Interessante Entscheidungen Newsletter August 2011 Versetzung durch Teilentzug der Arbeitsaufgaben LAG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2011, 11 TaBV 80/10 Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Frage, ob der Entzug der Zusatzfunktion „Vorarbeiter“ eine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellt. Ein Arbeitnehmer, gleichzeitig Mitglied des Betriebsrats, wurde als Staplerfahrer eingestellt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde er zusätzlich als Vorarbeiter eingesetzt und erhielt für diese Zusatztätigkeit eine Zulage. Die Tätigkeit als Vorarbeiter machte ca. 20% seiner Tätigkeit aus. Nachdem der Arbeitnehmer längere Zeit erkrankt war, wurde ihm mitgeteilt, dass er zukünftig nur noch als Staplerfahrer beschäftigt werde. Seitdem wurde die Zusatzfunktion des Vorarbeiters auf einen anderen Mitarbeiter übertragen. Der Betriebsrat hat beantragt, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Versetzung rückgängig zu machen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung nach § 99 Abs. 1, § 95 Abs. 3 BetrVG könne auch dann vorliegen, wenn Arbeitsaufgaben und die damit verbundene Verantwortung entzogen werden. Voraussetzung sei, dass es sich um eine erhebliche Änderung der Teilfunktion handelt. Im vorliegenden Fall war der Arbeitnehmer zu mehr als 20 % seiner Gesamtarbeitszeit als Vorarbeiter eingesetzt worden. Dies sei nicht mehr unerheblich. Darüber hinaus habe die Vorarbeitertätigkeit seine Gesamttätigkeit qualitativ geprägt. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde die Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen. Hier lohnt es sich für Betriebsräte genau hinzuschauen. Im vorliegenden Fall wurde der Betriebsrat bei der personellen Maßnahme nicht beteiligt, weil der Arbeitgeber die Auffassung vertrat, es handele sich nicht um eine Versetzung. Nur wenn der Betriebsrat solche Fälle genau hinterfragt und sein Mitbestimmungsrecht einfordert, kann auch den einzelnen Arbeitnehmern geholfen werden. Die Schwierigkeit besteht darin, erst einmal an die entsprechenden Informationen zu kommen. Das funktioniert nur, wenn Betriebsräte engen Kontakt zur Belegschaft haben und Betroffene den Betriebsrat informieren. Nicht immer ist ein Betriebsratsmitglied betroffen. Anspruch des Betriebsrats auf Einhaltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung LAG Stuttgart, Beschluss vom 25.02.2011, 18 TaBV 2/10 Arbeitgeber und Betriebsrat stitten darüber, ob die Verwendung eines von den Arbeitnehmern auszufüllenden Formulars gegen eine im Betrieb geltende Gesamtbetriebsvereinbarung verstieß und dem antragstellenden Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung dieses Verhaltens gegen den Arbeitgeber zustand. 1 www.steiner-mittlaender.de/aktuelles.html Interessante Entscheidungen Newsletter August 2011 Der Arbeitgeber verfügt über ein Scannerkassensystem, das sämtliche Kasseneingaben automatisiert erfasst. Bei der Einführung der Scannerkassen wurde durch Gesamtbetriebsvereinbarung u.a. geregelt, dass das Kassensystem keine personenbezogenen Daten verwendet, die einen unmittelbaren Rückschluss auf eine bestimmte Person erlauben würden. Durch den Einsatz des Kassensystems erfolgt keine Gewinnung oder Speicherung von personenbezogenen oder –beziebaren Daten. Auswertungen zum Zwecke der Verhaltens- oder Leistungskontrolle werden nicht durch geführt. Auf Grund einer Anweisung der Arbeitgeberin wurden die Mitarbeiter angehalten, die durch die Scannerkassen ausgeworfenen Kassenberichte handschriftlich in ein Formular „Kassenleistungsübersicht“ zu übertragen und dieses mit ihrem Namen zu versehen. Auf Antrag des Betriebsrats untersagte das Arbeitsgericht Stuttgart dem Arbeitgeber diese Vorgehensweise. Das LAG Stuttgart folgte dieser Auffassung jedoch nicht. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus § 80 Abs. 1 BetrVG. Diese Vorschrift regelt nur die Überwachungsaufgaben des Betriebsrats. Darüber hinaus stand nach Ansicht des LAG Stuttgart dem Betriebsrat kein aus dem Durchführungsanspruch nach § 77 Abs. 1 BetrVG resultierender Unterlassungsanspruch zu, denn der Betriebsrat hatte die Gesamtbetriebsvereinbarung weder selbst abgeschlossen noch war der Gesamtbetriebsrat kraft Delegation tätig geworden. Vielmehr bestand eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats. Vor diesem Hintergrund könne nur diejenige Arbeitnehmervertretung den Anspruch durchsetzen, die selbst Partei der Betriebsvereinbarung sei. Darüber hinaus stellte das LAG Stuttgart fest, dass der Arbeitgeber zwar