Wendepunkte

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Wendepunkte
●
Energiepolitik ● Mobilität ● Umweltpolitik
●
Industrie- und Dienstleistungspolitik ● Strukturpolitik
Nr. 11 / 05.07.2013
Nachhaltige Entwicklung
und menschenwürdige
Arbeit : Die 102. Arbeitskonferenz der ILO….Seite 1
Wirtschaftswachstum und
Abfallvermeidung: Der
Entwurf des Abfallvermeidungsprogramms..…Seite 3
Energiewende - Meisterwerk statt Stückwerk: Bericht zu einer Fachtagung von
HBS und DGB…......Seite 5
Plattform: Pressemitteilungen und Veranstaltungen der
Abteilung IDS
……………............Seite 8
Nachhaltige Entwicklung und menschenwürdige
Arbeit – Die 102. Arbeitskonferenz der ILO
Vom 5. bis 20. Juni 2013 fand in Genf die 102. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (International Labour Organisation – ILO) statt. Als eines von vier zentralen Themenfeldern stand in diesem Jahr erstmalig die Nachhaltige Entwicklung auf
der Agenda. Das Ergebnispapier der tripartiten Verhandlungen zwischen Regierungen, Arbeitnehmern und Arbeitgebern liegt
nun in englischer Sprache vor. Der DGB war in der Gruppe „Nachhaltige Entwicklung“ durch Dr. Inge Lippert und Daniel
Schneider vertreten.
Mit dem Thema der Nachhaltigen Entwicklung greift die ILO
zwei zentrale Problemfelder auf, die zu den wichtigsten
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gehören: die Umsetzung ökologischer Nachhaltigkeit und die Verwirklichung
einer Vision menschenwürdiger Arbeit. Sie macht damit
deutlich, dass Umwelt und soziale Entwicklung nicht länger
als getrennte Säulen angesehen werden dürfen. Beide Problemfelder sind eng miteinander verknüpft und müssen daher gemeinsam angegangen werden.
Nachhaltige Entwicklung
Mit der Ausrichtung auf die Nachhaltige Entwicklung tritt
die ILO in die Fußstapfen wichtiger internationaler Organisationen wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die Weltbank und das
Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP). Diese
Organisationen haben die dringende Notwendigkeit formuliert, vom bisher verfolgten Szenario des „Business as usual“ abzuweichen und einen neuen globalen Entwicklungspfad eines „Grünen Wachstums“ einzuschlagen.
Der bisher verfolgte Entwicklungspfad „erst Wachstum,
dann Umweltschutz“ ist demnach in mehrfacher Hinsicht
nicht mehr tragbar. Zum einen aus ökologischen Gründen,
denn die Übernutzung der natürlichen Ressourcen (Wasser,
Wälder, Fischbestand), die steigende Umweltverschmutzung und die Treibhausgasemissionen führen den Planeten
an seine Grenzen.
Zum anderen aber auch wirtschaftlich. So haben Berechnungen des Internationalen Instituts für Arbeitsfragen ergeben, dass wesentlich höhere Treibhausgasemissionen in Zukunft erhebliche Kosten für die Produktionsleistung und Gesamtproduktivität nach sich ziehen werden. Bis 2030, so
die Berechnungen, wird das Produktivitätsniveau um 2,4
Prozent und bis 2050 um 7,2 Prozent unter dem heutigen
Wert liegen.
Menschenwürdige Arbeit
Im Bereich der Arbeit sind die Herausforderungen nicht
minder groß. So hat das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) festgestellt, dass heute noch 1,75
Milliarden Menschen in Armut leben und in Bezug auf Ge-
Newsletter der Abteilung Industrie-, Dienstleistungs- und Strukturpolitik des DGB Bundesvorstands
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sundheit, wirtschaftliche Chancen, Bildung und Lebensstandard benachteiligt sind. 200 Millionen Menschen sind
gegenwärtig arbeitslos. Gleichzeitig wird erwartet, dass in
den nächsten 10 Jahren 400 Millionen junge Menschen in
den globalen Arbeitsmarkt eintreten werden.
