Rundbrief Sommer 2014-2web

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Internet:
www.waldenser-freundeskreis.de
Vorsitzende: Pfarrerin Cordula Altenbernd
Tel.: 0201 - 4669928
D-45259 Essen
Elsaßstraße 3-5
Email: [email protected]
Konto:
KD-Bank („Freundeskreis der Waldenser-Kirche e.V.“)
BIC: GENODED1DKD,
IBAN: DE94 3506 0190 1011 5530 16
Beim Runden Tisch in Bergamo: Kirchenältester Andrews Anim,
Moderator Eugenio Bernardini, Übersetzer Jens Hansen
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Freundinnen und Freunde,
„Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit,
Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.“ (Galater 5,22-23a)
Mit diesem Spruch für den Monat Juni grüße ich Sie alle ganz herzlich. Die Frage
der ersten Christen an ihren Apostel Paulus ist auch für uns heute noch sehr aktuell:
Wie sollen wir uns verhalten, wenn wir auf Mitmenschen treffen, die mit unserem
Glauben nichts anfangen können oder noch nie etwas von der frohen Botschaft gehört haben?
Die Antwort des Apostels ist eindeutig. Ihr habt den Geist Gottes empfangen, also
lebt bitte in diesem Geist. Alle Menschen: Freunde und Fremde, Wohlmeinende
und Verächter . Dreierlei ist die Frucht des Geistes: Liebe zu Gott, Liebe zu meinen
Mitmenschen und Liebe zu mir. Nur alle drei Bereiche zusammen sind die volle
Liebe.
Um Evangelisation –Werbung für die frohe Botschaft – geht es auch in vielen Berichten in diesem Rundbrief. Die diakonischen Werke der Waldenserkirche geben
Zeugnis davon, wie Christinnen und Christen Gottes Liebe sichtbar und spürbar
werden lassen können. Dieses Engagement wird von vielen durch die Otto-permille-Abgabe stark gewürdigt. Doch dass die Waldenser eine Kirche sind, wissen
viele nicht. Darum hat die Tavola Valdese eine Kommission für Evangelisation ernannt. Der Vorsitzende, Giuseppe Ficara erläutert das Vorhaben.
Der Servizio Cristiano freut sich über den unerwarteten Geldsegen und kann damit
seine Projekte fördern. Marco Sorg berichtet von seinem letzten Besuch als Delegierter von der Versammlung der Freunde des S.C.
„Essere chiesa insieme“ – „gemeinsam Kirche sein“ war das Thema des Runden
Tisches in Brescia. Die vielen Migranten sind eine Chance und eine Herausforderung zugleich für viele Waldensergemeinden. Wie das gemeinsame Zusammenleben aussehen kann und welche Perspektiven sich für die Waldenserkirche ergeben,
können Sie im ausführlichen Bericht von Thomas Fuchs erfahren.
Unsere Schatzmeisterin Bettina Hoffmann berichtet von der Waldensersynode am
Rio de la Plata in Uruguay. Auch hier steht das Thema „Evangelisation“ im Mittelpunkt.
In diesem Jahr findet unsere Mitgliederversammlung am Sonntag, 9.11.2014 in
Mönchengladbach statt. Merken Sie sich diesen Termin doch schon einmal vor.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen im Namen des Vorstandes ganz herzlich für Ihre
Treue danken, mit der Sie die Arbeit des Freundeskreises unterstützen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Cordula Altenbernd
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Riesi im Glück
Versammlung der Freunde des Servizio Cristiano am 22.03.2014
Der Servizio Cristiano erlebt eine glückliche Phase seiner Existenz. Schon das äußere Bild spricht für sich: Die Renovierungen
an den zentralen Gebäuden (Speisesaal und
Gästehaus) sind weitgehend abgeschlossen,
der Kindergarten und die Grundschule erstrahlen in neuem Glanz, der Sportplatz hat
einen neuen Belag bekommen. Schon jetzt
sind gut 800.000 € investiert worden, für
die Renovierung der Aula, der Wohnung
des Direktors und der jetzt im unteren Be-
reich des Olivenhügels untergebrachten
Volontäre werden weitere Mittel zur Verfügung gestellt. All das ist möglich durch
den einzigartigen Zuspruch, den die Waldenser-Kirche bei den 8/00-Mitteln erfährt. Bei der letzten Erhebung waren es
570.000 steuerpflichtige Italiener/innen,
die ihr Kreuz bei der Waldenser-Kirche
gemacht haben - das 30fache ihrer Mitgliederzahl: Die Waldenser selbst sprechen von einem „Wunder“. Es wird viel Mühe darauf verwandt, den Einsatz der
Mittel für alle Italiener/innen transparent zu kommunizieren: In diesem Kontext ist
auch ein Film mit Impressionen vom Servizio Cristiano entstanden, der auf YouTube frei verfügbar ist (http://www.youtube.com/channel/
UCg2rGohmbvTrxxkyKquXIzg).
