BIL BOARD

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BIL BOARD
Finanzmarktnachrichten
financial market news
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Anleger,
Die Finanzmärkte erlebten im 2. Quartal 2016
eine Art von Rally. Sowohl Aktien als auch
Anleihen entwickelten sich relativ gut und
konnten vor dem Votum für den Brexit einen
Teil ihrer Verluste aus dem Ausverkauf vom
Jahresanfang wiedergutmachen.
Obgleich wir positioniert waren, um die Volatilität zu unserem Vorteil zu nutzen, haben uns
Reaktionen an ausgewählten Märkten überrascht (wie die umfangreichen Korrekturen
bei Retail-Banken in den USA).
Die Aussichten für das globale Wachstum
bleiben ziemlich düster. Die Ungewissheit
über das Projekt Europa und die Schwäche
in Schwellenländern schmälern beide die globale Nachfrage, während in Industrieländern
kaum Anzeichen für Inflation bestehen. In
Europa entwickelt sich die Deflation zu einer
ernsthaften Bedrohung, und das Experiment
der EZB mit negativen Zinsen hat eine seismische Verschiebung in der Finanzmarktlandschaft verursacht. Das hat eine neue Ära von
Anleihen mit negativen Renditen eingeläutet.
Wir stehen Ihnen bei Ihren Anlagen wie immer
gern zur Seite. Wir verlassen uns auf unsere
unvoreingenommene Expertise, um Ihnen
transparente Beratungs- und Anlagedienste
zu bieten. Bei Fragen können Sie sich jederzeit an Ihren Berater bei der BIL oder einen unserer Anlageverwaltungsexperten wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Yves Kuhn
Chief Investment Officer
Sommer 2016
07/12
Brexit wirft lange Schatten
auf geschwächte Wirtschaften
Britische Wähler entscheiden sich mit knapper Mehrheit
für den Austritt aus der Europäischen Union
Das britische Abstimmungsergebnis war für
die Märkte zunächst ein großer Schock. Langfristig könnten hierdurch das Wirtschaftswachstum geschädigt werden und weitere
politische Risiken entstehen.
Durch den Brexit geraten Risikoanlagen, Ölpreise und das britische Pfund weiter unter
Druck. Das Ergebnis des britischen Referendums kam für die Finanzmärkte überraschend. In den Wochen vor der Abstimmung
hatten sich Anleger vorsichtig positioniert,
doch in den letzten Tagen rechneten viele mit
­einem Sieg des „Remain“-Lagers. Hedgefonds
bauten entsprechende Positionen auf, und
Aktien­märkte verbuchten solide Zuwächse.
Durch den Plan Großbritanniens, vor dem Ausscheiden aus der EU einen neuen Premierminister zu wählen, werden die Unsicherheiten an
den Finanzmärkten nur verlängert. Mark Carney, Governor der Bank of England, sicherte zu,
GBP 250 Milliarden an weiterem Kapital bereitzustellen, und konnte die Märkte so rasch beruhigen. Möglicherweise müssen weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen flankierend
hinzukommen, auch wenn bei einem Zinssatz
von 0,5 % nur wenig Handlungsspielraum besteht. Die britische Zentralbank wird als nächstes am 14. Juli über die Zinsen abstimmen.
Grundsätzlich haben Zentralbanken die Aufgabe, in angespannten Zeiten am Markt Liquidität zu garantieren. Viel mehr können Banken
hierbei auch kaum tun. Wir haben bereits gesehen, dass die Glaubwürdigkeit der EZB von
Anlegern auf den Prüfstand gestellt wird: Der
5J5J-Forward (eine Kennzahl für die Inflationserwartungen, der die Inflationserwartungen
der Anleger im Euroraum im Jahr 2021 widerspiegelt) ging im Juni drastisch auf 1,35 %
zurück - das liegt deutlich unter dem Infla­
tionsziel der EZB von 2 %. Der Ausstieg Großbritanniens, der Konsequenzen für den Handel
hat und Unsicherheiten bei Verbrauchern und
Unternehmen schürt, ist offensichtlich nicht
hilfreich, um Inflation und Kapitalkosten wieder anzukurbeln.
