Workshop „Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung“ Dokumentation 1 Impressum Herausgeber: Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Neuenfelder Straße 19 21109 Hamburg V.i.S.d.P.: Christian Landbeck www.hamburg.de/bsu www.hamburg.de/rise Bearbeitung: Christiane Schlonski, Andreas Kaiser, Andrea Protschky Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung Abteilung Integrierte Stadtteilentwicklung Referat Programmentwicklung und Grundsatzfragen Titelfoto: Christiane Schlonski Hamburg, April 2014 2 Inhalt 1. Anlass................................................................................................................................................... 4 2. Ablauf der Veranstaltung .................................................................................................................... 5 3. Input Gender Mainstreaming und Kurzvorstellung Gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm in Hamburg ........................................................................................................................................... 6 3.1 Handreichung zum Gender Mainstreaming .................................................................................. 6 3.2 Präsentation zum Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm mit anschließender Diskussion...................................................................................................................................... 8 4. Kurzvorstellung Berliner Handbuch „Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung“ mit anschließender Diskussion ................................................................................................................. 13 5. Diskussion in den Arbeitsgruppen ..................................................................................................... 16 5.1 Einstiegsphase ............................................................................................................................. 16 5.2 Hauptförderphase ....................................................................................................................... 19 6. Ergebnisse der Veranstaltung ........................................................................................................... 22 6.1 Gute Beispiele für Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung ................. 22 6.2 Ideen und Ansätze für Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung .......... 25 7. Resümee ............................................................................................................................................ 27 Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer .......................................................................................... 30 3 1. Anlass Anlass für den Workshop war der Senatsbeschluss zum Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm des Senats (GPR), Senatsdrucksache Nr. 20/7126, mit der Anforderung, dass im Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung (RISE) die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter ziel-, vorgehens- und instrumentenbezogen vollzogen werden soll. Ansatz des Workshops war einerseits, dass sich alle Akteurinnen und Akteure der Integrierten Stadtteilentwicklung das Thema „Gender Mainstreaming“ neu oder wieder stärker ins Bewusstsein rücken. Dies geschah u.a. über Beiträge von Herrn Eike Richter, Behörde für Justiz und Gleichstellung, zum GPR und Frau Christiane Schlonski, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, zum Handbuch „Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung“ des Berliner Senats. Andererseits sollte das Thema in der Arbeitsphase des Workshops diskutiert und Ansätze gesucht werden, wo in den Strukturen und Instrumenten des Rahmenprogramms Integrierte Stadtteilentwicklung die Gleichstellung bereits eine Rolle spielt oder zukünftig stärker spielen könnte. Vermutung war, dass der Ansatz des Gender Mainstreaming bereits in vielen Strukturen, Produkten und Projekten der Integrierten Stadtteilentwicklung vorhanden ist, allerdings nicht als solcher kommuniziert bzw. hervorgehoben wird. Am Workshop, der am 24. Januar 2014 im Zentrum für Aus- und Fortbildung stattfand, nahmen 21 Kolleginnen und Kollegen von Fachbehörden, Bezirken sowie den in Hamburg tätigen Gebietsentwicklern teil. So war Wissen diverser Fachdisziplinen, unterschiedlicher Blickrichtungen auf die Stadtteilentwicklung sowie aus unterschiedlichen Fördergebieten in Hamburg vorhanden. 4 2. Ablauf der Veranstaltung am 24. Januar 2014 von 9:00 bis 13:00 Uhr im Zentrum für Aus- und Fortbildung (ZAF) Normannenweg 26, Hamburg 9:00 Begrüßung, Einführung ins Programm 9:10 Definition Gender Mainstreaming Input: Eike Richter; Behörde für Justiz und Gleichstellung Erläuterung zum Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm der Freien und Hansestadt Hamburg Input: Eike Richter; Behörde für Justiz und Gleichstellung - Rückfragen und Anmerkungen 10:10 Berlin als Beispiel: Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung Input: Christiane Schlonski; Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt - anschl. Einführung der Gruppenarbeitsphase 10:30 Arbeitsgruppen zu Gender Mainstreaming im Gebietsentwicklungsprozess 11:30 Pause 11:50 Vorstellung der Gruppenergebnisse - Ergänzungen 12:20 Zusammenstellung von vorhandenen Beispielen und neuen Ideen zur verstärkten Berücksichtigung von Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung 12:55 Schlusswort Moderiert wurde die Veranstaltung von Christiane Schlonski und Andreas Kaiser, BSU/Abteilung Integrierte Stadtteilentwicklung. 