Der Kindergarten und die Grundschule standen bei der Vorstandssitzung und der
Freundes-Versammlung im März dieses Jahres im Mittelpunkt. Rosalia Baldi, die
bisherige didaktische Leiterin der beiden Einrichtungen, hat eine Stelle als Lehrerin in Florenz angenommen. Neue Leiterin ist nun Nuccia Burgio, die schon seit
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einigen Jahren in der Beratungsstelle arbeitet. Die pädagogischen Einrichtungen
wollen sich in Hinblick auf Inklusion und individuelle Förderung der Kinder weiter
entwickeln. Dazu sollen zum einen die pädagogischen Kräfte fortgebildet werden.
Zum anderen sollen spezifische Angebote für Kinder mit Lern- und Entwicklungsstörungen angeboten werden, was durch den Umzug der sozialen Dienste auf das
Gelände des Servizio begünstigt wird. Die Anmeldezahlen für Kindergarten und
Schule bleiben stabil, wenn auch auf niedrigem Niveau, was mit der ungünstigen
demographischen Situation der Region zusammenhängt. In diesem Jahr hatte der
Vorstand des Servizio ein Treffen mit der
Schulpflegschaft. Die Eltern haben ihre
große Wertschätzung für die pädagogischen
Einrichtungen zum Ausdruck gebracht und
äußerten den Wunsch, dass auch eine weiterführende Schule
eingerichtet wird: ein schöner Gedanke, der
allerdings aufgrund der geringen öffentlichen Unterstützung von Privatschulen in
Italien finanziell nicht realisierbar ist.
Die Erträge in der Landwirtschaft haben
sich gut entwickelt: Im letzten Jahr sind fast 4.400 Liter Olivenöl produziert worden, deutlich mehr als ein Jahr zuvor. Leider ist die Zahl der Gäste, die den Servizio
besucht haben, stark gesunken: Der Servizio würde sich freuen, wenn mehr Gruppenreisen nach Riesi organisiert würden, damit die frisch renovierten Gästezimmer
intensiv genutzt werden.
Für mich persönlich war es die letzte Reise als Mitglied im Vorstand und der Versammlung der Freunde des Servizio Cristiano – nach über 10 Jahren in dieser Funktion: Der warmherzige Abschied des Moderators und der Mitarbeiter/innen hat
mich sehr bewegt. Für den Freundeskreis der Waldenser-Kirche wird von nun an
Pfarrer Rafael Dreyer aus Plettenberg dieses Amt übernehmen: Er war selbst bis vor
kurzem Gemeindepfarrer in Riesi und kennt von daher die örtlichen Verhältnisse
sehr gut. Ich wünsche ihm von dieser Stelle viele erfüllende Erfahrungen bei diesem
Engagement! Im meinem Grußwort vor der Versammlung der Freunde habe ich
mich auf die Jahreslosung 2014 bezogen: „Gott nahe zu sein, ist mein
Glück“ (Psalm 73,28). Der Servizio Cristiano ist ein Ort, an dem die Nähe Gottes
spürbar ist – und in diesem Sinne ein Ort des Glücks.