Warum negative Zinsen nicht funktioniert haben
Das Experiment der Europäischen Zentralbank
mit negativen Zinssätzen, hat den Bürgern im
Euroraum kaum greifbare Vorteile gebracht
und an den Finanzmärkten für größere Instabilität gesorgt. Indem der Zinssatz, den Banken
für Einlagen zahlen, in den negativen Bereich
gesenkt wurde, sollte Sparen un­
attraktiver
werden, um die Kreditvergabe, die Ausgaben
der Verbraucher und mithin das Wachstum anzuregen.
Yves Kuhn
Olivier Goemans
Chief Investment Officer
Head of Portfolio Management
Stattdessen aber hat die Politik die Banken gezwungen, die Kreditvergabe zu beschränken, und
sogar noch mehr Instabilität an den europäischen
Märkten herbeigeführt. Die europäischen Banken
sind dadurch unter Druck geraten. Der europäische
MSCI Financial Index, der Finanzwerte mit großer
und mittelgroßer Marktkapitalisierung in Europa
abbildet, ist in diesem Jahr bislang um 15 % gefallen.
Durch das Spiel der EZB mit negativen Zinssätzen entsteht zudem ein moralisches Risiko.
Ihre Politik scheint Anreize zu verzerren und droht zu einer Fehlallokation von Kapital zu
führen. Offenbar stehen die Regierungen im Euroraum auch weniger unter Druck, notwendige Reformen umzusetzen. Nach OECD-Angaben ist die Reformbereitschaft in Schuldnerländern wie Griechenland, Spanien und Portugal von 2011 bis 2014 gesunken. Schließlich
beunruhigt das Länderrisiko die Anleger nicht mehr, und strukturelle Veränderungen, die
die Risikoprämien von Staatsanleihen sinken lassen, sind in einer Welt mit reichlich Liquidität nicht notwendig.
Zum Teil zurückzuführen ist dies auf den starken
Rückgang der Nettozinsmargen, die eine Haupteinnahmequelle für Banken darstellen. Bei der Umfrage der EZB zur Kreditvergabe der Banken gaben
81 % der Banken im Euroraum an, dass ihr Nettozinsertrag in den sechs Monaten bis April 2016 gesunken war.
Kein Weg zurück
Negative Zinsen brachten auch private Haushalte
nicht dazu, mehr auszugeben und weniger zu sparen. Vielmehr müssen Sparer mehr Geld beiseitelegen, um gleich hohe Anlagerenditen zu erzielen.
Die Sparquote der Haushalte im Euroraum stieg im
4. Quartal 2015 auf 12,7 % gegenüber 12,5 % in
den drei Vormonaten.
Mangelnde Nachfrage ist ein weiterer Grund, warum die Kreditvergabe nicht gestiegen ist. Durch das
neue Unternehmensanleihen-Kaufprogramm, das
die EZB Anfang Juni aufgelegt hat, können Unternehmen in Europa fast kostenlos Kapital aufnehmen. Aus Sorge über das weltweite Wachstum und
dessen Wirkung auf die Umsätze nehmen viele Unternehmen aber keine Kredite mehr auf.
Nun, da der Rubikon überschritten ist, ist kaum zu erkennen, wie man die Negativzinsen
wieder loswird. Mit Fug und Recht kann wohl man sagen, dass unsere bestehenden Wirtschaftssysteme auf der Prämisse beruhen, dass Waren und Dienstleistungen im Laufe der
Zeit teurer werden.
Die Inflationserwartungen nicht erhöhen zu können, wird tief greifende Auswirkungen auf
die Bewertung von Anlagen haben. Mario Draghi hat die Grenzen von Negativzinsen in gewissem Umfang anerkannt; die neuen gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte
(TLTROs) sollen die potenziellen negativen Effekte von negativen Zinsen kompensieren,
indem Banken eine Erhöhung privater, nicht für den Wohnungsbau bestimmter Kredite um
mehr als 2,5 % gestattet wird. Dadurch, dass bei der EZB Kredite zu Negativzinsen aufgenommen werden können, bezahlt sie im Prinzip Geschäftsbanken für die Vergabe von
Krediten an die breitere Wirtschaft.