5 3. Input Gender Mainstreaming und Kurzvorstellung Gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm in Hamburg Das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm des Hamburger Senats wurde durch Eike Richter, Behörde für Justiz und Gleichstellung, vorgestellt. Hierzu gab Herr Richter auch einen kurzen Input zur Strategie des Gender Mainstreaming generell. Es folgen die Handreichung und PowerPoint-Präsentation zum Vortrag sowie eine Zusammenfassung der anschließenden Diskussion. 3.1 Handreichung zum Gender Mainstreaming Eike Richter Referat Grundsatzangelegenheiten der Gleichstellung sowie gleichgeschlechtliche Lebensweisen und sexuelle Identitäten Abteilung Gleichstellung, Behörde für Justiz und Gleichstellung Handreichung zur Veranstaltung „Gender Mainstreaming in der integrierten Stadtteilentwicklung in Hamburg“ am 24.1.2014 Gender Mainstreaming: Definition und Bedeutung im Gleichstellungspolitischen Ra hmenprogramm 2013-2015 des Senats (GPR) Was heißt Gender Mainstreaming? Der Begriff Gender Mainstreaming steht weniger für bestimmte inhaltliche Ziele von Gleichstellung (z.B. Chancengleichheit von Frauen und Männern im Erwerbsleben) als vielmehr für ein Vorgehen, wie solche Ziele zu erreichen sind. Gender Mainstreaming fokussiert auf die Frage, wie der Staat und die Verwaltung ihre Verfahren, Organisationsstrukturen, Mittel und Instrumente einsetzen können oder sollten, um gleichstellungspolitische Ziele zu erreichen. Gender Mainstreaming bezeichnet also eine Politik- und Organisationsstrategie, die auf die Veränderung oder Ausrichtung von Verfahren, Organisationen und Instrumente (des Staates) gerichtet ist. Gender Mainstreaming wurde vor allem im Zuge der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking und durch den Amsterdamer Vertrag 1997 zu einem Schlüsselbegriff internationaler Gleichstellungspolitik. Im nationalen Bereich wurde die Bedeutung von Gender Mainstreaming zuletzt vor allem durch den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hervorgehoben. In Anlehnung an die Definition der EU kann Gender Mainstreaming wie folgt definiert werden: Gender Mainstreaming bedeutet die Entwicklung, Organisation und Evaluierung von Entscheidungsprozessen mit dem Ziel, die Geschlechterperspektive in alle politischadministrativen Maßnahmen auf allen Ebenen durch alle am politischen Entscheidungsprozess beteiligten Akteure und Akteurinnen einzubringen. In jedem Politikbereich und auf allen Ebenen sollen die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Auswirkungen auf die Geschlechter berücksichtigt werden, um eine tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen. Dieser Prozess soll Bestandteil 6 des normalen Handlungsmusters aller Ressorts und Organisationen werden, die an politisch-administrativen Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Welche Bedeutung hat Gender Mainstreaming im GPR? Das GPR ist vom Gedanken des Gender Mainstreaming stark geprägt, was insbesondere in seinem Teil C zum Ausdruck kommt. Dort nimmt der Senat die staatlichen Instrumente in den Blick, um sie so auszurichten und zu ergänzen, dass sie gleichstellungspolitische Ziele (wie sie vor allem im Teil D des GPR definiert sind) zu befördern. Weil die Bezeichnung „Gender Mainstreaming“ verbreitet mit unterschiedlichem Verständnis gebraucht wird, verwendet das GPR die Bezeichnung selbst allerdings zurückhaltend. Ausdrücklich findet sie sich in den Rn. 40, 128 und 218 sowie speziell mit Bezug auf die Stadtteilentwicklung in Rn . 25: „Um den Aspekt der Geschlechtergerechtigkeit in der Integrierten Stadtteilentwicklung auch operativ zur Geltung zu bringen, wurde die Globalrichtlinie „Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung“ dahingehend angepasst*, dass das Gebietsmanagement gehalten ist, die Handlungsstrategie des Gender Mainstreaming bei der Aufstellung Integrierter Entwicklungskonzepte und der Maßnahmenentwicklung anzuwenden und die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern zu erkennen und zu berücksichtigen“. * Anmerkung WSB2: Die Globalrichtlinie wurde nicht angepasst, sondern im Vorblatt der Drucksache zur Globalrichtlinie folgender Passus aufgenommen: „Das Gebietsmanagement ist darüber hinaus gehalten, die Handlungsstrategie des Gender Mainstreaming bei der Aufstellung Integrierter Entwicklungskonzepte und der Maßnahmenentwicklung anzuwenden und die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern zu erkennen und zu berücksichtigen.“ 7 3.2 Präsentation zum Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm mit anschließender Diskussion 8 9 10 11 Anschließende Diskussion Folgende Punkte wurden angesprochen: - Das GPR geht von einem sehr „engen“ Verständnis von Gender Mainstreaming aus, das ausschließlich auf die Gleichstellung von Frauen und Männern abzielt. Ein weitergehender Ansatz, der auch andere Geschlechtsidentitäten berücksichtigt, ist im GPR nicht vorhanden. Die Erarbeitung eines entsprechenden Konzepts ist aber für einen der nächsten Arbeitsschritte vorgesehen. - Das GPR sieht sich als Hintergrund, vor dem es gilt, alle Fachpolitiken und Handlungsansätze, Instrumente und Strukturen in der FHH auf ihre Gender-Relevanz hin zu prüfen und entsprechend umzusteuern. Damit ist das GPR kein eigenes Programm im eigentlichen Sinne, sondern versucht, Gleichstellungsziele über Einflussnahme auf andere, handlungsorientierte Programme zu erreichen. - Das GPR nimmt im allgemeinen Teil mit Absicht nur kleinere Schritte vor, um nicht überfrachtet zu werden. Die Handlungsorientierung und die Handhabbarkeit sollten im Fokus stehen. Dabei sollte laut Aussage von Herrn Richter beachtet werden, dass der zusätzliche Aufwand bei allen Beteiligten überschaubar bleibt und in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht. - Herr Richter erklärte, dass man sich im GPR bewusst bescheidene Ziele gesetzt habe (wie das Ziel der Gleichberechtigung von Frauen und Männern statt Einbeziehung aller Geschlechtsidentitäten). Durch solch überschaubare Ziele könnten spezifische Handlungsansätze leichter gefunden und umgesetzt und eine Resignation der Beteiligten angesichts überambitionierter Aufgaben vermieden werden. Vor diesem Hintergrund steht auch die Bemühung, den zusätzlich Aufwand der Akteure gering zu halten. 