ifo Schnelldienst 12/2010

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12 2010
ifo Schnelldienst
63. Jg., 24.–26. KW, 29. Juni 2010
ifo Jahresversammlung
Q 61. Jahresversammlung des ifo Instituts
Paul Kirchhof, Joachim Poß, Wolfgang Wiegard
Q Haushaltskonsolidierung und Steuerpolitik
Daten und Prognosen
Kai Carstensen, Wolfgang Nierhaus, Klaus Abberger,
Christian Breuer, Teresa Buchen, Steffen Elstner,
Christian Grimme, Steffen Henzel, Nikolay Hristov,
Michael Kleemann, Johannes Mayr, Wolfgang Meister,
Georg Paula, Anna Stangl, Klaus Wohlrabe und
Timo Wollmershäuser
Q ifo Konjunkturprognose 2010/2011:
Auftriebskräfte verlagern sich nach Deutschland
Im Blickpunkt
Luise Röpke, Max März und Jana Lippelt
Q Kurz zum Klima: Ölkatastrophe: Kein Ende in Sicht
Erich Gluch
Q ifo Architektenumfrage: Auftragsreserven weiter erhöht
Klaus Abberger
Q ifo Konjunkturtest Juni 2010
Institut für
Wirtschaftsforschung
an der Universität München
ifo Schnelldienst
ISSN 0018-974 X
Herausgeber: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.,
Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München,
Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: [email protected].
Redaktion: Dr. Marga Jennewein.
Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn, Dr. Christa Hainz, Annette Marquardt, Dr. Chang Woon Nam,
Dr. Gernot Nerb, Dr. Wolfgang Ochel.
Vertrieb: ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V.
Erscheinungsweise: zweimal monatlich.
Bezugspreis jährlich:
Institutionen EUR 225,–
Einzelpersonen EUR 96,–
Studenten EUR 48,–
Preis des Einzelheftes: EUR 10,–
jeweils zuzüglich Versandkosten.
Layout: Pro Design.
Satz: ifo Institut für Wirtschaftsforschung.
Druck: Majer & Finckh, Stockdorf.
Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise):
nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars.
ifo Schnelldienst 12/2010
ifo Jahresversammlung 2010
61. Jahresversammlung des ifo Instituts
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Am 23. Juni 2010 fand die 61. Jahresversammlung des ifo Instituts in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) statt. Nach den Begrüßungsworten des Präsidenten der LMU, Bernd Huber, stellte ifo-Präsident Prof. Hans-Werner Sinn die neue ifo Konjunkturprognose vor. Insbesondere ging er auf den EuroRettungsschirm und die Auswirkungen der Brüsseler Beschlüsse vom 8. und 9. Mai
auf die Euroländer ein. Im Anschluss daran hielt Martin Zeil, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, den Festvortrag zur Haushaltskonsolidierung und Steuerpolitik. Zum Abschluss der Veranstaltung diskutierten
unter der Leitung von Gaby Dietzen Prof. Paul Kirchhof, Universität Heidelberg, Joachim Poß, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Prof. HansWerner Sinn und Prof. Wolfgang Wiegard, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Universität Regensburg, die
Notwendigkeit einer Haushaltskonsolidierung und die Möglichkeit einer Steuerreform. Die Statements von Paul Kirchhof, Joachim Poß und Wolfgang Wiegard sowie
die ifo Konjunkturprognose sind hier veröffentlicht.
ifo Jahresversammlung im Internet: Links zu den Vorträgen
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Statements von Paul Kirchhof, Joachim Poß, Wolfgang Wiegard
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Daten und Prognosen
ifo Konjunkturprognose 2010/2011:
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Auftriebskräfte verlagern sich nach Deutschland
Kai Carstensen, Wolfgang Nierhaus, Klaus Abberger, Christian Breuer,
Teresa Buchen, Steffen Elstner, Christian Grimme, Steffen Henzel, Nikolay Hristov,
Michael Kleemann, Johannes Mayr, Wolfgang Meister, Georg Paula, Anna Stangl,
Klaus Wohlrabe und Timo Wollmershäuser
Die Weltkonjunktur hat im laufenden Jahr weiter Tritt gefasst, unterstützt von expansiven Impulsen der Geldpolitik und der staatlichen Konjunkturprogramme.
Nach Ländern und Regionen differenziert ist die Dynamik der Erholung allerdings
recht unterschiedlich. So hat sich das vom ifo Institut erhobene Wirtschaftsklima
vor allem in Asien kräftig verbessert. Auch in Nordamerika stieg der Indikator und
liegt nun leicht über seinem langfristigen Durchschnitt. In Westeuropa dagegen
blieb er nahezu unverändert und erreichte nicht seinen langjährigen Mittelwert. Die
deutsche Wirtschaft ist indessen weiter auf Erholungskurs. Zwar wurde die Produktion im Winterhalbjahr 2009/10 durch Sonderfaktoren merklich gedämpft, vorlaufende Indikatoren wie das ifo Geschäftsklima zeigen jedoch, dass die konjunkturelle Grundtendenz der deutschen Wirtschaft nach wie vor aufwärts gerichtet
ist. Getrieben wird die Erholung derzeit von den Exporten, befördert durch die
Nachfrage insbesondere aus Asien. Die deutsche Wirtschaft, die aufgrund ihrer
spezifischen Exportorientierung in besonderem Maße von der vorangegangenen
Rezession betroffen war, profitiert nunmehr auch in besonderem Maße von der
weltwirtschaftlichen Erholung. Für das Jahr 2010 ist mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 2,1% zu rechnen. Im kommenden Jahr wird zudem die Binnenkonjunktur etwas an Fahrt gewinnen. Zwar schwenkt die Bundesregierung mit
den Sparbeschlüssen der Klausurtagung vom 6. und 7. Juni 2010 auf einen Konsolidierungspfad ein, und die Konjunkturprogramme laufen aus, was für sich genommen dämpfend wirkt. Dem steht jedoch das positive Signal gegenüber, dass
der deutsche Staat seine Haushalte im Einklang mit der Schuldenbremse zu sanieren beginnt. In einer Zeit großen Misstrauens gegenüber öffentlichen Schuld-
nern dürfte dies einen expansiven Vertrauenseffekt auf die deutschen Konsumenten und Investoren haben, die zudem auch weiterhin von extrem niedrigen Zinsen
profitieren werden. Insgesamt ist für das Jahr 2011 zu erwarten, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion um 1,5% zulegt. Die konjunkturelle Erholung wird
auch auf den Arbeitsmarkt ausstrahlen. Im Durchschnitt dieses Jahres dürfte die
Erwerbstätigenzahl um 80 000 steigen, im nächsten Jahr um 120 000. Die Zahl
der Arbeitslosen wird dagegen 2010 und 2011 jeweils um 190 000 sinken. Das
staatliche Budgetdefizit in Relation zum nominalen BIP beträgt im laufenden Jahr
voraussichtlich 4,2%. Im nächsten Jahr wird es aufgrund der weiteren wirtschaftlichen Erholung und damit verbundenen günstigeren Lage auf dem Arbeitsmarkt
auf 3,4% des BIP sinken. Zu dieser Entwicklung trägt auch das Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung spürbar bei. Das strukturelle Defizit dürfte im Jahr
2010 etwa 3,5% betragen und auf 2,9% im Jahr 2011 sinken.
Im Blickpunkt
Kurz zum Klima: Kein Ende in Sicht
Luise Röpke, Max März und Jana Lippelt
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Millionen von Litern Erdöl strömen täglich aus dem Bohrloch der verunglückten
Bohrinsel Deepwater Horizon in den Golf von Mexiko – und ein Ende ist nicht in
Sicht. Die aktuelle Ölkatastrophe hat eine breite Diskussion über Risiko und Nutzen von Offshore-Bohrungen zur Gewinnung von Erdöl ausgelöst. Als besonders risikoreich gelten hierbei Tiefwasser- und Tiefstwasserbohrungen. Trotz der
offensichtlichen Risiken und vielfach geäußerter Bedenken planen Unternehmen in vielen Regionen vermehrt die Exploration neuer Offshore-Ölfelder. Vor
dem Hintergrund dieser Diskussion bietet der Beitrag einen Überblick über aktuelle Offshore-Bohrungen in ihrem geographischen, wirtschaftlichen und politischen Kontext.
ifo Architektenumfrage: Auftragsreserven weiter erhöht
Erich Gluch
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Nach den Ergebnissen der vierteljährlichen Umfrage des ifo Instituts bei den freischaffenden Architekten hielt das freundliche Geschäftsklima zu Beginn des zweiten Quartals 2010 an. Die Befragungsteilnehmer beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage etwas besser als im Vorquartal, die Geschäftserwartungen hingegen
waren nicht ganz so zuversichtlich wie vor einem Vierteljahr. Während der Anteil
der eher optimistisch eingestellten Architekten leicht zunahm, vergrößerte sich
gleichzeitig der Anteil der eher skeptischen Antworten. Per saldo setzten die Architekten aber immer noch ungebrochenes Vertrauen in die Geschäftsentwicklung im Verlauf der nächsten sechs Monate.
ifo Konjunkturtest Juni 2010 in Kürze
Klaus Abberger
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Das ifo Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft Deutschlands hat sich im
Juni geringfügig verbessert. Die Unternehmen sind mit ihrer momentanen Geschäftssituation zufriedener. Die Geschäftsentwicklung im kommenden halben
Jahr schätzen sie jedoch im zweiten Monat in Folge etwas weniger optimistisch
ein. Dennoch sind die Unternehmen insgesamt weiterhin zuversichtlich. Der Konjunkturaufschwung in Deutschland setzt sich fort. Das ifo Beschäftigungsbarometer ist im Juni geringfügig gesunken, nachdem es zuvor acht Monate in Folge gestiegen war. Damit stabilisiert sich der Beschäftigungsindikator im befriedigenden
Bereich.
ifo Jahresversammlung 2010
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Am 23. Juni 2010 fand die 61. Jahresversammlung des
ifo Instituts in der Großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität München statt. Während der Mitgliederversammlung am Vormittag berichtete Hans-Werner Sinn, Präsident
des ifo Instituts, über die Aktivitäten des Instituts im Jahr
2009. Zu Beginn seiner Präsentation erinnerte Sinn an herausragende Ereignisse im Jahr 2009: die Jubiläumsfeier
60 Jahre ifo Institut und den Beschluss der Gemeinsamen
Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder zur
Umwandlung des ifo Instituts in eine Forschungseinrichtung
zum 1. Januar 2010.
Das ifo Institut, fuhr Sinn fort, habe auch 2009 seine hohe Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Der Umfang
und die Qualität des wissenschaftlichen Outputs der ifoMitarbeiter seien beachtlich: Im Jahr 2009 seien 58 Artikel von international anerkannten referierten Fachzeitschriften veröffentlicht worden. Der größte Teil dieser Aufsätze wurde von angesehenen Fachzeitschriften angenommen, die im Social Science Citation Index (SSCI) gelistet sind. Nicht nur die Zahl der Artikel sei bemerkenswert, sondern vor allem auch das wissenschaftliche
Niveau der Zeitschriften, in denen sie erschienen. So sei
es einem ifo-Wissenschaftler gelungen, einen Aufsatz in
einer der fünf weltweit führenden Fachzeitschriften auf dem
Gebiet der Volkswirtschaftslehre zu publizieren (Prof. Dr.
Ludger Wößmann zusammen mit ifo-Forschungsprofessor und Ex-CES-Mitarbeiter Sascha O. Becker mit dem
Aufsatz »Was Weber Wrong? A Human Capital Theory of
Protestant Economic History« im Quarterly Economic
Journal). Des Weiteren seien 108 Vorträge auf internationalen wissenschaftlichen Fachkonferenzen mit Auswahlverfahren zu verbuchen.
Im Jahr 2009 konnte auch das Projekt »How to Construct
Europe« erfolgreich abgeschlossen werden. Dies war das
erste Projekt, das ifo im wettbewerblichen »SAW-Verfahren«, das Bund und Länder 2006 eingeführt hatten, eingeworben hatte. In dieses sehr umfassende Projekt waren
nahezu alle Forschungsbereiche des ifo Instituts eingebunden. In fünf Arbeitsgruppen, die aus Wissenschaftlern des
ifo Instituts und des CESifo-Netzwerks zusammengesetzt
waren, sind über 40 Forschungsaufsätze und drei Buchveröffentlichungen realisiert worden. Die Ergebnisse werden
in einem Sammelband veröffentlicht.
Sinn berichtete außerdem über Fortschritte bei der Besetzung der unbesetzten oder demnächst frei werdenden Bereichsleiterpositionen. Aufgrund der ausgezeichneten Erfahrungen mit der gemeinsamen Berufung von
Bereichsleitern, die parallel zur Bereichsleitung einen Lehrstuhl an der LMU haben, sollen möglichst bis Ende 2010
alle Bereichsleiterpositionen auf diesem Wege besetzt
werden.
Im Anschluss legte Prof. Dr. Wilhelm Simson, ehemaliger
Vorstandsvorsitzender der E.ON AG und Vorsitzender des
Kuratoriums und des Verwaltungsrats des ifo Instituts, den
Jahresabschluss vor. Dieser wurde einstimmig beschlossen
und der Vorstand einstimmig entlastet.
Zum Abschluss der Mitgliederversammlung – nach der
Wahl der Kuratoriums- und Verwaltungsratsmitglieder –
wurde der Preis der Gesellschaft zur Förderung der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung (Freunde des ifo Instituts) e.V. verliehen. Er ging an Prof. Ludger Wößmann,
Leiter des Bereichs Humankapital und Innovation. Wößmann wurde für seinen zusammen mit ifo-Forschungs-
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
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ifo Jahresversammlung
professor Sascha Becker verfassten Aufsatz »Was Weber Wrong? A Human Capital Theory of Protestant
Economic History«, der im Quarterly Journal of Economics,
einer der fünf weltweit führenden Fachzeitschriften auf dem
Gebiet der Volkswirtschaftslehre, erschienen ist, geehrt.
Da sich Ludger Wößmann von Januar bis Juli 2010 im Forschungsfreisemester als National Fellow an der Hoover
Institution, Stanford University, aufhält, nahm Oliver Falck
den Preis stellvertretend entgegen. Die Preisverleihung
wurde durch Prof. Dr. h.c. Roland Berger, Vorsitzender der
Gesellschaft der Freunde, Prof. Dr. Heinrich W. Ursprung,
stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats, und Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts,
vorgenommen.
Der Preis des ifo Instituts für besondere Erfolge im Management von Drittmittelprojekten ging an an zwei Projektteams:
Ludger Wößmann, Oliver Falck, Nina Czernich und Anita Fichtl
für die Bearbeitung des Projekts »IKT – Infrastruktur und wissensbasiertes volkswirtschaftliches Wachstum« und an HansGünther Vieweg, Herbert Hofmann und Michael Reinhard für
die Bearbeitung von Studien zur Wettbewerbsfähigkeit europäischer Branchen für die Europäische Kommission, Generaldirektion Unternehmen, im Rahmen eines europäischen
Konsortiums. Federführend hat das ifo Institut zwei der abgeschlossenen Studien verantwortet: eine Studie zur Wettbewerbsfähigkeit der Gasgeräteindustrie und eine Studie zur
Wettbewerbsfähigkeit der Luftfahrzeugindustrie. Den Sonderpreis des ifo Instituts erhielt Erich Gluch für die Vertretung
des ifo Instituts bei Euroconstruct.
Zu Beginn des öffentlichen Teils der ifo Jahresversammlung begrüßte Prof. Bernd Huber, Präsident der LMU, die
zahlreich erschienenen Gäste, darunter viele Vertreter von
Mitgliedsfirmen des ifo Instituts und von Landes- und Bundesministerien. Am Anschluss stellte ifo-Präsident HansWerner Sinn die neue ifo Konjunkturprognose vor. Dabei
ging er insbesondere auf die Krise der europäischen Staaten und die darauf folgenden strukturellen Entwicklungstendenzen ein. Der Tiefpunkt der Krise vom Februar 2009
sei überwunden, seither ziehe die Industrieproduktion wieder an. Auch eine Kreditklemme sei in Deutschland nicht
wahrnehmbar, im Gegenteil. Das Kapital, das vorher nach
Amerika oder Griechenland geflossen sei, »traue sich nicht
mehr«, denn dort seien die Risiken zu groß geworden. Die
Banken bieten dieses Kapital jetzt verstärkt im Inland an,
und dieser Umlenkungseffekt sei stärker als die Kreditklemme. Mittelfristig sei in Deutschland mit einem Bauboom zu rechnen. Jetzt dürfe man diese Entwicklung nicht
durch schlecht konstruierte Rettungspakete verhindern,
z.B. durch ein Nachfolgeabkommen zum Gewährleistungsgesetz der Europäischen Union. Dies würde wieder
zu einer Zinskonvergenz führen, und diese Prognose sei
dann Makulatur. Europa brauche ein glaubhaftes Insolvenzverfahren mit einem »Haircut«und erst daran anschließend Hilfspakte.
Dieses Jahr konnte Martin Zeil, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie,
als Festredner gewonnen werden. Er setzte sich mit der
Haushaltskonsolidierung und der Steuerpolitik auseinander. Zu Beginn seines Vortrags betonte Zeil die Notwendigkeit, finanzpolitische Disziplin in ganz Europa durchzusetzen und das Abdriften Europas in eine Transferunion zu verhindern. Die Haushaltskonsolidierung habe
höchste Priorität und sollte bei der Ausgabenseite beginnen. Die zweite Aufgabe, vor der Deutschland jetzt stehe, sei die Schaffung der Grundlagen für ein nachhalti-
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ifo Jahresversammlung
ges Wachstum. Und drittens, müsse das Steuersystem
transparenter und gerechter gestaltet werden.
Der Vortrag leitete zu einem weiteren Höhepunkt und zugleich dem Abschluss der Veranstaltung – zur hochrangig besetzten Podiumsdiskussion zum Thema »Haushaltskonsolidierung und Steuerpolitik«. Unter der Leitung
von Gaby Dietzen diskutierten Prof. Paul Kirchhof, Universität Heidelberg, Joachim Poß, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, Prof. Hans-Werner Sinn und Prof. Wolfgang Wiegard, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Notwendigkeit einer Haushaltskonsolidierung und die Möglichkeit einer Steuerreform. Die Statements von Paul Kirchhof, Joachim Poß und
Wolfgang Wiegard sowie die ifo Konjunkturprognose sind
hier im Anschluss veröffentlicht.
ifo Jahresversammlung 2010 im Internet
Alle Vorträge, die bei der ifo Jahresversammlung präsentiert wurden, und auch die Beiträge der Podiumsdiskussion sind auf unserer Website als Videomitschnitte vollständig dokumentiert.
Öffentlicher Teil der 61. ifo Jahresversammlung
Haushaltskonsolidierung und Steuerpolitik
Grußwort
Prof. Dr. Bernd Huber
Päsident der Ludwig-Maximilians-Universität
Videomitschnitt unter:
mms://video.vwl.lmu.de/video/video-JV_2010_huber.wmv
Europa in der Krise
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Instituts
Videomitschnitt unter:
mms://video.vwl.lmu.de/video/video-JV_2010_sinn.wmv
Haushaltskonsolidierung und Steuerpolitik
Martin Zeil
Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie
Videomitschnitt unter:
mms://video.vwl.lmu.de/video/video-JV_2010_zeil.wmv
Expertengespräch:
»Haushaltskonsolidierung und Steuerpolitik«
Prof. Dr. Paul Kirchhof
Universität Heidelberg
Joachim Poß
MdB, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn
Präsident des ifo Instituts
Prof. Dr. Wolfgang Wiegard
Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Universität Regensburg
Moderation: Gaby Dietzen
Videomitschnitt unter:
mms://video.vwl.lmu.de/tv-100624pho.wmv
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
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Haushaltskonsolidierung und Steuerpolitik
Expertengespräch
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duziert er am Bedarf der Nachfrager vorbei, trägt er den
daraus erwachsenden Schaden.
4. Geld ist geprägte Freiheit, Schuld führt in Abhängigkeit.
II. Das Staats- und das Völkerrecht sichern den Staaten ihren Bestand. Eine Finanzkrise des Staates führt deshalb nicht
in die Insolvenz, sondern in die Resolvenz. Der wirtschaftlich gescheiterte Staat scheidet nicht nach dem Prinzip der
»schöpferischen Zerstörung« aus der Staatengemeinschaft
aus, sondern erneuert sich aus der Kraft seines demokratischen Volkes, seiner Wirtschaftsbeziehungen, seiner Selbstbescheidung. Die Verschiedenheit der Staaten ist Bedingung und Folge ihrer Autonomie.
Paul Kirchhof*
Die Bestandsgarantie für einen Staat fordert vor allem eine
Krisenvorsorge, sucht ein Resolvenzverfahren mit aller Macht
zu vermeiden.
I. Die gegenwärtige Finanzkrise in Europa fordert ein grundsätzliches Überdenken der Staatsverschuldung und auch
der Verschuldensbereitschaft privater Unternehmen. Bürger
und Unternehmer erwarten vom Staat immer mehr Recht
und Geld, veranlassen deren Wertminderung durch Inflation, drängen den Staat in die Verschuldung.
Die bisherigen Rechtfertigungsgründe für eine Staatsverschuldung überzeugen nicht:
1. Wenn gesagt wird, Investitionen der Gegenwart begünstigten auch die nachfolgende Generation, müssten
deshalb von dieser über die Staatsverschuldung mit finanziert werden, so widerspricht diese Wertung dem
Grundverständnis von Erbrecht und »Generationenvertrag«. Die Elterngeneration investiert, weil es ihr richtig
und nützlich erscheint. Sie vererbt das, was sie erworben hat, unentgeltlich an die nächste Generation.
2. Der Hinweis, eine Konjunkturschwäche der Gegenwart
müsse durch eine schuldenfinanzierte Belebung überwunden werden, ist engräumig gedacht. Die aus der Verschuldung erwachsene Zins- und Tilgungslast beschwert
mittel- und langfristig das Staatsbudget und damit die
Möglichkeiten der Konjunktursteuerung. Stünden die
im Bundeshaushalt veranschlagten 41 Mrd. € Zinsdienst
heute für Investitions- und Infrastrukturprogramme zur
Verfügung, böte sich eine glanzvolle Chance gestaltender Struktur- und Wirtschaftspolitik. Doch die in der Vergangenheit angehäufte Schuldenlast verengt die Handlungsräume des politisch gestaltenden Staates und der
freiheitlich handelnden Bürger.
3. Die These, das Konsumverhalten der Menschen müsse
sich den Produktionskapazitäten anpassen, verkehrt die
Idee der Freiheit in ihr Gegenteil. Der Unternehmer rechtfertigt seinen Umsatz und Gewinn, weil er die Bedürfnisse der Konsumenten entdeckt und befriedigt hat. Pro-
* Prof. Dr. Paul Kirchhof lehrt an der Universität Heidelberg.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
1. Am Entstehen einer Schuld sind der Kreditgeber und der
Kreditnehmer beteiligt. Kann der Schuldner seine Schulden nicht mehr erfüllen, trägt grundsätzlich der Gläubiger die Lasten des Forderungsausfalls, wird dadurch
vor einer leichtfertigen Vergabe von Krediten bewahrt.
Ein Verfahren der Resolvenzvorsorge sollte diesen Tatbestand rechtlich verstärken, vielleicht auch quotenmäßig begrenzen und zeitlich dehnen, um Aufgeregtheiten
des Finanzmarktes entgegenzuwirken.
2. Innerhalb eines Staates wirkt die Staatsverschuldung
heute als fast unmerkliche Last, weil sie die Zins- und
Rückzahlungspflichten auf die nächste Generation verlagert. Sie muss zu einer gegenwärtig spürbaren Last
werden. Deswegen sollte erwogen werden, mit jeder
Erhöhung der Staatsschulden um ein Prozent alle Staatsleistungen – Industriesubventionen, Beamtengehälter,
Sozialhilfe – um einen Prozent zu senken. So erlebt jeder, dass die Staatsverschuldung Lasten begründet. Es
entsteht eine Staatsgemeinschaft, die aus der Staatsschuld flieht.
3. Die gegenwärtigen »Rettungsschirme« begünstigen in
erster Linie Kapitalgeber und private Unternehmen, fördern aber bei den mitbegünstigten Staaten auch die Vorstellung, eine überhöhte Staatsverschuldung sei risikolos und lasse sich in ihren Belastungswirkungen auf andere Staaten – die Gemeinschaft des Euro – überwälzen. Der »Rettungsschirm« stellt wenige Unternehmen
ins Trockene, lässt andere Branchen und Konkurrenten
im Regen stehen, bringt Steuerzahler der Gegenwart und
Zukunft in die Traufe. Er gefährdet Recht und Gerechtigkeit des »Generationenvertrages«. Soweit ein solcher
Schirm gegen geltendes Recht verstößt, stellt er auch
den Stabilitätsfaktor des unverbrüchlichen und unausweichlichen Rechts in Frage.
III. Wenn der Finanzmarkt Hilfe vom Staat erwartet, sollte
diese allenfalls auf Gegenseitigkeit geleistet werden. Der
ifo Jahresversammlung
Staat versucht ein sanierungsfähiges Unternehmen oder
einen Staat zu retten, erwartet dann aber von den begünstigten Unternehmen entsprechende Leistungen zur Sanierung seines Haushalts. Diese Leistungen können in Forderungsverzicht (Zinsen, Tilgung), beim produzierenden Unternehmen in Sachleistungen, aber auch in einer Steuer zur
Krisenfinanzierung liegen.
Bei einem ökonomischen Gesamtvergleich der Wirkungen
der Krise für die einzelnen Staaten darf nicht nur auf Außenhandelsüberschüsse geblickt werden. Vielmehr muss auch
berücksichtigt werden, inwieweit Inlandsersparnisse über die
Banken exportiert worden sind, damit die Inlandsinvestition
verringert, die Auslandsinvestition belebt worden ist.
IV. Das Steuerrecht ist so zu reformieren, dass die Unternehmen entwöhnt werden, Risiken auf den Staatshaushalt
zu übertragen und Gewinne zu Lasten des Staatshaushaltes zu machen. Das Recht der direkten Steuern sollte auf
alle entlastenden Anreiz-, Privilegien- und Besitzstandstatbestände verzichten. Die staatliche Investitions- und sonstige Geldflusssteuerung durch Steuern ist systematisch fragwürdig. Ihr fehlt das Freiheitsvertrauen in Selbstbestimmungskraft und Verantwortlichkeit der Menschen. Ihre Belastungsfolgen für den Staatshaushalt sind in den jährlichen
Budgetberatungen nicht erkennbar. Steuervergünstigungen
im Rahmen einer progressiven Steuer gewähren wachsende Gunst mit wachsendem Einkommen. Viele Steuersubventionen des Bundesgesetzes belasten Landes- und Gemeindehaushalte, begünstigen also zu Lasten fremder Kassen. Die Frage des Steuertarifes tritt demgegenüber zurück.
Das Grundgesetz beantwortet eine große Krise (1945 bis
1949) durch das Prinzip der Freiheit. Jeder Mensch wird im
elementaren Wiederaufbau unter extrem ungünstigen Umständen auf die Kraft seiner Hände und seines Berufes zurückgeworfen. Das Ergebnis ist als »Wirtschaftswunder«bekannt. In der heutigen Krise hingegen richten sich alle Sanierungsfantasien auf den Griff in den Staatshaushalt. Hier
ist ein elementares Umdenken geboten.
V. Die Europäische Union ist ein Staatenverbund (BVerfGE 89, 155 [214f.] – Maastricht-Urteil), also eine besonders eng verbundene Gemeinschaft von Staaten, die in ihrer Stabilität auf die rechtliche und wirtschaftliche Kraft jedes Mitgliedstaates und seiner Haushaltsdisziplin setzt. Die
Sanierungsansätze weisen deshalb auf den Staat.
Die Europäische Union und insbesondere ihre Kommission drängen seit der Gründung 1957 auf Kompetenzzuwachs. Soweit Sanierungskonzepte eine staatenübergreifende Kompetenz fordern, müsste dieser Kompetenzzuwachs für die Union mit einer Regel verbunden werden,
die ein Scheitern des Sanierungskonzeptes mit Kompetenzverlusten der Union verbindet.
Joachim Poß*
Wider steuerpolitische Illusionen –
Wir haben jetzt andere Probleme, als
massiv Steuern zu senken
Es wird keine »Große Steuerreform« geben
Unmittelbar nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen
hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel den Steuersenkungsvorstellungen der FDP und anderer in der Regierungskoalition eine klare Absage erteilt. Auch entsprechende Umfragen in der Bevölkerung zeigen, dass weitreichende Steuersenkungen offensichtlich zumindest aus der aktuellen Zeit gefallen sind. In der laufenden Legislaturperiode
wird es die im Bundestagswahlkampf und danach von CDU,
CSU und FDP versprochene »Große Steuer(-entlastungs-)reform« nicht mehr geben. Daran werden auch aktuell etwas
günstigere Einschätzungen der Haushaltsentwicklung nichts
ändern. Meldungen aus dem Regierungslager, mit wenigen
Milliarden Euro ließen sich »mittelschicht-freundlichere« Einkommensteuertarife basteln, halte ich für reine Gesichtswahrungsversuche.
Womit im Bereich der Einkommensteuer noch zu rechnen
sein wird, ist, dass die Bundesregierung, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, unter der Überschrift »Steuervereinfachung« initiativ werden wird. Dabei wird sich die Koalition
die von Länderseite im Mai gemachten Vorschläge zum Thema in irgendeiner Weise zu Eigen machen. Interessant ist
übrigens, was der Sachverständigenrat zur Begutachtung
der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Jahresgutachten 2008/09 über Steuervereinfachung sagt: »Das deutsche
Steuersystem ist immer komplizierter geworden. Zum Teil
ist das unvermeidbar. In einer immer komplexer werdenden Welt wird auch die Ermittlung »richtiger« Bemessungsgrundlagen immer komplizierter. Die propagierten »Bierde-
* Joachim Poß, MdB, ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
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ifo Jahresversammlung
ckelreformen« eignen sich für das Feuilleton, aber nicht für
die steuerpolitische Praxis.« (Textzeichen 393).
Aber niemand braucht sich sorgen – die Welt wird sich nicht
ändern: Steuersenkungswünsche und -forderungen sind
ewig und sie werden folglich auch wieder politisches Programm werden. Und auch weiterhin werden gut meinende
Professoren optimale oder zumindest perfekte Steuerkonzepte basteln und sich davon Wunderdinge in punkto Gerechtigkeit und Wachstumsstärkung versprechen. Interessenvertreter werden auch in Zukunft spezielle und allgemeine
Steuersenkungsbedarfe konstruieren; und Politiker werden
positiv darauf eingehen.
Haushaltskonsolidierung hat Priorität
Verantwortliche Finanzpolitik aber hat sich vielmehr beständig
zu fragen: Welche Politik, welche Maßnahmen und Reformen haben in einer bestimmten Situation Priorität – und welche Maßnahmen und Reformen sind demgegenüber eher
Aufgaben für die weitere Zukunft?
Von daher war Merkels Absage an die angekündigte »Große Steuerreform« in der Abwägung der verschiedenen tatsächlichen und vermeintlichen Erfordernisse völlig richtig –
sie kam nur viel zu spät. Wohl niemand bestreitet, dass die
Konsolidierung der öffentlichen Haushalte das Gebot nicht
nur der Stunde – gemeint ist z.B. die aktuell zu bewerkstelligende Aufstellung des Bundeshaushalts 2011 –, sondern
das Gebot der nächsten Jahre ist. Dabei greift man zu kurz,
wenn man nur auf den Bundeshaushalt mit seiner als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten beiden Jahre auf historische Höhen angewachsenen Verschuldung
blickt. Auch die meisten Länder nähern sich aufgrund ihrer
fiskalischen Lage der politischen Unbeweglichkeit. Und die
Städte und Gemeinden bedürfen sogar dringend eines Sofortprogramms von Bund und Ländern zur Verbesserung ihrer Finanzsituation, weil schon jetzt an vielen Orten der Republik die Erfüllung der Kommunalaufgaben spürbar zurückgeführt worden ist.