Bei weiteren geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen ist eine Senkung des Einlagenzinses
unwahrscheinlich. Doch ausgeschlossen wurde dies von der EZB auch nicht. Jetzt sind die
Mitgliedstaaten des Euroraums gefordert. Sie müssen nun Strukturreformen umsetzen, um
die Nachfrage im Euroraum zu beleben. Die Gefahr, dass Europa in eine Deflationsspirale
gerät, ist eindeutig größer als das Risiko der Geldentwertung.
Makroökonomischer Ausblick der BIL für die nächsten sechs Monate
Schon vor den Brexit-Turbulenzen ist die Weltwirtschaft in eine gefährliche Phase von niedriger
Inflation und schwachem Wirtschaftswachstum
eingetreten. Als direkte Folge des Brexit erwarten
wir eine leichte Rezession in Großbritannien, eine
Abschwächung im Euroraum sowie Lockerungsmaßnahmen aufseiten von BoE und EZB. Große politische Turbulenzen werden wahrscheinlich in Großbritannien (innerhalb der politischen Parteien sowie
in den Regionen Schottland und Nordirland) und, in
gewissem Umfang, in Europa entstehen. Die Märkte
werden sich wahrscheinlich auf die zunehmenden
politischen Spannungen in Südeuropa konzentrieren. In einem späteren Stadium machen uns die
potenziellen Auswirkungen eines Domino-Effekts
2
sehr viel größere Sorgen, der durch Referenden über den Austritt oder Verbleib in einigen
EU-Ländern ausgelöst wird. Was würde in diesem Fall mit dem Projekt Europa passieren?
Grundsätzlich haben die Maßnahmen von EZB und US-Notenbank in den letzten beiden Jahren geholfen, in Industrieländern die Gesamtnachfrage nach Waren anzukurbeln. In Schwellenländern mit Ausnahme Chinas ist dagegen die Nachfrage deutlich zurückgegangen, was den Rest der Welt belastet.
Laut Weltbank wird das globale BIP 2016 um 2,4 % steigen, während die ursprünglichen Schätzungen bei 2,9 % lagen. Zu beachten ist, dass die Zahl schon vor realen Sorgen über den Brexit nach
unten korrigiert wurde. Nach Angaben der Investmentbank Morgan Stanley könnte der Brexit das
globale Wachstum um bis zu 10 % schmälern. Mit anderen Worten: Statt eines BIP-Wachstums von
2,4 % (die von der Weltbank prognostiziert werden) erleben wir möglicherweise nur 2,2 %. Die
schwächeren globalen Wachstumsaussichten werden die Märkte voraussichtlich eine ganze Weile belasten, da Schwellenländer ihre großen Schuldenlasten und abwertende lokale Währungen
bewältigen müssen. Die Prognosen deuten allerdings darauf hin, dass möglicherweise zu Beginn
“
Die EZB war bislang nicht in der Lage,
die langfristigen Inflationserwartungen
zu erhöhen
des nächsten Jahres eine Wende eintritt, weil bei der
globalen Industrieproduktion, die in den letzten beiden
Jahren überwiegend zurückgegangen ist, eine Bodenbildung einsetzt.
Inflationskennzahlen - der Index der privaten Konsumausgaben (PCE) - beläuft sich derzeit auf
1,6 % und liegt damit unter dem Inflationsziel der Fed von 2 %. In Anbetracht von verhaltenem
Inflationsdruck und fest verankerten Inflationserwartungen besteht für die Fed keine Eile, die
Geldpolitik schon bald zu straffen.
Der US-Arbeitsmarkt wird bei wesentlichen Bemühungen um eine Erholung eine maßgebliche Rolle spielen.
