Langfassung Artikel von Herrn Dr. med. Michael Neuber

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Rehabilitation - spezifische Belastungen in verschiedenen Berufen
Besonderheiten in einer Rundfunk- und Fernsehanstalt
Mit dem seit einigen Jahren bestehenden Web-Reha-Verfahren steht ein Instrument zur Verfügung, durch das sich die Zusammenarbeit zwischen Betriebsärzten und Rehabilitationseinrichtungen zumindest aus Richtung der Betriebsärzte deutlich verbessert hat. Als Betriebsarzt habe ich die Möglichkeit, direkt eine Rehabilitationsmaßnahme zu beantragen, wenn
sich aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge heraus die Indikation dazu ergibt. Aus der
Kenntnis der Arbeitsbedingungen und der Auswirkungen der Erkrankung auf die Einsatzfähigkeit kann ich die Indikation auch fundiert begründen. Eine genaue, arbeitsmedizinische
Beschreibung der Arbeitsbedingungen und Bewertung der Erkrankungen in Bezug auf die
Tätigkeit liegen den Rehabilitationseinrichtungen somit vor. Bei Maßnahmen, die durch behandelnde Ärzte eingeleitet werden, liegt in der Regel nur die Arbeitsplatzbeschreibung aus
der Sicht des Patienten vor.
Alle Rehabilitationsmaßnahmen enden abschließend mit der Beurteilung des Rehabilitationsergebnisses. Dies ist eine gutachterliche Äußerung, die im Betrieb Beachtung findet. Sie
sollte deshalb so genau wie möglich die tatsächlichen Arbeitsbedingungen und die Erkrankungsfolgen berücksichtigen. Allerdings habe ich es in der Praxis nur selten erlebt, dass es
bei der Beurteilung des Rehabilitationserfolges in Hinblick auf die Einsatzfähigkeit oder bei
der sozialmedizinischen Beurteilung zur Kommunikation zwischen Rehabilitationseinrichtungen und Betriebsarzt kommt. So bleiben die Empfehlungen häufig unspezifisch und es obliegt dem Betrieb, sich mit den Bewertungen und Empfehlungen der Rehabilitationseinrichtung auseinanderzusetzen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass durch diese gutachterlichen Äußerungen häufig auch Erwartungen der Beschäftigten an ihren Betrieb und ihren
Einsatz geschürt werden. Manchmal sollen mit Hilfe der behandelnden Ärzte und auch des
Betriebsarztes Einsatzbeschränkungen oder innerbetriebliche Umsetzungen geradezu erzwungen werden, weil deren Notwendigkeit ärztlich bescheinigt ist. Je weniger Kenntnis der
begutachtende Arzt von den tatsächlichen Arbeitsbedingungen im Betrieb hat, desto leichter
gelingt dies.
Ein Unternehmen wie der WDR ist relativ groß und bietet vielfältigste Arbeitsmöglichkeiten.
Er besteht aus vielen verschiedenen Organisationseinheiten der unterschiedlichsten Gewerke. Die pauschale Beurteilung eines großen Unternehmens wie dem WDR in der Richtung,
dieses könne doch sicher ganz einfach alle Empfehlungen bis hin zu einer Umsetzung oder
Umschulung umsetzen, ist leider falsch. Es ist richtig, dass die Tätigkeiten vielfältig sind, sie
sind jedoch verbunden mit ebenso vielfältigen Anforderungen und Belastungen. Einige Beispiele mögen dies orientierend erläutern:
In der Verwaltung gibt es typische Bürotätigkeiten, wie in anderen Unternehmen auch. Die
Arbeit einer Sekretärin entspricht dem üblichen Bild. Die Tätigkeit einer Sekretärin in einer
Redaktion ist kaum damit vergleichbar. Sie befindet sich meist mitten im Knotenpunkt, in
dem alle Informationen zusammenlaufen. Arbeitsdichte und –geschwindigkeit werden in erster Linie von programmlichen Anforderungen bestimmt. In einer aktuellen Nachrichtenredaktion ist die Taktung hoch und die Ereignisse können sich auch unerwartet entwickeln und
überschlagen. Dafür ist die jeweils aktuelle Arbeit in einer Redaktion mit Ende der Sendung
erledigt, während der Strom meist gleichförmiger Aufgaben in der Verwaltung eigentlich nie
endet.
