapie.....................................17 3.1.2.2 Endodontie ......................................................................24 3.2 4. 3.1.3 Parodontologie ...............................................................................24 3.1.4 Zahnärztliche Chirurgie .................................................................27 3.1.4.1 Extraktion........................................................................27 3.1.4.2 Implantologie ..................................................................32 3.1.5 Prothetik .........................................................................................35 3.1.6 Kieferorthopädie ............................................................................45 3.1.7 Kinderzahnheilkunde .....................................................................47 Fachübergreifende Aspekte..........................................................................49 3.2.1 Schmerzursache und Therapie .......................................................49 3.2.2 Zusammenhang systemischer und lokaler Erkrankungen..............49 3.2.3 Ergonomie......................................................................................50 Analyse ....................................................................................................................51 4.1 4.2 Dem heutigem Standard nicht entsprechende Erkenntnisse ........................51 4.1.1 Prophylaxe .....................................................................................52 4.1.2 Kariologie.......................................................................................52 4.1.3 Implantologie .................................................................................55 4.1.4 Kinderzahnheilkunde .....................................................................55 Den heutigen Standard beeinflussende Erkenntnisse...................................56 4.2.1 Prophylaxe .....................................................................................56 4.2.2 Kariologie und Füllungstherapie....................................................58 4.2.3 Endodontie .....................................................................................61 4.2.4 Parodontologie ...............................................................................61 1 4.3 4.2.5 Zahnärztliche Chirurgie .................................................................62 4.2.6 Implantologie .................................................................................63 4.2.7 Prothetik .........................................................................................64 4.2.8 Kieferorthopädie ............................................................................68 4.2.9 Kinderzahnheilkunde .....................................................................69 4.2.10 Schmerzursache und Therapie .......................................................69 Dem heutigen Standard entsprechende Erkenntnisse ..................................70 4.3.1 Prophylaxe .....................................................................................71 4.3.2 Füllungstherapie.............................................................................71 4.3.3 Kariologie.......................................................................................71 4.3.4 Extraktion.......................................................................................72 4.3.5 Prothetik .........................................................................................73 4.3.6 Kinderzahnheilkunde .....................................................................74 4.3.7 Zusammenhang systemischer und lokaler Erkrankungen..............74 4.3.8 Ergonomie......................................................................................75 5. Diskussion ...............................................................................................................76 6. Zusammenfassung..................................................................................................80 7. Literaturverzeichnis...............................................................................................85 8. Lebenslauf...............................................................................................................91 2 1. Einleitung 1.1 Problemstellung und Zielsetzung Es könnte heute keine moderne Zahnmedizin bzw. Medizin geben, wenn nicht bedeutende Persönlichkeiten vor unserer Zeit Großes geleistet hätten. Eine dieser Persönlichkeiten ist Pierre Fauchard, der als „Vater der Zahnheilkunde“ gilt. „Er führte die handwerkliche Tätigkeit eines „Zahnbrechers“ zu einem akademischen Beruf hin“1 und sorgte so dafür, dass die Zahnheilkunde in die ärztliche Praxis aufgenommen wurde. Anfang des 18. Jahrhunderts beginnt „ausgehend von Frankreich die wissenschaftliche und standesgemäße Verselbstständigung der Zahnheilkunde.“2 Fauchards im Jahr 1728 erschienenes Buch mit dem Titel „Le chirurgien dentiste“ stellt die erste wissenschaftliche Bearbeitung des Fachs Zahnheilkunde überhaupt dar. Es ist somit das weltweit erste zahnmedizinische Lehrbuch, welches veröffentlicht wurde.3 Sein Werk wird zum Standardlehrbuch für die nachfolgenden Generationen, die sich mit der Zahnheilkunde beschäftigten, denn „Fauchards Ansichten waren seiner Zeit voraus“.4 In seinem Werk referiert er nicht nur über die orale Anatomie und Funktion, sondern schafft auch einen Leitfaden für die praktische Anwendung operativer und restaurativer Techniken. In seinem Vorwort schreibt Fauchard: „Die Erfahrung, welche mir eine unabläßige praxis von fast dreißig Jahren zu wege gebracht, hat mich unvermerckt zu neuer Erkentniß geführet, und mich dahin gebracht, daß ich dasjenige ergänzt habe, was mir in meinem ersten Gedanken mangelhaft geschienen hat. Ich übergebe der Welt die Frucht von meiner Mühe und von meinem Wachen; und hoffe, daß dieselbe denjenigen, welche die Profeßion eines Zahn-Arztes treiben wollen, einigen Nutzen schaffen, und denen Personen, welche einige Sorgfalt hegen ihren Mund in gutem Stande zu erhalten, noch mehreren Vortheil bringen werde.“5 Es wird deutlich, dass sein Werk nicht nur als Lehrbuch für diejenigen gedacht ist, die Zähne behandeln wollen, sondern auch für Laien, die sich für ihre Zahngesundheit interessieren. 1 Tanzer (1983), S. 714 2 Reitemeier, Schwenzer, Ehrenfeld (2006), S.2 3 vgl. Rheinisches Zahnärzteblatt (Jg. 45) Heft 9/September (2002),· Seite 501 4 Tanzer (1983), S. 715 5 Fauchard, Band 1 (1733), S. 11 1 Das Ziel dieser Dissertation besteht darin, das Gesamtwerk des französischen Zahnarztes und Autors, hinsichtlich seines zahnmedizinischen Wissens zu untersuchen. Die Literaturwissenschaft hat sich zwar ausführlich mit seinem wegweisenden Werk beschäftigt, keine dieser Arbeiten untersucht aber dieses Werk auf die Frage hin, inwieweit Fauchards damalige Ansichten auch heute noch ihre Gültigkeit behalten, oder eben nicht behalten haben. Mit diesen Arbeiten kann und soll hier freilich nicht konkurriert sondern vielmehr gezeigt werden, was für ein außergewöhnlicher Wissenschaftler, Mediziner, Forscher, Entwickler, Autor und Lehrmeister Fauchard war. 1.2 Aufbau der Arbeit In dieser Arbeit wird nach einer kurzen Darstellung des Lebenslaufs Pierre Fauchards die Zahnmedizin in Frankreich zu seiner Zeit beschrieben. Es folgt eine detaillierte Zusammenfassung von Fauchards Erkenntnissen in den verschiedenen Teilbereichen der Zahnmedizin. Dabei wird eine Unterteilung in zahnmedizinische Aspekte wie Prophylaxe, konservierende Zahnheilkunde (Kariologie und Füllungstherapie sowie Endodontie), Parodontologie, zahnärztliche Chirurgie (Extraktion und Implantologie), Prothetik, Kieferorthopädie, Kinderzahnheilkunde, sowie in fachübergreifende Aspekte wie Schmerzursache und Therapie, Zusammenhang systemischer und lokaler Erkrankungen sowie Ergonomie vorgenommen. Anschließend werden Fauchards einzelne Erkenntnisse in der Analyse daraufhin untersucht, inwieweit sie dem heutigen Standard nicht entsprechen, ihn beeinflusst haben oder diesem noch entsprechen. Die Arbeit endet mit der Diskussion und schließlich mit der Zusammenfassung. 2 2. Die Person Pierre Fauchard 2.1 Kurzer Lebenslauf von Pierre Fauchard Pierre Fauchard wurde 1678 in der Bretagne geboren. Über seine Kindheit ist nichts bekannt und über seine Jugend nur das, was er selbst in dem Vorwort seines Werkes schreibt: „Ich bin ein Lehrjünger von dem Herrn Alexandre Potelere, Chirurgus major ben den Schiffen des Königes, gewesen, welcher in den Krankheiten des Mundes sehr erfahren war. Demselben habe ich die ersten Anfangs-Gründe der Erkentniß, welche ich in der Chirurgie, die ich treibe, erlangt habe, zu danken.“6 Es wird deutlich, dass Fauchard einem Chirurgen seine praktische Ausbildung zu verdanken hat und er keine wissenschaftliche Ausbildung erfuhr, so dass er keinerlei Diplom vorweisen konnte. „Hinweise auf eine chir. Approbation finden sich nicht. In einem Register der Pariser Zahnbehandler von 1761 wird Fauchard nicht als Maistre en chirurgie, sondern lediglich als einer der insgesamt 30 Experts geführt.“7 Abbildung 1: Ein Portrait Pierre Fauchards8 Wie Pierre Fauchard sich selbst weiterbildete, beschrieb er so: „Ich habe die Dinge zusammen gelesen, welche in den Scibenten den besten Grund zu haben mir vorgekommen sind. Ich bin darüber öfters mit mir bekannten Medicis und Chirurgis, so in dem größten Ansehen gestanden, zu rathe gegangen, und habe nichts versäumet, wo 6 Fauchard, Band 1 (1733), S. 10 7 Gerabek (2005), S.392 8 http://de.academic.ru/pictures/dewiki/49/180px-Portait_de_Pierre_Fauchard_par_J__Le__Bel.jpg 3 ich von dem Rathe und von den Einsichten derselben einen Nutzen schöpffen können.“9 Sein umfassendes Wissen über seinen Beruf als Zahnwundarzt beruht nicht nur auf seinen Erfahrungen als Praktizierender, sondern Fauchard las auch die Werke verschiedener Autoren und filterte das heraus, was für ihn gut begründet schien. Über dieses diskutierte er mit Ärzten und nutzte deren Ratschläge für sich. Fauchard praktizierte zuerst in Nantes und ab 1719 in Paris, wo er bis zu seinem Tode am 22. März 1761 sesshaft geblieben ist. „1729 heiratete er in zweiter Ehe die Tochter eines prominenten Schauspielerpaares.“10 Aus dieser Ehe entstammte sein Sohn. „Fauchard war ein sehr geschickter Mann, besaß gute Kenntnisse über die zu verarbeitenden Materialien und konnte mit überdurchschnittlichen manuellen Fähigkeiten funktionierende Prothesen und anderen Zahnersatz fertigen. Er brachte es so zu Ansehen und Vermögen und konnte 1734 Schloss und Domäne de Grand Mesnil erwerben“11, “und stieg so zum Guts- und Gerichtsherrn auf. Studienaufenthalte im Inund Ausland – u.a. in Göttingen (1736) – mehrten seinen Ruhm.“12 „Fauchard lässt sich seine Behandlungserfolge von Patienten werbeträchtig bestätigen und macht damit Reklame für sich, er wird sehr reich.“13 1728 erschien sein zweibändiges Lehrbuch „Le chirurgien dentiste“ in dem zum ersten Mal die Zahnheilkunde wissenschaftlich vollständig bearbeitet wurde. 1733 erschien die Übersetzung in deutscher Sprache. 9 Fauchard, Band 1 (1733), S. 10-11 10 Hoffmann-Axthelm (1984), S 1143 11 Heckert (2006), S 24 12 Gerabek (2005), S.392 13 Will (2008) Fortbildung Pfaff Berlin, S.4 4 Abbildung 2: Titelseite der deutschen Ausgabe des Werks von Pierre Fauchard14 1746 wurde eine verbesserte und erweiterte 2. Auflage veröffentlicht. Die im Jahr 1786 (also 25 Jahre nach dem Tode des Autors) erschienene 3. Auflage wurde „freilich nicht mehr von Fauchard allein, sondern hauptsächlich von seinen Schülern bearbeitet.“15 „Eine englische Übersetzung folgte erst 1946 aus medizinhistorischem Motiv.“16 2.2 Zahnmedizin in Frankreich zu der Zeit von Pierre Fauchard Um 1700 gab es in Frankreich einen deutlichen Unterschied zwischen der Bezeichnung Vollarzt und Chirurg. Zum einen existierte „der Vollarzt, der das regelrechte medizinische Studium an der Universität hinter sich gebracht und seine Examina abgelegt und darauf graduiert 14 http://www.maxilofacial.info/images/fauchard2.jpg 15 vgl. Kollin (1921), S 4 16 Hoffmann-Axthelm (1984), S 1147 5 worden war.“17 Bei Zahnleiden fungierte dieser allerdings nur als Hausarzt der nur „Umschläge, Spülungen usw. anwandte, sich im übrigen aber aller chirurgischen Eingriffe enthielt.“18 Zum anderen gab es die Chirurgen, den „an Ausbildung und Berufstellung tiefer stehenden Heilstand“19, welchem die Vollärzte die eigentliche Zahnbehandlung und Schmerzlinderung überließen. Zur damaligen Zeit wurde zwischen einem echten Chirurgenstand (mit ausgebildeten Chirurgen) und einem niederen Chirurgenstand (Zahnreißer/Barbiere) unterschieden. Die Ausbildung der echten Chirurgen ähnelte der der Vollärzte, da sie „einen ausgezeichneten Unterricht auf wissenschaftlicher Grundlage erhielten und meist das Institut de St. Come besuchten und nach dort bestandener Prüfung in die Praxis gingen.“20 Die niederen Chirurgen wurden nur „rein „zünftig“ bzw. handwerksmäßig oder empirisch ausgebildet.“21 „Nach seinem ganzen Ausbildungsgange kann man also Fauchard den niederen Chirurgen beigesellen – nicht seiner Leistungen nach!“22 Fauchard war eine Trennung zwischen Medizin und Zahnheilkunde, und die Ernennung dieser zu einem eigenen Fach wichtig, wobei ihm bewusst war, dass dieses Sondergebiet nicht ganz ohne die Allgemeinmedizin und die Chirurgie auskommen kann. Fauchards Bemühungen haben mit dazu geführt, dass die chirurgische Ausbildung der Chirurgiens-dentistes am College Desarçon und die staatliche Prüfung durch Professoren der Chirurgie erfolgte. Erst 1768 bestimmte ein neues Reglement, dass die zukünftigen Chirurgiens-dentistes eine Lehrzeit von 2 bis 3 Jahren bei einem Expert Dentisten oder Chirurgen zu absolvieren hatten. Auch wurden die Prüfungsbestimmungen verschärft und unberechtigte Titelführung unter Strafe gestellt.23 Fauchard verabscheute die herumziehenden Zahnreißer und Marktschreier und warnte stets vor diesen Scharlatanen und Kurpfuschern, da diese „offenbar der Leichtgläubigkeit des gemeinen Mannes mißbrauchen.”24 Er stellte auch fest, dass viele 17 vgl. Lejeune (1931), S. 7 18 vgl. Lejeune (1931), S. 13 19 vgl. Lejeune (1931), S. 7 20 vgl. Lejeune (1931), S. 12 21 vgl. Lejeune (1931), S.12 22 vgl. Lejeune (1931), S.18 23 vgl Rötzscher 24 Fauchard, Band 1 (1733), S. 144 6 Leute versuchen, die Zähne zu heilen, obwohl diese Tätigkeit nicht ihrem Beruf entspreche und sie somit auch nicht über die Fertigkeiten verfügen, die diese Tätigkeit erfordert. Er hatte den Eindruck, „es werde gar mehr Zahnärzte geben, als Leute, die Zahnwehe haben.“25 Es war für ihn „auch ein Anliegen, Quacksalber und Scharlatane [...] von der seriösen Zahnmedizin fern zu halten. Er selbst distanzierte sich schon durch seinen Titel eindeutig von dieser unseriösen Gruppierung.“26 Fauchard war der Erste, der die Berufsbezeichnung „Chirurgien Dentiste“ (bedeutet soviel wie „Zahnchirurg“ oder „Zahnwundarzt“) erfunden und für sich in Anspruch genommen hat. Fauchards Meinung nach kann „der Titel, Chirurgiens Dentistes, Zahn-Chirurgi oder Zahnärzte“ den Behandlern „nicht abgesprochen werden“, welche die Zähne „nicht nur erhalten, so viel als die Regeln der Kunst immer gestatten; sondern auch weil sie ihren Verstand mit Nachahmung der Natur dazu gebrauchen, dass sie Mängel verbessern, welche der Mund bekömmt, wenn das sonst vollkommene Werk eben der Natur mangelhafft wird.“27 Fauchard ist davon überzeugt, dass, wenn sein Berufstand nur von gut ausgebildeten und vernünftigen Menschen, nicht aber von Betrügern ausgeübt worden wäre, „so würde diese Profession jederzeit in eben so grosser Hochachtung geblieben seyn, als viele andere Theile aus der Chirurgie, die zur Gesundheit des Menschen weder erprießlicher noch von grösserer Wichtigkeit sind.“28 Fauchard kritisierte nicht nur die zu seiner Zeit tätigen Zahnreißer sondern auch seine Vorgänger, die ihr erlangtes Wissen nicht an die Nachwelt weitergegeben hatten „Um diesen Mangel der Unterweisung zu ersetzen wäre zu wünschen, daß ein geschickter Zahn-Arzt [...] uns seine Weise zu operieren, und seine Erkentniß [...] mitgetheilet hätte.“29 Er sah sich dabei berufen, die Versäumnisse seiner Vorgänger durch die Niederschrift seiner Erkenntnisse und deren Veröffentlichung wettzumachen und äußerte bereits im Vorwort seines Werks diese Zielsetzung, in dem er sagte: „das unterstehe ich mich jetzt zu unternehmen.“30 Obwohl dies „zu seinem eigenen finanziellen Nachteil“31 war, machte er im Gegensatz zu seinen Kollegen aus seinen 25 Fauchard, Band 1 (1733), S. 173 26 Will (2002), S. 12 27 Fauchard, Band 2 (1733), S. 188 28 Fauchard, Band 2 (1733), S. 189 29 Fauchard, Band 1 (1733), S.8-9 30 Fauchard, Band 1 (1733), S.9 31 Heckert (2006), S. 25 7 Erkenntnissen kein Berufsgeheimnis, sondern lieferte „eine möglichst exakte Beschreibung mit zahlreichen Fallstudien.“32 Bis dahin war es üblich, dass das Wissen vom Meister auf den Jünger mündlich und handwerklich weitergegeben wurde. In seinem Vorwort beklagt Fauchard, dass die Chirurgie sich bislang nicht ausreichend dem Gebiet der Mundhöhle gewidmet habe. „Dieses Theil der Chirurgie, welches die Krankheiten des Mundes angehet, bis hierher am meisten verabsämet worden ist.“33 Im Schlussteil seines Werkes beschäftigt sich Fauchard mit der Analyse des chirurgischen Traktats seines Zeitgenossen Jac Crefc. Er sieht sich verpflichtet die Irrtümer in diesem Traktat zu „wiederlegen, und die schlimmen Folgen, so daraus entstehen können,“34 zu zeigen. Als Erstes kritisiert Fauchard, dass sein Zeitgenosse den Zahnstein mit dem Rost z.B. am Eisen oder Stahl vergleicht. Rost sei, im Gegensatz zu Zahnstein, nicht von der Oberfläche zu entfernen, ohne dass von der Substanz des Metalls etwas verloren gehen würde. Da der Zahnstein nicht in die Oberfläche des Zahnschmelzes eindringt, sei es möglich, diesen zu entfernen, ohne dass die Zahnoberfläche dadurch Schaden nehmen würde. Dieses sei allerdings nicht so leicht, wie der Autor behaupte. Fauchard gibt auch zu bedenken, dass die Instrumente (wie unterschiedliche Zahnraspel oder Picken), die zur Zahnsteinentfernung vorgeschlagen werden, weder bequem noch zulänglich seien, da der Gebrauch dieser Instrumente unweigerlich zu Zahnfleischschäden und zu großen Schmerzen bei dem Patienten führen würde.35 Als Nächstes widerspricht Fauchard der Behauptung, dass „mit den Instrumenten, welche die Zähne zu putzen gebrauchet werden, den Schmelz von derselben sollten weggeraspelt haben. Denn es hat kein Instrument eine so scharfe Schneide, welche nicht von der Härte des Schmelzes an den Zähnen, wenn es daran kömmt, abgestossen und stumpf werden sollte, als dessen Härte fast eben so groß ist als eines Diamantes seine.“36 Die Feile sei das einzige Instrument, das ihm einfallen würde, welches in der Lage sei, Zahnschmelz zu zerstören. Nicht die Instrumente, die zum Zähneputzen 32 Neddermeyer, Uwe (2001), S. 328 33 Fauchard, Band 1 (1733), S.5 34 Fauchard, Band 2 (1733), S. 295 35 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 296.297 36 Fauchard, Band 2 (1733), S. 299 8 gebraucht werden, seien schädlich für den Zahnschmelz, sondern das vom Autor empfohlene gepulverte Porzellan sowie der Bimsstein, „denn selbige sind von beissender und fressender Eigenschafft, und reiben dadurch das Schmelzwerd der Zähne auf.“37 Fauchard plädiert – im Gegensatz zum Autor, der behauptet, dass das Feilen unweigerlich zum Verlust der gefeilten Zähne führen würde – für den fachgerechten Gebrauch der Feile, denn „das bisgen Schütteln, so die Zähne von der Feile erleiden, hindert nicht, dass sie nicht ihre ehemalige Festigkeit wieder bekommen sollten.“38 Fauchard diskutiert die verschiedenen Arten von Karies und deren Fortschreiten und widerspricht damit dem Autor, der behauptet, dass Karies immer schnell fortschreiten würde. Zur Kariesentfernung sieht Fauchard das vom Autor vorgeschlagene Instrument, die Schlangenzunge, als ungeeignet an. Er empfiehlt hierzu lieber den Gebrauch eines Zahnraspels.39 Auch was die Feder in der Zahnzange anbetrifft, widerspricht Fauchard dem Autor, der versichert, dass „dadurch dieses Instrument mehr Bequemlichkeit erhalten“40 würde. Fauchard behauptet, im Gegensatz zum Autor, dass diese als „unnütz, unbequem, und nachteilig verworfen werden müsse“.41 Zum Schluss stellt Fauchard dar, was ihn dazu bewegt hat, all diese Sachverhalte richtig zu stellen, nämlich, dass sie sonst „dem gemeinen besten Nachteil bringen könnten.“ Weiterhin schreibt er: „eben diese Liebe zum gemeinen Besten mich durch dieses ganze Werk getrieben, und bey einer gar langwierigen Arbeit mir Kräffte verliehen hat. Es ist auch diese Arbeit mir um desto mühsamer und verdrießlicher gefallen, da ich nichts als trockene und dürre Materien abzuhandeln gehabt habe, die an sich selber nicht angenehm sind, obgleich sie zur Gesundheit und zum Vergnügen das ihrige beitragen.“42 37 Fauchard, Band 2 (1733), S. 300 38 Fauchard, Band 2 (1733), S. 302 39 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 304-305 40 Fauchard, Band 2 (1733), S. 307 41 Fauchard, Band 2 (1733), S. 307 42 Fauchard, Band 2 (1733), S. 309 9 Als Anhang an Fauchards Werk sind noch einige „Urteile und Gutachten einiger der vortrefflichsten Medicorum und Chirurgorum von dem Zahnarzte des Herrn Fauchard“43 zu lesen. Daraus wird deutlich, wie hoch geschätzt Fauchard schon von seinen Zeitgenossen wurde, da diese seine Arbeit in den höchsten Tönen loben und seine Bedeutung als Vorreiter auf dem Gebiet der Zahnmedizin anerkennen. Jacob Benign Winslow, ein Doctor Regens, behauptet, Fauchard dazu ermutigt zu haben, seine Erkenntnisse, seine Erfahrungen und seine Geschicklichkeit auf dem Gebiet der Zahnmedizin an die Nachwelt weiterzugeben. Er findet sein Werk zwar vortrefflich, gibt aber zu bedenken, dass die darin beschriebenen Arzneien nur von Kennern benutzt werden sollten, um keinen Schaden anzurichten.44 Herr Hecquet und Herr Fino, beide Doctor Regens, sparen beide nicht mit Lob für Fauchards Erfindungsreichtum und seinen Fleiß. Fino bezeichnet Fauchard als Vorreiter auf dem Gebiet der Zahnmedizin. Er schreibt, dass Fauchard „eine vollkommene Einsicht in diese so mannigfaltigen Krankheiten erhalte“ habe, „wozu noch zur Zeit kein Zahnarzt gelanget war.