Marco Sorg
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Gemeinsam Kirche sein
Erlebte Gastfreundschaft und Information
Tagung des Runden Tisches mit der Waldenser-Kirche 27. - 30. März
Ich komme mittags am ‚Centro Pastorale Paolo Sesto‘ in Brescia an, dem
diesjährigen Tagungszentrum des Runden Tisches mit den Waldensern. Zuerst erkunde ich die Stadt, die im Kern römisch und mittelalterlich geprägt
ist. Nahe am Centro Paolo VI sind die Reste des kapitolinischen Zeustempels zusammengefügt; das Forum davor liegt heutzutage einige Meter über
dem alten Niveau, wie man an Ausgrabungen sehen kann.
Die nahe Piazza del Duomo heißt heute Piazza Paolo VI, und im neuen Dom
selbst (erbaut 1604 bis 1825) steht eine Vollplastik Pauls VI., wie er 1975
das Heilige Jahr eröffnet. Ein wenig bin ich berührt davon, an einen Tag erinnert zu werden, an dem ich selber vor 39 Jahren vor Ort war.
Zum Abend hin treffen die Delegierten für unsere Tagung ein: aus den Landeskirchen (Rheinland, Westfalen,
Baden, Hessen-Nassau) und den
kirchlichen Werken und Hilfsvereinen (Gustav-Adolf-Werk, Norddeutsche Mission, Hilfswerk der
evangelischen Kirchen in der
Schweiz, Freundeskreise aus
Deutschland, der Schweiz und den
USA) sowie natürlich der gastgebenden Waldenserkirche
(Moderatore Eugenio Bernardini,
Paolo Naso
Prof. Paolo Naso, Pastor Jens Hansen)
Nach dem gegenseitigen Vorstellen folgt am Freitagmorgen nach der Andacht der ‚Ortspfarrerin‘ Anne Zell (seit ca. 20 Jahren in Italien) die Einführung ins Thema durch Prof. Paolo Naso, dem Koordinator des Gesamtprojektes ‚Essere Chiesa Insieme‘: Immer mehr Immigranten – vor allem aus
Afrika, aber auch aus Asien und Lateinamerika – drängen über Italien in die
Europäische Union. In den letzten 25 Jahren sind etwa 20.000 von ihnen im
Mittelmeer ertrunken. Viele der Einwanderer suchen Arbeit und Auskommen im Nordosten Italiens, vor allem in Mailand und in den östlich davon
gelegenen Städten wie Bergamo und Brescia. Ein guter Teil von ihnen ist
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evangelischer Herkunft, gehört in Afrika z.B. der presbyterianischen Kirche
an und wendet sich für die geistliche Aufnahme und Beheimatung an die
waldensisch-methodistischen Gemeinden. So wächst der Anteil der Zuwanderer in den althergebrachten Gemeinden ständig und hat mitunter 50% und
mehr erreicht. Das seit einigen Jahren bestehende Projekt bzw. Programm
‚Essere Chiesa Insieme‘ (Zusammen Kirche Sein) zielt dabei auf Integration
und nicht auf die Bildung eigener oder gar eigenständiger sogenannter ethnischer Gemeinden.
Schwierig in der italienischen Gesellschaft ist das Problem der Immigration
an sich: Einbürgerung ist oft ein unerreichbares Ziel, Aufenthaltserlaubnis ist
an Arbeit gebunden, interkulturelle Sozialarbeit gibt es nicht, Spracherwerb
wird nicht gefördert. Die europäischen Regeln zur Integration werden in Italien ignoriert bzw. gebrochen, politische Gruppierungen (z.B. Lega Nord)
machen Stimmung gegen Immigranten aus ‚armen‘ Ländern.