In den Werkstätten gibt es eine große Breite handwerklicher Berufe mit jeweils typischen
Belastungen. Ein Maler, Schlosser oder Schreiner hat grundsätzlich die gleichen Belastun-
gen wie in einem Betrieb draußen. Im WDR sind diese verbunden mit hohen Anforderungen
an die Kreativität und Flexibilität, die sich durch den Bedarf der Redaktionen ergeben.
Kameraleute stehen oder hocken an einer Studiokamera, teilweise in Zwangshaltungen. Im
Außendienst müssen sie die Kamera und andere Teile der Ausrüstungen tragen oder in
Zwangshaltungen halten. Dort unterliegen sie Witterungseinflüssen und psychomentalen
Belastungen, die sich aus dem Berichtsthema, der Aktualität und dem Kontext ergeben, in
dem sie drehen. Dabei sind sie immer auch kreativ und künstlerisch tätig. Schließlich sind sie
häufig auch Fahrer des Teams.
Journalisten arbeiten in unterschiedlichsten Redaktionen im In- und Ausland. Journalisten
haben sich im Laufe ihres Berufslebens auch auf den Bereich spezialisiert, in dem sie arbeiten, z.B. Politik, Nachrichten, Kultur, Sport. Nachrichtenredakteure müssen halbstündlich
oder stündlich Nachrichtensendungen produzieren und unterliegen dabei ganz erheblich der
Aktualität der Ereignisse. In der Kultur oder Wissenschaft ist die Taktung nicht so hoch. Aber
auch hier besteht die Notwendigkeit, aktuell zu reagieren, wenn z.B. ein Interviewpartner
kurzfristig absagt, die Zuhörer jedoch die Sendung erwarten, die im Programm angekündigt
ist. Schließlich führt auch der Tod bekannter Künstler zu unerwarteten Programmänderungen.
Musiker und Sänger sind hoch qualifiziert und spezialisiert. Sie müssen ihre Leistung auf den
Punkt genau präsentieren. Es gibt keine Möglichkeit, sich bei Krankheit oder nicht voll abrufbarer Leistung bei einem Konzert zurück zu nehmen. Es gilt das Motto: Entweder top – oder
gar nicht.
Für alle Berufe und Tätigkeiten im WDR besteht als Grundvoraussetzung eine außerordentliche Teamfähigkeit und Anpassungsfähigkeit an aktuelle Einflussfaktoren. Stets arbeiten viele
Gewerke und Teams miteinander zusammen, damit eine Sendung entsteht. Einzelne Fehler
in einem Teilgewerk können sich in der Folge zu einer Sendegefährdung aufsummieren.
Programm in Radio, Fernsehen, Internet und sozialen Medien wird heute rund um die Uhr
angeboten. Die Hauptzeit liegt sogar in den Tageszeiten, an denen die meisten anderen
Menschen zuhause sind, sich erholen, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Dies erfordert eine gewisse Schichtdiensttauglichkeit bzw. die Eignung zu Wechseldiensten sowie die
Bereitschaft und Fähigkeit, auch nachts oder in den frühen Morgenstunden zu arbeiten. Die
meisten Beschäftigten sind in ihrem Bereich hoch spezialisiert, haben eine sehr spezifische
Ausbildung und Berufserfahrung, und das muss auch so sein. Dies verringert aber auch die
Austauschbarkeit, wenn infolge einer Erkrankung bestimmte Anforderungen nicht mehr erfüllt
werden können. Darüber hinaus ist in einem Unternehmen, das öffentlich-rechtlich finanziert
ist, jede Tätigkeit an eine Planstelle gebunden. Ein Wechsel aus gesundheitlichen Gründen
auf eine andere Planstelle ist also grundsätzlich nur im Tausch möglich. Ein Wechsel mit
Planstelle führt zum Stellenaufbau in der einen und zum Stellenabbau in der abgebenden
Organisationseinheit, da die Gesamtzahl der Planstellen wie in vielen öffentlichen Bereichen
nicht steigen darf, ja sogar eher abzubauen ist. Ein Planstellenaufbau kann nur durch einen
entsprechenden Zuwachs an Arbeitsinhalten begründet sein. Werden Planstellen abgegeben, stellt sich die Problematik, wie die verbleibenden Beschäftigten die bisherige Arbeit
schaffen. Auch dies erschwert die Austauschbarkeit.