12 4. Kurzvorstellung Berliner Handbuch „Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung“ mit anschließender Diskussion Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat im Juli 2011 ein Handbuch „Gender Mainstreaming in der Stadtentwicklung“, herausgegeben. Es stellt Ansätze für die Praxis dar, die neben allgemeinen Empfehlungen zu Bestandsanalyse, Zielformulierung, Beteiligung und Evaluation schwerpunktmäßig bei den „klassischen“ Themen der Stadtentwicklung wie dem Städtebau, der Freiraumgestaltung oder dem Verkehrsbereich liegen. Die Veröffentlichung wurde im Kontext der Arbeit des Beirates für frauenspezifische Belange der Senatsverwaltung erstellt. Es geht um die Betrachtungsebene von Gesamtprojekten sowie einzelner Maßnahmen in ihrer Bedeutung oder Wirkung für die Geschlechtergerechtigkeit. Es werden Kriterien aufgezeigt, die hilfreich sind, um Gender Mainstreaming in Planungsprozessen umzusetzen und Gender-Belange in die städtische Entwicklung einzubeziehen. Das Berliner Handbuch geht dabei von einer weit gefassten Definition des Gender-Begriffs aus: Gemeint ist die gesamte Vielfalt der sozialen Prägungen, also neben dem Geschlecht auch Dimensionen wie Alter, ethnische/kulturelle Herkunft, Religion/Weltanschauung, eine Behinderung oder die sexuelle Orientierung. In der räumlichen Planung und im Städtebau bedeutet Gender Mainstreaming in dieser Definition, die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen der jetzigen und ggf. zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer zu berücksichtigen. Es folgt eine Auswahl von Stichworten aus dem Berliner Handbuch, die auch für die Planungsprozesse des Hamburger Rahmenprogramms Integrierte Stadtteilentwicklung RISE von Bedeutung sind. Für weitergehende Informationen sei an dieser Stelle auf den Internet-Link zu dessen Veröffentlichung hingewiesen: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/soziale_stadt/gender _mainstreaming/download/gender_deutsch.pdf 13 Wesentliche Gender-Kriterien für räumliche Planung sind: • Räumliche Diversität und Flexibilität • Wahlmöglichkeiten für die Raumnutzung • Räume für Kommunikation und Austausch • Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit • Sicherheit • Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz • Partizipation Für genderorientierte Planung sind die folgenden Prozesse genauer zu betrachten: • Zielformulierung • Wettbewerbe • Evaluation • Bestandsanalyse (s.u.) • Partizipation (s.u.) Als Beispiele: Eine Analyse des Bestandes unter Gender-Aspekten umfasst: Differenziertes Datenmanagement Differenzierte Bestandsaufnahme des zu betrachtenden Raums Positive und negative Merkmale gruppenspezifisch identifizieren und bewerten Potenziale ermitteln Analyse vorhandener Räume/ Projekte hinsichtlich ihres Beitrags zur Geschlechtergerechtigkeit. Partizipation unter Gender-Aspekten muss berücksichtigen: Durchführung von „gleichberechtigten“ Beteiligungsverfahren Anwendung geeigneter Methoden Entwicklung von speziellen Dialogstrukturen Transparente Verfahren Weitere im Handbuch aufgenommene bauliche Themen der Stadtentwicklung sind: Städtebau Wohnungsbau Gewerbe Nahversorgung und Gemeinbedarf Mobilität Freiraum Umwelt 14 Aus dem Handbuch wurde eine Übersicht von Gender-Kriterien zu unterschiedlichen Aspekten der Stadtentwicklung zusammengestellt, auf die an dieser Stelle hingewiesen sei: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/soziale_stadt/gender_mainstreaming/download/krit erien_deutsch.pdf Ergänzend noch der Hinweis auf eine Veröffentlichung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt – 2011 hat die Arbeitsgruppe Fachfrauen Planungsempfehlungen herausgegeben, wo und an welchen Stellen aus Sicht von Frauen Hamburg attraktiver und sicherer gestaltet werden kann: http://www.hamburg.de/contentblob/135132/data/fachfrauen-planungsempfehlungen.pdf In der anschließenden Diskussionsrunde wurden folgende Punkte angesprochen: - Die Darstellung des GPR sowie des Berliner Ansatzes zu Gender Mainstreaming wurden interessiert aufgenommen. - Das GPR verwendet Gender Mainstreaming nicht als allgemeineren Diversity-Ansatz, der in umfassender Form die Berücksichtigung weiterer Aspekte wie Migrationshintergrund, Lebenslage, Demographie, Behinderung etc. neben dem Geschlecht verfolgt. Hintergrund war das Ziel, das GPR handhabbar zu halten. - In der Runde wurde festgestellt, dass die Breite dieses Ansatzes in der Praxis der Integrierten Stadtteilentwicklung zu kurz greift. Bei jedem Projekt sind standardmäßig weitaus mehr Belange zu berücksichtigen als ausschließlich die männliche/weibliche Perspektive. - Der Ansatz aus Berlin mit einem weiteren Verständnis von Gender Mainstreaming entspricht nach Auffassung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eher dem Verständnis, nach dem GM in der Gebietsentwicklung in Hamburg gelebt wird (wenn auch teilweise nicht so bewusst oder explizit). Daher wird das Verständnis von GM aus Berlin befürwortet. - In der Stadtteilentwicklung fließen Diversitätsaspekte bereits vielfach in die einzelnen Projekte und Maßnahmen ein. Als wichtiger Aspekt erscheint die möglichst flexible Nutzungsmöglichkeit von Infrastruktur, um den Kreis der potentiellen Nutzerinnen und Nutzer so weit wie möglich zu machen. Als ein Beispiel für einen engen Nutzerkreis wurden Bolzkäfige angesprochen, die zum Fußballspielen genutzt werden könnten, aber für kaum andere Nutzungen zur Verfügung stünden. Dieses Beispiel wurde in der Runde kontrovers diskutiert, verbunden mit der Frage, inwieweit jede etwas speziellere Nutzung mehr oder weniger weite Teile potenzieller Nutzerinnen und Nutzer ausschließt. 