Nicht nur die Schaffung von Millionen neuer Arbeitsplätze,
auch schlechte Arbeitsbedingungen und Armut trotz Erwerbstätigkeit konfrontieren die Länder mit neuen Anforderungen. Fast 900 Millionen Arbeitskräfte leben mit ihren
Familien unterhalb der Armutsgrenze von 2 US-Dollar pro
Tag. Bei genauerem Blick zeigt sich, dass ein großer Teil
dieser Arbeitskräfte in Sektoren beschäftigt ist, die durch
Übernutzung der natürlichen Ressourcen und Klimawandel
bedroht sind, z.B. Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei.
schaft und menschenwürdige Arbeit zusammenzuführen
und einen gerechten Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu schaffen.
Das erarbeitete Dokument ist aufgrund der tripartiten Verhandlungsstruktur der ILO notwendigerweise ein Konsenspapier. Hieraus erklärt sich, warum es kaum über allgemeine Forderungen und Willensbekundungen hinaus geht. In
der Konkretisierung der ökologischen Handlungsfelder fällt
es zudem deutlich hinter das Abschlussdokument der UNKonferenz für nachhaltige Entwicklung (Rio+20) zurück.
Wenn man bedenkt, dass das Thema der nachhaltigen Entwicklung in diesem Jahr erstmalig auf der Agenda der ILO
stand, dürfen die Ergebnisse aber auch nicht unterbewertet
werden. Positiv ist aus Sicht des DGB vor allem die starke
Verankerung der Agenda „Menschenwürdiger Arbeit“, die
die Arbeitnehmerseite in den Verhandlungen
mit den Arbeitgebern und Regierungen durchsetzen konnte.
Das Ergebnispapier formuliert die folgenden
Leitprinzipien zum Übergang auf eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft:
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Das Ergebnispapier der ILO-Konferenz
Das Ergebnispapier der ILO-Konferenz bekennt sich vor diesem Hintergrund zu einem integrierten Ansatz der Nachhaltigkeit, in dem die drei Dimensionen – ökonomisch, sozial
und ökologisch – gleiche Bedeutung haben und aufeinander bezogen werden sollen. Konkret steht dabei das Ziel im
Zentrum, die Elemente aus den Bereichen Umwelt, Gesell-
Rechte am Arbeitsplatz: Die Politiken müs-
sen die fundamentalen Prinzipien und
Rechte der Arbeit respektieren, weiter entwickeln und
realisieren.
Workers’ Meeting ILO-Konferenz Foto: I. Lippert
Die Risiken der Menschen werden durch das weit verbreitete Fehlen eines Basissozialschutzes, Krankheiten, Ernteausfälle, Naturkatastrophen (z.B. Überschwemmungen), unzureichenden Zugang zu Gesundheitsdiensten und Bildung oft
noch weiter verschärft. Auch mangelnder Zugang zu sauberer Energie trägt zur sozialen Exklusion bei.
Starker sozialer Konsens : Sozialer Dialog
muss auf allen Ebenen integraler Bestandteil der institutionellen Rahmenbedingungen für politische Entscheidungen und ihre
Implementierung sein.
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Gleichbehandlung : Die Politiken und Programme
müssen die Gender-Dimension der vielfältigen Umweltherausforderungen und -chancen berücksichtigen.
-
Positive Anreize durch kohärente Politiken: Diese
müssen eine ermöglichende Umwelt für Unternehmen, Arbeitnehmer, Investoren und Konsumenten
schaffen, um den Übergang zu nachhaltiger und inklusiver Ökonomie zu fördern.
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Fairer Übergang für alle: Die (kohärenten) Politiken
müssen Rahmenbedingungen für einen fairen Über2
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gang schaffen, um die Entwicklung menschenwürdiger Arbeit (inkl. sozialer Schutz-, Qualifizierungsund Organisationsrechte) zu unterstützen.
