Wie wird der Leistenbruch behandelt?

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Wie wird
der Leistenbruch
behandelt?
Jedes Jahr werden in bundesdeutschen Krankenhäusern 70 000
Leistenbrüche operiert, in den
Vereinigten Staaten sind es sogar
600 000. Die Leistenbruchoperation ist mit 10 bis 20 Prozent aller Operationen eine der häufigsten überhaupt.
Unter den Kindern (ein bis zwei Prozent aller Fälle)
sind nahezu 90 Prozent der Bruchpatienten Jungen, bei
den Erwachsenen verschiebt sich das Verhältnis männlich/weiblich auf 80 zu 20 Prozent.
Was ist eigentlich ein Leistenbruch?
Zu einem Leistenbruch kann es wegen
einer Gewebeschwäche kommen
oder wenn man zu
schwer getragen hat.
Jeder Mensch hat Lücken in seiner Bauchwand. Durch
eine dieser Lücken, den sogenannten Leistenkanal (den
gibt es zweimal, an der linken und rechten Leiste), führt
beim Mann das Samenstranggebilde, an das sich der
Hoden anschließt; bei der Frau ist es ein Aufhängeband
der Gebärmutter. Vergrößert sich die Lücke, zum Beispiel wegen einer angeborenen Schwäche des Gewebes
oder weil der Patient schwere Gewichte getragen hat,
kann das zum Leistenbruch führen. Das Bauchfell
zwängt sich nach und nach durch die Lücke und wölbt
sich vor, es kommt zur Bildung eines Bruchsacks. Dieser
kann sich bis in den Hodensack hineinentwickeln und
eine große Behinderung darstellen.
Samenstrang
äußerer Leistenring
Bruchpforte
vorgefallene
Eingeweide
So sieht ein
Leistenbruch aus.
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Bruchsack
Wie verlaufen die wichtigsten Operationen?
Was sind die Symptome?
Die Beschwerden beim Leistenbruch sind zunächst nur
gering: ein Druckgefühl, ein leichtes Ziehen in der Leiste, ganz selten kommt es zu einem unvermittelten oder
heftigen Schmerz.
Meist bildet sich der Bruchsack ganz allmählich aus,
nur die sichtbare Vorwölbung nach außen entsteht dann
relativ rasch. Solange er nicht eingeklemmt ist, verursacht
der Bruchsack allerdings nur leichte Beschwerden.
Läßt sich der Inhalt – weil verklemmt – jedoch nicht
mehr durch die Lücke zurück in den Bauchraum drükken, wird es brenzlig. Der Patient klagt dann schnell
über Übelkeit, er muß sich übergeben und braucht
Hilfe.
Jetzt sollte dringend ein Arzt gerufen werden.
Darm, Blinddarm, Harnblase, bei Mädchen und Säuglingen auch der Eierstock, können eingeklemmt sein. Es
droht ein Darmverschluß und eine Bauchfellentzündung, außerdem kann es zu Durchblutungsstörungen
des Hodens kommen.
Noch schlimmer: der Inhalt des Bruchsacks kann absterben. Es besteht Lebensgefahr.
Natürlich stellt sich längst nicht jeder Leistenbruch so
dramatisch dar, wie gerade geschildert. Oft bahnt sich
der Bruch nur langsam an.
Die Bruchpforte schließt sich nicht von selbst. Ein
Bruchband ist keine Hilfe! Es kann den Bruch nicht heilen und seine Ausbildung nicht verhindern. Außerdem
ist das Bruchband unhygienisch. Es schädigt die Haut,
führt zu Ekzemen und erschwert eine Operation!
Schwierig ist es beim Leistenschmerz und beim noch
nicht faßbaren Bruch, andere Ursachen auszuschließen.
Bei Wettkampfsportlern rührt der Schmerz eher von einem Muskelansatz her. Im Alter kann ein Schmerz in der
Leistenbeuge auf eine Hüfterkrankung hinweisen.
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Der Begriff Leistenbruch ist im Grunde
genommen irreführend. Die Bruchlükken sind bei jedem
Menschen bereits vorhanden. Bruch bedeutet also nicht, daß das
Gewebe plötzlich zerrissen ist.