Es gibt also eine ganze Reihe spezifischer Faktoren, die bei der Rehabilitation zu beachten
sind. Unsere Beschäftigten gehen mit ihrem spezifischen Anforderungsprofil in die Rehabilitation und Empfehlungen für die Beschäftigungsbreite nach der Rehabilitation müssen an
diesem Anforderungsprofil gemessen werden und möglichst genau beschrieben werden.
Schließlich müssen sie den betrieblichen Rahmenbedingungen gegenüber gestellt werden.
Je allgemeiner die Empfehlungen gehalten sind, desto schwieriger ist die Integration, vor
allem, wenn durch die Empfehlungen der Rehabilitationseinrichtung Erwartungen geschürt
werden, die im Betrieb gar nicht erfüllt werden können.
Am Ende der Rehabilitation ist die gutachterliche Beurteilung in Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit in der konkreten Tätigkeit sowie in Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit zu unterscheiden.
Problematisch sind dabei allgemeine Empfehlungen oder auch vordergründig zu exakte Einsatzbegrenzungen mit Formulierungen wie z.B.:
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„Ist für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit voll oder teilweise einsetzbar“, ohne ein möglichst genaues Einsatzbild zu beschreiben, das auch mit dem Betriebsarzt abgestimmt ist.
„Wir empfehlen eine innerbetriebliche Umsetzung“, ohne die Möglichkeiten mit dem
Betriebsarzt vorher abgestimmt zu haben.
Empfehlungen von genauen Zeiträumen, in denen die Arbeit liegen soll, im Sinne von
„soll nicht nach 22 Uhr arbeiten“ oder „soll nicht vor 8 Uhr arbeiten“ oder „soll von 9
bis 17 Uhr arbeiten“, die meist eher einem Wunsch des Patienten entsprechen als
den tatsächlich notwendigen Gegebenheiten am Arbeitsplatz.
Empfehlungen genauer Begrenzungen der Hebe- und Tragelasten ( „weniger als 5
kg“, „weniger als 10 kg“ ).
Komplettausschlüsse einer bestimmten Tätigkeit, wie „darf nicht als . . . weiter arbeiten“, ohne dies vorher mit dem Betriebsarzt besprochen zu haben.
„Soll nicht im Schichtdienst eingesetzt werden“, ohne zu wissen, ob es sich tatsächlich um Schichtdienst oder um Wechseldienst oder um Dienste zu außergewöhnlichen Tageszeiten handelt.
„Soll Stress vermeiden.“
„Soll nicht gestört oder unterbrochen werden.“
„Keine hohen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen.“
„Umschulung zu . . . empfohlen“, ohne Absprache, ob dieses möglich ist.
Die sozialmedizinische Bewertung des Rehabilitationserfolges in Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit ist wichtig, um zu beurteilen, ob ein Antrag auf Teilerwerbsunfähigkeitsrente oder volle Erwerbsunfähigkeitsrente überhaupt Erfolg haben könnte. Je höher jedoch die Spezialisierung in einem Beruf ist, desto deutlicher wird hier der Unterschied zwischen Erwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit, insbesondere wenn keine private Vorsorge für den Fall der Berufsunfähigkeit betrieben wurde und eine innerbetriebliche Umsetzung aufgrund der spezifischen Qualifikation nicht möglich ist. Die Erwerbsfähigkeit zielt ab auf die Fähigkeit, auf einem fiktiv für alle offen stehendem Arbeitsmarkt Tätigkeiten auszuüben. Konkret im Betrieb
existiert jedoch ein realer und begrenzter Arbeitsmarkt mit realen Anforderungen an die Qualifikation und die gesundheitliche Eignung.
Beispiele zu den oben genannten Berufsgruppen mögen die Schwierigkeiten erläutern:
Sekretärin ist nicht gleich Sekretärin. Eine geregelte Arbeitszeit ist am ehesten in der Verwaltung gegeben. Die Arbeitsinhalte sind überschaubar und in gewissem Umfang vorhersehbar.
