Entscheid der besonderen Untersuchungskommission vom 7. September 2004 in Sachen FI (Finanzintermediär) Adresse gegen SRO SAV/SNV I. REGESTE Kein Verstoss gegen das Reglement, wenn die Tatbegehung vor dem Beitritt zur SRO erfolgte. Art. 6 GwG, die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei verlangt keine Nachidentifikation der vor Ablauf der Übergangsfrist gemäss Art. 42 Abs. 3 GwG begründeten Kundenbeziehungen und keine nachträgliche Erfüllung der übrigen Sorgfaltspflichten für bestehende Mandate; ungewöhnliche Transaktion und Verletzung der besonderen Abklärungspflicht im konkreten Fall bejaht, aber aufgrund der Übergangsfrist keine Sanktion ausgesprochen. II. SACHVERHALT Am 17. Dezember 2003 eröffnete der Präsident der SRO eine besondere Untersuchung gegen FI. Ihm wurde vorgeworfen, Art. 6, 9 und 10 GwG im Zusammenhang mit einem deutschen Skandal verletzt zu haben. Gemäss eigenen Angaben hat FI im Jahre 1996 einen deutschen Kunden bei einer Zürcher Bank für dessen Vermögensverwaltung eingeführt. FI verfügte über keine Vollmacht über dessen Konti und war auch nicht mit dessen Vermögensverwaltung betraut. 1998 entschied sich der Klient sein Vermögen zu liquidieren und sandte der Zürcher Bank einen Auftrag mit Vollmacht zugunsten von FI zur Disposition und zur Aufhebung des Kontosaldos. FI hat in der Folge im November 1998 eine Summe von ca. DM 2‘000‘000.-- in bar in zwei Tranchen abgehoben und dem Klient gegen Saldoquittung übergeben. Später, im Jahre 2002 wurde der Klient in Deutschland wegen Verdacht auf Bestechung und Untreue verhaftet. 2003 wurde der Klient vom Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit freigesprochen, nicht aber vom Vorwurf der Steuerhinterziehung. III. ERWÄGUNG 1. Das GWG ist am 1. April 1998 in Kraft getreten. FI hat die Transaktion im November 1998 getätigt; folglich ist das GwG anwendbar. Nach dem zweiten Satz von GwG 42 I galt die Meldepflicht vom 1. April 1998 an für alle FI. Als FI war offensichtlich zu verstehen, wer berufsmässig Finanzdienstleistungen erbrachte, auch wenn er (noch) keiner SRO angehörte. De Capitani GwG Art. 42 Note 4 in Schmid, Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei, Bd. II Zürich 2002. Nun bleibt zu Prüfen ob FI den einschlägigen Bestimmungen der Meldepflicht nachgekommen ist. Voraussetzung für die Meldepflicht ist dass der FI sich zuvor mit denn Umständen der Transaktion auseinandergesetzt hat. Nur wenn er mit der gebotenen Sorgfalt vorgegangen ist, kann der FI wegen der Meldung weder zivilnoch strafrechtlich belangt werden. (GwG 11) De Capitani op.cit. GwG Art. 9 Note 9. Bei der Transaktion im Zusammenhang mit dem Müllskandal ist FI mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen? Gemäss Art. 6 GwG steht dem FI eine besondere Abklärungspflicht nach der Rechtsmässigkeit zu, sobald eine Transaktion ungewöhnlich erscheint. Die Abnahme am Saldo von DM 2'000'000.— zu Lasten des Klientenkontos und die anschliessende Übergabe in bar der gleichen Summe an den Inhaber des Bankkontos entspricht sicher nicht einer normalen Lauf einer Geschäftsaktion. Nach den konkreten Umständen und entgegen der Meinung vom FI hätte die Plausibilität der Zahlung in bar, und vor allem die Abnahme der Summe mittels der Unterschrift der FiI, eine besondere Abklärung hervorgerufen um letztlich die Transaktion gründlich zu verstehen. 2. Gemäss Art. 4 GwG ist der FI verpflichtet die Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen. Dazu verlangt die SRO SAV/SNV von den angeschlossenen FI für jeden Kunden ein Kundenprofil anzulegen u.a. mit dem Zweck die wirtschaftlichen Hintergründe der ungewöhnlichen Transaktion leichter zu erkennen. Bekanntlich beinhalten diese Abklärungen unterschiedliche Aspekte, je nach den konkreten Umständen. Die Abnahme von DM 2'000'000.— cash zu Lasten des Klientenkontos als Einzelauftrag ist zweifelsohne als ungewöhnliche Transaktion zu bezeichnen. Eine gründliche Abklärung im Sinne des Art. 6 GwG hätte ans Licht gebracht, dass die überreichte Summe für Zahlungen ohne Rechnung, d.h. ohne plausible Gegenleistung erfordern eine besondere Begründung, die im vorliegenden Fall nicht verlangt wurde. Die darauffolgende Strafuntersuchung in Deutschland hat ergeben, dass die Zahlungen in Form einer Bestechung erfolgt sind. Die Tatsache, dass die Anklage auf Bestechung und Bestechlichkeit gegenüber dem FI-Klient vom zuständigen Gericht abgelehnt wurde, ändert wenig an der Anwendbarkeit von Art. 6 GwG. Dem FI war die Herkunft sowie die Verwendung der Geldsumme nicht bekannt, weil er die besondere Abklärung gemäss