In Brescia haben sich vor ca. 20 Jahren die ersten evangelischen Afrikaner
an die Waldenser-Gemeinde gewandt; inzwischen machen die Zuwanderer
gut 40% der etwa 150 Gemeindeglieder aus. Das hat verschiedene Auswirkungen: afrikanisches Liedgut hat längst seinen normalen Platz neben den
traditionellen europäischen Chorälen; Organistin Eva Frick trifft sich schon
seit längerem jeweils vor dem Gottesdienst mit den ghanaischen Gemeindegliedern, um deren mündliches Liedgut zu verschriftlichen. Hier kommt
auch gerne das zweisprachige Liederbuch ‚Cantiamo Insieme – Let’s Sing
Together‘ (2007) mit seinen fast 100 neueren Liedern zum Einsatz.
Zum Predigtdienst geeignete Immigranten und Italiener müssen natürlich
auch theologisch geschult werden und predigen dann auch im ghanaischen
Twi, auf Englisch und schließlich auch auf Italienisch. Der vom Bund der
Evangelischen Kirchen in Italien im Zusammenarbeit mit Kirchen und kirchlichen Organisationen angebotene Kurs dauert drei Jahre und nennt sich
LINFA (‚Lymphe‘/Lebenssaft), ein Akronym für die Kernwörter des Programms ‚Laboratorio INterculturale di Formazione e Accoglienza‘ (Labor
für interkulturelle Bildung und Willkommenskultur). Die 20 Tutoren und
Tutorinnen begleiten z. Zt. ca. 70 Studierende.
In der Waldenser-Kirche von Brescia treffen wir Emmanuel Kodua aus Ghana, der seit 6 Jahren hier lebt und zusammen mit anderen Afrikanern und mit
Italienern diese interkulturelle theologische Ausbildung absolviert hat; er
berichtet stolz, dass er nun schon zweimal auf Italienisch gepredigt hat. Umgekehrt werden aber auch italienische Pfarrer nach Afrika geschickt, um dort
vor Ort afrikanische Traditionen , Lebens- und Denkart kennenzulernen.
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Wie schwierig ein gegenseitiges Anerkennen und Zusammenwachsen und
‚Zusammen Kirche Sein‘ ist, hat die Waldenser-Kirche erkannt und als Kulturvermittler
oder Mediator
den afrikanischen Pfarrer
Elymas Newell
angestellt; er
besucht
die
‚ g e mi s c h t e n ’
Gemeinden
landauf landab,
um Schwierigkeiten aufarbeiten zu helfen.
Ein immer wiederkehrendes
Problem
ist
z.B.
die
von
Treffen mit der Gemeinde in Brescia
den Waldensern praktizierte Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die vielen Afrikanern
ein Graus ist; dies ist auch aus der Tradition geboren, dass Paarbildung der
Kinderzeugung und somit der wirtschaftlichen Absicherung der Familie
dient.
Die angestrebte Integration und gegenseitige Durchdringung mit den ‚neuen‘
Glaubensgeschwistern sieht Moderator Eugenio Bernardini als den vorgegebenen Weg der Waldenser-Methodisten-Kirche: „Interkulturelle Gemeinden
sind die Zukunft unserer Kirche.“ Dass dies dennoch für manche ein
schmerzhafter Prozess ist, bringt der Gemeinderatsvorsitzende Alberto Nencini zum Ausdruck: „Einige unserer Gemeindeglieder erkennen ihre Gemeinde nicht wieder und wünschen sich die Kirche ihrer Kindheit zurück.“
Nencini hat 2010 zusammen mit den anderen Mitgliedern des Kirchenvorstandes eine Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Gemeinde Brescia
herausgegeben. Darin heißt es über die vorangegangenen zwei Jahrzehnte:
„Der Gottesdienst wird bereichert durch verschiedene Elemente, nach und
nach bildete sich eine Gesangsgruppe, aus der schließlich ein Kirchenchor
wurde, die Übersetzung ins Englische wurde zur Regel, ebenso bei den übrigen gemeindlichen Aktivitäten….In Brescia realisiert sich nach und nach
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das Projekt ‚Essere Chiesa Insieme‘, wo eben die Kirche zum Begegnungspunkt der Glaubenden wird und die Liturgie des Gottesdienstes zur Durchmischung der Traditionen, der Kulturen, der Lebenserfahrungen eines
jeden – mit dem Ziel, den eigenen
Glauben in einem weitgefassten
Miteinanderteilen und in der Geschwisterlichkeit mit allen zu bekennen.“
In Bergamo ist die Situation ähnlich. Die Gemeinde wurde 1807 im
‚napoleonischen‘ Königreich Italien von Schweizern und Franzosen
gegründet; heute gehören nur noch
Bibel und Kelch in der Kirche von Bergamo
ca. 24 Personen aus den Ursprungsfamilien dazu, die anderen etwa 250 Gemeindegliedern kommen aus ca. 20
Nationen. Der Umgestaltungsprozess vollzog sich hier ebenfalls seit ca.