15 5. Diskussion in den Arbeitsgruppen In zwei Arbeitsgruppen wurden anschließend Ideen gesammelt, wie das Konzept des Gender Mainstreaming in die Arbeit der Integrierten Stadtteilentwicklung aufgenommen werden kann. Die Aufteilung der Arbeitsgruppen war von der Moderation im Vorfeld der Veranstaltung so festgelegt worden, dass in jeder der Gruppen eine Mischung von Teilnehmerinnen und teilnehmer hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Fachbehörden, Bezirken und Gebietsmanagements vertreten war. Arbeitsgruppe 1 beschäftigte sich vor allem mit der Einstiegsphase der Förderung, Arbeitsgruppe 2 vorwiegend mit der Hauptförderphase. 5.1 Einstiegsphase Die Aufgabe der AG 1 war es, mögliche und gelebte Ansätze von Gender Maistreaming in der Einstiegsphase des Gebietsentwicklungsprozesses zu identifizieren. Die Diskussion fokussierte sich dabei auf die Bereiche „Strukturen der Stadtteilentwicklung“ einerseits und „Produkte der Stadtteilentwicklung“ andererseits. Bei den Strukturen der Integrierten Stadtteilentwicklung wurde festgehalten: - Bedeutung der Akteure im Fördergebiet: Eine der wichtigsten Aufgaben zur Schaffung funktionsfähiger Beteiligungsstrukturen ist es, ein möglichst breites Akteursspektrum von Anfang an einzubinden. Dies erhöht auch die Akzeptanz der Neuerungen im Gebiet. - Als zentral wurden Vorüberlegungen zur Beteiligung im Gebietsentwicklungsprozess identifiziert. Für die Gremien und Beteiligungsformen, die im Gebiet installiert werden sollen, werden in der Einstiegsphase bereits Vorüberlegungen angestellt. Aspekte sind hier: o Zeitpunkt/Ort der Veranstaltungen: Beteiligungsveranstaltungen sollten möglichst so gelegt werden, dass ein möglichst breites Spektrum verschiedener Akteure einbezogen wird. Hinterfragt wird die Praxis von Abendveranstaltungen, da hier die Möglichkeit der Teilnahme von Eltern junger Kinder oft eingeschränkt ist. o Kinderbetreuung: Um dieses organisatorische Problem vieler Eltern zu beseitigen, sollte die Möglichkeit einer Kinderbetreuung vor Ort überprüft werden. Eine solche Betreuung wurde zum Beispiel bei einer Stadtteilwerkstatt in Neuallermöhe angeboten. o Barrierefreiheit: Es ist eine Teilhabe möglichst vieler verschiedener Akteure anzustreben – nicht nur verschiedener Geschlechter. Wichtig ist zum Beispiel die barrierefreie Erreichbarkeit von Räumlichkeiten. Dieser Punkt nimmt Anlehnung an den diskutierten Diversity-Ansatz. o Besetzung von Beiräten: Bereits bei den Vorüberlegungen wird darüber nachgedacht, wie eine ausgewogene Besetzung von Beiräten zu erreichen ist. Wichtig ist 16 dabei die Analyse, welche Gruppen und Akteure im Prozess eine Rolle spielen oder spielen sollten. o Entscheidend bei der Beteiligung ist die Form der Ansprache: Fühlen sich die Menschen im Quartier angesprochen? Welche Hemmnisse werden möglicherweise geschaffen, wenn eine unpassende sprachliche Form gewählt wird? Viele Teilnehmenden waren der Meinung, dass dieser Aspekt eine entscheidendere Rolle spielt als eine differenzierte Ansprache der Geschlechter. o Bedeutung der Communities: In der Gebietsentwicklung geht es neben der Ansprache der Geschlechter auch um das Erreichen verschiedener (ethnischer) Communities. In diesen Communities muss man durchaus auch auf differenzierte Geschlechterinteressen eingehen, doch zuvor muss die Gruppe als Ganzes erreicht werden. o In der Beteiligung / bei Sitzungen sollte berücksichtigt werden, dass unterschiedliche Gesprächskulturen aufeinander treffen und Menschen sich auf unterschiedliche Weise artikulieren. Häufig ist dabei ein Unterschied der Geschlechter anzutreffen. Hier sollte darauf geachtet werden, dass unterschiedliche Interessen gleichberechtigt wahrgenommen werden, auch wenn die Formulierung mal deutlicher – oder „laut“ – mal weniger deutlich – oder „leise“ – erfolgt. - Ebenso sollte im Quartier darauf geachtet werden, dass es „laute“ und „leise“ bzw. präsente und weniger präsente Nutzungen gibt, die beide ihre Berechtigung haben und beide berücksichtigt werden müssen. - Akzeptanz von Angeboten: Gebietsentwickler eines Geschlechts erhöhen möglicherweise die Akzeptanz bei Akteurinnen und Akteure desselben Geschlechts; darum sollte hier auf Ausgewogenheit geachtet werden. Bei den Produkten der Integrierten Stadtteilentwicklung wurde festgehalten: - Das zentrale Produkt der Einstiegsphase ist die Problem- und Potentialanalyse (PPA), zum Teil auch bereits das Gebietsauswahldokument. Diese erfassen zunächst den Bestand der gesellschaftlichen Infrastruktur, die im Gebiet vorhanden ist. - Statistische Daten bilden eine Grundlage für die Gebietsfestlegung. Diese werden für ganz Hamburg mit Hilfe des Sozialmonitoring erfasst, für einzelne Gebiete erfolgen zusätzlich Auswertungen beispielsweise im Rahmen von Problem- und Potenzialanalysen oder IEKs. Im Workshop stellte sich die Frage, ob das Gender Mainstreaming auch hier mit einfließen soll, zum Beispiel durch eine geschlechtsspezifische Datenauswertung. Die überwiegende Meinung war, dass