Mandantenrundschreiben ars Inhalt: Neues zum Eingliederungsmanagement kranker Mitarbeiter – Martin Hertzberg, Fachanwalt für Arbeitsrecht Das „Recht zum Vergessen“ – Kein Ausgleichsanspruch von Vertragshändlern – Dr. Katharina Ludwig, Fachanwältin für internationales Wirtschafsrecht – Michelle Jakob, Fachanwältin für Miet- und WEG-Recht sowie Bau- und Architektenrecht Unberechtigte Mängelrüge - Wer zahlt die Untersuchungskosten? Die Anmeldung für unseren kostenlosen Newsletter ist unter www.mueller-hof.de möglich. Sollten Sie den Newsletter nicht mehr erhalten wollen, ist natürlich eine Abmeldung jederzeit möglich. Mandantenrundschreiben ars September 2015 Arbeitsrecht Neues zum Eingliederungsmanagement kranker Mitarbeiter Nach § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch IX hat der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen, wenn ein Mitarbeiter innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen krank ist. Dabei soll der Arbeitgeber klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen der erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Im Vorfeld ist der Arbeitnehmer am besten schriftlich auf die Ziele des bEM hinzuweisen, wie sie in § 84 Abs. 2 SGB IX genannt sind. Ihm muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein „ergebnisoffenes Verfahren“ durchgeführt werden soll, in das er auch Vorschläge einbringen kann. Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zweckdienliches bEM durchzuführen. Dem Mitarbeiter ist mitzuteilen, welche Krankheitsdaten erhoben und gespeichert werden und inwieweit und zu welchen Zwecken sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Seine datenschutzrechtliche Einwilligung ist einzuholen. Die sensiblen bEM-Daten sollten gesondert außerhalb der Personalakte aufbewahrt werden, auf sie darf unter datenschutzrechtlichem Aspekt auch nicht im Falle einer späteren Kündigung zurückgegriffen werden. Das Verfahren ist freiwillig, der Mitarbeiter ist nicht zur Teilnahme verpflichtet. Stimmt er zu, sind weitere Teilnehmer der Betriebsrat und – soweit erforderlich – der Betriebsarzt, bei Schwerbehinderten auch die Schwerbehindertenvertretung. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen in Betracht, sind auch die örtliche gemeinsame Servicestelle und das Integrationsamt hinzuzuziehen. Das bEM ist zwar keine zwingende Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Das Bundesarbeitsgericht hat aber kürzlich zu der Verhältnismäßigkeit einer Kündigung ohne vorheriges bEM noch strengere Regeln als bisher aufgestellt (BAG 2 AZR 755/13): Der Arbeitgeber, der ohne vorheriges bEM kündigt, muss beweisen, dass ein bEM nutzlos gewesen wäre. Dazu gehört die Darlegung, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden konnte. Der Arbeitgeber muss aber darüber hinaus laut BAG auch dartun, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger hätten vermieden werden können. Durch diese Entscheidung wurden die Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung ohne vorheriges bEM nochmals spürbar erhöht. Es erscheint kaum möglich, dies zu erfüllen. Die ordnungsgemäße bEM-Durchführung ist deshalb nachdrücklich zu empfehlen, bevor eine krankheitsbedingte Kündigung ins Auge gefasst wird. Martin Hertzberg Fachanwalt für Arbeitsrecht Mandantenrundschreiben ars September 2015 Vertriebsrecht Das „Recht zum Vergessen“ – Kein Ausgleichsanspruch von Vertragshändlern 89b HGB regelt den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters, der bei Vertragsende zum Ausgleich für den geschaffenen Kundenstamm zu zahlen ist. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Bestimmung entsprechende Anwendung auf Vertragshändler findet, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen Vertragshändler und Unternehmer nicht in einer bloßen Käufer-VerkäuferBeziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler in die Absatzorganisation des Unternehmers eingegliedert ist. Außerdem muss den Händler (spätestens) bei Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Vertragspflicht zur Überlassung des Kundenstamms an den Unternehmer treffen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstammes ohne Weiteres nutzbar machen kann. In einem vom BGH entschiedenen Fall (Urteil vom 05.02.2015, VII ZR 315/13) schloss ein Unternehmer mit einem Händler neben einem Vertragshändlervertrag eine gesonderte Vereinbarung zur Überlassung von Kundendaten zum Zwecke der Kundenbetreuung durch den Unternehmer und zur