Der Index der Beschäftigungskosten (ECI), der die
Veränderung von Löhnen und Gehältern misst und im
Jahresvergleich bei 1,9 % liegt, hat noch nicht wieder
Stände wie in Zeiten vor der Krise erreicht, was zum Teil
an sinkenden Gewinnen in US-Unternehmen liegt. Auch
die anhaltende Verknappung am US-Arbeitsmarkt,
auf dem sich die Arbeitslosigkeit mit 4,7 % auf einem
Rekordtief bewegt, hat keine höhere Inflation herbeigeführt. Eine der von der US-Notenbank bevorzugten
In Europa war die EZB bislang nicht in der Lage, die langfristigen Inflationserwartungen zu erhöhen;
selbst die kurzfristige Inflation zeigte sich immun gegen den Anstieg des Rohölpreises um 90 %
in den vergangenen drei Monaten. Der Brexit wirft weitere Fragen auf, und niemand kann uns mit
Sicherheit sagen, ob sich die Ansteckung des Projekts Europa in Grenzen hält. Eine Abschwächung
im Euroraum sowie geldpolitische Lockerungsmaßnahmen aufseiten von BoE und EZB könnten
durchaus möglich sein. Doch es gibt aber auch nicht nur schlechte Nachrichten; in einigen Teilen
Europas herrscht Inflationsdruck, insbesondere in Deutschland mit robustem Wirtschaftswachstum, angespannten Arbeitsmärkten und steigenden Mieten. Das jüngste Experiment der EZB mit
Negativzinsen in Europa verlief jedoch enttäuschend und hat nicht so viel Inflation wie von ihr
gewünscht bewirkt. Ist Europa auf dem Weg in die Deflationsfalle, ähnlich wie Japan in den 1990er
Jahren? Ausschlaggebend hierfür werden wahrscheinlich politische Reaktionen sein.
US-Aktien
Ein deutlicher Rückgang beim Verkauf von Komponenten des S&P 500 ist wegen des Brexit unwahrscheinlich, denn nur 10 % der S&P 500-Verkäufe finden in Europa statt. Die Auswirkungen auf Gewinne
je Aktie in den USA dürften ziemlich gering sein.
Der S&P 500 Index ist jetzt nur noch 2,9 % von seinem
Allzeithoch von 2.130 Punkten entfernt, das er im Mai
2015 erreichte. Kurzfristig wird der Aktienmarkt nicht
durch Gewinnzuwächse angetrieben, wie dies in der Regel auf längere Sicht der Fall ist. Gleichzeitig berichteten
US-Unternehmen von einem Rückgang bei Gewinnen um
8,1 % und bei Umsätzen um 2,1 %. Im 2. Quartal werden
diese Zahlen voraussichtlich um weitere 5,4 % bzw. 0,7 %
zurückgehen. Seit Ende März tendiert der Markt seitwärts, was auf die Wahrnehmung der Fed-Politik und des
globalen Risikos auf Anlegerseite zurückzuführen ist.
Bewertungsmäßig wird der MSCI US Index nun mit einem KGV auf Basis der zukünftigen Gewinne von 16,9
gehandelt. Das bedeutet ein Plus von 19,2 % im Verhältnis zu seinem eigenen zehnjährigen Durchschnitt
von 14,2. Das durchschnittliche KGV auf Basis der realisierten Gewinne erreichte beim S&P 500 Index an den
Bullenmärkten nach dem 2. Weltkrieg mit 20 seinen
Spitzenstand und liegt gegenwärtig bei 19,3. Dies soll
nicht heißen, dass das KGV nach unserer Auffassung
nicht weiter steigen kann. Kurzfristig veranlasst uns
dies aber zu größerer Vorsicht. Die zyklischen Aussichten für US-Aktien sind immer noch schwierig, da
die breiteren Wachstumsaussichten für das „G“ im KGV
durch das langsame bis mäßige Wachstum in den USA
und auf wichtigen Exportmärkten von US-Unterneh-
3
men in Europa, Japan und China überschattet werden. Das Verhältnis zwischen Lagerbestand und
Absatz bewegt sich in den USA immer noch auf einem erhöhten Niveau und nahe der Stände, die
in den beiden Rezessionsphasen der letzten 20 Jahre zu beobachten waren. Absatz und Gewinnmargen scheinen sich nach ihren Ständen zu Jahresbeginn zu stabilisieren. Umsätze und Gewinne
von US-Unternehmen werden ab dem 3. Quartal voraussichtlich zulegen, wobei für die Umsätze
ein Anstieg von 2,2 % und für die Gewinne eine Zunahme von 2,4 % im 3. Quartal erwartet werden. Für das gesamte Jahr 2016 liegen das erwartete Umsatzwachstum jetzt bei +1,7 % und das
voraussichtliche Gewinnwachstum bei +1,0 %.