“45 Dieser Meinung schließt sich Herr Helvetlus, ebenfalls ein Doctor Regens an, denn er „weiß nicht, dass noch zur Zeit jemand anders diese Materie so abgehandelt hat, dass er die Sache so genau und umständlich vorgetragen, als der Herr Fauchard.“46 Herr Silva ist von Fauchards Werk so überzeugt, dass er betont: „Die Welt ist ihm Dank schuldig für dieses Geschenke.“47 Herr de Juffieu, der nach eigenen Angaben bei einigen Operationen, welche Fauchard vorgenommen hatte, persönlich anwesend war, fühlt sich verpflichtet, der Welt zu versichern, dass „niemand eine nützlichere Arbeit gethan, noch in diese Materie jemals so weit gekommen ist.“48 Neben den aufgeführten Doctor Regens lassen sich auch einige Chirorgorum nicht nehmen ihre Annerkennung gegenüber Fauchard kundzutun. Sie tun dies, indem sie schreiben: „Wir sind der Meinung, daß wir dem Autori für die saure Mühe und den Fleiß, so ihn dieses Werk gekostet hat, unsere Beystimmung schuldig sind; und daß er nicht genug zu preisen ist, weil er die Ehre seiner Profession dadurch so sehr 43 Fauchard, Band 2 (1733), S. 381 44 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 381-382 45 Fauchard, Band 2 (1733), S. 383 46 Fauchard, Band 2 (1733), S. 384 47 Fauchard, Band 2 (1733), S. 385 48 Fauchard, Band 2 (1733), S. 385 10 befördert.“49 Herr de Vaux geht so weit, dieses Werk über alles zu heben, „was man noch zur Zeit von dieser Materie geschrieben hat, als welche bishero so wol in vollständigen anatomischen oder chirurgischen curfibus als in einigen ganz kurzen Wercklein nur obenhin und seicht abgehandelt worden ist.“50 3. Erkenntnisse Pierre Fauchards in verschiedenen Fachbereichen 3.1 Zahnmedizinische Aspekte Der vollständige Titel des Werkes von Pierre Fauchard lautet: „Französischer ZahnArzt, oder Tractat von den Zähnen: Worinnen die Mittel, selbige sauber und gesund zu erhalten, sie schöner zu machen, die verlohrne wieder zu ersetzen, und die ungesunden, wie auch die Krankheiten des Zahnfleisches, und die Zufälle, welche anderen nahe bey den Zähnen liegenden Theilen zustossen können, zu heilen, gelehret werden.“ Fauchard macht somit schon in der Überschrift deutlich, wie komplex sein Buch ist, und dass er alle Fachbereiche der Zahnmedizin in diesem anspricht. Sein Beruf ist also ärztlich, da Fauchard versucht, die Zähne zu heilen und zu erhalten. Dies stand im Gegensatz zu der zu Zeiten Fauchards gängigen Praxis, Zahnschmerzen vor allem durch Extraktion zu beheben. Im zehnten Kapitel demonstriert Fauchard nochmals, wie umfassend sein Werk ist, indem er die unterschiedlichsten Behandlungsmöglichkeiten, die an den Zähnen vorgenommen werden können, aufzählt: „man putze sie, man sondert sie von einander ab, machet sie kürzer, nimmt den Beinfresser von ihnen weg, cauterisiret oder brennet sie, plombiret oder füllet sie an mit Bley, setzet sie wieder gerads, setzet sie in gehörige Ordnung, machet sie fest, nimmt sie schlechterdings aus ihren Kinnladen heraus, setzet sie wiederum in ihre alte Kinnlade ein, oder nimmt sie aus um sie in einen andern Mund einzusetzen, und endlich so setzet man durch die Kunst gemachte Zähne für solche, die da fehlen, in die Stelle.“51 Er fordert von dem Behandler nicht nur geschickte Hände und ein vollkommenes, fachliches Wissen, sondern auch die Fähigkeit, die richtige Entscheidung zu treffen, was die Behandlungsmethode betrifft.52 Er ermutigt seine 49 Fauchard, Band 2 (1733), S. 386-387 50 Fauchard, Band 2 (1733), S. 388 51 Fauchard, Band 1 (1733), S. 159-160 52 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 160 11 Kollegen bei Schwierigkeiten nicht aufzugeben, sondern „neue Weisen zu operieren zu erfinden, aus welchen die Welt grossen Vortheil ziehen kan.“53 3.1.1 Prophylaxe Die zahnmedizinische Prophylaxe (gr.: „die Vorbeugung“) befasst sich mit Maßnahmen, die dazu dienen sollen, die Zähne und den Zahnhalteapparat gesund zu erhalten und diese vor der Entstehung von Krankheiten zu schützen. Fauchard sah es als Fehler an, „daß man so wenig bekümmert ist zu lernen, wie man die Zähne erhalten solle.“54 Er widmete seine Arbeit auch der Aufklärung der um „ihre Gesundheit bekümmerte Leute.“55 Fauchard diskutiert im fünften Kapitel seines Werks verschiedene Ursachen für die Erkrankung der Zähne und des Zahnfleisches, deren Folgen und Unterscheidungsmöglichkeiten. Als erstes unterteilt er die Ursache für Zahnkrankheiten in innerliche Ursachen durch „fehlern des Fließwassers“56 (wohl die Lymphflüssigkeit gemeint) z.B. durch Verdauungsbeschwerden, Ernährung, Schwangerschaft, Schlafgewohnheiten, Gelbsucht u.a. Lebensart, hervorgerufen und äußerliche Ursachen wie z.B. Zahnbeläge, Kälte/Wärme, Schnupfen, Gewalteinwirkung auf die Zähne, Medikamente, Tabakrauch oder Zuckergenuss. Als größten Feind der Zähne identifiziert Fauchard in diesem Zusammenhang den „mercurius, welcher insgeheim Quecksilber gennenet wird.“57 Er schildert weiterhin: „Die Wirkungen des Quecksilbers sind, dass das Zahnfleisch augenscheinlich aufschwellet, dass er selbiges benaget, und vernichtet. Ebenso wircket er an den Häuten, welche die Wurzeln der Zähne bekleiden.“58 Fauchard nimmt an, dass dadurch, dass während einer Schwangerschaft sowie in der Menopause die Monatsblutung ausbleibt „das Geblute voll überflüssiger Materien, von 53 Fauchard, Band 1 (1733), S. 321 54 Fauchard, Band 1 (1733), S. 56 55 Fauchard, Band 1 (1733), S. 56 56 Fauchard, Band 1 (1733), S. 83 57 Fauchard, Band 1 (1733), S. 88 58 Fauchard, Band 1 (1733), S. 89 12 welchen es sich vorher durch solchen Weg reinigte“ im Körper verweilt und, dass „dieser Überfluss auf die Zähne oder auf das Zahnfleisch fällt.“59 Schon in der Vorrede seines Werkes verweist Fauchard darauf, dass obwohl die Zähne das glatteste und härteste Gebilde im menschlichen Körper sind, sie oft Krankheiten ausgesetzt werden, die mit starken Schmerzen verbunden sind und an denen sie zugrunde gehen.60 Weiterhin verdeutlicht er die Notwendigkeit einer sorgfältigen Zahnpflege, um die Zähne lange gesund zu erhalten. Er stellt auch fest, dass „solche Personene, welche alle ihre Zähne bis in ein hohes Alter gesund erhalten, sind in sehr geringer Anzahl. Etliche darunter haben diesen Vorteil einem guten Temperament (wohl Beschaffenheit gemeint) zu haben; andere einer Behutsamkeit und besonderen Sorgfalt.“61 Im zweiten Kapitel seines Buches macht Fauchard seinen Lesern deutlich, welche wichtige Rolle die Zahngesundheit für die Gesundheit im Allgemeinen, für die Sprachentwicklung sowie für das Aussehen des Einzelnen spielt. Zähne sind nicht nur wichtig für die „Erhaltung der Gesundheit“62, sondern auch „unumgänglich nötig zur Annehmlichkeit der Stimme, zur Aussprechung der Worte, zur Deutlichkeit in der Ausrede und zur Zierde des Angesichtes.“63 Fauchard widmet das dritte Kapitel der Beschreibung „von dem Verhalten und der Lebensart, die man beachten muß, wenn man die Zähne in gutem Stande erhalten will.“64 Er stellt die nachteilige Wirkung von Zucker in den Nahrungsmittel sowie von harten Speisen dar. Zu Beginn listet Fauchard verschiedene Nahrungsmittel wie z.B. Hülsenfrüchte, Schweinefleisch oder Milch auf, welche die Zähne nachteilig beeinflussen sollen, da sie „einen schlimmen chylum oder Nahrungssafft erzeugen.“65 Er beobachtet, dass Zucker in den Speisen dafür mitverantwortlich ist, dass die Zähne geschädigt werden können. 59 Fauchard, Band 1 (1733), S.87 60 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 3 61 Fauchard, Band 1 (1733), S. 3-4 62 Fauchard, Band 1 (1733), S. 57 63 Fauchard, Band 1 (1733), S. 57 64 Fauchard, Band 1 (1733), S. 59 65 Fauchard, Band 1 (1733), S. 60 13 Den Grund sieht Fauchard darin, dass der Zucker, welchen er auch als „Gifft“ bezeichnet, „sich zwischen das Zahnfleisch hineinsetzet, und sich an die Zähne anleget: welches denn über kurz oder lang Verrückungen daran erreget.“66 Er rät nach Zuckerkonsum den Mund mit warmem Wasser auszuspülen, um das Zahnfleisch und die Zähne vom Zucker zu befreien. Er befürwortet nicht den vollkommenen Verzicht auf Zucker sondern sagt, „man muß dem Gebrauche derselben nur gehörige Schranken setzen, und keine Gewohnheit daraus machen, als welche jederzeit schädlich ist.“67 Im weiteren Verlauf schildert Fauchard, dass durch harte Speisen oder Gewalteinwirkungen die Zähne geschädigt werden können „nützt man die Zähne ab, macht sie wackelend,. zerspaltet sie, geräth man in Gefahr sie zu verlieren, und verlieret sie bisweilen in der That.“68 Für die Zahnzwischenraumpflege empfiehlt Fauchard Zahnstocher und glaubt, dass „Zahnstocher von dünnen Federn [...] allen andern vorzuziehen“69 sind, da solche aus härteren Materialien wie z.B. Gold, Silber, Eisen usw. zu hart sind und die Zähne schädigen könnten. Fauchard thematisiert, dass auch im Tabakkonsum eine Beeinträchtigung der Zahngesundheit besteht, wie z.B. die Schwarzfärbung der Zähne und deren Zerstörung durch die Spitze der Pfeife. Darüber hinaus glaubte Fauchard auch, dass die Temperaturunterschiede zwischen dem warmen Rauch und der kühleren Atemluft eine „Stockung von einer oder anderen Feuchtigkeit in den Zähnen selbsten, in dem Zahnfleische, oder in etlichen benachbarten Theilen veranlassen.“70 Er mutmaßt, dass Tabakrauch zu Karies und damit zu Schmerzen führen kann. Auf der anderen Seite hat er auch beobachtet, dass bei richtiger Mundpflege „Tabackrauch was zur Erhaltung der Zähne beytragen kann.“71 Die Gefahr beim gleichzeitigem Genuss von zu kalten oder warmen Speisen besteht Fauchards Meinung nach darin, dass sie „die Säffte und den Nahrungssaft in den 66 Fauchard, Band 1 (1733), S. 61 67 Fauchard, Band 1 (1733), S. 61 68 Fauchard, Band 1 (1733), S. 62 69 Fauchard, Band 1 (1733), S. 63 70 Fauchard, Band 1 (1733), S. 63 71 Fauchard, Band 1 (1733), S. 64 14 Zähnen selbst stockend und unbeweglich machen können“ 72 so, dass „das Gewebe der Zähne zerreissen“73 könne durch das ständige Wechselspiel zwischen der dadurch hervorgerufenen Ausdehnung und Kontraktion. Mit dem Thema Erosion setzt sich Fauchard ebenfalls in seinem Werk auseinander. Seine Definition lautet: „Diese Krankheit nenne ich eine Zerfressung der Oberfläche am Schmelzwerde.“74 Er beobachtet, dass es durch die Erosion zu vielen kleinen Löchern in der Schmelzoberfläche kommt. Die Uhrsache hierfür sieht er darin, „dass das Schmelzwerd von einer nagenden Materie abgenützet wird“75. Fauchard nennt jedoch keine Beispiele für diese Materie und auch keine Möglichkeiten um Erosion zu vermeiden. Als Heilung schlägt er vor, „dass man die Oberfläche des Zahns glatt und eben machet.“76 Schon zu Fauchards Zeiten entsprachen strahlend weiße Zähne dem Schönheitsideal. Deswegen widmet er das vierte Kapitel der Beschreibung von „Zahnbalsamen, Pulvern und Säfften, die dazu dienlich oder schädlich sind“77 die Zähne weiß zu machen oder diese so zu erhalten. Er warnt vor scharfen Säuren wie Sauerampfersaft, Zitronensaft, Vitriolspiritus, die zur Bleichung der Zähne dienen, da er mit einem Vergrößerungsglas beobachtet hat, dass die Zahnoberfläche, durch die häufige Anwendung dieser Säfte, porös werden und wie ein Sieb aussehen kann. Fauchard trug durch seine Warnung zur Aufklärung bei und widerlegte erneut durch genaue Beobachtung und kritische Auseinandersetzung mit vorhergehend allgemein üblichen Methoden die gängige Praxis. Gleichzeitig sparte er nicht mit Kritik an seinen Kollegen, die Patienten getäuscht und sie „zu ihrem Verderben aufgeopfert haben.“78 Als Ursache für die Verfärbung der Zähne nennt er die Beschaffenheit der „verschiedenen Säffte, die an sie kommen“79 und deren Aufnahme in den Poren des Zahnschmelzes. 72 Fauchard, Band 1 (1733), S. 64 73 Fauchard, Band 1 (1733), S. 64 74 Fauchard, Band 1 (1733), S. 116 75 Fauchard, Band 1 (1733), S. 116 76 Fauchard, Band 1 (1733), S. 116 77 Fauchard, Band 1 (1733), S. 66 78 Fauchard, Band 1 (1733), S. 69 79 Fauchard, Band 1 (1733), S. 116 15 Die Reinigung der Zähne empfiehlt Fauchard zweimal in der Woche mit einem Schwamm vorzunehmen, der zuvor in einem, nach seiner Rezeptur hergestellten „Zahnbalsam“, getränkt worden ist80. Er erachtet es als besser keine Zahnbürste zu verwenden, was vermutlich darin begründet ist, dass diese zur damaligen Zeit „aus Rosshaaren angefertigt wurden, einem Material, das viel zu rau war.“81 Fauchard identifiziert den Zahnstein als Hauptursache für die Entstehung von Karies. „Dieser Weinstein ist bisweilen der Vorläufer von dem Beinfresser, der ganz und gar von einer äusserlichen Ursache herrrühret. Es ist leicht ihn wieder weg zu bringen oder ihn vorzubeugen.“82 Er bekräftigt, dass diese Krankheit allein auf die „Nachlässigkeit und Unreinlichkeit“83 der betreffenden Personen zurückzuführen ist. Aber nicht nur Zahnstein sondern auch Mundgeruch seien durch eine bessere Mundhygiene vermeidbar. Deswegen propagiert er, „daß man sich die Zähne putzen lasse, wenn solches nöthig ist“ und „dass mann selbige so halte und warte, wie gelehret worden ist.“84 Fauchard kehrt in seinem Werk immer wieder zum Thema Zahnstein, dessen Folgen und Behandlung zurück. So auch in den ersten Kapiteln des zweiten Teils, wo er ausführlich die fünf Instrumente beschreibt (z.B. die Eselsschnauze oder den Papageienschnabel), die er zur Zahnsteinentfernung gebraucht. Er sah sich gezwungen manche von ihnen “zu verbessern und ihnen eine andere Form zu geben.“85 Dabei wird deutlich, welchen wichtigen Teil Fauchard bei der Weiterentwicklung von zahnmedizinischen Instrumenten eingenommen hat. 80 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 72 81 Jacoby (1920), S.6 82 Fauchard, Band 1 (1733), S. 117 83 Fauchard, Band 1 (1733), S. 117 84 Fauchard, Band 1 (1733), S. 158 85 Fauchard, Band 2 (1733), S. 9 16 Abbildung 3: Zahnmedizinische Instrumente erfunden von Pierre Fauchard86 3.1.2 Konservierende Zahnheilkunde 3.1.2.1 Kariologie und Füllungstherapie Karies stellt nach Meinung von Fauchard die erste und verderblichste Erkrankung der Zähne dar, die diese ein Leben lang bedrohen. „Derselbe macht uns das meiste zu schaffen, theils ihn zu vertreiben, theils die Unordnungen, welche er angerichtet hat, wieder zu recht zu bringen.“87 Fauchard schildert im fünften Kapitel drei unterschiedliche Arten von Karies: leicht, tief sowie trocken (welche „nicht einmal weggenommen werden muß“88. Er warnt sogar, dass „wenn man in diesem Falle eine Operation [hier Füllungstherapie gemeint] dabey vornehmen wolte, so könte dadurch der Fortgang derselben vermehret werden.”89 Er unterteilt die Ursachen für Karies in innerliche und äußerliche. Karies, die durch innerliche Ursachen entstanden ist, sei oft nicht anders zu „entdecken als durch Mutmaßungen, die man aus der Hefftigkeit und Dauer der klopfenden Schmerzen der Geschwülste, der Auslaufung, oder der Abscesse“90 ableitet, da diese sich am Zahnhals oder an der Zahnwurzel befinden und oft durch das Zahnfleisch verdeckt werden. Dementsprechend sind ihre Folgen schlimmer als bei Karies, die durch äußerliche Ursachen bedingt ist. 86 http://de.academic.ru/pictures/dewiki/49/180px-Instruments_crees_par_Pierre_Fauchard.jpg 87 Fauchard, Band 1 (1733), S. 105 88 Fauchard, Band 1 (1733), S. 108 89 Fauchard, Band 1 (1733), S. 135 90 Fauchard, Band 1 (1733), S. 107 17 Karies ist einfacher zu erkennen und leichter zu behandeln, wenn sie sich durch äußerliche Ursachen entwickelt hat, denn „dann hat man in den: Medikamenten, Feilen, Zahnmeißeln, Kauter, „Plombieren“ Hilfsmittel zur Hand, um ihr Einhalt zu tun.“91 Zum Plombieren – also Füllen – empfiehlt er Blei. Abbildung 4: Elfenbeinschnitzerei "Der Zahnwurm als Quälgeist der Hölle" aus Südfrankreich, 17. Jahrhundert. Sie ist in einem 10,5 cm hohen Molaren untergebracht, der in zwei Hälften zerlegt werden kann.“92 Die bis dahin gültige Lehrmeinung, dass Karies durch Zahnwürmer verursacht wird, will Fauchard „weder leugnen noch zugeben“93 betont aber, niemals solche Würmer entdeckt zu haben, obwohl er mit “Vergrösserungsgläsern eine grosse Anzahl Versuche”94 sowohl an frisch gezogenen kariösen Zähnen als auch an den Materialien, welche die Zähne umgeben haben, durchgeführt hatte. Er betont, dass Würmer „nur deswegen zugegen sind, weil die Speisen oder ein übel beschaffener Speichel Eierlein von einem oder anderem Ungeziefer in den Beinfresser der Zähne hineingebracht haben, indem dieselben mit diesen Speisen vermischet gewesen sind.“95 So kommt er zu der Erkenntniss, dass die Würmer zumindest nicht als „die einzige Ursache”96 für Karies in Frage kommen. 91 Jacoby (1920), S.14 92 Morawetz, (2001), Seite 64 93 Fauchard, Band 1 (1733), S. 120 94 Fauchard, Band 1 (1733), S. 140 95 Fauchard, Band 1 (1733), S. 120 96 Fauchard, Band 1 (1733), S. 141 18 Fauchard spricht im siebten Kapitel über seine Beobachtung, dass „Backenzähne eher cariös als die Schneidezähne und die Hundszähne”97 werden und, dass obere Schneidezähne häufiger betroffen sind als die unteren. Er stellt auch fest, dass korrespondierende Zähne ähnlich häufig und an den ähnlichen Stellen auf derselben Weise von Karies befallen werden und begründet dies damit, dass sie dieselbe Struktur haben. Die Behandlung der Zähne, an denen die Karies die Pulpa noch nicht oder nur wenig angegriffen hat, beschreibt Fauchard wie folgt: nach Reinigung soll der Behandler “Zimtöl und Nelkenöl, einzeln oder gemischt, in die Kavität tun, oder sie mit dem cautere actuel ausbrennen und dann mit Blei füllen. Alle schärferen Medikamente, wie die von Dionis angegebenen Schwefel- und Vitriolöle verwirft er als 98 schmerzverursachend und die Zahnsubstanz angreifend.” Bei oberflächlicher Karies empfiehlt Fauchard die Karies zu exkavieren und den entstandenen Hohlraum mit Blei zu füllen. Bei Karies, die Schmerzen verursacht, sollte nach der Kariesexkavation vier bis fünf Tage lang täglich eine frische in Zimtöl oder Nelkenöl getränkte Baumwolle in die Kavität eingebracht werden. Diese Vorsichtsmaßnahme soll verhindern, dass sowohl die Schmerzen als auch die Karies wieder auftreten. Sollten die Schmerzen trotz dieser Maßnahmen nicht nachlassen, sollte der Behandler zum Brenneisen greifen und einige Zeit danach den Zahn mit Blei füllen, sofern die Kavitätenbeschaffenheit es zulässt99, da ansonsten „der verdorbene und mit den Speisen vermischte Speichel machet, dass der Zahn noch cariöser wird.“100 Wiederholt greift Fauchard im siebten Kapitel von Band 2 seines Werks das Thema Kauterisieren bzw. Brennen der Zähne auf. Zu diesen Zweck benutzt er „die Enden von einem Messingdraht, der so lang wie eine Stricknadel, und an seinen Enden viel oder wenig umgebogen, viel oder wenig spitz, und viel oder wenig stumpf ist.“101 Er 97 Fauchard, Band 1 (1733), S. 136 98 Jacoby (1920), S. 14 99 Vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 149-150 100 Fauchard, Band 2 (1733), S. 81 101 Fauchard, Band 2 (1733), S. 76-77 19 propagiert, dass diese Instrumente „bequemer sind als alle diejenigen Instrumente, welche bisher zu dieser Operation ausgedacht worden sind.“102 Um zu verhindern, dass die Zunge oder die Wange beim Brennen verletzt wird schlägt Fauchard die Benutzung einer Platte aus Blech oder Silber vor, „wenn die Backenzähne der einen oder anderen Seite des Mundes cauterisiert werden sollen.“103 Wenn die Karies schon bis zur Pulpa vorgedrungen ist und einen Abszess verursacht hat, empfiehlt Fauchard die Karies zu exkavieren und die Pulpenkammer mit einer Sonde zu öffnen, damit der Eiter herausfließen kann und so der Schmerz aufhört. Sein weiteres Vorgehen beschreibt er so: nach zwei bis drei Monaten „fülle ich Bley in ihre cariöse Zähne, um zu verhüten, daß sie nicht noch mehr beschädiget werden.”104 Fauchard diskutiert im neunten Kapitel verschiedene Möglichkeiten, die seiner Meinung nach zur Zahnsteinbildung führen: 1. Speisereste in den Zahnzwischenräumen 2. eine durch die ausgeatmete Luft auf die Zähne aufgelagerte zweite Schicht 3. Speichel, „wenn derselbe durch die Wirkung einer verdorbenen Lymphe oder Fließwassers auch angestecket wird, und mit salzigen wie auch mit vielen erdigen Theilgen angefüllet, die er denn an den Körper der Zähne setzet.“105 Als Folge vom Zahnstein zählt Fauchard neben der Zahnfleischresorption auch die Lockerung der betroffenen Zähne auf. Er beobachtet Zahnstein auch an der Zahnwurzel und nimmt an, dass die unteren Zähne deswegen häufiger mit Zahnstein bedeckt sind als die Oberen weil, „die Materie allezeit durch ihre eigene Schwere dahin fällt, und die Zunge selbige nicht eben so abfegen kann.“106 Fauchard befasst sich im siebzehnten Kapitel mit den durch Karies („Beinfresser“) verursachten Schäden an den Zähnen und den Zähnen benachbarten Strukturen. Karies an den Unterkieferzähnen soll laut Fauchard dazu geführt haben, dass der Unterkiefer 102 Fauchard, Band 2 (1733), S. 77 103 Fauchard, Band 2 (1733), S. 81 104 Fauchard, Band 1 (1733), S. 150-151 105 Fauchard, Band 1 (1733), S. 156 106 Fauchard, Band 1 (1733), S. 157 20 “entweder allganz oder zum theil verloren gegangen ist“ und „dass solches etlichen Leuten das Leben gekostet hat.“107 Durch Karies an den Oberkieferzähnen könnte nach Fauchard am Gaumen ein Loch hervorgerufen werden, was dazu führt, dass eine Verbindung zwischen der Kiefer- und der Nasenhöhle entsteht. Da der vollkommene Verschluss dieses Lochs Fauchard zu Folge „nur höchstunvollkommen erreichet“ worden ist, entwickelte er „fünf verschiedene Verstopfungs-Instrumente“.108 Fauchard empfiehlt das Feilen der Zähne, wenn diese zu lang (z.B. weil ihr Antagonist fehlt) oder zu groß sind, kariös sind (um die Karies zu entfernen), bei Engstand oder Aproximalkaries (um die Zähne voneinander zu trennen) sowie wenn die Zähne gekippt stehen (um sie wieder gerader erscheinen zu lassen).109 Besonders wichtig sei es „die Spitzen der ungleichen spitzigen und scharfen Stücke von den Ueberbleibseln des zerbrochenen oder cariösen Zahns stumpf und eben“110 zu machen, da es sonst an den anliegenden Weichteilen zu Verletzungen und als Folge daraus zu Geschwürsbildungen kommen kann. Auch „wenn die Zähne stachelichste Erhebungen haben, wenn sie voll Furchen und voll kleiner Löcher und kleiner Flecken auf ihrem Schmelze sind [...] lassen sich alle solche Mängel heben, wenn man die Zähne mit der Feile glatt und eben machet.