REZENSION MATHEMATISCHE BEGABUNGEN FÖRDERN Veröffentlicht in: news&science. Begabtenförderung und Begabungsforschung. ÖZBF, Nr. 27/Ausgabe 1, 2011, S. 57-58. Volker Ulm (2010, Hrsg.) Mathematische Begabungen fördern Cornelsen Verlag Berlin [94 Seiten, ISBN 9-7835-8905-157-1, € 21,95] An der Entstehung dieses Buches haben viele engagierte und an der Begabtenförderung in der Grundschule interessierte Lehrer/innen mitgearbeitet. Es wendet sich an Grundschullehrkräfte, die sich der Förderung mathematisch besonders interessierter und begabter Kinder verstärkt annehmen möchten. In der Einführung werden zwei Schwerpunkte thematisiert: das mathematische Denken und die mathematische Begabung. Zum mathematischen Denken und zur mathematikbezogenen Informationsverarbeitung gehören das Experimentieren, die Begriffsbildung, das Modellieren, das Schlussfolgern, das Problemlösen sowie die Bewältigung von Komplexität in Verbindung mit Flexibilität und Kreativität. Ebenso große Bedeutung kommt dem mathematischen Gedächtnis zu. Mathematische Begabung, Fähigkeit und Leistung stehen in Wechselbeziehung und „mathematische Begabung bezeichnet das individuelle Potential zu mathematischem Denken“. Die Wechselwirkung der drei Faktoren wird in einem Schaubild dargestellt und interpretiert. Die Publikation weist drei Schwerpunkte auf: Arithmetik, Sachmathematik und Geometrie. Zur Arithmetik gehört die Beschäftigung mit magischen Quadraten, die Entdeckeraufgaben mit verschiedenen Fenstern an der Hundertertafel und das Experimentieren mit Zahlenfolgen und Ziffernkärtchen. Die Themen der Sachmathematik konzentrieren sich auf das „Zusammenstellen von ICE-Zügen“, auf das Verteilen von Murmeln im Murmelbeutel, das Kodieren und Dekodieren von Informationen (Geheimsprachen) und auf so genannte „Fermi-Fragen“ (italienischer Kernphysiker und Nobelpreisträger). In Geometrie erhalten die Kinder Faltanleitungen, erstellen Faltberichte und beschäftigen sich mit der „Faltgeometrie“. Ein weiterer Themenschwerpunkt betrifft das Experimentieren mit „Pentakuben“ (Pentakuben bauen, zeichnen, konstruieren) und den Umgang mit Lineal und Maßband (Planen, Entdecken, Vergleichen). Abschließend geht es noch um Entdeckungen am Spielwürfel (Punktmuster und Würfelnetze) sowie um „Fünflinge“ (Pentominos) in Verbindung mit dem Kalenderspiel. Eine wichtige Hilfe für die Unterrichtspraktiker ist die thematische Einleitung. Sie weist jeweils drei Aspekte auf: die Intentionen (aus Sicht der Begabtenförderung), die fachlichen Grundlagen (Hintergrund) und die methodischen Hinweise zum Einsatz der editierbaren Kopiervorlagen. In den letzteren wird das systematische Vorgehen mit dem experimentierenden und explorierenden Denken verknüpft. Für die „Sachmathematik“ wird den „Fermi-Fragen“ besondere Bedeutung beigemessen, weil diese in einfacher, klarer Wortwahl prägnant und offen gestellt werden. Fermi wollte mit seinen Fragen erreichen, dass ungewohnte, zunächst unlösbar erscheinende Probleme mit „gesundem Menschenverstand“ anzupacken sind. Die Fermi-Frage wirft ein leicht verständliches, vielleicht überraschendes Problem mit Alltagsbezug auf. Ziel ist es, über vernünftige, begründbare Annahmen gewisse Vorstellungen von Größenordnungen zu gewinnen. In Verbindung mit dem fachlichen Hintergrund werden sechs Punkte besonders akzentuiert. Die Fermi-Fragen öffnen den Blick für Mathematik in der Lebenswelt, sie ermutigen zum experimentierenden Denken, sie vertiefen das Verständnis für Größen, sie regen das Schätzen und Überschlagen an, sie regen das Vermuten und Vorhersagen an (vage Angabe, Abschätzungen), sie fördern das Reflektieren und Bewerten von verschiedenen Lösungswegen. Hier sollen aus Sicht eines vierten Schuljahres exemplarisch einige Fermi-Fragen erwähnt werden: Wie oft hat dein Herz in deinem Leben schon geschlagen? Wieviel Klopapier verbrauchen die Personen in unserer Schule in einem Jahr? Wie viele Getränkekisten brauchen wir für ein Schulfest unserer Schule? Wie viele aufgeblasene Luftballons passen in unser Klassenzimmer? usw. usw. Die Autorinnen und Autoren sind der Meinung, dass die „Faltgeometrie“ für die Grundschüler/innen besonders motivierend ist. Sie schult die Genauigkeit beim Arbeiten und fördert das strukturierende, geometrische Denken. Die Faltprodukte vermitteln den Kindern besondere Erfolgserlebnisse und das geometrische Denken vollzieht sich in einem Wechselspiel zwischen Ebene und Raum. Mit der Faltarbeit sind die Grundschüler/innen gefordert, Strukturen zu erkennen, Texte zu lesen, die Faltschritte zu verstehen, sie konkret auszuführen und die Ergebnisse in Verbindung mit einem Faltbericht zu reflektieren. Beim Falten entstehen verschiedene geometrische Grundformen: Dreieck, Quadrate, Drachen, Trapeze und Vierecke. Diese besitzen oft Symmetrieeigenschaften. So wird der Geometrieunterricht für die Kinder zu einem komplexen, aber ansprechenden Themenfeld. Die Verfasser/innen gehen vom konkret-logischen Denken aus, erörtern die Lebenswirklichkeit und regen das systematische und verallgemeinernde Nachdenken der Kinder an. PROF. GOTTFRIED KLEINSCHMIDT Einsteinstr. 21 D-71229 Leonberg-Ramtel