Zum schwierigen Verhältnis von emotionalem Diskurs und

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Sprechen über Gefühle –
Zum schwierigen Verhältnis von emotionalem Diskurs und emotionalen
Diskurseffekten
Manuela Beyer, Freie Universität Berlin, Technische Universität Chemnitz
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Der Erforschung von diskursiven Effekten als Teil der Diskursforschung stellen sich bei der Frage
nach dem Verhältnis von emotionalem Diskurs zu den emotionalen Effekten desselben spezifische
Herausforderungen. In einem ersten Schritt zeigt der Beitrag auf, wie aktuelle Diskurse das
Emotionale ins Zentrum des handelnden Subjekts stellen, welches sich selbst im authentischen
Gefühl erkennt und sich durch ein permanentes Sprechen über Emotionen zu anderen in
Beziehung setzt. Darauf Bezug nehmend wird argumentiert, dass dieser Emotionsdiskurs komplexe
Wirkungen auf emotionaler Ebene entfaltet, die in einer spezifischen Widerständigkeit von
Emotionen begründet liegen.
In der Emotionssoziologie wird der Einfluss zweier Diskurse auf die gegenwärtige Konstruktion
und Konstitution des Emotionalen hervorgehoben: zum Einen das therapeutische Narrativ (vgl.
u.a. Illouz 2009, Swidler 2001), welches von der Psychologie in den Alltag gedrungen ist; und zum
Zweiten ein ökomisch geprägter Diskurs, der die Eigenverantwortung der Subjekte für ihren
emotionalen Haushalt in den Vordergrund rückt (vgl. u.a. Hochschild 2006; Neckel 2005). Beide
Diskurse fordern stets aufs Neue die eigenen Emotionen zu analysieren, zu benennen und mittels
verschiedener Praktiken gezielt zu beeinflussen, um authentisch positive Gefühle in sich
hervorzurufen (vgl. Neckel 2005) . Beiden Diskursen gemein ist auch die Betonung der
Verbalisierung von Emotionen: Der sprachliche Ausdruck eigener Gefühle ist das zentrale Mittel,
mit dem sich Subjekte zu anderen in Beziehung setzen (sollen) (vgl. Reckwitz 2006) : Die
angemessene Thematisierung der eigenen Emotionen wird zur Voraussetzung erfolgreicher
sozialer Beziehungen im privaten wie im beruflichen Bereich.
Welche Folgen zeitigt ein solcher Diskurs? Es kann zunächst begründet angenommen werden,
dass Menschen tatsächlich vermehrt über ihre Gefühle reden. Doch was bewirkt das wiederum auf
emotionaler Ebene? Ein vermehrtes Sprechen über Gefühle zieht einen Komplex an nicht
vorhersehbaren Folgen nach sich, was im Folgenden anhand von Reddys (2001) Konzeption von
"emotives as speech acts" erläutert wird.
Reddy (2001) argumentiert in Anlehnung an Austins Sprechakttheorie, dass der verbale Ausdruck
von Emotionen immer auch einen Effekt auf die Sprechenden [und Hörenden/Lesenden] hat, der
die eigenen Emotionen weiter erkundet oder sie modifiziert. So kann zum Beispiel die
Verbalisierung der eigenen Angst sowohl die Angst verstärken als auch abschwächen. Gefühle in
den Vordergrund zu rücken, zu analysieren, zu "zerreden", kann die Authentizität der Gefühle in
Frage stellen: Es "bezweifeln viele Menschen, dass sie verliebt sind, und zwar gerade deswegen,
weil sie zu viel darüber gehört haben.“ (Illouz 2007: 224). Der kognitiv-sprachlich gesteuerte aktive
Versuch, bestimmte Emotionen (nicht) zu empfinden, kann sowohl erfolgreich sein als auch das
Gegenteil dessen bewirken, was ursprünglich erreicht werden sollte (Neckel 2005: 428; Reddy
2001: 25 ff). Durch eine ihnen eigene leibgebundene und affektive Seite setzen Emotionen ihrem
verbalen Ausdruck und ihrer Kontrolle unwillkürlich auftretende Widerständigkeiten entgegen,
deren Effekte in vielfältige Richtungen weisen. Es scheint, dass Emotionen selbst in einem
dynamischen Verhältnis zum Sprechen (und Schreiben) über Emotionen stehen (Reddy 2001). Ein
Emotionsdiskurs, der das Verbalisieren von Emotionen in den Fokus rückt, zeitigt daher eine
Bandbreite an komplexen und potentiell widersprüchlich Effekten auf der emotionalen Ebene der
Subjekte. Der Beitrag vertieft das Argument und illustriert die Vielschichtigkeit emotionaler
Diskurseffekte anhand eines empirischen Beispiels.
Quellen:
Hochschild, Arlie Russel. 2006. Das gekaufte Herz. Die Kommerzialisierung der Gefühle. Frankfurt
am Main: Campus Verlag.
Illouz, Eva. 2009. Die Errettung der modernen Seele. Therapien, Gefühle und die Kultur der
Selbsthilfe. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Illouz, Eva. 2007. Der Konsum der Romantik. Liebe und die kulturellen Widersprüche des
Kapitalismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Neckel, Sighard. 2005. "Emotion by design." In: BJfS 15 (3), S. 419–430.
Reddy, William M. 2001. The navigation of feeling. Framework for a history of emotions.
Cambridge: Cambridge University Press.
Swidler, Ann. 2001. Talk of love. How culture matters. Chicago: University of Chicago Press.
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