Steuersenkungen sind nicht kostenlos
Natürlich besteht – grundsätzlich und akademisch betrachtet – zwischen Haushaltskonsolidierung und Steuersenkung kein zwingender Widerspruch. Aber die Defizitprobleme der öffentlichen Haushalte sind auf absehbare
Zeit so groß, dass die notwendige Konsolidierung jetzt
schon kaum zu leisten ist. Den Konsolidierungsumfang
noch weiter mit dem Ziel aufzublähen, dass auch noch
Spielraum für (Netto-)Steuerentlastungen entsteht, wäre
m.E. geradezu grotesk angesichts der jetzt schon bestehenden Herausforderung.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Die Wirtschaftsforschungsinstitute formulieren in ihrem Frühjahrsgutachten vom April 2010: »Allerdings ist das Ziel der
Haushaltskonsolidierung ohnehin schon schwer zu erreichen; daher ist es unrealistisch, derzeit Steuersenkungen zu
erwägen, zumal nicht auf Selbstfinanzierung gesetzt werden kann.« (S. 72) Und eine Gemeinschaftsdiagnose vorher (Herbst 2009) lehnen die Wirtschaftsforscher explizit
Steuersenkungen »auf Pump« ab: »Durch Kredite finanzierte Steuersenkungen würden sich auf Dauer als sehr teuer
erweisen, da aufgrund des gestiegenen Schuldenstandes
die Zinszahlungen zunehmen würden und womöglich die
Zinsen steigen«. (S. 73).
Ein echter »Dauerbrenner« in der politischen Debatte über
Steuersenkungen ist die immer wieder mit großem Nachdruck vorgetragene Behauptung eines hohen Selbstfinanzierungsgrades. Nicht nur die Wirtschaftsforschungsinstitute sind davon nicht überzeugt; auch der Sachverständigenrat
ist hier sehr zurückhaltend:
»Steuersenkungen finanzieren sich, vorausgesetzt sie sind
richtig konzipiert, über verbesserte Leistungsanreize und
ein höheres Wachstum zu einem bestimmten Teil, aber unter normalen Bedingungen niemals vollständig selbst. Eine
Deckung des verbleibenden Finanzierungsbedarfs durch
eine höhere Kreditaufnahme verbietet sich nicht zuletzt auf
Grund der Neuregelungen zur Schuldenbremse. Daher lässt
die Einhaltung der Grundrechenarten keine andere Wahl:
Zur vollständigen Gegenfinanzierung einer Steuersenkung
müssen entweder Ausgaben gekürzt oder an anderer Stelle Steuern oder andere Abgaben erhöht werden.« (Jahresgutachten 2009/10; Textzeichen 282). Was kann ich dem
hinzufügen? Hohe Selbstfinanzierungsgrade sind bestenfalls eine Illusion oder Selbsttäuschung; ihre Behauptung
ist vermutlich in der Regel aus Partikularinteressen geboren. Steuersenkungen gibt es nicht zum Nulltarif; Steuersenkungen sind immer teuer, was verantwortliche Politik
dazu zwingt, deren »Preis« gegen deren tatsächlichen oder
vermeintlichen ökonomischen oder gesellschaftlichen Nutzen oder Ertrag abzuwägen.
Steuersenkungen: ein Schlüssel zu (viel) mehr
Wirtschaftswachstum und Beschäftigung?
In den langen Jahren, die ich bereits als Finanzpolitiker
unterwegs bin, durfte ich alle paar Jahre Wirtschaftsstandort-Debatten erleben, in denen neben der unvermeidlichen Forderung nach immer mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt auch immer wieder das Heil der deutschen Ökonomie in weiteren Steuer- und Abgabensenkungen gesehen worden ist.
Ist der Zusammenhang wirklich so einfach und bedingungslos? Muss die Politik die Einkommensteuertarife und
ifo Jahresversammlung
die Unternehmenssteuerlast immer nur weiter absenken,
damit Investitionen, Beschäftigung und ganz allgemein das
Wirtschaftswachstum in Deutschland nur so sprießen?
Wer die Selbstfinanzierungseffekte für begrenzt hält, kann
auch das nicht für realistisch halten. Wird die Besteuerung
in ihrer Bedeutung für private Konsum- oder Investitionsentscheidungen nicht vielleicht doch überschätzt? – zumindest in einem Land wie Deutschland mit traditionell hoher Sparquote und leider auch mittlerweile schon lang
andauernder relativer Investitionsschwäche. Sind mit den
letzten Unternehmenssteuerreformen, die mit erheblichen
Nettoentlastungen verbunden waren, nicht bereits alle Register gezogen worden? Allgemeine Steuersenkungen mit
der Gießkanne haben sich als Mittel zur Wachstumsförderung nach meiner Einschätzung und Erfahrung weitgehend erschöpft.
Im Zuge der großen Wirtschaftskrise 2008/2009 hat die
schwarz/rote Regierungskoalition auf Bundesebene mit hochvolumigen Stabilisierungspaketen alles versucht, um auch seitens des Staates die Einbrüche in Konjunktur und Beschäftigung zu begrenzen und dann auch zu überwinden. Zu diesen Paketen haben – um auch keine Option unausgenutzt
zu lassen, und teilweise durch das Bundesverfassungsgericht
auch rechtlich »erzwungen« – auch Einkommensteuerentlastungen in Milliardenhöhe gehört. Welche Elemente der
insgesamt erfolgreichen und auch im laufenden Jahr noch
wirkenden Konjunktur- und Beschäftigungsprogramme die
wirksamsten waren, wird noch im nachhinein zu evaluieren
sein. Was die bisherigen Steuerentlastungen der neuen Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP angeht, so hat
der Sachverständigenrat schon ex ante geurteilt: »Zu der von
den Koalitionsparteien erhofften »spürbaren Steigerung des
wirtschaftlichen Wachstums« dürften diese Maßnahmen so
gut wie nichts beitragen. Sie treiben aber den Konsolidierungsbedarf noch weiter in die Höhe.« (Jahresgutachten
2009/10; Textzeichen 294). Dieses Urteil wird nicht nur nach
meiner Meinung auch ex post Bestand haben.
Aber der Einkommensteuertarif ist nicht perfekt
Eine immer wieder vorgebrachte Begründung für steuersenkende Tarifreformen bei der Einkommensteuer besteht darin,
dass jetzt endlich die sog. »kalte Progression« zu beseitigen sei.
Auch hier räumt der Sachverständigenrat mit den illusionären
Vorstellungen auf: »Die Steuerpolitik hat dieser Verschlechterung (der Steuerpflichtigen-Position durch die »kalte Progression«) in der Vergangenheit allerdings durch diskretionäre Tarifanpassungen entgegengewirkt. Allein die im Rahmen der Konjunkturpakete (der Großen Koalition) und des Bürgerentlastungsgesetzes vorgenommenen Steuerentlastungen betragen
ein Mehrfaches der Entlastungswirkungen, die in den nächsten Jahren bei gemäßigten Preissteigerungsraten … mit einem »Tarif auf Rädern« zu realisieren wären. Zu bedenken ist
auch, dass gegenwärtig rund die Hälfte aller Haushalte überhaupt keine Einkommensteuer zahlt und von der kalten Progression deshalb nicht betroffen ist.« (Jahresgutachten 2009/10;
Textzeichen 296). Mehr als deutlich ist auch das BMF in seinem
»Monatsbericht Juni 2010« in einem Artikel, der über die Ergebnisse der aktuellen Ausgabe der OECD-Studie »Taxing Wages« berichtet: »Dies zeigt, dass die dem progressiven Steuertarif innewohnende Tendenz zur überproportionalen Belastungssteigerung bei Lohnzuwächsen (»kalte Progression«) durch
die seit dem Jahr 2000 beschlossenen Steuer- und Abgabensenkungen mehr als aufgewogen wurde.«
Ich kann daraus nur lesen, dass die »kalte Progression« zumindest derzeit eine Chimäre ist.
Also was bleibt an Begründung für die Notwendigkeit weiterer Tarifentlastungen in der Einkommensteuer? – zumal
der Tarif unter SPD-Bundesfinanzministern seit 1998 (allerdings in mehreren Stufen) massiv abgesenkt worden ist, was
nur zu gerne von unseren politischen Gegnern und leider
auch von den sonstigen öffentlichen Meinungsführern vergessen und manchmal auch bewusst verschwiegen wird.
Der Eingangssteuersatz wurde von 25,9% auf 15% und
der Spitzensteuersatz von 53% auf 42% (»ReichensteuerBalkon« dann erst ab der Großen Koalition) verringert. Auch
die im internationalen Vergleich nicht überdurchschnittlichen
Steuer- und Abgabenquoten machen weitere Steuersenkungen in Deutschland nicht zwingend. Die OECD-Studie,
über die das BMF aktuell berichtet, konstatiert, dass fast
alle deutschen Arbeitnehmer heute weniger Steuern und Abgaben zahlen als noch im Referenzjahr 2000.
Das heißt – auch im Verständnis sozialdemokratischer Finanzexperten – allerdings nicht, dass der geltende Einkommensteuertarif keine Defizite und Fehler aufweist: Der von
Theo Waigel 1997 eingeführte sog. »Mittelstandsbauch«, der
bei niedrigen Einkommen zu einer stärker ansteigenden Belastung führt als bei höheren Einkommen in der oberen Progressionszone, widerspricht auch unseren Gerechtigkeitsvorstellungen. Und das Einkommen, ab dem der Spitzensteuersatz gilt, ist in der Tat stark gesunken – zwangsläufig
dank der erheblichen Tarifabsenkungen seit 1998.
Ich war immer der Auffassung, dass mindestens eine Abflachung des »Mittelstandsbauches« wünschenswert wäre
– sofern die Lage der öffentlichen Haushalte das zulässt
und/oder vernünftige Gegenfinanzierungen durchsetzbar
sind. Das aber ist derzeitig eindeutig nicht der Fall. (Auch der
Sachverständigenrat sieht im Jahresgutachten 2009/10
»zwar langfristigen Handlungsbedarf, aber in den kommenden Jahren keine zwingende Notwendigkeit für tarifbedingte Einkommensteuerentlastungen« – Textzeichen 294.).
Derzeit haben wir – vielleicht leider – andere Probleme, die
die Finanzpolitik lösen muss.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
9
10
ifo Jahresversammlung
Wolfgang Wiegard*
Der Sachverständigenrat hat schon in seinem Jahresgutachten 2009/10 darauf hingewiesen, dass die Konsolidierung
der öffentlichen Haushalte die wichtigste Aufgabe der Finanzpolitik in dieser und auch der nächsten Legislaturperiode sein
wird. Bedingt durch die wirtschaftspolitischen Eingriffe in der
Wirtschaftskrise ist es zu einer erheblichen Ausweitung der
staatlichen Neuverschuldung und der Schuldenstände gekommen. Die Kreditfinanzierung von in der Krise erhöhten staatlichen Ausgaben oder reduzierten Steuern war richtig und notwendig. Sie hat zur Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen
Nachfrage beigetragen und damit Schlimmeres verhindert.
Aber eine zunehmende Staatsverschuldung darf nicht zum
Dauerzustand werden. Sonst geraten wir von der Finanzkrise
geradewegs in eine Schuldenkrise. Weltweit auf Werte von weit
über 100% ansteigende Schuldenstandsquoten würden zu einem Anstieg der langfristigen Zinsen, einem Rückgang der
Investitionen und einem geringeren Potenzialwachstum führen. Steigende Zinsausgaben begrenzen die Spielräume in den
öffentlichen Haushalten für Sozialleistungen oder wachstumsfördernde öffentliche Infrastrukturinvestitionen. Schließlich bewirken hohe Schuldenstandsquoten eine massive intergenerative Umverteilung zu Lasten zukünftiger Generationen. Diese ökonomischen Wirkungen sprechen schon für sich
genommen dafür, die staatliche Neuverschuldung zu begrenzen. Zum Glück kommt hinzu, dass die im Jahr 2009 ins Grundgesetz aufgenommene »Schuldenbremse« zu einer Rückführung der strukturellen staatlichen Finanzierungsdefizite zwingt.
Bis zum Jahr 2016 muss der Bund seine strukturelle Neuverschuldung bis auf 0,35% des Bruttoinlandsprodukts reduzieren – das dürften kaum mehr als 10 Mrd. € sein. Die Bundesländer dürfen sich ab 2020 strukturell überhaupt nicht mehr
verschulden. Die Einhaltung der grundgesetzlichen Regelungen zur Schuldenbremse erzwingt enorme Konsolidierungsbemühungen in den nächsten Jahren, allein beim Bund zwischen 2011 und 2016 insgesamt über 40 Mrd. €.
* Prof. Dr. Wolfgang Wiegard ist Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und lehrt an der Universität Regensburg.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Die Bundesregierung hat lange offen gelassen, wie sie diese gewaltige Konsolidierungsaufgabe bewältigen will. Tatsächlich hat sie im Koalitionsvertrag noch Steuersenkungen vereinbart. Haushaltskonsolidierung und Steuersenkungen schließen sich logisch nicht aus. Nur: Wenn man
die Steuern senkt, wird der Konsolidierungsbedarf halt noch
größer. Wer glaubt, dass sich Steuersenkungen über verbesserte Anreize und ein höheres Wachstum weit gehend
oder gar vollständig selbst finanzieren, befindet sich auf
dem Holzweg. Insofern ist es zu begrüßen, dass die Bundeskanzlerin die Steuersenkungsfantasien der beiden kleineren Koalitionsparteien beendet hat und die Bundesregierung Anfang Mai endlich ein Sparpaket vorgelegt hat,
das Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen im Umfang von nicht ganz 27 Mrd. € zwischen 2011 und 2014
vorsieht. Mit diesem Paket ist die Haushaltskonsolidierung
beim Bund keineswegs abgeschlossen. Unter Einschluss
der für 2014 im Sparpaket angesetzten globalen Minderausgabe von 5,6 Mrd. € verbleibt in 2015 und 2016 ein unabweisbarer Konsolidierungsbedarf im Bundeshaushalt
von über 15 Mrd. €.
Aus meiner Sicht fällt die Bewertung der jetzt beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen insgesamt positiv aus.
Zwar ist es richtig, dass die steuerlichen Mehreinnahmen
aus Steuern resultieren – einer Brennelementesteuer, einer
Luftverkehrsabgabe und einer Steuer auf Finanzinstitute –,
die es allesamt noch gar nicht gibt und deren Einführung
auch keineswegs gesichert ist. Und es trifft auch zu, dass
die angesetzten Mehreinnahmen etwa aufgrund von Effizienzverbesserungen bei der Arbeitsmarktvermittlung wenig konkret sind. Gemessen allerdings an der früheren Untätigkeit der Bundesregierung und den im Koalitionsvertrag
enthaltenen Steuersenkungsplänen stellt das Sparpaket
doch einen erheblichen Fortschritt dar. Jedenfalls ist die Bundesregierung jetzt endlich in der Realität angekommen und
stellt sich der gewaltigen Konsolidierungsaufgabe. Dass
die Opposition und die von den Ausgabekürzungen Betroffenen das Paket als unsozial brandmarken, kann nicht überraschen. Sicherlich hätte man den Abbau von Steuervergünstigungen entschlossener angehen können. Nach dem
Ergebnis der Landtagswahlen in NRW wäre für eine Streichung der Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gemäß § 3b EStG oder vergleichbare Maßnahmen im Bundesrat aber sowieso keine Mehrheit mehr zustande gekommen.
Wie geht es weiter in der Steuerpolitik? In der Tat ist das
deutsche Steuersystem reformbedürftig. Es ist kompliziert,
es ist nicht entscheidungsneutral, und die Steuerbelastung
– etwa auf eigenfinanzierte Investitionserträge – ist nach
wie vor hoch. Für mit erheblichen Steuermindereinnahmen
verbundene Reformen besteht in absehbarer Zeit allerdings
kein finanzieller Spielraum. Es wäre auch falsch, die sich
abzeichnenden konjunkturbedingten Mehreinnahmen oder
ifo Jahresversammlung
Minderausgaben – und erst recht die einmaligen Mehreinnahmen aus der Versteigerung der Mobilfunklizenzen – für
dauerhafte Steuersenkungen verwenden zu wollen. Bei realistischer Betrachtung wird man sich in dieser Legislaturperiode von größeren steuerpolitischen Vorhaben wohl verabschieden müssen. In Betracht kommen allenfalls aufkommensneutrale Steuerreformen und »kleinere« Korrekturen
am Steuersystem.
Genannt wird immer wieder eine Vereinfachung des Steuerrechts, die ja nichts »kosten« müsse. Seit mehr als 30 Jahren oder länger gehören Forderungen nach Steuervereinfachung zum festen Bestandteil jeder Steuerreformdebatte.
Ganz so einfach scheint eine Vereinfachung des Steuersystems aber nicht zu sein. Eine wirkliche Vereinfachung
wurde in der Vergangenheit eigentlich nur dann erreicht,
wenn einzelne Steuern abgeschafft wurden (wie die Gewerbekapitalsteuer) oder ihre Erhebung ausgesetzt wurde
(wie die Vermögensteuer). Ansonsten ist das deutsche Steuersystem durch die Steuerreformen der letzten Jahre immer komplizierter geworden. Man denke nur an die mit der
Unternehmensteuerreform eingeführte so genannte Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG oder die Vorschriften zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach
§ 1 Abs. 3 AStG. Presseberichten zufolge waren die Finanzverwaltungen einzelner Bundesländer nicht in der Lage, die Regelungen des § 34a EStG in ihrer Software umzusetzen; die betroffenen Steuerpflichtigen wurden aufgefordert, die Steuerschuld selbst auszurechnen. Auch die Erbschaftsteuerreform und das Wachstumsbeschleunigungsgesetz haben zu einer weiteren Komplizierung des Steuerrechts beigetragen. Warum eigentlich soll bei der nächsten
Steuerreform eine grundlegende Vereinfachung gelingen?
Die in der Politik verbreitete Ankündigung einer Vereinfachung des Steuersystems hat angesichts der durch die letzten Steuerreformen bewirkten Komplizierungsschübe für
mich deshalb eher etwas Bedrohliches.
genkapitalverzinsung in Höhe des Abgeltungsteuersatzes
ersetzt werden. Damit käme man sehr nahe an die vom
Sachverständigenrat vorgeschlagene Duale Einkommensteuer heran. Dies wäre allerdings mit Steuermindereinnahmen im unteren zweistelligen Milliardenbereich verbunden. Derartige Steuerausfälle sind angesichts der angespannten Situation der öffentlichen Haushalte auf absehbare Zeit nicht zu verkraften. Steuerpolitisch wird man in
dieser Legislaturperiode also nur »kleine Brötchen backen«
können. Das ist zu bedauern, aber letztlich nur der ökonomische Preis für die im Kern richtigen wirtschaftspolitischen
Interventionen in der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Eine materielle Vereinfachung des Steuerrechts erfordert die
Realisierung von Besteuerungsneutralität bei den Finanzierungsentscheidungen, der Rechtsformwahl und den Investitionsentscheidungen. Die Gewährleistung eines höheren
Grades von Besteuerungsneutralität durch Angleichung der
Steuerbelastungen von Fremdkapital und Eigenkapital ist
definitiv wünschenswert und notwendig, aber für den Fiskus kostspielig. Die Abgeltungsteuer wird man weder rückgängig machen noch den Steuersatz auf die betroffenen
Kapitalerträge erhöhen können. Belastungsgleichheit der
Finanzierungswege lässt sich dann nur über eine Reduzierung der Steuerbelastung eigenfinanzierter Investitionserträge herstellen, indem etwa bei Kapitalgesellschaften Dividenden und Veräußerungsgewinne steuerfrei gestellt werden. Ergänzend dazu könnte die unsystematische Begünstigung nicht entnommener Gewinne von Personenunternehmen durch eine begünstigte Besteuerung der Ei63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
11
ifo Konjunkturprognose 2010/2011:
Auftriebskräfte verlagern sich nach Deutschland
12
K. Carstensen, W. Nierhaus, K. Abberger, C. Breuer, T. Buchen,
S. Elstner, C. Grimme, S. Henzel, N. Hristov, M. Kleemann, J. Mayr,
W. Meister, G. Paula, A. Stangl, K. Wohlrabe und T. Wollmershäuser
Die Weltkonjunktur hat im laufenden Jahr weiter Tritt gefasst, unterstützt von expansiven Impulsen der
Geldpolitik und der staatlichen Konjunkturprogramme. Nach Ländern und Regionen differenziert ist die
Dynamik der Erholung allerdings recht unterschiedlich. So hat sich das vom ifo Institut erhobene Wirtschaftsklima vor allem in Asien kräftig verbessert. Auch in Nordamerika stieg der Indikator und liegt
nun leicht über seinem langfristigen Durchschnitt. In Westeuropa dagegen blieb er nahezu unverändert
und erreichte nicht seinen langjährigen Mittelwert. Die deutsche Wirtschaft ist indessen weiter auf Erholungskurs. Zwar wurde die Produktion im Winterhalbjahr 2009/10 durch Sonderfaktoren merklich gedämpft. vorlaufende Indikatoren wie das ifo Geschäftsklima zeigen jedoch, dass die konjunkturelle Grundtendenz der deutschen Wirtschaft nach wie vor aufwärts gerichtet ist. Im Juni hat es im verarbeitenden
Gewerbe erstmals wieder seit dem Herbst des Jahres 2008 einen Überhang der Unternehmen gegeben,
die eine positive Geschäftslage meldeten, nach einer langen Periode, in der die negativen Meldungen
weitaus überwogen. Getrieben wird die Erholung derzeit von den Exporten, befördert durch die Nachfrage insbesondere aus Asien. Die deutsche Wirtschaft, die aufgrund ihrer spezifischen Exportorientierung in besonderem Maße von der vorangegangenen Rezession betroffen war, profitiert nunmehr auch
in besonderem Maße von der weltwirtschaftlichen Erholung. Für das Jahr 2010 ist mit einer Zunahme
des Bruttoinlandsprodukts um 2,1% zu rechnen. Im kommenden Jahr wird zudem die Binnenkonjunktur etwas an Fahrt gewinnen. Zwar schwenkt die Bundesregierung mit den Sparbeschlüssen der Klausurtagung vom 6. und 7. Juni 2010 auf einen Konsolidierungspfad ein, und die Konjunkturprogramme
laufen aus, was für sich genommen dämpfend wirkt. Dem steht jedoch das positive Signal gegenüber,
dass der deutsche Staat seine Haushalte im Einklang mit der Schuldenbremse zu sanieren beginnt. In
einer Zeit großen Misstrauens gegenüber öffentlichen Schuldnern dürfte dies einen expansiven Vertrauenseffekt auf die deutschen Konsumenten und Investoren haben, die zudem auch weiterhin von
extrem niedrigen Zinsen profitieren werden. Insgesamt ist für das Jahr 2011 zu erwarten, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion um 1,5% zulegt.
1. Überblick
Die Weltkonjunktur hat im laufenden Jahr
weiter Tritt gefasst. Nach Ländern und
Regionen differenziert ist die Dynamik der
Erholung allerdings recht unterschiedAbb. 1.1
Weltkonjunktur und ifo Weltwirtschaftsklima
8,0
% Veränderung gegenüber Vorjahr
Index 2005 = 100
140
reales BIP
(linke Skala)
ifo Weltwirtschaftsklimaa)
6,0
120
(rechte Skala)
4,0
100
4,9
4,8
2,0
3,7
4,0
3,6
2,6
2,3
2,9
4,5
5,1
5,2
4,1
3,6
3,0
3,5
0,0
80
60
-0,6
-2,0
40
96
97
98
99
00
01
02
a)
03
04
05
06
07
08
09
10
11
Arithmetisches Mittel der Bewertung der gegenwärtigen Lage und der erwarteten Entwicklung.
Quelle: IWF, World Economic Outlook Database April 2010; 2010 und 2011 Prognosen des ifo Instituts;
Ifo World Economic Survey (WES) II/2010.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
lich. Nach wie vor gehen expansive Impulse von der Geldpolitik der Zentralbanken aus. In vielen Ländern wirken Konjunkturprogramme. Zudem stützt der Lagerzyklus. Der Welthandel expandiert inzwischen wieder recht beachtlich. Das
vom ifo Institut erhobene Weltwirtschaftsklima hat sich im zweiten Quartal 2010 weiter verbessert (vgl. Abb. 1.1).
Weltweit schätzen die befragten Experten die derzeitige Wirtschaftslage weniger ungünstig ein als zu Beginn des Jahres;. für die zweite Jahreshälfte bleiben
die Befragungsteilnehmer zuversichtlich
(vgl. Abb. 1.2).
Das Wirtschaftsklima hat sich erneut vor
allem in Asien kräftig verbessert. Auch in
Nordamerika stieg der Indikator und liegt
nun leicht über seinem langfristigen
Durchschnitt. In Westeuropa dagegen
blieb er nahezu unverändert und erreich-
Daten und Prognosen
Abb. 1.2
ifo Weltwirtschaftsklima
gut/
besser
Erwartungen für
die nächsten 6 Monate
zufriedenstellend/
gleichbleibend
Beurteilung der
gegenwärtigen Lage
schlecht/
schlechter
93
94
95
96
97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
Quelle: Ifo World Economic Survey (WES) II/2010.
te nicht seinen langjährigen Mittelwert. Die Befragungsteilnehmer stufen die aktuelle Situation der Volkswirtschaften
weltweit als weniger schlecht ein als bisher. Allerdings wird
außerhalb Asiens die Wirtschaftslage weiterhin als ungünstig beurteilt. Die Erwartungen für die kommenden sechs Monate sind in allen Regionen nach oben gerichtet, jedoch nicht
mehr ganz so stark wie im Vorquartal.
In den USA hat sich der Aufschwung, der im dritten Quartal 2009 begann, fortgesetzt. Die gesamtwirtschaftliche
Produktion nahm im ersten Vierteljahr 2010 saisonbereinigt weiter zu, wenngleich mit 3,0% (laufende Jahresrate)
etwas weniger kräftig als im vorausgegangenen Quartal
(5,6%). Positive Wachstumsbeiträge lieferten bei reduzierter Sparquote der private Konsum, die Investitionen in Ausrüstungen und Lager sowie die Exporte. Stärker noch als
die Exporte stiegen die Importe, der Wachstumsbeitrag
des Außenhandels war negativ. Die Beschäftigung ist von
Januar bis Mai um 970 000 Personen gestiegen. Die Arbeitslosenquote ist im Mai saisonbereinigt auf 9,7% zurückgegangen. Das Verbraucherpreisniveau hat im Gefolge rückläufiger Energiepreise saisonbereinigt zuletzt nachgegeben; der Vorjahresstand wurde dennoch um 2,0%
übertroffen. Bei alledem beließ die Fed den Leitzins unverändert bei nahe 0%.
Auch in Japan hat sich die Konjunktur weiter gebessert.
Die gesamtwirtschaftliche Produktion nahm im ersten Vierteljahr 2010 saisonbereinigt mit einer laufenden Jahresrate
von 4,9% beschleunigt zu. Der Motor der Entwicklung war
die schwungvolle Auslandsnachfrage, der Außenhandel steuerte allein 3,4 Prozentpunkte (annualisiert) zum BIP-Wachstum bei. In China ist das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um 11,9% gegenüber dem Vorjahreszeitraum
gestiegen. Haupttriebkraft war die Industrie, die ihre Produktion um 14,5% steigern konnte. Der Preisauftrieb auf der
Verbraucherstufe hat sich aufgrund der kräftigen Teuerung
bei Nahrungsmitteln deutlich beschleunigt, im Mai belief sich
die Inflationsrate auf 3,1%.
Im Euroraum ist die gesamtwirtschaftliche Produktion im ersten Quartal 2010 saisonbereinigt leicht gestiegen. Nach ersten Schätzungen von Eurostat belief sich die Zunahme auf
0,8% (laufende Jahresrate). Hierzu trug die Wertschöpfung
in der Industrie beträchtlich bei; dagegen war die Bauproduktion von strengem Winterwetter betroffen. Die Arbeitslosenquote lag saisonbereinigt im April bei rund 10%. Die
Inflationsrate, gemessen an der Veränderung des harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), hat sich im bisherigen
Jahresverlauf aufgrund der Teuerung bei Energie und Nahrungsmitteln erhöht; im Mai betrug sie 1,6%. Die Kerninflationsrate lag dagegen nur bei 0,9%. Die Europäische Zentralbank (EZB) beließ den Leitzins bei 1,0%. Darüber hinaus
beschloss sie, den Spannungen an den Finanzmärkten durch
gezielte Käufe öffentlicher und privater Schuldverschreibungen auf dem Sekundärmarkt zu begegnen. Die im Rahmen
des Ankaufsprogramms geschaffene Liquidität soll durch
gezielte Absorptionsoperationen wieder abgeschöpft werden. Zudem wurden die Mindestrating-Anforderungen für
von der griechischen Regierung begebene oder garantierte Schuldtitel bis auf Weiteres ausgesetzt.
In Deutschland ist die gesamtwirtschaftliche Produktion
im ersten Quartal 2009 ebenfalls leicht gestiegen. Ersten
Berechnungen des Statistischen Bundesamts zufolge
nahm das reale Bruttoinlandsprodukt saisonbereinigt gegenüber dem Vorquartal mit einer Rate von 0,2% zu. Im
Vorjahresvergleich ergab sich erstmals nach fünf Quartalen wieder eine positive Rate in Höhe von 1,7%. Gleichwohl wurde das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Produktion vor Beginn der Rezession noch um 4,4% unterschritten. Auch die Auslastung der Produktionskapazitäten liegt – gemessen an der Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe – um nur noch 31/2 Prozentpunkte
unter dem langjährigen Durchschnitt.
Im Zuge der griechischen Schuldenkrise gerieten die internationalen Finanzmärkte wieder in schwere Turbulenzen. Die stark verschlechterte Haushalts- und Wirtschaftslage Griechenlands führte im Mai zu einem massiven Vertrauensverlust; von der Krise sind inzwischen auch andere
Mitgliedsstaaten des Euroraums mit hoher Verschuldung
erfasst worden. In diesen Ländern brachen die Kurse von
Staatsschuldtiteln ein und auch der Außenwert des Euro
sank spürbar. Mit den zwischenzeitlich von den Finanzministern beschlossenen Stützungsmaßnahmen für Griechenland und der Schaffung eines Europäischen Stabilisierungsmechanismus (beides ergänzt um strikte Auflagen zur Haushaltskonsolidierung und um Kreditlinien des Internationalen Währungsfonds) konnte zwar dem Kursverfall von südeuropäischen Staatspapieren entgegengewirkt und die Volatilität der Märkte reduziert werden; zu einer Trendwende
an den internationalen Finanzmärkten ist es aber nicht gekommen. So waren die Abstände zwischen den Renditen
südeuropäischer und deutscher Staatsanleihen trotz der
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
13
14
Daten und Prognosen
Rettungspakete zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen größer als am Freitag, dem 7. Mai, als eben diese Zinsspreads die Vermutung einer Systemkrise des Euro begründeten. Auch der Euro hat nach der Verabschiedung der Rettungspakete am 8. und 9 Mai zunächst weiter gegenüber
dem US-Dollar abgewertet. Möglicherweise hat die offizielle Begründung der europäischen Staats- und Regierungschefs für die Rettungspakete, der Euro stünde in einer Systemkrise, die Kursverluste des Euro anfangs noch
beschleunigt. Die Spannungen an den Finanzmärkten haben sich bisher allerdings nicht auf die realwirtschaftlichen
Indikatoren im Euroraum ausgewirkt; diese waren bis zuletzt weiter aufwärtsgerichtet.