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Kein „One-size-fits-all“: Politiken und Programme
können auf die spezifischen Bedingungen der Länder, betroffenen Sektoren und Unternehmen zugeschnitten werden.
lem, ob die„Grüne Wirtschaft“ die hohen Anforderungen,
die die ILO an das neue Leitmodell stellt, wirklich erfüllen
kann. Ob die grüne Beschäftigung tatsächlich Millionen von
Menschen weltweit aus der Armut befreit, wird sich in Zukunft erst noch erweisen müssen. In Deutschland sind
„grüne Jobs“ jedenfalls nicht automatisch auch „gute
Jobs“, wie z.B. die Entwicklung in der Solarindustrie zeigt.
Zum Weiterlesen:
-
Förderung internationaler Kooperationen zwischen
den Ländern: Bei der Implementierung nachhaltiger
Strategien bezieht sich das ILO-Papier ausdrücklich
auf das Abschlussdokument der Rio+20-Konferenz
(insbesondere Kapitel 6).
Ausblick
Das Ergebnispapier der ILO-Konferenz „Achieving Decent
Work, Green Jobs and Sustainable Development“ finden
Sie hier (S. 67 ff. im Dokument).
Autorin: Dr. Inge Lippert
Trotz gelungenem Übereinkommen sind auch nach der 102.
Arbeitskonferenz noch viele Fragen offen. Unklar ist vor al-
Wirtschaftswachstum und Abfallvermeidung – Der
Entwurf des Abfallvermeidungsprogramms
Im Rahmen der Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie wird der Bund zum 12. Dezember 2013 erstmalig ein Abfallvermeidungsprogramm aufstellen. In diesem Programm sollen bereits bestehende Vermeidungsmaßnahmen ermittelt und anschließend nach ihrer Zweckmäßigkeit zur Reduzierung des Abfallaufkommens bewertet werden. Ziel ist eine Entkopplung
des wirtschaftlichen Wachstums von den mit der Abfallerzeugung verbundenen Umweltauswirkungen. Ob dies durch den
vorliegenden Programmentwurf umgesetzt werden kann, ist jedoch fraglich.
Steigende Abfallmengen
Schwierigkeiten bei der Abfallbehandlung
Die Entsorgung und Behandlung von Abfällen stellt in der
heutigen Konsumgesellschaft eine wachsende Herausforderung dar. Obwohl die Begriffe Umweltschutz und Nachhaltigkeit in aller Munde sind, verzeichnet das Statistische
Bundesamt für Deutschland im Jahr 2011 ein Abfallaufkommen von 386,7 Millionen Tonnen. Knapp die Hälfte
dieses Abfallaufkommens sind Abfälle aus Produktion und
Gewerbe, Siedlungsabfälle und bereits zuvor einmal behandelten Abfälle (Recyclingabfälle). Dies stellt einen Anstieg
des Abfallvolumens zum Vorjahr um 3,7 % dar. Um diesen
Abfallbergen Herr zu werden, wurden in der Vergangenheit
verschiedene Wege mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen beschritten.
Grundlegende Möglichkeiten der Abfallbehandlung sind die
Deponierung und energetische Verwertung. Nachteilig ist
hierbei, dass beide Maßnahmen zu einer steigenden Belastung von Wasser, Böden und Luft durch die bei der Deponierung und Verbrennung der Abfälle entstehenden Schadstoffe führt. Zudem kann so das Potential der noch im Abfall befindlichen Rohstoffe nicht genutzt werden. Viele der
im Abfall enthaltenen Rohstoffe sind für eine bloße
Verbrennung zu kostbar. Der energetische Gewinn durch
ein Verbrennen ist zudem gegenüber den Energiekosten im
Rahmen den Produktionsprozesse oftmals verschwindend
gering.