1985, seit vor allem aus Ghana evangelische Christen zuzogen. Seit 2013 ist
Winfrid Pfannkuche hier Gemeindepfarrer; er kam vor fast zwei Jahrzehnten
von Deutschland nach Italien und wurde 1997 auf der Synode in Torre Pellice ordiniert; seither ist er in den Waldensertälern (Pramollo und Prali) und in
Süditalien/Sizilien (Palermo und Taranto-Grottaglie-Brindisi) tätig gewesen.
Er führt die Arbeit seiner unmittelbaren Vorgängerin Janique Perrin sowie
der pensionierten
Pfarrer
Thomas
Soggin und
Salvatore
Ricciardi
weiter; die
beiden letzteren sind
bei unserer
Gemeindebegegnung
mit anwesend:
geEliana Briante bei der Katechese mit Kindern
meinsames
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Bibelstudium, gemeinsamer Konfirmandenunterricht, zweisprachige Gottesdienste. In der Gemeinde hat sich nie eine „ethnische Unterabteilung“ gebildet.
Zum Abschluss der Tagung erfahren und erleben wir in Mailand, wie ‚Essere
Chiesa Insieme‘ sich im Gottesdienst vollzieht: In der methodistischen Gemeinde leitet Pfarrerin Eliana Briante den Gottesdienst, der immer wieder
auch englische Anteile hat: bei den Liedern und Gebeten, bei der Predigtzusammenfassung.
Wie schon bei den Treffen in den Gemeinden Brescia und Bergamo erleben
wir nach dem Gottesdienst wieder eine überwältigende Gastfreundschaft –
außer der Reihe und wieder von vielen Gemeindegliedern zusammengetragen. Und zum Abschied bekommt jeder von uns eine Geschenktüte mit Süßigkeiten und dem Liederbuch ‚Cantiamo Insieme –Let’s Sing Together‘. An
dieser Stelle ein ganz herzlicher Dank an unsere italienischen Gastgeberinnen und Gastgeber.
Thomas E. Fuchs
Fast niemand weiß,
dass es eine protestantische Kirche gibt
Das Evangelisationsprojekt der Waldenserkirche
Nach dem Besuch des Moderators Eugenio Bernardini auf unserer Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr hat der Freundeskreis 3.000 Euro für das Evangelisationsprojekt der Waldenserkirche zur Verfügung gestellt. Hier erläutert, der
Koordinator der Kommission für die Evangelisation, Giuseppe Ficara, das Warum
und Wie des Vorhabens.
Die Tavola Valdese hat im Auftrag der Waldensersynode eine Kommission für die
Evangelisation ernannt. Die Synode hat die Bedeutung des Zeugnisses der Kirche
als erste Priorität unserer Berufung betont. Sie hat dazu eingeladen, den Italienern
die Inhalte unseres Glaubens zu vermitteln, die Realität unseres Zeugnisses der mit
der ausdrücklichen Verkündigung er Liebe Gottes in Jesus Christus verbunden ist.
Warum?
Weil in Italien, das überwiegend katholisch ist, nahezu niemand weiß, dass eine
protestantische Kirche wie die unsere existiert. Es gibt immer noch Menschen, die
glauben, dass die Protestanten keine Bibel haben oder nicht an Gott glauben oder
Heiden sind.