Die Stärke des US-Dollars, die im Herbst 2014 einsetzte, hat inzwischen nachgelassen und wird für
die Gewinne im 2. Quartal im Jahresvergleich Negatives bedeuten. Wenn überhaupt, gibt es gegenüber dem Vorjahr nur bescheidenen Rückenwind für die Gewinne. Sich bessernde Frühindikatoren
in der Weltwirtschaft, festere Rohstoffmärkte (Öl) und ein potenziell schwächerer Dollar dürften
sich im 2. Halbjahr 2016 und 2017 positiv auf Unternehmensgewinne auswirken, was der Volatilität bei den Korrekturen an Unternehmensgewinnen von ihrem jüngsten rezessionsartigen Niveau
Aufwind verleihen dürfte. Sowohl die Schwankungsrate des Dollars als auch die des Ölpreises neigen dazu, die Entwicklung künftiger Gewinne zu beeinflussen, da fast die Hälfte der Gewinne der
S&P 500-Unternehmen mit dem Export zusammenhängen, während Exporte nur 13 % des BIP
der USA ausmachen. Wenn die Gewinnerwartungen für das 2. Quartal übertroffen werden, könnte
der Markt von seinen aktuellen Ständen in die Höhe getrieben werden, da vor allem Hedgefonds
augenblicklich in US-Aktien immer noch unterengagiert sind.
Auch wenn die Messlatte von Sell-Side-Analysten wahrscheinlich tief genug gehängt wurde,
so dass Gewinne im 2. Quartal insgesamt mit positiven Überraschungen aufwarten können, hat
die Rally nach den Tiefständen im Februar Aktien für kurzfristige Rückschläge anfällig gemacht,
insbesondere ohne stärkere globale makroökonomische Unterstützung und drohende globale Ereignisrisiken in den nächsten sechs Monaten. Von daher wird der US-Aktienmarkt nach unserer
Einschätzung kurzfristig weiter seitwärts tendieren. Angesichts der kurzfristigen Unsicherheiten
werden Anleger mit stärker ausgeprägter taktischer Orientierung ihre Positionen genau im Auge
behalten. Längerfristig schätzen wir Sektoren und Stile, die eine gewisse Stärke aufweisen, positiver ein und bevorzugen angemessen bewertete Titel mit langfristigem Wachstumspotenzial,
starkem Umsatzwachstum und nachhaltiger Margenentwicklung. In den USA erfüllen die Sektoren
Technologie, Gesundheitswesen und Nicht-Basiskonsumgüter diese Kriterien am besten.
Europäische Aktien
Einstweilen Nervosität, Unsicherheit und verhaltene Gewinndynamik
werden wahrscheinlich insbesondere den Finanzsektor unter Druck setzen. Dessen jüngste deutliche
Underperformance sollte allerdings den weiteren
Rückgang begrenzen, wenn sich die Gewinne stabilisieren. Weitere beeinträchtigte Sektoren könnten
auch lokale Bauunternehmen und Immobilien sein,
weil sich verschlechternde Kreditbedingungen dem
Anstieg der Immobilienpreise möglicherweise ein
Ende setzen. Stark zyklische Branchen wie Fluglinien,
Automobil-, Bau-, Medien- und Personalvermittlungsunternehmen könnten durch die schädlichen Folgen,
die das Votum für den Austritt für das Geschäftsklima
haben könnte, ebenfalls geschwächt werden.