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Recycling bietet in diesem Zusammenhang die Möglichkeit,
den Verbrauch von Rohstoffen zu reduzieren. Allerdings
handelt es sich beim klassischen Recycling überwiegend
nicht um eine echte Kreislaufführung von Wertstoffen.
Vielmehr wird nur die Lebensdauer von Produkten erhöht.
Nachdem mehrere Recycling-Zyklen durchlaufen sind, fällt
am Ende wieder das ausgediente Produkt als Abfall an. In
diesem Fall hat man es also begrifflich nicht mit Recycling,
sonder vielmehr mit Downcycling zu tun. Zudem trüben die
Kosten für Sammlung, Transport und Sortierung der Abfälle
die ökologische Bilanz der bisherigen Recycling-Praxis.
Neues Produktdesign gleich weniger Abfall
Da Abfälle in Bezug auf Aufbereitung und Entsorgung oftmals problematisch sind, ist es naheliegend, als ersten
Schritt Abfall gar nicht erst entstehen zu lassen.
Ein echtes Recycling erfordert allerdings ein intelligentes
Produktdesign: Produkte müssen schon so entworfen werden, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer einfach wieder in
ihre Bestandteile zerlegt und erneut genutzt werden können. Dieses Konzept beginnt sich jedoch erst nach und nach
durchzusetzen.
Ein positives Beispiel ist etwa die Produktion von Kleidung
aus reiner Baumwolle, die nach ihrer Nutzungsdauer vollständig kompostiert werden kann. Vorherrschend sind allerdings leider immer noch Einmal- und Wegwerfprodukte,
die zwar einfach zu produzieren, aber umso schwerer zu recyceln sind. Ein klassisches Beispiel ist hierbei das moderne
Mobiltelefon. Sein Akku ist oftmals mit dem Gehäuse verklebt und daher nicht auszuwechseln. Ist der Akku erschöpft, fällt das ganze Gerät als Abfall an, obwohl es vielleicht ansonsten noch technisch mangelfrei funktioniert.
Ressourcen aus Abfällen zu konzentrieren. Nur auf diesem
Wege kann eine ökologische Modernisierung der Wirtschaft in Deutschland umgesetzt werden.
Die Idee der Abfallvermeidung ist nicht neu. Das deutsche
Kreislaufwirtschaftsgesetz geht vielmehr selbst von einer
fünfstufigen Abfallhierarchie („Vermeidung, Vorbereitung
zur Wiederverwendung, Recycling, sonstige Verwertung,
Beseitigung”) aus. Hierbei hat die Abfallvermeidung oberste Priorität.
Vom Standpunkt eines verantwortungsbewussten und
nachhaltigen Umgangs mit natürlichen Ressourcen ist es
daher nur folgerichtig, Abfälle, soweit möglich, gar nicht
erst entstehen zu lassen. Eine Abfallvermeidung führt dabei
zu einer Reduktion des Verbrauchs an Rohstoffen und
Energie sowie der Belastung der natürlichen Ressourcen
wie Wasser, Boden und Luft.
Festlegung von Abfallvermeidungszielen
Ein Kritikpunkt am vorliegenden Programmentwurf ist die
Festlegung von Abfallvermeidungszielen durch so genannte
„nicht quantifizierte Zielvorgaben“. Dies bedeutet, dass
Zielvorgaben zur Abfallvermeidung nicht konkret festgelegt
werden, sondern nur allgemeine Zielvorgaben der Reduzierung vorgegeben werden.
Dies ist bedauerlich, da Zielvorgaben mit konkreten Mengenschwellen einen größeren Anreiz zur Durchführung von
Abfallvermeidungsmaßnahmen für die Beteiligten bieten. In
den Bereichen, in denen nachweisbar mit der Maßnahme
zur Abfallverringerung auch eine unmittelbare Verringerung
der Auswirkungen auf die Umwelt einhergeht, sollte daher
auch auf diese konkreten Mengenvorgaben zurückgegriffen
werden.