zusätzliche, geschlechterdifferenzierte Daten und Auswertungen als Information interessant seien, aber nicht entscheidend für die Bestandsanalysen und die Bewertung von Handlungserfordernissen. Wichtiger sei es, Daten zur Nutzung von Angeboten im Sinne einer Bewertung und vor dem Hintergrund der Akzeptanz bestimmter Maßnahmen sinnvoll zu interpretieren. Dabei kommt qualitativem Material und Eindrücken mehr Bedeutung für die Entscheidungsfindung in den Förder17 gebieten zu als statistischen Daten. Ein „Gender“-Sozialmonitoring sei daher nicht erforderlich. Hilfreich seien statistische Daten vor dem Hintergrund der Transparenz: sie können im Gegensatz zu persönlichen Eindrücken leichter vermittelt werden, da sie einen Sachverhalt objektiver darstellen. Visualisierung Ergebnisse AG 1 - Einstiegsphase 18 5.2 Hauptförderphase Die Aufgabe der AG2 bestand darin, Ansätze für Gender Mainstreaming hinsichtlich der Strukturen (Organisation der Zusammenarbeit, Beteiligung etc.) und Produkte (Integriertes Entwicklungskonzept etc.) in der Hauptförderphase von RISE herauszuarbeiten. Zum Thema Strukturen wurde hinsichtlich der besseren Berücksichtigung von GenderAspekten festgehalten: - Relevant ist die Auswahl des Gebietsentwicklers; hier sollen Gender MainstreamingKriterien beachtet werden. Bereits in der Ausschreibung kann dies verankert werden. Zu beachten gilt sowohl die Auswahl der Personen, die in der Gebietsentwicklung tätig sind, als auch eine vertragliche Verpflichtung des Gebietsentwicklers, Gender MainstreamingKriterien im Gebiet zu berücksichtigen. Als gutes Beispiel wurde die Vereinbarung von Zielzahlen mit den Gebietsentwicklern genannt. - Die Auswahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Bezirksämtern und Fachbehörden entsprechend Gender Mainstreaming ist ein weiteres Kriterium. - Zentrales Element ist der Aufbau der Beteiligungsstrukturen im Gebiet, dazu gehört: o Stadtteilbeirat: Hier ist durch die Gebietskoordination und Gebietsentwicklung auf eine ausgewogene Zusammensetzung des Beirats, die der Zusammensetzung der Bevölkerung entspricht, zu achten. Zudem sollte der Beirat so flexibel organisiert werden, dass eine Teilnahme unabhängig der Lebenssituation möglich ist (Beispiele: Tageszeiten entsprechend auswählen, Kindebetreuung anbieten, barrierefrei erreichbare Veranstaltungsräume, Dolmetscher) o Zielgruppenorientierung: Diese muss sowohl projekt- (z.B. Einrichtung eines Quartierszentrums, Umgestaltung einer Grünfläche, Angebot zur Weiterqualifizierung von Jugendlichen) als auch themenorientiert (z.B. Umgang mit öffentlichen Raum, Bildung, Image des Gebiets) jeweils sorgfältig bedacht und mit entsprechender Kommunikation bzw. passgenauen Beteiligungsangeboten unterfüttert werden. o Schaffung von Rahmenbedingungen für die Beteiligung: Neben der Implementierung des Stadtteilbeirats ist vor allem das Schaffen von Rahmenbedingungen für eine breite Beteiligung im Gebiet von Bedeutung. Um möglichst viele der im Gebiet lebenden Gruppen zu erreichen ist es notwendig, dass deren „Hinderungsgründe“ sich einzubringen a) herausgefunden und b) beseitigt werden (siehe auch Stadtteilbeiräte). Zum Beispiel durch flexible Öffnungszeiten der Stadtteilbüros, Kinderbetreuung bei Veranstaltungen, Aushandeln von Terminen und Uhrzeiten, Einsatz von unterschiedlichen Beteiligungsmöglichkeiten nebeneinander (z.B. real/virtuell), Nutzung barrierefrei erreichbarer Räumlichkeiten, Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern. 19 Zum Thema Produkte wurde hinsichtlich der besseren Berücksichtigung von GenderAspekten genannt: - Integriertes Entwicklungskonzept (IEK): Das IEK ist der Grundstock aller Maßnahmen in einem Fördergebiet. Hier soll besonders auf Gender-Aspekte geachtet werden. Beispielsweise hinsichtlich der: o o Ziele pro Handlungsfeld: Es muss überprüft werden, ob in den einzelnen Handlungsfeldern dem Thema Gender Mainstreaming eine Bedeutung zukommt. Falls dies der Fall ist, sollte eine entsprechende Bestandsaufnahme erfolgen, die aufzeigt, ob Probleme bestehen, und welche Handlungsmöglichkeiten es zur Verbesserung der Situation gibt. Benennung von Projekten im IEK: Die einzelnen Projekte sind ebenfalls hinsichtlich ihrer Relevanz für das Thema zu betrachten. Gegebenenfalls soll dies dann in die Umsetzung einbezogen und das spätere Produkt darauf ausgerichtet werden. - Fortschreibung von vorliegenden IEK: Sofern diese Gender Mainstreaming noch nicht berücksichtigen, sollte diese Aspekt mit aufgenommen werden. Das Gender Mainstreaming findet in vielen Fällen sowohl bei den Strukturen als auch bei den Produkten der Integrierten Stadtteilentwicklung bereits Berücksichtigung – aber: Dies wird nicht bzw. zu wenig kommuniziert. Hier besteht Handlungsbedarf! 20 Visualisierung Ergebnisse AG 2 - Hauptförderphase 21 6. Ergebnisse der Veranstaltung Ziel des hier dokumentierten Workshops waren vor allem eine (Neu-)Sensibilisierung für das Thema Geschlechtergerechtigkeit und ein Austausch über Sichtweisen, Praxis und Handlungsbedarfe. In den Arbeitsgruppen und im Plenum wurden einige gute Beispiele genannt, wo Gender Mainstreaming in den Gebieten bereits Anwendung findet. Diese Beispiele können Anregungen für weitere Projekte und Maßnahmen liefern (s. Kap. 6.1). Zudem konnten Ideen gesammelt werden, wie Gender Mainstreaming in den Gebieten weiter vorangetrieben werden kann (s. Kap. 6.2). In den Inputs und Diskussionsrunden kristallisierten sich außerdem einige Punkte heraus, die für den Umgang mit Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung zentral scheinen. Diese können als Ausgangspunkte für die weitere Arbeit mit dem Thema dienen. 