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Es gibt aber auch viele Katholiken, die sich aus verschiedenen Gründen außerhalb
ihrer Kirche fühlen, weil sie nicht mit der katholischen Theologie oder dem Papst
einverstanden sind oder weil sie wegen einer Scheidung abgelehnt werden oder weil
sie homosexuell sind etc… Es handelt sich um Gläubige, die die Hoffnung verlieren
ihren Glauben in einer Gemeinschaft der Gläubigen leben zu können. Verschiedene
Erfahrungen in Waldensischen Gemeinden haben hingegen deutlich gemacht, dass
diese Personen in der Waldenserkirche angenommen werden können und dort ihren
Glauben in Gemeinschaft leben können. Sie müssen aber wissen, dass es diese
Möglichkeit gibt. Deswegen unsere „Evangelisation“.
Die Kommission für die Evangelisation wird jedes Jahr von der Tavola Valdese
benannt und besteht aus Giuseppe Ficara (Pfarrer Luserna S. Giovann), Claudio
Pasquet (Pfarrer San Secondo), Simona Menghini (Kommunikationsexpertin Mailand), Roberto Davide Papini (Journalist, Florenz), Greetje Van der Veer
(Lokalpredigerin Fermo/Porto S. Giorgio in den Marken), Mario Cignoni
(Bibelgesellschaft Italien, Rom)
Was macht die Kommission?
Die Kommission hat Material zur Lektüre erarbeitet, das Personen angeboten werden kann, damit sie nicht nur die Geschichte der Evangelischen Theologie kennenlernen, sondern auch erfahren, dass Gott ein Gott der Liebe ist, der nahe ist, zuhört,
erhört, vergibt - im Gegensatz zu der verbreiteten Meinung, dass Gott schwer straft
und diejenigen in die Hölle schickt, die sich
von der Kirche entfernen.
• Wir haben 20.000 Broschüren gedruckt
mit dem Titel „Andere Reden – was
glauben von A bis Z“, ein Büchlein
30 Seiten, das Schlüsselwörter rund
den Glauben in einem evangelischen
phabet erläutert.
wir
mit
um
Al-
• Wir haben 50.000 Flugblätter mit dem
Titel „die frohe Botschaft“ gedruckt in
denen Bibelverse zitiert und kurz kommentiert werden.
• Wir haben 5.000 Exemplare des Neuen Testaments und der Psalmen gedruckt,
deren Titelseite der Evangelisation gewidmet ist und auf der steht „Ein Geschenk
für dich“.
• Wir haben ein Video produziert für den internen Gebrauch in unserer Kirche, um
alle zur Evangelisation zu ermutigen: „Sag es, Zeig es, lebe es“.
• Wir haben 1.500 Plakate gedruckt: „Der Wind weht wo er will – Eine neue Welt
ist möglich“.
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Beispiele konkreter Aktionen
Die Synode hat eine nationale „Woche der Evangelisation“ beschlossen vom 5.-11. Mai. Alle unsere Kirchen sind von der Kommission für die Evangelisation
eingeladen aus den Kirchen herauszutreten und einen
Gottesdienst auf der Piazza anzubieten oder einen
Bibel-Marathon, Flashmob, Bücherstände, VideoBoxen, Ausstellungen, Konzerte, öffentliche Diskussionen etc. Hierzu konnten die Materialien der Kommission eingesetzt werden. Wir haben auch vier Beispielspredigten für die Evangelisation erarbeitet, die
nutzen konnte, wer sie brauchen konnte.
Darüber hinaus hat die Kommission eine Internetseite
gemacht (www. Evangelizzazione.chiesavaldese.org)
über die die Kirchen das Material, das sie benötigen,
beziehen können und es gibt eine Facebookseite
(www.facebook.com/labuonanotizia), die sich an alle
wendet.
