Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung I Einführung © Prof. Dr. Alexander Kempf 1 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung I.1 Zentrale Fragestellungen Lernziele: • Überblick über die zeitliche Entwicklung des Fachs • Verständnis der grundlegenden Fragestellungen in der Kapitalmarkttheorie © Prof. Dr. Alexander Kempf 2 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Geschichte der Kapitalmarkttheorie Traditionell Modern (ab ca. 1880) (ab 1952) = = Analyse einzelner Wertpapiere Analyse des Zusammenwirkens mehrerer Wertpapiere © Prof. Dr. Alexander Kempf 3 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Traditionelle Fragestellungen I Frage: Wie kann man die besten Aktien herausfinden? Antworten: • Charles Dow (ab ca. 1880) „Kursentwicklungen sind regelmäßig wie Ebbe und Flut.“ • B. Graham & C. Dodd (1934): Security Analysis John Burr Williams (1938): Theory of Investment Value „Unternehmenseigenschaften bestimmen Kursentwicklung.“ © Prof. Dr. Alexander Kempf 4 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Traditionelle Fragestellungen II Frage: Kann man mit Kursprognosen überhaupt Geld verdienen? Antworten: • Empirisch: • Theoretisch: „Nein, da Aktienkurse die Informationen „It is doubtful.“ Cowles (1933) aller Anleger widerspiegeln.“ Bachelier (1900) Samuelson (1965) Fama (1965) © Prof. Dr. Alexander Kempf 5 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Moderne Fragestellungen I Frage: Wie soll man ein Portfolio zusammenstellen? Antworten: • Anleger halten nicht nur die Aktie mit der größten erwarteten Rendite, sondern Portfolios aus verschiedenen Aktien, um Risiko zu streuen. • Anleger sollten erwartete Rendite und Risiko ihres Portfolios gegeneinander abwägen. Markowitz (1952) © Prof. Dr. Alexander Kempf 6 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Moderne Fragestellungen II Frage: Was ist der faire Preis einer Aktie, wenn sich alle Anleger entsprechend der Portfoliotheorie verhalten? Antwort: Anleger halten im Gleichgewicht anteilig das Marktportfolio. Deshalb spiegelt der faire Preis eines Wertpapiers den Risikobeitrag des Wertpapiers zum Marktportfolio wider (CAPM). Sharpe (1964) Lintner (1965) Mossin (1966) © Prof. Dr. Alexander Kempf 7 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Moderne Fragestellungen III Frage: Kann man Wertpapierpreise ohne starke Verhaltensannahmen bestimmen? Antwort: Wertpapierpreise müssen so sein, dass keine risikolosen Gewinne ohne Kapitaleinsatz (Arbitrage) möglich sind. Working (1949): Futures Black/Scholes (1973) & Merton (1973): Optionen Ross (1976): Aktien © Prof. Dr. Alexander Kempf 8 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Fragestellungen in „Investments“ 1) Wie kann man die besten Aktien herausfinden? nein 2) Kann man mit Kursprognosen überhaupt Geld verdienen? nein 3) Wie soll man ein Portfolio zusammenstellen? ja 4) Was ist der faire Preis einer Aktie? ja 5) Wie kann man Wertpapiere präferenzfrei bewerten? ja © Prof. Dr. Alexander Kempf 9 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Zusammenstellung der erwähnten Originalarbeiten I Bücher: Bachelier, L. (1900): Theory of Speculation, in: P. Cootner (ed.): The Random Character of Stock Market Prices, S. 16-78, Cambridge, MIT Press. Graham, B.; Dodd, D. (1934): Security Analysis, New York, McGraw Hill. Williams, J. (1938): Theory of Investment Value, Cambridge, Harvard University Press. Zeitschriftenartikel Black, F.; Scholes, M. (1973): The Pricing of Options and Corporate Liabilities, in: Journal of Political Economy, Vol. 81, S. 637-654. Cowles, A. (1933): Can Stock Market Forecasters Forecast?, in: Econometrica, Vol. 1, S. 309-324. Fama, E. (1965): The Behavior of Stock Market Prices, in: Journal of Business, Vol. 38, S. 34-105. © Prof. Dr. Alexander Kempf 10 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Zusammenstellung der erwähnten Originalarbeiten II Zeitschriftenartikel (Fortsetzung) Lintner, J. (1965): The Valuation of Risky Assets and the Selection of Risky Investments in Stock Portfolios and Capital Budgets, in: Review of Economics and Statistics, Vol. 47, S. 13-37. Markowitz, H. (1952): Portfolio