Ist nach einer Rehabilitation eine eher gleichförmige Tätigkeit empfohlen im Tagesdienst
empfohlen, lässt sich dies in der Verwaltung am ehesten umsetzen. Eine Redaktionssekretärin in einer Redaktion, die ein Abendmagazin produziert, hat eine in den Abend verschobene
Arbeitszeit. Die Belastung baut sich bis zur Sendung kontinuierlich auf, besonders wenn
durch aktuelle Ereignisse kurz vor der Sendung noch Inhalte verändert werden müssen. Eine
Sekretärin im Morgenmagazin hat Arbeitszeiten, die in der Sendewoche um 3 Uhr morgens
beginnen. Die Arbeitszeit orientiert sich also an der Sendung und ist nicht verschiebbar. Die
Arbeitsräume folgen dem direkten Kommunikationsbedarf. In Redaktionen werden deshalb
Mehrpersonenbüros bevorzugt, um schnelle direkte Absprachen im Team zu ermöglichen.
Gutachterliche Äußerungen zu einer konkreten Arbeitszeit können also sehr leicht zu einem
absoluten Ausschlusskriterium für den Verbleib in einer bestimmten Redaktion werden. Das
gleiche trifft zu für eine Empfehlung zur Bürosituation ( „benötigt ein Einzelbüro“, „benötigt
einen Telearbeitsplatz“ ). Ein Heimarbeitsplatz erfordert Arbeitsinhalte, die auch von zuhause
aus erledigt werden können. Verwaltungsaufgaben sind meist geeignet. Die Arbeit in Redaktionen erfordert häufig direkte Kommunikation und Nähe zum Geschehen, die sich in direkter
Zusammenarbeit vor Ort wiederspiegelt. Nicht selten ist die allgemeine Empfehlung, Stress,
häufige Unterbrechungen und Störungen zu vermeiden. Grundsätzlich ist das ja richtig. In
Redaktionen arbeiten jedoch viele, auch Sekretärinnen, im Knotenpunkt des Geschehens,
wo alle Informationen zusammen laufen. Nur im Miteinander entstehen Sendungen. Je aktueller das Format, desto quirliger ist häufig die Arbeitssituation. Bedeutet eine gutachterliche
Einschätzung des Rehabilitationserfolges ein Ausschlusskriterium für eine bestimmte Redaktion und ist sie medizinisch begründet und nicht aus Unwissenheit erfolgt, bleibt vielfach nur
die Option der innerbetrieblichen Umsetzung. Dabei sind neben betrieblichen Rahmenbedingungen ( Stellenplan ) und Fachkenntnissen auch persönliche Neigungen zu berücksichtigen. Wer in einer Redaktion im Programm arbeitet, hat sich meist bewusst dafür entschieden, dort und nicht in der Verwaltung als Sekretärin zu arbeiten. Das Handwerkszeug, um im
Controlling zu arbeiten, lässt sich schulen und erlernen, die Neigung z.B. aus der Kultur
dorthin zu wechseln hingegen nicht.
Handwerker, Bühnenbauer und Veranstaltungstechniker sind körperbetonte Berufe, auch im
WDR. Dekorationen, Kulissen, Zuschauertribünen, Bühnenteile oder ganze Bühnen und Gerüste für die Beleuchtung sind zu bauen und zu transportieren. Bei Außenübertragungen sind
Witterungseinflüsse trotz Schutzkleidung unvermeidbar. Je nach Veranstaltungsort können
die Lasten mehr oder weniger ergonomisch transportiert werden. Die Ausrüstungsgegenstände wiegen unterschiedlich viel. Verbindungsstücke von Aluminiumtraversen sind leicht.
Nur müssen davon für eine große Bühnenshow sehr viele bewegt und montiert werden. Die
Belastung ergibt sich aus der Menge. Andere Lasten übersteigen deutlich 50kg ( z.B. Kabeltrommel, Tonmischpult, Kamerafuß ). Diese z.B. durch unwegsames Gelände zu transportieren ist nicht immer leicht und ergonomisch machbar. Wenn Beschäftigte in diesen Bereichen
erst einmal Schäden des Bewegungsapparates erlitten haben, beschränken sich die Möglichkeiten einer Rehabilitation häufig auf den Erhalt der eingeschränkten Einsatzfähigkeit.