Abfallvermeidung als notwendige Herausforderung
Das jetzt vorgestellte Abfallvermeidungsprogramm versucht,
die Idee der Abfallvermeidung als Grundgedanken der Abfallwirtschaft zu etablieren.
Die globalen Rohstoffressourcen wie etwa Kohle und Öl
sind begrenzt. Damit steigen auch die Rohstoffpreise. Es ist
also folgerichtig und auch notwendig, sich auf die Vermeidung und effiziente Nutzung und Wiedergewinnung von
Auswirkungen auf Beschäftigung und Gesundheitsschutz
Ein weiterer Kritikpunkt an dem vorliegenden Programmentwurf ist die mangelnde Einbeziehung von Arbeitnehmern
im Bereich der Umsetzung des Programms auf betrieblicher
Ebene.
Im betrieblichen und Produktionsbereich kann mit Maßnahmen zur Abfallvermeidung ein großer Beitrag zur Schaf-
Newsletter der Abteilung Industrie-, Dienstleistungs- und Strukturpolitik des DGB Bundesvorstands
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fung von qualifizierten Arbeitsplätzen im Abfallbereich geschaffen werden. Zudem bietet sich die Möglichkeit, den
Gesundheits- und Arbeitsschutz der Beschäftigten im Betrieb zu verbessern. Der Verzicht auf den Einsatz von umwelt- und gesundheitsschädlichen Produktionsstoffen führt
hierbei im gleichen Maße zu einer Verringerung von Produktionsabfällen wie auch zur Verbesserung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes der Beschäftigten.
Alle diese Aspekte sind für eine Umsetzung des Abfallvermeidungsprogramms wichtig und stellen Gründe dar, Abfallvermeidung als Prinzip weiter zu etablieren. Gerade hier
besteht mit den unmittelbar an den Produktionsprozessen
im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein großes Potential, dass unbedingt genutzt werden sollte. Denn um vor Ort Maßnahmen der Abfallvermeidung durchzuführen, ist die Einbeziehung der Beschäftigten
aufgrund ihrer Vertrautheit mit der Materie unabdingbar.
Festlegung eines ordnungsrechtlichen Rahmens
Im Hinblick auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Abfallvermeidung verzichtet der vorliegende Programmentwurf
leider auch weitgehend auf die Festlegung eines ordnungsrechtlichen Rahmens und setzt auf freiwillige Maßnahmen
der Produzenten. Regelungen der Produktverantwortung,
die über Appelle hinausgehen, werden nicht empfohlen.
Freiwillige Selbstverpflichtungen und Vereinbarungen sind
zwar ebenso wie Aufklärungskampagnen durchaus sinnvoll.
Allerdings sind dort Grenzen gesetzt, wo ein gesetzlicher
Rahmen benötigt wird, um stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen festzulegen und zu sichern.
Dafür ist eine aktive staatliche Umweltpolitik nötig, die für
alle Unternehmen gleiche ökologische Wettbewerbsbedingungen sichert. Die dazu erforderlichen Instrumente und
Rahmenbedingungen für mehr Umweltschutz und Beschäftigung müssen so gestaltet und eingesetzt werden, dass Innovation, Investition sowie zukunftsfähige Produktion und
Produkte auch ökonomisch belohnt und nicht bestraft werden.
Fazit
Die Aufstellung des Abfallvermeidungsprogramms zur Etablierung des Prinzips der Abfallvermeidung ist ein Schritt in
die richtige Richtung. Ob in der jetzigen Form jedoch ein
nachhaltiger Einfluss im Rahmen der ökologischen Erneuerung ausgeübt werden kann, ist fraglich. Es bleibt festzuhalten, dass für die nächsten Überarbeitungen des Programms
noch ausreichend Raum für Verbesserungen besteht.