Ursächlich für die prekäre Lage der öffentlichen Haushalte in einigen Ländern der Eurozone sind neben einer mangelnden Budgetdisziplin insbesondere Prozesse, die zum
Aufbau von strukturellen und konjunkturellen Ungleichgewichten geführt hatten. So sanken nach der Gründung der
EZB und der Einführung des Euro als Einheitswährung die
Realzinsen in den Ländern zum Teil sehr deutlich. Die verbesserten Finanzierungskonditionen führten zu einem starken Zufluss von Kapital, insbesondere aus den Überschussländern. Grundsätzlich kann diese Entwicklung als sinnvoller Konvergenzprozess innerhalb Europas angesehen werden, von dem auch die ausländischen Investoren durch eine effizientere Kapitalallokation und höhere Renditen profitieren. Allerdings war das Ausmaß der Kapitalexporte in die
Defizitländer aus zwei Gründen übertrieben. Zum einen setzte die EZB mandatsgemäß ihren Zins mit Blick auf den Euroraumdurchschnitt, was für die aufholenden Defizitländer
zu expansiv war und deren Konjunktur zu stark anregte. Zum
anderen sanken die Risikoaufschläge für die Anleihen dieser Staaten in den Jahren vor der Finanzkrise stärker als fundamental gerechtfertigt; Verletzungen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes blieben an den Kapitalmärkten weitgehend ungeahndet. Die resultierenden niedrigen
Zinsen führten zu ausufernden Kapitalimporten und einer
zunehmenden Verschuldung der öffentlichen und privaten
Haushalte in einigen Defizitländern.
Erst im Zuge der internationalen Finanzkrise wurden die
Anlagerisiken in den betreffenden Ländern neu bewertet und
die Risikoaufschläge sind teilweise stark angestiegen, wenn
sie auch nicht die Niveaus erreicht haben, die vor der EuroEinführung herrschten. Auch wenn es kurzfristig zu Übersteigerungen gekommen sein mag, ist diese Korrektur grundsätzlich sinnvoll. Sie ist Ausdruck eines reduzierten Kapitalangebots, das letztlich die bislang fehlende Schuldendisziplin in den betreffenden Ländern erzwingt.
Der Abbau der Ungleichgewichte dürfte durch die Zinsentwicklung unterstützt werden. Hierzu tragen zwei Mechanismen bei. Zum einen sinken bei geänderter Risikoeinschätzung die relativen Ertragsaussichten in den Defizitländern.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Dies hat zur Folge, dass verstärkt Kapital in den stabileren
Überschussländern angeboten wird, was dort die Kreditkonditionen verbessert und die Renditen reduziert. Zum
anderen dürften die Notenbankzinsen aufgrund der schwachen Wirtschaftsentwicklung im Euroraum insgesamt auf einem aus Sicht der Überschussländer niedrigen Niveau bleiben. Dann werden sie in den kommenden Jahren in den
Überschussländern expansiv, in den konjunkturell gebeutelten Defizitländern dagegen kontraktiv wirken. Von alldem
dürfte speziell die deutsche Binnennachfrage profitieren, die
in den Jahren vor der Krise durch tendenziell zu hohe Zinsen gedämpft wurde. Insbesondere ist mit einem Anziehen
der Wohnungsbauinvestitionen zu rechnen, aber auch die
Unternehmensinvestitionen, der private Konsum und damit
letztlich die Importnachfrage werden gestützt. Dies dürfte
im Inland schneller steigende Löhne und Preise nach sich
ziehen. Parallel dazu müssen sich die Defizitländer um eine
sehr moderate Lohn- und Preispolitik bemühen. All dies wird
ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Überschussländern verbessern und zu einem Abbau ihrer Leistungsbilanzdefizite beitragen, während in Deutschland das
Gegenteil zu erwarten ist. Deutschland dürfte mittelfristig
einen investitionsgetriebenen Aufschwung durchleben, weil
wieder mehr Sparkapital zu Hause investiert wird. Insbesondere der Immobilienbereich dürfte davon profitieren. Dadurch
wird das Wachstum gestärkt, während sich der Außenhandelsüberschuss vermindert. Die Krise hat quasi einen Kippschalter der Kapitalmärkte umgelegt, der die Wachstumskräfte, die sich unter dem Euro in die Länder der südwestlichen Peripherie Europas verlagert hatten, wieder in
Deutschland erstarken lässt.
Ausblick
Im Prognosezeitraum wird sich die weltwirtschaftliche Erholung fortsetzen; das Bruttoinlandsprodukt der Welt dürfte
2010 um 4,1% und 2011 um 3,5% zunehmen. Die Gruppe
der Schwellenländer wird mit einer Produktionsausweitung
von voraussichtlich 6,8% in diesem Jahr und 6,3% im kommenden Jahr die größte Dynamik entfalten. China wird dabei durch kontraktive Maßnahmen versuchen, einer Überhitzung der Konjunktur vorzubeugen. Die Produktion in den
Industrieländern wird im Mittel wohl erheblich langsamer zunehmen. In den USA wird der diesjährigen kräftigen Erholung voraussichtlich ein Jahr sehr moderaten Wachstums
folgen, da die fiskalische Stimulierung ausläuft und zudem
viele strukturelle Probleme wie die geringe inländische Ersparnisbildung ungelöst sind. Die Staaten der Europäischen
Union (EU) können sich nur langsam aus der Krise lösen.
Im Länderdurchschnitt sind Zuwachsraten von jeweils gut
1% in 2010 und 2011 zu erwarten. Allerdings wird die Entwicklung sehr heterogen sein. Die vom Misstrauen der Finanzmärkte am stärksten betroffenen Defizitländer haben
einen drastischen Konsolidierungskurs eingeschlagen und
Daten und Prognosen
dürften in diesem Jahr in der Rezession verharren; mit dem
Beginn der Erholung ist dort erst im kommenden Jahr zu
rechnen.
Dagegen wird die wirtschaftliche Aktivität in Deutschland
schon 2010 kräftig um voraussichtlich 2,1% zulegen. Treibende Kraft dürfte dabei der Außenhandel sein, der vom
Boom in den Schwellenländern profitiert. Für das kommende Jahr ist eine etwas schwächere Expansion von 1,5% zu
erwarten. Dabei werden die Binnenkräfte an Bedeutung
gewinnen. Hierfür dürfte das zunehmende inländische Kapitalangebot maßgeblich sein, denn die Investoren haben
im Zuge der Krise die Anlagerisiken für viele andere Länder
aufwärts revidiert. Da zudem die Europäische Zentralbank
vorerst bei ihrer Niedrigzinspolitik bleiben dürfte, ist mit niedrigen Zinsen und sich weiter verbessernden Kreditkonditionen zu rechnen.
Risiken
Die hier vorgestellte Prognose geht davon aus, dass sich
die wirtschaftliche Erholung in den Industrieländern in diesem und im kommenden Jahr mit dem schrittweisen Ausstieg aus den fiskal- und geldpolitischen Stimuli abschwächen wird, dass es jedoch nicht zu einem erneuten Abgleiten in die Rezession kommt, weil die endogenen Auftriebskräfte allmählich zum Tragen kommen. Es besteht jedoch
das Risiko, dass die aktuelle Entwicklung stärker als angenommen von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen abhängt und dass der Ausstieg aus der expansiven Wirtschaftspolitik die Erholung der Weltwirtschaft stärker belastet als in der Prognose unterstellt. Dies gilt kurzfristig
vor allem für die Fiskalpolitik, im weiteren Prognosezeitraum
aber auch für die Geldpolitik. Problematisch könnte insbesondere die in fast allen Industrieländern gleichzeitig geplante Rückführung des strukturellen Defizits sein, die für
sich genommen einen deutlich kontraktiven, kurzfristig wirksamen Nachfrageimpuls darstellt.
Mittelfristig dagegen dürften eine dauerhafte Rückführung
der – in den meisten Industrieländern recht hohen – Staatsquote und die damit verbundene Entlastung des Privatsektors zu einer Belebung der Wachstumskräfte führen. Für
die vorliegende Basisprognose ist ein solcher allmählicher
Effekt der Konsolidierungen unterstellt. Es ist allerdings auch
möglich, dass die Rückführung der staatlichen Fehlbeträge
schon kurzfristig positiv auf die gesamtwirtschaftliche Aktivität wirkt. Dieses in der Literatur als expansive fiskalische
Kontraktion beschriebene Phänomen dürfte beispielsweise
für die Sparanstrengungen Dänemarks Anfang der 1980er
Jahre relevant gewesen sein.1 Damals folgten auf massive
1
Vgl. U.M. Bergman und M.M. Hutchinson, »Expansionary fiscal
contractions: re-evaluating the Danish case«, International Economic
Journal 24(1), 2010, 71–93.
staatliche Einschnitte ein starker Anstieg der Konsumausgaben und ein deutlicher Rückgang der Arbeitslosigkeit. Dies
lässt sich theoretisch damit begründen, dass eine glaubwürdige, deutliche und dauerhafte Entlastung der Privaten dazu führt, dass der für sich genommen kontraktive Impuls
einer Rücknahme der staatlichen Nachfrage (keynesianischer Effekt) schon in der kurzen Frist durch eine Zunahme
der privaten Nachfrage überkompensiert werden kann, die
aus der Antizipation reduzierter Steuerbelastung resultiert
(ricardianischer Effekt).2 Dieses Szenario ist für die Defizitländer nicht unplausibel, wenn die Konsolidierungsanstrengungen vom Privatsektor als glaubwürdig eingeschätzt werden. Ob dies der Fall ist, dürfte zum einen von der Entschlossenheit der EU gegenüber den betroffenen Ländern, z.B.
im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Rettungsschirmes nach 2013, aber auch von den jeweiligen innenpolitischen Verhältnissen abhängen.
Ein weiteres Prognoserisiko geht von den Finanzmärkten
aus. Anhaltende Zweifel über die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Ländern mit hohem kurzfristigem Refinanzierungsbedarf oder hoher Verschuldung könnten die Zinsen auf Staatsanleihen auch in Ländern mit solideren Haushalten erhöhen und so zu einer Ansteckung über die Finanzmärkte führen. Dies würde den Ausgabespielraum der betroffenen Staaten verringern und verstärkte restriktive fiskalpolitische Maßnahmen nach sich ziehen.
Unklar bleibt auch die Entwicklung der Eigenkapitalsituation im Bankensektor. In der Basisprognose wird unterstellt, dass eine die wirtschaftliche Erholung massiv bedrohende Kreditklemme abgewendet wurde. Doch der Abschreibungsbedarf der Banken infolge der Finanzkrise und
der jüngsten Turbulenzen auf den Anleihemärkten bleibt
hoch. So veranschlagt die EZB derzeit für die Banken des
Euroraums die notwendigen Wertberichtigungen im Zeitraum 2010/2011 auf knapp 200 Mrd. €.3 Dieser Betrag
könnte durch die Schieflage der öffentlichen Haushalte einiger Länder sowie im Fall eines erneuten Einbruchs am
US-Immobilienmarkt weiter ansteigen. Eine zusätzliche Erosion der Eigenkapitalausstattung im Bankensektor könnte eine merkliche Rationierung der Kreditvergabe nach sich
ziehen, wodurch die konjunkturelle Erholung nachhaltig beeinträchtigt würde.
Eine große Herausforderung für die Notenbanken besteht
darin, den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der außergewöhnlich expansiven Geldpolitik zu finden. Während
ein zu frühes oder ausgeprägtes Anheben der Leitzinsen die
konjunkturelle Erholung abbrechen könnte, besteht im Fall
einer zu langen Aufrechterhaltung der Niedrigzinspolitik die
Gefahr, dass die Inflationserwartungen ansteigen.
2
3
Vgl. R. Perotti, »Fiscal Policy in Good Times and Bad«, Quarterly Journal
of Economics 114(4), 1999, 1399–1466.
ECB, Financial Stability Report, June 2010, S: 88–89.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
15
16
Daten und Prognosen
Ein Risiko für die konjunkturelle Entwicklung in den Industrieländern geht schließlich von den Energiepreisen
aus. Die stark gestiegene Nachfrage insbesondere aus
den Schwellenländern Asiens könnte den bisher moderaten Anstieg der Rohstoffpreise beschleunigen und so
die Produktionskosten erhöhen und die Unternehmensgewinne verringern. Ein zusätzliches Risiko für die Entwicklung der Weltkonjunktur liegt in einer Überhitzung der
chinesischen Wirtschaft. Die umfangreichen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der chinesischen Regierung im
letzten Jahr haben zu einem enormen Anstieg der Kreditvolumina und damit auch der Investitionstätigkeit insbesondere im Immobiliensektor geführt und die Immobilienpreise weiter in die Höhe getrieben. Da das Immobilienvermögen einen hohen Anteil in den Portfolios der chinesischen Banken und Unternehmen ausmacht, würde eine Korrektur der Immobilienpreise die Expansion der chinesischen Wirtschaft stark beeinträchtigen. Aufgrund der
großen Bedeutung des chinesischen Absatzmarktes hätte dies negative Auswirkungen nicht nur auf die übrigen
asiatischen Schwellenländer, sondern auf die gesamte
weltwirtschaftliche Entwicklung.
Abb. 2.1
Renditen für zweijährige Staatsanleihen
20
16
12
%
20
Griechenland
Irland
Portugal
Spanien
Italien
Frankreich
Deutschland
16
12
8
8
4
4
0
0
2009
2010
Quelle: Reuters EcoWin.
führt haben. Darauf aufbauend werden Anpassungsmechanismen diskutiert, die zu einem Abbau der Ungleichgewichte beitragen können. Schließlich wird die aktuelle Frage erörtert, warum die europäischen Renditedifferenzen trotz der
zwischenstaatlichen Garantien fortbestehen.
Gründe für die Krise
2. Zur Verschuldungskrise im Euroraum
Seit Beginn dieses Jahres leiden Italien, Spanien, Irland,
Portugal und in besonderem Maße Griechenland (im Folgenden als Defizitländer bezeichnet) unter einem enormen
Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten. So mussten griechische Staatsanleihen mit zweijähriger Restlaufzeit im Februar eine mehr als dreimal so hohe Rendite wie die vergleichbaren Papiere aus Deutschland abwerfen. Etwas geringer war die Risikoprämie auf portugiesische Staatspapiere derselben Laufzeit. Nach einer kurzen Beruhigung im
März gerieten Ende April die öffentlichen Anleihen dieser
Länder erneut unter Druck. Während die als Benchmark
geltende Bundesanleihe (ebenfalls mit zweijähriger Laufzeit)
weiterhin mit etwa 0,6% verzinst wurde, erreichten die Renditen griechischer, portugiesischer und irischer Titel die historischen Höchststände von respektive 17,9%, 6,4% und
4,6%. Die Verzinsung spanischer und italienischer Staatsanleihen verzeichnete ebenfalls einen signifikanten Anstieg.
Ähnliche Renditebewegungen waren auch bei den öffentlichen Schuldtiteln mit zehnjähriger Laufzeit zu beobachten. Trotz des Anfang Mai verabschiedeten europäischen
Rettungsschirms bleiben die Risikoprämien gegenüber vergleichbaren Bundesanleihen seitdem hoch, mit einer Tendenz, weiter zuzunehmen. (vgl. Abb. 2.1 und Kasten »Die
griechische Schuldenkrise«).
Im Folgenden soll zunächst rekapituliert werden, welche
strukturellen Ursachen zum Entstehen der innereuropäischen
Ungleichgewichte und damit in die Verschuldungskrise geifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Die Zweifel an der Fähigkeit der Defizitländer, ihre öffentlichen Schulden fristgerecht zu bedienen, liegen in einer Reihe von Entwicklungen begründet, die im vergangenen Jahrzehnt zum Aufbau struktureller und konjunktureller Ungleichgewichte im Euroraum geführt hatten. Letztere wiederum
verstärkten die Auswirkungen der Wirtschaftskrise sowie die
daraus resultierende Belastung für die öffentlichen Haushalte in den Defizitländern und machen schmerzhafte Strukturreformen zur Überwindung der Rezession und zur Sanierung der Staatsfinanzen erforderlich. Im Folgenden werden
die Prozesse beschrieben, die zur Entstehung der Ungleichgewichte führten, und anschließend einige Möglichkeiten zu
ihrem Abbau diskutiert.
Mit Gründung der europäischen Währungsunion ersetzten
die Defizitländer ihre eigenen Zentralbanken, die über eine
relativ geringe Reputation verfügten, durch eine gemeinsame und unabhängige geldpolitische Institution, nämlich die
EZB. Diese genoss erheblich mehr Ansehen und bewirkte
innerhalb kurzer Zeit eine beträchtliche Reduktion der Inflationsraten und Nominalzinsen. Zudem fiel mit der Einführung
des Euros das Wechselkursrisiko für ausländische Investoren weg. Dieser »Stabilitätsimport« erhöhte die mittelfristigen Wachstumsperspektiven der betrachteten Volkswirtschaften und machte sie nicht nur für inländische, sondern
insbesondere für ausländische Investoren attraktiv. Infolge
dessen verringerten sich die geforderten Risikoprämien, das
Kapitalangebot erhöhte sich und die Realzinsen sanken,
so dass der langfristig optimale gesamtwirtschaftliche Kapitalstock zunahm.
Daten und Prognosen
Kasten
Die griechische Schuldenkrise
Die ersten beunruhigenden Signale erhielten die Kapitalmärkte am 20. Oktober 2009, als bekannt wurde, dass das griechische
Haushaltsdefizit bei rund 12,5% des Bruttoinlandsprodukt lag und damit doppelt so hoch war als erwartet. Nur zwei Tage später
stufte die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit des Landes auf A– herab. Während diese erste Neubewertung der Bonität
Griechenlands die Renditen seiner Staatsanleihen nahezu unverändert ließ, führte die am 8.Dezember vorgenommene erneute
Zurücksetzung des Ratings Griechenlands zu einer Verdoppelung der Renditen zweijähriger griechischer Staatsanleihen von 2%
auf knapp 4%. Bis Ende des Jahres stuften auch weitere Ratingagenturen die Bonität des Landes herab, ohne dabei nennenswerte
Kursbewegungen auszulösen. Mitte Januar jedoch kam es zu einem erneuten Renditeanstieg um weitere zwei Prozentpunkte auf
knapp 6%. Der Grund war ein Gutachten der Europäischen Kommission, das die äußerst prekäre Lage der griechischen
Staatsfinanzen offenlegte.
Anfang Februar stimmte die EU-Kommission dem von der griechischen Regierung vorgelegten Sparpaket zu und stellte zudem den
Haushalt des Landes unter ihre Kontrolle. Am 11. Februar 2010 sicherten die europäischen Staats- und Regierungschefs Athen
erstmals ihre Hilfe im Falle von Zahlungsschwierigkeiten zu. Die Rendite zweijähriger Anleihen gab sofort nach und sank im Februar
auf unter 5%. Anfang März beschloss die griechische Regierung ein Sparpaket mit einem Volumen von 4,8 Mrd. . Außerdem
einigten sich die Finanzminister des Euroraums am 15. März 2010 auf einen Hilfsmechanismus für Griechenland, der Kredite
einzelner Euro-Staaten und eine Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) kombinieren soll. Durch diese Maßnahmen gelang
es allerdings nur vorübergehend, die Märkte zu beruhigen. Ab Mitte April wurden die Anleger zunehmend durch die andauernde
Diskussion über die konkrete Ausgestaltung und den Zeitpunkt der Aktivierung des Rettungsplans für Griechenland verunsichert.
Als Ergebnis stieg die Rendite zweijähriger Anleihen erneut auf knapp 7%.
Am 22. April 2010 veröffentlichte die europäische Statistikbehörde Eurostat die Zahlen für den griechischen Staatshaushalt 2009.
Das öffentliche Defizit war mit 13,6% erneut größer als bislang angenommen. Daraufhin wurde die Kreditwürdigkeit Griechenlands
erneut herabgestuft. Nur einen Tag später, am 23. April 2010, bat der griechische Premierminister Giorgos Papandreou um die
Aktivierung des Rettungsplans. Die Renditen schnellten in die Höhe und erreichten historische Höchstwerte von mehr als 16%.
Starke Kursverluste erlitten auch die Staatsanleihen Portugals, Irlands, Spaniens und Italiens. Zwar ließ die schnelle positive
Antwort der europäischen Regierungen auf die griechische Bitte um Milliardenhilfen die Renditen für einige Tage fallen. Doch kurz
darauf kam es erneut zu einem rasanten Renditeanstieg auf knapp 18%. Auslöser hierfür war eine weitere starke Herabstufung der
Kreditwürdigkeit Griechenlands durch die Ratingagentur Standard & Poor’s am 27. April 2010. Am folgenden Tag brach auf den
Märkten Panik aus, als auch Spaniens Bonität zurückgestuft wurde. Außerdem wurde am 29. April 2010 bekannt, dass
Griechenland bis 2012 mindestens 120 Mrd. an Hilfen benötigen wird. Erst der von den Euroländern am 10. Mai beschlossene
Rettungsschirm mit einem Volumen von 750 Mrd. konnte die Märkte vorerst beruhigen. Aus den Mitteln soll die Bereitstellung von
Krediten für in Zahlungsschwierigkeiten geratene Euroländer finanziert werden. Dennoch ist nicht zu erkennen, dass sich die
Renditedifferenzen nachhaltig zurückbilden.
Die zur Erhöhung der Kapitalausstattung notwendigen Investitionen wurden vornehmlich durch Nettokapitalimporte
finanziert. Dies ist grundsätzlich keineswegs ein unerwünschtes Phänomen, da es für alle beteiligten Länder Effizienzgewinne ermöglicht. Sowohl Schuldner als auch Gläubiger können dadurch eine profitablere Kapitalallokation erzielen sowie ihre Einkommens- und Konsumströme intertemporal
glätten. Es war daher angemessen, dass Kapital aus den
weit entwickelten Euroraumländern mit einer bereits hohen
Kapitalausstattung je Einwohner in die weniger entwickelten Defizitländer floss, in denen die Kapitalrenditen aufgrund
relativ hoher Ausstattung mit dem Faktor Arbeit tendenziell
höher waren. Es war ebenfalls fundamental gerechtfertigt,
dass die Wirtschaftsakteure in den aufstrebenden Ländern
der europäischen Peripherie angesichts erwarteter zukünftiger Einkommenssteigerungen ihre laufenden Ausgaben
über ihr verfügbares Einkommen hinaus erhöhten mit dem
impliziten Versprechen, die Tilgung der dadurch entstandenen Schulden aus ihrem zukünftig höheren Einkommen zu
bestreiten.
Mittlerweile wird von den Kapitalgebern jedoch bezweifelt,
dass dieses Versprechen problemlos erfüllbar ist. Daher ist
es in den vergangenen Monaten zu massiven Turbulenzen
an den Finanzmärkten gekommen, insbesondere im Bereich
der Staatsanleihen. Auslöser dieser Turbulenzen war die
weltweite Finanzkrise, die dazu geführt hat, dass die Anla-
gerisiken von den Finanzmarktteilnehmern neu bewertet wurden. Selbst wenn es dabei wohl zu spekulativen Übersteigerungen gekommen ist, so liegen die Ursachen jedoch
tiefer. Denn es ist in dem realwirtschaftlichen Anpassungsprozess – je nach Land in unterschiedlichem Ausmaß – zu
Übertreibungen gekommen, die zu erheblichen Ungleichgewichten und Missverhältnissen geführt haben.
Eine wesentliche Ursache für die Übertreibungen dürften die
für die meisten Defizitländer zu niedrigen Zinsen gewesen
sein. Hierfür waren zwei Entwicklungen maßgeblich. Zum
einen hat sich die EZB bei ihrer Zinssetzung mandatsgemäß
am Durchschnitt der Euroländer orientiert. Aufgrund der Heterogenität des Euroraums erwies sich das resultierende
allgemeine Zinsniveau für die Defizitländer jedoch als zu expansiv. In Abbildung 2.2 sind die Abweichungen des für
das entsprechende Land angemessenen Zinses vom Zins
der EZB abgetragen. Positive Werte signalisieren, dass ein
höherer Zins insbesondere für Griechenland, Irland und Spanien fast über die gesamte Zeit vor der Wirtschaftskrise adäquat gewesen wäre (vgl. Kasten »Wie angemessen war die
Zinspolitik der EZB für die einzelnen Mitgliedsländer des
Euroraums?«).
Zum anderen haben die internationalen Investoren über lange Zeit die Anlagerisiken der Defizitländer unterschätzt. So
lagen die Zinsaufschläge für griechische oder portugiesi63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
17
Daten und Prognosen
Abb. 2.2
Abweichung des konjunkturell angemessenen Zinses vom Zins der EZB
Finnland
Belgien
Österreich
5
5
5
0
0
0
-5
-5
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
-5
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Frankreich
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Deutschland
5
5
0
0
-5
-5
0
-5
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
-10
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Irland
10
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Italien
Niederlande
5
5
0
0
0
-10
-20
-5
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
-5
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
5
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Spanien
Portugal
5
0
0
-5
-5
-10
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
cherweise hatte der Beitritt zur Währungsunion die Erwartung bei den Investoren ausgelöst, dass die Europäische Gemeinschaft
in ihrer Gesamtheit im Zweifelsfall für die
Schulden ihrer Mitglieder aufkommen würde – eine Erwartung, die sich letztlich bewahrheitet hat.
Griechenland
5
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Die zu niedrigen Zinsen haben in den Defizitländern nachfrageseitige Entwicklungen
ausgelöst, die nicht nachhaltig waren. Begünstigt durch günstige Kredite wurden der
private und öffentliche Konsum sowie die
Investitionen in Wohnimmobilien ausgeweitet. Augenfälligstes Ergebnis war der übermäßige Anstieg der Hauspreise, der vor allem in Irland und Spanien in eine Immobilienpreisblase und eine enorme Ausweitung
des Bausektors mündete. Speziell in Griechenland wurden zudem der Staatssektor
sowie diverse Sozialprogramme großzügig
ausgeweitet.
Quelle: Berechnungen des ifo Instituts.
eu
Be
lg
ie
n
ts
ch
la
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G
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la
nd
Einkommensseitig wurde die Zunahme der
heimischen Nachfrage durch höhere Lohnzahlungen alimentiert, was zu schnell steische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit zwischen 2001
genden Lohnstückkosten und einer Verlagerung von Pround 2007 höchstens 60 Basispunkte über dem deutschen
duktionsfaktoren aus dem Sektor der handelbaren Güter in
Benchmark, nach 560 Basispunkten im Jahr 1995. Wie
den Sektor der nichthandelbaren Gütern führte. Letzterer
oben dargelegt, war ein Sinken dieser Risikoprämien zwar
besteht größtenteils aus Dienstleistungen. Der verantwortangemessen, aber wohl kaum in diesem Umfang. Mögliliche Mechanismus lässt sich wie folgt beschreiben. Die zunehmende Inlandsnachfrage implizierte steigende Preise für nichthanAbb. 2.3
Indikatoren für ausgewählte Länder des Euroraums im Vergleich
delbare Güter relativ zu den Preisen handelbarer Güter, die weitgehend auf dem WeltSparquote der Privaten Haushalte
Renditen für zehnjährige Staatsanleihen
(Mittelwerte 2000–2008)
markt determiniert werden. Insgesamt stieg
% des verfügbaren Einkommen
%
14
16
das gesamtwirtschaftlichen Preis- und Lohn12
niveau und somit auch die Lohnstückkosten.
12
10
Aufgrund des einheitlichen Währungsraums
8
8
konnte dies nicht durch eine nominale Ab6
wertung ausgeglichen werden. Wie Abbil4
4
dung 2.3 zeigt, verzeichneten die Defizitlän2
0
94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
der einen stetigen Anstieg der LohnstückFrankreich
Griechenland
Irland
Italien
Spanien
Deutschland
kosten relativ zu Deutschland und dem EuPortugal
roraum. Als eine weitere Konsequenz der ReLeistungsbilanzsalden
Lohnstückkosten
lativpreisveränderung wird die Produktion
Index (2000 = 100)
% des BIP
140
15
nichthandelbarer Güter verhältnismäßig
10
profitabler und beginnt mehr und mehr Pro125
5
duktionsfaktoren zu absorbieren, was wie0
derum die Leistungsbilanz zusätzlich ver-5
110
schlechtert. Entsprechend war in den Kapi-10
tal exportierenden Ländern des Euroraums
-15
95
wie Deutschland die entgegengesetzte Ent99 00 01 02 03 04 05 06 07 08
95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09
Griechenland
Portugal
Deutschland
Deutschland
Griechenland
Irland
wicklung zu beobachten mit dem Ergebnis
Niederlande
Finnland
Italien
Italien
Spanien
Euroraum
einer verringerten Wachstumsdynamik soIrland
Österreich
Spanien
D
18
Quelle: Reuters EcoWin; OECD Economic Outlook; Eurostat.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Daten und Prognosen
Kasten
Wie angemessen war die Zinspolitik der EZB für die einzelnen Mitgliedsländer des Euroraums?
An dieser Stelle soll untersucht werden, inwieweit die gemeinsame Geldpolitik der EZB für die einzelnen Mitgliedsländer des
a)
Euroraums angemessen ist. Die Vorgehensweise ist dabei wie folgt. In einem ersten Schritt wird die Zinspolitik der EZB anhand
einer geschätzten Reaktionsfunktion beschrieben. Mittelfristig sollte eine Notenbank eine niedrige und stabile Inflationsrate
anstreben, um die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt zu maximieren. Dieses Ziel kann sie erreichen, wenn sie ihre Zinspolitik
beispielsweise nach der Taylor-Regel gestaltet. Letztere wird gemeinhin als eine geeignete Strategie für die Geldpolitik
angesehen. Gemäß der Taylor-Regel reagiert eine Notenbank auf Schwankungen der Inflationsrate um ihr Inflationsziel sowie auf
konjunkturelle Ausschläge.
Die hier verwendete Reaktionsfunktion der EZB unterstellt, dass die Notenbank vom neutralen Nominalzins abweicht, wenn die
erwartete Inflationsrate in zwölf Monaten ( Et t +12 ) vom Inflationsziel ( ) und die aktuelle Wachstumserwartung für das nächste
Jahr ( Et yt +12 ) vom langfristigen Durchschnitt ( y ) abweicht. Die Schätzung wurde für den Hauptrefinanzierungssatz der EZB
über den Zeitraum 1999 bis 2008 durchgeführt, um die unkonventionelle Geldpolitik, die die EZB im Zuge der Finanzkrise ergriffen
hat und die sich deutlich vom Reaktionsmuster der ersten zehn Jahre der gemeinsamen Geldpolitik unterscheidet,
d)
auszublenden. Schließlich wurde berücksichtigt, dass sich die EZB nur graduell dem konjunkturell angemessenen Zielzins
annähert, um übermäßige Schwankungen der kurzfristigen Zinsen zu vermeiden. Das Ergebnis der Schätzung kann wie folgt
zusammengefasst werden:
b,c)
Zinst = 0,88 Zinst 1 + 0,12 Zielzinst
Zielzinst = 0,56 y + + 1,84 (Et t +12 ) + 2, 03 (Et yt +12 y )
14
4244
3
neutraler Nominalzins
Der Zielzins wurde dann für die Periode Januar 2009 bis Mai 2010 unter der Annahme unveränderter Reaktionskoeffizienten
fortgeschrieben. Für den aktuellen Rand ergibt sich nach dieser Schätzung ein Zielzins für den Euroraum nahe 0%; damit weicht
der in der gegenwärtigen Finanzkrise im Hinblick auf den geldpolitischen Kurs aussagekräftigere Tagesgeldsatz am
Interbankenmarkt mit +0,3% nur noch geringfügig vom konjunkturell angemessenen Zins ab.
In einem zweiten Schritt wurde für jedes einzelne Mitgliedsland des Euroraums ein kontrafaktischer Zielzins für den Zeitraum
Januar 1999 bis Mai 2010 berechnet. Er gibt an, welchen Zins jedes Land setzen würde, verfügte es über eine »nationale EZB«,
die ausschließlich auf die konjunkturelle Situation des jeweiligen Landes reagieren würde. Dabei wurde angenommen, dass die
länderspezifischen kontrafaktischen Reaktionsfunktionen dieselben Reaktionskoeffizienten aufweisen, wie die im ersten Schritt für
e)
den gesamten Euroraum geschätzte Taylor-Regel.