Der schlechte Jahresauftakt hat sich für europäische Aktien fortgesetzt: Der Index MSCI Europe
weist inzwischen ein Minus von 15 % seit Jahresbeginn bzw. 26 % seit seinen Höchstständen im
April 2015 aus. Hierin spiegeln sich die Sorgen der
Anleger über die Nachhaltigkeit der gesamtwirtschaftlichen Dynamik in Europa und der höhere
Druck auf die Gewinne wider, den wir seit der Berichtssaison für das 4. Quartal 2015 beobachten
konnten. Wenn wir dies mit der großen Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kombinieren, haben es Anleger zurzeit mit Phasen erhöhter
Volatilität zu tun.
Dementsprechend bevorzugen wir defensive, nicht
zyklische Sektoren, die kurzfristig gegen potenzielle
makroökonomische Schwächen relativ gefeit sind.
Der Basiskonsumgütersektor setzt sich weitgehend
aus in Großbritannien ansässigen Exportunternehmen zusammen und dürfte von der Abwertung des
britischen Pfunds im Großen und Ganzen profitieren.
Der Sektor erzielt robuste und nachhaltige Gewinnzuwächse in Verbindung mit der Generierung starker
Cashflows und soliden Bilanzen. Außerdem stellt der
Sektor einen „sicheren Hafen“ für Anleger dar, die
nach Aktien von hoher Qualität Ausschau halten. Des
Weiteren gefällt uns das Gesundheitswesen, weil
dieser Sektor zu den Nutznießern schwächerer europäischer Währungen gehört. Aktien aus dem Gesundheitswesen bieten robuste Gewinnzuwächse von
+5,5 %, die im Falle einer weiteren Abschwächung
von Euro und britischem Pfund gegenüber dem USDollar nach oben revidiert werden könnten. Die Gütesiegel des Gesundheitswesens - hohe Eigenkapitalrendite und gut vorhersagbare Cashflows - dürften
Anleger im aktuellen Umfeld anlocken.
Die Gewinnkorrekturquote in Europa (Anzahl der Abwärtskorrekturen - Anzahl der Aufwärtskorrekturen/
Gesamtanzahl der Korrekturen) ist immer noch negativ, und die Risiken deuten in Anbetracht der lang anhaltenden negativen Konsequenzen, die das Ergebnis
des britischen Referendums mit sich bringt, weiter
abwärts, was die Vorsicht von Finanzanalysten bestätigt. Das Gewinnwachstum für 2016 wird nun auf
-0,9 % geschätzt. Angesichts der aktuellen Bewertungen erscheint dies trotz des jüngsten Ausverkaufs
nicht besonders attraktiv (in Europa liegt das KGV für
die nächsten 12 Monate zurzeit bei 13,4 und damit
über seinem langfristigen Durchschnitt von 12,1).
Im gegenwärtigen Stadium lassen sich die Auswirkungen, die das britische Votum auf europäische
Wirtschaften haben wird, sehr schwer in vollem Umfang ermessen. Aber anhaltende Nervosität, Regulierungsprobleme, Kreditrisiken, Kapitalmarktrisiken
und die Folgen von längere Zeit fortdauernden niedrigeren Zinsen im Euroraum und in Großbritannien
Gewinnkorrekturquote in Europa (3-Monats-Durchschnitt)
0,4
0,2
0,0
-0,2
-0,4
-0,6
Quelle: Datastream
4
Dez-15
März-15
Sep-13
Juni-14
Dez-12
März-12
Sep-10
Juni-11
Dez-09
März-09
Sep-07
Juni-08
Dez-06
März-06
Sep-04
Juni-05
Dez-03
März-03
Sep-01
Juni-02
Dez-00
März-00
Sep-98
Juni-99
Dez-97
Juni-96
März-97
-0,8
“
Wir
bevorzugen
defensive,
nicht
zyklische
Sektoren
...hat für
eine deutlich
geringere
europäische
Kreditsensitivität
gegenüber
Marktereignissen
gesorgt
nissen
Festverzinsliche Anlagen
Von europäischen Staatsanleihen werden derzeit beinahe 50 % mit negativer Rendite
gehandelt und nahe zu 25 % notieren unterhalb des Einlagenzinssatzes (-0,40 %). Die
zunehmende Verknappung von Staatsanleihen mit positiver Rendite stellt keineswegs
überraschend die wichtigste treibende Kraft für festverzinsliche Anlagen dar, weil
europäische Anleger in einem Umfeld mit niedriger Inflation Ausschau nach Rendite halten.