Normalerweise ist
genügend Zeit, eine
Operation zu planen.
Was passiert bei der Operation?
Grenzen einer
laparoskopischen
Operation.
Operiert wird meist unter Vollnarkose oder unter örtlicher Betäubung. Allerdings kann das Liegen auf dem
harten Operationstisch bei einem längeren Eingriff Beschwerden verursachen.
Die Operation dauert meist zwischen 20 und 30 Minuten, dazu kommt noch einmal eine Vor- und Nachbereitungszeit von jeweils etwa 10 bis 20 Minuten. Der
Eingriff sollte unbedingt von einem erfahrenen Arzt gemacht werden (vom Facharzt oder unter Facharztaufsicht) – entweder ambulant oder in einer Klinik.
Der Grund dafür ist, daß die Anatomie im Bereich der
Leiste relativ kompliziert ist.
Bei Säuglingen und Kindern wird ein etwa drei Zentimeter langer Schnitt in der querverlaufenden Bauchfalte
gemacht, bei Erwachsenen ist der Zugang oberhalb der
Leiste sechs Zentimeter lang, entlang der Hautspaltlinie.
Die Narbe liegt in der Schambehaarung, also kosmetisch günstig.
Danach werden die tiefsten Regionen der Bauchwand
und des Leistenbandes genau inspiziert, der Bauchsack
wird vom Samenstranggebilde isoliert, das mit besonderer Vorsicht behandelt und geschont wird. Dann wird
der Inhalt des Bauchsacks geprüft und in die Bauchhöhle geschoben.
Die auseinanderklaffenden Bauchwandschichten werden mehrschichtig miteinander vernäht. Für die Samenstränge muß natürlich eine Lücke bleiben. Sie werden
möglichst weit zur Seite verlagert, dürfen aber nicht eingeengt werden.
Auch eine laparoskopische Operation des Leistenbruchs ist heute möglich, aber sie ist nicht empfehlenswert, weil noch nicht einmal Ergebnisse der letzten fünf
Jahre vorliegen. Laparoskopiert wird unter Vollnarkose,
und zwar von innen, vom Bauchraum her. Dabei müs72
Wie verlaufen die wichtigsten Operationen?
sen Fremdkörper implantiert werden, um die Bruchlücke
zu verstopfen.
Welche Komplikationen sind möglich?
In 0,3 bis 6 Prozent aller Fälle kommt es zu Wundinfektionen; die Wahrscheinlichkeit einer Wundblutung liegt
zwischen null und sieben Prozent (eine typische Komplikation, die auch im Zusammenhang mit der Thromboseprophylaxe gesehen werden muß: Das ThromboseMittel verdünnt das Blut, die Blutstillung wird schwieriger). Die Thromboserate liegt bei 0,5 Prozent. Darm,
Blase oder Gefäße werden bei weniger als einer von
1000 Operationen verletzt.
Zu den Langzeitfolgen gehören Durchblutungsstörungen des Hodens. Es besteht die Gefahr, daß er nicht
mehr funktionstüchtig ist. Außerdem kann es zur Sterilität der Frau wegen eines eingeklemmten Eierstocks im
Kindesalter kommen. Da genau diese Diagnose für nahezu die Hälfte aller Leistenbrüche bei Mädchen gestellt
werden muß, empfiehlt sich die sofortige Operation,
auch wenn das Kind noch keine offensichtlichen Beschwerden hat.
Durchaus ins Gewicht fällt im übrigen die sogenannte
Rezidivrate (Rückfallrate), die besagt, wie groß die
Wahrscheinlichkeit ist, daß es erneut zu einem Bruch
kommt. Sie liegt, je nach Operationstechnik, bei 10 bis
20 Prozent. Die Shouldice-Technik, ein Verfahren, bei
dem die hinterste Wand des Leistenkanals fortlaufend
ans Leistenband genäht wird, hat mit weniger als drei
Prozent die geringste Rezidivrate.
Bei der laparoskopischen Bruchoperation wird ein
Fremdkörpernetz in die Lücke zum Bruchlückenverschluß eingeführt. Dabei kann es zu entzündlichen
Komplikationen und damit zu Abstoßungsreaktionen
kommen.