In einem letzten Schritt wird schließlich die Differenz zwischen dem länderspezifischen Zielzins und dem Zielzins der EZB
berechnet. Fällt diese Differenz beispielsweise positiv aus, so würde die konjunkturelle Situation eines Landes einen höheren als
den von der EZB gesetzten Zins erfordern; der Hauptrefinanzierungssatz der EZB wäre demnach nicht angemessen und zu
niedrig. Abbildung 2.2 zeigt diese Differenz für die einzelnen Länder des Euroraums. Für den Zeitraum bis einschließlich 2008
können drei Gruppen identifiziert werden. In Ländern wie Österreich, Belgien, Finnland, Frankreich, Italien und den Niederlanden
waren die Zinsen der EZB im Durchschnitt über diesen Zeitraum angemessen. Phasen mit zu hohen Zinsen wechselten sich mit
Phasen zu niedriger Zinsen ab. In Ländern wie Griechenland, Irland, Spanien, und – zumindest bis 2005 – auch Portugal war die
Zinsdifferenz durchweg positiv und der Zins der EZB somit systematisch zu niedrig. In Deutschland schließlich war die Situation
umgekehrt und der Zins der EZB durchweg zu hoch; hätte eine deutsche EZB die Zinsen für Deutschland gesetzt (gemäß der
Reaktionsfunktion der EZB), wäre der Hauptrefinanzierungssatz in diesem Zeitraum um 0,5 Prozentpunkte niedriger gewesen.
Mit der Finanzkrise änderte sich diese Situation grundlegend. Die Länder, in denen die EZB-Zinsen ehemals zu niedrig waren
(Griechenland, Irland, Spanien), würden aufgrund ihrer schwachen Konjunktur – legte eine nationale EZB die Zinsen für die
jeweiligen Länder fest und gäbe es keine Nullzinsschranke – den Notenbankzins am aktuellen Rand um mehr als 5 Prozentpunkte
unterhalb des EZB-Zielzinses setzen. Auf der anderen Seite zeichnet sich in Deutschland ebenfalls eine grundlegend neue
Situation ab. Im Vergleich zu den übrigen Ländern des Euroraums wird mit einer deutlich schnelleren konjunkturellen Erholung
gerechnet, so dass eine »deutsche EZB« die Leitzinsen am aktuellen Rand um 1,5 bis 2 Prozentpunkte über dem EZB-Zielzins
setzten würde.
Für den Prognosezeitraum (und möglicherweise auch darüber hinaus) kann somit davon ausgegangen werden, dass Deutschland
von Seiten der Geldpolitik eher einen stimulierenden Impuls erhält, während die gemeinsame Geldpolitik für die ehemaligen
Boom-Länder der Euroraumperipherie tendenziell zu restriktiv und damit bremsend wirken dürfte.
a)
Eine ausführliche Darstellung der Vorgehensweise findet sich in J.-E. Sturm und T. Wollmershäuser, »The Stress of Having a Single Monetary
Policy in Europe«, CESifo Working Papers, Nr. 2251, 2008.
b)
Meistens werden in derartigen Reaktionsfunktionen Maße für die Produktionslücke eingesetzt. Hier wird aus verschiedenen Gründen hiervon
abgewichen. Erstens benötigt man für die Messung einer Produktionslücke das Potentialniveau des Outputs. Die Messprobleme hierbei sind
beträchtlich. Walsh (C. Walsh, »Implications of a changing economic structure for the strategy of monetary policy«, Federal Reserve Bank of Kansas
City, Jackson Hole Symposium, 2003, 297–348) argumentiert inzwischen, dass Reaktionsfunktionen mit Wachstumsraten insbesondere dann gute
Performance aufzeigen, wenn man in einer Situation der unvollständigen Informationen ist. Zweitens haben Wachstumsratenzyklen normalerweise
einen deutlichen Vorlauf gegenüber eher klassischen Zyklen, die auf Produktionslücken basieren. Da die Geldpolitik immer mit einer gewissen
Verzögerung wirkt und es Zentralbanken weltweit immer wichtiger geworden ist, Erwartungen zu beeinflussen, werden heute Reaktionsfunktionen
üblicherweise vorausschauend gestaltet. Drittens wird in den meisten theoretischen Modellen vom langfristigen Wachstum abstrahiert. Modelle, die
ein Trendwachstum berücksichtigen, können oft die optimale Zinsregel in Wachstumsraten abbilden. Schliesslich sind die meisten Prognosen in
Wachstumsraten ausgedrückt. (Erwartete) Wachstumsraten sind daher einfacher verfügbar.
c)
Die ältere Literatur verwendet meistens ex-post veröffentlichte und vergangenheitsbezogene Inflations- und Wachstumsraten. Wie z.B. Sauer und
Sturm (S. Sauer und J.-E. Sturm, »Using Taylor rules to understand ECB monetary policy«, German Economic Review 8(3), 2007, 375–398),
argumentieren, versucht die Geldpolitik, zukünftiges Verhalten zu beeinflussen. Daher sollten Taylorregeln vorausschauend spezifiziert werden.
d)
Ein Fortschreiben der bis 2008 geschätzten Reaktionsfunktion bis zum aktuellen Rand würde ergeben, dass die EZB den
Hauptrefinanzierungssatz aufgrund des massiven konjunkturellen Einbruchs bis Oktober 2009 auf unter – 4% hätte senken müssen. Die
Nullzinsschranke ist nur einer der Gründe, warum die EZB von ihrem bisherigen Verhalten abweichen musste.
e)
Diese Annahme ist sicherlich nur eine Approximation der Reaktionsfunktion, die eine nationale Notenbank verfolgen würde, wenn sie über
geldpolitische Autonomie verfügen würde. In der Realität würden sich vermutlich die Reaktionsfunktionen einer Deutschen Bundesbank und der hier
unterstellten deutschen EZB unterscheiden, da die Reaktionskoeffizienten unter anderem von den wirtschaftlichen Strukturen des Währungsraumes
abhängen.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
19
20
Daten und Prognosen
wie eines langsameren Preis- und Lohnauftriebs. Letzteres
verbesserte ihre relative Wettbewerbsfähigkeit und führte zu
(noch) höheren Exportüberschüssen.
Wären die europäischen Stabilitätsmechanismen konsequent angewendet worden, so hätte den nicht nachhaltigen
Entwicklungen frühzeitig und zu weitaus geringeren Kosten
entgegengewirkt werden können.4 Stattdessen kam es zu
einem schockartigen Wirken der weltweiten Wirtschafts- und
Finanzkrise, die die strukturellen Probleme der Defizitländer
deutlich sichtbar machte. Mit dem Wirken der automatischen
Stabilisatoren und infolge der zusätzlichen Konjunkturpakete oder Bakenrettungen nahmen die öffentlichen Defizite
und Schuldenstände in fast allen Mitgliedsstaaten des Euroraums drastisch zu. Dies erhöhte das Risiko eines Zahlungsausfalls der öffentlichen Anleihen insbesondere der
Defizitländer.
Es lassen sich sowohl länderspezifische als auch gemeinsame Gründe für die Verunsicherung der Investoren erkennen. In Griechenland waren der staatliche Fehlbetrag
und die Verschuldungsquote bereits vor der Krise auf einem beunruhigenden Niveau (vgl. Tab. 3.4), was zusammen mit den trüben Wachstumsaussichten für die kommenden Jahre Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Landes aufkommen ließ. In Spanien und Irland brach der arbeitsintensive Bausektor zusammen, so dass sich die Arbeitslosigkeit nahezu verdoppelte und in Spanien derzeit
bei rund 20% verharrt. Da diese Branche blasenbedingt
übertrieben groß war, ist zu erwarten, dass ihr Volumen mittelfristig deutlich unter dem Vorkrisenniveau bleiben wird.
Eine solche Strukturveränderung macht es für die aus dem
Baubereich freigesetzten Arbeitskräfte besonders schwierig, denn sie müssen eine neue Beschäftigung in einem
anderen Sektor finden. Mittelfristig dürfte daher eine verhältnismäßig hohe Arbeitslosigkeit die Staatsfinanzen in Irland und Spanien belasten.
Darüber hinaus gibt es auch einen gemeinsamen Faktor, der
den Investoren Sorgen bereitet – der oben beschriebene
Verlust an relativer Wettbewerbsfähigkeit. Dieser wird die
Defizitstaaten in vergleichsweise geringem Ausmaß von der
Ausweitung des Welthandels in der gegenwärtigen Erholungsphase profitieren lassen. Eine zusätzliche Belastung für
die betrachteten Länder ist ihre Exportstruktur. Diese weist
einen hohen Euroraumanteil auf, während das Gewicht der
4
So warnte die Kommission im Rahmen der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme deutlich vor den Gefahren für die öffentlichen Finanzen in Griechenland. In der Kommissionsempfehlung für den Europäischen Rat vom
8. Januar 2003 heißt es: »…the budgetary developments … is a matter
of serious concern.« (S. 7). Im darauf folgenden Jahr (28.1.2004) wurde
festgestellt: »On the basis of current policies, there is a serious risk of
severe budgetary imbalances emerging in Greece in the future due to an
ageing population, taking also into account the high debt ratio.« (S. 7). Und
die Empfehlung von 22. April 2005 enthält den Satz: »Greece appears to
be at serious risk with regard to the long-term sustainability of public
finances.« (S. 8).
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
boomenden ostasiatischen Schwellenländer verhältnismäßig gering ist. Schließlich sind die Finanzmärkte skeptisch,
dass in den betroffenen Staaten genügend politischer Wille vorhanden ist, kurzfristig schmerzhafte Strukturreformen
durchzuführen, die möglichst rasch zu einer nachhaltigen
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und höherem
Wachstum führen.
Anpassungsmechanismen
Neben der akuten Notwendigkeit, die Staatsfinanzen zu
sanieren, müssen die Defizitländer also dringend ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Ein solcher Prozess
wird von der gemeinsamen Geldpolitik der EZB begünstigt.
Wie Abbildung 2.2 zeigt, liegen seit Mitte 2009 die für die
Schuldenstaaten angemessenen Zinssätze deutlich unter
jenem der EZB. Das Gegenteil ist der Fall in den Überschussländern. Daher dürfte die gemeinsame Geldpolitik in Ländern wie Deutschland die gesamtwirtschaftliche Nachfrage
stimulieren, was eine tendenziell höhere Preis- und Lohninflation nach sich ziehen dürfte als in den Defizitstaaten. Somit leistet der gemeinsame Zentralbankzins einen Beitrag
zur Verbesserung der relativen Wettbewerbsposition der Peripherieländer sowie zum Abbau der Leistungsbilanzdefizite. Bei gegebenen Strukturen dürfte dieser Effekt aufgrund
der verzögerten Wirkung der Geldpolitik erst nach und nach
zum Tragen kommen. Die Defizitländer haben es allerdings
in der Hand, die Geschwindigkeit und Nachhaltigkeit dieser
Anpassung zu erhöhen, indem sie durchgreifende Reformen
durchführen, die vor allem den Arbeitsmarkt und den Lohnsetzungsprozess flexibilisieren. Denkbar sind zum Beispiel
eine Lockerung des Kündigungsschutzes in Spanien, Portugal aber auch Italien, die Beseitigung der Lohnindexierung
in Spanien sowie einer Reihe weiterer Lohnrigiditäten in allen betroffenen Ländern. Über diesen eher indirekten Weg
hinaus können die Regierungen von Portugal, Italien und vor
allem Griechenland auch direkt und nachhaltig den Fiskus
entlasten, indem sie den Staatsapparat schlanker und effizienter machen und eine Vielzahl großzügiger Sozialleistungen abbauen. Blieben solche Reformen aus, so wären die
notwendigen Lohnanpassungen wohl nur über eine lang anhaltende hohe Arbeitslosigkeit herbeizuführen.
Ein weiterer Anpassungsmechanismus folgt direkt aus der
Beobachtung, dass die internationalen Kapitalgeber den Defizitländern gegenüber zu wenig risikobewusst agiert haben.
Die nunmehr erfolgte Neueinschätzung der Risiken kann
einen heilenden Effekt in Bezug auf die Ungleichgeweichte
im Euroraum haben. Sie führt nämlich in der Tendenz dazu,
dass die relativen Ertragsaussichten in den Peripherieländern aus Sicht der ausländischen Investoren zurückgehen.
Folglich wird weniger Kapital in diese Länder fließen und
mehr in den bisherigen Überschussländern bleiben. Dies erhöht in Ländern wie Deutschland das Kapitalangebot und
Daten und Prognosen
damit den Kapazitätsaufbau und letztlich die Wachstumsperspektiven. Nachfrageseitig sind eine kreditbedingt stärkere Inlandsnachfrage, aber auch etwas höhere Inflationsraten als in den vergangenen zehn Jahren zu erwarten. Als
Ergebnis verschlechtern sich Leistungsbilanz und Wettbewerbsfähigkeit in den Überschussländern.
Problematisch ist zwar, dass das im Mai 2010 beschlossene Rettungspaket diesen Wirkungskanal beschädigt hat,
denn es impliziert, dass Griechenland, Spanien, Portugal
und Irland weiterhin Zugang zu günstigen Krediten haben,
für die im Endeffekt vor allem deutsche und französische
Steuerzahler bürgen.5 Dennoch sind in Deutschland die Finanzierungsbedingungen zumindest für den Staat historisch
günstig, aber auch die Kredithürde für private Unternehmen sinkt seit einigen Monaten trotz der enormen Abschreibungsverluste der Banken. Dies gibt Anlass zur Hoffnung,
dass der beschriebene Anpassungsmechanismus über ein
erhöhtes inländisches Kapitalangebot trotz des Rettungspakets wirken könnte. Für die zukünftige Wirksamkeit dieses Anpassungsmechanismus ist essentiell, dass die anstehende Nachfolgeregelung des bis 2013 geltenden Rettungspakets nicht die grundsätzlich aus der relativen Bonität zweier Länder resultierenden Renditedifferenzen durch staatliche Garantien einebnet.
Finanzmärkte geratenen Defizitländer – Portugal, Irland, Griechenland, Spanien und eventuell auch Italien – bis 2013 zu
decken. Diese Frage stellt sich insbesondere deshalb, weil
die Renditen kurzlaufender Anleihen der betroffenen Länder trotz des Rettungsschirms auf hohem Niveau verharren. Dies könnte signalisieren, dass die Finanzmärkte einen
Ausfall dieser Papiere trotz der europäischen Hilfszusicherungen nicht ausschließen. Zwar ist gegenwärtig nur Griechenland auf das Rettungspaket angewiesen. Aber nach wie
vor besteht Unsicherheit, ob die anderen Defizitländer weiterhin am Markt Kapital aufnehmen können. Die Ergebnisse in diesem Abschnitt beziehen sich daher auf das Negativszenario, dass bald alle Defizitländer auf den Hilfsfonds
zurückgreifen müssen.
Zu diesem Zweck wird auf der Basis der Prognosen des
ifo Instituts für das nominale Bruttoinlandsprodukt und
das öffentliche Defizit eine Vorausschätzung des Liquiditätsbedarfs der betroffenen Länder durchgeführt. Der laufende Liquiditätsbedarf einer Regierung entspricht der
Bruttoneuverschuldung, die sich zusammensetzt aus dem
Primärdefizit, den Zinszahlungen auf die ausstehenden
Schulden und dem Ersatz der auslaufenden Schulden.
Die Daten für die Ende 2009 ausstehenden Schulden, aufgeschlüsselt nach Art, Verzinsung und Laufzeit, werden
von den Finanzministerien der einzelnen Staaten zur
Verfügung gestellt.
Ist der Rettungsschirm ausreichend?
Tabelle 2.1 fasst die für die kommenden Jahre prognostizierten Veränderungsraten des realen BIP sowie die Gesamtdefizite (in% des BIP) zusammen. Diese bilden auch
das Basisszenario dieser Analyse. Dabei sind die Werte
für 2010 und 2011 Prognosen des ifo Instituts. Für die folgenden Jahre wird ein schrittweiser Übergang zum langfristigen Wachstumspfad angenommen. Die prognostizierten Defizitquoten basieren auf den Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen, die die Mitgliedsländer der Europäischen
Kommission vorgelegt haben. Allerdings wird davon ausgegangen, dass sich die Konsolidierungspläne um ein bis
zwei Jahre verzögern, da sie auf sehr optimistischen
Wachstumsraten beruhen. Im weiteren Verlauf werden die
Defizitquoten graduell an das vertraglich festgelegte Haushaltsdefizit von 3% des BIP angepasst.
Am 9. Mai 2010 haben die EU-Länder einen finanziellen
Rettungsschirm für von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Euroraummitglieder beschlossen. Das Gesamtvolumen des
Hilfspakets beläuft sich auf 750 Mrd. €. Davon werden
440 Mrd. € über eine neu gegründete Zweckgesellschaft
der EU-Länder bereitgestellt. Weitere 60 Mrd. € kommen
aus dem EU-Etat und die restlichen 250 Mrd. € wird der
Internationale Währungsfonds (IWF) beisteuern. Die in Notfällen erforderlichen Mittel werden von der Zweckgesellschaft am Kapitalmarkt aufgenommen und anschließend
an die in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Staaten zu
einem Zinssatz von etwa 5% weitergereicht. Die Zweckgesellschaft dürfte sich zu Konditionen refinanzieren können, die der durchschnittlichen Bonität der beteiligten Länder entsprechen – voraussichtlich etwa 3%.
Die so aufgenommenen Kredite werden von
Tab. 2.1
den teilnehmenden Staaten gemeinschaftReales Bruttoinlandsprodukt und Budgetsaldo
lich verbürgt.
In diesem Abschnitt soll untersucht werden,
inwieweit der Rettungsschirm ausreicht, um
den Finanzierungsbedarf der ins Visier der
5
Vgl. H.-W. Sinn, »Die Bedeutung des Gewährleistungsgesetzes für Deutschland und Europa,« ifo Schnelldienst 63(10), 2010, Sonderausgabe.
Veränderung des
realen BIP in %
2010 2011 2012
2013
1,3
0,8
1,5
2,0
– 0,8
1,0
2,0
3,0
Portugal
Irland
Griechenland
– 4,0 – 0,5
0,0
Spanien – 0,3
0,2
0,5
Italien
0,8
0,5
0,5
Quelle: Prognose des ifo Instituts.
1,0
1,0
1,0
Budgetsaldo in % des
nominalen BIP
2010 2011 2012 2013
– 8,0 – 8,7 – 7,5 – 6,0
– 11,7 – 12,1 – 11,0 – 10,0
– 9,3
– 10,0
– 5,3
– 9,9
– 8,0
– 5,0
– 8,0
– 6,0
– 4,0
– 7,0
– 4,0
– 4,0
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
21
22
Daten und Prognosen
Nicht berücksichtigt im Basisszenario sind die Sparpakete,
die die Länder dieses Jahr angekündigt haben. Auch ist die
erfolgreiche Emission von Staatsanleihen durch Irland, Spanien und Portugal Mitte Juni nicht ins Basisszenario eingerechnet.6 Beides verbessert die Haushalts- und Finanzierungslage im Vergleich zum Basisszenario und mildert die
Ergebnisse der nachfolgenden Diskussion.
Abb. 2.4
Liquiditätsbedarf
in PIIGS-Ländern
den PIIGS-Ländern
Liquiditätsbedarf in den
Wirtschaftswachstum und Liquiditätsbedarf
2.500
Mrd. Euro
2.000
1.500
Ausgehend vom Basisszenario werden verschiedene Positivszenarien mit höheren Wachstumsraten und umfangreicheren Konsolidierungsmaßnahmen diskutiert, die in einem
geringeren Liquiditätsbedarf der Länder resultieren. Die Berechnungen beruhen auf den von der Europäischen Kommission veröffentlichten Budgetsensitivitäten (»New and Updated Budgetary Sensitivities for the EU Budgetary Surveillance«, Brüssel, 30. September 2005), die angeben, um wie
viel Prozentpunkte sich das Primärdefizit als % des nominalen BIP verändert, wenn sich das reale BIP-Wachstum um
einen Prozentpunkt erhöht. Für den umgekehrten Mechanismus, der Sensitivität der realen BIP-Wachstumsrate gegenüber einem zusätzlichen Konsolidierungsbetrag in % des
nominalen BIP, wird ein Wert von – 1 unterstellt. Ferner wird
angenommen, dass die Mittel aus dem Rettungspaket zu
einem Zinssatz von 5% an die bedürftigen Länder bereitgestellt werden.
1.000
750
500
0
0,0
0,5
1,0
2,0
3,0
3,5
5,0
7,0
8,0
8,5
9,0
11,0
zusätzliches Wachstum des realen BIP in Prozentpunkten
Sparanstrengungen und Liquiditätsbedarf
2500
Mrd. Euro
2000
1500
1000
750
500
0
Im Basisszenario ergibt sich, dass der Rettungsschirm bei
weitem nicht ausreichte, wenn alle fünf Länder (»PIIGS«) zahlungsunfähig würden und sich nicht mehr am Markt refinanzieren könnten. Dem Hilfspaket von 750 Mrd. € stünde
ein Liquiditätsbedarf aller defizitären Länder für den gesamten Zeitraum bis 2013 von über 2 Billionen € gegenüber.
Geht man davon aus, dass Italien zahlungsfähig bleibt, bliebe immerhin knapp eine Billion € zu finanzieren.
Die Sensitivität dieser Schlussfolgerung gegenüber alternativen Annahmen wird im folgenden diskutiert. Zum einen wird untersucht, um wie viel höher als unterstellt die
nationalen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts
sein müssten, damit der Rettungsschirm ausreicht. Zum
anderen wird analysiert, ob schärfere Konsolidierungsmaßnahmen den Finanzierungsbedarf unter die Grenze
von 750 Mrd. € drücken könnten.
Der Einfluss unterschiedlicher Wachstumsannahmen auf den
gesamten Finanzierungsbedarf der betroffenen Länder bis
2013 ist in Abbildung 2.4 dargestellt. Höhere Wachstumsdynamik führt zu steigenden Steuereinnahmen und sinkenden Sozialausgaben, so dass der Haushaltsfehlbetrag und
damit die Bruttoneuverschuldung sinken. Betrachtet man
das erforderliche Volumen aller fünf Länder (»PIIGS«), so zeigt
6
Am 15. Juni 2010 gelang es Spanien und Irland Staatsanleihen im Umfang von 5,2 Mrd. € bzw. 1,5 Mrd. € am Kapitalmarkt zu platzieren. Portugal war am Folgetag bei der Emission öffentlicher Schuldtitel mit einem
Volumen von 718 Mill. € ebenfalls erfolgreich.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
4,0
6,0
8,0
10,0
10,5 11,0
zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen in % des nominalen BIP
Liquiditätsbedarf PIIGS
Rettungsschirm
Liquiditätsbedarf PIGS
Quelle:
des ifo
Quelle:Berechnungen
Berechnungen
desInstituts.
ifo Instituts.
sich, dass das Bruttoinlandsprodukt um über 8 Prozentpunkte pro Jahr schneller zulegen müsste als im Basisszenario angenommen, damit der Finanzierungsbedarf die Grenze von 750 Mrd. € nicht übersteigt. Selbst wenn der Kreis
der bedürftigen Länder auf Portugal, Irland, Griechenland
und Spanien (»PIGS«) eingeschränkt wird, ergibt sich ein
notwendiges Wachstumsplus von 3,5 Prozentpunkten. Beides ist selbst für konjunkturell gute Zeiten vollkommen
unrealistisch.
Alternativ könnten größere Konsolidierungsanstrengungen
in den betroffenen Ländern dazu führen, dass die Defizite
und damit die gesamte Bruttoneuverschuldung zurückgehen. Für den Kreis aller fünf Länder wären jedes Jahr zusätzliche Einsparungen in Höhe von über 10% ihres Bruttoinlandsprodukts erforderlich, damit der Finanzierungsbedarf
auf 750 Mrd. € gedrückt werden könnte (vgl. Abb. 2.4). Auch
dies erscheint unerreichbar. Nimmt man Italien aus in der
Annahme, dass sich dieses Land weiter am Kapitalmarkt
finanzieren kann, so schrumpft das über die bereits beschlossenen Maßnahmen hinausgehende, notwendige Konsolidierungsvolumen auf jährlich knapp 2% des Bruttoinlands-
Nic
die
erf
nie
rec
run
Erg
Au
tivs
che
ge
rec
mis
Daten und Prognosen
produkts. Dies ist eine ökonomisch machbare Größenordnung, politisch aber wohl nur sehr schwer umzusetzen, denn
bereits jetzt werden in den Ländern Proteste gegen die öffentlichen Einsparungen laut.
Insgesamt ist zu konstatieren, dass das Rettungspaket der
EU und des IWF trotz seines gewaltigen Volumens von
750 Mrd. € nicht groß genug ist, um allen derzeit als unsicher geltenden Staaten bis 2013 eine reibungslose Finanzierung zu gewährleisten. Selbst intensivere Sparbemühungen und eine schnellere konjunkturelle Erholung als im
– durchaus realistischen – Basisszenario unterstellt wären
wohl kaum ausreichend, um den Bedarf unter den zur Verfügung stehenden Betrag zu reduzieren. Dies ist ein möglicher Erklärungsbeitrag dafür, dass die Investoren selbst für
kurzlaufende Anleihen der betroffenen Länder, die innerhalb des Gewährleistungszeitraums fällig werden, nach wie
vor hohe Renditen verlangen. Darüber hinaus ist derzeit
unklar, wie sich die Finanzierungssituation in den Folgejahren ab 2014 darstellen wird. Insbesondere für einen hochverschuldeten Staat wie Griechenland sind die Perspektiven bestenfalls verhalten.
Die Konsequenz dieses Ergebnisses kann jedoch nicht eine Ausweitung des Rettungsschirms hinsichtlich seines
Volumens oder Garantiezeitraums sein. Dies würde die
europäischen Zinsdifferenzen wieder einebnen und damit den weiter oben beschriebenen Anpassungsmechanismus torpedieren. Vielmehr sollte die in einer Marktwirtschaft eigentlich selbstverständliche Beteiligung der
Investoren an möglichen Verlusten in den Mittelpunkt gerückt werden. Dies könnte über einen wohldefinierten und
für Anleger kalkulierbaren Haircut geschehen. Konkrete
Vorschläge, welche Punkte zu berücksichtigen sind, liegen auf dem Tisch.7 Die Politik ist nun aufgefordert, diese Vorschläge aufzunehmen und rechtzeitig in tragfähige
Regeln umzusetzen, bevor das Misstrauen der Märkte wieder überhand nimmt.
Abb. 3.1
Wirtschaftswachstum und ifo Wirtschaftsklima für die Industrieländer
6
%
Index 2005 = 100
140
4
120
2
100
0
80
Reales BIPa)
(linke Skala)
ifo Wirtschaftsklimab)
für die Industrieländer
-2
60
(rechte Skala)
-4
40
95
96
97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
a)
Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem jeweiligen Vorjahr in %.
Arithmetisches Mittel der Bewertung der gegenwärtigen Lage und der erwarteten Entwicklung.
Quelle: IWF, World Economic Outlook, Database April 2010; Ifo World Economic Survey (WES) II/2010;
Berechnungen und Prognose des ifo Instituts.
b)
Wirtschaftswachstum und ifo Wirtschaftsklima für die Schwellenländer
10
%
Index 2005 = 100
125
ifo Wirtschaftsklimab)
für die Schwellenländer
(rechte Skala)
8
110
6
95
4
80
2
65
Reales BIPa)
(linke Skala)
0
50
95
96
97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
a)
Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem jeweiligen Vorjahr in %.
b)
Arithmetisches Mittel der Bewertung der gegenwärtigen Lage und der erwarteten Entwicklung.
Quelle: IWF, World Economic Outlook, Database April 2010; Ifo World Economic Survey (WES) II/2010;
Berechnungen und Prognose des ifo Instituts.
Wirtschaftswachstum und ifo Wirtschaftsklima für Ostasien ohne China
12
%
Index 2005 = 100
145
9
130
6
115
3
100
0
85
Reales BIPa)
(linke Skala)
-3
70
ifo Wirtschaftsklimab)
für Ostasien ohne China
-6
55
(rechte Skala)
-9
40
95
96
97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
a)
3. Zur Entwicklung der Wirtschaft in
ausgewählten Ländern und Regionen
Die Erholung der Weltwirtschaft hat sich zu Beginn des
Jahres 2010 fortgesetzt. Besonders hoch ist die Dynamik in den Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas
sowie in Japan. Aber auch in den USA und im Euroraum
ist die gesamtwirtschaftliche Produktion, unterstützt durch
die staatlichen Konjunkturprogramme, die expansiv wirkende Geldpolitik und die Lageraufstockung, im ersten
Quartal 2010 spürbar angestiegen. Für den Prognoseho-
Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem jeweiligen Vorjahr in %.
b)
Arithmetisches Mittel der Bewertung der gegenwärtigen Lage und der erwarteten Entwicklung.
Quelle: IWF, World Economic Outlook, Database April 2010; Ifo World Economic Survey (WES) II/2010;
Berechnungen und Prognose des ifo Instituts.
Wirtschaftswachstum und ifo Wirtschaftsklima für Lateinamerika
9
%
Index 2005 = 100
140
ifo Wirtschaftsklimab)
für Lateinamerika
(rechte Skala)
6
110
3
80
0
50
Reales BIPa)
(linke Skala)
-3
20
95
96
97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
a)
7
Vgl. C. Fuest, W. Franz, M. Hellwig und H.-W. Sinn, »Zehn Regeln zur
Rettung des Euro«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Juni 2010, S. 10.
Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem jeweiligen Vorjahr in %.
b)
Arithmetisches Mittel der Bewertung der gegenwärtigen Lage und der erwarteten Entwicklung.
Quelle: IWF, World Economic Outlook, Database April 2010; Ifo World Economic Survey (WES) II/2010;
Berechnungen und Prognose des ifo Instituts.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
23
24
Daten und Prognosen
Abb. 3.2
Realer Welthandel
15
a)
Veränderung gegenüber Vorquartal in %
15
10
10
Asien (ohne Japan)
5
5
0
0
Lateinamerika
-5
-5
-10
Industrieländer b)
-15
-10
-15
2005
2006
2007
2008
2009
2010
a)
Auf Dollarbasis; saisonbereinigter Mittelwert aus Importen und Exporten.
b)
OECD-Länder ohne Türkei, Mexiko, Korea und mittelosteuropäische Länder.
Quelle: CPB Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis; Berechnungen des ifo Instituts.
rizont sind die konjunkturellen Aussichten jedoch sehr heterogen. So deutet das ifo Weltwirtschaftsklima für die
Industrieländer, das den Absturz der gesamtwirtschaftlichen Produktion im vergangenen Jahr gut abgebildet hat,
für das zweite Quartal eine insgesamt moderatere konjunkturelle Dynamik an (vgl. Abb. 3.1). Demgegenüber liegt
der Indikator in den Schwellenländern bereits wieder auf
dem hohen Niveau des Jahres 2007 und zeigt eine anhaltend kräftige Expansion der gesamtwirtschaftlichen Produktion an. Besonders hoch werden die Zuwächse der
gesamtwirtschaftlichen Produktion weiterhin in Ostasien
sowie in Lateinamerika sein.
Für diese Regionen kann durchaus eine gewisse Abkoppelung von der Entwicklung der großen Industrienationen diagnostiziert werden. So expandiert der Handel nach dem
Ende der globalen Rezession dort sehr rasch, während er
in den Industrieländern bereits merklich an Dynamik verloren hat (vgl. Abb. 3.2).
In den Industrieländern hat die gesamtwirtschaftliche Produktion aufgrund der hohen Auslandsnachfrage sowie kräftiger Wachstumsbeiträge der Lagerinvestitionen zu Beginn
des Jahres erneut kräftig expandiert. Im Prognosezeitraum
sind die Belastungen für die Konjunktur jedoch immens.