“111 Er verweist darauf, dass nur die dunkel verfärbten Flecken fortzufeilen seien, nicht aber die weißen, da diese Schmelzfehler seien und oft bis zur Pulpa reichen. Fauchard fordert gleichzeitig, dass ein Behandler „diese Operation nicht anders als mit reifer Ueberlegung, Unterscheidung der Umstände, und mit Vorsichtigkeit vornehmen“ soll, da sonst „schlimme Folgerungen daraus entstehen“112 könnten. Wiederholt greift Fauchard seine Kollegen an, die z.B. beim Gebrauch der Kneifzange um die Zähne zu kürzen „gar nicht behutsam zu wercke gehen“113 und so Zersplitterungen am Zahnschmelz verursachen. Er propagiert den Einsatz der Kneifzange an den Molaren zu meiden (da die Ausläufer der Pulpa unter ihren Höckern nur mit einer dünnen Schmelzschicht bedeckt sind und diese beim Feilen leicht 107 Fauchard, Band 1 (1733), S. 257 108 Fauchard, Band 1 (1733), S. 259 109 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 27 und 34 110 Fauchard, Band 2 (1733), S. 38 111 Fauchard, Band 2 (1733), S. 34 112 Fauchard, Band 2 (1733), S. 29 113 Fauchard, Band 2 (1733), S. 35 21 freigelegt werden können) und die Zersplitterung durch vorheriges Anfeilen zu verhindern. Fauchard zufolge sollten „wenn lose und wackelnde Zähne länger sind als die anderen“114, diese aus der Artikulation gefeilt werden, da sie sonst noch mehr von ihrer Stabilität verlieren würden. Vor dem Feilen wäre es aber ratsam diese Zähne mit einem gewachsten Faden an die festeren Nachbarzähne zu binden und sie während des Feilens zusätzlich mit den Fingern zu stabilisieren. Wenn aber der Abstand bis zum festen Nachbarzahn zu groß sei, nehme „man einen kleinen Keil von Holze oder Bley [...] und mit selbigem diesen Raum voll stopfen“115 zu können, um mehr Stabilität zu erreichen. Im Werk Fauchards finden sich zahlreiche Vorschläge, wie der Behandler „der Natur so viel möglich nachahmen“116 sollte, z.B. indem er an den bearbeiteten Zähnen „die Ecken an ihren Enden abfeile, daß sie ein wenig rund werden [...] und bekommen also eine dermassen natürliche Figur, dass es schwerlich zu erkennen ist, dass sie gefeilet“117 worden sind. Wiederholt greift Fauchard im fünften Kapitel des zweites Bandes das Thema Kariesbehandlung auf. Zur Kariesentfernung benutzt er Instrumente wie Pfiemen oder Zahnraspeln, und anschließend legt er ein Stückchen Baumwolle in die gereinigte Kavität, um „damit die Feuchtigkeiten [...] und [...] die losgemachte und abgeraspelte Materien“118 zu entfernen. Anschließend erfolgt die Füllung der Kavität mit Blei, vorrausgesetzt diese ist nicht zu flach, da die Füllung dann nicht genügend Retention hätte. „In solchem Falle muß man selbige raspeln oder feilen, und, wofern sie gar zu empfindlich sind, sie brennen oder cauterisiren.“119 Als Füllungsmaterial zieht Fauchard das Zinn und das Blei dem Gold vor, da diese sich “besser an die Ungleichheiten, welche in den cariösen Soligkeiten der Zähne sitzen, sich anhängen“120 und so ein weiteres Umsichgreifen der Karies verhindern. Da Blei die 114 Fauchard, Band 2 (1733), S. 47 115 Fauchard, Band 2 (1733), S. 48 116 Fauchard, Band 2 (1733), S. 49 117 Fauchard, Band 2 (1733), S. 49 118 Fauchard, Band 2 (1733), S. 62 119 Fauchard, Band 2 (1733), S. 63 120 Fauchard, Band 2 (1733), S. 66 22 Zähne schwarz verfärbt ist sein bevorzugtes Füllungsmaterial Zinn. Es ist immer wieder Fauchards Anliegen die Patienten vor Betrügern zu warnen. So sollten sich Patienten nicht von Behandlern täuschen lassen, die vorgeben ihnen die Zähne mit Gold zu füllen, dabei aber „Blätter von Zinn oder von Bley, die so gelb wie Gold gefärbet worden“121 sind, verwenden. Um den Betrug perfekt zu machen, würden sie auf die Füllungsoberfläche „ein Blatt von Golde auftragen“122 und sich die ganze Füllung als Goldfüllung bezahlen lassen. Fauchard benutzt drei Schichtstärken von zu Blättern geschlagenen Blei- bzw. Zinnplättchen. „Die erste sorte muß so dick wie ein Blatt Papier seyn, die andere ein wenig dünner, und endlich die dritte noch dünner als die anderen.“123 Je dicker die Plättchen umso länger würde die Füllung halten. So will er Zähne gesehen haben, „die zwanzig ja dreißig Jahre voll Bley geblieben sind und auf keinerley Weise Schaden genommen haben.“124 Den Ablauf beim Legen einer Füllung beschreibt Fauchard im sechsten Kapitel des zweiten Bands seines Werks wie folgt: Der Behandler hält das Bleiplättchen mit seinen Fingern in die Kavität hinein und stopft dieses mit einem geeigneten Instrument so fest wie möglich in die Kavität. Wenn der Zahn zu schmerzempfindlich ist, sollte der Behandler nur so fest stopfen, dass das Plättchen an Ort und Stelle bleibt und erst in zwei bis drei Tagen nochmals kondensieren, wenn der Zahn sich allmählich an den Druck gewöhnt hat. Wenn die Kavität vollständig gefüllt ist, sollten mit einem spitzen Stampfeisen viele kleine Löcher in das Blei gestochen und diese anschließend wieder mit einem stumpfen Stampfeisen kondensiert werden, um so das Blei auch in die kleinsten Ecken der Kavität zu verteilen. Die Füllungsoberfläche wird mit dem Stampfeisen geglättet, wobei darauf geachtet wird, dass keine Unebenheiten entstehen und, dass die Füllungsausdehnung der Kavitätengröße entspricht, diese also nicht überragt.125 Falls trotz Füllung die Zahnschmerzen nicht aufhören, sei der Behandler nach Fauchard „bisweilen gezwungen das Bley wieder herauszunehmen. [...] So gebrauchet man dazu 121 Fauchard, Band 2 (1733), S. 67 122 Fauchard, Band 2 (1733), S. 67 123 Fauchard, Band 2 (1733), S. 68 124 Fauchard, Band 2 (1733), S. 69 125 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 69-70 23 die kleinen Zahnraspeln.126 Sollte diese Maßnahme auch nicht zur Schmerzlinderung führen „so ist kein anderer Weg zu erwehlen, als dass man den Zahn ausziehet.“127 3.1.2.2 Endodontie Zu Fauchards Zeit waren die Möglichkeiten für die Durchführung einer zufriedenstellenden Wurzelkanalbehandlung nur sehr begrenzt gegeben. Dennoch scheute sich Fauchard nicht davor, sich auch mit diesem Thema zu befassen und als Pionier auf diesem Gebiet der Zahnmedizin zu arbeiten. Fauchard erkennt, dass, wenn ein Wurzelrest, den er z.B. mit einem Stift versorgen möchte, noch „Gefühl hätte, die Adern und Nerven möchten zu sehen seyn oder nicht: so könnte man vorher das Brenneisen in den Canal der Wurzel stecken, und damit diese Gefässe aufreiben“128, so dass dieser vollkommen empfindungslos wird und keine Unannehmlichkeiten mehr bereiten kann. Zum Kauterisieren benutzt er drei unterschiedlich gestaltete Brenneisen: das erste ist an seinen Enden krumm und spitz, das zweite ist gerade und sehr spitz und das dritte ist wiederum an seinen Enden krumm aber stumpf. Eine Art silberne Platte, die wie ein Löffel gestaltet wird, soll dazu dienen, die empfindlichen Weichteile in der Mundhöhle vor einer Verletzung mit dem Brenneisen zu schützen.129 Anschließend soll in den Kanal für einige Tage etwas Baumwolle eingelegt werden, die zuvor in Zimt- oder Nelkenessenz getränkt worden ist.130 3.1.3 Parodontologie Fauchard begreift, dass ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Zähne sowie des Zahnfleisches besteht und dass sie sich gegenseitig beeinflussen: „Die Verwandschafft des Zahnfleisches mit den Zähnen machet, dass die Krankheiten der 126 Fauchard, Band 2 (1733), S. 75 127 Fauchard, Band 2 (1733), S. 75 128 Fauchard, Band 2 (1733), S. 203-204 129 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 321 130 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 204 24 einen sich leicht auf das andere mit erstrecken.“131 So kommt es beispielsweise durch vermehrte Zahnsteinbildung dazu, „dass das Zahnfleisch verzehret wird“132, also zu Zahnfleischresorption und zu Zahnlockerung. Im sechzehnten Kapitel stellt er den Zahnstein als Hauptursache für die Entstehung von Zahnfleischerkrankungen dar, da durch diese „eine Zusammendrückung der Adern und Hinderniß in dem Laufe der Säffte entstehet“133 und es zu Zahnfleischschwellung, -blutung und Schmerzen führt. Durch die Schonung der schmerzenden Seite beim Kauen nehmen die Schmerzen sogar zu, da das Zahnfleisch durch die Speisen nicht zusammengedrückt und auf diesem Weg nicht ausgelehrt wird.134 Als weitere Ursache für die Entstehung von Zahnfleischentzündungen benennt Fauchard neben dem Zahnstein „Splitter oder eine Wurzel, welche man vergessen hat wegzunehmen“135 sowie kariöse Zähne. Um also Entzündungen erfolgreich zu behandeln, sei es unerlässlich diese zu entfernen.136 Als Folge der Nichtbehandlung von Auswachsungen schildert Fauchard die Verwandlung dieser in Geschwülste oder sogar in Krebs. Um dies zu verhindern, sei es wichtig den Zahnstein zu entfernen, überflüssiges Zahnfleisch mit einer Schere zu entfernen und die betroffene Region mit einer Tinktur zu behandeln.137 Nach einer Operation sollte der Behandler den Mund des Patienten mit warmem Wein ausspülen, auf die Wunde ein „Carpiebäuschlein, das in eine Mixtur von Wein und Honig getuncket worden“138 ist, legen und die Blutung mit Hilfe von Kompressen stoppen. Fauchard zählt einige unterschiedliche Zahnfleischerkrankungen wie z.B. Geschwülste, Geschwüre oder Fisteln auf und weist darauf hin, wie wichtig die richtige Behandlung dieser Krankheiten ist, da „eine jede von ihnen [...] zu anderen Krankheiten von verschiedenen Arten ausschlagen“139 kann. Im fünfzehnten Kapitel erweitert er seine Aufzählung um „die Schmerzen, welche von den Zähnen erreget werden, wenn selbige 131 Fauchard, Band 1 (1733), S. 13 132 Fauchard, Band 1 (1733), S. 154 133 Fauchard, Band 1 (1733), S. 203 134 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 204 135 Fauchard, Band 1 (1733), S. 218 136 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S.236 137 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 206-207 138 Fauchard, Band 1 (1733), S. 213 25 herauskommen“140 und um den Abszess. Abszesse sollen durch eine Inzision behandelt werden, damit der Eiter abfließen kann, und anschließend die Wunde einige Zeit offen lassen. Die Geschwüre am Zahnfleisch werden nach Fauchard „von dem Schlamme des Mundes, von dem verdorbenen Speichel, oder von einem Stosse oder Schlage, davon das Zahnfleisch zusammen getrieben oder gequetschet worden, verursacht“141. Darüber hinaus können Geschwüre am Zahnfleisch entstehen, „wenn die Adern, welche die Säffte, davon es angefeuchtet wird, dahinbringen, zugedrücket werden, oder eine Verstopfung an den Drüsen entstehet.“142 Wenn als Folgeerscheinungen z. B Fieber, heftige Schmerzen, Schlaflosigkeit oder sogar Bewusstlosigkeit auftreten sollten, scheut Fauchard sich nicht davor, sich „bey Medicis und Chirurgis, die in dieser Art Krankheiten die grösseste Erfahrung erlanget haben,“143 beraten zu lassen. Falls keine Folgeerscheinungen auftreten, rät er zur Behandlung der Geschwüre eine Mixtur auf die betroffene Stelle aufzutragen, die nach einer von ihm beschriebenen Rezeptur hergestellt worden ist.144 Als Fistel definiert Fauchard die „Folgen von einem Geschwüre, oder von einer Auswachsung, von einer Geschwulst, oder von einem Abscesse, den man nicht geachtet“145 oder nicht richtig behandelt hat. Falls die Ursache für die Entstehung der Fistel ein kariöser Zahn ist, sei es notwendig diesen zu entfernen. Sofern Karies nicht die Ursache für die Entstehung darstellt, reiche es die Öffnung der Fistel zu erweitern und diese mit einem Infernalstein auszustreichen.146 Die Aufgabe des Zahnfleisches besteht nach Fauchard darin, „daß es die Zähne fester und standhaffter in den Kinnbacken machet“147. Außerdem trägt das Zahnfleisch, wenn es gesund ist, seiner Ansicht nach zu einer Verschönerung des Gesichtsausdrucks bei, da es einen Kontrast zu den Zähnen bildet. 139 Fauchard, Band 1 (1733), S. 122 140 Fauchard, Band 1 (1733), S. 197 141 Fauchard, Band 1 (1733), S.238-239 142 Fauchard, Band 1 (1733), S.237 143 Fauchard, Band 1 (1733), S.239 144 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S.240 145 Fauchard, Band 1 (1733), S.242 146 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 243 26 3.1.4 Zahnärztliche Chirurgie 3.1.4.1 Extraktion Da die konservierende Zahnheilkunde zu Fauchards Zeiten noch in den Kinderschuhen steckte, sind viel mehr Zähne der Zange zum Opfer gefallen als heute. (Anmerkung: Zu einem der wichtigsten diagnostischen Hilfsmittel, vor allem auch im Bereich der konservierenden Zahnheilkunde, zählt zu unserer Zeit das Röntgen, das allerdings Fauchard noch nicht zur Verfügung stand, da die Entdeckung der „X-Strahlen“ erst Wilhelm Conrad Röntgen im Jahr 1895 gelang.) Damit ist zu erklären, warum sich Fauchard in seinem Werk intensiv mit dem Thema Extraktion auseinandersetzt und es ein großes Anliegen von ihm war, Verbesserungen an den Instrumenten, die auf diesem Gebiet der Zahnheilkunde nötig sind, zu erzielen. Fauchards größtes Anliegen ist es, so viele Zähne wie möglich zu erhalten und das macht er deutlich, indem er schreibt: „Ich gehe immer ungern daran, dass ich Zähne ausziehe, nicht zwar wegen der Hefftigkeit der Operation, als welche niemals so groß ist wie die Schmerzen an denselben; noch wegen der schlimmen Folgen, so daraus entstehen können: sondern deswegen stehe ich an, suche Ausflucht, und schiebe sie auszuziehen, weil ich so grosse Stücke auf sie halte, und ihr Gebrauch von solcher Wichtigkeit ist.“148 Fauchard benennt im zwölften Kapitel vier Gründe, die dazu führen, dass Zähne entfernt werden müssen: 1. heftige Schmerzen, die anders nicht zu behandeln sind 2. Verhinderung des Übergreifens der Karies auf die Nachbarzähne 3. wenn ein Zahn übel riecht, verursacht durch Karies oder durch den Schlamm, aus dem später Zahnstein erzeugt wird, welcher dadurch entsteht, dass schmerzempfindliche Zähne auf einer Seite nicht mehr zum Kauen gebraucht werden 4. wenn durch den Zahnstein verursachte Krankheiten nicht anders behandelbar sind.149 Fauchard zählt im zweiundzwanzigsten Kapitel als weitere Gründe für die Extraktion der Zähne z.B. frakturierte Zähne auf, wenn durch die Fraktur „viel von der Substanz 147 Fauchard, Band 1 (1733), S. 196 148 Fauchard, Band 2 (1733), S. 187-188 27 verloren“150 gegangen ist – selbst dann, wenn der Zahn nicht kariös ist. Zur Extraktion rät er auch bei einem retinierten Weisheitszahn, der im höheren Erwachsenenalter versucht durchzubrechen aber “in einer Kinnlade stecket und eingeschlossen ist, deren Soligkeit weder groß genug ist, noch Wände hat, die biegsam genug wären, dass sie dem Zahne verstatten könten, indem er wächst, sich weiter auszubreiten.“151 Nach der Extraktion sei es sehr wichtig, „dass man die Theile brav zusammendrücket und so nahe, als man kann, an einander bringet,“152 um Komplikationen wie Blutung, Schmerzen sowie Abszessbildung möglichst zu vermeiden. Bei starker und anhaltender Blutung soll der Behandler auf die Extraktionswunde eine „ovalrunde bleyerne Platte“153 legen und diese mit dem Gegenkiefer fixieren. Bei leichterer Blutung würde kauterisieren helfen. Fauchard widerspricht der bis dahin gültigen Meinung, dass die Zahnextraktion bei schwangeren Frauen „die Milch verderben, dieselbe davon sich verlieren, und andere schlimme Zufälle dadurch erreget werden können.“154 Er rät gleichzeitig dazu die Operation zu verschieben, wenn die schwangere Patientin durch gutes Zureden nicht zu beruhigen ist und wenn die Angst ihr nicht genommen werden kann, da es „nicht nöthig ist obgebachte Unfälle zu besorgen.“155 Fauchard betont, dass der Behandler die Angst der Patienten nicht nur durch gutes Zureden zu mindern in der Lage ist, sondern auch dadurch, dass er “die Instrumente, mit welchen” er „in seinem Munde operieren will, vor seinen Augen verbirget.“156 Fauchard widmet das zehnte Kapitel des zweiten Bandes seines Werkes der „Beschreibung und [dem] Gebrauch der Instrumenten, die zu der Operation dienen, da man die Zähne ausziehet.“157 Er zählt fünf Instrumente auf, die er für die 149 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 176 150 Fauchard, Band 1 (1733), S. 265 151 Fauchard, Band 1 (1733), S. 273 152 Fauchard, Band 1 (1733), S. 264 153 Fauchard, Band 1 (1733), S. 281 154 Fauchard, Band 1 (1733), S. 179 155 Fauchard, Band 1 (1733), S. 181 156 Fauchard, Band 1 (1733), S. 181 157 Fauchard, Band 2 (1733), S. 121 28 Zahnextraktion benutzt: das Löseeisen, das Stoßeisen, die Zange, den Hebel und den Pelican. Das Löseeisen (am besten zweischneidig) diente dazu, das Zahnfleisch von dem Zahn bzw. von seiner Wurzel zu lösen, damit diese nicht verletzt oder gequetscht wurde und so zu einer Wundheilungsstörung führen konnte. Dieses Instrument eignete sich nach Fauchard auch sehr gut, um Abszesse oder Geschwülste zu eröffnen.158 In der Gestalt ähnelte das Löseeisen einem gebogenen Skalpell. „Das Stoßeisen dienet die Zähne, die Wurzeln derselben, oder ihre Stümpfe wegzunehmen, so dass man damit von aussen nach innen stösset.“159 Um Zähne oder Stümpfe von innen nach außen herauszuziehen, sei der gekrümmte Haken am besten geeignet.160 Fauchard zählt für unterschiedliche Zahngruppen verschieden gestaltete Zangen auf z.B.: für die Schneide- und Eckzähne die gerade Zange, für Wurzelreste Zangen, die wie ein Kranichschnabel oder Rabenschnabel gestaltet sind, sowie die Papagaienzange für die Extraktion der Molaren und Prämolaren. Es sei wichtig, dass die dem Zahn anliegende Fläche der Zange geriffelt ist, damit diese nicht vom Zahn abrutschen kann.161 Der Hebel sei ein Instrument, das eher dazu zu gebrauchen sei, Zähne zu zerbrechen, als diese zu extrahieren. Fauchard erwähnt, dass er den Hebel nur benutzen würde, um „wackelnde oder nicht eben fest sitzende Zähne damit auszuziehen.“162 Fauchard benutzte den Pelican, um „die Zähne oder Stümpfe nach aussen zu heraus zu ziehen.“163 Der Pelican scheint zu Fauchards am häufigsten benutzten und damit am besten zu beurteilenden Instrumenten zu gehören, denn im elften und zwölften Kapitel des zweiten Bandes seines Werkes beschäftigt er sich ausführlich mit der Beschreibung eines von ihm neu entwickelten Pelicans und gleichzeitig mit der Aufzählung der 158 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 121-123 159 Fauchard, Band 2 (1733), S. 123 160 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 325 161 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 135-137 162 Fauchard, Band 2 (1733), S. 141 163 Fauchard, Band 2 (1733), S. 142 29 Mängel der Pelicane, die bis dahin im Gebrauch waren. Z.B. bringt er Fugen an den Pelican an, die dazu führen, dass dessen Arme mehr Festigkeit erhalten. Bis dahin war es üblich, Leinwand um den Arm des Pelicans zu binden, damit dieser fester an den Zahnkörper anliegt, was seine Aufgabe nicht immer sicher erfüllte, so dass ein sicheres Operieren nicht möglich war.164 Er krümmt auch die bis dahin geraden Arme des Pelicans, was die Extraktion der Zähne erleichterte, da diese „dadurch horizontal und fast vertical, zugleich aber auch von innen nach aussen zu herausgezogen“ wurden „ohne dass man zugleich Gefahr läuft die Zähne, so an der Seite sitzen, mit anzugreifen“165 und gleichzeitig konnte auch die Lippe des Patienten besser geschont werden. Er entwickelt zwei unterschiedlich gekrümmte Pelicane: der eine ist für den ersten und vierten, der andere für den zweiten und dritten Quadranten166 und rät dazu, als Operateur beide Varianten zu besitzen. Abbildung 5: Gepolsterter Pelican nach Pierre Fauchard167 Fauchard zufolge basiert eine erfolgreiche Behandlung in erster Linie auf der Geschicklichkeit des Operateurs „denn wo dieses nicht ist, so mag ein Pelican noch so vollkommen seyn, so ist er doch das gefährlichste von allen Instrumenten, die zum Zahn-Ausziehen gebrauchet werden.“168 Fauchard ist davon überzeugt, dass er durch seine Verbesserungen an dem Pelican, diesem Instrument die Vollkommenheit verliehen hat, die nötig war, um auch die Zähne und Wurzel entfernen zu können, was mit der alten Version nicht möglich war, immer vorausgesetzt, dass der Behandler was von seinen Handwerk versteht.169 164 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 155 165 Fauchard, Band 2 (1733), S. 159 166 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 160 167 http://image.absoluteastronomy.com/images/topicimages/p/pi/pierre_fauchard.gif 168 Fauchard, Band 2 (1733), S. 163 169 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 163 30 Fauchard zählt eine Reihe von Komplikationen und deren jeweiligen Behandlungsmöglichkeiten auf, die bei einer Zahnextraktion auftreten können. Es sei z.B. eine Luxation des Unterkiefers zu vermeiden, indem der Operateur es unterlässt den Mund des Patienten zu weit zu öffnen. Sollte es durch die Extraktion zu einer Kieferfraktur, ohne Absplitterung von einzelnen Fragmenten kommen so sei es ausreichend das Zahnfleisch mit dem Daumen und Zeigefinger zusammenzudrücken. Sobald es zu Absplitterungen kommt sei es unerlässlich, diese zu entfernen, wenn diese ganz lose sind, da sie nicht wieder anwachsen könnten und sie nur eine mögliche Ursache für Komplikationen darstellen. Sollten sie noch irgendwo fest hängen, sollte eine Reposition versucht werden. Anschließend sollte eine Kompression durch Fingerdruck erfolgen.170 Fauchard schildert, dass auch eine ungünstige Wurzelanatomie oder auch eine Verknöcherung der Wurzel, trotz geeigneter Instrumente und einem geschickten Operateur zu Misserfolgen bei der Zahnextraktion führen können.171 Fauchard wird nicht müde, seine Leser zum wiederholten Male vor Betrügern zu warnen. Er beschreibt ausführlich deren gängige Praxis, Patienten eine Zahnextraktion vorzutäuschen. “Der kunstreiche Operatör, welcher in seiner Hand einen schon herausgenommenen Zahn hat, um welchen eine sehr feine Haut, so voll Blut von Hühnern oder einem anderen Thiere, gebunden ist, stecket seine Hand dem verstelleten Patienten in den Mund, und lässet den verborgen gehaltenen Zahn darinnen zurück. Hernach so darf er nur den Zahn mit einem Pulver, einem Strohhalme, oder mit der Spitze seines Degens anrühre oder so thun, als wenn er ihn anrührete“172, so dass auf diesem Wege eine schmerzfreie Extraktion vorgetäuscht wird. Wenn aber ein Patient einen bestimmten Zahn entfernt haben möchte, würde der Betrüger eine Ausrede erfinden, um die Extraktion nicht vornehmen zu müssen. Es ist auch Fauchards Anliegen, den Patienten die Angst vor der Extraktion der Eckzähne zu nehmen, da sie seiner Beobachtung nach zu nicht mehr Komplikationen 170 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 164-167 171 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 168 172 Fauchard, Band 2 (1733), S. 174 31 führen würden, als die Extraktion jedes anderen beliebigen Zahnes obwohl „glaubwürdige Practici und Scribenten [...] eben das angemercket“173 hätten. 