6.1 Gute Beispiele für Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung Hier werden die bereits im Workshop genannten Beispiele für Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung aufgelistet – wie in der Veranstaltung besprochen erweitert um nachträgliche Ergänzungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wegen der umfassenden Rolle der Gleichberechtigung als Querschnittsthema herrschte zunächst Unsicherheit, welche Arten von Projekten als spezifische „Gender-Projekte“ eingebracht werden sollen. Es erfolgte eine Einigung auf die Definition: Projekte/Maßnahmen, die auf besondere Weise bestimmten Sozialgruppen Unterstützung bieten, damit diese die Möglichkeit haben bzw. bekommen, gleichwertig im Sinne des Gender Mainstreaming am Entwicklungsprozess und/oder dem Sozialleben im Gebiet teilzuhaben. Gute Beispiele solcher Projekte sind: Name Projekt / Maßnahme / Beispiel Kinderbetreuung während der Entwicklungskonferenz zum Integrierten Entwicklungskonzept Neuallermöhe Bezirk / Stadtteil / Beteiligte Akteure Fördergebiet Bergedorf / - BewohnerInnen Neuallermöhe - Professionelle Akteure vor Ort - Verwaltung - Gebietsentwickler Ansprechpartner/innen Kinderbetreuung auf einem Kinderspielplatz Nähe der Fuhlsbüttler Straße an den 4 Wochenenden im Advent Spezielle Angebote für Kinder und Familien auf den Stadtteilfesten HH-Nord / Sanierungsgebiet S1, Fuhlsbüttler Straße Ca. 4 + Kinder Carolin Ahrens [email protected] HH-Nord / Sanierungsgebiet S1, Fuhlsbüttler Str. Eimsbüttel / Niendorf Nord, 22 Unterschiedlich Carolin Ahrens [email protected] Kirsten Seidel [email protected] Thomas Berg [email protected] Name Projekt / Maßnahme / Beispiel Speziell auf Kinder / Familien ausgerichtete Anträge an den Verfügungsfonds Bezirk / Stadtteil / Beteiligte Akteure Fördergebiet HH-Nord / Unterschiedlich Sanierungsgebiet S1, Fuhlsbüttler Straße, Ansprechpartner/innen Entwicklung eines barrierefreien Nahversorgungsstandorts Eimsbüttel / Niendorf Nord 5 + öffentliche Beteiligung (20 bis 50) Thomas Berg [email protected] Ausgewogene, geschlechtergerechte Zusammensetzung eines Beirats Paritätische bzw. dominierende Besetzung von Frauen bei den Vorsitzenden von Stadtteilrat und Stadtteilkonferenz HH-Mitte / Billstedt/Horn und Quartiere HH-Nord / Dulsberg Bezirk, Lawaetz, raum + prozess Ursula Groß [email protected] Jürgen Fiedler [email protected] Erhöhung der Akzeptanz von Angeboten durch Einsetzen von männlichem und weiblichem Leitungspersonal: Beirat - Sprecherteam Quartier II - Lawaetz-Team Über die Auswahl von u.a. Mitarbeiterinnen mit migrantischem Hintergrund eine Öffnung des gesamten Stadtteilentwicklungsprozesses für eine Vielfalt von Communities ermöglichen. Hervorstechende Beispiele: Bildungsagentur Dulsberg (Mook wat e.V., inzw. ausgelaufen), Globus (basis & woge e.V.) HH-Mitte / Billstedt/Horn Bezirk, Beirat Billstedt/Horn Berücksichtigung verschiedener Zielgruppen (diverse soziokulturelle Gruppen einbinden); Freizeitfläche Jenkelweg Geburtshilfe für mehrere Vereinsgründungen aus der afrikanischen und türkischen Community HH-Mitte / Billstedt/Horn, Quartier II Bezirk, SAGA, Pro Quartier Ursula Groß [email protected] HH-Nord / Dulsberg Globus Stadtteilbüro Dulsberg Mürsel Dogan [email protected] Finanzielle Förderung einer BewohnerInnengruppe im Seniorenalter durch das beherbergende Wohnungsunternehmen, damit sie sich regelmäßig in einem der zentralen Treffpunkte im Stadtteil tref- HH-Nord / Dulsberg Stadtteilrat, Arbeitskreis Dulsberg (Stadtteilkonferenz) Carolin Ahrens [email protected] Ursula Groß; [email protected] Lawaetz-Stiftung HH-Nord / Dulsberg Soziale Infrastruktur Jürgen Fiedler [email protected] Seyhan Dülger Mürsel Dogan [email protected] Jürgen Fiedler [email protected] Wohnungsunternehmen Firmengruppe Frank, Stadtteilbüro Dulsberg, Nachbarschaftstreff Dulsberg 23 Kai Grisse (Firmengruppe FRANK) Katharina Kehrer [email protected] Name Projekt / Maßnahme / Bezirk / Stadtteil / Beteiligte Akteure Beispiel Fördergebiet fen können und so einer Vereinsamung entgegenwirken. Effekt: starke Einbindung der Gruppe in stadtentwicklungspolitische Prozesse in Dulsberg Ansprechpartner/innen Frauenschwimmzeiten Stadtteilbüro Steilshoop [email protected] Wandsbek / Steilshoop HH-Mitte / Lehrschwimmbecken Steinadlerweg Bezirk, Schule Ursula Groß [email protected] Schwimmangebot für türkische Frauen in sichtgeschütztem Hallenbad inkl. Transport HH-Nord / Dulsberg Techniker Krankenkasse & Stadtteilbüro Dulsberg [email protected] Kochen für Mädchen Kochen für Jungs HH-Mitte / Billstedt/Horn, Quartier II: Nachbarschaftshaus Jenkelweg BilleKidz Quartiers-beirat Ursula Groß [email protected] Mädchenfußball Eimsbüttel / Schnelsen-Süd Bezirk Lawaetz Axel Vogt axel.vogt@eimsbüttel.ham burg.de HH-Mitte / Billstedt/Horn Bezirk HAT 16 Ursula Groß [email protected] Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern zeigt einige Beispiele von Maßnahmen und Projekten, an denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops arbeiten. 