Durch die Unsicherheit, die der Brexit ausgelöst hat, ist die Gesamtsumme von Anleihen mit
negativen Renditen auf rund USD 9,5 Billionen gestiegen.
Die Maßnahmen der EZB und einiger anderer Zentralbanken sind sicherlich eine Erklärung für einige der
Verzerrungen zwischen fundamentalen Bewertungen und Kursen; andererseits deuten aktuelle Renditen
immer mehr darauf hin, dass Marktteilnehmer eine lange und potenziell unumkehrbare Deflationsspirale einpreisen.
Die Europäische Zentralbank hat im Kampf gegen die Deflation eine konzertierte Aktion unternommen und
Anfang Juni ihr Programm zum Ankauf von Unternehmensanleihen gestartet. Auch wenn die EZB noch nie
erklärt hat, wie viele Unternehmensanleihen sie kaufen will, wird sie nach Schätzungen von Analysten jeden
Monat Papiere in der Größenordnung von EUR 5 bis 10 Milliarden erwerben.
Mit dem Ankauf von Anleihen wie etwa Telecom Italia, einem italienischen Telekommunikationsunternehmen, das nur von Fitch als Investment Grade eingestuft ist, hat die EZB in der Tat ihre Bereitschaft gezeigt, bei der Interpretation ihrer eigenen Eignungskriterien bis an die Grenzen zu gehen. Von daher war die
jüngste Bestätigung der geldpolitischen Outright-Geschäfte (OMT) durch das Bundesverfassungsgericht in
Deutschland eine wesentliche Entscheidung, weil der Anleihenmarkt hierdurch mehr Liquidität erhält. Selbst
wenn noch Fragen hinsichtlich der Bedingungen für die Anwendung der OMT offen bleiben, dürfte der lang
andauernde Rechtsstreit über diesen bislang noch unberührt gebliebenen Schutzmechanismus nun zu Ende
gehen.
In Anbetracht der jüngsten makroökonomischen Ereignisse lässt sich wohl zurecht sagen, dass die EZB mit
ihrem Programm zum Ankauf von Unternehmensanleihen (CSSP) für eine deutlich geringere europäische
Kreditsensitivität gegenüber Marktereignissen als ohne ein solches Programm gesorgt hat.
In qualitativer Hinsicht ist die Feststellung wichtig, dass sich Ratingtrends in Europa und den USA verschlechtern. Die Kennzahlen für Emittenten aus dem Energiesektor sind hierfür der offensichtlichste Treiber,
aber die Bonitätsverschlechterung ist nicht auf bestimmte Sektoren beschränkt.
Bei einer Prüfung, ob Anleihen aus Schwellenländern eine Alternative mit einer gewissen Extrarendite darstellen, sollten Anleger länderspezifische Trends nicht vergessen. Laut der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIS) sind die globalen Unternehmensschulden seit der Finanzkrise drastisch gestiegen - auf
USD 15 Billionen (EUR 13 Billionen). Auch in den USA hat die Verschuldung deutlich zugenommen und entspricht nun den Höchstständen vorhergehender Zyklen. Noch beunruhigender sind die Schulden in China, die
inzwischen unhaltbare Höhen erreichen. Angesichts von nachlassendem Wachstum in China und steigenden
Schulden kann dies nur noch schlimmer werden. Einstweilen lässt sich die Schuldenblase in China zwar wahrscheinlich noch bewältigen, aber die Behörden müssen Politiken einführen, die einen allmählichen Entschuldungsprozess ermöglichen, zusammen mit geplanten Ausfällen und Umstrukturierungsmaßnahmen.
Wer lächerliche Renditen komplett vermeiden will, könnte an einem Teilsektor des Universums festverzinslicher Anlagen interessiert sein, der immer noch attraktive erwartete Renditen abwirft. Hybride Unternehmensanleihen und nachrangige Finanzanleihen haben nach unserer Ansicht durchaus noch Potenzial für
Anleger, die mit dem recht komplexen Charakter dieser Papiere klarkommen.