3.1.4.2 Implantologie Warum sich ein frisch extrahierter Zahn wieder in seine ursprüngliche Alveole reimplantieren lässt, erklärt Fauchard mit der Beschaffenheit des Zahnfleisches und der Alveole sowie mit dem Einfluss der Nahrung. „Ein Zahn, der in seine vorige Kinnlade wieder eingesetzt wird, wird darinnen wieder fest durch die Elastizität und Biegsamkeit der Kinnlade selbst und des Zahnfleisches, oder besser zu sagen durch das Anstossen und Zusammendrücken, das von dem Einflusse des Nahrungsafftes veranlasset wird.“174 Fauchard benennt im neunundzwanzigsten Kapitel eine Reihe von Fällen, in denen er Zähne, die er kurz vorher extrahierte um diese z.B. von Karies zu befreien, wieder erfolgreich reimplantierte. Der Erfolg dieser Maßnahme sei nur „mit dem Bedinge dass dieser Zahn ausgezogen werden könnte ohne zu zerbrechen, ohne etliche Stücke von der Kinnlade zu zerscheitern, und ohne viel an dem Zahnfleische zu zerreissen“175 zu erreichen. Für die nötige Stabilisation sorgt er, indem er den reimplantierten Zahn für mehrere Tage an seine Nachbarzähne „mit einem gemeinschafftlichen Drathe“176 befestigte. „Hingegen wo viele Zähne aus ihren Kinnladen heraus getreten sind so machet man sie mit [...] Platten fest, und siehet dafür zu, dass sie das Zahnfleisch nicht berühren.“177 Fauchard behauptet, einen reimplantierten Zahn, den er einer Patientin zuvor fälschlicherweise vollständig extrahiert hatte, nach einem Jahr begutachtet und festgestellt zu haben, dass „dieser Zahn eben so fest und eben so empfindlich, als wenn er niemals ausgezogen gewesen wäre“,178 war. 173 Fauchard, Band 2 (1733), S. 176 174 Fauchard, Band 1 (1733), S. 38 175 Fauchard, Band 1 (1733), S. 348 176 Fauchard, Band 1 (1733), S. 349 177 Fauchard, Band 2 (1733), S. 108 178 Fauchard, Band 1 (1733), S. 353-354 32 Fauchard stellt fest, „dass es möglich sey die Zähne an ihre Stelle glücklich wieder einzusetzen, ja auch sie aus einem Munde in den andern zu versetzen“. Es gäbe aber keine Erfolgsgarantie, „denn man findet dergleichen Zähne, die nicht lange währen.“179 Wenn aus einem in den anderen Mund Zähne versetzt werden sollen, „muß jederzeit ein vollkommen gesunder Zahn vorgezogen werden.“180 Da er diese Art von Operation schon sehr oft mit Erfolg durchgeführt hat, wundert sich Fauchard, „dass es noch heutiges Tages Scribenten und practicos gibt, welche selbige für unmöglich ausgeben.“181 Fauchard zählt einige Rahmenbedingungen auf, die gegeben sein müssen, damit eine erfolgreiche Reimplantation möglich ist: „die Person, bey welcher diese Operation geschicht, sich bei guter Gesundheit befinden müsse; dass die Kinnlade und das Zahnfleisch, in welche man einen Zahn wieder einsetzen will, keine gar zu grosse Zerreissung erlitten haben müssen; und dass der Zahn und die Kinnlade, welche ihn fassen soll, eine Proportion (Verhältniß) unter einander haben müssen.“182 Aus Gründen der Ästhetik wären die häufigsten Zähne, die für eine Reimplantation in Frage kommen, die Schneide- und Eckzähne, sowie die Prämolaren. Wenn ein Zahn aus dem einen in den anderen Mund versetzt werden soll, sei es nach Fauchard wichtig, zuerst den zu versetzenden Zahn zu extrahieren. Zum einen, weil dieser bei der Extraktion zerbrechen könnte oder aus einem anderen Grund für nicht mehr geeignet gefunden werden könnte, so dass ein anderer Zahn für die Versetzung gefunden werden muss. Zum anderen könne es nach der Extraktion in der Alveole zur Blutgerinnung kommen, was dazu führen würde, dass der neu eingesetzte Zahn nicht mehr so leicht einwachsen könnte.183 Der versetzte Zahn soll für „zwölf bis vierzehn Tage über fest mit einem Faden“184 fixiert werden. Fauchard beschreibt, dass er nur selten Menschenzähne dafür nimmt, denn "die mehresten Menschen haben ein Grauen für Zähne, die aus einem Leichname gewonnen wurden". 179 Fauchard, Band 1 (1733), S. 363 180 Fauchard, Band 2 (1733), S. 177 181 Fauchard, Band 2 (1733), S. 179 182 Fauchard, Band 2 (1733), S. 180 183 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 181 184 Fauchard, Band 2 (1733), S. 182 33 Fauchard weist auf die selten vorkommende Möglichkeit einer nicht stillbaren Blutung nach einer Extraktion hin, wenn z.B. der ausgezogene Zahn sehr groß ist, dieser weit abstehende Wurzeln aufweist oder wenn die Wurzel verknöchert ist. Es sei schon vorgekommen, dass Patienten nach einer Zahnextraktion so viel Blut verloren haben, dass sie gestorben sind. Um mögliche Blutungen stillen zu können, sei es wichtig, die Mittel zu kennen um dies auch zu erreichen. Er schlägt die Anwendung von zusammenziehenden oder ätzenden Arzneien, sowie das Brenneisen vor. Vor allem sei es aber wichtig, dass eine ausreichend lange und feste Kompression der Wunde, die dem Blutdruck entgegenwirkt, erfolgt, ohne die eine vollkommene Blutstillung nicht möglich sei.185 Fauchard wird nicht müde, immer wieder auf das betrügerische Vorgehen manch seiner Kollegen hinzuweisen. So auch im Kapitel neun des zweiten Bandes, wo er das „Ansehen der Ehre unserer Proffesion“ dadurch zu schützen versucht, dass er „die Richtigkeit solcher Betriegereyen und der Irrtümer, welche daraus entstehen,186 darlegt. Er warnt davor zu glauben, dass allein mit Hilfe von Tropfen oder Zahnbalsamen „die Zähne davon wieder fest werden“ denn meistens „ohne Beyhilfe der Hände damit nicht zu stande kommen kan.“187 „Wenn die Zähne dermassen wackeln, dass sie bald selbsten ausfallen oder leicht herausgenommen werden können; die Soligkeit ihrer Kinnladen aber hat von seiner Tiefe nichts verloren“, so sei es nach Fauchard möglich, diese Zähne zu extrahieren, „über dem Zahnfleische“188 ein durchgehendes Loch zu bohren durch das ein Golddraht gezogen wird, um anschließend den Zahn in seine Alveole zu reimplantieren. Es sei ratsam „rings um den Zahn herum einen Streifen, [...] darein der Golddraht geleget werden kann“189 anzulegen, wobei sich dieser bei den Unterkieferzähnen über und bei den Oberkieferzähnen unter dem Durchbohrungsloch befinden sollte. „Wenn aber die Soligkeit der Kinnlade etwas von ihrer Tiefe verloren hat, und der Zahn länger ist als er seyn soll: so muß man den Zahn an seiner Wurzel kürzer machen, 185 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 185-186 186 Fauchard, Band 2 (1733), S. 110 187 Fauchard, Band 2 (1733), S. 110 188 Fauchard, Band 2 (1733), S. 115 189 Fauchard, Band 2 (1733), S. 115 34 indem man ihn abfeilet oder absäget“190, wobei aber unvermeidlich das Pulpencavum eröffnet wird, was vor der Reimplantation mit Blei zu füllen sei. Wiederholt greift Fauchard seine Vorgänger an, die anstatt sich selber über neue Behandlungsmethoden Gedanken zu machen, lieber denen folgen, die schon berühmte Zahnärzte vor ihnen niederschrieben, ohne die Richtigkeit dieser Methoden in Frage zu stellen. So sei es dazu gekommen, dass vielen Patienten ihre gelockerten Zähne unnötigerweise gezogen wurden, obwohl sie nach Fauchards Verfahren hätten für lange Zeit erhalten werden können.191 Fauchard versteht sich als Erfinder dieser Verfahren, denn er schreibt: „weil, so viel ich weiß, noch niemand vor mir die Manier die natürlichen Zähne, so wie ich anweise, wieder fest zu machen, noch dieselben wieder einzusetzen, wenn sie ausgezogen sind, in Uebung gebracht hat.“192 3.1.5 Prothetik Fauchard spricht sich dafür aus, gebrochene Zähne oder Zahnteile wenn möglich zu belassen, denn „diese Trümmer helfen bisweilen zur Ersetzung der Mängel, welche der Bruch hinterlässet, und durch die Kunst so geschicklich ersetzet werden, dass man leicht damit betrogen werden, und ihre Verrichtungen mit den natürlichen selbst verwechseln kann.“193 Es wird deutlich, dass ihm nicht nur die reibungslose Funktion eines Zahnersatzes am Herzen liegt, sondern die Ästhetik auch eine wichtige Rolle spielt. Fauchard befasst sich im dreizehnten Kapitel des zweiten Bandes seines Werkes mit „den Zähnen, die durch die Kunst gebildet werden, dass sie für andere, so fehlen, in die Stelle gesetzt werden sollen.“194 Er verweist darauf hin, dass die Ersatzzähne in Länge, Dicke und Breite dem natürlichen Zahn, den sie ersetzen, entsprechen sollten. Gleichzeitig sei es wichtig, dass die Ersatzzähne auf dem Kieferkamm aufliegen.195 190 Fauchard, Band 2 (1733), S. 117 191 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 120 192 Fauchard, Band 2 (1733), S. 120-121 193 Fauchard, Band 1 (1733), S. 111 194 Fauchard, Band 2 (1733), S. 189 195 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 190 35 Als Material für die Ersatzzähne zählt Fauchard Menschenzähne, Walross-, Ochsen-, Pferde- sowie Mauleselzähne, aber auch Beinknochen vom Ochsen und das Innerste vom Elfenbein auf. Er zieht Menschen- und Walrosszähne allen anderen vor, da sie einen härteren Zahnschmelz aufweisen und dadurch widerstandsfähiger gegen äußere Einflüsse sind, so dass sie folglich länger erhalten bleiben und sie auch ihre Farbe länger erhalten.196 Sollte ein Menschenzahn als Ersatzzahn gebraucht werden, so sollte dieser in Form und Farbe zu den Nachbarzähnen passen. Vor dem Einsetzen sei es erforderlich, den überflüssigen Wurzelanteil zu entfernen, und das Pulpencavum mit Blei zu füllen. Sollten die Menschen- oder Tierzähne im Verhältnis zu dem gegebenen Platzangebot zu groß sein, so sei es erforderlich, diese mit Hilfe von Feilen oder einer Schleifmühle auf die gewünschte Größe und Form zu bringen.197 Falls die Lücke, in die der Ersatzzahn hineingesetzt werden soll, zu groß sei (z. B. durch Zahnwanderung oder durch Kariesbefall der Nachbarzähne verursacht), so sei es nach Fauchard erforderlich, dass der Fuß des künstlichen Zahnes diesen Zwischenraum ausfüllt. Der Zahn sollte zur Kaufläche hin aber schmaler werden, um so mehr Ähnlichkeit mit dem natürlichen Zahn zu haben und die Symmetrie nicht zu stören.198 Um einen Ersatzzahn im Zahnbogen zu befestigen, durchbohrt Fauchard diesen an seiner Basis, sticht einen Golddraht oder Seidenfaden hindurch, mit Hilfe dessen er den Zahn an den beiden natürlichen Nachbarzähnen befestigt. Sollen mehrere Zähne ersetzt werden, so wird durch diese, nachdem die Zähne angepasst und sie an ihrer Basis mit Löchern versehen wurden, ein mittelstarker Gold- oder Silberdraht gesteckt. Dieser wird an den Enden vernietet und anschließend werden die Zähne an den Nachbarzähnen befestigt.199 Sobald mehrere Zähne (fünf bis sechs) nebeneinander ersetzt werden sollen, so rät Fauchard diese untereinander mit Hilfe einer Gold- oder Silberspange von lingual bzw. palatinal zu befestigen. Die Spange wird hierzu in eine vorgefertigte Kerbe am Zahnfleischrand eingelassen und mit Hilfe von Goldstiften, die aus der Spange in die 196 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 190 197 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 191 198 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 192 199 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 192-195 36 künstlichen Zähne ragen und vernietet werden, an diesen stabilisiert. Die Befestigung des so hergestellten Ersatzes in die Zahnreihe, erfolgt wie oben geschildert. 200 Abbildung 6201: “Zahnersatz, durch Seidenfäden fixiert, und Stiftzähne, beides aus menschlichen Zähnen. Da es noch keinen Zement gab, wurde der Stift mit quellenden Fäden umwickelt.“202 Fauchard beschäftigt sich in seinem Werk unter anderem auch mit der Gestaltung des Stiftzahnes, damals „Zapfenzahn“ genannt, um einzelne Ersatzzähne dauerhaft im Zahnbogen zu befestigen. Hierzu seien Wurzelreste geeignet, die noch feste Wände haben und lang genug sind. Somit kommen Prämolaren und Molaren hierfür nicht in Frage, da sie mehrere Wurzeln haben, die möglicherweise nicht lang genug sind und eine zu starke Krümmung aufweisen. Oberkieferschneidezähne seien als Stiftzahn besser geeignet als die unteren Schneidezähne, da deren Wurzelkanal weiter ist und sie deswegen einfacher zu bearbeiten sind.203 Das Vorgehen bei der Gestaltung eines Stiftzahnes beschreibt Fauchard wie folgt: als Vorbehandlung soll der Wurzelrest vollständig von Karies befreit werden und seine Kanäle unter Zuhilfenahme eines Eisenbohrers erweitert werden. Bei dem Gebrauch des Eisenbohrers warnt Fauchard vor einer Instrumentenfraktur im Kanal und vor einer Überinstrumentierung über die Wurzelspitze hinaus, denn dies könnte zu Schmerzen oder sogar zu einer Abszessbildung führen, so dass eine Extraktion des Wurzelrestes 200 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 196-197 201 http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/91/Diagramme_de_Pierre_Fauchard_sur_la _restauration_des_dents.jpg /395px-Diagramme_de_Pierre_Fauchard_sur_la_restauration_des_dents.jpg 202 Hoffmann-Axthelm (1984), S 1145 203 Fauchard, Band 2 (1733), S. 206 37 unausweichlich wird. Der Wurzelkanal soll anschließend mit Blei gefüllt werden. Es wird nun ein aus Gold oder Silber hergestellter und angerauter Zapfen erhitzt (damit der Kitt, der nach Fauchards Rezeptur hergestellt und in den Wurzelkanal eingefüllt worden ist, schmilzt) und in den Wurzelkanal gedrückt. Als Letztes wird der Ersatzzahn mit einer geraden Zange auf den aus der Wurzel herausragenden Teil des Stiftes gedreht, und so befestigt.204 Fauchard propagiert, dass wenn ein Wurzelkanal nicht tief genug sei oder der Stift nicht lang genug gestaltet werden könnte, eine zusätzliche Befestigung des Stiftzahnes, mit Hilfe eines Golddrahtes an den Nachbarzähnen, nicht ausbleiben sollte.205 Er bekräftigt, dass „die Zähne und Kunststücke, die mit Zapfen oder Golddrähthern befestiget werden, sitzen fester als alle andere; sie bleiben bisweilen fünfzehn bis zwanzig, ja noch mehrere Jahre sitzen, ohne verrücket zu werden. Hingegen gemeine Zwischenfäden und Seidenfäden [...] sind von kurzer Dauer.“206 Fauchard demonstriert das Vorgehen bei der Herstellung eines Gebisses, wenn nur noch Zahnwurzeln im Kiefer vorhanden sind, die als Träger für Stiftzähne in Frage kommen. Für die Markierung der Löcher am Ersatzstück, durch die später die Stiftzähne gesetzt werden sollen, schlägt Fauchard vor, in die Wurzel zuvor in Tinte getränkte Federn zu stecken. Anschließend wird das Ersatzstück angepasst und so die Stellen markiert, an denen die Bohrung für die Stiftzähne erfolgen soll. Nachdem die Bohrung der Löcher erfolgt ist, könnten die Stifte durch den Ersatz in die Zahnwurzel gesteckt werden, wodurch der Ersatz seine Stabilität erhält.207 Fauchard widmet das fünfzehnte Kapitel des zweiten Bandes seines Werkes der Beschreibung der Instrumente, welche er benutzt, um künstliche Zähne herzustellen und zu befestigen und so verloren gegangene Zähne zu ersetzen. Als hierzu nötige Hilfsmittel zählt er folgende Instrumente auf: den Zirkel, den Schraubstock, die Säge, das platte oder halbrunde Reibeisen, vier unterschiedliche Feilen (platt, wie ein Reifen gekrümmt und rund, halbrund sowie gerade rund), die Picke (mit zwei großen platten 204 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 199-203 205 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 204-205 206 Fauchard, Band 2 (1733), S. 206 207 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 224-226 38 Flächen, oval oder wie eine Harke gestaltet) und den Zwickbohrer samt seinem Bügel.208 Fauchard erachtet es als wichtig, seinen Patienten auch einen Ersatz für den zahnlosen Kiefer zu ermöglichen. Besonders wichtig sei der Ersatz der Unterkieferzähne, „denn wenn die Zähne an dieser Kinnbacke fehlen, so leidet die Aussprache der Worte am meisten darunter, imgleichen geschicht sodann das Käuen sehr unvollkommen; [...] Die Backen und Lippen fallen, wenn die Zähne fehlen, ein und verstecken sich gleichsam in den Mund.“209 Er behauptet, wenn der Ersatz im Unterkiefer richtig gestaltet sei, so würden die künstlichen Zähne von der Lippe und der Zunge so stabilisiert werden, dass „es sich nicht verrücket, und das Käuen frey damit verrichtet werden kann, auch fast gar nicht von dem Käuen unterschieden ist, das mit natürlichen Zähnen geschicht.“210 Vom Vorteil sei es, wenn im Oberkiefer noch natürliche Zähne vorhanden seien und auch, wenn der Patient es schon von früher gewöhnt ist, künstliche Zähne zu tragen.211 Eine größere Schwierigkeit stellt nach Fauchard, die Herstellung des Oberkieferzahnersatzes dar. Dies sei vor allem dann problematisch, wenn im Unterkiefer keine natürlichen oder Ersatzzähne vorhanden sind, „damit das an den oberen Kinnbacken gelegte Stück davon gehalten und daran fest gemachet werden könne.“212 Um dieses Problem zu lösen, sah sich Fauchard gezwungen, eine neue Konstruktion (er nennt dies eine Maschine) zu erfinden. Sie besteht aus einem Gerüst aus Gold oder Silber für den noch bezahnten Unterkiefer, das an den Zähnen des Oberkiefers an- und durch Querbalken auflag. An den Enden dieses Gerüsts werden Federn aus Stahl befestigt, die in die Fugen des Oberkieferstückes eingreifen, so dass dieser gegen den Oberkiefer gedrückt und so stabilisiert wird.213 Fauchard ist davon überzeugt, seine „Maschine“ sei „tüchtig und geschickt das Käuen zu verrichten, den Mund zu zieren, und die Stimme vernehmlich zu machen.“214 Der Ersatz sei leicht, auch vom Patienten selbst, in den Mund einzuführen, indem vor dem Einsetzen der obere und der untere Teil durch Fingerdruck aneinander angenähert werden und so gehalten der 208 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 209-214 209 Fauchard, Band 2 (1733), S. 228 210 Fauchard, Band 2 (1733), S. 229 211 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 229 212 Fauchard, Band 2 (1733), S. 229 213 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 230-234 214 Fauchard, Band 2 (1733), S. 236 39 Ersatz eingesetzt wird. Das Herausnehmen sei auch einfach aber nur nötig, wenn die Feder erneuerungsbedürftig sei, was aber nur dann der Fall sei, wenn die Feder nicht gut verarbeitet worden wäre.215 Fauchard ist von seiner Konstruktion sehr überzeugt und das macht er deutlich, indem er schreibt: “Gegenwärtige Maschine aber hat nicht nur die guten Eigenschafften der anderen an sich, welche vormals erfunden worden sind, dabey sie doch der Unbequemlichkeiten derselben nicht theilhafftig ist; sondern sie hat noch viele andere Vortheile an sich, welche sie über jene erheben, und sie hundertmal bequemer machen als jene.“216 Er geht sogar soweit zu behaupten, dass seine Patienten sogar „des Verlustes ihrer natürlichen Zähne vergessen, wenn sie sich erst zu solchem Kunststücke gewöhnet haben.“217 Fauchard beschreibt die bis dahin gängige Methode, um Oberkieferzähne zu ersetzen. Hierzu wurden an den oberen Kunstzähnen Federn „von Fischbeine“218 („aus WalfischBarten gewonnenes hornartiges Material“219) befestigt und diese dann mit Hilfe eines Fadens an den unteren natürlichen Zähnen befestigt. Dieses Vorgehen hatte nach Fauchards Ansicht – im Gegensatz zu seiner Erfindung – nur wenig Nutzen.220 Sobald beide Kiefer zahnlos sind, ist nach Fauchard ein Ersatz erforderlich, der aus zwei Ersatzstücken besteht, die jeweils mit künstlichen Zähnen besetzt sind und die an ihren Enden durch Federn miteinander verbunden sind, die durch gewachste Seidenfäden befestigt werden. Bei der Gestaltung der Basis der Ersatzstücke soll auf die sorgfältige Gestaltung geachtet werden, wobei die Erhebungen und Vertiefungen des Zahnfleisches berücksichtigt werden sollen um damit zu mehr Stabilität des Ersatzes beizutragen.221 Genauso wie bei anderen Prothesen, z.B. Arm-, Bein- oder einer Augenprothese sei eine gewisse Eingewöhnungszeit nötig, bis die Zahnprothese beschwerdefrei benutzt werden kann. Fauchard ist davon überzeugt, „dass gedachte Kunststücke uns mit der Zeit gleichsam natürlich werden, [...] wo sonst nicht dieses 215 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 236-238 216 Fauchard, Band 2 (1733), S. 238 217 Fauchard, Band 2 (1733), S. 239 218 Fauchard, Band 2 (1733), S. 238 219 Bertelsmann Volkslexikon 220 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 238-239 221 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 241-242 40 Ungemach von der Ungeschicklichkeit und dem Versehen des Künstlers herrühret, dass derselbe die oftgemeldeten Stücke nicht recht machet.“222 Abbildung 7: Totaler Zahnersatz, der seinen Halt durch Federbänder fand223 Fauchard bekräftigt, dass seine Konstruktion im Gegensatz zu den vorher gebräuchlichen, zu keiner Geruchsentwicklung führen würde. Dies sei darauf zurückzuführen, dass seine Federn weniger Umwindungen aufweisen würden sowie darauf, dass die von ihm entwickelte Prothese die natürlichen Mundbewegungen mitmachen würde, so dass sich an ihnen Speisereste, durch deren Gärung es zu einer Mundgeruchentwicklung kommt, weniger leicht anheften könnten.224 Es ist immer wieder Fauchards Anliegen, die Natur so genau wie möglich nachzuahmen, so auch bei der Herstellung des künstlichen Zahnschmelzes. Da die für ihn zur Verfügung stehenden Materialien nicht geeignet sind, um zu einem zufriedenstellenden Ergebnis bezüglich Farbe und Glanz des künstlichen Zahnschmelzes zu gelangen, scheut sich Fauchard nicht davor, Schmelzarbeiter zu Rate zu ziehen. Fauchard ist davon überzeugt, auch auf diesem Gebiet der Zahnmedizin Pionier zu sein, denn er habe zwar davon gehört, dass Schmelz zur Herstellung für Augen- nicht aber für Zahnprothesen bis dahin eingesetzt worden wäre.225 222 Fauchard, Band 2 (1733), S. 246-247 223 http://www.prices4antiques.com/item_images/medium/16/75/24-01.jpg 224 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 248 225 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 249-250 41 Im neunzehnten Kapitel des zweiten Bandes seines Werkes beschäftigt sich Fauchard mit der Beschreibung der Arbeitsvorgänge seitens des Behandlers sowie des Schmelzarbeiters. Das Grundgerüst, das später die künstlichen Zähne tragen soll, muss als Erstes an den Kiefer angepasst werden. Vorgefertigte Fugen dienen dabei als Befestigungsraum für die künstlichen Zähne. Auf die Außenfläche des Gerüsts werden Platten aus Gold, Silber oder Blech gelegt, die der Schmelzarbeiter mit Schmelz überzieht. Für die genaue Farbbestimmung sollte sich der Schmelzarbeiter, falls vorhanden, an den natürlichen Zähnen orientieren, am besten im Patientenmund. Sobald der Zahn, dessen Farbe der Schmelzarbeiter nachahmen soll, schon extrahiert worden ist, sei es erforderlich, diesen für mindesten vierundzwanzig Stunden ins Wasser zu legen, damit er seine natürliche Farbe wieder zurückgewinnt. Es sei auch möglich verloren gegangenes Zahnfleisch mit Hilfe vom Schmelz, in seiner natürliche Farbe und seinem natürlichen Aussehen, zu ersetzen.226 Den Vorteil künstliche Zähne mit Schmelz zu überziehen, sieht Fauchard „nicht bloß und allein in der Zierde, so daher entstehet; sondern die mit Schmelze überzogene Zähne oder auch ganze Kunstkiefer werden davon stark, dass sie eine sehr lange Zeit währen können: massen der Schmelz ein Wesen ist, das dem Wechsel und der Veränderung sehr wenig unterworfen ist.