Die Woche der Evangelisation hat jede Gemeinde so
gestaltet, wie sie es selber wollte. In Florenz wurde
ein Bibelmarathon veranstaltet, es gab Gottesdienste auf der Piazza mit Chören, in
Pinerolo wurde ein großes Festzelt gemietet, es gab Gemeinden, die nicht rausgegangen sind, sondern wie z.B. in Mailand die Stadt zu einem Tag der offenen Tür in
der Kirche eingeladen haben mit Video, Bücherständen, Ausstellungen, Informationen über die Bibel und die Theologie etc…
Tatsache ist, dass die Woche der Evangelisation auch uns gedient hat, weil die Gemeinden sich engagiert und mobilisiert haben mit großer Anstrengung und Energie
und dafür schöne positive Rückmeldungen bekommen haben.
Giuseppe Ficara, Koordinator der Kommission für die Evangelisation
Übersetzung: Bettina Hoffmann
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Redaktion: Bettina Hoffmann,
Fotos: Marco Sorg (Riesi), Thomas Fuchs (Titel, Runder Tisch)
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Befähigung zur Mission: Tradition und Erneuerung in den
Diensten der Kirche“ –
Auch Waldenserkirche am Rio de la Plata thematisiert Evangelisation
Vom 8.-10. Februar dieses Jahres fand in Colonia Valdense/Uruguay die Synode
der dortigen Waldenserkirche statt. An drei statt wie sonst an fünf Tagen stand
erstmal die Auseinandersetzung mit einem Thema im Mittelpunkt des Treffens.
Ähnlich wie in der italienischen Waldenserkirche steht derzeit die Frage im Zentrum, wie die Kirche auf die Menschen zugehen kann. Es scheint sich der Gedanke
durchzusetzen, dass die Zukunft der Waldenserkirche nicht allein aus sich selbst
heraus, nur durch die eigenen Kinder, gedacht werden kann.
Als Gast brachte Pastor Marcelo Gomes von der Unabhängigen Presbyterianische
Kirche Brasiliens seine Erfahrungen ein.
In vielen Kirchen werde die Anwesenheit des Pfarrers für alle möglichen Bereiche
gefordert, Er selber habe beinahe seine Familie verloren wegen der überbordenden
Arbeit. Heute sei ihm klar, dass er vor allem andere befähigen müsse. Er sei heute
Teil einer Kirche, die in „Zellen“ organisiert sei. Mit 12 Personen in einem Klassenraum habe er angefangen; heute gebe es 100 Gruppen zu je 20 Personen.
Jeder Gläubige sei ein Leiter für diejenigen, die ihn als solchen anerkennen. Er
strich heraus, dass diese Auffassung mit der reformierten Tradition der universellen
Priesterschaft der Gläubigen übereinstimme. Es sei nötig aus der Kirche herauszutreten, so wie Jesus in den Häusern und Straßen agiert habe.
Die „institutionelle Mentalität denke über ausreichende Ressourcen nach, während
die „Mentalität des Glaubens“ überlege: Was habe ich zu geben?
Die Frohe Botschaft müsse an alle Menschen weitergegeben werden, nicht nur an
Bedürftige. Die erste Verantwortung der Gläubigen sei die Verkündigung, daraus
folge die Diakonie als Konsequenz.
In den Workshops wurde über die verschiedenen Aufgaben der Kirche diskutiert.
Es wurde festgestellt, dass bei der Verteilung von Aufgaben zu wenig auf die Gaben und Fähigkeiten der Einzelnen geachtet werde, sondern es mehr darum gehe
wer bereit sei, eine Verantwortung zu übernehmen. Es wurde auch deutlich, dass
viele Erwartungen an die Pfarrer gestellt werden. Die Botschaft, die Marcelo Gomes mitgebracht hat, wurde dabei gewürdigt. Gleichzeitig erinnerten einige Methoden und Themen sehr an die Pfingstler und wurden deswegen intensiv diskutiert.
Neben der inhaltlichen Diskussion gab es natürlich auch einige Entscheidungen zu
treffen. So wurde die Kirchenleitung „Mesa Valdense“ gewählt. Dabei wurden Oscar Oudrì in seinem Amt als Moderador und Carola Tron als seine „Vize“ wiedergewählt.
Bettina Hoffmann
(nach Informationen aus „Riforma“ und „Pagina Valdense“)
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