Die Stellungnahme des DGB zum Entwurf des Abfallvermeidungsprogramms finden Sie hier.
Autor: Daniel Schneider
DGB: Energiewende soll Meisterwerk statt Stückwerk
werden
Wie fällt die Bilanz der Energiewende zwei Jahre nach den Beschlüssen des Deutschen Bundestages aus und welche Weichenstellungen sind für die kommende Legislaturperiode notwendig? Diesen Fragen ging eine Fachtagung von HansBöckler-Stiftung und DGB-Bundesvorstand nach, die am 25. Juni 2013 in Berlin stattfand.
Nach Dr. Marc Schietinger von der Hans-Böckler-Stiftung
begrüßte Dietmar Hexel, DGB-Vorstandsmitglied, die Teilnehmer im Namen des DGB. In seiner Begrüßungsrede hob
Hexel hervor, dass die anfängliche Aufbruchstimmung bei
der Energiewende inzwischen einer Ungeduld und Frustration gewichen ist. „Die Energiewende muss ein Meister-
stück werden und darf nicht nur Stückwerk bleiben“, so
Dietmar Hexel. Dafür müssen die fünf zentralen Engpässe
der Energiewende - Fachkräftemangel, Speicher, Investitionen, Netze und Akzeptanz - überwunden werden. Hexel
wies erneut auf die beiden Kernziele der Energiewende hin:
Atomausstieg und Klimaschutz. Diese müssten weiter ver-
Newsletter der Abteilung Industrie-, Dienstleistungs- und Strukturpolitik des DGB Bundesvorstands
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folgt werden. Gleichzeitig muss sich der weitere Prozess am
„Sechseck der soziale Energiewende“ und den beschriebenen Kriterien orientieren: „Bezahlbare Energie“, „faire Kostenverteilung“, „Arbeitsplatzerhalt und –ausbau“, „gute
Arbeit“, „Gestaltung des Strukturwandels“ und mehr „Partizipation und Teilhabe“ (vgl. Wendepunkte Ausgabe Nr.
5). Abschließend unterstrich Hexel, dass die Energiewende
heute so nötig sei wie vor zwei Jahren und es nun darauf
ankäme, die Kräfte, die in derzeitige Widerstandaktivitäten
gingen, für die Energiewende zu gewinnen.
Marktdesign, eine Verbesserung des Emissionshandels sowie mehr Energieeffizienz“.
Im zweiten Einführungsvortrag ging Jürgen Kerner, Vorstandsmitglied der IG Metall, auf die aktuelle politische
Steuerung der Energiewende und deren negative Auswirkungen auf die Beschäftigten ein. „Viele potentielle Gewinner sind aktuell Verlierer der Energiewende, wenn man die
derzeitige Entwicklung beispielsweise in der Solarindustrie
verfolgt. In vielen Betrieben und Branchen herrscht bei den
Beschäftigten nackte Angst“, so Kerner.
Kerner fordert deshalb ein energiepolitisches Gesamtkonzept und eine koordinierte Industriepolitik, damit die Chancen der Energiewende genutzt und mit guten Arbeitsplätzen verbunden werden können. Zudem rief er zur Gelassenheit auf, was die Kostenentwicklung anbelangt: „Die
Energiewende wird es nicht zum Nulltarif geben, aber die
Kosten zahlen sich aus“. Er schloss mit dem Appell an die
Bundesregierung: „Handeln statt Stillstand, denn Stillstand
wird über kurz oder lang Rückschritt bedeuten“.
Dietmar Hexel bei seiner Begrüßungsrede
Foto: N. Wegener
Im Anschluss referierte Prof. Dr. Claudia Kemfert vom
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu den
wirtschaftlichen Chancen der Energiewende. Sie stellte zunächst klar, dass es sich bei der Energiewende zurzeit vor
allem um eine Stromangebotswende handele. Gebäudesanierung und Mobilität kämen viel zu kurz. Sie verwies darauf, dass die Energiewende vielmehr „von hinten her gedacht werden“ muss. Es ginge um einen kompletten Umbau der Energieversorgung, und nicht nur darum, die erneuerbaren Energien einfach auf die konventionellen Energien aufzusetzen.