24 6.2 Ideen und Ansätze für Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung In den Arbeitsgruppen wurden bereits Ideen vorgebracht, wie der Ansatz des Gender Mainstreaming künftig in die Integrierte Stadtteilentwicklung eingehen könnte. Diese Anregungen wurden notiert und anschließend gesammelt. Ideen und Ansätze Beteiligung - Flexible Gestaltung der formalen Beteiligung, um möglichst vielen Akteurinnen und Akteure die Teilnahme zur ermöglichen. Diese Flexibilität kann zum Beispiel Uhrzeit und Ort von Veranstaltungen betreffen, barrierefrei erreichbare Veranstaltungsräume, Dolmetscher oder das Angebot einer Kinderbetreuung für teilnehmende Eltern. - Vielfältige Beteiligungsformen: möglichst breites Akteursspektrum von Anfang an einbinden. (Verschiedene) Methoden wählen, bei denen sich jeder äußern kann bzw. sich jeder traut, dazu zählen auch aktive Ansprache und Einzelgespräche, vor allem (nicht nur) Frontal-Veranstaltungen, aufsuchende Beteiligung, Zielgruppenbeteiligung. - Verschiedenes "Maß" an Beteiligung – von kurzen Anmerkungen bis hin zu mehrtägigem Workshop. - Flexible Öffnungszeiten von Stadtteilbüros, um auch hier möglichst vielen Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen eine Anlaufstelle zu bieten. Gebietsmanagement - Auswahl des Gebietsentwicklers: Bereits in der Ausschreibung können GenderKriterien berücksichtigt werden. Zu beachten gilt sowohl die Auswahl der Personen, die in der Gebietsentwicklung tätig sind, als auch eine vertragliche Verpflichtung des Gebietsentwicklers, Gender-Kriterien im Gebiet zu berücksichtigen. - Zielzahlenvereinbarung: für ein konsequentes Verfolgen einer Gender Mainstreaming-Strategie sollten konkrete Ziele formuliert werden. Ob und wie eine quantitative Festlegung in dieser Frage möglich ist, bleibt jedoch offen. Produkte - Überprüfung eines Integrierten Entwicklungskonzepts auf Gender-Kriterien. Zur Sensibilisierung für die Gender-Thematik wird es für sinnvoll erachtet, ein bestehendes IEK hinsichtlich Gender Mainstreaming-Aspekten zu überprüfen (eventuell auch durch eine unbeteiligte Person). So könnte ins Bewusstsein gerufen werden, wo schon gendergerecht gehandelt wird und wo dies vielleicht bislang versäumt wurde. - Fortschreibung von IEK: Berücksichtigung des Gender Mainstreaming-Aspekts, sofern noch nicht geschehen. 25 Ideen und Ansätze - Überprüfung, ob einzelnen Handlungsfeldern und / oder Projekten zum Thema Gender Mainstreaming eine Bedeutung zukommt. Ggf. Bestandsaufnahme und Ausrichtung der Projekte. - Dokumentation guter Beispiele und erfolgreicher Vorgehensweisen im Gender Mainstreaming, aus denen künftige Projekte Nutzen ziehen können. Projekte - Berücksichtigung verschiedener Zielgruppen (Mädchen und Jungen in Pubertät, Kleinkinder, Mütter, etc.) bei Projektplanung und Lösung vor Ort Hinsichtlich der genannten Anregungen muss geprüft werden, ob eine Umsetzung möglich bzw. sinnvoll ist. Dazu gehört neben den eigentlichen inhaltlichen Gesichtspunkten die Fragestellung, ob Maßnahmen für eine gendergerechte Stadtteilentwicklung zusätzlichen Arbeits- und Kostenaufwand verursachen oder ob diese im Rahmen der „normalen“ Aufgaben mitbearbeitet werden können. Falls erhöhter Aufwand notwendig ist, muss geklärt werden, ob und von wem dieser gegebenenfalls zu tragen ist. Nachteilsausgleich und Chancengleichheit In der Abschlussdiskussion kam die Sprache noch einmal auf die beiden Ansätze des Gender Mainstreaming Nachteilsausgleich und Chancengleichheit aus dem Input von Herrn Richter zurück. In der einen Herangehensweise werden in der Gesellschaft benachteiligte Gruppen besonders gefördert, um ihnen so zu reeller Chancengleichheit zu verhelfen. Der andere Ansatz behandelt explizit alle Menschen gleich, um nicht staatlicherseits ein neues Ungleichgewicht zu konstruieren. In der Gruppe wurde argumentiert, dass zunächst eine gezielte Förderung benachteiligter Gruppen nötig sei, um sich einer Gleichberechtigung aller anzunähern. Daraufhin könne eine Gleichbehandlung folgen. Das Ziel der Stadtteilentwicklung sei damit immer das „Ausschalten“ der Zielgruppen durch einen Abbau der Benachteiligung, da die gezielte Förderung bestimmter Gruppen immer einen exklusiven Charakter habe. 26 7. Resümee Der Workshop „Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung“ war mit Informationen über das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm des Hamburger Senats, einem beispielhaften Ausblick auf die Herangehensweise in Berlin und lebhaften Diskussionen in Arbeitsgruppen und im Plenum eine anregende Plattform zum Thema. Einige Punkte tauchten im fachlichen Austausch immer wieder auf und scheinen zentral für die Umsetzung des Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung. Einige zentrale Punkte des Workshops Quantitative und Qualitative Erkenntnisse In der Gebietsentwicklung stellt sich die Frage, wie spezifische Handlungsbedarfe – etwa der Geschlechtergerechtigkeit – erkannt werden können. Eine Methode ist hier die quantitative Erfassung statistischer Daten, wie beispielsweise im Sozialmonitoring. Mit solchen Methoden könnten auch geschlechtsspezifische Probleme aufgezeigt werden (z.B. eine hohe Frauenarbeitslosigkeit in einem Gebiet). Die Teilnehmenden am Workshop hielten jedoch eine generelle „gegenderte“ Auswertung des Sozialmonitorings nicht für notwendig, sondern betonten die größere Wichtigkeit qualitativer Erkenntnisse über die Fördergebiete, um aus diesen mögliche Maßnahmen der Stadtteilentwicklung abzuleiten. Es wurde argumentiert, dass geschlechterspezifische Ungleicheiten immer auch im Kontext der sozialen Situation zu sehen sind, in der sich eine Person oder Gruppe befindet. Die komplexe Sozialstruktur in den Fördergebieten der Integrierten Stadtteilentwicklung kann besser in Beobachtungen und Gesprächen im Gebiet festgestellt werden, als in der Analyse von Kennzahlen. Hier spielt vor allem die Eigenbeteiligung der Akteurinnen und Akteure eine große Rolle, da Gruppen und Problemlagen sonst ungehört bleiben könnten. 