Zukunft der ambulanten Versorgung

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Bundestagswahl 2017: Zukunft der ambulanten Versorgung
Antworten von Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Ein Schwerpunkt im Bundestagswahlkampf wird die Auseinandersetzung um die Fortexistenz bzw.
Weiterentwicklung des gegenwärtigen dualen Versicherungssystems gegenüber der Einführung einer für alle
verpflichtende Bürgerversicherung sein. Welches Modell favorisiert Ihre Partei und wie sollen mögliche
Einkommensverluste der Leistungserbringer, bspw. Vertragsärzte, die laut IGES-Institut zwischen 5,7 und 6,4
Milliarden Euro betragen können, kompensiert werden?
Wir Freie Demokraten stehen für Eigenverantwortung und Solidarität im Gesundheitssystem, in dem die Wahlfreiheit
des Versicherten durch Kassenvielfalt gewährleistet ist. Dazu setzen wir uns neben einer starken privaten
Krankenversicherung (PKV) auch für eine freiheitliche gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein. Einer als
„Bürgerversicherung“ getarnten staatlichen Zwangskasse erteilen wir eine klare Absage. Staatlich organisierte und
rationierte Zuteilungsmedizin führt langfristig zu einer drastischen Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung
und verschärft die demografischen Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung. Jede Bürgerin und jeder Bürger
soll frei und unabhängig vom Einkommen wählen können, ob sie oder er sich für den Versicherungsschutz bei der
gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Anbieter der privaten Krankenversicherung entscheidet. Wir Freie
Demokraten wollen die Möglichkeiten vereinfachen, zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu
wechseln. Hierbei wollen wir die Angebote beider Systeme erhalten und so sicherstellen, dass jeder Mensch die
Möglichkeit hat, das für sich und seine Lebensform am besten geeignete Modell zu wählen. Wir wollen außerdem die
Möglichkeiten vereinfachen, zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu wechseln. Beide
Krankenversicherungen müssen zukunftsfest weiterentwickelt werden.
Mit dem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz wurden die Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden
auf die Körperschaften im Gesundheitswesen stark ausgeweitet. Sehen Sie Korrekturbedarf am Gesetz? Soll
es bei der Rechtsaufsicht der Aufsichtsbehörden bleiben oder tendiert Ihre Partei zu einer Fachaufsicht?
Die Eingriffsmöglichkeiten, die das GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz dem BMG erlaubt, sind zu groß. Das
GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz muss korrigiert werden, um die bisherige Qualität der bewährten
Sozialpartnerschaft beibehalten zu können. Insbesondere müssen die Haushaltsautonomie als Bestandteil der
Selbstverwaltungshoheit sowie die Ausübung des freien Mandats in den Vertreterversammlungen gestärkt werden.
Hier besteht erhöhter Korrekturbedarf. Eine Rechtsaufsicht, die sich zu einer Fachaufsicht entwickelt, ist hierbei der
falsche Weg und würde die Selbstverwaltung schwächen.
Der Arztberuf ist seiner Natur nach ein freier Beruf. Was will Ihre Partei tun, um die ärztliche Freiberuflichkeit
auch in Zukunft zu gewährleisten bzw. zu stärken?
Wir Freie Demokraten wollen, dass die ambulante ärztliche Versorgung und die Niederlassung in eigener Praxis mit
Übernahme einer langfristigen, wohnortnahen Verantwortung für die Patientenversorgung wieder an Attraktivität
gewinnen. Die niedergelassenen Haus- und Fachärzte bilden die Basis der flächendeckenden und hochwertigen
ambulanten ärztlichen Versorgung in unserem Land. Besonders die demografische Entwicklung und die Zunahme
des Anteils älterer Menschen erfordert ein gutes Angebot in diesem Bereich. Die ambulante ärztliche Versorgung und
die Orientierung auf die häusliche Umgebung erleichtern zudem die Einbeziehung der Pflege und weiterer
Gesundheitsberufe. Wir wollen hierbei die Budgetierung im Gesundheitswesen abschaffen. Sie hat zu einer
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Unterfinanzierung der medizinischen Versorgung sowie zu einem Ausbluten der gesundheitlichen Versorgung in den
ländlichen Regionen und sozialen Brennpunkten geführt.
Der demographische Wandel macht sich auch bei den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten
bemerkbar. In Rheinland-Pfalz sind zum Beispiel bereits 30 Prozent der Vertragsärzte 60 Jahre und älter.
Zugleich ist die Zahl der Praxisstandorte sowohl auf dem Land als auch in den Verdichtungsräumen deutlich
zurückgegangen. Was schlägt Ihre Partei vor, um die Entscheidung junger Mediziner, in die ambulante
Versorgung einzusteigen, gezielt zu fördern?
Wir fordern die Schaffung eines Anreizsystems, um gerade junge Ärzte für die Arbeit in ländlichen Regionen
gewinnen zu können. Dazu kommt die bereits erwähnte Forderung, die strenge Budgetierung im Gesundheitswesen
und die damit verbundene Unterfinanzierung der medizinischen Versorgung abzuschaffen und das Ausbluten der
medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen zu stoppen.
Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit geschaffen, dass Kommunen Medizinische Versorgungszentren
gründen und betreiben können. In Rheinland-Pfalz befindet sich ein hausärztliches Versorgungszentrum in
Trägerschaft der Verbandsgemeinde Katzenelnbogen, nachdem zwei von drei Hausärzten ihre Praxis ohne
Nachfolger schließen mussten. Ist ein derartiges Modell der kommunalen Trägerschaft von
Gesundheitseinrichtungen für Sie zukunftsweisend?
Für den ländlichen Raum sind diese Versorgungszentren eine Alternative, wenn alle anderen Träger (einschließlich
Krankenkassen etc.) ausscheiden. Ansonsten haben wir ein funktionierendes ärztliches Versorgungssystem, dem die
Öffentliche Hand nicht noch Konkurrenz machen muss. Das gilt ebenso auch für Krankenhäuser, die auch nicht in
die kommunale Hand gehören, wenn andere Träger vorhanden sind.
Bei der Überwindung der Sektorengrenzen ambulant/stationär ist die ambulante Notfallversorgung eine
wichtige Baustelle. Viele Krankenhäuser beklagen eine erhebliche Mehrbelastung aufgrund der Behandlung
nichtstationärer Fälle in ihren Notfallambulanzen. Wie lässt sich das Problem Ihrer Meinung nach am besten
lösen? Wie ist die Position Ihrer Partei zur Einrichtung von Portalpraxen? Sollten diese in der Hand der
Niedergelassenen liegen?
Die gesetzlichen Vergütungsregelungen erschweren es derzeit, Behandlungsmethoden aus dem Krankenhaus in den
ambulanten Sektor zu überführen. Die dafür notwendigen Verfahren in der Selbstverwaltung müssen beschleunigt
werden. Für die Dauer der Entscheidungsverfahren muss die stationäre Vergütung erhalten bleiben, damit kein
Patient unversorgt bleibt. Portalpraxen sind zwar eine gute Idee, um in Notfallambulanzen der Mehrbelastung durch
Patientinnen und Patienten, die keine Notfälle sind, zu begegnen, können aber angesichts des aktuellen
Ärztemangels kaum den Bedarf befriedigen, sodass ein Konzept für die Lösung des Ärztemangels oberste Priorität
haben muss. Durch eine strukturelle Reform könnten künftig ambulante Zentren an ausgewählten Klinikstandorten
eine qualifizierte Versorgung im Normalbetrieb statt im Bereitschaftsdienst anbieten.
Auch in Rheinland-Pfalz existiert seit zwei Jahren ein Vertrag zur Hausarztzentrierten Versorgung, der
zwischen der AOK RP/Saar und dem dortigen Hausärzteverband abgeschlossen wurde. Tritt Ihre Partei dafür
ein, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen an solchen selektiven Vertragsformen als Vertragspartner
beteiligen können?
Die hausarztzentrierte Versorgung lehnen wir ab. Hierdurch wird es den Patientinnen und Patienten erschwert,
zusätzliche fachärztliche Meinungen und Vorschläge für differenzierte Behandlungsmethoden einzuholen.
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In einem Interview hat die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler
vorgeschlagen, Ärzte in Rheinland-Pfalz zu entlasten, indem Behandlungen auf Pflegekräfte delegiert
werden. Auch über die Substitution von Leistungen solle nachgedacht werden. Befürwortet ihre Partei
zusätzlich zur Delegation ebenfalls eine Substitution ärztlicher Leistungen und wie sollte diese Substitution
realisiert werden?
Eine Substitution ärztlicher Leistungen lehnen wir ab. Das Recht des Patienten auf den Facharztstandard sowie die
Qualität der Versorgung muss beibehalten werden. Außerdem darf die ärztliche und ganzheitliche Sicht auf die
Patienten nicht verloren gehen. Stattdessen brauchen wir mehr Pflegekräfte, um den Pflegesektor selbst zu
entlasten.
Wie stehen Sie zu einer notwendigen Patientensteuerung beziehungsweise wie ist ihre Position zu einer
sozial abgefederten Selbstbeteiligung zur Steigerung des Verantwortungsbewusstseins für einen effizienten
Umgang mit den Ressourcen im Gesundheitswesen?
Bereits die inzwischen wieder abgeschaffte Praxisgebühr hat gezeigt, dass auch eine sozial abgefederte
Selbstbeteiligung nicht den gewünschten Effekt bringt bzw. Patientinnen und Patienten nicht von einem „Übermaß“
an Arztbesuchen abhält. Stattdessen stehen die handelnden Akteure in der Pflicht, Patientinnen und Patienten für
eine maßvolle bzw. angemessene Inanspruchnahme der medizinischen Versorgung zu sensibilisieren. Steuernde
Zusatzgebühren sind hierbei jedoch der falsche Weg.
Setzt sich Ihre Partei dafür ein, dass auch Vertragsärzte die Möglichkeit für kurzstationäre Behandlungen
erhalten und so die medizinische Versorgung in Ergänzung zu Kliniken auch in der Fläche sichern können?
Kurzstationäre Behandlungen sehen wir als kurzfristige Bedarfslösung an. Dies ändert jedoch nichts daran, dass
Konzepte gefunden werden müssen, um dem Ärztemangel begegnen zu können. Hierfür wollen wir ein Anreizsystem
schaffen, um gerade junge Ärzte für einen Einsatz in ländlichen Regionen begeistern zu können.
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