Selection, in: The Journal of Finance, Vol. 7, S. 77-91. Merton, R. (1973): Rational Theory of Option Pricing, in: Bell Journal of Economics and Management Science, Vol. 4, S. 141-183. Mossin, J. (1966): Equilibrium in a Capital Asset Market, in: Econometrica, Vol. 34, S. 768783. Ross, S. (1976): The Arbitrage Theory of Capital Asset Pricing, in: Journal of Economic Theory, Vol. 13, S. 341-360. © Prof. Dr. Alexander Kempf 11 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Zusammenstellung der erwähnten Originalarbeiten III Zeitschriftenartikel (Fortsetzung) Samuelson, P. (1965): Proof that Properly Anticipated Prices Fluctuate Randomly, in: Industrial Management Review, Vol. 6, S. 41-49. Sharpe, W. (1964): Capital Asset Prices: A Theory of Market Equilibrium under Conditions of Risk, in: The Journal of Finance, Vol. 19, S. 425-442. Working, H. (1949): The Theory of the Price of Storage, in: American Economic Review, Vol. 31, S. 1254-1262. © Prof. Dr. Alexander Kempf 12 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung I.2 Rendite Lernziele: • Kenntnis des Unterschieds zwischen diskreten und stetigen Renditen • Verständnis der Eigenschaften von diskreten und stetigen Renditen © Prof. Dr. Alexander Kempf 13 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Diskrete Rendite • Diskrete Rendite: Wertsteigerung (hier nur Kurssteigerungen) während eines Zeitraums bezogen auf den Kapitaleinsatz zu Beginn des Zeitraums. rt = S (t ) − S (t − 1) S (t − 1) © Prof. Dr. Alexander Kempf mit: S = Aktienkurs 14 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Portfolioadditivität von diskreten Renditen • Bei diskreten Renditen ergibt sich die Rendite eines Portfolios als wertgewichtete Summe der Renditen der darin enthaltenen Wertpapiere (Additivität im Portfolio): (1) • rW = N ∑w ⋅r i =1 i i Diese Eigenschaft ist extrem hilfreich bei Portfolioanalysen. Deshalb nutzt man dort typischerweise diskrete Renditen. © Prof. Dr. Alexander Kempf 15 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Fehlende Zeitadditivität von diskreten Renditen I • Bei diskreten Renditen ergibt sich die Rendite über einen langen Zeitraum nicht (!) als Summe der Renditen über die kurzen Zeiträume. Es gilt vielmehr: (2) (3) ) r (0, T = r (0, T )= S (T ) − S (0) S (T ) S (T ) S (T − 1) S (1) 1 ... = − = −1 S (0) S (0) S (T − 1) S (T − 2) S (0) T ∏ (1 + r ) − 1 t =1 © Prof. Dr. Alexander Kempf t 16 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Fehlende Zeitadditivität von diskreten Renditen II t Kurse Diskrete Rendite • 0 1 2 5000 6000 5000 20% -16,67% Gesamtrendite ist offensichtlich Null, aber die Summe der Jahresrenditen positiv. Dies verdeutlicht den Fehler, den man macht, wenn man diskrete Renditen über die Zeit addiert. © Prof. Dr. Alexander Kempf 17 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Stetige Rendite I • Die fehlende Zeitadditivität diskreter Renditen ist für manche Analyse unschön. Deshalb verwendet man bei solchen Analysen oft stetige Renditen 𝑅, da diese zeitadditiv sind: S (t ) Rt = ln S ( t 1) − © Prof. Dr. Alexander Kempf 18 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Stetige Rendite II • Bei der diskreten Rendite wurde unterstellt, dass man am Anfang des Jahres das Geld anlegt und dann am Ende des Jahres die Rückzahlung erhält. Es gibt also keinen unterjährigen Zinseszins-Effekt. S (1)= (1 + r ) S (0) © Prof. Dr. Alexander Kempf 19 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Stetige Rendite III • Unterstellt man stattdessen, dass man die Rückzahlung vor Jahresende erhält, kann man den Rückzahlungsbetrag wieder anlegen und es gibt einen unterjährigen Zinses-Zins-Effekt. Wenn es n gleichlange Perioden während des Jahres gibt (bspw. 12 Monate), so gilt: n Rn S (1)= 1 + S (0) n Rn gibt dabei die Rendite p.a. bei n Teilperioden an. © Prof. Dr. Alexander Kempf 20 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Stetige Rendite III • Unterstellt man nun, dass die Anzahl der Teilperioden gegen Unendlich und damit die Länge der Teilperioden gegen Null geht, so ergibt sich: n S (1) R = lim 1 + = e R S (0) n→∞ n ⇒ S (1) R = ln (0) S R gibt dabei