27 Quantitative Datengrundlagen werden vor allem als belastbare, kommunizierbare Unterfütterung dieses qualitativen Wissens gesehen. Eine direkte Ableitung von Handlungsbedarf aus solchen Daten schien der Runde aber nicht möglich. Beteiligung Die Gruppe betonte die Wichtigkeit der Beteiligung eines möglichst breiten Akteursspektrums in der Gebietsentwicklung. Nur so kann die Förderung den verschiedenen Interessen und Bedürfnissen der Akteure (zum Teil abhängig von Geschlecht, Religion, Herkunft, Bildung,…) im Gebiet gerecht werden und erreicht eine breite Akzeptanz der Maßnahmen. Gleichzeitig wurde die Bedeutung einer bewussten Moderation durch den/die Gebietsentwickler in den Gremien betont, um einen übermäßigen Einfluss bestimmter durchsetzungsfähiger Personen (das seien oft ältere Männer) in der Entscheidungsfindung zu vermeiden. Praxis und Evaluation Im Workshop wurde klar, dass Überlegungen des Gender Mainstreaming bereits in vielen Bereichen eine Rolle spielen, das Thema wie selbstverständlich „mitläuft“. Für die Zukunft stellt sich hier die Frage, ob das Gender Mainstreaming ein eigenes Thema oder Handlungsfeld der Stadtteilentwicklung werden oder eine Rolle als Querschnittsthema einnehmen (oder behalten) sollte. Ausgangspunkt für ein weiteres gendergerechtes Handeln solle die Dokumentation bisheriger Maßnahmen sein, die das Thema Geschlechtergerechtigkeit angehen. Hier könne festgehalten werden, wo schon gendergerecht gehandelt wird und wo es noch Raum für Verbesserungen gäbe. Eine solche Bestandsaufnahme könne in neue IEKs und PPAs sowie Fortschreibungen in bestehenden Gebieten eingehen. Wie der Erfolg von Projekten und Maßnahmen zur Gleichberechtigung gemessen werden könnte, bleibt aber vorerst unklar. Gender Mainstreaming als Bestandteil von Diversität Das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm Hamburgs fasst den Begriff des Gender Mainstreaming als Gleichberechtigung von Mann und Frau auf. Das Rahmenprogramm soll demnächst erweitert werden, sodass auch andere Geschlechtsidentitäten mit einbezogen werden. Zu diesem Vorgehen wurde angemerkt, dass Menschen, die sich nicht eindeutig einem der beiden Geschlechter zuordnen wollen, in der aktuellen Fassung des GPR nicht berücksichtigt wurden. Es sei wichtig, dass dies zukünftig geschieht. Bei der Diskussion über die Möglichkeiten für Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung fiel auf, dass dort in der Realität eher ein Ansatz der Diversität praktiziert wird. Das „Diversity“-Konzept in der Soziologie geht davon aus, dass die Identität von Menschen von einer Vielzahl von Faktoren wie Geschlecht, Religion, Ethnie oder Behinderung geprägt wird. Ein solcher Ansatz wird in den meisten Gebietsentwicklungen schon (unbewusst) vorausgesetzt. So versucht man etwa, durch niedrigschwellige Beteiligungsstrukturen eine Vielzahl von sozialen Gruppen im Gebiet zu erreichen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Die Gleichstellung verschiedener Geschlechter wird als ein Aspekt der Einbeziehung möglichst vieler Akteursgruppen gesehen. 28 Der Workshop „Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung“ bot Raum für angeregte Diskussionen und den Austausch über Praxis und neue Ideen in der Gleichberechtigung der Geschlechter. Dies trug vor allem zu einer Sensibilisierung für das Thema bei und kann Impulse geben, es wieder mit neuem Elan in den RISE-Fördergebieten voranzubringen. Dieses Unterfangen muss aber nicht an einer Nulllinie begonnen werden, denn viele Projekte und Maßnahmen in den Gebieten beinhalten schon Überlegungen zur Geschlechtergerechtigkeit. Deutlich wurde, dass die Integrierte Stadtteilentwicklung das Gender Mainstreaming als einen Teilaspekt eines breiten Diversitätsansatzes denkt und versucht, alle sozialen Gruppen gleichwertig in das Quartiersleben einzubinden. Dies sollte jedoch verstärkt dokumentiert und kommuniziert werden. Nur so wird einerseits Gutes festgehalten und kann als Vorbild für andere Entwicklungsprozesse dienen. Andererseits werden so auch Verbesserungen und das Erkennen von Handlungsbedarfen möglich. Ein lebhafter Austausch zwischen den Akteur Akteurinnen und Akteure kann bestehende und neue Ansätze von Gender Mainstreaming in der Integrierten Stadtteilentwicklung vorantreiben und den Fokus langfristig auf ein gleichberechtigtes Miteinander aller in der Stadt legen. 29 Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Babin, Astrid Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung Becker, Anna Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung Berg, Thomas BIG-Städtebau GmbH, Regionalbüro Hamburg Fiedler, Jürgen Stadtteilbüro Dulsberg Fründ, Claudia Bezirksamt Wandsbek Fachamt Sozialraummanagement Gebhard, Michaela Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung Gohde-Ahrens, Rixa Lawaetz-Stiftung Jakisch, Ulrike Bezirksamt Hamburg-Mitte Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung Kaiser, Andreas Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung – Moderator Koch, Charlotte polis aktiv – Stadterneuerung und Moderation Koch, Eva steg Hamburg mbH, Stadtteilbüro Altona-Altstadt Mayer, Hans-Norbert Bezirksamt Eimsbüttel Fachamt Sozialraummanagement Mecklenburg, Dirk Bezirksamt Wandsbek Fachamt Sozialraummanagement Mellauner, Marlene konsalt GmbH Pelz, Ulrike Bezirksamt Hamburg-Mitte Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung Protschky, Andrea Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung Richter, Eike Behörde für Justiz und Gleichstellung Gleichstellung – Referent Sander, Martin BWVI, Wirtschaftsförderung Schlonski, Christiane Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt Amt für Wohnen, Stadterneuerung und Bodenordnung – Referentin und Moderatorin Schmidt, Daniela Bezirksamt Hamburg-Nord Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung Seidel, Kirsten Bezirksamt Bergedorf Fachamt Sozialraummanagement 30