Marktforschung. Die Unterzeichnung dieser Vereinbarung war freiwillig und keine Voraussetzung für den Abschluss des Vertragshändlervertrages. Die Vereinbarung sah vor, dass der Vertragshändler die Personen-, Firmen- und Fahrzeugdaten von Kunden und Interessenten laufend an den Unternehmer zu übermitteln hat. Die Teilnahme des Händlers an der Kundenbetreuung sollte durch Beendigung des Vertragshändlervertrages enden. Der Unternehmer verpflichtete sich, nach Beendigung der Teilnahme des Händlers an der Kundenbetreuung die vom Händler überlassenen Daten zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und sie auf Verlangen des Händlers zu löschen. Der BGH hat entschieden, dass die Voraussetzung der „Nutzbarkeit“ der Kundendaten nicht vorliege, wenn zwar für die Dauer der Vertragsbeziehung die Übertragung bestimmter Kundendaten vorgesehen sei, der Unternehmer bei Beendigung des Vertragshändlervertrages jedoch verpflichtet sei, die Nutzung der überlassenen Kundendaten einzustellen und sie auf Verlangen des Vertragspartners zu löschen. Darauf, ob der Händler die Löschung tatsächlich verlangt, komme es nicht an. Damit hat der BGH dem Unternehmer erstmals ein „Recht zum Vergessen“ der Kundendaten zuerkannt, so dass keine Weiternutzung des Kundenstamms besteht. Folge der fehlenden Übertragung des Kundenstamms ist, dass kein Ausgleichsanspruch gegenüber dem Vertragshändler in Frage kommt. Damit ergeben sich weitreichende vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Unternehmer die Entscheidungsmöglichkeit geben, ob er die während des bestehenden Vertragsverhältnisses übermittelten Kundendaten auch nach Beendigung des Vertrages – mit dem Risiko einer Ausgleichszahlung – nutzen möchte oder nicht. Dr. Katharina Ludwig Fachanwältin für internationales Wirtschaftsrecht Mandantenrundschreiben ars September 2015 Werkvertragsrecht Unberechtigte Mängelrüge - Wer zahlt die Untersuchungskosten? In der Praxis kommt es immer häufiger vor, dass Unternehmer sich mit Mängelrügen ihres Auftraggebers konfrontiert sehen, die ins Blaue hinein behauptet wurden. Der Auftraggeber ist aufgrund der „Symptomtheorie“ nicht zur Erforschung der Mangelursache verpflichtet. Oftmals stellt sich nach einer Untersuchung des gemeldeten Mangels allerdings heraus, dass es sich entweder um keinen Mangel handelt oder aber der Unternehmer hierfür nicht verantwortlich ist. Dem Unternehmer entstehen für die Prüfung der Mängelrüge oft Kosten. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich in den letzten Monaten vermehrt mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Unternehmer den Aufwand für die Prüfung einer unberechtigten Mängelrüge ersetzt verlangen kann. Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 klargestellt, dass Mängelrügen nicht „blindlings abgefeuert“ werden dürfen. Sie müssen zumindest plausibel sein. Anderenfalls kann der Unternehmer bereits aus diesem Grund seinen Aufwand für die Mängelprüfung als Schaden wegen Pflichtverletzung geltend machen, weil der Auftraggeber seine Sorgfaltspflicht verletzt und den Vertragspartner mit unberechtigten Ansprüchen belangt hat. Das Maß der Sorgfaltspflicht bestimmt sich nach den jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten des Rügenden. Für den privaten Bauherrn gelten weniger strenge Anforderungen als für den fachlich versierten Bauherrn. Wenn die Mängelrüge zwar plausibel dargestellt wurde, sich jedoch nach der Untersuchung herausstellt, dass die Mangelursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers liegt, besteht ein Aufwendungsersatzanspruch aus einem bedingt erteilten Auftrag, dem der Auftraggeber zugestimmt hat. Dem Unternehmer ist zu empfehlen, den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass die Untersuchung unter dem Vorbehalt der Werklohnberechnung erfolgt und zu vergüten ist, wenn sich die vom Unternehmer erbrachte Werkleistung als mangelfrei erweisen sollte. Stimmt der Auftraggeber diesem Vorschlag zu, besteht ein Vergütungsanspruch. Allerdings trifft den Auftraggeber keine Pflicht, sich zu einem derartigen Vorschlag des Unternehmers zu äußern. Der Unternehmer darf nicht die Mangelbeseitigung von der Kostenübernahme für den Fall einer unberechtigten Mängelrüge abhängig machen. Im Zweifel muss er die Mängeluntersuchung durchführen und die Kosten hierfür im Falle der schuldhaft unzutreffenden Mangelrüge erstattet verlangen. Michelle Jakob Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht sowie Bau- und Architektenrecht