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Die Rückfallrate
beträgt 10 bis
20 Prozent.
Was passiert nach dem Eingriff?
Schmerzen lassen sich
gut beherrschen.
Besonders wichtig für
die Lunge ist die
sogenannte Seufzeratmung – vor allem
bei älteren Patienten
und Rauchern.
Zunächst bekommt der Patient eine Spritze gegen
Thrombose und Embolie. Eine Vorsorgemaßnahme, die
allerdings – wie bereits erwähnt – unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Das gespritzte Mittel kann zu
Nachblutungen im Wundbereich führen, weil das Blut
verdünnt wird.
Nach einer regionalen Betäubung hält die Schmerzfreiheit über Stunden an. Der erste Wundschmerz sollte
frühzeitig mit Schmerzmitteln bekämpft werden. Dieses
Vorgehen macht mögliche Folgeschmerzen erheblich erträglicher.
Relativ häufig haben Patienten unmittelbar nach der
Operation Probleme beim Wasserlassen. Falls ein Harnblasenkatheter gesetzt wird, passiert das in der Regel allerdings nur einmal. Der Harndrang sollte nicht zu lange
bestehen, weil es sonst zu einem schmerzhaften Harnverhalt kommen kann – dies ist eine Unfähigkeit, die gefüllte Harnblase spontan zu entleeren.
Nach der Operation sollte der Patient unbedingt wieder aufstehen. Das erleichtert das Wasserlassen, verhindert aber auch eine Thromboseentwicklung oder
eine mögliche Lungenentzündung. Früher war es genau umgekehrt: da mußte man Tage oder sogar Wochen liegen.
Mindestens genauso wichtig wie das Aufstehen ist
das Atmen, genauer gesagt: die sogenannte Seufzeratmung.
Im 30-Minuten-Turnus muß bei dieser Atemtechnik
mehrmals tief durchgeatmet werden. Das verbessert das
Allgemeinbefinden und belüftet die Lunge. Besonders
wichtig ist der Einsatz dieser Atemtechnik bei alten Menschen, bei Rauchern und bei Patienten, deren Lunge bereits vorgeschädigt ist. Die schmerzhafte Einschränkung
der Atmung kann nämlich böse Folgen haben und dazu
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Wie verlaufen die wichtigsten Operationen?
führen, daß Sekrete nicht abfließen können. Dann droht
eine Lungenentzündung.
Am dritten Tag nach der Operation sollte sich dann
der Stuhlgang einstellen; Duschen ist, je nach Befinden,
ab dem dritten bis fünften Tag möglich, die Wunde darf
aber nicht feucht bleiben!
Wurde der Eingriff bei regionaler Betäubung durchgeführt, darf der Patient bereits unmittelbar nach der
Operation trinken, bei Vollnarkose etwa vier Stunden
nach dem Aufwachen. Ein leichtes Frühstück gibt es am
Morgen nach der Operation zu essen.
Wie lange dauert der Aufenthalt
im Krankenhaus?
Noch vor wenigen Jahren blieb ein Bruchpatient in
Deutschland bis zu 16 Tage im Krankenhaus, eine im
Vergleich zu anderen Ländern viel zu lange Liegedauer.
Diesen Tatbestand haben auch Untersuchungen über die
Komplikationsraten bei kürzerem Klinikaufenthalt bestätigt.
Um Komplikationen wie Thrombose oder Blutungen
zu entdecken und zu verhindern, sollte der Patient nach
dem Eingriff 24 bis 48 Stunden überwacht werden. Die
kontinuierliche Überwachung ist aber nur in der Klinik
möglich! Bei Säuglingen und Kleinkindern kann auf
Wunsch die Mutter in die Klinik mit aufgenommen werden, oder sie dürfen mit Einverständnis der Mutter nach
genauer Untersuchung noch am gleichen Tag nach
Hause gebracht werden.
Wie geht es zu Hause weiter?