Die dramatische Verschlechterung der öffentlichen Finanzen und die damit einhergehenden Konsolidierungszwänge, die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit sowie das allmähliche Auslaufen des Lageraufbaus werden die konjunkturelle Dynamik bremsen. Insbesondere das Auslaufen der
fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen und die bereits beschlossenen Sparmaßnahmen – speziell in den Ländern der Eurozone – werden die wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen. Zudem ist der Bankensektor in vielen Ländern infolge des hohen Bedarfs an Wertberichtigungen auf verbriefte Kredite im Zuge der Finanzkrise angeschlagen und die Herabstufung der Bonität von Staatsschuldtiteln belastet vor allem im Euroraum zusätzlich die
Bilanzen. Obwohl sich die Kreditstandards weiter verbessert haben, sind die Kreditvolumina gegenüber dem Vorjahr rückläufig. Während die schwache Kreditentwicklung
Tab. 3.1
Reales Bruttoinlandsprodukt und Verbraucherpreise in der Welt
Gewicht
a)
Bruttoinlandsprodukt
Verbraucherpreise
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
2009
2010
2011
2009
2010
2011
Industrieländer
EU-27
21,3
– 4,1
1,0
1,1
0,8
1,8
1,3
USA
20,5
– 2,4
3,2
1,8
– 0,3
1,6
1,2
Japan
6,0
– 5,2
2,9
1,6
– 1,4
– 0,9
– 0,4
b)
Industrieländer insg.
50,4
– 3,5
2,2
1,5
0,1
1,4
1,1
Schwellenländer
Russland
3,0
– 7,9
5,5
4,0
China und Hongkong
13,0
8,7
9,6
8,9
Indien
5,1
6,1
7,5
7,0
c)
Ostasien ohne China
6,4
0,1
4,5
4,0
d)
Lateinamerika
7,2
– 2,0
3,8
4,2
Schwellenländer insg.
34,7
3,0
6,8
6,3
Nachrichtlich:
e)
Weltwirtschaft
– 0,6
4,1
3,5
f)
ifo Exportindikator
– 2,3
2,2
2,2
g)
Welthandel, real
– 10,9
12,0
7,5
Annahmen
Ölpreis $/Barrel (Brent)
78
79
Wechselkurs $/
1,26
1,20
a)
b)
Gewichtet mit Kaufkraftparitäten des Jahres 2009. – Gewichteter Durchschnitt aus den EU-27-Ländern, USA, Japan,
c)
Kanada, Schweiz und Norwegen. – Gewichteter Durchschnitt aus Südkorea, Indonesien, Taiwan, Thailand, Malaysia,
d)
Singapur und den Philippinen. – Gewichteter Durchschnitt aus Brasilien, Mexiko, Argentinien, Venezuela, Kolumbien und
e)
f)
Chile. – Weltwirtschaft nach Abgrenzung des IWF. – Bruttoinlandsprodukte von 25 Ländern gewichtet mit Anteilen am
g)
deutschen Export. – Welthandel von Waren und Dienstleistungen in Abgrenzung der OECD.
Quelle: OECD; IWF; Berechnungen des ifo Instituts; 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Daten und Prognosen
aktuell durch die stark gesunkene Nachfrage getrieben sein
dürfte, könnte eine Angebotsverknappung im weiteren
Prognosezeitraum die konjunkturelle Dynamik zusätzlich
bremsen. Als Folge der weiterhin geringen Kapazitätsauslastung entspannt sich die Situation auf den Arbeitsmärkten, vor allem in den USA, nur allmählich. Der Preisauftrieb bleibt in den Industrieländern auch im Prognosezeitraum äußerst gering, so dass die Notenbanken ihren expansiven Kurs vorerst beibehalten werden.
Die anhaltend kräftige Expansion in den Schwellenländern hat verschiedene Gründe. So war der Absturz der
gesamtwirtschaftlichen Produktion im Zuge der weltweiten Finanzkrise deutlich weniger ausgeprägt als in den
Industrieländern. Verantwortlich hierfür war insbesondere der bessere Zustand der Bilanzen sowohl im Bankensektor als auch auf Unternehmensebene und beim Staat.
Die relativ moderaten Schuldenquoten ermöglichten es
vielen Schwellenländern, umfangreiche fiskalpolitische
Maßnahmen zu implementieren, die insbesondere die Binnennachfrage nach wie vor anregen. Zudem entfaltet die
Geldpolitik nach dem raschen Absenken der Refinanzierungssätze – in einigen Schwellenländern wurden Leitzinsen sogar stärker gesenkt als in den Industrieländern
– weiterhin ihre expansive Wirkung, auch wenn einige Notenbanken bereits erste Schritte zur Normalisierung der
monetären Rahmenbedingungen eingeleitet haben. Positiv wirkt sich dabei aus, dass der Bankensektor im Großteil der Schwellenländer kaum durch Abschreibungsverluste als Folge der amerikanischen Immobilienkrise geschwächt wurde und den Impuls günstigerer Refinanzierungsmöglichkeiten besser an die private Wirtschaft weiter gegeben hat. Die Exporte aus den Schwellenländern
Asiens und Lateinamerikas werden aktuell zudem durch
den Umschwung im Lagerzyklus in wichtigen Absatzmärkten wie den USA und Europa gestützt. Wichtige Länder der Regionen wie Brasilien und Indonesien profitieren zusätzlich von kräftig gestiegenen Rohstoffpreisen.
Die günstigen Wachstumsaussichten und eine gestiegene Risikobereitschaft der internationalen Investoren verstärken zudem den Kapitalstrom in diese Volkswirtschaften und erhöhen die Liquidität. So haben sich die Aktienkurse in den meisten Schwellenländern der Regionen
in den vergangenen Monaten deutlich besser entwickelt
als in den Industrienationen und die Risikoaufschläge
auf Staatsanleihen sind auf ein historisch niedriges Niveau gesunken.
Auch im Prognosezeitraum werden die Schwellenländer
deutlich rascher expandieren als die Industrieländer. Insgesamt wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt, nach Abgrenzung des internationalen Währungsfonds mit Kaufkraftparitäten gewichtet, 2010 um 4,1% und 2011 um 3,5% zunehmen (vgl. Tab. 3.1). In den Industrieländern wird sich der Anstieg des Preisniveaus als Folge der geringen konjunkturel-
len Dynamik weiter abschwächen. In einigen Schwellenländern bleibt der Preisauftrieb jedoch angesichts der starken
binnenwirtschaftlichen Entwicklung hoch. Die Arbeitslosigkeit wird weltweit zurückgehen, wenn auch in geringerem
Tempo.
Die Prognose stützt sich auf die technische Annahme, dass
der Preis für Rohöl der Sorte Brent im Prognosezeitraum um
79 US-Dollar schwankt und dass sich der Wechselkurs des
Euro bei rund 1,20 US-Dollar stabilisiert. Der Welthandel
nach Abgrenzung der OECD dürfte im Jahr 2010 um 12%
und 2011 um 7,5% steigen.
Vereinigte Staaten
In den USA setzt sich die konjunkturelle Erholung im Frühjahr 2010 fort. Getrieben von einem kräftigen Anstieg der
privaten Konsumausgaben legte das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um 0,8% zu, nachdem es im
vierten Quartal 2009 sogar um 1,4% gestiegen war. Positive Wachstumsbeiträge lieferten ferner die Lagerinvestitionen, die zum ersten Mal seit Ende 2008 einen Anstieg
im Vergleich zum Vorquartal verzeichneten, sowie die Ausrüstungsinvestitionen, die sich in einer zyklischen Aufschwungsphase befinden und durch hohe Zuwächse im
Bereich Software und Transport getrieben wurden. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen wird dabei durch stark
gestiegene Unternehmensgewinne unterstützt, die seit
Frühjahr 2009 um rund 10% pro Quartal nach Steuern
zugelegt haben und damit bereits wieder ihr Vorkrisenniveau erreicht haben.
Im Gegensatz dazu hält die Rezession im Gewerbebau weiterhin an und auch die Investitionen im privaten Wohnungsbau waren erneut rückläufig. Beide Komponenten stehen
aktuell nur noch für jeweils 1/5 der gesamten privaten Investitionen. Da die Einfuhren stärker ausgeweitet wurden als die
Ausfuhren, lieferte der Außenhandel einen negativen Wachstumsbeitrag. Die Ausgaben des Staates verringerten sich
überraschend deutlich um 0,5%, da insbesondere die Bundesstaaten und Kommunen zum Abbau der hohen Budgetdefizite ihre Investitionstätigkeit stark verringerten.
Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Monaten aufgehellt. Nachdem im Verlauf der Krise mehr als
8 Mill. Arbeitsplätze abgebaut wurden, ist die Beschäftigung
seit Jahresbeginn um rund 1 Mill. Personen gestiegen (vgl.
Abb. 3.3). Der Anstieg der Beschäftigung ist aktuell jedoch
durch einen hohen temporären Stellenaufbau im Staatssektor überzeichnet. So sind allein im Mai 411 000 kurzfristige
Arbeitsplätze für die im laufenden Jahr anstehende Volkszählung geschaffen worden. Im privaten Sektor hat sich
der Beschäftigungsaufbau dagegen wieder spürbar verlangsamt, so dass insgesamt eine klare Trendwende am Arbeits63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
25
26
Daten und Prognosen
Abb. 3.3
Konjunkturelle Entwicklung in den Vereinigten Staaten seit 2005
Private Konsumausgabena)
Verfügbares Einkommenc)
%
Mrd. US-$
2400
9
2300
6
16
%
12
8
(linke Skala)
16
12
Staatliche
Transferzahlungen
Konsum
2200
%
8
3
4
2100
4
0
0
laufende Jahresrate
(rechte Skala)
2000
-3
1900
-6
2005
2006
2007
2008
Außenhandel
2009
500
-4
Arbeitnehmerentgeld
-8
2010
-8
2005
2006
2007
a)b)
2008
2009
2010
Preisec)
Mrd. US-$
600
0
-4
Mrd. US-$
6
Importe
%
%
6
4
(linke Skala)
4
400
Exporte
(linke Skala)
300
2
200
-80
2
Kerninflationsrate
0
0
0
100
Saldo (rechte Skala)
Konsumentenpreise
-160
-240 -2
0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
-2
2005
Arbeitsmarkt
2007
2008
2009
2010
Kapazitätsauslastung
Mill. Personen
148
2006
%
12
85
Index, saisonbereinigt
%
10
Kapazitätsauslastung
(linke Skala)
146
81
5
77
0
10
144
Erwerbstätiged)
(linke Skala)
142
8
-5
73
140
Arbeitslosenquote
(rechte Skala)
6
138
c)
Industrieproduktion
69
-10
(rechte Skala)
136
4
2005
2006
2007
2008
2009
2010
markt noch nicht erkennbar ist. Da auch die
Anzahl der Erwerbspersonen kräftig gestiegen ist, liegt die Arbeitslosenquote im Mai mit
9,7% weiterhin auf einem historisch sehr hohen Niveau.
Trotz des Anstiegs der Beschäftigung seit
Jahresbeginn expandierten die Nominallöhne nur sehr verhalten, auch weil die Kapazitätsauslastung nach wie vor außergewöhnlich niedrig ist. Die realen Arbeitnehmerentgelte liegen deshalb weiterhin deutlich unter dem Vorjahreswert. Bedingt durch
eine kräftige Erhöhung der staatlichen
Transferzahlungen um 2,5% sind die real
verfügbaren Einkommen insgesamt im ersten Quartal zwar um 0,5% gestiegen; ohne die staatlichen Transfers wären sie jedoch erneut rückläufig gewesen. Dies verdeutlicht die starke Abhängigkeit der Einkommensentwicklung und damit letztlich
auch des privaten Konsums von staatlichen
Unterstützungen. Zudem wurde die merkliche Erhöhung der Ausgaben der privaten
Haushalte im ersten Quartal zu einem großen Teil durch einen deutlichen Rückgang
der Sparquote finanziert, die aktuell bei
3,6% liegt nachdem sie im Mai 2009 bereits auf 6,4% angestiegen war.
-15
65
2005
2006
2007
2008
2009
2010
a)
Real, saisonbereinigte Werte.
b)
Waren und Dienstleistungen.
c)
Veränderung gegenüber Vorjahr in %.
d)
Zivile Erwerbstätige insgesamt, saisonbereinigt.
Quelle: Bureau of Labor Statistics; Federal Reserve; U.S. Department of Commerce; Berechnungen des ifo Instituts.
Tab. 3.2
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in den USA
2009
Veränderung gegenüber dem
Vorjahr in %
Reales Bruttoinlandsprodukt
– 2,4
Privater Konsum
– 0,6
Staatskonsum und -investitionen
1,8
Private Bruttoanlageinvestitionen
– 23,2
Inländische Verwendung
– 3,4
Exporte
– 9,6
Importe
– 13,9
a)
Außenbeitrag
1,0
Verbraucherpreise
– 0,3
In % des nominalen
Bruttoinlandsprodukts
b)
Budgetsaldo
– 9,9
Leistungsbilanzsaldo
– 2,9
In % der Erwerbspersonen
Arbeitslosenquote
9,2
a)
b)
Wachstumsbeitrag. – Gesamtstaatlich, Fiskaljahr
2010
2011
3,2
2,2
0,6
15,0
3,4
9,9
9,2
– 0,2
1,6
1,8
1,3
0,9
6,1
1,8
4,9
4,2
0,0
1,2
– 9,8
– 2,8
– 8,6
– 2,8
9,5
9,2
Quelle: U.S. Department of Commerce, Bureau of Economic Analysis;
Bureau of Labor Statistics; Berechnungen des ifo Instituts; 2010 und 2011:
Prognose des ifo Instituts.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Sowohl die Entwicklung der verschiedenen
Einkommenskomponenten als auch die
stark gesunkene Sparquote deuten auf eine nachlassende Konsumdynamik im Prognosezeitraum hin. Auch werden die Finanzund Sachvermögen, deren kräftige Zunahme die amerikanischen Haushalte seit Ende der 1990er Jahre zur Finanzierung ihrer
hohen Konsumausgaben genutzt haben, infolge der anhaltenden Belastungen aus der
Immobilien- und Finanzkrise nur verhalten
expandieren.8 So haben die Aktienmärkte
nach einer kräftigen Erholung zu Beginn des
Jahres seit Mai erneut rund 10% verloren.
Die Hauspreise stagnieren nach einer leichten Erholung seit Jahresbeginn wieder und
wichtige Frühindikatoren wie Baubeginne
und Baugenehmigungen deuten auf eine
weiterhin geringe Dynamik hin. Grund hierfür ist neben einer anhaltend geringen Nach-
8
Für die Bedeutung der Vermögensentwicklung für die
privaten Konsumausgaben in den USA vgl. K. Carstensen et al., »ifo Konjunkturprognose 2008/2009: Aufschwung geht zu Ende«, ifo Schnelldienst 61(12), 2008,
9–54, hier: S. 17.
Daten und Prognosen
Abb. 3.4
Anteil der Hypothekenkredite in Zahlungsverzug oder Zwangsvollstreckung
16
%
%
16
Zwangsvollstreckung
> 90 Tage
12
12
60 Tage
austauschvereinbarungen wurden im Mai diesen Jahres reaktiviert, um die Versorgung ausländischer Geschäftsbanken durch ihre jeweiligen Zentralbanken mit US-Dollar zu gewährleisten, deren Nachfrage im Zuge der europäischen
Schuldenkrise wieder deutlich gestiegen war.
30 Tage
8
8
4
4
0
I
II III IV
2005
I
II III IV
2006
I
II III IV
2007
I
II III IV
2008
I
II III IV I
2009
2010
0
Quelle: National Delinquency Survey, Mortgage Bankers Association.
frage nach Immobilien das weiterhin steigende Angebot an
bestehenden Häusern. So nehmen die Zahlungsausfälle bei
Hypothekenkrediten immer noch zu (vgl. Abb. 3.4). Zudem birgt
das Auslaufen wichtiger staatlicher Unterstützungsmaßnahmen
das Risiko eines erneuten Rückgangs der Hauspreise.9 Analog zeigen die Umfragen zum Verbrauchervertrauen weiterhin
eine geringe Zuversicht der amerikanischen Konsumenten an
und die Dynamik der monatlichen Konsumausgaben hat sich
im April bereits wieder spürbar verlangsamt.
Begünstigt durch die moderate Lohnentwicklung verlangsamte sich der Preisauftrieb gemessen am Konsumentenpreisindex
im Mai auf 2,0%, nachdem die Inflationsrate im vergangenen
Jahr aufgrund der Erholung von Energie- und Rohstoffpreisen
binnen weniger Monate von – 2,0% auf 2,8% geklettert war.
Ein Auslaufen dieser Basiseffekte wird in den nächsten Monaten zu einem weiteren Absinken der Teuerungsrate führen. Auch
die Kerninflation ist weiterhin rückläufig und liegt mit aktuell 1,0%
auf dem niedrigsten Niveau seit den 1960er Jahren. Aufgrund
der noch immer schwach ausgelasteten Kapazitäten und sinkender Lohnstückkosten vor allem im verarbeitenden Gewerbe sowie infolge eines mit dem Preisverfall am Immobilienmarkt
einhergehenden Rückgangs der Mietkosten ist erst im nächsten Jahr wieder mit einem Inflationsanstieg zu rechnen.
Vor dem Hintergrund des geringen Preisauftriebs und der
weiterhin angespannten Lage am Arbeitsmarkt hält die amerikanische Notenbank bis auf weiteres an ihrer faktischen
Nullzinspolitik fest. Mit dem offiziellen Auslaufen der Aufkaufprogramme für hypothekenbesicherte Wertpapiere zum
31. März 2010 hat sie bereits einen wesentlichen Teil ihres
Maßnahmenpakets zur Stabilisierung der Finanzmärkte abgeschlossen. Eine Ausnahme hiervon stellt die jüngste Wiederbelebung so genannten Swap-Lines dar. Diese schon zu
Beginn der Finanzmarktkrise abgeschlossenen Währungs9
So ist das First-Time Homebuyer Tax Credit, ein Programm für Steuergutschriften in Höhe von 8 000 US-Dollar für Erstkäufer und von 6 500 USDollar für Käufer weiterer Immobilien Ende April 2010 ausgelaufen.
Von dieser Maßnahme abgesehen wirkt sich die europäische Krise bisher kaum auf das amerikanische Finanzsystem aus. So war am Interbankenmarkt lediglich ein leichter
Anstieg der Risikoaufschläge zu beobachten. Aus diesem
Grund hält die amerikanische Geldpolitik weiterhin an ihrer
Strategie eines langsamen, aber kontinuierlichen Ausstiegs
aus den Maßnahmen der quantitativen Lockerung fest. Dabei könnte die europäische Krise der Notenbank ihren Rückzug aus den Stützungsprogrammen am Hypothekenmarkt
sogar erleichtern. So führte die zuletzt starke Nachfrage nach
amerikanischen Anleihen zu einem Absinken des langfristigen
Zinsniveaus, von dem auch der Hypothekenmarkt profitierte.
Ein nach dem Auslaufen der Stützungsprogramme erwarteter Anstieg der Hypothekenzinsen blieb zunächst aus. Dämpfende Effekte auf den Konsum und den Häusermarkt wurden hierdurch verschoben. Dennoch sind nennenswerte Verkäufe hypothekenbesicherter Wertpapiere, die zurzeit etwa
die Hälfte der Notenbankbilanz ausmachen, vorerst nicht geplant. Mit der Veräußerung dieser Papiere wird die Notenbank
nach eigener Aussage erst nach dem Eintritt in den nächsten Zinsanhebungszyklus beginnen. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit sowie der noch geringen Inflationsgefahr ist in
diesem Jahr jedoch kaum mit einem Anstieg der Leitzinsen
zu rechnen, und auch im nächsten Jahr ist nur ein moderater Anstieg der Fed Funds Rate zu erwarten. Bis dahin wird
die amerikanische Notenbank die aktuell nur auf Tagesbasis
eingestellten Überschussreserven des Bankensektors zunehmend durch Schuldvereinbarungen mit längeren Laufzeiten,
vor allem durch Term Deposits und Repo-Geschäfte, ersetzen, um auf diese Weise das inflationäre Potenzial der angewachsenen Geldmenge zu neutralisieren.
Trotz der Entspannung an den Finanzmärkten liegt das Defizit der öffentlichen Haushalte im Fiskaljahr 2010 nur knapp
unter dem Rekordniveau des Vorjahres. Für einen leichten
Rückgang des Fehlbetrags sorgten vor allem die rückläufigen Aufwendungen für die Rekapitalisierung des Bankensektors, den Einlagensicherungsfonds und die staatsnahen Hypothekenfinanzierer. Rechnet man diese Sondereffekte heraus, lag das laufende Defizit im aktuellen Fiskaljahr
bisher um 257 Mrd. US-Dollar höher als im Vorjahr. Dabei
verschlechterte sich die Einnahmeseite vor allem durch einen Rückgang der Einkommenssteuern, während auf der
Ausgabeseite steigende Aufwendungen für Gesundheit und
Soziales, insbesondere für die Arbeitslosenunterstützung,
zu Buche schlugen. Zudem wird die aktuelle Haushaltslage
noch von einem Ausgabeanstieg im Zuge des Konjunkturprogramms ARRA überschattet. Während das Auslaufen
der fiskalpolitischen Stimuli die konjunkturelle Dynamik im
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
27
28
Daten und Prognosen
Abb. 3.5
Reales Bruttoinlandsprodukt in den USA
Saisonbereinigter Verlauf
Index
110
%
12
1,8%
106
2,1%
8
-2,4%
2,7%
102
3,2%
0,4%
4
0
98
Prognosezeitraum
laufende Jahresrate a)
Jahresdurchschnitt b)
1. Quartal 2006 = 100
94
-4
90
-8
2006
2007
2008
2009
2010
2011
a)
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
b)
Zahlenangabe: Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Bureau of Economic Analysis; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
Prognosezeitraum wohl zunehmend bremsen wird, dürfte sich die Haushaltslage hierdurch im nächsten Jahr etwas entspannen. Auch mit einer graduellen Erholung der
Einkommenssteuern und der weniger bedeutenden Körperschaftssteuern ist zu rechnen. Darüber hinaus enden
zum 31. Dezember zeitlich befristete Steuererleichterungen aus der Bush-Ära, über deren Verlängerung noch diskutiert wird. Somit besteht bereits im Fiskaljahr 2011 die
Möglichkeit zu einem deutlichen Rückgang des Primärdefizits. Eine Sanierung des amerikanischen Bundeshaushaltes hängt allerdings auch in nennenswertem Umfang
von der Arbeitsmarktentwicklung ab. Im Prognosezeitraum stellen steigende Sozialausgaben sowie ein drohender Zinsanstieg wesentliche Belastungsfaktoren für die
öffentlichen Haushalte dar. Für das Fiskaljahr 2010 wird
deshalb mit einem Budgetdefizit von 9,8% des Bruttoinlandsprodukts gerechnet, für 2011 mit einer Reduktion
auf 8,6% (vgl. Tab. 3.2).
sich die konjunkturelle Dynamik im weiteren Prognosezeitraum jedoch spürbar verlangsamen. Insbesondere die privaten Konsumausgaben dürften mit deutlich geringeren
Raten expandieren, die sich an der schwachen Entwicklung der verfügbaren Einkommen orientieren. Eine Finanzierung der Ausgaben durch fortlaufendes Entsparen ist
nur noch sehr begrenzt möglich, da die Sparquote bereits
wieder auf einem sehr geringen Niveau liegt. Angesichts
ihres immer noch sehr hohen Schuldenstandes und der
krisenbedingten Vermögensverluste werden die Haushalte vielmehr ihre Verschuldung zunehmend zurückfahren, so dass die Sparquote im Trend wieder steigen dürfte. So bleibt auch die Kreditnachfrage weiterhin schwach;
auch wird der Hypothekenmarkt weiter unter dem Zusammenbruch des Verbriefungsmarktes leiden.
Der Gewerbebau wird im Prognosezeitraum vorerst in der
Rezession bleiben und auch der private Wohnungsbau dürfte allenfalls stagnieren. In beiden Fällen bremsen hohe Leerstände die Investitionstätigkeit. Am privaten Häusermarkt
steigt zudem die Zahl der Zwangsvollstreckungen weiter an.
Das Auslaufen staatlicher Unterstützungsmaßnahmen wie
zinslose Darlehen und künstlich niedrig gehaltene Hypothekenzinsen dürften die Nachfrage nach Wohnimmobilien
bremsen.
Insgesamt wird sich der Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts 2011 auf 1,8% verlangsamen. Trotz der prognostizierten Konsumschwäche wird sich das Leistungsbilanzdefizit dabei wohl nur geringfügig abbauen. Die Arbeitslosigkeit wird im Prognosezeitraum nur graduell zurückgehen und der gesamtwirtschaftliche Preisauftrieb bleibt mit
1,6% im laufenden Jahr und 1,2% in 2011 voraussichtlich
sehr moderat.
Trotz der mittelfristigen Belastungsfaktoren deuten wichtige
Frühindikatoren eine hohe Expansionsgeschwindigkeit im Sommerhalbjahr an. So sind die Industrieproduktion und die Auftragseingänge weiterhin aufwärtsgerichtet und der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe signalisiert eine
anhaltend positive Stimmung der Unternehmen. Getrieben von
einer fortgeführten Korrektur bei den Lagerinvestitionen und
kräftigen Zuwächsen der Ausrüstungsinvestitionen, die durch
Nachholeffekte weiter gestützt werden, sowie unterstützt durch
positive Effekte der staatlichen Konjunkturprogramme, dürfte
die gesamtwirtschaftliche Produktion erneut spürbar ansteigen.
Als Folge der robusten Entwicklung der verfügbaren Einkommen zu Jahresbeginn und der Aufwertung des Dollars dürfte
der Außenbeitrag im laufenden Jahr insgesamt leicht negativ
ausfallen. Im Jahresdurchschnitt wird das reale Bruttoinlandsprodukt um 3,2% expandieren (vgl. Abb 3.5).
Japan
Mit dem Ende des Lageraufbaus sowie dem Auslaufen
der positiven Effekte der fiskalpolitischen Maßnahmen wird
Bereits veröffentlichte Zahlen vom April deuten darauf hin,
dass die wirtschaftliche Aktivität in Japan im laufenden Quar-
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Die japanische Wirtschaft setzte ihren dynamischen Aufholprozess im Winterhalbjahr 2009/2010 fort. Im vierten
Quartal 2009 erhöhte sich die gesamtwirtschaftliche Produktion um 1,1% gegenüber dem Vorquartal; im ersten
Quartal dieses Jahres stieg sie um 1,2%. Maßgeblich dazu trugen zum wiederholten Male der Außenbeitrag und
der private Konsum bei. Der Außenbeitrag legte, getrieben
durch die starke Nachfrage aus China und den anderen
süd- und südostasiatischen Schwellenländern, jeweils um
knapp 18% gegenüber dem Vorquartal zu. Der private Konsum erhöhte sich, gestützt durch starke fiskalpolitische Impulse, um 0,7% und 0,3%. Zudem wiesen die Investitionen zum ersten Mal seit Anfang 2008 wieder positive Zuwachsraten auf.
Daten und Prognosen
tal weiter zulegen wird. So nahm die Industrieproduktion nach einem Anstieg von 1,2%
gegenüber dem Vormonat im März auch im
April um 1,3% zu. Die Exporte erhöhten sich
um 2,3%, während die Importe um 3,4% anstiegen. Positiv zu werten ist zudem die Entwicklung des vielbeachteten Tankan Index
zur aktuellen Lage der japanischen Unternehmen, der seinen Aufwärtstrend im April
fortsetzte. Gleiches gilt für das Verbrauchervertrauen, das im April noch einmal überraschend deutlich zulegte. Stützend dürfte sich
außerdem der Beginn eines neuen Lagerzyklus auswirken, der bereits im ersten Quartal eingesetzt hat.
Tab. 3.3
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Japan
2009
2010
Veränderung gegenüber dem
Vorjahr in %
Reales Bruttoinlandsprodukt
– 5,3
2,9
Privater Konsum
– 1,0
1,0
Staatskonsum und -investitionen
2,6
0,5
Private Bruttoanlageinvestitionen
– 17,2
0,8
Inländische Verwendung
– 3,4
0,8
Exporte
– 24,1
23,1
Importe
– 16,9
8,8
a)
Außenbeitrag
– 2,0
2,1
Verbraucherpreise
– 1,4
– 0,9
In % des nominalen
Bruttoinlandsprodukts
b)
Budgetsaldo
– 7,4
– 9,0
Leistungsbilanzsaldo
2,5
3,5
In % der Erwerbspersonen
Arbeitslosenquote
5,1
5,0
a)
b)
Wachstumsbeitrag. – Gesamtstaatlich, Fiskaljahr.
2011
1,6
0,5
– 0,5
4,5
0,9
9,0
7,0
0,7
– 0,4
– 7,0
4,0
4,8
Im weiteren Verlauf des Jahres wird sich die
ausgeprägte konjunkturelle Dynamik etwas
Quelle: ESRI, OECD; Berechnungen des ifo Instituts; 2010 und 2011:
abschwächen. Als Grund ist hier eine KomPrognose des ifo Instituts.
bination aus geringeren Impulsen aus dem
Außenhandel, sinkenden Staatsausgaben
re. Dies wird zusammen mit den anhaltend niedrigen Inflaund einem schwächeren privaten Konsum zu nennen. So
tionserwartungen dazu führen, dass größere Anschaffungen
wird das Auslaufen der fiskalpolitischen Maßnahmen in den
weiter in die Zukunft verschoben werden. Die negativen Efasiatischen Nachbarländern die Nachfrage nach japanischen
fekte werden auch nicht durch die zuletzt positive EntwickGütern verringern, so dass der Außenhandel nicht mehr in
lung auf dem Arbeitsmarkt kompensiert werden können, auf
so umfangreichem Maße wie bisher zur wirtschaftlichen Exdem die Arbeitslosenquote seit August letzten Jahres von
pansion beitragen wird. Zudem hat der neue japanische
5,5% auf 5,1% im April gesunken ist.
Ministerpräsident Naoto Kan angekündigt, entschiedener
gegen die hohe Staatsverschuldung vorzugehen, so dass
Im Jahr 2010 wird die wirtschaftliche Dynamik nach dem
ein stärkeres Absinken der Staatsausgaben im laufenden
außerordentlich starken ersten Quartal nachlassen (vgl.
Jahr zu erwarten ist. Von den Sparmaßnahmen der RegieAbb. 3.6). Trotzdem wird die gesamtwirtschaftliche Prorung negativ betroffen dürfte auch der Konsum sein, da neduktion um 2,9% ansteigen. Im Jahr 2011 wird sich das
ben Ausgabenkürzungen auch Steuererhöhungen angekünExpansionstempo wieder etwas erhöhen. Aufgrund eidigt wurden.
nes wesentlich geringeren Überhangs im Vergleich zum
laufenden Jahr wird die Zuwachsrate des BruttoinlandsEinen zusätzlichen belastenden Faktor stellt noch immer die
produktes im Jahresdurchschnitt jedoch nur bei 1,6%
Deflation dar. So lag die Kerninflation trotz anhaltender Geliegen (vgl. Tab. 3.3).
genmaßnahmen der japanischen Zentralbank zuletzt mit
– 1,1% weit unter dem Durchschnitt der vergangenen Jah-
China
Abb. 3.6
Reales Bruttoinlandsprodukt in Japan
Saisonbereinigter Verlauf
%
Index
108
12
Prognosezeitraum
106
8
2,0%
2,3%
104
-1,2%
1,6%
102
4
0
2,9%
100
-4
-5,3%
98
-8
laufende Jahresrate a)
Jahresdurchschnitt b)
1. Quartal 2006 = 100
96
-12
94
-16
2006
a)
b)
2007
Die chinesische Wirtschaft expandierte im vergangenen
Winterhalbjahr mit zweistelligen Zuwachsraten. Während
die gesamtwirtschaftliche Produktion im vierten Quartal mit
einer Rate von 10,7% gegenüber dem Vorjahresquartal
zulegte, erhöhte sie sich im ersten Quartal um 11,9%. Dieser Anstieg war in etwa zu gleichen Teilen auf eine Zunahme der Investitionen und des privaten Konsums zurückzuführen, während die Nettoexporte leicht negativ zur Entwicklung beitrugen.