“227 Da Fauchard in seinem Werk zahlreiche neue Möglichkeiten beschrieben hat verloren gegangene Zähne zu ersetzen, hofft er, dass „man viele Mißbräuche abstellen werde, die tag täglich begangen werden [so z.B.] dass man Löcher durch das Zahnfleisch durch und durch bohret, Stiffte oder Pinnen dadurch stecket, und daran ein beinernes Kunststück, so aus vielen Zähnen bestehet, aufhänget, um damit die Schneidezähne und die Hundszähne am oberen Kinnbecken zu ersetzen.“228 Ein so hergestellter Ersatz würde „nicht nur von der Zunge, sondern auch von der Luft, die in den Mund hinein und aus demselben herausgehet, sich fortstossen liessen. Solches Stück zerrete denn und marterte das Zahnfleisch über die massen sehr.“229 Da der bis dahin in Gebrauch befindliche „Gaumenstopfer“ (Obturator = Platte zum Verschluss von Lücken des Gaumens) „durch seine Schwere und seinen Abschluß 226 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 254 227 Fauchard, Band 2 (1733), S. 251-252 228 Fauchard, Band 2 (1733), S. 255 229 Fauchard, Band 2 (1733), S. 255 42 dermaßen leicht herunter stürzet und verrücket wird, dass er unnütz, beschwerlich, und ungemächlich wird“230, ist es wieder Fauchard, der diesen nicht nur verbessert, sondern neu konstruiert. Fauchard erfindet mehrere Obturatoren von sehr komplizierter Bauweise, die er genauestens beschreibt und abbildet. Die alten Obturatoren bestanden aus einer kleinen Platte, die so groß wie das Gaumenloch und an ihrer konvexen Seite mit einem Schwamm bedeckt war, sowie einem Stiel, der in das Gaumenloch gesteckt wurde.231 Abbildung 8: Durch Fauchard maßgeblich verbesserte Obturatoren.232 Zu Fauchards Erneuerungen zählt, dass er zwei Flügel aus Metall an der oberen konvexen Seite des Obturators anbringt, durch die er jeweils zwei Löcher an sich gegenüber liegenden Stellen platziert. Diese Löcher dienen dazu, dass „ein Faden von einem zum andern dadurch gesteckt werde, welches geschicht um einen Umschlag von feinem Schwamme zu befestigen.“233 Er bringt auch einen Schlüssel an seine Konstruktion an, mit dessen Hilfe er in der Lage ist, diese so zu befestigen, dass die Platte aus Knochen hergestellt „nicht hin und her geschoben werden kann.“ Wie gut die Konstruktion hält „erkennet man“ letztendlich „aus seinem Gebrauche.“234 Aufgrund 230 Fauchard, Band 2 (1733), S. 258 231 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 257-258 232 http://www.fauchard.org/history/articles/bdj/v199n09_nov05/fauchard-images/fig3w.jpg 233 Fauchard, Band 2 (1733), S. 260-261 234 Fauchard, Band 2 (1733), S. 266 43 dieses Schlüssels und der zusammenfaltbaren Flügel lässt sich die Gaumenplatte auch auf sehr einfache Weise herausnehmen, um sie auszutauschen oder zu waschen. Bei größeren Defekten des Gaumendaches und beim Fehlen mehrerer natürlicher Zähne im Oberkiefer, verbindet Fauchard den Obturator mit einer Prothese, die auf die damals übliche Weise befestigt wird. Der so hergestellte Ersatz erfüllt nach Fauchard zwei Aufgaben gleichzeitig: „1. dass sie zugleich so wol die natürlichen Zähne als die Stücke von den Kinnbackenbeinen, die von einem starcken Beinfresser sich erfoliieret haben, ersetzt; 2. dass sie dabey auch noch einen Gaumenstopfer abgibt, und die vorhandenen Löcher oder Lücken verstopfet.“235 Fauchard beschreibt, dass er einem Patienten mit Hilfe seines neu erfundenen Obturator helfen konnte, der durch den Skorbut einen Großteil seines Gaumendaches, sowie etliche Zähne verloren hatte und bei dem sogar das Septum nasi an seiner Basis schon angefressen war. Der Patient litt darunter, dass „die Luft und die Speisen durch dieses Loch aus dem Munde in die Nase und aus der Nase in den Mund fuhren.“236 Fauchard versäumt es nicht, seine Helfer lobend zu erwähnen: „so traf ich endlich zu gutem Glücke so gescheite und geschickte Künstler an, welche den Entwurf, den ich davon gemachet hatte, nachmachen, und diesen letzten Gaumenstopfer ausarbeiten konten.“237 Fauchard berücksichtigt bei der Gestaltung und Handhabung seiner Konstruktion, dass das Gaumenloch, das mit einem Obturator versorgt worden ist, mit der Zeit gewisse Veränderungen bezüglich seiner Tiefe, Breite, Lage usw. durchmachen könnte, so dass der Obturator auch in der Lage sein muss, diese Veränderungen entsprechend mitzumachen.238 Er bekräftigt, dass diejenigen, die seinen Obturator benutzen „das Heil des Patienten, ihre Ehre, und den Ruhm der Kunst davon tragen werden.“ Das er von seinem Können überzeugt ist, geht aus seinen folgenden Worten hervor, in denen er behauptet, dasselbe Ergebnis erreichen zu können, wenn nur seine Ratschläge befolgt werden: „von allen den Methoden, welche ich hier öffentlich mittheile, und von den Instrumenten und Maschinen, welche ich theils erfunden theils verbessert habe.239 235 Fauchard, Band 2 (1733), S. 272 236 Fauchard, Band 2 (1733), S. 279 237 Fauchard, Band 2 (1733), S. 279-280 238 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 292 239 Fauchard, Band 2 (1733), S. 293 44 3.1.6 Kieferorthopädie Die Ursache für eine Fehlstellung der bleibenden Zähne kann nach Fauchard darin liegen, dass „man die Milchzähne nicht zur gehörigen Zeit“240 entfernt hat, so dass sie genötigt werden eine falsche Position einzunehmen oder, dass diese „hefftige Schläge oder Stösse und grosse Gewalt“241 erfahren haben. Fauchard richtet gekippte oder gedrehte Zähne indem er „die Hand, Instrumente, Bänder, und andere Mittel zu Hilfe nimmt.“242 „Draht und eine Platte von Silber“243 dienten ihm dabei als Hilfsmittel. Mit Hilfe des Instruments „Pelican“ lockert er verlagerte Zähne, damit diese einfacher zu bewegen sind.244 Um einen verlagerten Zahn in den Zahnbogen zu positionieren, feilt er bei Platzmangel die Nachbarzähne, um so „einen freyen Weg und Platz“245 für ihn zu machen. Fauchard behauptet schon öfters beobachtet zu haben, „dass krumm gebogene oder übel sitzende Zähne nach und nach die Lippen und Backen durchstochen, und mehr oder weniger gefährliche Geschwüre angerichtet haben.“246 Deswegen sei es wichtig, Zähne, die nicht wieder in den Zahnbogen positionierbar sind, zu entfernen. Bevor Zähne gerichtet werden, sei es nach Fauchard wichtig, dass ihre Antagonisten gegebenenfalls gefeilt werden, „denn durch solche Vorsichtigkeit wird vermieden, dass selbige nicht wieder in diejenigen Stellen hineingestossen werden, in welchen sie vorher gesessen, eher als sie zurecht gesetzet worden sind.“247 Fauchard erkennt, dass es bei Kindern und Jugendlichen leichter als bei Erwachsenen ist, die Zähne zu bewegen, und begründet dies damit, dass bei ihnen „die Wurzeln der Zähne nicht groß sind, als auch deswegen weil alle Theile, so um dieselben sitzen, 240 Fauchard, Band 2 (1733), S. 82 241 Fauchard, Band 2 (1733), S. 82 242 Fauchard, Band 1 (1733), S. 114 243 Fauchard, Band 1 (1733), S. 326 244 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 334 245 Fauchard, Band 1 (1733), S. 326 246 Fauchard, Band 2 (1733), S. 84 247 Fauchard, Band 2 (1733), S. 85 45 weich sind.“248 Aus diesen Grund schlägt er vor, dass bei jungen Personen als erstes versucht werden soll, die Zähne durch mehrmals täglichen Fingerdruck gerade zu richten. Wenn diese Behandlung ohne Erfolg bleibt, „so soll man einen gewächsten Zwirns- oder Seidenfaden nehmen, selbige vielmals gedoppelt zusammen legen, die Mitte desselben in den Zwischenraum legen, welchen die zween benachbarte gerade und feste Zähne von einander abstehen“249 und so den verlagerten Zahn umschlingen. Diesen Faden sollte zwei- bis dreimal die Woche erneuert werden. „Hangen die Zähne gar zu sehr über, und kann der Faden nicht fest daran gemachet werden“250, schlägt Fauchard als weiteres Hilfsmittel Platten aus Gold oder Silber vor, durch die ein Faden durch zwei Löcher gezogen wird und mit dessen Hilfe die Platte an der gewünschten Stelle befestigt wird. Hat ein überhängender Zahn keinen Platz im Zahnbogen, bleibt nach Fauchard als einzige Lösung diesen Zahn zu extrahieren und „seine Stelle unter alle diejenigen, so dessen benöthiget sind“251 zu verteilen. Den Gebrauch vom Pelican oder der geraden Zangen empfiehlt Fauchard bei älteren Personen und „nur bey solchen Zähnen [...], die nach innen hinein überhangen.“252 Er betont, dass mit Hilfe dieser zwei Instrumente „wenn man sonst geschickt damit umzugehen weiß, in einem Augenblicke das verrichten, was mit den Fäden und der Platte nicht anders als mit Verschwendung vieler Zeit angehet,“253 in der Lage ist. Nachdem der Behandler den verlagerten Zahn mit Hilfe des Pelicans durch Schütteln und Rütteln gelockert hat, soll er hiernach mit der geraden Zange den Zahn greifen und ihn damit zurechtsetzen.254 Anschließend sollten die behandelten Zähne „mit einem gewächseten Faden [...] befestiget werden.“255 Das Zahnfleisch sollte mit den Fingern zusammengedrückt werden und bis zu sechs mal am Tag zwei Wochen lang mit einer 248 Fauchard, Band 2 (1733), S. 85 249 Fauchard, Band 2 (1733), S. 85-86 250 Fauchard, Band 2 (1733), S. 87 251 Fauchard, Band 2 (1733), S. 87 252 Fauchard, Band 2 (1733), S. 96 253 Fauchard, Band 2 (1733), S. 95 254 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 104 255 Fauchard, Band 2 (1733), S. 103 46 Flüssigkeit bestrichen werden, die nach einer von Fauchard beschriebenen Rezeptur hergestellt worden ist.256 Fauchard versichert, “dass es mir immer diesen Operationen gelungen ist, und habe dabey weder einen Zahn entzwey gebrochen, noch zu sehr von seiner Kinnlade losgerissen.“257 Fauchard ist nach eigener Einschätzung auch im Gebrauch von dem Pelican ein Vorreiter, denn er hat von keinem Zahnarzt vor ihm gehört, der „den Pelican gebrauchet haben solte die Zähne gerade zu richten.“258 3.1.7 Kinderzahnheilkunde Fauchard beschäftigt sich auch intensiv mit den Milchzähnen und entdeckt dabei, dass „diese zwanzig ersten Zähne [...] nicht ohne Wurzeln [sind], wie einige Scribenten sagen.“259 Wie und warum die Wurzeln der Milchzähne vom Körper resorbiert werden, ist für ihn eine Frage, “welche bis jetzo noch nicht entschieden ist“260 so dass er sich damit begnügen muss, nur seine Beobachtungen ohne Erklärung dessen festzuhalten. Er kritisiert seine Kollegen, die aufgrund einer fehlenden Erklärung für dass Verschwinden der Wurzel der Milchzähne einfach behaupten, „dass sie gar keine Wurzeln hätten.“261 Fauchard glaubt, dass der Zahndurchbruch bei Kindern „sehr grausam“ sei und, dass es „vielen Kindern das Leben“262 nehmen würde. Neben den Schmerzen zählt er noch weitere Begleiterscheinungen auf wie z.B. Fieber, Flüsse aus den Backen, Augen oder Gesichtern, Husten, Schnupfen, Erbrechen, Durchfälle und Schlaflosigkeit.263 Als Ursache für diese Symptome nennt er die „Wirkung des Zerrens [...], das den nervichten Fasern des Knochenhäutleins und des Zahnfleisches wiederfähret.“264 256 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 106 257 Fauchard, Band 2 (1733), S. 105 258 Fauchard, Band 2 (1733), S. 105 259 Fauchard, Band 1 (1733), S. 28 260 Fauchard, Band 1 (1733), S. 54 261 Fauchard, Band 1 (1733), S. 54 262 Fauchard, Band 1 (1733), S. 198 263 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 198 264 Fauchard, Band 1 (1733), S. 198 47 Als vorbeugende Maßnahme schlägt Fauchard vor, den Kindern hin und wieder einen Wolffszahn zu geben auf dem sie herumkauen können, was dazu führen soll, dass die Entzündung gelindert und dass „die Zertheilung des Zahnfleisches“265 erleichtert wird. Weiterhin rät er zur Einreibung des Zahnfleisches mit einer Erbirchwurzel, „die man in Pappeln- oder Stockrosenwasser oder in Marbonnischen Honig getuncket hat.“266 Für das beste Mittel hält er „ein Ertract aus Wurzeln von Hundszahnkraut“.267 Auch das Aderlassen zieht er in Erwägung und wenn das auch nicht helfen soll, sollte mit einem Schnitt (für die Schneidezähne und Eckzähne länglich und für die Mahlzähne ein Kreuz) das Zahnfleisch geöffnet und so der Zahndurchbruch erleichtert werden. Fauchard zeichnet auf, wie wichtig es ist, retinierte Milchzähne rechtzeitig zu entfernen, „damit sie den zweyten die Stelle räumen, welches sie sonsten nicht thun würden,“268 damit die bleibenden Zähne wegen des sonst herrschenden Platzmangels nicht schief durchbrechen. Fauchard schildert im vierundzwanzigsten Kapitel eine Reihe von Fällen, in denen er beobachtet hat, dass auch im Erwachsenenalter verloren gegangene einzelne Zähne nachwachsen können und kritisiert seine Vorgänger, „dass diese Herren nicht acht darauf gehabt haben diese Sache zu untersuchen.“269 Es erscheint ihm wichtig, seine Beobachtungen der Welt mitzuteilen, obwohl er selber für dieses Phänomen keine überzeugende Erklärung gefunden hat und rät daher dazu, „so lange zu warten, bis man die wahre Ursachen davon besser entdecket hat.“270 Fauchard betont im vierten Kapitel des zweiten Teils, dass der Zahnschmelz „bey Kindern viel dünner ist“ als bei den Erwachsenen und dass deswegen „bey jungen Leuten die Zähne mit äusserster Vorsichtigkeit gefeilt werden müssen“271, da es sonst zu Schmerzen kommen kann. 265 Fauchard, Band 1 (1733), S. 198 266 Fauchard, Band 1 (1733), S. 199 267 Fauchard, Band 1 (1733), S. 199 268 Fauchard, Band 1 (1733), S. 335 269 Fauchard, Band 1 (1733), S. 305 270 Fauchard, Band 1 (1733), S. 302 271 Fauchard, Band 2 (1733), S. 28 48 3.2 Fachübergreifende Aspekte 3.2.1 Schmerzursache und Therapie Fauchard unterteilt die Krankheiten der Zähne und des Mundes in drei Klassen: 1. “in solche aus äußeren Ursachen, die besonders die Krone und unbedeckte Teile des Zahnes angreifen;“272 wie z.B. Plaque, Zahnstein, Karies oder verschiedene Frakturen (quer / längs), 2. in solche, welche die verborgenen Teile der Zähne betreffen, „welche in den Kinnladen stecken oder mit Zahnfleisch umgeben sind,“273 wie z.B. Zahnhalskaries, Wurzelkaries, Wurzelfraktur, Abszess sowie verschiedene Zahnschmerzen (ziehend, stechend, klopfend) und 3. in symptomatische oder zufällige Krankheiten, “die von den Zähnen veranlasset werden,“274 wie z.B. Schwellungen, Knochenfrakturen nach Zahnextraktionen, Blutungen, Geschwüre (an der Lippe, Zunge, Zahnfleisch, Wange), Fisteln, Schmerzen (Kopf, Ohr, Augen). Fauchard unterscheidet nicht nur zum ersten Mal insgesamt 103 Krankheiten, sondern gab auch Mittel an, um diese zu heilen. Er beschwert sich gleichzeitig, „dass es bisher versäumt worden ist, die Art dieser Krankheiten und ihre Mannigfaltigkeit zu beschreiben.“275 Es wurde bis dahin keine differenzierte Diagnostik unter den verschiedenen Zahnerkrankungen verübt. „Zahnschmerz war eben Zahnschmerz und unterlag in fast allen Fällen der Behandlung mit der Zange.“276 3.2.2 Zusammenhang systemischer und lokaler Erkrankungen Fauchard hat sich nicht nur mit den verschiedenen Krankheiten der Zähne und der Mundhöhle beschäftigt, sondern wies auch darauf hin, dass „die Mängel in der Conformation oder Bildung der Zähne sind bey gewissen Fällen als Krankheit anzusehen, welche nicht allein den Mund ungestaltet machen, sondern auch viele 272 Jacoby (1920), S. 13 273 Fauchard, Band 1 (1733), S. 92 274 Fauchard, Band 1 (1733), S. 99 275 Jacoby (1920), S. 13 276 Jacoby (1920), S. 13 49 Beschwerlichkeit bringen, ja gleichfalls schlimme Folgen nach sich ziehen können.“277 Er stellt fest, dass Karies nicht nur die Zähne schädigt sondern sie auch „der Grund seyn kann von mancherley Krankheiten. Bisweilen ergreifen die Schmerzen, so dieser Beinfresser erreget, den ganzen Kopf; ein ander mal greifen sie nur ein einziges Theil davon an.“278 Deswegen gehöre zu einer gründlichen Diagnostik auch die Untersuchung der Zähne. Fauchard beobachtet bei Kindern, die an Rachitis erkrankten, dass „die Zähne erst gar spät herausgekommen sind [und] dass nur gar wenige Zähne wieder wachsen.“279 Fauchard weist darauf hin, dass als Ursache für einen schlechten Atem nicht nur kariöse Zähne in Frage kommen sondern auch ungepflegte Zähne, im Mundraum befindliche Geschwüre oder Fisteln, sowie auch eine erkrankter Magen oder eine ungesunde Lunge.280 Fauchard beschreibt im letzten Kapitel vom ersten Teil seines Tractats seine Beobachtung, dass in manchen Fällen „die Farbe der Zähne die Grösse einer Krankheit, oder die Hartnäckigkeit derselben“281 anzeigt. Er stellt einen Zusammenhang zwischen gut erhaltenen Zähnen und einem längeren und gesünderen Leben her. 3.2.3 Ergonomie Auch die bequeme Lagerung seiner Patienten lag Fauchard am Herzen. Er empfahl „einen Lehn- oder Armstuhl [...] der fest zusammenhält und gewiß stehet, sauber und bequem ist“282 sowie je nach Patienten- bzw. Behandlergröße verstellbar ist. Patienten, die aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage sind zu sitzen, behandelt er im Liegen, indem er sie auf einem Sofa, Kanapee oder Bett lagert. 277 Fauchard, Band 1 (1733), S. 118-119 278 Fauchard, Band 1 (1733), S. 384 279 Fauchard, Band 1 (1733), S. 312 280 vgl. Fauchard, Band 1 (1733), S. 122-123 281 Fauchard, Band 1 (1733), S. 463 282 Fauchard, Band 1 (1733), S. 165 50 Die bis dahin gängige Methode, die Patienten auf dem Boden sitzen zu lassen, während ihnen die Zähne gezogen wurden, verurteilt er aufs Schärfste und sagt, dass diese Lagerungsposition „ganz und gar zu verwerfen ist.“283 Er thematisiert, dass diese Position den Patienten nicht nur Angst macht, sondern sie auch bei schwangeren Patientinnen „höchstschädlich“284 und mühevoll ist. Fauchard verurteilt, „daß gewisse Scribenten noch heut zu tage lehren, daß solche Positur die allerbeste sey.“285 4. Analyse Das Studieren von Fauchards Werk lässt den Leser oft vergessen, dass dieses vor fast dreihundert Jahren verfasst worden ist. Es ist erstaunlich, mit welcher Gründlichkeit Fauchard alle Fachbereiche der Zahnmedizin abhandelt, vor allem wenn bedacht wird, dass ihm kaum Literatur zu diesen Themen zur Verfügung stand, so dass er gezwungen war, seine eigenen Erfahrungen, Versuche und Erkenntnisse zu analysieren und diese niederzuschreiben. Da er Vorreiter auf diesem Gebiet war, konnte er sich an niemand anderem orientieren oder anlehnen. Obwohl viele seiner Erkenntnisse auch dem heutigen Standard entsprechen, gibt es wiederum andere , die den heutigen Standard nur positiv beeinflusst haben oder ihm nicht entsprechen. In Anbetracht der Hilfsmittel, welche Fauchard im Vergleich zur heutigen Zeit zur Verfügung standen, kann sein Werk nur mit Hochachtung betrachten werden. 4.1 Dem heutigem Standard nicht entsprechende Erkenntnisse Obwohl Fauchard meist auch unseren heutigen Verhältnissen entsprechende Auffassungen vertritt, so findet sich doch auch plötzlich ein Stück Mittelalter in seinem Werk eingestreut.286 283 Fauchard, Band 1 (1733), S. 170 284 Fauchard, Band 1 (1733), S. 170 285 Fauchard, Band 1 (1733), S. 170 286 vgl. Hoffmann-Axthelm (1984), S 1144-1145 51 4.1.1 Prophylaxe In Fauchards Werk „sind noch Überbleibsel der traditionellen Heillehre. So wird u. a. die tägliche Mundspülung mit Urin als ein Mittel gegen Karies genannt.“287 „Seine Rezeptur zur Erhaltung gesunder Zähne mittels morgendlicher und abendlicher Spülungen mit frischem Urin sind Rückfälle in die Dreckapotheke des Mittelalters.“288 Die Vorstellung der Kariesprävention mit Hilfe von Urin-Spülungen, ist aus heutiger Sicht undenkbar, ja sogar erschreckend. Seit Fauchards Zeit hat sich die Zusammensetzung der Hilfsmittel – insbesondere der Zahnpasten – mit denen die Zähne gereinigt werden, entschieden verändert. Fauchard gibt in seinem Wek „mehrere Arten von Zahnbalsamen, Pulvern, Tropfen usw. an deren vorzüglichste Ingredienzen Korallen, Drachenblut, Bolus, Krebsaugen, Gräthen des Backfisches, Hirschhorn, Elfenbein, Weinstein, aromatische und adstringirende Substanzen sind.“289 Keines der heute verwendeten Produkte beinhaltet auch nur einen der aufgezählten Inhaltsstoffe. Neben zahlreichen weiteren Bestandteilen ist heute das Fluorid aus prophylaktischer Sicht der wichtigste Inhaltsstoff, welcher in den Zahnpasten, Geelen, Lacken und Mundspüllösungen enthalten ist. Fluoride reduzieren nachweislich die mikrobielle Bildung von Säuren aus Zucker und führen zusätzlich zur Zahnschmelzhärtung.290 4.1.2 Kariologie Fauchard zählt neben dem Zucker noch verschiedene andere Nahrungsmittel auf, wie z.B. Hülsenfrüchte, Schweinefleisch oder Milch, welche zur Kariesentstehung beitragen sollen. Heute ist „die Rolle des Zuckers (Saccharose) als wichtiger kausaler Faktor bei der Kariesentstehung in Studien vielfach dokumentiert worden“291 im Gegensatz zu den restlichen, von Fauchard aufgezählten Nahrungsmitteln. 