Ergebnisse, die das Heben und Tragen von Lasten unter 10kg bedingen, sind eigentlich
Ausschlusskriterien und im Produktionsalltag nicht zu gewährleisten. Eine solche Beschränkung vor Ort durchzusetzen, selbst wenn sie durch Vorgesetzte angeordnet ist, erfordert vom
Betroffenen gegenüber den Kollegen ein enormes Durchsetzungs- und Beharrungsvermögen. Der faktisch ständige Rechtfertigungsdruck führt dann zu anderen Belastungen. Umsetzungen in den Lager- und Magazinbereich sind begrenzt möglich. Umschulungen sind
grundsätzlich möglich. Sie benötigen jedoch einen eindeutigen Zielarbeitsplatz, der im Stellenplan ausgewiesen ist bzw. zum Ende der Umschulung hin vakant ist. Persönliche Eignungen und Neigungen sind zu berücksichtigen.
Kameraleute arbeiten im Studio oder im Außendienst. Die meisten Standkameras in Studios
sind ergonomisch nicht sehr ausgefeilt. Oft kommt es zu Überstreckhaltungen oder gebückten Zwangshaltungen. Beim Dreh mit der Handkamera, die auf einer Schulter getragen wird
und die zwischen 10 und 15kg wiegt, kommt es zu einseitigen Belastungen und Zwangshaltungen. Im Außendienst wird fast nur mit der Handkamera gedreht. Tragehilfen können die
Lastverteilung verbessern. Die gesamte Ausrüstung einschließlich Beleuchtung und Stativ
kann 100kg erreichen. Gerade im Außendienst summiert sich die Belastung ( z.B. Interview
in Fußgängerzone über mehrere Stunden, Messebesuche, Transport der Ausrüstung an
hochgelegene Drehorte ohne Fahrstuhl ). Die psychomentale Belastung wird beeinflusst vom
Berichtsthema und dem Gesamtsetting, in dem gedreht wird. In Kriseneinsätzen oder auch
zuhause bei Schadensereignissen und Katastrophen sind Traumatisierungen möglich. Aktu-
elle Ereignisse können unvorhergesehen zu besonderer Arbeitsverdichtung ( mehrere kürzere Einsätze hintereinander ) oder deutlicher Verlängerung der Arbeitszeit führen. Die Disposition ist häufig sehr kurzfristig, die Balance zwischen Beruf und Privatleben nicht immer einfach. Im Außendienst sind Kameraleute häufig die Fahrer des Teams. Schließlich erfüllen sie
hohe Anforderungen an Kreativität und Flexibilität in jeder Lage. Kameraleute sind körperlich
und psychisch stark gefordert. Wie bei den Handwerkern sind Rehabilitationsergebnisse mit
deutlichen Einschränkungen des Bewegungsapparates insbesondere im Außendienst ein
Ausschlusskriterium, wenn ergonomische Hilfsmittel nicht reichen. Eine Umsetzung in den
Studiodienst kann im Einzelfall sinnvoll sein, auch wenn hier langes Stehen an der Kamera
in ungünstigen Körperhaltungen natürlich auch einsatzlimitierend wirken. Einschränkungen
der psychischen Belastbarkeit ( „Stress vermeiden“ ) können im Studiodienst begrenzt berücksichtigt werden. In Zeiten, in denen eine besonders wirtschaftliche Disposition auch der
Kameraleute im Fokus liegt, kommt es aber auch hier zu zunehmender Arbeitsverdichtung.
Im Außendienst ist die psychische Belastung schwer zu kalkulieren. Selbst nach harmlosen,
schönen Dreharbeiten ( z.B. großes Jubiläum eines Vereins in der Lokalberichterstattung )
kann sich auf der Rückfahrt ins Studio ein größerer Unfall ereignen oder ein Gewaltverbrechen, über das berichtet werden soll. Unvorhergesehen kommt man aus der Idylle in eine
Katastrophe. Kameraleute sehen im Sucher alles, auch traumatisierende Szenen, die später
den Fernsehzuschauern nicht zugemutet werden. Absolute psychische Stabilität ist hierfür
eine der Voraussetzungen. Für Umschulungen gilt grundsätzlich dasselbe wie bei den
Handwerkern. Eignung kann begrenzt geschult werden. Neigung ist zu berücksichtigen. Ein
Zielarbeitsplatz mit echtem Bedarf muss im Stellenplan vorhanden sein.