2008
2009
2010
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
Zahlenangabe: Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: ESRI; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
2011
Die aktuellen Daten spiegeln die gute Verfassung der chinesischen Wirtschaft in fast allen Bereichen wider. So lag
die Industrieproduktion in den ersten vier Monaten des Jahres im Durchschnitt um mehr als 17% über dem Niveau
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
29
30
Daten und Prognosen
des vergleichbaren Vorjahreszeitraums, die Ausrüstungsinvestitionen sogar um 26%. Die Exporte lagen im Mai um
48,5% über dem Niveau des Vorjahresmonats, die Importe folgten mit Wachstumsraten in gleicher Größenordnung.
Umfragen zeigen zudem, dass die Geschäftserwartungen
der Unternehmen und das Konsumentenvertrauen noch
immer ansteigen. Allerdings lassen sich für einige Indikatoren im April erstmals auch stagnierende Werte feststellen. Darunter fallen unter anderem Umfragen zur Lage im
verarbeitenden Gewerbe und der Einkaufsmanagerindex.
Dies deutet darauf hin, dass sich die wirtschaftliche Dynamik im laufenden Quartal zumindest nicht mehr verstärken wird.
Einen Belastungsfaktor stellen in der zweiten Jahreshälfte
die Bemühungen der Regierung dar, einer potentiellen Inflation und möglichen regionalen Immobilienblasen in einigen Teilen des Landes entgegenzuwirken. Die Regierung
hat bereits erste Gegenmaßnahmen beschlossen, die sich
in den kommenden Quartalen dämpfend auf die wirtschaftliche Dynamik auswirken werden. So wurde der Mindestreservesatz für chinesische Banken von 15% auf inzwischen
17% erhöht. Zusätzlich tätigte die chinesische Zentralbank
Offenmarktoperationen im Umfang von 1,1 Billionen Yuan,
um den Märkten Liquidität zu entziehen. Immobilienmarktbezogene Maßnahmen stellten eine Erhöhung der notwendigen Anzahlungen für den Kauf von Zweithäusern sowie
ein Verbot von Krediten für den Kauf von Dritthäusern dar.
Zusätzlich dämpfend wird zudem die in den kommenden
drei Monaten wahrscheinliche Erhöhung des Leitzinses wirken, der momentan bei 5,3% liegt.
Nach einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes mit einer
zweistelligen Zuwachsrate im zweiten Quartal wird das Expansionstempo aufgrund der restriktiveren Geld- und Kreditvergabepolitik zurückgehen. Trotzdem dürfte China auch
in der zweiten Jahreshälfte hohe einstellige Wachstumsraten vorweisen. Im Durchschnitt des Jahres 2010 ist mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung um 9,6% zu rechnen.
Im kommenden Jahr wird sich die wirtschaftliche Dynamik
wohl nur geringfügig abschwächen. Die gesamtwirtschaftliche Produktion dürfte dann um 8,9% zulegen.
Indien
Nach einer durch Sondereffekte bedingten, niedrigen Wachstumsrate von 6,5% gegenüber dem Vorjahreszeitraum im
letzten Quartal des Jahres 2009 expandierte die indische
Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres mit einer Rate
von 8,6%. Positiv trugen hier vor allem das verarbeitende
Gewerbe und der Bergbau bei. So legte die wirtschaftliche
Aktivität im verarbeitenden Gewerbe im vierten Quartal 2009
um 13,8% gegenüber dem Vorjahresquartal zu und im ersten Quartal 2010 um 16%. Der Bergbau verzeichnete ähnifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
liche Anstiege des sektoralen Outputs. Demgegenüber entwickelte sich der Agrarsektor witterungsbedingt schwach.
Verwendungsseitig expandierte vor allem die Investitionstätigkeit, während der Konsum nur niedrige Wachstumsraten aufwies und die Staatsausgaben aufgrund der Sparmaßnahmen der Regierung stark zurückgingen.
Die Aussichten für die indische Wirtschaft haben sich zuletzt
verbessert. Verschiedene Frühindikatoren zum Wirtschaftsklima in Indien weisen eine steigende Tendenz auf. So erhöhte sich der Composite Leading Indicator der OECD für
Indien auch im April. Im Rahmen des World Economic
Survey (WES) des ifo Instituts zur aktuellen Stimmung der
Wirtschaft nimmt Indien innerhalb Asiens einen der vorderen Plätze ein. Indiens Exporte lagen zuletzt im April um
36,2% über dem Niveau des Vorjahresquartals, die Importe um 43,3%. Und auch die Kapazitätsauslastung liegt in
Indien inzwischen wieder auf sehr hohem Niveau. Unterstützt werden die positiven Aussichten zusätzlich durch das
anziehende Konsumentenvertrauen. Dies führte unter anderem dazu, dass sich die Autoverkäufe für Mai um 33%
gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten und damit ein
neues Allzeithoch für den Monat markierten.
Ein Problem stellt weiterhin die hohe Teuerung im Land dar.
So stiegen die Lebensmittelpreise seit November um 15%.
Der breit gefächerte Konsumentenpreisindex erhöhte sich
binnen Jahresfrist um 9,6%. Die indische Zentralbank hat
bereits Gegenmaßnahmen eingeleitet. So erhöhte sie die
Zinsen in diesem Jahr bereits von 4,75% auf 5,25%. Weitere Schritte werden angesichts der steigenden Preise spätestens im Juli erwartet. Dämpfend dürfte sich auch die
restriktive Fiskalpolitik der Regierung auswirken, die angesichts der für ein Schwellenland sehr hohen Staatsverschuldung von 60% und eines erwarteten Haushaltsdefizits von
10% des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2010 einen rigiden Sparkurs eingeschlagen hat.
Die indische Wirtschaft dürfte im Prognosezeitraum weiterhin hohe Zuwachsraten aufweisen. Besonders im zweiten
Quartal zeichnet sich eine Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Dynamik ab. Im dritten und vierten Quartal wird sich
das Expansionstempo dagegen wohl leicht vermindern. Für
das Jahr 2010 ist mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 7,5% zu rechnen. In 2011 dürfte sich die Wachstumsrate nur leicht auf 7% reduzieren.
Euroraum
Die wirtschaftliche Erholung im Euroraum hat sich im Frühjahr 2010 fortgesetzt. Das reale Bruttoinlandsprodukt legte
im ersten Quartal um knapp 0,2% zu, nachdem es in den
beiden Quartalen davor um 0,1% und 0,4% zugenommen
hatte. Dieser moderate Anstieg war allerdings vornehmlich
Daten und Prognosen
auf den steigenden Staatskonsum sowie die Aufstockung
der Vorräte zurückzuführen. Negativ fiel im ersten Quartal
2010 der Wachstumsbeitrag des Außenhandels aus. Zwar
legten die Exporte um 2,5% zu, die Importe stiegen dagegen noch kräftiger um 4%. Der Rückgang der Nettoexporte war auf die starke Nachfrage vor allem deutscher Unternehmen nach Rohstoffen und Vorleistungen aus dem Ausland zurückzuführen. Diese wurden hauptsächlich zur Aufstockung der Lagerbestände benutzt. Die private Investitionsnachfrage wurde durch die nach wie vor niedrige Kapazitätsauslastung, die sehr unsicheren Wachstumsaussichten sowie die weiterhin restriktive Kreditvergabe der Banken
stark belastet. Letztere haben die Restrukturierung und Bereinigung ihrer Bilanzen (Deleveraging) noch immer nicht abgeschlossen. Vielmehr besteht die Gefahr eines weiteren
Abschreibungsbedarfs, vor allem bei Staatsanleihen überschuldeter Euroraumländer. Der Konsum wurde durch die
hohe Arbeitslosigkeit und die seit Mitte des letzen Jahres
schrumpfenden verfügbaren Einkommen gedämpft.
Die gesamtwirtschaftliche Produktion nahm
im ersten Quartal in allen großen Volkswirtschaften des Euroraums zu. Verhältnismäßig kräftig fiel der Anstieg in Italien aus, wo
der Außenhandel einen besonders hohen
Wachstumsbeitrag leistete. Etwas moderater war die Entwicklung in Deutschland,
Frankreich und den Niederlanden. In Spanien verzeichnete die Produktion ihren ersten – wenn auch recht schwachen – Zuwachs seit dem zweiten Quartal 2008.
dramatischen Anstieg der Arbeitslosenquote. Dennoch fiel
– relativ zu dem enormen Rückgang der Produktion – der
kumulierte Beschäftigungsabbau seit dem Herbst 2008 moderater aus als in früheren Rezessionen. Darin spiegelt sich
eine, durch die Kurzarbeit unterstützte, intensivere Arbeitskräftehortung wider, die wohl letztlich auf den Versuch vieler Unternehmen zurückzuführen ist, die krisenbedingten
Humankapitalverluste gering zu halten.
Nach einer kurzen Phase sinkender Preise in der zweiten
Hälfte des vergangenen Jahres nimmt der Preisauftrieb seit
November 2009 wieder zu. Im Mai betrug die Inflationsrate
– gemessen an der Veränderungsrate des Harmonisierten
Verbraucherpreisindex – 1,6%. Für die Zunahme der Inflationsrate waren die im ersten Quartal 2010 kräftig gestiegenen Energiepreise maßgeblich. Deutlich moderater hingegen entwickelte sich aufgrund der gedämpften Inlandsnachfrage die Kerninflationsrate (Veränderung der Verbraucherpreise ohne Preise für Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel). In den letzten Monaten setzte sie ihre seit Sep-
Abb. 3.7
Konjunkturelle Entwicklung im Euroraum seit 2005
Wirtschaftswachstum und ifo Wirtschaftsklima
%
%
160
Reales BIP
3
%
90
15
Kapazitätsauslastung
b)
130
(linke Skala)
0
85
10
5
80
0
75
-5
Investitionen
-3
e)
(linke Skala)
100
70
ifo Wirtschaftsklimaa)
c)
-10
(rechte Skala)
70
-15
(rechte Skala)
40
2005
2006
2007
2008
Außenhandel
950
2009
-20
2005
2010
Mrd. Euro
149
2008
2009
2010
%
13
Erwerbstätige
(linke Skala)
146
(linke Skala)
11
800
Importe
143
(linke Skala)
750
Arbeitslosenquote
9
(rechte Skala)
700
50
Saldo (rechte Skala)
650
140
25
600
0
2005
2006
2007
2008
2009
137
7
2010
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Veränderung der Kreditbeständeg)
Nominalzinsenf)
%
6
2007
Mill. Personen
Exporte
850
2006
Arbeitsmarkte)
Mrd. Euro
900
65
c)d)
%
8
Anzeichen einer Stabilisierung zeigt auch der
Arbeitsmarkt. So hat sich der Beschäftigungsabbau im Euroraum seit September
2009 spürbar verlangsamt. Zuletzt stand die
Arbeitslosenquote im April bei 10,1%. Allerdings gestaltete sich die Entwicklung über
die Mitgliedsstaaten hinweg sehr heterogen.
Speziell in den Ländern, die flexible Kurzarbeitsregelungen sowie Lohnkürzungen implementiert hatten, blieb der Abbau von Arbeitsplätzen verhältnismäßig gering. In Spanien und Irland dagegen führte der Zusammenbruch des Immobilleinsektors zu einem
Private Investitionen
Index 2005=100
6
-6
Die voranschreitende wirtschaftliche Erholung im Euroraum spiegelt sich auch im
ifo Wirtschaftsklimaindex wider. Der Indikator legte im zweiten Quartal 2010 erneut zu,
nachdem er sich bereits seit Mitte vergangenen Jahres kontinuierlich verbessert hatte
(vgl. Abb. 3.7). Zahlreiche weitere Frühindikatoren sind ebenfalls seit mehreren Monaten aufwärtsgerichtet und deuten auf eine
Fortsetzung der Erholung hin.
31
%
8
Unternehmensanleihen (BBB)
Unternehmenskredite
6
%
16
12
Wohnungsbaukredite
Unternehmenskredite
12
8
8
4
16
4
DreimonatsEURIBOR
0
2
0
2005
2006
2007
2008
2009
2010
4
Konsumentenkredite
4
Unternehmensanleihen (AAA)
2
0
0
-4
-4
2005
2006
2007
2008
2009
2010
a)
Arithmetrisches Mittel der Bewertung der gegenwärtigen Lage und der erwarteten Entwicklung. Veränderung gegenüber dem jeweiligen Vorjahresquartal in %, saison- und kalenderbereinigt. Real, saisonbereinigte Werte. - d) Waren und Dienstleistungen. - e) Saisonbereinigt. f) Unternehmenskredite = Zinssatz für bestehende Kredite an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften;
Unternehmensanleihen = Zinsen für Corporate Bonds höchster (AAA) und mittlerer (BBB) Güte mit
einer Laufzeit von zehn Jahren. - g) Veränderung gegenüber Vorjahr; Unternehmenskredite = Kredite
an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften; Wohnungsbaukredite = Wohnungsbaukredite der privaten
Haushalte.
b)
c)
Quelle: Ifo World Economic Survey (WES) II/2010; Eurostat; Europäische Zentralbank; Berechnungen des ifo Instituts.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
32
Daten und Prognosen
tember 2008 zu beobachtende Abwärtstendenz fort und lag
im April bei 0,8%.
Mit dem Programm für Wertpapierkäufe hat die Europäische Zentralbank im Mai dieses Jahres eine weitere außergewöhnliche Maßnahme zur Reaktion auf die Finanzmarktkrise ergriffen. Bis zum 11. Juni hat die EZB (vermutlich vorwiegend Staats-)Anleihen im Umfang von 47,1 Mrd. €
erworben, mit dem Ziel, die Markttiefe und -liquidität an den
Anleihenmärkten sicherzustellen und somit einen reibungslosen geldpolitischen Transmissionsprozess wiederherzustellen. Die Maßnahme soll die von den EU-Ländern beschlossenen Pakete zur Wahrung der Finanzstabilität in
Europa unterstützen. In Hinblick auf den geldpolitischen
Kurs wurden die Wertpapierkäufe so durchgeführt, dass
das Volumen des von der EZB zur Verfügung gestellten
Zentralbankgeldes durch die Hereinnahme von Termineinlagen im Umfang der Wertpapierkäufe reduziert wurde. Die
im Rahmen der erweiterten Maßnahmen zur Unterstützung
der Kreditvergabe im Oktober 2008 beschlossene unbegrenzte Zuteilung bei den Hauptrefinanzierungsgeschäften und den längerfristigen Refinanzierungsgeschäften (mit
Laufzeiten von mehr als drei Monaten) wurde in den vergangenen Monaten fortgesetzt.
Die Zinsen für unbesichertes Dreimonatsgeld am Interbankenmarkt (Euribor) blieben seit Jahresbeginn nahezu unverändert bei etwas weniger als 0,7%. Die durchschnittliche Rendite 10-jähriger Staatsanleihen im Euroraum sank
auf 3,7% im Mai von 4,1% im Januar; jene von Staaten
höchster Bonität (AAA) sank im selben Zeitraum von durchschnittlich 3,7% sogar auf 3,0%. Auch die von Unternehmen aufzuwendenden Kosten für Fremdkapital waren zuletzt leicht rückläufig. So gingen die Zinsen für Unternehmensanleihen mit AAA-Rating seit Jahresbeginn um 0,4 Prozentpunkte auf zuletzt 3,4% zurück, während sich neu vergebene Unternehmenskredite mit einer Laufzeit von über
5 Jahren von durchschnittlich 3,8% im Januar auf 3,6% im
April verbilligten.
Dennoch blieb die Kreditentwicklung im privaten Sektor
in den vergangenen Monaten weiter schwach. Dies betrifft in erster Linie das Kreditgeschäft mit nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften; im Vorjahresvergleich sank das
entsprechende Kreditvolumen im April um 2,6%. Die Kredite an private Haushalte entwickelten sich hingegen
deutlich positiver. Während die Summe der Konsumentenkredite im Vorjahresvergleich mit – 0,3% leicht rückläufig waren, stieg der Bestand an Wohnungsbaukrediten zuletzt um 2,9% gegenüber dem Vorjahr. Die Geldmengenaggregate entwickelten sich in den vergangenen
Monaten weiterhin gegenläufig. Im Vorjahresvergleich entwickelten sich die Geldmengenaggregate in den vergangenen Monaten weiterhin gegenläufig. Während das
Geldmengenaggregat M3 seit November 2009 leicht
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
rückläufig war, stieg das engere Aggregat M1 mit Raten
über 10% stark an. Im April verzeichneten beide Geldmengenaggregate einen sprunghaften Anstieg; gegenüber dem Vormonat erhöhte sich M3 annualisiert um
8,6% und M1 um 23,0%.
Deutlich verbessert haben sich die monetären Rahmenbedingungen durch die Abwertung des Euro in den vergangenen Monaten. Gegenüber dem US-Dollar verlor der Euro
zwischen Januar und Mai 12% an Wert. Aber auch real effektiv wertete der Euro im selben Zeitraum um 8% ab.
Im Prognosezeitraum wird die EZB den Hauptrefinanzierungssatz vorerst auf dem niedrigen Niveau belassen. Frühestens im Sommer 2011 wird sie das Zinsniveau langsam erhöhen. Die bereits für diesen Sommer angekündigte Rücknahme der erweiterten Maßnahmen zur Unterstützung der Kreditvergabe wird sie wohl bis auf weiteres verschieben und auch das neue Programm für Wertpapierkäufe solange fortsetzen, bis sich eine nachhaltige Verbesserung der Situation auf den Interbanken- und Anleihemärkten abzeichnet.
Die Lage der öffentlichen Haushalte in den Mitgliedsländern
des Euroraums hat sich im vergangenen Jahr erheblich verschlechtert. So stieg das zusammengefasste Budgetdefizit der Währungsunion auf 6,3% des Bruttoinlandsprodukts,
nachdem es ein Jahr zuvor lediglich 2,0% betragen hatte
(vgl. Tab. 3.4). Entsprechend erreichte der Bruttoschuldenstand gemessen an der gesamtwirtschaftlichen Produktion das Rekordhoch von knapp 78,7%. Maßgeblich
dafür waren die zyklisch bedingten Mehrausgaben und
Steuermindereinnahmen (automatische Stabilisatoren) sowie die Implementierung expansiver Konjunkturprogramme zur Krisenbewältigung. Mit Ausnahme von Finnland und
Luxemburg wurde in allen Ländern der Region die Regelung des Stabilitäts- und Wachstumspakts von Maastricht
verletzt, welche die Neuverschuldung auf 3% in Relation
zum nominalen Bruttoinlandsprodukt begrenzt. Als Reaktion darauf leitete die Europäische Kommission im vergangenen Jahr die im Vertrag von Lissabon festgelegten Verfahren gegen die »Defizitsünder« ein. Dabei wird von fast
allen Ländern gefordert, dass sie bereits in 2013 ihre Fehlbeträge in Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt bringen. Davon ausgenommen sind gegenwärtig nur
Griechenland und Irland, wo dies erst 2014 der Fall sein
muss. Allerdings sind die von den einzelnen Regierungen
vorgelegten Konsolidierungsprogramme kritisch zu betrachten. In vielen Fällen sind die konkret zu ergreifenden Maßnahmen nur unzureichend dargelegt. Ferner erscheinen die
zugrunde liegenden Wachstumsannahmen in einer Reihe
von Ländern zu optimistisch.
Darüber hinaus hat sich zu Beginn des Jahres die Situation der öffentlichen Haushalte in mehreren Mitgliedsländern
Daten und Prognosen
Tab. 3.4
Staatliche Finanzierungssalden und Verschuldung in Europa
Finanzierungssaldo
Land/Region
2007
a)
2008
Belgien
– 0,2
– 1,2
Bulgarien
0,1
1,8
Tschechische Republik
– 0,7
– 2,7
Dänemark
4,8
3,4
Deutschland
0,2
0,0
Estland
2,6
– 2,7
Irland
0,1
– 7,3
Griechenland
– 5,1
– 7,7
Spanien
1,9
– 4,1
Frankreich
– 2,7
– 3,3
Italien
– 1,5
– 2,7
Zypern
3,4
0,9
Lettland
– 0,3
– 4,1
Litauen
– 1,0
– 3,3
Luxemburg
3,6
2,9
Ungarn
– 5,0
– 3,8
Malta
– 2,2
– 4,5
Niederlande
0,2
0,7
Österreich
– 0,4
– 0,4
Polen
– 1,9
– 3,7
Portugal
– 2,6
– 2,8
Rumänien
– 2,5
– 5,4
Slowenien
0,0
– 1,7
Slowakei
– 1,9
– 2,3
Finnland
5,2
4,2
Schweden
3,8
2,5
Vereinigtes Königreich
– 2,8
– 4,9
Euroraum gesamt
– 0,6
– 2,0
Europäische Union
– 0,8
– 2,3
Japan
– 2,4
– 4,2
USA
– 2,7
– 6,6
a)
Staatlicher Finanzierungssaldo in Prozent des nominalen BIP.
– Angaben bezogen auf Kalenderjahre.
b)
Schuldenstand
2009
2007
2008
2009
– 6,0
84,2
89,8
96,7
– 3,9
18,2
14,1
14,8
– 5,9
29,0
30,0
35,4
– 2,7
27,4
34,2
41,6
– 3,1
65,0
66,0
73,1
– 1,7
3,8
4,6
7,2
– 14,3
24,9
43,9
64,0
– 13,6
95,7
99,2
115,1
– 11,2
36,2
39,7
53,2
– 7,5
63,8
67,5
77,6
– 5,3
103,5
106,1
115,8
– 6,1
58,3
48,4
56,2
– 9,0
9,0
19,5
36,1
– 8,9
16,9
15,6
29,3
– 0,7
6,7
13,7
14,5
– 4,0
65,9
72,9
78,3
– 3,8
61,9
63,7
69,1
– 5,3
45,5
58,2
60,9
– 3,4
59,5
62,6
66,5
– 7,1
45,0
47,2
51,0
– 9,4
63,6
66,3
76,8
– 8,3
12,6
13,3
23,7
– 5,5
23,4
22,6
35,9
– 6,8
29,3
27,7
35,7
– 2,2
35,2
34,2
44,0
– 0,5
40,8
38,3
42,3
– 11,5
44,7
52,0
68,1
– 6,3
66,0
69,4
78,7
– 6,8
58,8
61,6
73,6
– 10,3
187,7
198,8
217,6
– 12,5
62,1
70,6
83,2
b)
– Bruttoschuld des Staates in Prozent des nominalen BIP.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Eurostat, IWF; World Economic Outlook Database, April 2010.
dramatisch verschärft, als die Risikoprämien ihrer Staatsanleihen auf den Kapitalmärkten sprunghaft zunahmen.
Diese Reaktion brachte die wachsenden Ängste der Anleger vor der Insolvenz einzelner Staaten und den damit
einhergehenden Vermögensverlusten zum Ausdruck. Besonders stark betroffen war Griechenland. Anfang Mai war
das Land de facto nicht mehr in der Lage, sich auf den Finanzmärkten zu refinanzieren. Um Staatsbankrotte und
daraus resultierende negative Effekte auf das Bankensystem und die gemeinsame Währung zu verhindern, beschloss die Europäische Union die Einrichtung eines
750 Mrd. € schweren »Rettungsschirms«, aus dem Kredite an von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Mitgliedsstaaten
geleistet werden sollen.10
und – bedingt durch die europäische Schuldenkrise und
die Verunsicherung auf den Anleihenmärkten – mit höheren
Refinanzierungskosten zu rechnen. Außerdem gehen im ersten Halbjahr 2010 in einigen Ländern noch zusätzliche Impulse von expansiven Maßnahmen aus, die entweder Bestandteil der im Vorjahr beschlossenen Konjunkturprogramme sind oder – wie in Deutschland und Frankreich – neu
beschlossen wurden. In Irland, Spanien, Portugal und vor
allem Griechenland dagegen sind deutlich restriktivere Maßnahmen im laufenden Jahr geplant. Für 2011 ist zu erwarten, dass alle Länder den Kurs der fiskalischen Konsolidierung einschlagen. Alles in allem wird in 2010 das öffentliche
Defizit im Euroraum auf 6,6% ansteigen, ehe es im Folgejahr auf 5,9% zurückgeht (vgl. Tab. 3.5).
Insgesamt dürfte sich die Situation der öffentlichen Haushalte im laufenden Jahr weiter verschlechtern. Es ist mit steigenden Ausgaben für die Finanzierung der Arbeitslosigkeit
Im Prognosezeitraum dürfte sich die Expansion der Wirtschaft im Euroraum fortsetzen, dabei allerdings nur eine
geringe Dynamik entfalten. Lediglich im zweiten Quartal
des laufenden Jahres wird es vorübergehend eine etwas
kräftigere Belebung geben, die vor allem auf im ersten Quar-
10
Vgl. dazu Abschnitt »Ungleichgewichte im Euroraum«.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
33
34
Daten und Prognosen
Tab. 3.5
Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung im Euroraum
2009
2010
2011
Veränderung gegenüber dem
Vorjahr in %
Reales Bruttoinlandsprodukt
– 4,1
1,0
1,0
Privater Konsum
– 1,2
0,1
0,4
Staatskonsum und -investitionen
2,6
0,8
0,1
Bruttoinvestitionen
– 10,8
– 2,8
1,0
Inländische Verwendung
– 3,3
0,1
0,4
a)
Exporte
– 13,3
8,8
6,2
a)
Importe
– 11,9
6,8
5,1
b)
Außenbeitrag
– 0,8
0,9
0,6
c)
Verbraucherpreise
0,3
1,3
1,3
In % des nominalen
Bruttoinlandsprodukts
d)
Budgetsaldo
– 6,3
– 6,6
– 5,9
Leistungsbilanzsaldo
– 0,6
– 0,5
– 0,4
In % der Erwerbspersonen
e)
Arbeitslosenquote
9,4
10,2
10,4
a)
b)
c)
Einschließlich Intrahandel. – Wachstumsbeitrag. – Harmonisierd)
e)
ter Verbraucherpreisindex. – Gesamtstaatlich. – Standardisiert.
Quelle: Eurostat; Europäische Kommission; Berechnungen des ifo Instituts;
2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
tal witterungsbedingt aufgeschobene Bauprojekte zurückzuführen ist. Einen erheblichen Wachstumsbeitrag werden
in diesem und im nächsten Jahr die Nettoexporte leisten.
So werden die sich allmählich erholende Weltkonjunktur und
der schwache Euro die Exporte beflügeln, während die Importe angesichts der relativ schwachen Entwicklung der Binnennachfrage deutlich langsamer zunehmen werden. Ab
Mitte des laufenden Jahres wird die Intensivierung der fiskalischen Konsolidierungsmaßnahmen zunehmend dämpfend wirken. Dieser Effekt wird besonders stark in den Defizitländern Griechenland, Portugal, Irland, Spanien und Italien ausfallen. Die nach wie vor niedrige Kapazitätsauslastung und die anhaltenden Probleme des Bankensektors dürften die Expansion der privaten Investitionen belasten. Die
jüngsten Turbulenzen auf den Finanzmärkten und die damit
verbundene hohe Kursunsicherheit bezüglich der öffentlichen Schuldtitel mehrerer Mitgliedsländer dürfte die LockeAbb. 3.8
Reales Bruttoinlandsprodukt im Euroraum
Saison- und kalenderbereinigter Verlauf
%
Index
106
6
0,4%
105
Prognosezeitraum
2,7%
104
4
2
103
0
3,1%
1,0%
102
1,0%
-4,1%
101
-2
100
-4
-6
laufende Jahresrate a)
Jahresdurchschnitt b)
1. Quartal 2006 = 100
99
-8
98
rung der Kreditvergabekonditionen verlangsamen. Die hohe Arbeitslosigkeit, die erwartete schwache Entwicklung der verfügbaren Einkommen sowie die geplanten Steuererhöhungen in vielen Ländern werden die
Entwicklung des privaten Konsums im Prognosezeitraum erheblich dämpfen. Positive
Impulse werden in den Kernländern des Euroraums von der expansiven Zinspolitik der
EZB ausgehen. Für die Staaten aus der europäischen Peripherie dagegen dürfte die
Geldpolitik eher restriktiv wirken.11 Alles in allem wird das Bruttoinlandsprodukt in der europäischen Währungsunion in diesem und
im nächsten Jahr jeweils um 1,0% zulegen
(vgl. Abb. 3.8).
Bedingt durch die schwache Dynamik der
Binnennachfrage und das Auslaufen von Basiseffekten bei den Energiepreisen wird der
Anstieg der Preise im Prognosezeitraum moderat bleiben. Die Inflationsrate dürfte sowohl
2010 als auch 2011 jeweils bei 1,3% liegen.
Infolge der soliden Erholung in Deutschland dürfte sich die
Lage auf dem Arbeitsmarkt im Euroraum nur leicht verschlechtern. So dürfte die Arbeitslosenquote 2010 bei 10,2%
und 2011 bei 10,4% liegen.
Frankreich
Frankreich wurde, verglichen mit beinahe allen anderen
Mitgliedsländern, in verhältnismäßig geringem Maße von
der Wirtschaftskrise getroffen. Dies lag zum einen an der
stabilen Konsumnachfrage, die durch staatliche Konjunkturprogramme gestützt wurde, zum anderen an dem vergleichsweise geringen Offenheitsgrad des Landes. Ähnlich wie Deutschland befindet sich auch Frankreich seit
mittlerweile vier Quartalen in einer Erholungsphase. Nach
einem sehr starken vierten Quartal im vergangenen Jahr
expandierte die französische Wirtschaft im Frühjahr 2010
mit 0,1% nur verhalten. Zwar leisteten die Nettoexporte
erneut einen soliden positiven Wachstumsbeitrag, dieser
wurde aber von einem starken Lagerabbau nahezu ausgeglichen. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit hat sich seit
November 2009 kontinuierlich verlangsamt. Im April lag
die Arbeitslosenquote bei 10,1%. Wie in fast allen europäischen Ländern nahm auch in Frankreich das öffentliche Defizit im vergangenen Jahr stark zu. In Relation zum
nominalen Bruttoinlandsprodukt betrug es 7,5%, während
sich die Bruttoverschuldung auf 77,6% der nominalen Produktion belief.
-10
2006
a)
b)
2007
2008
2009
2010
2011
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
Zahlenangabe: Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Eurostat; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
11
Vgl. Kasten »Wie angemessen war die Zinspolitik der EZB für die einzelnen Mitgliedsländer des Euroraums?«.
Daten und Prognosen
Die konjunkturellen Frühindikatoren deuten auf eine Verlangsamung der Erholung in den kommenden Monaten hin. Zwar
setzten die Auftragseingänge im Mai ihren Aufwärtstrend
fort. Aber die Industrieproduktion ging im ersten Quartal 2010
um 3,3% zurück, nachdem sie in den drei Quartalen davor
kräftig zugenommen hatte. Auch der ifo Wirtschaftsklimaindex für Frankreich hat sich in den ersten beiden Quartalen
nur seitwärts bewegt.
Im Unterschied zu Deutschland wird die französische Wirtschaft im Prognosezeitraum deutlich weniger stark von der
dynamischen Entwicklung des Welthandels profitieren. Zum
einen liegt dies an dem geringeren Offenheitsgrad und der
schlechteren preislichen Wettbewerbsfähigkeit des Landes.
Zum anderen weisen die französischen Exporte eine in der
gegenwärtigen Situation vergleichsweise nachteilige geographische Spezialisierung auf. So beträgt der Anteil der
französischen Ausfuhren, der nach Europa geht, etwa 70%,
während das Gewicht der schnell wachsenden asiatischen
Schwellenländer mit 10% nur halb so hoch ist wie in
Deutschland.
Im laufenden Jahr werden sich die von der Fiskalpolitik
ausgehenden positiven und negativen Impulse weitgehend neutralisieren. Die sukzessive Rückführung der Abwrackprämie sowie das Auslaufen temporärer steuerlicher Vergünstigungen dürften sich dämpfend auswirken.