Kemfert verwies auf neuere Berechnungen des DIW, wonach etwa 30 bis 38 Mrd. EUR pro Jahr in die Energiewende investiert werden müssen und forderte, dass in der Debatte über die Energiewende mehr über Kosten statt über
Preise gesprochen werden solle. „Kosten sind das, was man
verbraucht, oder auch nicht“, so Kemfert. Zum Abschluss
ihres Impulsvortrages deutete sie an, welche Maßnahmen
für eine kluge Energiewende benötigt werden: „Ein kluges
An die beiden Vorträge knüpften zwei Podiumsdiskussionen
an. In der ersten Runde diskutierten Vertreter und Vertreterinnen von IG BCE, ver.di, BDI, Klimaallianz und Agora
Energiewende, wie sie den aktuellen Umsetzungsstand der
Energiewende einschätzen und welche Maßnahmen jetzt
wichtig sind. Rainer Baake, Direktor der Agora Energiewende, stellte fest, dass aus seiner Sicht Wind und Solar zu
den tragenden Säulen der Stromversorgung werden, was
mehr Flexibilität im System erfordere. Er unterstrich, dass es
auf eine klare Priorisierung der zu erledigenden Aufgaben
durch die Bundesregierung ankäme, um die notwendigen
Ausgleichsoptionen bereit zu stellen und eine bessere europäische Abstimmung zu organisieren.
Dr. Ralf Bartels von der IG BCE machte darauf aufmerksam, dass für die Zeit des Übergangs, vor allem die Braunkohle ein „Partner der erneuerbaren Energien“ sei. Bartels
unterstrich, dass es ihm darum gehe, stärker eine Diskussion um die „Macher der Energiewende“ zu führen und die
leidige Debatte um Gewinner und Verlierer hinter sich zu
lassen.
Dr. Carsten Rolle vom BDI machte deutlich, dass er große
Überschneidungen mit den Gewerkschaften sieht und be-
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tonte die Verlagerungsgefahr von Industrien angesichts
steigender Energiepreise. Vor allem durch ausbleibende Investitionen käme es zu „einer schleichenden Abwanderung“.
Aus Sicht der Umweltverbände hob Katharina Reuter von
der Klimaallianz hervor, dass die Braunkohle keine Zukunft
habe und deren Nutzung nur deshalb Zuwächse verzeichne,
weil „der Emissionshandel nicht funktioniert“. Zudem forderte Reuter, dass die Energiewende sozial gestaltet werden solle und verwies in diesem Kontext auf eine jüngst
veröffentlichte Erklärung der Klimaallianz.
regelung für Industriebetriebe zu überprüfen und stärker am
Kriterium der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auszurichten. Als Beispiel nannte er Fleisch verarbeitende Betriebe, die von den Ausnahmen profitieren, wenn sie reguläre
Jobs durch Leiharbeit ersetzten. Leiharbeit wirke sich damit
„perverserweise“ vorteilhaft auf die Einhaltung der Kriterien für die Bewilligung der Ausnahmen aus. Einigkeit bestand bei Rolf Hempelmann und Oliver Krischer darüber,
dass man nach der Bundestagswahl eine EEG-Reform
bräuchte, die mehr Markt- und Systemintegration ermöglicht und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien
sicherstellt.
Dr. Reinhard Klopfleisch von der Gewerkschaft ver.di
hielt ebenfalls die Flexibilisierung von Kraftwerken und Gesamtsystem für wichtig und machte deutlich, dass deshalb
auch die Notwendigkeit bestünde „in Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in der Energiewirtschaft“ zu investieren. Klopfleisch erläuterte zudem, dass der Börsenstrompreis falsche Signale für EEG-Umlage und Investoren sende.