gegen die Gesamtbetriebsvereinbarung verstoßen habe, indem er die Weisung erteilte, die Formulare „Kassenleistungsübersicht“ auszufüllen und mit dem Namen zu versehen - die Gesamtbetriebsvereinbarung untersage die Herstellung eines Personenbezugs der automatisiert erfassten Kassendaten - dies stelle jedoch keinen groben Verstoß i.S.d. § 23 Abs. 3 BetrVG dar. Die Rechtsprechung zum Durchführungsanspruch von Gesamtbetriebsvereinbarungen knüpft an die Rechtsprechung des BAG v. 18.05.2010, 1 ABR 7/09 an. Eine Ausnahme hiervon gilt lediglich, wenn die Parteien in der Gesamtbetriebsvereinbarung den nicht an der Vereinbarung beteiligten Betriebsräten ausdrücklich Rechte einräumen. Wenn möglich sollten Betriebsräte dies bei der Formulierung von Gesamtbetriebsvereinbarungen berücksichtigen. Innerbetriebliche Ausschreibung von Arbeitsplätzen nach § 93 BetrVG beim Einsatz von Leiharbeitnehmern BAG, Beschluss vom 01.02.2011, 1 ABR 79/09 Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bestand Streit, ob Arbeitsplätze, die dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen, innerbetrieblich nach § 93 BetrVG auszu- 2 www.steiner-mittlaender.de/aktuelles.html Interessante Entscheidungen Newsletter August 2011 schreiben sind. Dabei ging es nur um Arbeitsplätze, die für mindestens ein Jahr mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen. Das BAG gab dem Antrag des Betriebsrats statt und begründete dies wie folgt: Das Ausschreibungserfordernis ergebe sich aus dem Wortlaut des § 93 BetrVG. Der Wortlaut erfasse die Ausschreibung sämtlicher Arbeitsplätze unabhängig von Art und Inhalt des Rechtsverhältnisses, das der Beschäftigung zu Grunde liege. Gegen eine Ausnahme bei Leiharbeitskräften spreche auch der Zusammenhang mit § 99 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zur Einstellung verweigern, wenn eine erforderliche Ausschreibung unterblieben ist. Zu den nach § 99 BetrVG zustimmungspflichtigen Einstellungen gehört auch die Einstellung von Leiharbeitnehmern. Darüber hinaus soll es dem Betriebsrat im Interesse der von ihm vertretenen Belegschaft ermöglicht werden, den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren. Das Argument der Arbeitgeberin, mit der Entscheidung, einen Arbeitsplatz dauerhaft mit einem Leiharbeitnehmer zu besetzen, sei dieser dem innerbetrieblichen Stellenmarkt entzogen, treffe nicht zu. Die Arbeitgeberin sei z.B. gehalten, schwerbehinderte Arbeitnehmer auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu versetzen. Rücksichtnahmepflichten könnten sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Darüber hinaus könnte die Entscheidungsbefugnis gemäß § 9 TzBfG eingeschränkt sein. Für Betriebsräte sind dies auch mögliche Zustimmungsverweigerungsgründe, wenn Arbeitgeber Arbeitsplätze dauerhaft mit Leiharbeitnehmern besetzen wollen. Eine genaue Überprüfung lohnt sich. Abmeldepflicht von Betriebsratsmitgliedern BAG, Beschluss vom 20.06.2011, 5 AZR 161/10 (Pressemitteilung) Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat besteht Streit, ob Betriebsratsmitglieder sich auch bei Betriebsratstätigkeit, die sie am Arbeitsplatz erbringen, zuvor beim Arbeitgeber abmelden müssen. Der Betriebsrat stellte den Antrag festzustellen, dass die Betriebsratsmitglieder nicht zur Abmeldung verpflichtet sind. Eine solche Pflicht lässt sich weder generell verneinen noch bejahen. Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das BAG veröffentlichte folgende Presseerklärung: Ein Betriebsratsmitglied, das an seinem Arbeitplatz während seiner Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben erledigt, ist grundsätzlich verpflichtet, sich beim Arbeitgeber abzumelden und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Zweck der Meldepflicht ist es, dem Arbeitgeber die Überbrückung des Arbeitsausfalls zu ermöglichen. Daher besteht keine vorherige Meldepflicht in Fällen, in denen eine vorübergehende Umorganisation der Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht kommt. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Dazu gehören insbesondere die Art der Arbeitsaufgabe des Betriebsratsmitglieds und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunterbrechung. In Fällen, in denen sich das Betriebsratsmitglied nicht vorher abmeldet, ist es verpflich3 www.steiner-mittlaender.de/aktuelles.html Interessante Entscheidungen Newsletter August 2011 tet, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen hin nachträglich die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. 4 www.steiner-mittlaender.de/aktuelles.html