Körperliche Anstrengungen sollten nach der Operation
zu Hause zunächst einmal vermieden werden. Vor allem, um einen erneuten Leistenbruch zu verhindern. Er
ist dann leicht möglich, wenn der Patient eine Gewe75
Bei späteren
Schmerzen sofort
zum Arzt gehen!
beschwäche hat oder die Wunde noch nicht richtig verheilt ist. Autofahren, schweres Heben sowie Treppensteigen ohne bewußte Schonung sind nach zwei bis drei
Wochen möglich, Intimverkehr je nach Wundheilung.
Nach 12 bis 14 Tagen kann eine Behandlung der
Narbe durch Druckmassage beginnen.
Kinder können nach Abschluß der Wundheilung wieder zur Schule gehen. Auch die Teilnahme am Sport sind
nach drei Wochen wieder möglich, ausgeschlossen ist
allerdings Leistungssport sowie Geräte- und Kampfsport
jeder Art.
Hochleistungssportler dürfen nach drei Wochen mit
lockerem Training beginnen und nach drei Monaten
wieder voll in ihre Disziplin einsteigen.
Der Arbeitsbeginn hängt von der Art der Tätigkeit und
vom Wohlbefinden des Patienten ab. Erwachsene sind
bei minimaler körperlicher Belastung bereits direkt im
Anschluß an die Entlassung aus der Klinik wieder arbeitsfähig. Empfohlen wird in der Regel aber eine Erholungspause von etwa drei Wochen.
Privatpatienten gehen in der Regel wieder viel früher
als nicht privat versicherte Patienten an ihre Arbeit. Dies
liegt sicherlich aber auch an der Art der Tätigkeit, die sie
ausüben.
Da die Wunde meist nach zwei Wochen, spätestens
nach drei Wochen stabil ist, kann Schwimmen dann
schon erlaubt sein. Bei geringster Schwellung des Hodens sollte vorübergehend eine enge Unterhose oder gar
ein Suspensorium getragen werden. Bei Brennen beim
Wasserlassen, Schmerzen und auch einer Hodenschwellung sollte sofort der Arzt aufgesucht werden. Früh erkannt, können solche Komplikationen wieder endgültig
behoben werden. Wenn es zum Beispiel zu einer Nachblutung in der Leistengegend und in den Bruchsack
kommt, so muß natürlich schnellstens eine Operation
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Wie verlaufen die wichtigsten Operationen?
erfolgen, da sonst beim Mann der Hoden bleibend geschädigt werden kann.
Eine Nachuntersuchung nach Leistenoperation zur
Qualitätssicherung in der Chirurgie hat gezeigt, daß
88,8 Prozent der Patienten mit der stationären Behandlung zufrieden waren, 95,1 Prozent mit der ärztlichen
Behandlung und 92,4 Prozent mit der pflegerischen Behandlung. So gesehen ist die Krankenhausbehandlung
nicht so schlecht wie ihr Ruf. Bei dieser Nachuntersuchung hat sich auch gezeigt, daß die Patienten den
Bluterguß und die Hodenschwellung, die mit etwa
1 Prozent erwartet wird, selbst mit je 20 Prozent angegeben hatten. Das zeigt, wie häufig Mißempfindungen
nach dieser Operation auftreten können. Sollten Sie also
unsicher sein, ob eine relevante Veränderung vorliegt, so
gehen Sie unverzüglich zum Arzt, der den normalen
Heilungsverlauf am besten beurteilen kann.
Das Wichtigste auf einen Blick
Hauptsymptome: Schmerzen, Vorwölbung in der
Leiste, Hodenhochstand.
Häufigste Vorgehensweise: Ambulante oder stationäre Operation, regionale Betäubung oder Narkose
ist möglich.
Die offene Operationstechnik sollte bevorzugt werden, Laparoskopie ist nicht empfehlenswert, außer in
speziellen Operationszentren.
Hauptkomplikationen: Nachblutungen, Thrombose,
Embolie, Wundinfekt.
Eine erneute Bruchbildung ist möglich.
Schmerzen können gut bekämpft und gemildert werden!
Fragen Sie, wer operiert: Die Bruchoperation ist
keine Aufgabe für unerfahrene Ärzte!
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Gehen Sie zum Arzt,
wenn Sie Fragen zum
Verlauf der Wundheilung haben.
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