Expansiv hingegen wird der Effekt der Abschaffung einiger Unternehmenssteuern wirken, die sich in der Vergangenheit vor allem auf die Investitionstätigkeit bremsend
ausgewirkt haben. Positive Impulse werden auch die neu
beschlossenen Zusatzausgaben zur Förderung des Beschäftigungsaufbaus sowie die Durchführung einiger im
Vorjahr aufgeschobener öffentlicher Investitionsprojekte
setzen. Im Jahr 2011 dürfte die Fiskalpolitik aufgrund
der geplanten Konsolidierungsanstrengungen insgesamt
restriktiv wirken.
Tab. 3.6
Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in Europaa)
Bruttoinlandsprodukt
Verbraucherpreiseb)
Arbeitslosenquotec)
in %
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
2009
2010
2011
2009
2010
2011
2009
2010
2011
Deutschland
20,4
– 4,9
2,1
1,5
0,2
1,1
1,5
7,5
6,9
6,5
Frankreich
16,3
– 2,6
1,3
1,1
0,1
1,3
1,2
9,5
10,2
10,3
Italien
12,9
– 5,0
0,8
0,5
0,8
1,2
1,1
7,7
9,0
9,1
Spanien
8,9
– 3,6
– 0,3
0,2
– 0,2
1,3
1,3
18,0
19,9
21,4
Niederlande
4,8
– 4,0
1,3
1,4
1,0
1,2
1,2
3,4
4,6
4,1
Belgien
2,9
– 3,0
1,1
1,2
0,0
1,7
1,5
7,9
9,0
9,7
Österreich
2,3
– 3,6
1,4
1,7
0,4
1,4
1,3
4,8
5,0
4,8
Griechenland
2,0
– 2,0
– 4,0
– 0,5
1,3
4,0
1,0
9,5
12,6
13,2
Finnland
1,4
– 7,8
0,2
1,2
1,6
1,5
1,2
8,2
9,6
9,9
Irland
1,4
– 7,1
– 0,8
1,0
– 1,7
– 0,8
0,9
11,9
13,7
14,0
Portugal
1,4
– 2,7
1,3
0,8
– 0,9
0,9
0,9
9,6
10,9
11,2
Slowakei
0,5
– 4,7
3,0
3,4
0,9
1,0
2,6
12,0
14,3
13,0
Slowenien
0,3
– 7,8
0,8
1,7
0,9
2,1
2,3
5,9
6,4
6,5
Luxemburg
0,3
– 3,4
2,0
1,8
0,0
2,5
2,4
5,4
6,1
6,1
Zypern
0,1
– 1,7
– 0,6
1,0
0,2
2,1
1,8
5,3
6,8
7,2
Malta
0,0
– 1,9
1,9
1,8
1,9
2,2
2,5
6,9
7,1
6,8
Euroraumd)
76,0
– 4,1
1,0
1,0
0,3
1,3
1,3
9,4
10,2
10,4
Großbritannien
13,3
– 4,9
0,9
1,0
2,2
3,4
1,7
7,6
8,1
7,9
Polen
2,6
1,7
3,0
3,5
4,0
2,6
2,5
8,2
9,0
8,5
Schweden
2,5
– 5,1
2,2
2,4
1,9
2,0
1,8
8,3
9,3
8,9
Dänemark
1,9
– 4,9
1,5
1,9
1,1
2,1
1,6
6,0
7,1
7,1
Tschechien
1,2
– 4,2
1,7
2,7
0,6
1,0
2,0
6,7
8,5
8,0
Rumänien
1,0
– 7,1
0,5
3,5
5,6
4,0
3,0
6,9
8,0
7,5
Ungarn
0,8
– 6,3
0,0
2,7
4,0
4,5
2,5
10,0
11,0
10,0
Bulgarien
0,3
– 5,0
0,0
2,5
2,5
2,2
2,5
6,8
8,0
7,5
Litauen
0,2
– 14,8
– 1,5
3,0
4,2
– 0,5
0,0
13,7
16,0
15,5
Lettland
0,2
– 18,0
– 3,5
2,6
3,3
– 3,0
– 0,5
17,2
21,0
20,0
Estland
0,1
– 14,1
1,0
3,5
0,2
1,3
1,5
13,8
15,0
14,0
EU-27d)
100,0
– 4,2
1,1
1,2
0,8
1,7
1,4
8,9
9,8
9,7
a)
Die Zuwachsraten sind untereinander nicht voll vergleichbar, da sie für einige Länder um Arbeitstageeffekte bereinigt
sind, für andere – wie für Deutschland – nicht. – b) Harmonisierter Verbraucherpreisindex. – c) Standardisiert. – d) Summe der aufgeführten Länder. Bruttoinlandsprodukt und Verbraucherpreise gewichtet mit dem Bruttoinlandsprodukt von
2009 in US-Dollar, Arbeitslosenquote gewichtet mit der Zahl der Erwerbspersonen von 2009.
Gewicht
(BIP)
in %
Quelle: Eurostat; IWF; OECD; Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts; 2010 und 2011: Prognose des
ifo Instituts.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
35
36
Daten und Prognosen
Alles in allem wird der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen
Produktion Frankreichs im Prognosezeitraum moderater ausfallen als in Deutschland. Das reale Bruttoinlandsprodukt
wird 2010 um 1,3% und 2011 um 1,1% zulegen (vgl.
Tab. 3.6). Aufgrund der schwach bleibenden privaten Binnennachfrage und der eher restriktiven Fiskalpolitik wird die
Inflationsrate mit gut 1% in beiden Jahren relativ gering bleiben. Die Arbeitslosenquote dürfte in 2010 leicht auf 10,2%
steigen und in 2011 dort verharren.
Italien
Die italienische Wirtschaft hat sich im Frühjahr 2010 überraschend kräftig belebt. Getrieben durch eine starke Zunahme der Nettoexporte stieg das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um 0,4%, nachdem es im vierten Quartal des vergangenen Jahres noch um knapp 0,1%
geschrumpft war. Ein Anzeichen für eine Verfestigung der
Erholung lieferte die Industrieproduktion, die sich im April
um 1,2% gegenüber ihrem Durchschnittswert im ersten
Quartal 2010 erhöhte und die Tendenz der letzten Monate fortsetzte. Zahlreiche weitere Frühindikatoren sind ebenfalls aufwärtsgerichtet. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt
hat sich dagegen in den letzten Monaten – wenn auch
geringfügig – weiter verschärft. Im April lag die Arbeitslosenquote bei 8,9%.
Ähnlich wie Frankreich wird auch die italienische Wirtschaft
im Prognosezeitraum in deutlich geringerem Maße vom
Anziehen des Welthandels profitieren als Deutschland. So
leidet Italien seit mehr als einem Jahrzehnt an einer chronischen Wettbewerbsschwäche, mit zunehmenden Marktanteilsverlusten als Konsequenz. Auch weist es im Vergleich zu Deutschland ein verhältnismäßig ungünstiges
geographisches Exportmuster auf. So ist der Anteil der
Ausfuhren in die boomenden ostasiatischen Staaten relativ gering, während der Großteil der Exporte in die deutlich langsamer wachsenden Länder der Europäischen Union fließt. Um ihrer ungünstigen preislichen und qualitätsmäßigen Wettbewerbsposition entgegen zu wirken, haben
in den letzen Jahren viele Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe mit der Durchführung tiefgreifender
Umstrukturierungsmaßnahmen begonnen. Im Zuge dieses
Prozesses sind viele dieser Unternehmen auf die laufende
Kreditversorgung durch den Bankensektor angewiesen.
Zurzeit sehen sie sich daher einer doppelten Belastung gegenüber – einer restriktiven Kreditvergabe und zugleich
einer schwachen Binnennachfrage.12
Aufgrund der bereits vor der Krise akkumulierten hohen
Staatsverschuldung von über 100% des Bruttoinlands-
12
Zu diesem Themenkomplex vgl. European Commission, European Economic Forecast, autumn 2009.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
produkts war der Spielraum der italienischen Regierung
für expansive Maßnahmen stark eingeschränkt. Entsprechend wurde im Verlauf der Rezession auf ein umfangreiches Konjunkturprogramm verzichtet. Daher blieb auch
das Budgetdefizit in 2009 auf einem im europäischen Vergleich niedrigen Niveau von 5,3% der nominalen Wirtschaftsleistung. Als Konsequenz wurde Italien – verglichen
mit anderen Defizitländern – in geringem Maße von der
europäischen Schuldenkrise und dem Anstieg der Risikoprämien auf Staatspapiere getroffen. Mit dem Ziel, die Defizitquote bis 2012 auf 2,7% zu senken und das Vertrauen der Märkte in den italienischen Staat zu stärken,
beschloss die Regierung Ende Mai ein Zusatzpaket von
Konsolidierungsmaßnahmen mit einem Volumen von
24 Mrd. €. Das Programm enthält Steuererhöhungen für
Spitzenverdiener, das Einfrieren von Löhnen und Gehältern im öffentlichen Dienst, den Abbau von Transferzahlungen an lokale Regierungen sowie Kürzungen bei diversen Sozialleistungen. Allerdings sind diese Beschlüsse nur ein kleiner Schritt zur Lösung der strukturellen Probleme Italiens. Zu letzteren zählen die alternde Bevölkerung, die geringe Wettbewerbsfähigkeit, das niedriges Produktivitätswachstum sowie ein relativ rigider Arbeitsmarkt.
Gerade in den letztgenannten Bereichen sind Reformen
erforderlich, um das Potenzialwachstum zu erhöhen, die
öffentlichen Haushalte nachhaltig zu entlasten und schließlich das Vertrauen der Märkte zurück zu gewinnen. Im laufenden Jahr dürfte das Budgetdefizit in Relation zum Bruttoinlandsprodukt unverändert bei 5,3% bleiben. In 2011
dürfte es leicht auf 5,0% sinken.
Angesichts der oben genannten strukturellen Schwächen
sowie der anstehenden fiskalischen Konsolidierung wird die
konjunkturelle Dynamik in Italien deutlich geringer bleiben
als in Deutschland. Das reale Bruttoinlandsprodukt dürfte
2010 um 0,8% und 2011 um 0,5% zunehmen. Die Inflationsrate wird in diesem und im nächsten Jahr wohl moderat bleiben. Die Arbeitslosenquote dürfte im Prognosezeitraum leicht auf rund 9,0% ansteigen.
Spanien
Im ersten Quartal 2010 hat die wirtschaftliche Aktivität in
Spanien zum ersten Mal seit Juni 2008 zugenommen.
Getrieben durch den Anstieg der Nettoexporte sowie
durch Impulse aus dem Lagerzyklus und den öffentlichen
Konsumausgaben legte das reale Bruttoinlandsprodukt
im Frühjahr um knapp 0,1% zu. Der Vorzieheffekt der für
den 1. Juli 2010 geplanten Anhebung der Mehrwertsteuer ließ die privaten Konsumausgaben im ersten Quartal
um 0,5% steigen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt
angespannt. Im April kletterte die Arbeitslosenquote auf
19,7% und liegt auf dem höchsten Niveau seit Mitte der
neunziger Jahre.
Daten und Prognosen
Die konjunkturellen Frühindikatoren deuten auf eine stark
gedämpfte wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden
Monaten hin. So blieb im zweiten Quartal 2010 der ifo Wirtschaftsklimaindex für Spanien nahezu unverändert, nachdem er sich seit Juni 2009 stets verbessert hatte. Die Produzentenerwartungen fielen im Mai zum ersten Mal seit Dezember 2009 pessimistischer als im Vormonat aus.
Spanien gehört zu den EU-Ländern, die die Wirtschaftskrise am schmerzhaftesten zu spüren bekamen. Dies ist vor
allem auf den Zusammenbruch des Immobilienmarktes im
Herbst 2008 zurückzuführen, der zu einer erheblichen Verschlechterung der Vermögensposition von Haushalten und
Unternehmen sowie zu einem dramatischen Stellenabbau
im Bausektor führte. So stieg die Arbeitslosenquote innerhalb eines Jahres von 12,4% im September 2008 auf 19,1%
im September 2009 an. Die dadurch entstehenden öffentlichen Mehrausgaben induzierten einen rasanten Aufbau des
Staatsdefizits, das im Jahr 2009 11,4% des Bruttoinlandsprodukts erreichte.
Da die Baubranche aufgrund der Immobilienblase übertrieben groß war, ist damit zu rechnen, dass sie mittelfristig deutlich unter ihrem Vorkrisenniveau bleiben wird. Für
die aus dem Bausektor freigesetzten Arbeitskräfte wird es
daher äußerst schwierig sein, eine neue Beschäftigung zu
finden. Viele von ihnen könnten in die Langzeitarbeitslosigkeit abgleiten. Entsprechend wird die strukturelle Arbeitslosenquote zunehmen und die Staatsfinanzen Spaniens
langfristig belasten. Verschärft werden die Probleme Spaniens durch die beträchtlichen Verluste an preislicher Wettbewerbsfähigkeit in der Dekade seit der Einführung des
Euro. Bedingt durch eine boomende Binnennachfrage sowie durch Lohnindexierungsklauseln stiegen in diesem Zeitraum die nominalen Lohnstückkosten deutlich schneller als
in Deutschland. Als Ergebnis wird Spanien in den kommenden Quartalen deutlich weniger stark von dem Anziehen
des Welthandels profitieren als die deutsche Wirtschaft. Der
Anteil der spanischen Exporte, der in die schnell wachsenden ostasiatischen Schwellenländer fließt, ist ebenfalls relativ gering.
Um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern, das Potentialwachstum zu erhöhen und schließlich die öffentlichen Haushalte nachhaltig zu entlasten, sind
tiefgreifende Reformen erforderlich. Denkbar sind Schritte
zur Lockerung des starken Kündigungsschutzes, eine Abschaffung der Lohnindexierung sowie eine Flexibilisierung
des Tarifabschlussprozesses. Reformpotential ist auch im
Staatssektor vorhanden, der wohl deutlich effizienter gestaltet werden könnte.
Angesichts des hohen Defizits im vergangenen Jahr sowie
der jüngsten Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die auch
die spanischen Staatsanleihen unter Druck setzten, wird die
Regierung bereits 2010 den Kurs der fiskalischen Konsolidierung einschlagen. Zu den geplanten Maßnahmen gehören die Anhebung der Mehrwertsteuer von 16% auf 18%
ab dem 1. Juli, die Abschaffung diverser Steuervergünstigungen, Kürzungen bei den öffentlichen Dienstleistungen
sowie Nullrunden bei den Renten. Trotzdem dürfte die Defizitquote aufgrund der weiter steigenden Arbeitslosigkeit im
Jahr 2010 auf 10% ansteigen, ehe sie im Zuge der Konsolidierung auf 8% im Jahr 2011 zurückgeht.
Alles in allem wird das reale Bruttoinlandsprodukt 2010 um
0,3% schrumpfen, bevor es im Folgejahr um 0,2% zunimmt.
Trotz der weiter steigenden Arbeitslosenquote dürfte die
Inflationsrate aufgrund bestehender Lohnrigiditäten in den
Jahren 2010 und 2011 jeweils 1,3% betragen.
Großbritannien
Großbritannien ist relativ moderat in das Jahr 2010 gestartet; das Bruttoinlandsprodukt legte im ersten Quartal um
0,3% zu. Dies lässt sich hauptsächlich darauf zurückführen, dass die Haushalte Käufe in das vierte Quartal 2009
vorgezogen hatten, da zum Jahresbeginn die Mehrwertsteuer von 15% auf 17,5% erhöht wurde. Dementsprechend
schrumpfte der private Konsum im ersten Quartal leicht um
0,1%. Die Staatsausgaben nahmen langsamer zu und der
Außenbeitrag lieferte erneut einen negativen Wachstumsbeitrag, da die Importe um 1,4% zunahmen, während die
Exporte trotz des schwachen Pfundes stagnierten. Der größte Impuls kam überraschenderweise von den Investitionen,
die um 1,6% zulegten, während sie im vierten Quartal 2009
noch deutlich zurückgegangen waren.
Trotz der schwachen konjunkturellen Entwicklung verzeichnet Großbritannien seit Jahresbeginn eine hohe Inflationsrate, die derzeit bei 3,4% liegt. Dies liegt jedoch vor allem
an dem vorübergehenden Effekt der Mehrwertsteuererhöhung, die sich im Jahresvergleich mit 1,8 Prozentpunkten
niederschlägt. Auch die weiteren Ursachen für den Preisdruck, wie der niedrige Wechselkurs und der hohe Ölpreis,
sind eher temporärer Natur. Folglich beließ die Zentralbank
den Leitzins bei 0,5% und wird bis auf weiteres nicht von
ihrem expansiven Kurs abweichen. Das Ankaufprogramm
für Staatsanleihen in Höhe von 200 Mrd. Pfund (240,5 Mrd. €)
wurde zwar ausgesetzt, kann jedoch bei Bedarf wieder aktiviert werden.
Angesichts des tiefen Einbruchs der Wirtschaftstätigkeit im
letzten Jahr ist der britische Arbeitsmarkt in erstaunlich guter Verfassung. Die harmonisierte Arbeitslosenquote hat sich
seit dem Frühjahr 2009 kaum mehr verschlechtert und ist
im ersten Quartal nur leicht auf 7,8% gestiegen. Da der Beschäftigungsabbau unterproportional zum Einbruch der Produktion war, ist die Arbeitsproduktivität seit 2009 deutlich
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
37
38
Daten und Prognosen
gesunken. Somit kann vorerst nicht mit einem kräftigen Beschäftigungsaufbau gerechnet werden.
Die Frühindikatoren geben gemischte Signale für die aktuelle und zukünftige Wirtschaftslage. Die Auftragseingänge
und Produktionserwartungen sowie die Stimmung im Industriesektor sind zum zweiten Mal in Folge gestiegen. Demgegenüber ist die Dienstleistungsbranche weitaus weniger
optimistisch. Dies trübt die Aussichten für die britische Wirtschaft, da der Tertiärsektor rund 70% des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Zudem ist auch das Verbrauchervertrauen wiederholt gesunken.
Belastend wird vor allem die restriktive Fiskalpolitik der
neuen Regierung wirken. Diese soll der enormen Beschleunigung der Schuldenquote entgegenwirken, die von 47%
im Jahr 2007 auf über 70% im Jahr 2009 gestiegen ist.
Dafür muss die Defizitquote, die im letzten Jahr über 12%
betrug, deutlich reduziert werden. Bisher hat die Regierung nur Sparmaßnahmen in Höhe von 6,2 Mrd. Pfund
(7,5 Mrd. €) angekündigt, die vor allem den öffentlichen
Sektor betreffen. Allerdings ist ein »emergency budget«
in Arbeit, das weitaus größere Sparanstrengungen beinhalten wird, die voraussichtlich zum größten Teil im Jahr
2011 wirksam werden.
Alles in allem sind die Aussichten für das Wirtschaftswachstum in Großbritannien verhalten. Zwar wird sich die Wirtschaft
in den nächsten Quartalen leicht erholen, aber spätestens ab
Anfang 2011 wird das Sparpaket der neuen Regierung seine
Wirkung entfalten und die inländische Nachfrage dämpfen. Ab
der zweiten Jahreshälfte 2011 wird sich die Erholung der Weltwirtschaft positiv auf die Exporte auswirken und die Konjunktur anregen. Die britische Wirtschaftsleistung dürfte im laufenden Jahr um 0,9% und im kommenden Jahr um 1,0% zunehmen. Die Arbeitslosenquote wird in beiden Jahren voraussichtlich rund 8% betragen. Die Inflationsrate dürfte im Durchschnitt des Jahres 2010 bei 3,4% liegen. Im Jahr 2011 fällt
der Effekt der Mehrwertsteuererhöhung weg, so dass mit einem Rückgang auf 1,7% gerechnet wird.
Osteuropäische Mitgliedsländer der EU
Nach dem massiven wirtschaftlichen Einbruch befinden sich
die mittel- und osteuropäischen Mitgliedsländer der EU auf
dem Weg der Stabilisierung. Die Industrieproduktion hat im
ersten Quartal 2010 kräftig zugelegt und die Erwartungen
der Unternehmen haben sich seit Jahresanfang in nahezu
allen Ländern deutlich aufgehellt. Auch das Verbrauchervertrauen hat sich trotz der stark gestiegenen Arbeitslosigkeit
wieder verbessert. Nur in Rumänien war bei beiden Frühindikatoren zuletzt wieder eine Eintrübung auszumachen. Da
in der gesamten Region die Importe stärker fielen als die Exporte, haben sich die Leistungsbilanzdefizite deutlich zuifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
rückgebildet. Im Baltikum wurde 2009 sogar erstmals seit
Jahren ein Leistungsbilanzüberschuss verzeichnet. Die Landeswährungen haben seit Mitte vergangenen Jahres dem
Abwertungsdruck standgehalten. Somit konnten auch größere Ausfälle bei Fremdwährungskrediten abgewendet werden. Auch in Rumänien machte die Landeswährung im ersten Quartal 2010 die Verluste aus dem vierten Quartal 2009
wieder wett, so dass die Zinsen seit Anfang des Jahres erheblich gesenkt wurden (von 9,9% im Monatsdurchschnitt
Dezember 2009 auf 3,2% im April 2010). In den meisten anderen Ländern konnten die Leitzinsen im Verlauf des ersten
Quartals ebenfalls schrittweise gesenkt werden, da sich die
Inflation in fast allen Ländern stark verringert hat. Nur in Ungarn wurden sie angesichts der noch relativ hohen Inflation
von über 5% wieder etwas angehoben. Bei alldem bildet
Polen eine Ausnahme. Es konnte als einziges Land der EU
2009 ein positives Wirtschaftswachstum verzeichnen. Die
vergleichsweise gute Konjunktur erlaubte im laufenden Jahr
sogar eine schrittweise Anhebung der Tagesgeldsätze.
Dieser insgesamt positiven Entwicklung stehen jedoch wachsende Arbeitslosigkeit (besonders im Baltikum), fallende Löhne und Einkommen und somit sinkende Steuereinahmen
sowie sich ausweitende Haushaltsdefizite gegenüber. In allen Ländern der Region hat die Staatsverschuldung 2009
zugenommen, besonders deutlich in Litauen, Lettland und
Rumänien sowie, trotz der strengen IWF-Auflagen, in Ungarn. Die Abhängigkeit von externer Kapitalzufuhr zwingt jedoch gerade diese Länder zu einer weiteren Korrektur der
hohen Haushaltsdefizite und zu einer Reduktion der Staatsverschuldung auf ein nachhaltiges Niveau. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Binnennachfrage im laufenden
Jahr schwach bleiben wird. Auch bei den Investitionen hat
sich die konjunkturelle Abwärtsdynamik zwar verringert, eine Trendwende ist jedoch noch nicht in Sicht.
Konjunkturell bleibt die Lage angespannt. Angesichts der
hohen Auslandsverschuldung des Privatsektors und in einigen Ländern auch des Staates (vor allem in Ungarn, Bulgarien und Rumänien) sowie eines inzwischen limitierten Zugangs zum Anleihenmarkt ist vor allem in den baltischen
Staaten und in Südosteuropa mit einer nur langsamen Erholung zu rechnen. Etwas optimistischer sind die Wachstumsperspektiven dagegen in Polen und Tschechien zu beurteilen. Getragen wird die konjunkturelle Erholung allerdings
in allen Ländern fast ausschließlich durch die Belebung der
Exportnachfrage.
4. Deutsche Konjunktur weiter auf
Erholungskurs
Seit dem Ende der schwersten Rezession seit Bestehen der
Bundesrepublik im vergangenen Frühjahr ist die deutsche
Daten und Prognosen
Abb. 4.1
Abb. 4.3
ifo Geschäftsklima -– Gewerbliche Wirtschaft
a)
Auftragseingang im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland
(Volumen, saisonbereinigt Census X-12-ARIMA)
2000 = 100, saisonbereinigte Werte
120
120
140
2005 = 100
140
ifo Geschäftsklima
110
110
Erwartungen für die
nächsten 6 Monate
120
100
120
insgesamt
100
Inland
100
90
100
90
80
80
Beurteilung der Geschäftslage
80
80
Ausland
Juni
70
70
94
a)
95
96
97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
April
60
Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel.
60
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Quelle: ifo Konjunkturtest.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank.
Wirtschaft wieder auf Erholungskurs. Zwar war die gesamtwirtschaftliche Produktion im Winterhalbjahr 2009/10 durch
Sonderfaktoren merklich gedämpft worden. Den vorliegenden Ergebnissen zufolge ist die gesamtwirtschaftliche Produktion in diesem Zeitraum saison- und kalenderbereinigt
lediglich mit einer laufenden Jahresrate von 0,8% gestiegen.
Vorlaufende Indikatoren wie das das ifo Geschäftsklima zeigen jedoch, dass die konjunkturelle Grundtendenz der deutschen Wirtschaft intakt und weiter deutlich nach oben gerichtet ist (vgl. Abb. 4.1).
Getrieben wird die Erholung derzeit von den Exporten, befördert durch die Nachfrage insbesondere aus Asien. Auch
schlägt die Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar
und anderen wichtigen Währungen positiv zu Buch. Die deutsche Wirtschaft, die aufgrund ihrer spezifischen Exportorientierung in besonderem Maße von der vorangegangenen Rezession betroffen war, profitiert nunmehr in besonderem Maße von der weltwirtschaftlichen Erholung. Die Binnenkonjunktur – ohne Berücksichtigung des Lageraufbaus – tendierte
nach der Jahreswende zunächst eher schwach. Strenges
Winterwetter hatte die Bautätigkeit regional stark behindert,
Abb. 4.2
a)
Nominaler und realer Rohölpreis
in US-$ bzw. in Euro je Barrel
was auf den Sektor Verkehr und Handel sowie tendenziell
auch auf die Industrieproduktion durchgeschlagen ist. Die
Ausrüstungsinvestitionen wurden dagegen verhalten ausgeweitet. Der private Konsum hat trotz einer deutlichen Senkung
der Abgabenlast im ersten Quartal merklich abgenommen;
hier bremsten sinkende Realeinkommen sowie – als Sondereffekt – das Auslaufen der Abwrackprämie. Zudem erhöhte sich die Sparquote. Auch sind die verfügbaren Realeinkommen – anders als im vergangenen Jahr – nicht mehr durch
sinkende Rohölpreise (vgl. Abb. 4.2) gestützt worden; der gesamte Kaufkraftverlust des Inlands durch die Verschlechterung der Terms-of-Trade hat sich im ersten Vierteljahr 2010
im Vergleich zum Jahresendquartal 2009 saisonbereinigt auf
0,8% des realen Bruttoinlandsprodukts belaufen.13
Der Arbeitsmarkt ist trotz des schwachen Expansionstempos
im Winterhalbjahr 2009/10 weiter recht stabil geblieben. Zwar
wurden in der von der Rezession besonders betroffenen Industrie immer noch Arbeitsplätze abgebaut, dafür gab es aber
neue Stellen im Dienstleistungssektor. Per saldo ist die Zahl
der Arbeitnehmer im ersten Quartal saisonbereinigt in etwa
konstant geblieben. Dennoch stieg das geleistete Arbeitsvolumen, weil im Zuge der konjunkturellen Besserung die geleistete Arbeitszeit je Arbeitnehmer zugenommen hat. Bei alledem hat die Produktivität kaum noch zugenommen, was
die Lohnstückkosten wieder steigen ließ.
140
120
in US-$ je Barrel
100
80
Mai 10
60
Die Quantifizierung der gesamtwirtschaftlichen Produktion
im laufenden und im nächsten Quartal erfolgt disaggregiert
auf der Basis monatlich verfügbarer Frühindikatoren der amtlichen Statistik sowie einer breiten Palette von monatlich
erhobenen Umfragedaten, wobei hier den Ergebnissen des
in Euro je Barrel
40
April 10
20
Real
b)
0
73 75 77 79 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 05 07 09
a)
Durchschnitt aus Brent, Dubai und WTI.- b) Rohölpreis in Euro deflationiert mit dem Preisindex deutscher
Exporte (1973 = 100); ab 1991 einschließlich neue Bundesländer und Berlin-Ost.
Quelle: HWWI, Statistisches Bundesamt und Berechnungen des ifo Instituts.
13
Die Änderung des inländischen Realeinkommens aufgrund einer Änderung der Terms-of-Trade wird durch die Differenz zwischen der Veränderungsrate des realen BIP und der Veränderungsrate des Realwerts des
BIP gemessen (nominales BIP deflationiert mit dem Preisindex für die inländische Verwendung). Zum Terms-of-Trade-Effekt vgl. W. Nierhaus, Realeinkommen im neuen Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, ifo Schnelldienst 53(4), 2000, 7–13.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
39
Daten und Prognosen
Abb. 4.4
Abb. 4.5
Produktion im verarbeitenden Gewerbe und Bauhauptgewerbe in
Deutschland (Volumen, saisonbereinigt nach Census X-12-ARIMA)
150
ifo Konjunkturuhr
Index 2005 = 100
140
140
130
120
130
Bauhauptgewerbe
120
110
110
100
100
90
90
verarbeitendes Gewerbe
80
80
April
70
a)
Salden, saisonbereinigte Werte
40
150
Erwartungen für die nächsten 6 Monate
40
Aufschwungsphase
30
Boomphase
Jan. 2004
20
Juni Jan.
2010 2006
Jan. 2007
Jan.
2000
Jan. 2010
10
Jan.
2005
0
Jan. 2003
-10
Jan. 2002
Jan. 2008
Jan. 2001
Jan.
1999
-20
-30
-40
Jan. 2009
-50
Rezessionsphase
Abschwungsphase
-60
70
-60
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Quelle: Statistisches Bundesamt; Deutsche Bundesbank.
-50
-40
-30
-20
-10
0
10
20
30
40
50
Beurteilung der Geschäftslage
a)
Verarbeitendes Gewerbe einschließlich Ernährungsgewerbe: Zusammenhang zwischen der
Geschäftslagebeurteilung und den Erwartungen zur Geschäftslage.
Quelle: ifo Konjunkturtest, Deutschland.
ifo Konjunkturtests eine besonders gewichtige Rolle zugemessen wird (IFOCAST-Ansatz).14
In der Industrie sind die Auftragseingänge im April saisonbereinigt merklich gestiegen (vgl. Abb. 4.3) Im konjunkturell
aussagefähigeren, weil weniger volatilen Zweimonatsvergleich (März/April gegenüber Januar/Februar) ergab sich sogar ein Plus um 6,6%. Am stärksten nahmen die Bestellungen bei den Herstellern von Vorleistungsgütern (7,0%) zu,
gefolgt von den Investitionsgüterproduzenten (6,8%). Auch
die Nachfrage nach Konsumgütern nahm zu (2,7%). Die Aufträge aus dem Inland nahmen um 6,2% zu, die Bestellungen aus dem Ausland sogar um 7,0%.
Die gegenüber dem Auftragseingang nachlaufende Industrieproduktion ist im April um 0,5% gestiegen. Im Zweimonatsvergleich (März/April gegenüber Januar/Februar) expan-
14
Vgl. K. Carstensen et al., »IFOCAST: Methoden der ifo-Kurzfristprognose«, ifo Schnelldienst 62(23), 2009, 15–28.
dierte sie mit 4,2% sogar sehr kräftig (vgl. Abb. 4.4). Der
Anstieg der Industrieproduktion erstreckt sich über alle industriellen Hauptgruppen. Die Vorleistungs- und Investitionsgüterhersteller erhöhten die Erzeugung um 5,2% bzw.
5,3%, die Konsumgüterhersteller um 0,2%. Alles in allem lag
die Industrieproduktion im April saisonbereinigt um 3,1%
über dem Durchschnittswert des ersten Quartals, was ein
kraftvolles Anziehen der Industriekonjunktur im zweiten Quartal indiziert.