287 Die grosse Chronik-Weltgeschichte (2008), S. 201 288 Will (2002), S. 11 289 Von Lunkaszprie, Band 1 (1831), S. 72 290 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Fluoridierung 291 Hellwig, Klimek, Attin (2003), S. 20 52 Unter Zahnstein werden feste Auflagerungen auf dem Zahn verstanden, die weder durch Spülen noch durch Zähneputzen entfernt werden können. Also ist der Zahnarzt derjenige, der in der Lage ist, den Zahnstein mechanisch mit Handinstrumenten (Scaler, Küretten) oder durch Maschineninstrumente, z. B. mit Ultraschall, zu entfernen.292 Da es zu Fauchards Zeit noch keine Ultraschallgeräte gab, standen ihm nur den heutigen Handinstrumenten ähnelnde Instrumente zur Verfügung. Fauchards Beobachtung, dass Speisereste in den Zahnzwischenräumen und die Speichelzusammensetzung die Verursacher für Zahnstein sind, kann auch aus heutiger Sicht bestätigt werden. Seine Annahme, dass die eingeatmete Luft etwas mit der Zahnsteinbildung zu tun haben soll, ist jedoch nicht zutreffend. Zahnstein entsteht durch die Einlagerung von Mineralien aus dem Speichel in die Plaque. Fauchard stellt den Zahnstein auch als den Hauptverursacher für Zahnfleischerkrankungen dar. Zahnstein selbst führt jedoch nicht zu Parodontitis, welche ursächlich von auf der durch Zahnstein bedingten rauen Oberfläche der Zähne anhaftende lebende Zahnsteinbildung Plaquebakterien “als der verursacht Versuch des wird. Im Organismus Gegenteil ist anzusehen, die die parodontopathogenen Bakterien durch Mineralisation zu inaktivieren“293. Der Organismus reagiert auf vermehrte Zahnsteinbildung mit der auch von Fauchard beobachteten Zahnfleischresorption sowie Zahnlockerung. Wo keine Plaque ist, kann sich auch kein Zahnstein anlagern. Insofern hat Fauchard Recht, wenn er behauptet, dass die Entstehung von Zahnstein in der „Nachlässigkeit und Unreinlichkeit“ der betreffenden Personen begründet ist. Fauchards Behauptung, dass Zahnstein auch die Hauptursache für die Entstehung von Karies sei, muss jedoch als falsch angesehen werden, da es heute erwiesen ist, dass „keine kariösen Defekte im Zusammenhang mit Zahnstein entstehen.“294 Die Weigerung Fauchards, die bis zu seiner Zeit gängige Annahme, dass Karies durch Würmer verursacht wird, zu akzeptieren, ohne jemals einen solchen Wurm gesehen zu haben, zeigt, dass er ein Forscher ist, der Behauptungen hinterfragt, die für ihn nicht plausibel erscheinen. Er sah die Karies als Ergebnis einer Säftestörung an. Da er aber 292 vgl. Zahnstein, http://de.wikipedia.org/wiki/Zahnstein 293 Hellwig, Klimek, Attin (2003), S.365 53 auch keine zufriedenstellende Ursache für die Kariesentstehung erkannte, teilt er diese lediglich in zwei Gruppen ein: in die innerlichen und äußerlichen Ursachen. Er kommt zu der Erkenntnis, dass die Würmer zumindest nicht als „die einzige Ursache”295 für Karies in Frage kommen. Heute ist die chemoparasitäre Theorie nach Willoughby D. Miller (1898) zur Entstehung von Karies allgemein anerkannt. Demnach kommt es auf Grund mehrerer pathogener Faktoren zur Zerstörung der Zahnhartgewebe in mehreren Stufen.296 „Bereits in der arabischen Medizin des 9. Jahrhunderts wurde das Kauterisieren des Zahnnervs mit heißem Öl oder glühenden Nadeln praktiziert, im Europa des Mittelalters kamen dazu auch heiße Eisenhäkchen zum Einsatz.“297 Fauchard benutzt zur Nervabtötung und damit zur Stillung der Zahnschmerzen einen Messingdraht und nicht die bis dahin gängigen Instrumente. Zur Nervenabtötung wird heute nicht mehr auf die Kauterisation zurückgegriffen, da es hierfür geeignetere Methoden gibt. „Der Kauter, der heute als Elektrokauter in Form einer feinen, durch elektrischen Strom erhitzten Drahtschlinge zum Einsatz kommt“298 wird benutzt, um z.B. eine Blutung zu stoppen, oder eine gutartige Wucherung zu entfernen. Da heute der Bohrer alle Aufgaben der früher benutzten Feile (wie z.B. Kürzung der Zähne, Kariesentfernung oder Beseitigung scharfer Kanten) erfüllt, wurde die Feile aus der Zahnmedizin verbannt. „Dem Gebrauch des Bohrers, wie er heute zur Beseitigung kariöser Defekte verwendet wird, kam erst im 17. Jahrhundert Cornelis Solingen näher, als er einem Advokaten die Zähne mit Hilfe eines Bohrers glatt feilte. Es dauerte jedoch bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, bis man erkannte, dass mit Hilfe des Bohrers eine erfolgreiche konservierende Behandlung möglich war. Pierre Fauchard, dessen gesamtes Werk der Zahnheilkunde gewidmet war, kannte trotz seines für technische Zwecke schon gebrauchten Fliederbohrers keine bohrerähnlichen Instrumente, außer seinen spitzen Pfriemen zur Beseitigung der Karies. Ihm schien die richtige Position des Zahnarztes zum Patienten bei der Kariesentfernung wichtiger gewesen zu sein als funktionstüchtige Instrumente.“299 Er benutzte den Fliederbohrer nicht im Mund, 294 Eifler (2010) 295 Fauchard, Band 1 (1733), S. 141 296 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Zahnkaries 297 Fahrenbach, Rau 298 299 http://de.wikipedia.org/wiki/Kauterisation Strankmüller (2004), S. 13 54 sondern bei der Bearbeitung zahntechnischer Werkstücke. Fauchard benutzte zur Kariesentfernung auch Pfriemen und Zahnraspeln, die heute ebenfalls durch den Bohrer ersetzt werden. Fauchard schildert, dass es zu Misserfolgen bei der Zahnextraktion kommen würde, wenn die Wurzelanatomie ungünstig ist, oder die Wurzel verknöchert ist. Mit dem Einsatz des Bohrers können heute auch diese Schwierigkeiten beseitigt werden. 4.1.3 Implantologie „Der erste authentische Fallbericht einer homoplastischen Zahntransplantation (von Mensch zu Mensch) wurde 1728 durch Pierre Fauchard verfasst.“300 „Er stellt erstmals Regeln für das Alter der Spender und Empfänger auf.“301 Da das Übertragungsrisiko von Krankheiten bei diesem Verfahren sehr hoch ist, wird die homoplastische Zahntransplantation nicht mehr praktiziert. Fauchart entwickelte eine eigene Methode um stark gelockerte Zähne, deren Alveole nicht tief genug ist, erneut zu stabilisieren. Er extrahiert hierfür die entsprechenden Zähne, kürzt diese, füllt das Pulpencavum mit Blei und reimplantiert sie. Die Befestigung erfolgt mit Hilfe eines Golddrahts. Da der heutigen Zahnmedizin unterschiedlichste Verfahrensmöglichkeiten für den Ersatz nicht mehr erhaltungswürdiger Zähne zur Verfügung stehen (herausnehmbarer Zahnersatz wie z. B. Teil- sowie Totalprothesen, genauso wie festsitzender Zahnersatz wie z.B. Brücken oder Implantate) wird das von Fauchard praktizierte Verfahren nicht mehr angewandt. 4.1.4 Kinderzahnheilkunde „Fauchard und die meisten anderen Schriftsteller im 18ten Jahrhundert betrachten das dritte Zahnen, welches sie übrigens von dem Zahnen der Greise bestimmt unterscheiden, als einen erneuten Zahnwechsel ohne eine weitere Erklärung darüber zu geben, scheinen aber dabei nicht sowohl überzählige primitive bleibende Zähne, sondern überzählige Milchzähne dabei anzunehmen. Bei diesen Ansichten ist es 300 301 Lang, Pohl, Filippi1 (2003), S 1180 Borsay (2007), S. 20 55 geblieben, bis Meckel in der neusten Zeit die sogenannte dentitio tertia [...] aus besonderen Zahnkeimen, die aber nicht ursprünglich vorhanden sind, sondern sich später erst neu erzeugen, hergeleitet hat.“302 4.2 Den heutigen Standard beeinflussende Erkenntnisse Pierre Fauchard dokumentierte in seinem Werk den Wissensstand der Epoche. Seine präzisen Beschreibungen und Zeichnungen wurden zur Grundlage für die rasche Entwicklung neuer Techniken und Materialien, die teilweise auch heute noch Verwendung finden. Das Werk nimmt vieles voraus, was erst in unserer Zeit verwirklicht wurde, und das in allen Bereichen der Zahnmedizin. „Fauchard selbst fördert durch eigene Beiträge und Erfindungen vor allem die Prothetik, die Orthodontie (Kieferothopädie) und die Instrumentenlehre.“303 4.2.1 Prophylaxe Das Gesunderhalten der Zähne ist eine der wichtigsten Aufgaben der modernen Zahnmedizin, so dass die Prophylaxe und Aufklärung der Patienten über Krankheitsverlauf und -ursache einen sehr großen Teil der Behandlung ausmachen. Fauchard beobachtet richtig, dass es während der Schwangerschaft sowie in der Menopause zu einer negativen Beeinflussung des Zahnfleisches kommt. Er vermutet den Grund hierfür in dem mangelnden Abfluss der Regelblutung. Als Ursache hierfür wird jedoch „eine hormonbedingte Gewebemodulation angesehen, die zu einer erhöhten Gefäßpermeabilität führt und eine gesteigerte Reaktion auf bakterielle Reize bewirkt.“304 Das Thema Mundhygiene spielt für Fauchard eine entscheidende Rolle. Er wird nicht müde, in seinem Werk immer wieder auf dieses Thema zurückzukommen, um seinen Lesern zu verdeutlichen, dass sie selber etwas für die Gesunderhaltung ihrer Zähne tun können und in der Lage sind, die Zähne selber gesund zu erhalten. Fauchards 302 Mehli (1838), S. 96-97 56 Empfehlung, die Zähne „nur“ zweimal die Woche mit einem Schwamm zu reinigen, erscheint aus heutiger Sicht vollkommen unzureichend, denn die Empfehlung lautet heute zwei- besser dreimal am Tag die Zähne mit einer Zahnbürste und fluoridierter Zahnpasta zu reinigen. Als zusätzliche Hilfsmittel stehen Mundspüllösungen, Zungenschaber sowie für die Zahnzwischenraumpflege Zahnstocher oder besser Zahnseide sowie Zahnzwischenraumbürstchen zur Verfügung. „Heutzutage wird seitens der modernen Zahnmedizin das Verwenden von Zahnstochern eher abgelehnt, Hilfsmitteln wie Zahnseide und Interdentalbürsten wird der Vorzug gegeben“305, so dass Fauchards Empfehlung von Zahnstochern als überholt gewertet werden muss. Der Gebrauch vom Zahnstocher kann aber trotzdem heute immer noch beobachtet werden. „Der heute übliche Zahnstocher ist dünn, ca. 5 cm lang und besteht üblicherweise aus Holz. Ein Ende oder zwei Enden sind angespitzt, um mit ihnen leicht in die Zahnzwischenräume zu gelangen.“306 Die Zahnzwischenräume werden dabei nicht flächendeckend sondern nur punktuell gereinigt. Es besteht zudem die Gefahr, dass der Zahnstocher bricht, was womöglich zu einer Verletzung des Zahnfleisches führen kann. Fauchard beobachtet richtig, dass Tabakkonsum zur Schwarzfärbung der Zähne führt. Dies kann wohl zu einer der harmlosesten Nebenwirkungen gezählt werden, denn heute gilt Rauchen als „der wichtigste Risikofaktor für Mundhöhlenkrebs, Veränderungen in der Mundhöhle und für Parodontitis. Darüber hinaus verzögert Rauchen die Wundheilung z.B. nach einem chirurgischen Eingriff im Kiefer- und Gesichtsbereich und beeinträchtigt den Erfolg einer Zahnimplantatbehandlung.“307 Dass das Rauchen zu schlechtem Atem führt, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Fauchard beobachtet weiterhin richtig, dass Tabakrauch die Kariesentstehung beeinflusst, denn Untersuchungen zeigen, dass „im Speichel von Rauchern eine höhere Konzentration von zahnfäulniserregenden Bakterien“308 zu finden ist. Das hat zur Folge, dass Raucher häufiger an Karies erkranken als Nichtraucher. 303 Reitemeier, Schwenzer, Ehrenfeld (2006), S.2 304 Schwenzer, Ehrenfeld, Zahnärztliche Chirurgie (2000), S. 179 305 http://de.wikipedia.org/wiki/Zahnstocher 306 http://de.wikipedia.org/wiki/Zahnstocher 307 http://www.rauchfrei-info.de/index.php?id=320 308 Kuster (2002) 57 4.2.2 Kariologie und Füllungstherapie Als Grundvoraussetzung für die Entstehung von Karies gilt heute das gleichzeitige Vorhandensein von Zahnhartsubstanz, Zucker, Zeit und Mikroorganismen (wie z.B. Streptokokken, Laktobazillen, Aktinomyzeten usw.) die in der Lage sind, Zucker in organische Säure umzuwandeln, was anschließend die Zahnhartsubstanz entmineralisiert – vorrausgesetzt, die Einwirkzeit der Säure ist lang genug. Wenn auch nur einer dieser vier Faktoren fehlt, ist die Entstehung von Karies nicht möglich. Fauchard erkennt den negativen Einfluss von Zucker auf die Zähne, denn er bezeichnet diesen als „Gift“ und rät dazu, nach jedem Zuckerkonsum den Mund mit warmem Wasser auszuspülen. Dass in der Mundhöhle das Vorhandensein von Mikroorganismen für die Umwandlung von Zucker in Säure notwendig ist, war zu Fauchards Zeit noch nicht bekannt. Erst 1896 gelang es Willoughby Dyton die Entstehung von Karies als chemischen Prozess zu erklären.309 Fauchard definiert Erosion an den Zähnen als „Zerfressung der Oberfläche am Schmelzwerde“310 was der heutigen Definition, dass die Zahnerosion der oberflächliche Zahnhartsubstanzverlust ist, der durch chemische Einflüsse (Säure) und ohne Bakterienbeteiligung (wie beim Karies) verursacht wird, entspricht. Als „nagende Materie“ die zu einer Zerstörung der Zahnhartsubstanz führt, zählen heute nicht nur säurehaltige Lebensmittel und Getränke oder bestimmte Medikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS) oder Vitamin-C-Präparate, sondern es werden hierfür auch innere Faktoren verantwortlich gemacht. Dazu zählen Krankheiten, die mit häufigem Erbrechen einhergehen, wie Magersucht und Bulimie oder auch chronische MagenDarm-Krankheiten wie die Refluxkrankheit (Sodbrennen). Bei diesen Erkrankungen wird durch die in die Mundhöhle gelangte Magensäure ein Auswaschen des Zahnschmelzes verursacht. Auch Alkoholismus oder verminderter Speichelfluss, z.B. durch die Einnahme bestimmter Medikamente gegen Depressionen, kommen als Auslöser von Zahnerosionen infrage.311 Säuren bei der Ausübung bestimmter Berufe (z.B. bei Weinverkostern) können auch zu Erosion führen. Obwohl es eine Reihe von Möglichkeiten gibt, Erosion an der Zahnhartsubstanz zu vermeiden bzw. einzudämmen, versäumt es Fauchard auch nur eine dieser Möglichkeiten zu erwähnen. Zu diesen zählen eine Reduktion der Menge und Einwirkdauer von säurehaltigen Lebensmitteln 309 vgl. Kluckhuhn.(2003), S. 34 310 Fauchard, Band 1 (1733), S. 116 58 (wie z.B. Zitrusfrüchte, Sauermilchprodukte) und Getränken (wie z.B. Fruchtsäfte, kohlensäurehaltige und alkoholische Getränken). Da diese die Schmelzgitterstruktur lockern, sollte nach ihrem Genuss mindesten eine halbe Stunde vergehen, bevor die Zahnbürste zum Einsatz kommt, da diese sonst zum Abtragen der angegriffenen Zahnoberfläche führen würde. Die Möglichkeit, durch kalziumhaltige Lebensmittel wie Milch oder Käse die zahnschädigende Wirkung von stark säurehaltigen Lebensmitteln zu neutralisieren, wird von Fauchard auch nicht erwähnt. Dass Fluorid nicht nur die Deckschicht der Zähne stabilisiert, sondern auch zum Verschluss offen liegender Dentinkanälchen führt, war zu Fauchards Zeit noch nicht bekannt. Erst seit 1950 kann die Zahnmedizin Methoden der Kariesvorbeugung vorlegen, die als durchschlagender Erfolg zu werten sind. 1954 wurde in der Schweiz mit der Verabreichung von Fluoridtabletten an Schultagen begonnen, darauf folgten 1959 die ersten Programme zu Zahnbürstenübungen. Die Trinkwasserfluoridierung setzte 1962 in Basel ein.312 Wegen seines positiven Einflusses auf die Zähne wird heute auf den Zusatz von Fluorid in Speisesalz, Zahnpasten, Mundspüllösungen sowie in diversen Gelen und Lacken sehr großer Wert gelegt. Durch diese Maßnahmen ist es möglich ein Fortschreiten der Erosion einzudämmen. Nur in besonders schweren Fällen ist eine Versorgung der Zähne mit Kronen oder Teilkronen nötig. Fauchards Therapievorschlag, die Zahnoberfläche zu glätten, muss also als falsch angesehen werde, da dies zu einem erhöhten Schmelzverlust führt, was die Nebenwirkungen wie Temperaturempfindlichkeit und Verfärbungen noch verstärkt. Um auch die inneren Faktoren, die zur Erosion führen, ausschalten zu können, ist es unbedingt notwendig Magen-Darm-Erkrankungen oder Bulimie entsprechend zu behandeln. Daran, dass weiße Zähne dem Schönheitsideal entsprechen, hat sich in den letzten dreihundert Jahren nichts geändert. Heute gelten schöne Zähne sogar als Statussymbol. Auch daran, dass das „Bleachen“, das Bleichen der Zähne, bei unsachgemäßer Anwendung die Zahnhartsubstanz angreift und diese zum Teil schädigt, hat sich nicht viel geändert. Bleichen bezeichnet die Entfärbung von verschiedenartigen Materialien, die durch Oxidation oder Reduktion erfolgen kann. Die Mittel, die heute zum Bleichen der Zähne benutzt werden z.B. 30% Wasserstoffperoxid, Natriumperborat, Oxalsäure, unterscheiden sich von denen die zu Fauchards Zeiten angewendet wurden z.B. Sauerampfersaft, Zitronensaft, Vitriolsirup, sie können aber auch zur Hypersensibilität 311 vgl Springer Medizin (2007) 312 vgl. Kuster (2005) 59 der Zähne und Zahnhälse, Pulpitis, Schleimhautrötung oder -brennen sowie zu durch die Austrocknung der Zähne bedingter erhöhter Frakturgefahr führen. „Heute ist man in der Lage, Zähne wirkungsvoll, praktikabel und substanzschonend aufzuhellen. Die meisten Studien zeigen: Vorausgesetzt, es werden pH-neutrale Präparate eingesetzt und diese werden sachgemäß angewendet, sind bei Zahnaufhellung keine Zahnschäden zu befürchten, und Nebenwirkungen halten sich in Grenzen.“313 Die Zahnaufhellungsmittel sollten einen neutralen pH-Wert haben, damit die von Fauchard richtig beobachteten Veränderungen an der Zahnoberfläche nicht auftreten. Über die Ätiologie der Karies kann Fauchard nur spekulieren, er erkennt aber zumindest die Zahnkaries als einen vorschreitenden Prozess an, der mit der Beseitigung der kariösen Läsion (mit Feilen und Exkavatoren) und dem Füllen des Zahnes, zum Stillstand gebracht werden kann.314 Fauchards Methoden zur Kariesbehandlung ähneln dem heutigen Vorgehen, wobei sich was die Auswahl des Füllungsmaterieals betrifft einiges getan hat. Fauchard stand für die Füllung der Kavitäten entweder Blei, Zinn, Silber oder Gold zur Verfügung. Heute kann sich der Zahnarzt und natürlich auch der Patient, zwischen unterschiedlichen Metalllegierungen (Edelmetalllegierungen und Amalgam) und nicht-metallischen Werkstoffen wie Keramik und Kunststoff sowie Glasionomerzementen, Hybridglasionomerzementen und Kompomere entscheiden.315 Fauchard war es also lediglich möglich, durch die zu seiner Verfügung stehenden Füllungsmaterialien, eine makromechanische Retention zu erreichen. Die Füllungsmaterialien gingen keinen chemisch mechanischen Verbund mit der Zahnhartsubstanz ein. Den Ablauf beim Legen der Füllung beschreibt Fauchard sehr genau. Der Vorgang ähnelt dem heutigen Vorgehen, solange Amalgam oder Zement als Füllungsmaterial verwendet wird. Diese werden, genau wie die von Fauchard verwendeten Metallplättchen, nachdem die Kavität ringsum gesäubert wurde, in die Kavität gestopft und mit speziellen Instrumenten verdichtet. Nach der Aushärtung wird die Füllungsoberfläche noch geglättet. Bei Gold- oder Keramikfüllungen ist der Zahnarzt heute auf die Mitarbeit eines Zahntechnikers angewiesen. Bei Kompositfüllungen ist der 313 http://de.wikipedia.org/wiki/Zahnaufhellung 314 vgl. Reitemeier, Schwenzer, Ehrenfeld (2006), S. 3 315 vgl. Deutschen Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde (2010) 60 Arbeitsablauf etwas anders, da hier für das Aushärten des Komposits Blaulicht erforderlich ist. 4.2.3 Endodontie Von einzelnen Ereignissen abgesehen, beginnt die Geschichte der Endodontie im 18. Jahrhundert mit dem Buch “Le Chirurgien Dentiste” von Pierre Fauchard.316 Eine Wurzelkanalbehandlung, wie sie heute bekannt ist, war zu Fauchards Zeiten so noch nicht möglich. „Das Verdienst, das erste Aufbereitungsinstrument entwickelt zu haben, wird Edward Maynard zugeschrieben, der 1838 eine feine Uhrfeder zu einer Reibahle umfeilte. Durch das anbringen kleiner, koronalwärts gerichteter Einkerbungen an der Reibahle schuf Aufbereitungsinstrumente, er eine Röntgendiagnostik, Art Extirpationsnadel.“317 Desinfektion und Ohne entsprechende Füllungsmaterialien für die einzelnen Wurzelkanäle, sowie einen dichten Verschluss der Zahnkavität ist der Erfolg einer Wurzelkanalbehandlung, wie von Fauchard beschrieben, aus heutiger Sicht fragwürdig. Trotz seiner begrenzten Möglichkeiten scheut sich Fauchard nicht davor, alles zu versuchen, um einen zerstörten oder schmerzhaften Zahn zu retten und nicht wie seine Kollegen, direkt zur Zange zu greifen. Nach dem Kauterisieren mit einem Brenneisen legt er für einige Tage etwas in Zimtoder Nelkenessenz getränkte Baumwolle in den Kanal. Diesen füllt er anschließend mit Blei. 4.2.4 Parodontologie Fauchard begnügte sich damit alle Zahnfleischerkrankungen unter dem Namen Zahnfleischskorbut (Scharbock) zusammenzufassen. Heute werden, je nach Ätiologie, die Zahnfleischerkrankungen Gingivitis oder Parodontitis unterschieden.318 Es ist jedoch wichtig, zu erwähnen, dass mit dem Verständnis für Parodontalerkrankungen 316 vgl. Baumann S.2 317 Heidemann (2001), S. 81 318 Gängler (2005), S. 250 61 Fauchard seiner Zeit weit voraus war. Noch in der heutigen Zeit heißen Parodontopathien in Frankreich „maladie de Fauchard.“319 Als Ursache für Zahnfleischentzündungen nennt Fauchard neben Zahnstein noch Wurzelreste, die nicht entfernt worden sind, und kariöse Zähne. Um Zahnfleischentzündungen zu vermeiden, sei es erforderlich, Zahnstein und Wurzelreste zu entfernen, sowie kariöse Zähne zu versorgen. Heute sind noch eine Vielzahl weiterer Faktoren bekannt, die eine Zahnfleischentzündung negativ beeinflussen können. Diese werden in einem primären und einem sekundären Ursachenkomplex zusammengefasst. Zu den primären Ursachen zählen die schon oben erwähnten parodontalpathogenen Keime. Der sekundäre Ursachenkomplex umfasst Faktoren, welche die primären Ursachen beeinflussen können. Dies sind: Zahnanatomie, Zahnstellung, Mundatmung, Weichgewebe, Restaurationen, okklusale Kräfte, Ernährung, Speichel, Rauchen, Diabetes, Osteoporose sowie genetische Faktoren.320 4.2.5 Zahnärztliche Chirurgie Fauchards Schilderung der Abszessbehandlung entspricht im Großen und Ganzen dem heutigen Standard nur, dass zu der von ihm beschriebenen Inzision das Offenlassen der Wunde mit dem Einbringen einer Drainage für 3-5 Tage erleichtert wird.321 Eine Drainage verhindert eine Verklebung der Wundränder, welche zu einer Abflussbehinderung führen würde. Als Hilfsmittel für die Drainage kommen Gazestreifen, Gummilaschen sowie ein Gummi- oder Silikonrohr in Frage. Heute ist auch noch eine zusätzliche Antibiotikumbehandlug möglich. Dies ist aber nur bei einer allgemein sehr bedrohlichen oder lokal schwerwiegenden örtlichen Entzündung angezeigt.322 Eine Fistel tritt in der Zahnheilkunde „meist als Folge eines entzündlichen Prozesses an einer "vereiterten" Wurzelspitze (Granulom), Einlagerung von Fremdkörpern oder tiefer, entzündeter Zahnfleischtaschen auf. Nach Beseitigung der Ursache (z.B. Wurzelspitzenresektion, Entfernung des Zahnes) verschwinden Fisteln meist von allein; 319 vgl. Heckert (2006), S 28 320 vgl. Hellwig, Klimek, Attin (2003), S.351, 365 321 vgl. Schwenzer, Ehrenfeld, Allgemeine Chirurgie (2000), S. 123 322 vgl. Schwenzer, Ehrenfeld, Allgemeine Chirurgie (2000), S. 132-133 62 ansonsten chirurgisches Ausschneiden (Exzision); gelegentlich ist auch eine Verödung des Fistelganges (Mund-Antrum-Verbindung, "oroantrale Fistel") möglich – allerdings sind derartige Maßnahmen ohne Beseitigung der Ursache wenig erfolgversprechend.”323 Fauchards Behauptung, eine Fistel sei die Folge einer Nichtbehandlung von einem Abszesses ist richtig, denn „eine Zahnfleischfistel ist ein Zeichen eines chronischen Geschehens, meistens haben die Patienten einige Abszesse durchlebt, irgendwann organisiert sich das Entzündungsgeschehen und es bildet sich eine Zahnfleischfistel.