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Wir sind bei Risikoanlagen
weiter vorsichtig
Schlussfolgerungen
In einer Welt mit geringem Wachstum und niedriger Inflation sind Anlagechancen nicht einfach zu finden. Wir haben uns so positioniert, dass
wir die Volatilität zu unserem Vorteil nutzen können. Der Juni war aufgrund allzu vieler bekannter Unbekannter kein Monat, um Liquidität
zu investieren. Wir brauchen eine Rückbesinnung des Marktes auf Fundamentaldaten, um Potenziale zu erkennen. Weltweit gehen die
Industrieproduktion und die gesamte Warennachfrage weiter zurück, so dass weitere Panikverkäufe nach wie vor im Bereich des Möglichen
liegen, zumal der Brexit die Unsicherheit noch erhöht. Von daher sind wir bei Risikoanlagen weiter vorsichtig. Unser Ziel ist, ausgewählte
Anlagen zu finden, die sich in einem Umfeld mit rückläufiger Inflation gut behaupten.
Aktien sind dem fortwährenden Auf und Ab der Risikobereitschaft ausgesetzt. Im Hinblick auf Aktien gilt:
-Wir bleiben in Europa neutral, da Gewinnzuwächse weiter durch die akkommodierende Geldpolitik unterstützt werden; wir bevorzugen nicht
zyklische, defensive Papiere mit hoher Dividendenausschüttung.
-Bei europäischen Banken dürfte das Abwärtsrisiko seit den Schlussständen am Tag 1 nach dem Brexit auf 10-20 % begrenzt sein.
-Wir haben Japan gegenwärtig reduziert, da der fester werdende Yen Gewinnzuwächse deutlich beschneidet.
-Uns ist bewusst, dass bei den aktuell hohen US-Bewertungen der Puffer gegen Schocks schrumpft und insbesondere das Risiko eines
Rückschlags wächst. Bisher beruht der US-Markt auf einem Eckpfeiler: der anhaltenden Unterstützung durch den Verbraucher. In den
Unternehmen haben die Investitionen nachgelassen, und eine Erholung in den nächsten Quartalen wird maßgebliche Bedeutung haben. Die
Abschwächung des US-Dollars hat US-Aktien zu einer relativ guten Performance verholfen.
-In ausgewählten Schwellenländern können wir Potenziale finden.
Was festverzinsliche Anlagen angeht, wird das Thema Inflation weltweit sehr entspannt betrachtet, und das ist auch gut so. Wir erwarten,
dass die zugrunde liegende Lohn- und Preisdynamik kurzfristig nicht zu einem Erwachen hinsichtlich der US-Zinsen führen wird. Anleihen, vor
allem in Europa, werfen sehr niedrige Renditen ab, und das Risiko, mit Anleihen Geld zu verlieren, wächst von Tag zu Tag, vor allem wenn die
Glaubwürdigkeit der EZB weiter leidet.
- Als größtes Risiko für Unternehmensanleihen, insbesondere im Hochzinssegment, betrachten wir auf längere Sicht niedrige Ölpreise.
- Wir interessieren uns mehr für Anleihen aus Schwellenländern.
Wir erwarten, dass sowohl Schwellenländer als auch Rohstoffe 2016 ihre Talsohle erreichen werden. Diese Anlageklassen haben sich bereits
erholt, doch lässt sich noch nicht eindeutig sagen, ob der jüngste Tiefstand an diesen Märkten ein relativer oder ein absoluter Tiefstand war.
Bei der Beantwortung dieser Frage spielt die Stärke oder Schwäche des Dollars eine wichtige Rolle.
DM0209952-DE-07/2016
Yves Kuhn
Chief Investment Officer
Da sich die wirtschaftlichen Bedingungen jederzeit ändern können, sind die in diesem Ausblick präsentierten Angaben und Meinungen nur zum 28. Juni 2016 aktuell. Diese Publikation
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