Große Einigkeit bestand bei den Diskutanten darüber, dass
die neue Bundesregierung sehr zügig ein neues Strommarktdesign auf den Weg bringen muss. Auch die Forderung nach einem abgestimmten Gesamtkonzept für die
Energiewende wurde sehr einhellig deutlich gemacht.
Zum Abschluss kamen die Energiepolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien auf das Podium und stellten sich
den Fragen von Malte Kreutzfeldt, Parlamentsredakteur
der taz. Einigkeit bestand in dieser Runde, dass nach der
Wahl die Themen Strommarktdesign und EEG-Reform auf
der Tagesordnung stehen müssten. Bei der Frage nach den
konkreten Umsetzungsschritten blieben die Positionen jedoch konträr. So forderte Thomas Bareiß von der UnionsFraktion, den Einspeisevorrang für erneuerbare Energien
abzuschaffen und war sich mit Horst Meierhofer (FDP)
einig, dass mehr „Marktwirtschaft“ ins System gebracht
werden müsse. Welche konkreten Schritte dafür notwendig
seien, blieb allerdings weitestgehend offen.
Energiepolitiker der Bundestagsfraktionen in der Diskussion
mit Malte Kreutzfeldt (taz) Foto: N. Wegener
Dorothée Menzer formulierte für die Linksfraktion die
Forderung, dass bei der Diskussion um die Strompreissteigerungen mehr Ehrlichkeit vonnöten sei und endlich die viel
stärker gestiegenen Heizkosten thematisiert werden müssten, wenn den einkommensschwachen Haushalten wirklich
geholfen werden solle.
Welche Maßnahmen nach der Bundestagswahl tatsächlich
umgesetzt werden, wird sich in den kommenden Wochen
zeigen. Bis dahin bleibt noch viel Zeit für Diskussionen.
Mehr Planungssicherheit für Beschäftigte und Betriebe wird
es deshalb frühestens nach den Koalitionsverhandlungen
geben.
Rolf Hempelmann (SPD) machte deutlich, dass mehr Planungssicherheit und eine bessere Koordination in der Energiewende notwendig wäre und forderte in diesem Zusammenhang ein Energieministerium. Oliver Krischer von den
Grünen unterstrich die Notwendigkeit, die EEG-Ausnahme-
Autor: Frederik Moch
Newsletter der Abteilung Industrie-, Dienstleistungs- und Strukturpolitik des DGB Bundesvorstands
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Plattform
DGB-Pressemitteilung „Zwei Jahre Energiewende –
die Entschlossenheit fehlt“ vom 28.06.2013: Vor
flechtungsmittel werden vom Bund in gleicher Höhe bis
2019 weiter gezahlt. Weiterlesen
zwei Jahren wurde die Energiewende beschlossen. Doch
das Projekt stockt. Der DGB fordert eine Gesamtarchitektur
zu schaffen und vor allem Planungssicherheit herzustellen.
Weiterlesen…
DGB-Pressemitteilung „Meisterstück statt Stückwerk nötig“ vom 26.06.2013: Anlässlich der DGB-
DGB-Pressemitteilung „Kommunale Verkehrsinfrastruktur: Vernunft hat in letzter Sekunde gesiegt“
vom 28.06.2013: Der DGB und seine Mitgliedsgewerk-
Konferenz „Bilanz der Energiewende", die gemeinsam vom
DGB-Bundesvorstand und der Hans-Böckler-Stiftung veranstaltet wurde, forderte Dietmar Hexel, DGB-Vorstandsmitglied, eine Gesamtarchitektur der Energiewende, auf die
alle Hauptakteure verpflichtet werden müssen.
Weiterlesen…
schaften begrüßen die Einigung über die Höhe der Entflechtungsmittel. Nach langer Zitterpartie können die Länder und Kommunen nun aufatmen. Die so genannten Ent-
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