“324 Fauchards Beschreibung, es wäre ausreichend die Öffnung der Fistel zu erweitern und diese auszustreichen, damit sie abheile solange der Verursacher kein kariöser Zahn ist, ist aber nicht ganz richtig. Um eine Fistel erfolgreich behandeln und eliminieren zu können, ist es unerlässlich, die richtige Ursache für ihre Entstehung zu diagnostizieren. 4.2.6 Implantologie „In der aktuellen Zahnheilkunde ist die Indikation für Reimplantationen auf die Zähne beschränkt, die durch ein Trauma oder eine irrtümliche bzw. unbeabsichtigte Extraktion aus ihrem Zahnfach luxiert wurden.“325 Fauchard beschreibt, dass er Zähne extrahiert, um diese von Karies zu befreien, und diese anschließend wieder reimplantiert. Wegen einer Kariesbehandlung werden heute keine Zähne mehr gezogen wohl aber, um einem Patienten eine Wurzelspitzenresektion zu ersparen. Dies ist indiziert, wenn Seitenzähne akut entzündet sind. Nach der Extraktion erfolgt die transalveoläre Entfernung von periapikalem Entzündungsgewebe bzw. die Zystektomie. Das an der Zahnwurzel befindliche Entzündungsgewebe wird extraoral, also unter Sicht entfernt. Anschließend wird die Zahnwurzel mit dem Diamanten reseziert, so dass die einzelnen Wurzelkanäle sichtbar werden. Nach der Aufbereitung der Kanäle mit dem Gates-Bohrer erfolgt das retrograde Abfüllen mit Guttapoint und Sealer. Dieser Vorgang erfolgt, während der Zahn durch die Extraktionszange gehalten wird. Nun kann der Zahn reimplantiert werden. Die Erfolgschancen, nach diesem Verfahren den Zahn zu behalten, sind besser als bei einer Wurzelspitzenresektion.326 323 de Cassan, (2010) 324 Dental News Team (2010) 325 Horch (2005), S. 234 326 vgl. Bertelsen (2008) 63 Heute ist bekannt, dass die Ursache, warum eine Reimplantation erfolgreich verlaufen kann, darin begründet ist, dass der Zahn in seinem Zahnfach durch sehr feine Sharpey’sche Fasern aufgehangen ist und diese wieder zusammenwachsen können. Diese „Fäden“ waren Fauchard jedoch auch schon bekannt. Er zitiert zu diesem Thema einen Zeitgenossen namens de la Hire, der kleine Fäden am Zahn beobachtete, „welche auf dem inwendigen Theile des Zahns mit ihren Wurzeln befestiget sind.“327 Fauchard machte für den Erfolg einer Reimplantation, neben der Beschaffenheit der Alveole den Zustand des Zahnfleisches, sowie die Zusammensetzung der Nahrung verantwortlich. Zur Stabilisation des reimplantierten Zahnes empfiehlt Fauchard einen Goldfaden. Dies wird heute mit Hilfe einer Aufbissschiene erreicht. 4.2.7 Prothetik „Man kann rationell die Geschichte des Zahnersatzes in zwei Perioden teilen: Vor Fauchard und nach ihm. Was vor dem 18. Jahrhunderte an Zahnersatz geleistet wurde, kann den Anspruch interessanter Kuriositäten machen, aber von einer Prothese in dem Sinne, daß auch nur die wichtigsten Funktionen der verloren gegangenen Teile ersetzt wurden, kann […] kaum gesprochen werden.“328 „Fauchards Verdienst auf zahntechnischem Gebiet kann darin gesehen werden, dass er die zahnärztliche Prothetik aus dem Bereich des Handwerks in die Zahnmedizin überführt hat. Seine prothetischen Zeichnungen und Stiche waren richtungsweisend und anregend.“329 „Besondere Aufmerksamkeit lässt er der Zahnersatzkunde zukommen. Er beschreibt individuelle Brücken, Teil- und Vollprothesen und verwendet als Material für künstliche Zähne Flusspferdzähne und Elfenbein. Er entwickelte Prothesen, die durch Stahlstreifen oder Spiralfedern gehalten wurden. Die Stahlfedern (ressorts d´acier) –bis dahin waren nur die gebrechlichen Fischbeinfedern bekannt – wurden von Fauchard als eigene Erfindung angemeldet. An Prothesen ließ er rosa Emaille aufbrennen, um sie natürlicher aussehen zu lassen und das Zahnfleisch anzudeuten.“330 Nicht alle Autoren sind der Überzeugung, dass die Totalprothese mit den Stahlfedern wirklich Fauchards Erfindung sei. Dass er seine Konstruktion zum Patent anmeldete 327 Fauchard, Band 1 (1733), S. 105 328 Heller (1907), S. 2 329 Will (2002), S. 12 64 wundert, „denn diese „Federgelenkkonstruktion“ war schon mindestens seit dem 16. Jahrhundert gebräuchlich, wie Grabfunde ergaben.“331 Dennoch der zahnärztlichen „Prothetik verhalf er mit neuartigen Konstruktionsprinzipien zu einem wesentlichen Aufschwung: Er führte einen totalen oberen Zahnersatz ein, der sich mittels Federn am Unterkiefer abstützte und somit nicht allein – wie bis dahin üblich – ästhetischen sondern auch funkt. Anforderungen genügte.“332 Fauchards Werk enthält genaue Anleitungen und Illustrationen für die Herstellung von Zahnersatz. Die erste wirklich brauchbare Methode, eine Prothese an einem zahnlosen Kiefer anzubringen, wurde von ihm entwickelt.333 „Die ersten Kunststoffprothesen wurden im Jahre 1847 vom amerikanischen Zahnarzt Thomas W. Evans aus vulkanisiertem Naturkautschuk gefertigt“334, so dass Fauchard dieses bis heute verwendete Material, noch nicht zur Verfügung stand. Um einen gewissen Halt der schweren Metallprothesen zu erreichen, verwendete Fauchard Federn an den von ihm hergestellten Prothesen. Da es ihm nicht möglich war, mit seiner Konstruktion am Gaumen einen Unterdruck und somit eine Saugwirkung zu erzielen, behalf er sich, indem er die Ober- und Unterkieferprothese miteinander verband. Dies führte zu mehr Stabilität seiner „Maschine“. Dies ist heute nicht mehr notwendig, da die leichten Materialien (Kunststoffbasis und -zähne) sowie wenn nötig Haftcreme für ausreichende Stabilität der Prothesen sorgen. Fauchard ist so von seiner Erfindung überzeugt, dass er sogar behauptet, die Patienten würden sich so an seine Prothese gewöhnen, dass sie vergessen, dass es nicht mehr ihre eigenen Zähne sind, die sie benutzen.335 Dieses Wunschdenken der Zahnärzte wird leider auch heute noch in den seltensten Fällen (eigentlich gar nicht) erfüllt. Fauchards Behauptung ist umso fragwürdiger, je mehr bedacht wird, was für primitive Mittel ihm für die Prothesenherstellung zur Verfügung standen. Erst 1756 beschrieb Philipp Pfaff erstmalig in seinem Buch „Abhandlung von den Zähnen des menschlichen Körpers und deren Krankheiten“ die Abdrucknahme vom Kiefer (mit Wachs), die Bissnahme (zur Berücksichtigung der Okklusionsstellung) und die Gipsmodellherstellung. „Damit kann 330 Heckert (2006), S 28 331 Will (2002), S. 11 332 Gerabek, (2005), S. 392 333 vgl. Papadomanolaki (2007), S. 5 334 Tai, Strauch (2010) 335 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 239 65 erstmals ein den Kieferverhältnissen entsprechender abnehmbarer Zahnersatz hergestellt werden.“336 Fauchard dokumentierte erstmals die Möglichkeit der Verankerung von Zahnersatz unter Nutzung der Zahnwurzel, in dem er die Wurzeln, nach der Extirpation der Pulpa, mit Blei füllt und anschließend künstliche Zähne daran verankert. Als Erster beschrieb er in seinem Werk die Herstellung von Stiftzähnen, wobei er sich hierbei von den damals gängigen Methoden abhob. Die damals üblichen Werkstoffe für Zahnersatz waren vor allem menschliche Zähne von Verstorbenen, sowie Tierknochen oder Elfenbein. Diese wurden anschließend mit Golddrahtligaturen im Mund der Patienten fixiert. Eine Neuerung stellte Fauchard mit der Herstellung von Stiftzähnen vor. Mit Retentionen versehene Metallstifte aus Gold und Silber wurden dabei mit Hilfe einer Kittmasse an gekürzten menschlichen Zähnen befestigt, welche dann mit Naturstoffen wie Hanf oder Flachs im Wurzelkanal der Patienten verankert wurden.337 Bis dahin war es üblich, Stifte aus Holz zu verwenden. Diese nahmen mit der Zeit Speichel auf, wodurch sie sich ausdehnten und so zu einer Sprengung der Zahnwurzel führen konnten. Fauchard bekräftigt, dass die mit einem Wurzelstift versorgten Zähne bis zu 20 Jahre im Mund ihre Funktion erfüllen können. Da zu Fauchards Zeit noch keine dichte Wurzelfüllung möglich war, die aber für eine erfolgreiche Stiftversorgung unabdingbar ist, kann dies bezweifelt werden. „Heute werden stabile Stiftsysteme verwendet, die mit unterschiedlichen Materialien im Wurzelkanal des endodontisch behandelten Zahnes befestigt werden, wodurch ein schneller Verlust des Stumpfaufbaus und damit der künstlichen Krone verhindert werden soll. Nach dem Retentionsprinzip werden zwei Gruppen von Stiftsystemen unterschieden: 1. Schrauben mit aktiver Retention 2. Stifte mit passiver Retention Die Stiftsysteme, die nach dem passiven Retentionsprinzip im Wurzelkanal mit Hilfe von verschiedenen Zementen befestigt werden, unterscheiden sich untereinander in ihrer Form, Dicke, Beschaffenheit der Oberfläche und dem Material.“338 336 337 Reitemeier, Schwenzer, Ehrenfeld (2006), S. 3 vgl. Zesewitz (2007), S.6 66 Fauchards Bestreben die Natur möglichst nachzuahmen und so natürlich aussehenden Zahnersatz zu schaffen, hat bis heute Bestand. Denn das natürliche Aussehen hat eine hohe Priorität. Zahnfarbener Zahnersatz, sei er mit Hilfe von Kunststoff oder Keramik hergestellt, ist für uns selbstverständlich. Wenn der Zahnarzt und der Zahntechniker gute Arbeit leisten, ist der Zahnersatz von den natürlichen Zähnen heute kaum noch zu unterscheiden. „Die dentalkeramische Entwicklung geht erstmalig auf Fauchard zurück, der bereits 1728 versuchte, metallische Gegenstände durch Emaillieren zu verschönern.“339 Er ist es, der erstmals Gold und Silberzähne emailliert. In seinem Werk beschreibt er die hierfür notwendigen Arbeitsschritte, sowohl für den Behandler als auch für den Schmelzarbeiter (heute für den Zahntechniker) ganz genau. Fauchard beschreibt „mehrere Obturatoren, deren Mechanismus sehr sinnreich ist, und an Werth alle Vorigen weit überwiegt.“340 Da die Schwammobturatoren sich durch Schwellung noch erweiterten und so auch die Perforation erweiterten, ersetzte Fauchard diese mit Obturatoren aus Gold oder Silber, um Gaumenperforationen zu verschließen. Da die beschriebenen Uhrmacherkonstruktionen zu schwer und kompliziert waren, vermochten sie sich nicht durchzusetzen.341 „Die Effizienz der Herstellung der Obturatoren verbesserte sich anschließend bis Ende des 19. Jahrhunderts stark, wobei nach der Erfindung der Vulkanisation des Kautschuks durch Goodyear (1855) endlich ein plastisch verformbares und härteres Material zur Verfügung stand. Der Ersatz aus vulkanisiertem Kautschuk gewann dadurch mehr und mehr eine dominierende Rolle in der Prothetik und Defektprothetik. Gleichzeitig unternommene Versuche, Porzellan zu verwenden, kamen gegen den Kautschuk nicht an und blieben Einzelleistungen [Proskauer 1962]. Erst die Einführung des polymerisierbaren Methacrylsäuremethylesters 1941 brachte den Durchbruch in der Defektprothetik [Gabbert 1941] zu den heute noch verwendeten Materialien wie zunächst Polyvinylchloride (PVC) und später Polymethylmetacrylate (PMMA) und Silikone.“342 338 Widera (2004), S. 1 339 Geist (2009), S. 12 340 Renard (1882), S. 278 341 vgl. Meißner (2004), S. 6 342 Lind (2009), S. 5 67 4.2.8 Kieferorthopädie Pierre Fauchard gilt heute als Vater der Kieferorthopädie. Zwar wurden schon vor ihm Zahnfehlstellungen durch das Bewegen einzelner Zähne korrigiert, jedoch war Fauchard der Erste, der seine Beobachtungen schriftlich und graphisch dargestellt festhielt.343 In seinem Werk schreibt er „über irregulär stehende Zähne mit Hinweisen auf die Ätiologie der Fehlentwicklung.“344 Vor seiner Zeit war es nicht üblich, eine Zahnextraktion allein aus kieferorthopädischen Gründen vorzunehmen. „Erst 1728 beschrieb Fauchard die Entfernung bleibender Zähne als Regulierungsmaßnahme.“345 „Mit dem Geraderichten der Zähne scheint der Verffasser sich viel beschäftigt zu haben, und er gibt darin sehr gute Lehren.“346 Bei größeren Fehlstellungen benutzte Fauchard unter Anderem einen Pelikan (eigentlich ein Instrument zum Extrahieren), um größere kurzzeitige Kräfte ausüben zu können. Diese Behandlungsmethode wird heute „Redressment force“ genannt und das von Fauchard beschriebene, approximale Feilen der Zähne zur Platzgewinnung, „interapproximales Polishing“. Anschließend fixierte Fauchard die so behandelten Zähne an ihren Nachbarn. Neben dieser schnellen Methode beschreibt er auch die langsame Methode, bei der mit Zahnligaturen aus Fäden, befestigt an Platten und Edelmetallbändern Zähne bewegt wurden. Seine Zahnspange war ein gebogener Metallstreifen, der an den Zähnen mit Draht fixiert wurde. Dabei bediente er sich Fäden und dünner Plättchen oder Streifen aus Gold bzw. Silber, um Kräfte auf die Zähne zu übertragen. Fauchard verwendete auch geschnitztes Elfenbein als kieferorthopädisches Gerät (z.B. für den Labialbogen). Er versäumt es, zu erwähnen, dass Zahnstellungsänderungen in vielen Fällen dazu führen können, dass die Okklusion nicht mehr stimmt, selbst wenn nur ein einzelner Zahn bewegt wurde. Seit dieser Zeit haben sich die Behandlungsmethoden wesentlich verändert. In der modernen kieferorthopädischen Praxis haben die Multibandapparaturen neben den funktionskieferorthopädischen Geräten ihren festen Platz erworben. Dennoch werden die von Fauchard schon angewandten Behandlungsmethoden auch heute noch angewandt, wobei sie „spannendere“ Bezeichnungen erhalten haben. 343 344 345 346 vgl. Ring (1997) Diedrich, Band 1 (2000), S. 3 Kahl-Nieke (2010), S. 295 Linderer (1851), S. 394 68 „Fauchard wird von fast allen Autoren als erster Schöpfer einer Apparatur erwähnt, welche die Aufgabe hatte, die Zahnstellungen zu verändern. Die Zähne wurden durch Ligaturen an einen Außenbogen herangezogen und somit in eine regelrechte Zahnreihe eingeordnet. Der Hauptzweck dieser Konstruktion war die Erweiterung des Zahnbogens und sie wurde aus diesem Grund als Expansionsbogen bezeichnet.“347 Fauchards Behandlungsmethoden setzten sich im Allgemeinen durch und behielten nahezu ein Jahrhundert ihre Gültigkeit, denn die Zeitgenossen und Nachfolger Fauchards begnügten sich lediglich damit, seine Methoden mit nur geringen Modifikationen und Erweiterungen anzuwenden. 348 4.2.9 Kinderzahnheilkunde Da das Zahnen vielen Kindern Probleme bereitet, hat die heutige Industrie eine Vielzahl von Beißringen aus unterschiedlichsten Materialien auf den Markt gebracht, um diese Beschwerden etwas zu lindern. Die Kinder auf Wolfzähnen, wie von Fauchard empfohlen, beißen zu lassen, erscheint jedoch aus heutiger Sicht undenkbar, obwohl dies seinen Zweck wahrscheinlich auch erfüllte. 4.2.10 Schmerzursache und Therapie „Bezeichnend ist, daß Fauchard zwar das Stichwort „Zahnschmerz“ im Register aufführt, aber diesen nicht, wie bis dahin meist üblich, in einem eigenen Kapitel abhandelt. Der Schmerz verliert damit seine Wesenheit, ist nicht mehr Entität, der die unterschiedlichsten Bedeutungen (Folge der Sünde, Schwäche der menschlichen Natur) zugemessen werden kann. Er ist nur noch ein Symptom, das krankhafte Veränderung im Körper anzeigt und durch eine angemessene, verschwindet.“349 347 Schmeil, Hirschfelder (2004), S. 11 348 vgl. Möller (2002), S. 7 349 Jütte (1997), S.52 69 spezifische Therapie wieder Da es zur Einführung schmerzausschaltender Verfahren wie Äther-Narkose, Lachgas oder der Lokalanästhesie erst Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts kam,350 war eine Zahnbehandlung zu Fauchards Zeit mit großen Schmerzen verbunden. Fauchard versuchte, durch die richtige Diagnose, seinen Patienten von den Schmerzen zu befreien. Aus diesem Grund definierte er 103 Krankheiten in der Mundhöhle und gab Mittel an, um diese zu behandeln und begnügte sich nicht damit, wie seine Zeitgenossen, schmerzende Zähne einfach zu ziehen. 4.3 Dem heutigen Standard entsprechende Erkenntnisse Fauchard gilt nicht zufällig bis heute als der Urvater der Zahnmedizin, denn „viele seiner neuen Ideen und Methoden wurden weiterentwickelt und haben über nun schon fast dreihundert Jahre ihre Aktualität behalten.“351 Ihm ist es hauptsächlich zu verdanken, dass es den heute bekannten Berufsstand des Zahnmediziners überhaupt gibt, da „er die Lösung der Zahnheilkunde von der Chirurgie vorantrieb und damit wesentlich zur Entstehung des eigenständigen Berufes „Zahnarzt“ beitrug.“352 Es ist heute selbstverständlich, dass alle Neuentdeckungen in allen Bereichen der Wissenschaft publiziert werden. Keiner behält sein Wissen für sich, wie es zu Fauchards Zeiten zur üblichen Praxis gehörte. Die Veröffentlichung des eigenen Wissens durch Fauchard führte dazu, dass er durch seine Schriften schon zu Lebzeiten hohen Bekanntheitsgrad und Anerkennung erlangte. Dies strebt ein Großteil der Wissenschaftler auch heute an. Fauchard scheut sich nicht, zuzugeben, auch mal Hilfe in Anspruch genommen zu haben. So bspw. von Chirurgen, wenn er bei einer schwierigen Extraktion nicht weiter wusste, oder von Schmelzarbeitern, die ihm halfen den Zahnschmelz auf das Zahngerüst aus Metall aufzubrennen. Fauchard versäumt es auch nicht, seine Helfer bei der Erstellung der Obturatoren lobend zu erwähnen: „so traf ich endlich zu gutem Glücke so gescheite und geschickte Künstler an, welche den Entwurf, den ich davon gemachet hatte, nachmachen, und diesen letzten Gaumenstopfer ausarbeiten konten.“353 Heute 350 Jöhren, Sartory (2002), S. 12 351 Neddermeyer, Uwe (2001), S. 328 352 Neddermeyer, Uwe (2001), S. 328 353 Fauchard, Band 2 (1733), S. 279-280 70 arbeitet jeder Zahnarzt mit Zahntechnikern und Kieferchirurgen zusammen. Ohne diese Zusammenarbeit wäre die Arbeit in den heutigen Zahnarztpraxen undenkbar. 4.3.1 Prophylaxe Die moderne Zahnmedizin hat als Hauptaufgabe die Erhaltung der primären oralen Gesundheit. Die Notwendigkeit der richtigen Mundhygiene ist unumgänglich, um Zähne und Zahnfleisch bis ins hohe Alter ästhetisch schön und gesund zu erhalten. Deswegen appelliert Fauchard auch immer wieder in seinem Werk an seine Leser, mehr Wert auf die eigene Mundhygiene zu legen, genauso wie die heutigen Zahnärzte nicht müde werden, ihren Patienten die Bedeutung der Mundhygiene wiederholt zu verdeutlichen. Obwohl die Zahnpflegeindustrie ständig neue Produkte auf den Markt bringt, welche die Zahnhygiene erleichtern sollen (wie z.B. elektrische Zahnbürsten, Zahnseide, Mundspüllösungen usw.) ist es bis heute nicht gelungen, eine kariesfreie Gesellschaft zu schaffen. Dies liegt wohl daran, dass viele Patienten zu bequem sind, um trotz der Hilfsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen, die notwendige Zeit und Energie in die richtige Zahnpflege zu investieren. Fauchard erkennt, dass der gleichzeitige Genuss von kalten und heißen Speisen eine Gefahr für die Zähne darstellen und zu kleinen Rissen am Zahnschmelz führen kann. 4.3.2 Füllungstherapie Fauchard beobachtet richtig, dass Quecksilber sich negativ auf das Zahnfleisch auswirkt. Aufgrund seiner Toxizität wird Amalgam immer häufiger durch geeignetere Füllungsmaterialien wie Gold, Komposit oder Keramik ersetzt, was auch mit einem ästhetisch schöneren Ergebnis einhergeht. 4.3.3 Kariologie „Die konservierende Behandlung mit dem Ziel der Zahnerhaltung wird seit dem 18. Jahrhundert zum festen Bestandteil der zahnärztlichen Therapie.“354 354 Reitemeier, Schwenzer, Ehrenfeld (2006), S. 3 71 Trotz der schädlichen Wirkung von Zucker auf die Zähne verlangt Fauchard nicht den vollkommenen Verzicht auf diesen, sondern befürwortet einen Genuss in Maßen. Eine Forderung auf den vollkommenen Verzicht von Zucker wäre nicht nur utopisch sondern auch nicht notwendig, da sich gezeigt hat, dass sich nicht die Zuckermenge, sondern die Häufigkeit des Zuckerkonsums schädlich auf die Zähne auswirkt.355 Auch seine Empfehlung, den Mundraum nach dem Zuckerkonsum mit Wasser auszuspülen, ist sehr vernünftig, denn dadurch nimmt die Menge des Zuckers etwas ab, die den Kariesprozess beeinflusst. Natürlich kann diese Maßnahme nicht als Ersatz für eine vernünftige Mundhygiene mit Zahnbürste und Zahnpasta angesehen werden. Fauchard erkannte schon damals die Nachteile der Kneifzange richtig (Zersplitterung des Zahnes, Verletzung der Zahnpulpa) und plädierte dafür, diese nicht mehr zu benutzen. Heute würde wahrscheinlich kein Zahnarzt auf die Idee kommen, Zähne mit einer Kneifzange zu kürzen. Fauchard scheut sich nicht davor, wenn er „mit seinem Latein am Ende ist“, z.B. bei einer Abszessbehandlung, seine Kollegen, die eine chirurgische Ausbildung genossen haben und somit erfahrener auf diesem Gebiet sind, zu Rate zu ziehen. Er rät seinen Kollegen, ihm dies gleich zu tun. Heute ist es selbstverständlich, dass Patienten, falls erforderlich, zu Fachärzten überwiesen werden, um so die best mögliche Betreuung zu erhalten. „Gesundes Zahnfleisch ist und bleibt das beste Fundament für gesunde Zähne ebenso wie für künstlichen Zahnersatz.“356 Genau diese Ansicht vertrat auch Fauchard und erwähnte zusätzlich, wie viel auch das Aussehen des Zahnfleisches zum Gesamtaussehen eines Gesichtes beiträgt. 4.3.4 Extraktion „Die Zahnentfernung als einfache Extraktion eines nicht erhaltungswürdigen Zahnes, als operative Entfernung tief kariös zerstörter Zähne, frakturierter Zahnwurzelteile oder 355 vgl. Hellwig, Klimek, Attin (2003), S. 20 356 Andreae-Noris Zahn AG (ANZAG), (2006) 72 als Osteotomie von verlagerten und retinierten Zähnen ist weltweit die häufigste operative Tätigkeit in den Zahnarztpraxen.“357 Da die konservierende Zahnheilkunde zu Fauchards Zeit noch eine untergeordnete Rolle spielte, sind viele Zähne der Zange zum Opfer gefallen. Aus diesem Grund verwendete Fauchard viel Zeit darauf, Instrumente zu verbessern oder neu zu entwickeln, die seine Arbeit auch auf diesem Gebiet der Zahnheilkunde verbesserten. Es war aber stets Fauchards Bestreben, möglichst viele Zähne so lange wie nur möglich zu erhalten. Das heutige Grundinstrumentarium bei einer Zahnextraktion besteht aus Spiegel, Pinzette, Hebel, Zange, scharfem Löffel, Knochenzange und stumpfer Sonde zur Kieferhöhlendiagnostik.358 Es wird deutlich, dass der von Fauchard oft benutzte und weiterentwickelte Pelican ausgedient hat, obwohl er „an seinem Pelican die Verbesserung angebracht [hatte], dass die Stützfläche des Hebels nicht ausgezackt, sondern sogar, um die Verletzung des Zahnfleisches zu verhüten, gepolstert“359 war. Fauchard benutzte auch schon für unterschiedliche Zahngruppen verschieden gestaltete Zangen. Nach der Extraktion empfiehlt Fauchard eine anschließende Kompression der Alveole, um Nachblutungen zu verhindern. Dies entspricht auch der heutigen Empfehlung.360 4.3.5 Prothetik Fauchard war auch der Erfinder der falschen Zähne oder Prothesen: Auf die Wurzeln kaputter Zähne setzte er Stiftzähne und als Zahnersatz modellierte er künstliche, herausnehmbare Gebisse. Von diesen Erfindungen profitiert die Zahnmedizin noch heute. 