GwG unterlassen hat. 3. Nach der Meinung des FI bestand damals keinerlei Verdacht, dass die Geldsumme aus einem Verbrechen oder Vergehen herrühren könnten und somit bestand für ihn keinerlei Anlass für eine besondere Abklärung gemäss Art. 6 GwG. Die Kommission für die besondere Untersuchung ist anderer Meinung und stellt fest, dass FI ein Abklärungsbedarf auf Grund der absolut ungewöhnlichen Transaktion hätte erkennen können und müssen. Gemäss Art. 6 GwG ist der Anwalt verpflichtet den Zeck und den wirtschaftlichen Hintergrund der Transaktion abzuklären. Art. 8 des Reglements der Selbstregulierungs- Organisation SAV und SNV sieht ebenfalls eine solche Abklärungspflicht vor, kommt aber in casu nicht zur Anwendung da FI erst im Jahre 2000 der SRO SAV/SNV beigetreten ist. Kassageschäfte in hohen Beträgen sind ungewöhnlich. Die Frage nach dem wirtschaftlichen Hintergrund (wie wurde das Geld erworben?) verspricht einigen Aufschluss, nicht aber die Frage beispielsweise nach dem Zweck der Einzahlung auf das eigene Konto des Kunden. Im Vordergrund steht die Frage nach dem Grund für das von Kunden gewählte Vorgehen: Weshalb rückt er mit einem grossen Barbetrag an, weshalb verlangt er eine grosse Barauszahlung, statt den üblichen (De Capitani GwG 6 Note 33 in Schmid Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei Bd. II, Zürich 2002). Art. 6 GwG ist das Bindeglied zwischen der formellen Sorgfalt wie Art. 3 und 4 und die VSB verlangen, und dem materiellen Sorgfaltsbegriff, der Art. 305 ter Abs 1 StGB zugrunde liegt. Graber GwG Art. 6 Note 1. 4. Es müssen nicht unbedingt spezielle Verdachtsmomente vorliegen um eine Abklärung im Sinne von Art. 6 GwG durchzuführen, es genügt, wie im vorliegenden Fall, dass die Transaktion als solche ungewöhnlich erscheint (siehe Graber GwG Art. 6 Note 2) Die Übergabe in bar einer Summe über DM 2'000'000.— ist unbestrittenerweise eine ungewöhnliche Transaktion, welche mit Sicherheit als eine mit erhöhtem Risiko zu bezeichnen ist. Erhöhtes Risiko erheischt erhöhte Sorgfaltspflichten. FI hat aber unterlassen die Herkunft der Summe abzuklären obwohl die Sorgfaltspflicht im Rahmen einer einmaligen Transaktion wie im vorliegenden Fall, eine intensivere Rolle spielen sollte. Dr. Heinz FI hat sich der mangelnden Sorgfalt bei Finanzgeschäften schuldig gemacht, zw. Durch die fehlende oder mindestens mangelhafte Hintergrundabklärung hat FI den Tatbestand der Geldwäscherei (unechte Unterlassung) erfüllt. 5. Die Verletzung des Art. 6 GwG wäre somit erwiesen, nun bleibt zu prüfen, ob FI auf Grund der Übergangbestimmungen (Art. 42 Abs. 4 GwG9 zur Rechenschaft gezogen werden kann. FI ist im Jahre 2000 der SRO SAV/SNV beigetreten. Das Geschäft mit dem deutschen Kunden war keine Dauerbeziehung und wurde im Jahre 1998 abgewickelt, also vor dem Ablauf der zweijährigen Übergangsfrist für die Umsetzung der Sorgfaltspflicht. Die Frage stellt sich ob die Pflicht zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten bestehe auch für die Mandate die vor dem 1. April 2000 geschlossen worden sind. Die Pflicht zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten setzt voraus, dass bestehende Kundenbeziehungen ab Stichtag vom 1. April 2000 der Sorgfaltspflicht der Finanzintermediäre unterstellt sind. (Entscheid der Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei vom 8. Februar 2002). Und weiter im zitierten Entscheid: Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die Fragen der Nachidentifikation der vor Ablauf der Übergangsfrist gem. Art 42 Abs. 3 GwG begründeten Kundenbeziehungen offen gelassen werden kann. Auch wenn das Gesetz keine rückwirkende, formelle Identifikation bestehender Kundenbeziehungen vorsieht, ist es jedoch aus dem Zweck des Gesetzes heraus zu begrüssen, wenn Finanzintermediäre dies tun. Die Kontrollstelle verlangt damit die Nachidentifikation und die nachträgliche Erfüllung der übrigen Sorgfaltspflichten für bestehende Mandate nicht. Was für bestehende Mandate gilt, muss auch für abgeschlossene Mandate gelten. Durch die Nichtvornahme der vom GwG verlangten Abklärungen hat FI dem Zweck des Gesetzes scher nicht gedient, aber für die Anwendungen von Sanktionen fehlt es an der gesetzlichen Grundlage. IV. ES WIRD ENTSCHIEDEN 1. Es wird festgehalten, dass FI, Mitglied der Selbstregulierungsorganisation des Schweizerischen Anwaltsverbandes und des Schweizerischen Notarenverbandes, Bern Art. 6 GwG verletzt hat. Auf Grund der Übergangsfrist (Art. 42 GwG) werden keine Sanktionen ausgesprochen. 2. Die Kosten von Verfahren und Entscheid gehen zu Lasten der SRO SAV/SNV.