Bei Journalisten ist nach Rehabilitation gelegentlich abhängig von der Grunderkrankung die
Fähigkeit zu Arbeiten im Schichtdienst oder im Nachtdienst eingeschränkt. Insbesondere in
aktuellen Redaktionen oder im Frühprogramm ist das problematisch. Grundsätzlich bestehen
dann nur zwei Möglichkeiten: Verbleib in der Redaktion mit der Folge der Arbeitsverdichtung
für die übrigen oder innerbetriebliche Umsetzung, sofern eine geeignete Planstelle vorhanden und gerade vakant ist. Erschwerend kommt die im Laufe des Berufslebens erworbene
Spezialisierung hinzu. Nach 30 Jahren begeisterter Arbeit als Nachrichtenredakteur ist es
sehr schwer, in den Bereich der Kultur oder des Sports zu wechseln oder auch in andere
Medien, z.B. vom Radio ins Fernsehen. Jedes Medium erfordert eine spezielle Art, Geschichten zu erzählen oder Nachrichten aufzubereiten. Selbstverständlich kann man alles
lernen, aber entscheidend ist natürlich auch die persönliche Neigung. Endet eine Rehabilitation z.B. eines Nachrichtenjournalisten oder eines Sportreporters mit der Empfehlung,
Schichtdienst und Stress zu vermeiden, ist dies ein Ausschlusskriterium für die Weiterbeschäftigung in diesem Bereich. Es wird jedoch auch nicht gelingen, den betroffenen Kollegen
im Feuilleton erfolgreich einzusetzen. Es besteht dann Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf die
zuletzt ausgeübte Tätigkeit, jedoch nicht Berufsunfähigkeit im eigentlichen Sinne. Besonders
berufsständische Rentenversicherungen fassen in einem solchen Fall den Begriff des Berufs
sehr weit und zielen nicht auf die erfolgte Spezialisierung im Laufe der Berufsjahre ab. Erwerbsunfähigkeit besteht schon gar nicht.
Musiker und Sänger sind eine weitere hochspezialisierte, besondere Berufsgruppe. Besonders, weil sie ihre Leistung bei Auftritten immer auf den Punkt bringen müssen, ähnlich allen
anderen Beteiligten in Livesendungen. Bei Auftritten oder auch Aufnahmen muss die Leistung stimmen. Man kann sich nicht zurück nehmen, wie man das vielleicht bei einer Bürotätigkeit könnte. Eine Sachbearbeiterin in der Verwaltung kann bei einem Schnupfen durchaus
noch arbeiten. Der Gesang einer Sopranistin verliert so sehr an Qualität, dass sie nicht auftreten kann. Bei chronischen Erkrankungen des Stimmapparates kann nach Rehabilitation
durchaus ein sehr gutes sprachliches Ergebnis vorliegen für den Allgemeingebrauch, der
jedoch die Anforderungen an eine Sängerin keineswegs erfüllt. Das gleiche gilt für orthopädische Erkrankungen und Musiker. Ein nicht gut verheilter Bruch des Kleinfingerendglieds
der linken Hand ist für einen Sachbearbeiter ohne Bedeutung für seine Beschäftigungsfähigkeit, führt bei einem Violinisten jedoch dazu, dass er die Seiten nicht mehr so greifen kann,
wie er für ein qualitativ hochwertiges Spiel müsste. Auch hier besteht also sehr schnell Arbeitsunfähigkeit für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, Berufsunfähigkeit wird gern bestritten,
weil man ja noch als Gesangslehrerin oder Musiklehrer arbeiten könnte. Erwerbsunfähigkeit
wird selten attestiert, auch wenn im Grunde keine realistischen anderen Berufe ergriffen
werden können, es sei denn es handelt sich um noch sehr junge chronisch erkrankte Musiker oder Sänger, die dann ihren gesamten Lebensweg verändern müssen. Innerbetriebliche
Umsetzungen sind ausgeschlossen.
Fazit: In einer Rundfunk- und Fernsehanstalt gibt es breite Beschäftigungsfelder mit jeweils
hoher Spezialisierung in der jeweiligen Tätigkeit. Auch vordergründig nicht so spezialisierte
Tätigkeiten können konkret doch sehr speziell sein. Das Ergebnis einer Rehabilitation muss
im Berufsalltag in der Wiedereingliederung weiter gesichert und vorangetrieben werden.
Hierzu ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kollegen der Rehabilitationseinrichtung
und den Betriebsärzten durchaus wünschenswert und noch optimierbar, damit der Übergang
von der Rehabilitation in die Wiedereingliederung möglichst gut gelingt.
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