357 Schwenzer, Ehrenfeld, Zahnärztliche Chirurgie (2000), S. 35 358 vgl. Schwenzer, Ehrenfeld, Zahnärztliche Chirurgie (2000), S. 38 359 360 Rust (1831), S.710 vgl. Schwenzer, Ehrenfeld, Zahnärztliche Chirurgie (2000), S. 46 73 4.3.6 Kinderzahnheilkunde Fauchard „widerlegt die Meinung, dass die Milchzähne keine Wurzel haben“361, und kritisiert gleichzeitig seine Kollegen, die das Gegenteil behaupten und dies nur aufgrund einer fehlenden Erklärung für das Verschwinden der Wurzel der Milchzähne. Dass die Milchzähne eine Wurzel haben, ist heute dank der Röntgenaufnahme leicht, auch ohne Extraktion, nachzuweisen. 4.3.7 Zusammenhang systemischer und lokaler Erkrankungen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Diabetes Atemwegserkrankungen, Erkrankungen des Zusammenhänge Haltevon und mellitus, Magen- und Stützapparates Erkrankungen im rheumatische Darmerkrankungen sollen Zahn- Erkrankungen, hier und sowie beispielhaft Mundbereich für mit allgemeinmedizinischen Erkrankungen genannt werden.362 Diese Aufzählung ergänzt die von Fauchard erwähnte Beeinflussung der Sprache und des Gesichtsausdrucks durch erkrankte Zähne. Fauchard nennt neben verschiedenen Gründen zur Entfernung eines Zahnes auch Allgemeinkrankheiten. „Bei ihm ist in Hinblick auf mögliche Ursachen des Zahnschmerzes kaum noch von „Flüssen“ und „Kongestionen“ die Rede. Wenn ein Patient sich über Zahnschmerzen beklagt, achtet er nicht mehr in erster Linie auf dessen „Vollblütigkeit“ oder besondere körperliche Konstitution. Statt dessen gilt seine Aufmerksamkeit der Mundhöhle. Krankheitswesenheiten“[...] Das Feststellen von „allgemeinen macht also einer „Lokalisierung“ der Krankheit Platz.“363 Fauchard verweist darauf, dass es wichtig sei, Erkrankungen in der Mündhöhle zu behandeln, bevor diese „zu anderen Krankheiten von verschiedenen Arten ausschlagen.“364 Es war zwar Fauchard, der erstmals darauf hinwies, dass Erkrankungen der Zähne und des Zahnfleisches Einfluss auf die verschiedensten anderen Erkrankungen haben 361 Von Lunkaszprie, Band 1 (1831), S. 71 362 vgl. Dohlus (2009) 363 Jütte (1997) S.51 364 Fauchard, Band 1 (1733), S. 122 74 könnten. „Allerdings hatten sich diese Anschauungen allgemein nicht durchsetzen können. Erst durch die Veröffentlichungen und den Vortrag von Pässler auf dem Kongress für Innere Medizin 1909 in Wiesbaden wurden diese Zusammenhänge einem größeren Kreis von Ärzten nahe gebracht. Pässler prägte damals den Begriff der Herdinfektion“365 4.3.8 Ergonomie „Die Ergonomie ist die Wissenschaft von der Gesetzmäßigkeit menschlicher Arbeit.“366 „Zahnärzte klagen häufiger als andere Berufsgruppen über Rückenprobleme.“367 „Nicht selten sind eine fehlerhafte Lagerung des Patienten oder ein falsch eingespieltes Behandlungsritual zwischen Behandler und Assistenz sowie unphysiologisch gestaltete Möbel Mitverursacher für diese Probleme.“368 Heute wird auf die Lagerung der Patienten, sowie auf die Position des Behandlers sehr hoher Wert gelegt. Eine liegende oder sitzende Behandlungsposition (je nach Quadranten) ist nicht nur für den Patienten bequemer und entspannender, sondern führt zu einer günstigeren Behandlungsposition auch für den Zahnarzt. Es wurde festgestellt, dass die Gesundheit des Zahnarztes weitgehend von seiner Arbeitshaltung abhängig ist. Vor Fauchards Zeit war es üblich, dass der Zahnreißer hinter dem Patienten stand während dieser auf dem Boden saß. „Das Sitzen des Patienten auf der Erde beim Zahnausziehen erklärt er für höchst unschicklich und ganz verwerflich; er lässt seine Kranken dabei sich des Lehnstuhles, des Sopha`s oder des Bettes bedienen.“369 Es ist also Fauchard zu verdanken, dass die Patienten heute auf einem bequemen Stuhl und nicht auf dem Boden Platz nehmen dürfen und dass der Zahnarzt und der Patient sich während der Behandlung gegenübersitzen.370 365 Thielemann (1967), S.228 366 http://de.wikipedia.org/wiki/Ergonomie 367 Neddermeyer, Wolf (2002), Seite 36 368 Neddermeyer, Wolf.(2002), Seite 36 369 370 Von Lunkaszprie, Band 1 (1831), S.67 Jöhren, Sartory (2002), S. 11-12 75 5. Diskussion Aus den vorrausgegangenen Seiten wird deutlich, über welches Wissen Fauchard bereits vor fast 300 Jahren verfügte. Obwohl sich seit seiner Zeit einiges im Bereich der Zahnmedizin getan hat, und einige wissenschaftliche Beweise erbracht worden sind, welche seine Theorien widerlegen, nimmt sein Werk doch vieles vorweg, was erst in der jüngeren Vergangenheit verwirklicht oder bewiesen wurde. Mit einigen seiner Annahmen hat er sogar über die Jahre hinweg bis in die heutige Zeit Recht behalten. Die Aussage, dass die Zahnmedizin seit Pierre Fauchard eine selbständige Entwicklung genommen hat371 und er in nahezu allen Publikationen über die Zahnmedizin als der Urvater der Zahnheilkunde bezeichnet wird, ist nach dem eingehendem Studium seines Werkes und den Auswirkungen desselben auf den Berufsstand des Zahnarztes, mehr als nachvollziehbar. „Kein anderer Arzt hat die Zahnmedizin so entwickelt und erforscht wie Fauchard (1678-1761). [...] Er stiess praktisch alle bestehenden Theorien und Praktiken um, dazu erzürnte er die Zunft der Zahnzieher, die ihre Praktiken als geheime Heillehre verkauften. Fauchard prägte den Begriff Zahnarzt als Beruf.“372 „Fauchards Verdienst ist die Trennung der Zahnheilkunde von dem großen Gebiet der Chirurgie. Durch ihn entstand ein eigenständiger Beruf mit fest umrissenen Aufgaben und Leistungen. Der Begriff „Chirurgien dentiste“ (so heißen noch heute die Zahnärzte in Frankreich) wurde von ihm geprägt. Die Bedeutung seiner Schriften lässt sich nicht hoch genug bewerten. Damit wurde das Zeitalter einer selbstständigen zahnärztlichen Wissenschaft begonnen.“373 Joseph Linderer teilt die Zahnmedizin 1848, also fast 100 Jahre nach Fauchards Tod, in zwei Teile: „Von Ryff bis Fauchard (1545-1728)“ und „Von Fauchard bis jetzt (17281847).“374 Er schreibt: „Es bildeten sich allmählich mehr oder weniger gute Zahnärzte aus, doch hat man keine näheren Nachrichten drüber, so dass man durch das plötzliche Erscheinen eines für damalige Zeiten vorzüglichen Werkes, das von Peter Fauchard, 371 vgl. Buchheim (1961), S. 1354 -1356 372 Benz, Teil 1, S. 32 373 Heckert (2006), S 29 374 Linderer (1848), S. 425, 419 76 überrascht wird.“375 Fauchard hob mit seinem „über 800 Seiten starken Lehrbuch die Zahnheilkunde auf ein bis dahin unerreichtes theoretisches Niveau“.376 Abbildung 9: französische Original-Ausgabe des Werks von Pierre Fauchard377 Fauchard scheint die Bedeutung seines Werkes zu erkennen, denn mit stolzer Sicherheit ließ er unter ein in seinem Werk abgebildetes Portrait vier lateinische Verszeilen setzen, deren Übersetzung aus der deutschen Ausgabe des Jahres 1733 lautet: „Indem Herr FAUCHARD sucht der Zähne Heil und Zier Mit weiser Hand und Kiel in Sicherheit zu setzen, So kann der tolle Zahn des Neids ihn nicht verletzen Es weiß sein edler Muht auch hier wol Mittel für.“ In seinem Buch behandelt Fauchard alle Themen der Zahnheilkunde, angefangen von der Anatomie der Zähne über die Prophylaxe, die konservierende Zahnheilkunde, die Parodontologie, die zahnärztliche Chirurgie, die Prothetik und die Kieferorthopädie bis hin zur Kinderzahnheilkunde. „In zwei Bänden und insgesamt 64 Kapiteln bot Fauchard 375 Linderer (1848), S.424 376 Lindner, (2005) 377 http://www.aphp.fr/site/diaporamas/collection_art_dentaire/images/15.jpg 77 das gesamte Spektrum der Zahnheilkunde, auf dem Wissensstand seiner Zeit dar.“378 Im ersten Band beschreibt er über 500 Krankheiten der Zähne und ihre Behandlungsmethoden. Im zweiten, reich illustrierten Band beschreibt er die operativen Eingriffe, Prothesen und die zahnmedizinischen Geräte. Fauchard fasste also nicht nur das gesamte zahnmedizinische Wissen der westlichen Welt zu seiner Zeit zusammen, sondern systematisierte dieses auch. Besonders anzuerkennen ist, dass Fauchard seine Methoden und Instrumente nicht geheim hielt, wie es sonst unter den Zahnheilkundlern der Zeit üblich war. Er erstellte genaueste Zeichnungen der Instrumente und beschrieb seine Operationstechniken und Behandlungsmethoden sehr akribisch. Unter Berücksichtigung der primitiven Verhältnisse in denen die Zahnärzte jener Zeit wirken mussten, ist nachvollziehbar wie wichtig Beschreibungen von Körperposition des Patienten und Haltung des behandelnden Zahnarztes waren. Es gab noch keine Anästhesie, weshalb die Behandlung mit möglichst geringer Dauer erfolgen musste. „Fauchards Ruf als Zahnchirurg war für die Konkurrenz so zwingend, dass sich nun etliche Kollegen veranlasst sahen, ebenfalls ihre Methoden zu publizieren. Damit ging die alte Geheimniskrämerei um spezielle Behandlungsmethoden langsam zu Ende und die Zahnmedizin begann innerhalb der Chirurgie ein stärkeres Eigenleben zu entwickeln.“379 Dadurch erreichte Pierre Fauchard, dass auch andere ihre eigenen Methoden veröffentlichten und es zu einem stärkeren Wissensaustausch kommen konnte. Er plädierte dafür, dass geheime Methoden in allen Einzelheiten offengelegt werden sollten, damit die Ergebnisse geprüft und von anderen nutzbar gemacht werden konnten. „Sein intern. Erfolg und die rasche Verbreitung seiner Schriften lösten insbes. bei seinen Pariser Kollegen (Etienne Bourdet, Robert Bunon, Claude Geraudly, Luise Lecluse, Claude Mouton) eine rege Publikationstätigkeit aus und trugen so mittelbar zu einer weiteren Aufwärtsentw. der zeitgenöss. Odontol. bei.“380 Selbst vor Abrechnungsbetrug hat Fauchard bereits gewarnt, da einige Scharlatane Zinnfolien mit Safran goldgelb einfärbten und den Patienten den Preis für Zahngold abverlangten, bevor sie das Weite suchten. Leider ist Abrechnungsbetrug sogar heute noch in manchen Zahnarztpraxen ein Thema, obwohl sich viele Patienten zu unserer 378 Gerabek (2005), S.392 379 Morawetz, (2001), Seite 64 78 Zeit, dank Internet und Informationsbroschüren, schon vor der Zahnarztbehandlung umfangreich informieren können. Auch mehr als 300 Jahre nach seinem Tod gerät Fauchard nicht in Vergessenheit. 1961 erinnerte eine Briefmarke aus Frankreich an seinen 200sten Todestag. 1971 wurde in den USA eine Silbermedaille mit Fauchard als Motiv geprägt. 381 Abbildung 10: französische Briefmarke aus dem Jahr 1961382 sowie US-amerikanische Silbermedaille aus dem Jahr 1971383 In den USA gibt es sogar eine nach ihm benannte Akademie. In Paris gibt es ein zahnärztliches Museum, das nach Pierre Fauchard benannt ist: Musée Pierre Fauchard Musée d'Art Dentaire. „Im Jahr 1734 wurde das Anwesen von Pierre Fauchard gekauft. Im Jahre 1788 ist die erste Gemeindeversammlung in Position gehalten. Im Jahr 1954 installiert die Abteilung ein Hospiz. Das Schloss ist heute ein Nebengebäude des Krankenhauses Orsay.“384 380 Gerabek (2005), S. 392 381 Heckert (2006), S 25 382 http://www.lemarchedutimbre.com/image_timbre/61/612352.jpg 383 http://timbreetdent.free.fr/Jeton/fauchard-recto-th.jpg 384 https://www.france-voyage.com/de/ 79 6. Zusammenfassung Ziel dieser Dissertation ist es, in Pierre Fauchards Werk „Französischer Zahn-Arzt, oder Tractat von den Zähnen“ die Einzelnen zahnmedizinischen Fachgebiete zu eruieren und seine Erkenntnisse im einzelnen daraufhin zu untersuchen, inwieweit diese heute als überholt gelten, den heutigen Standard beeinflussten oder diesem sogar heute immer noch entsprechen. Fauchards Erkenntnisse wurden in dieser Arbeit in zwei Gruppen eingeteilt. Zunächst erfolgt die Beschreibung der zahnmedizinischen Aspekte, wobei diese in den sieben Hauptfachrichtungen der Zahnmedizin – Prophylaxe, konservierende Zahnheilkunde, Parodontologie, zahnärztliche Chirurgie, Prothetik, Kieferorthopädie und Kinderzahnheilkunde – zusammengefasst werden. Die Fachrichtung konservierende Zahnheilkunde wird weiter in die Nebenfächer Kariologie und Füllungstherapie sowie Endodontie und die ahnärztliche Chirurgie in die Nebenfächer Extraktion und Implantologie unterteilt. Als Nächstes erfolgt die Beschreibung der fachübergreifenden Aspekte, welche sich unterteilen in Schmerzursache und Therapie, Zusammenhang systemischer und lokaler Erkrankungen sowie Ergonomie. Fauchard ermutigte nicht nur seine Kollegen „neue Weisen zu operieren zu erfinden, aus welchen die Welt grossen Vortheil ziehen kan“385, sondern ging mit einem guten Beispiel voran und sorgte selbst durch zahlreiche eigene Erfindungen dafür, dass sogar die heutige Zahnmedizin, fast 300 Jahre nach seinem Tod, teilweise noch von diesen profitiert. Es ist ein großes Anliegen des Autors, seinen Lesern die besondere Bedeutung der richtigen Zahnprophylaxe zu verdeutlichen, denn ohne „einer Behutsamkeit und besonderen Sorgfalt“386 sei es nicht möglich, seine Zähne bis zum hohen Alter gesund zu erhalten. Er kritisiert die „Nachlässigkeit und Unreinlichkeit“387 seiner Patienten, die dazu führen würde, dass sie neben Karies auch Mundgeruch hätten. Er verweist auf die Gefahren von Zucker- und Tabakkonsum für die Zähne sowie die Gefahren des gleichzeitigen Genusses von heißen und kalten Speisen. 385 Fauchard, Band 1 (1733), S. 321 386 Fauchard, Band 1 (1733), S. 4 80 Fauchard beschreibt die Erosion, die er als eine „Zerfressung der Oberfläche am Schmelzwerde“388 ansieht. Er warnt vor den Nebenwirkungen beim Bleichen der Zähne und gibt Anweisungen und zeigt Instrumente auf, mit welchen Zahnstein am besten zu entfernen sei. Er sah sich gezwungen hierfür manche der Instrumente “zu verbessern und ihnen eine andere Form zu geben.“389 Obwohl Fauchard in der heutigen Literatur vielfach als der Erste gilt, der die bis dahin gültige Wurmtheorie widerlegt hat, ist in seinem Werk lediglich zu lesen, dass er diese „weder leugnen noch zugeben“390 will. Die Kariesursachen unterteilt er lediglich in innerliche und äußerliche Ursachen und schildert die Kariesbehandlung auch mittels Kauterisieren. Er zieht Zinn allen anderen Füllungsmaterialien vor und schildert die einzelnen Behandlungsschritte beim Legen einer Füllung genauestens. Auch das Thema Feilen der Zähne behandelt er ausführlich. Fauchard praktiziert eine primitive Art der Wurzelkanalbehandlung. Er tötet lediglich den Zahnnerv mit einem Brenneisen und rät anschließend für einige Tage etwas Baumwolle in den Kanal einzulegen, welche zuvor in Zimt- oder Nelkenessenz getränkt worden ist.391 Dass noch in der heutigen Zeit Parodontopathien in Frankreich „maladie de Fauchard“ heißen, ist dadurch zu erklären, dass der Autor die Zahnfleischerkrankungen deren Ursache und Therapie genauestens beschreibt. Fauchard widmet einen großen Teil seines Werkes dem Thema Extraktion. Dies ist verständlich, da die konservierende Zahnheilkunde zu Fauchards Zeiten noch in den Kinderschuhen steckte und aus diesem Grund viele Zähne der Zange zum Opfer gefallen sind, so dass dieses Gebiet der Zahnheilkunde den Haupttätigkeitsschwerpunkt der damaligen Zahnärzte ausmachte. Fauchard betont, dass er sehr ungern Zähne ziehen würde, nicht nur weil dies seinen Patienten große Schmerzen bereitet (Möglichkeiten zur Anästhesie existierten zu Fauchards Zeit noch nicht), sondern auch weil er die 387 Fauchard, Band 1 (1733), S. 117 388 Fauchard, Band 1 (1733), S. 116 389 Fauchard, Band 2 (1733), S. 9 390 Fauchard, Band 1 (1733), S. 120 391 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 204 81 Zähne respektiere.392 Fauchard zählt die Indikationen auf, die eine Extraktion unumgänglich machen und beschreibt dass richtige Vorgehen bei der Extraktion sowie bei der Nachbehandlung, wenn unterschiedlichste Komplikationen auftreten, genauso wie die dazu erforderlichen Instrumente. Fauchard beschäftigt sich in seinem Werk auch umfassend mit dem Thema Implantation. Er beschreibt die Möglichkeit der Transplantation und der Reimplantation der Zähne sowohl im gleichen Patientenmund, als auch bei unterschiedlichen Patienten. Er gibt Anweisungen, wie die entsprechenden Zähne befestigt werden sollen. Fauchard gibt an, eine neue Behandlungsmethode entwickelt zu haben, um gelockerte Zähne zu stabilisieren, damit die Patienten diese länger behalten können. Das Thema Prothetik nimmt einen bedeutenden Teil in Fauchards Werk ein. Einige Neu- bzw. Weiterentwicklungen auch auf diesem Gebiet der Zahnheilkunde nennt er sein Eigen. Er dokumentiert auch mit Hilfe von Zeichnungen nicht nur das Vorgehen bei der Gestaltung eines Stiftzahnes, sondern auch bei der Herstellung, der nach ihm neu entwickelten Totalprothese und von ihm weiterentwickelter Obturatoren. Zum Thema Kieferorthopädie beschreibt Fauchard zwei unterschiedliche Möglichkeiten, um verlagerte Zähne zu bewegen: eine langsame mittels Golddrähten und Platten und eine schnelle mit Hilfe des Pelican. Er verweist dabei darauf, dass es bei Jugendlichen einfacher sei, die Zähne zu bewegen. Als letzter zahnmedizinischer Aspekt wird die Abhandlung der Kinderzahnheilkunde basierend auf Fauchards Werk in dieser Arbeit erörtert. Nachdem Fauchard feststellt, dass die Milchzähne sehr wohl, entgegen der Behauptung seiner Kollegen, Wurzeln haben, erörtert er die Nebenwirkungen, die der Zahndurchbruch bei Kindern nach sich zieht. Er rät dazu, retinierte Milchzähne zu extrahieren, damit diese nicht zu einer Durchbruchshinderung für die bleibenden Zähne werden. Beim Thema Schmerzursache und Therapie, als erstem fachübergreifenden Aspekt, ist es Fauchards Anliegen, die Schmerzursache zu ergründen um so, bei einer guten Therapie, seinen Patienten die Chance zu geben, ihre Zähne möglichst lange zu 392 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 187-188 82 erhalten. Aus diesem Grund definiert er 103 Krankheiten, die den zahnmedizinischen Fachbereich betreffen und gibt Mittel an, um diese zu behandeln. Fauchard stellt fest, dass Karies nicht nur die Zähne schädigt, sondern sie auch „der Grund seyn kann von mancherley Krankheiten“,393 es also auch zu systemischen Erkrankungen führen kann. Es sei somit seiner Meinung nach wichtig bei der Schmerzdiagnostik, z. B. bei Kopfschmerzen, auch die Zähne zu untersuchen. Es ist ein wichtiges Anliegen Fauchards, die Patientenbehandlung vom Boden (wie bis dahin üblichen) auf den Stuhl zu verlagern. Die Patienten auf dem Boden sitzend zu behandeln, ist nach Fauchards Meinung „ganz und gar zu verwerfen.“394 Fauchard trug in seinem Werk durch immer wiederkehrende Warnung vor Quacksalbern und Kurpfuschern zur Aufklärung bei und widerlegte durch genaue Beobachtung und kritische Auseinandersetzung mit vorhergehend allgemein üblichen Methoden die gängige Praxis. Er hoffte hierdurch zu erreichen, dass „man viele Mißbräuche abstellen werde, die tag täglich begangen werden.“395 Fauchard entwickelte manche Instrumente nicht nur weiter (wie z. B. Instrumente zur Zahnsteinentfernung oder den Pelican) sondern erfand auch verschiedene neue Instrumente. Er ist von seinen Weiterentwicklungen so überzeugt, dass er behauptet z. B. dem Pelican die Vollkommenheit verliehen zu haben, die nötig war.396 Er machte sich auch über neue Behandlungsmethoden Gedanken so z. B. über die Reimplantation oder die Wiederbefestigung gelockerter Zähne. Fauchard erfindet eine neue Art, um eine Oberkieferprothese im Mund zu stabilisieren. Auch hiervon ist er so überzeugt, dass er behauptet, dass die Patienten „des Verlustes ihrer natürlichen Zähne vergessen, wenn sie sich erst zu solchem Kunststücke gewöhnet haben.“397 Auch die Weiterentwicklung der bis zu seiner Zeit üblichen Obturatoren ist Fauchard zu verdanken. 393 Fauchard, Band 1 (1733), S. 384 394 Fauchard, Band 1 (1733), S. 170 395 Fauchard, Band 2 (1733), S. 255 396 vgl. Fauchard, Band 2 (1733), S. 163 397 Fauchard, Band 2 (1733), S. 239 83 Zusammenfassend lässt sich, nach eingehender Betrachtung von Fauchards Werk konstatieren, dass er ein außergewöhnlich begabter Mann im Hinblick auf seinen Beruf als Zahnarzt war. Es ist zu vermuten, dass Fauchard seinen Beruf sehr liebte und sein Interesse an diesem nicht verloren hat, denn ohne eine solche Leidenschaft erscheint es kaum möglich, ein so großartiges Werk zu verfassen. Bei Betrachtung der Analysen dieser Arbeit wird deutlich, dass Fauchards Erkenntnisse, die dem heutigen Standard nicht entsprechen, den kleinsten Teil ausmachen. Dies ist erstaunlich, da Fauchard der Erste war, der sich so umfassend mit dem Thema Zahnheilkunde befasste, so dass er allein aus seinem eigenen Wissen und seinen persönlichen Erkenntnissen schöpfen konnte. Auch die diagnostischen und mechanischen Geräte, die heute die Arbeit des Zahnarztes wesentlich vereinfachen, standen ihm nicht zur Verfügung. Der bedeutende Einfluss Fauchards auf die heutige Zahnmedizin, wird durch den Umfang des zweiten Teils der Analyse deutlich, in welchem seine Erkenntnisse auf diesem Hintergrund im Einzelnen betrachtet werden. Einige seiner Erkenntnisse haben bereits seit fast 300 Jahren ihre Gültigkeit behalten, und entsprechen immer noch dem heutigen Standard. Dies ist allein Fauchards Forschungsdrang, Intelligenz und Ausdauer zuzuschreiben. Die Zahnmedizin profitiert bis heute davon, dass sich ein einzelner Mann vor fast 300 Jahren eigene Gedanken über seinen Beruf machte und nicht mit der Masse schwamm. Glücklicherweise hat Fauchard sich die Mühe gemacht, seine gewonnenen Erkenntnisse in einem Buch zusammenzufassen, in welchem er seine Behandlungsmethoden genauestens beschreibt und seine neu entwickelten oder verbesserten Geräte mit Hilfe von Zeichnungen verdeutlicht. 84 7. Literaturverzeichnis (1) Andreae-Noris Zahn AG (ANZAG): Gesundes und schönes Zahnfleisch, , Frankfurt am Main 2006 http://www.gesundheit.de/wellness/gesundezaehne/zahnwissen/gesundes-und-schoenes-zahnfleisch (zuletzt abgerufen am 15.09.2010) (2) Benz, Gertrud und Marcus: Medizin Naturwissenschaften Teil 1, EOS Buchantiquariat Benz, Zürich http://www.eosbooks.ch/upload/Medizin_Naturwissenschaften1.pdf (zuletzt abgerufen am 15.09.2010) (3) Bertelsmann Volkslexikon, C. 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