die Rendite p.a. bei unendlich vielen Teilperioden an. Sie wird stetige Rendite genannt. © Prof. Dr. Alexander Kempf 21 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Zeitadditivität von stetigen Renditen • Bei stetigen Renditen ergibt sich die Rendite über einen langen Zeitraum als Summe der Renditen über die kurzen Zeiträume. S (T ) S (T ) S (T − 1) S (1) R (0, T ) ln= = S (0) ln S (T − 1) S (T − 2) ... S (0) (4) S (T ) S (T − 1) S (1) = ln + ln + ... + ln ( 1) ( 2) (0) S T S T S − − T (5) R (0, T ) = ∑ Rt t =1 © Prof. Dr. Alexander Kempf 22 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Fehlende Portfolioadditivität von stetigen Renditen • Bei stetigen Renditen ergibt sich die Rendite eines Portfolios nicht (!) als wertgewichtete Summe der Renditen der darin enthaltenen Wertpapiere. Vielmehr gilt: N (6) = RW ln ∑ wi ⋅ e Ri i =1 © Prof. Dr. Alexander Kempf 23 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Unterschied zwischen den Renditen I • Für gegebene Aktienkurse ist die stetige Rendite stets kleiner als die diskrete Rendite. 2009 2010 5957,43 6914,19 5898,35 7612,39 9552,16 Diskrete Rendite 16,06% -14,69% 29,06% 25,48% Stetige Rendite 14,89% -15,89% 25,51% 22,70% DAX 2011 2012 2013 Quelle: Datastream; berechnet aus Jahresschlusskursen © Prof. Dr. Alexander Kempf 24 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Unterschied zwischen den Renditen II 9552,16 − 5957, 43 Diskrete Gesamtrendite: = r (0, T ) = 60,34% 5957, 43 r (0,= T ) 1,1606 ⋅ ... ⋅1, 2548= − 1 60,34% 9552,16 Stetige Gesamtrendite: = R (0, T ) ln= 5957, 43 47, 21% R (0,= T ) 0,1489 + ... + 0, 227 = 47, 21% © Prof. Dr. Alexander Kempf 25 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Diskrete Renditen als Standardfall • Da für unsere Portfolioanalysen die Portfolioadditivität von Renditen sehr hilfreich ist, verwenden wir im Folgenden – wenn nicht explizit anders angegeben – diskrete Renditen. © Prof. Dr. Alexander Kempf 26 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Kursbeeinflussende Maßnahmen I • Wenn es kursbeeinflussende Maßnahmen (Kapitalerhöhungen, Dividenden, Aktiensplits) gibt, dann muss man dies berücksichtigen, damit die Rendite die gesamte Wertänderung widerspiegelt. S (t ) + D − S (t − 1) rt = S (t − 1) © Prof. Dr. Alexander Kempf mit: D = Dividendenzahlung 27 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Kursbeeinflussende Maßnahmen II • Die obige Berücksichtigung von Dividenden ist völlig korrekt, doch wie sieht die Rendite des Anlegers über den gesamten Zeitraum aus? • Dies hängt offensichtlich davon ab, was der Anleger mit der erhaltenen Dividende macht. Normalerweise unterstellt man, dass der Anleger diese wieder in die Aktie reinvestiert. Dadurch hält der Anleger nach der Dividendenzahlung mehr Aktien (im folgenden Beispiel 1,04 Aktien pro Aktie vorher). © Prof. Dr. Alexander Kempf 28 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Kursbeeinflussende Maßnahmen III • Um dies bei der Renditeberechnung zu berücksichtigen, werden die Kurse üblicherweise mit einem Korrekturfaktor multipliziert. • Die bereinigten Kurse sind dann über die Zeit vergleichbar. • Die tatsächlichen Renditen können direkt aus den bereinigten Kursen berechnet werden. © Prof. Dr. Alexander Kempf 29 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Kursbeeinflussende Maßnahmen IV • Es wird eine Dividende in Höhe von 4 € gezahlt. Kurs ex Dividende Tag 1 Tag 2 Tag 3 Tag 4 Tag 5 97 € 98 € 101 € 100 € 105 € Dividende 4€ Kursrendite (diskret) 1,03% 3,06% S Ex + Div. Bereinigungsfaktor S Ex Bereinigter Kurs Gesamtrendite © Prof. Dr. Alexander Kempf 97,0 € -0,99% 5,00% 1,04 1,04 98,0 € 101,0 € 104,0 € 109,2 € 1,03% 3,06% 2,97% 5,00% 30 Seminar für ABWL und Finanzierung Univ.-Prof. Dr. Alexander Kempf I Einführung Zusammenfassung • Diskrete und stetige Renditen unterscheiden sich, die stetige ist stets kleiner als die diskrete. • Die Portfoliorendite ergibt sich nur auf Basis diskreter Renditen als gewichtete Summe der Renditen der einzelnen Wertpapiere. Allerdings sind diskrete Renditen nicht zeitadditiv. • Wir verwenden im Folgenden diskrete Renditen. © Prof. Dr. Alexander Kempf 31