Auf eine stark beschleunigte Produktion deuten auch die
neuesten Ergebnisse des ifo Konjunkturtests hin. Die Geschäftslage der Industrieunternehmen hat sich im Juni erneut verbessert. Zum vierten Mal in Folge beurteilten die Befragungsteilnehmer ihre aktuelle Geschäftssituation günstiger. Ihr Optimismus hinsichtlich der Geschäftsentwicklung
in den nächsten sechs Monaten hat sich dagegen etwas abgeschwächt. Das Exportgeschäft wird nach Ansicht der Unternehmen nicht ganz so kräftig zunehmen wie bislang. Den-
Kasten
Zum Zusammenhang zwischen Geschäftslage und Erwartungen
a)
Das ifo Geschäftsklima ist der Mittelwert aus den Komponenten »Geschäftslage« und »Geschäftserwartungen für die nächsten
sechs Monate«. Der Zusammenhang zwischen den beiden Komponenten kann in einem Vier-Quadranten-Schema dargestellt
werden (»ifo Konjunkturuhr«). Auf der Abszisse der Konjunkturuhr werden die Meldungen der befragten Unternehmen zur
Geschäftslage (Salden aus den Meldungen » gut« bzw. »schlecht«) aufgetragen, auf der Ordinate die Geschäftserwartungen
(Salden aus den Meldungen »günstiger« bzw. »ungünstiger«). Durch das Fadenkreuz der beiden Nulllinien wird das Diagramm
in vier Quadranten geteilt, die die vier Phasen der Konjunktur markieren (vgl. Abb. 4.5).
Sind die Urteile der im ifo Konjunkturtest befragten Unternehmen zur Geschäftslage und zu den Geschäftserwartungen per
Saldo schlecht, d.h. im Minus, so befindet sich die Konjunktur in der Rezession (Quadrant links unten). Gelangen die
Geschäftserwartungen ins Plus (bei noch schlechter Geschäftslage), so gerät man in die Aufschwungsphase (Quadrant links
oben). Sind Geschäftslage und Geschäftserwartungen gut, d.h. im Plus, so herrscht Boom (Quadrant rechts oben). Drehen die
Geschäftserwartungen ins Minus (bei noch guter Geschäftslage), so ist die Abschwungsphase erreicht (Quadrant rechts unten).
Idealtypisch bewegt sich die Konjunktur in diesem Diagramm im Uhrzeigersinn im Kreis; die Erwartungen laufen dabei der Lage
voraus.
a)
1/2
Das ifo Geschäftsklima GK ergibt sich aus der Formel GK = [(GL + 200)(GE + 200)] - 200, wobei GL den Saldo aus den positiven und negativen
Meldungen zur aktuellen Geschäftslage bezeichnet und GE den Saldo aus den positiven und negativen Meldungen zu den Geschäftsaussichten in
den nächsten sechs Monaten. Zur Vermeidung von negativen Werten in der Wurzel werden die beiden Variablen GL und GE jeweils um die
Konstante 200 erhöht.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Daten und Prognosen
noch bewerteten sie ihre Perspektiven für das Auslandsgeschäft weiterhin als sehr gut. Die Beschäftigungsplanungen der Firmen deuten darauf hin, dass sie ihre Mitabeiterzahl nahezu unverändert halten wollen.
Im Bauhauptgewerbe ist die Wertschöpfung, die durch
kaltes Winterwetter nach der Jahreswende stark behindert war, danach enorm gestiegen. Im Vergleich der Monate März/April zu Januar/Februar nahm die Produktion
saisonbereinigt um mehr als ein Viertel zu. Der Rückschlag
in den ersten beiden Monaten wurde damit mehr als kompensiert (vgl. Abb. 4.4). Der Geschäftsklimaindex hält sich
weiterhin auf hohem Niveau. Die befragten Bauunternehmen bewerteten im Juni ihre Geschäftssituation günstiger
als Mai. Zudem äußern sie sich hinsichtlich der Geschäftsentwicklung in der nahen Zukunft zuversichtlicher als im
Vormonat.
Die Umsätze im Handel zeigen am aktuellen Rand eine
recht uneinheitliche Entwicklung. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen sind die realen Umsätze im Großhandel im Zweimonatsdurchschnitt (März/April im Vergleich zu
Januar/Februar) saisonbereinigt um 4,6% recht kräftig gestiegen. Nach den neuesten Ergebnissen des ifo Konjunkturtests sind befragten Großhändler sind mit ihrer momentanen Geschäftssituation weiterhin recht zufrieden. Ihre Erwartungen an den Geschäftsverlauf in den nächsten sechs
Monaten sind von verhaltenem Optimismus geprägt und
haben sich im Vergleich zum Mai kaum verändert. Im Einzelhandel (ohne Kfz und Tankstellen) haben die realen Umsätze im Zweimonatsdurchschnitt (März/April im Vergleich
zu Januar/Februar) saisonbereinigt dagegen leicht abgenommen. Der Durchschnittswert des ersten Quartals wurde im April saisonbereinigt um 0,4% übertroffen. Der KfzHandel, der nach dem Ausschöpfen des Abwrackprämientopfes in der zweiten Jahreshälfte 2009 deutlich ins Minus gerutscht war, zeigt nunmehr erste Besserungstendenzen: Hier nahmen im Zweimonatsvergleich die nominalen Umsätze saisonbereinigt um 6,9% zu (Anstieg gegenüber dem Durchschnitt des ersten Quartals: 3,9%).
Nach den Ergebnissen des ifo Konjunkturtests vom Juni
waren die befragten Einzelhändler (einschließlich Kfz-Gewerbe) mit ihrer Geschäftslage weniger unzufrieden als im
Monat zuvor, die Geschäftsentwicklung im kommenden
halben Jahr schätzen sie aber zurückhaltender ein. Das
Konsumentenvertrauen, dass seit dem Ende der Rezession deutlich zugenommen hatte, ist zuletzt allerdings wieder leicht gesunken. Auch die Bereitschaft der Verbraucher, größere Anschaffungen zu tätigen, nahm nach dem
deutlichen Anstieg zur Jahreswende wieder ab (vgl.
Abb. 4.6). Die Neigung, Ersparnisse zu bilden, hat sich
zuletzt jedoch nicht weiter erhöht.
Alles in allem dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2010 saison- und kalenderbereinigt mit einer lau-
Abb. 4.6
Indikatoren zur Konsumkonjunktur
20
10
Salden in %, saisonbereinigt
30
a)
Konsumentenvertrauen
20
(linke Skala)
0
10
-10
0
-20
-10
b)
Einkommensperspektiven
-30
-20
(rechte Skala)
-40
-30
94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
40
Salden in %, saisonbereinigt
30
30
20
40
Ersparnissec)
20
10
10
0
0
-10
-10
-20
-30
Bereitschaft zu größeren
Anschaffungend)
-20
-30
-40
-40
94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
a)
Mittelwert der Salden in % der Meldungen der privaten Haushalte zu ihrer finanziellen und
wirtschaftlichen Lage (in den kommenden 12 Monaten), Arbeitslosigkeitserwartungen (in den
kommenden 12 Monaten) und den Ersparnissen (in den kommenden 12 Monaten).- b) Finanzielle
Lage in den kommenden 12 Monaten.- c) In den kommenden 12 Monaten.- d) Gegenwärtig.
Quelle: Europäische Kommission.
fenden Rate von 1,1% (Jahresrate: 4,5%) stark beschleunigt gestiegen sein. Gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresquartal beläuft sich die Zuwachsrate auf 2,6% (kalenderbereinigt: 2,2%). Zum kräftigen Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion dürften vor allem das Auf- und Nachholen im verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe beigetragen haben (vgl. Tab. 4.1). Für das erste Halbjahr 2010
ergibt sich im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2009 saisonund kalenderbereinigt eine Expansion der Wirtschaftsleistung in Höhe von 1,6% (annualisiert), im Vorjahresvergleich
beläuft sich die Zunahme auf 2,1%.
Im weiteren Verlauf des Jahres 2010 wird sich die konjunkturelle Belebung fortsetzen, Anregende Impulse gehen nach
wie vor von der expansiven Zinspolitik der EZB aus, zudem
stützt die Finanzpolitik durch Stimulierungsprogramme. Das
Expansionstempo wird nach dem Abklingen der Nachholeffekte allerdings deutlich langsamer sein.
Die Exporte profitieren weiter von der Expansion der Weltwirtschaft und hier insbesondere von den stark wachsenden Schwellenländern. Zudem werden zunehmend Investitionsgüter nachgefragt, die ein hohes Gewicht im deutschen Exportportfolio haben. Der private Konsum wird saisonbereinigt in der zweiten Jahreshälfte bei leicht steigenden Realeinkommen moderat zunehmen, zudem stützen
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
41
42
Daten und Prognosen
Tab. 4.1
a)
Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen
Prognose für das 2. und 3. Quartal 2010
2009
Q4
Bruttoinlandsprodukt
darunter:
Bruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche
darunter:
Verarbeitendes Gewerbe
Energie- und Wasserversorgung
Baugewerbe
Handel, Gastgewerbe , Verkehr und
Nachrichtenübermittlung
Finanzierung, Vermietung und
Unternehmensdienstleistungen
Öffentliche und private Dienstleister
Bruttoinlandsprodukt
darunter:
Bruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche
darunter:
Verarbeitendes Gewerbe
Energie- und Wasserversorgung
Baugewerbe
Handel, Gastgewerbe , Verkehr und
Nachrichtenübermittlung
Finanzierung, Vermietung und
Unternehmensdienstleistungen
Öffentliche und private Dienstleister
a)
– 1,5
2010
Q1
Q2
Ursprungswerte
Veränderungen gegenüber dem
Vorjahresquartal in %
1,7
2,6
Q3
1,9
– 2,0
2,2
3,6
3,2
– 8,2
1,0
1,7
6,9
8,8
– 3,7
12,6
9,1
2,1
9,4
4,8
4,2
– 3,3
– 0,2
1,4
1,1
– 0,9
2,2
0,9
1,3
2,2
2,3
1,6
1,1
Saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte
Veränderungen gegenüber dem
Vorjahresquartal in %
0,2
0,2
1,1
0,5
0,1
1,1
1,4
0,7
0,5
0,3
– 0,7
2,7
7,7
– 3,2
4,3
– 2,8
6,0
1,8
– 0,3
3,0
– 0,7
0,7
1,1
0,0
0,2
0,5
1,2
0,3
0,3
0,2
0,5
0,1
In Preisen des Vorjahres.
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2. und 3. Quartal 2010: Prognose des ifo Instituts.
die zu Jahresanfang in Kraft getretenen fiskalischen Entlastungen (Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag, erhöhte Absetzbarkeit von BeiKasten
trägen zur Kranken- und Pflegeversicherung
Jahresdurchschnittliches Wachstum und konjunktureller Verlauf
sowie Erhöhung des Grundfreibetrags im
Die Prognose der jahresdurchschnittlichen Veränderungsrate des realen
ESt-Tarif). Die Ausrüstungsinvestitionen werBruttoinlandsprodukts basiert auf einer Einschätzung des unterjährigen
konjunkturellen Verlaufs, d.h. auf einer Prognose der saison- und
den angesichts der immer noch leicht unkalenderbereinigten Quartalsraten. Die einzelnen Quartalsraten gehen mit
terdurchschnittlichen Kapazitätsauslastung
a)
unterschiedlichem Gewicht in die Jahresdurchschnittsrate ein.
moderat steigen, gegen Ende 2010 dürfte
Im Mai hat das Statistische Bundesamt für das erste Quartal 2010 eine
laufende Rate von 0,2% für das reale BIP veröffentlicht. Im Gemeindas Auslaufen der degressiven Abschreibung
schaftsgutachten der Institute, das von einem Gesamtwachstum in 2010 in
ein Vorziehen von Investitionsprojekten ausHöhe von 1,5% ausgegangen war, ist dagegen mit einem leichten Minus
lösen. Diese fehlen allerdings im Jahr 2011.
gerechnet worden (– 0,1%). Zusammen mit der Aufwärtskorrektur für das vierte
Quartal 2009 in Höhe von 0,1 Prozentpunkten führt dies ceteris paribus zu einer
Die öffentlichen Bauinvestitionen werden im
Anhebung des jahresdurchschnittlichen Prognosewerts für das reale BIP um
Vergleich zur ersten Jahreshälfte verlangsamt
0,4 Prozentpunkte auf 1,9%. Für den weiteren Jahresverlauf 2010 wird in der
expandieren, da die Konjunkturpakete ausvorliegenden Prognose im Vergleich zum Gemeinschaftsgutachten mit einer
leicht erhöhten konjunkturellen Dynamik gerechnet, so dass sich der
laufen. Der Wirtschaftsbau wird weiter
jahresdurchschnittliche BIP-Zuwachs nunmehr auf 2,1% beläuft. Tabelle 4.2.
schwach tendieren. Insgesamt dürfte die gefasst die wichtigsten Kenngrößen der Prognose für das reale Bruttoinlandssamtwirtschaftliche Produktion im Jahresprodukt zusammen.
durchschnitt 2010 um 2,1% steigen, kalena)
Vgl. W. Nierhaus, »Wirtschaftskonjunktur 2006: Prognose und Wirklichkeit«,
derbereinigt aufgrund der etwas größeren
ifo Schnelldienst 60(2), 2007, 23–28, hier: S. 25.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Daten und Prognosen
Tab. 4.2
Zur Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts
a)
a)
2008
2009
2010
2011
b)
Statistischer Überhang
0,6
– 2,1
0,6
0,7
c)
Jahresverlaufsrate
– 1,8
– 2,2
2,1
1,4
Jahresdurchschnittliche
Veränderung,
kalenderbereinigt
1,0
– 4,9
1,9
1,6
d)
Kalendereffekt
0,3
– 0,0
0,2
– 0,1
Jahresdurchschnittliche
Veränderung
1,3
– 4,9
2,1
1,5
a)
b)
Schätzungen des ifo Instituts. – Saison- und kalenderbereinigtes reales Bruttoinlandsprodukts im 4. Quartal des Vorjahres in Relation zum
saison- und kalenderbereinigten Quartalsdurchschnitt des Vorjahres. –
c)
Jahresveränderungsrate im 4. Quartal, saison- und kalenderbereinigt. –
d)
In Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts.
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
Zahl von Arbeitstagen um 1,9%. Diese Schätzung bedeutet im Vergleich zur Prognose der Gemeinschaftsdiagnose
vom April eine um 0,6 Prozentpunkte höhere Wachstumsrate (vgl. Kasten: Jahresdurchschnittliches Wachstum und
konjunktureller Verlauf).
Im kommenden Jahr schwenkt die Bundesregierung mit den
Sparbeschlüssen der Klausurtagung vom 6. und 7. Juni
2010 auf einen Konsolidierungspfad ein. Durch Subventionsabbau und Einsparungen bei Sozialleistungen soll im
Bundeshaushalt 2011 ein Sparvolumen von rund 11 Mrd. €
realisiert werden. Da zugleich die Anregungen aus den Konjunkturprogrammen auf den öffentlichen Bau entfallen, wirkt
die Finanzpolitik im nächsten Jahr dämpfend auf die Konjunktur. Allerdings dürften die endogenen Auftriebskräfte, die
von einer im Vergleich zu 2010 geringeren, aber immer noch
recht kräftigen Exportdynamik begleitet werden, stark genug sein, dass sich die konjunkturelle Erholung fortsetzt. Mit
einem größeren Rückschlag ist nicht zu rechnen. Zwar werden die Konsummöglichkeiten der privaten Haushalte infolge der Konsolidierungsbemühungen für sich genommen geschmälert, das Kürzungsvolumen ist aber nicht so groß, als
Abb. 4.7
dass es zu einem Rückgang der realen verfügbaren Einkommen und der realen Konsumausgaben im Jahresdurchschnitt käme.
Zudem schafft die Konsolidierung bei den
privaten Haushalten Vertrauen, was positiv
auf die Ausgabenneigung wirkt. Die Investitionen in Ausrüstungen und Wohnbauten
dürften im nächsten Jahr weiter merklich steigen, nicht zuletzt befördert durch das niedrige Zinsniveau. Insgesamt wird das reale
Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2011 um 1,5%
expandieren (vgl. Abb. 4.7). Damit wird die
Produktion in Deutschland im laufenden als
auch im nächsten Jahr stärker als die
Produktion im Euroraum zulegen.
Die konjunkturelle Erholung wird auch auf
den Arbeitsmarkt ausstrahlen. Im Durchschnitt dieses Jahres dürfte die Erwerbstätigenzahl um 80 000 steigen, im
nächsten Jahr um 120 000. Die Zahl der Arbeitslosen wird
dagegen 2010 und 2011 jeweils um 190 000 sinken. Bei
alledem wird sich das Verbraucherpreisniveau nur wenig
erhöhen. Im laufenden Jahr ist mit einer Teuerungsrate um
1,1% zu rechnen; im Jahresdurchschnitt 2011 dürfte die Rate aufgrund der konjunkturell bedingt leicht anziehenden Kerninflation etwas höher sein (1,5%). Das staatliche Budgetdefizit in Relation zum nominalen BIP beträgt im laufenden
Jahr voraussichtlich 4,2%. Im nächsten Jahr wird es aufgrund der weiteren wirtschaftlichen Erholung und damit verbundenen günstigeren Lage auf dem Arbeitsmarkt auf 3,4%
des BIP sinken. Zu dieser Entwicklung trägt auch das Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung spürbar bei.
Das strukturelle Defizit, das zu Jahresanfang von der Bundesregierung auf 4,5% des BIP veranschlagt wurde, dürfte
sich im Jahr 2010 auf etwa 3,5% belaufen und auf 2,9% im
Jahr 2011 sinken. Die Verbesserung des strukturellen BudAbb. 4.8
Prognoseintervall für die Zunahme des
Bruttoinlandsprodukts 2010
3,5
Reales Bruttoinlandsprodukt in Deutschland
90%
Saison- und kalenderbereinigter Verlauf
600
%
Verkettete Volumenangaben in Mrd. Euro
3,0
16
68%
590
Prognosezeitraum
580
50%
2,5
1,3%
2,1%
2,5%
570
12
1,5%
8
4
560
550
2,0
0
50%
540
3,2%
-4
1,5
68%
-4,9%
530
520
510
laufende Jahresrate a)
-8
Jahresdurchschnitt b)
Mrd. Euro
-12
500
1,0
90%
-16
2006
a)
b)
2007
2008
2009
2010
2011
0,5
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
Zahlenangabe: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Prognose des ifo Instituts (Juni 2010).
Quelle: Berechnungen des ifo Instituts.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
43
44
Daten und Prognosen
Tab. 4.3
Eckdaten der Prognose für die Bundesrepublik Deutschland
a)
a)
a)
2008
2009
2010
2011
b)
Veränderung in % gegenüber dem Vorjahr
Private Konsumausgaben
0,4
– 0,1
– 1,0
0,7
Konsumausgaben des Staates
2,1
3,4
1,7
0,5
Bruttoanlageinvestitionen
3,1
– 9,0
1,6
2,0
Ausrüstungen
3,3 – 20,5
2,9
3,1
Bauten
2,6
– 1,1
0,5
1,0
Sonstige Anlagen
5,3
4,9
4,7
4,5
Inländische Verwendung
1,7
– 2,1
0,9
0,7
Exporte
2,9 – 14,5
10,8
7,3
Importe
4,3
– 9,5
8,8
6,2
Bruttoinlandsprodukt
1,3
– 4,9
2,1
1,5
c)
Erwerbstätige (1 000 Personen)
40 279 40 265 40 347 40 469
Arbeitslose (1 000 Personen)
3 268
3 423
3 233
3 043
d)
Arbeitslosenquote (in %)
7,5
7,9
7,4
7,0
e)
Verbraucherpreise
(Veränderung in % gegenüber
dem Vorjahr)
2,6
0,4
1,1
1,5
f)
Finanzierungssaldo des Staates
in Mrd. Euro
1,0 – 75,3 – 103,7 – 87,9
in % des nominalen
0,0
– 3,1
– 4,2
– 3,4
Bruttoinlandsprodukts
Nachrichtlich:
Reales Bruttoinlandsprodukt im
Euroraum
(Veränderung in % gegenüber
1,0
1,0
– 4,1
0,4
dem Vorjahr)
Verbraucherpreisindex im
g)
Euroraum
(Veränderung in % gegenüber
dem Vorjahr)
3,3
0,3
1,3
1,3
a)
b)
c)
Prognose des ifo Instituts. – Preisbereinigte Angaben. – Inlandsd)
konzept. – Arbeitslose in % der inländischen Erwerbspersonen (Wohne)
f)
ortkonzept). – Verbraucherpreisindex (2005 = 100). – In der Abgreng)
zung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG 95). – Harmonisierter Verbraucherpreisindex (2005 = 100).
tuts der Jahre 1990 bis 2009 herangezogen.
Gemessen an diesen Prognosefehlern beträgt die Spanne für ein Prognoseintervall,
das die Veränderungsrate des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2010 mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa zwei Dritteln überdeckt,
± 0,7 Prozentpunkte. Bei der vorliegenden
Punktschätzung für die Zuwachsrate des BIP
von 2,1% reicht das Intervall also von 1,4%
bis 2,8%. Die Punktprognose von 2,1% stellt
den mittleren Wert dar, der am ehesten erwartet werden kann (vgl. Abb. 4.8).
Zu den Finanzierungsbedingungen
in Deutschland
Die Kreditvergabe an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften in Deutschland hat sich seit
Ende vergangenen Jahres stark abgeschwächt. Das Volumen neu vergebener Kredite ging so stark zurück, dass es die fällig
werdenden Kredite nicht mehr ausgleichen
konnte; somit war der Bestand ausstehender Kredite seit September rückläufig und
sank in den ersten vier Monaten dieses Jahres im Schnitt mit 3,1% gegenüber Vorjahr
(vgl. Abb. 4.9). Vor diesem Hintergrund stellt
sich nach wie vor die Frage, ob dieser Rückgang durch eine schwache Kreditnachfrage
oder eher durch ein restriktives Kreditangebot, also durch eine Kreditklemme, zu erQuelle: Eurostat; Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; 2010
klären ist. Als Kreditklemme wird dabei eine
und 2011: Prognose des ifo Instituts.
Situation verstanden, in der die durch die
Finanzkrise ausgelösten Angebotsbeschränkungen den Zugang der Unternehmen zu
getsaldos um 0,6 Prozentpunkte dürfte den Kriterien der
Krediten erheblich erschwert haben und die somit eine erdeutschen Schuldenbremse genügen.
hebliche Gefahr für den einsetzenden Aufschwung darstellen kann.
Die Prognoseunsicherheit lässt sich anhand von Intervallen
angeben, die die unbekannte Veränderungsrate des BrutFür eine schwache Kreditnachfrage spricht auf den ersten
toinlandsprodukts mit einer vorgegebenen WahrscheinlichBlick, dass das rückläufige Kreditvolumen mit einem deutkeit einschließen. Zur Berechnung der konkreten Intervalle
lichen Rückgang der Kreditzinsen in Verlauf von 2009 einfür das Jahr 2011 wurden die Prognosefehler des ifo Instiherging. Dies legen auch der massive Konjunktureinbruch und insbesondere der AbKasten
sturz der Investitionen nahe, die den KreditAnnahmen und Rahmenbedingungen der Prognose
bedarf der Unternehmen erheblich reduziert
• Der Welthandel nach Abgrenzung der OECD wird in diesem Jahr um 12%
haben dürften. Allerdings ist seit Jahresbesteigen und im nächsten Jahr um 7,5%.
ginn kein weiterer Rückgang bei den Kredit• Der Ölpreis (für die Sorte Nordsee-Brent) wird im Prognosezeitraum
79 US-Dollar pro Barrel betragen.
zinsen mehr zu beobachten; zwischen Ja• Der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar liegt im
nuar und April stagnierten die durchschnittPrognosezeitraum bei etwa 1,20.
lichen Zinsen sowohl für ausstehende als
• Die Europäische Zentralbank (EZB) belässt die Hauptrefinanzierungssatz bis
Mitte 2011 auf dem gegenwärtigen Niveau von 1,0%.
auch für neu vergebene Kredite an nichtfi• Die Finanzpolitik schwenkt ab dem Jahr 2011 auf einen Konsolidierungskurs
nanzielle Kapitalgesellschaften bei etwa
ein. Hier wird davon ausgegangen, dass das Konsolidierungspaket der
3,8%. Darüber hinaus ist der Aufschlag der
Bundesregierung so umgesetzt wird, wie es geplant ist. Allfällige Ausgaben
im Rahmen der Banken- und Euro-Rettungspakete bleiben bei dieser
Zinsen für Neukredite über den sicheren NoPrognose unberücksichtigt.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Daten und Prognosen
tenbankzins mit zuletzt 2,8 Prozentpunkten nach wie vor
hoch. Die Beobachtung, dass in diesem Kreditsegment die
Zinssenkungen der EZB nur teilweise von den Banken an
die Kreditnehmer weitergegeben werden, spricht für einen
negativen angebotsseitigen Effekt auf dem Kreditmarkt, der
Folge der hohen Abschreibungen der Banken im Zuge der
Finanzkrise sein dürfte und der dem aus der sinkenden Kreditnachfrage resultierenden Rückgang der Kreditzinsen entgegenwirkt.
45
Abb. 4.9
Kredite deutscher Banken an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften
Kreditbestände
12
Zinsen
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
in %
6,5
10
6,0
Bestände
8
6
5,5
4
5,0
2
4,5
Neugeschäfte
0
4,0
-2
-4
3,5
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Weitere Indikatoren der Kreditsituation
Ob und in welchem Ausmaß die schwache Kreditentwicklung und die geringe Zinsweitergabe auf angebots- oder
nachfrageseitige Faktoren zurückzuführen sind, kann allerdings allein anhand der Entwicklung des Kreditvolumens und
-zinses nicht festgestellt werden. Deshalb werden häufig zusätzliche Kreditmarktindikatoren zur Analyse herangezogen.
Befragungen, sowohl unter Banken als auch unter Unternehmen, deuten zwar darauf hin, dass die Kreditvergabestandards weiter restriktiv sind; gleichzeitig zeigt sich aber
auch, dass diese in der ersten Jahreshälfte nicht weiter gestrafft wurden, sondern sich zuletzt sogar eine gewisse Entspannung einstellte. So berichten nach Daten des von der
Deutschen Bundesbank erhobenen Bank Lending Survey
(BLS) seit Jahresbeginn erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise jeweils gleich viele Banken, dass die Kreditvergabestandards in den vergangenen drei Monaten gelockert oder
gestrafft wurden. Befragungen von Unternehmen zeichnen
ein ähnliches Bild. Laut der jüngsten Befragung des ifo Instituts zur Kredithürde lag der Anteil der Firmen im verarbeitenden Gewerbe, die über einen restriktiven Zugang zu Krediten berichteten, im Mai zwar immer noch bei etwa 36%.
Dies sind jedoch über 11 Prozentpunkte weniger als noch
Mitte vergangenen Jahres. Vor allem die Situation für große
Unternehmen hat sich deutlich verbessert, auch wenn sie
nach wie vor überdurchschnittlich stark über Kreditrestriktionen klagen.
Hohe Zinsaufschläge, eine Verschärfung der Kreditrichtlinien und ein restriktiver Zugang zu Krediten können allerdings durchaus übliche Phänomene in konjunkturellen Schwächephasen sein. Ein zyklisches Verhalten der
Kreditangebotsbedingungen lässt sich beispielsweise mit
der Konjunkturabhängigkeit der Bonität der Kreditnehmer (und damit der Kreditrisiken) und der Monitoringaktivität der Kreditinstitute erklären. Um die Kreditvergabebedingungen von diesen konjunkturellen Einflüssen zu
bereinigen, wurde vom ifo Institut ein Kreditklemmenindikator für das verarbeitende Gewerbe entwickelt, der
den Anteil an der durchschnittlichen ifo Kredithürde wie15
Eine ausführliche Darstellung der Berechnung des Kreditklemmenindikators findet sich in H. Rottmann und T. Wollmershäuser, »A Micro
Data Approach to the Identification of Credit Crunches«, unveröffentlichtes Manuskript, ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München 2010,
sowie in Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, »Zögerliche Belebung
– Steigende Staatsschulden«, ifo Schnelldienst 62(20), 2009, 3–64, hier:
S. 44, Kasten 3.5.
4,0
Prozentpunkte
3,5
Saldo in %
Zinsaufschlaga)
(linke Skala)
3,0
60
60
40
50
20
in %
Prozentpunkte
15
ifo Kredithürdec)
40
0
2,0
-20
Kreditrichtilinienb)
10
(linke Skala)
30
2,5
20
20
10
5
Kreditklemmenindikatord)
(rechte Skala)
0
-5
(rechte Skala)
1,5
-40
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
0
-10
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
a)
Der Zinsaufschlag wird als Differenz zwischen den durchschnittlichen Zinsen im
Kreditneugeschäft und dem Hauptrefinanzierungssatz der EZB berechnet. - b) Die Kreditrichtlinien
messen den prozentualen Saldo der Antwortkategorien "verschärft" und "gelockert" des Bank
Lending Survey. Die Banken werden dabei nach der Veränderung der Richtlinien für die
Gewährung von Krediten an Unternehmen in den letzten drei Monaten gefragt. - c) Die ifo
Kredithürde gibt den Anteil der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe an, der die
Kreditvergabe der Banken restriktiv einschätzt. - d) Der Kreditklemmenindikator gibt den Anteil an
der durchschnittlichen ifo Kredithürde für das verarbeitende Gewerbe wieder, der nicht durch die
üblichen Determinanten des Kreditangebots (wie die Bonität der Unternehmen und die
Refinanzierungskosten der Banken) erklärt werden kann.
dergibt, der nicht durch die üblichen Determinanten des
Kreditangebots (wie die Bonität der Unternehmen und die
Refinanzierungskosten der Banken) erklärt werden kann.15
Seit Ausbruch der Finanzkrise hat sich der Kreditklemmenindikator entlang der Nulllinie entwickelt, was darauf
hindeute, dass der von den Unternehmen berichtete restriktive Zugang zu Krediten durch die Verschlechterung
der Kreditwürdigkeit der Unternehmen und den Anstieg
der Risikoprämien bei der Refinanzierung der Banken
erklärt werden kann. Lediglich bei den großen Unternehmen, die vorwiegend Kundenbeziehungen zu den von der
Finanzkrise am stärksten betroffenen Groß- und Landesbanken pflegen, deutete der Indikator zur Jahreswende 2008/09 das Vorliegen einer Kreditklemme an. Allerdings hat sich auch hier die Situation in den letzten Monaten deutlich verbessert.
Alles in allem deutet momentan wenig auf das Vorliegen
einer breiten Kreditklemme in Deutschland hin. Allerdings
sind sowohl die Kreditvergabestandards als auch die Zinsweitergabe derzeit noch als eher restriktiv zu beurteilen.
Auch wenn dies wohl nicht in erster Linie durch angebotsseitige Faktoren erklärt werden kann, so ist dennoch mit
einer Bremswirkung auf Unternehmensseite zu rechen. Eine Ursache für den Befund eines konjunkturell angemessenen Kreditangebots dürfte im Abbau der Ungleichgewichte innerhalb der Europäischen Währungsunion liegen.
Durch den Rückgang der relativen Ertragsaussichten in
den Defizitländern aufgrund der geänderten Risikoeinschätzung wird verstärkt Kapital in den stabileren Überschuss63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
46
Daten und Prognosen
Bei Betrachtung der Exporte nach Regionen fällt auf, dass im ersten Quartal erneut
ein starker Impuls aus China kam. Die dort
kräftige konjunkturelle Dynamik führte zu
einem Anstieg der deutschen Ausfuhren
von 27%. Die Lieferungen in die USA wurden begünstigt von der Abwertung des
Euro sowie von einer anziehenden Investitionsdynamik und legten mit mehr als 7%
zu. Vor allem die Automobilbranche konnte davon profitieren. Nach Osteuropa wurde ebenfalls mehr exportiert, hier sind
Tschechien und insbesondere Polen zu
nennen. Innerhalb der Eurozone legten die
Ausfuhren nach Frankreich, Italien und
Spanien zu. In die EU wurden insgesamt
knapp 3% mehr geliefert. Auch von wirtschaftlich dynamischen Ländern wie Brasilien, Russland und Indien wurde wieder
deutlich mehr in Deutschland gekauft. Diese Länder verfügen noch über einen geringen Anteil am deutschen Export. Veränderungen in ihrer Nachfrage wirken sich deshalb wenig auf die deutsche Exportwirtschaft aus (vgl. Abb. 4.10).
Abb. 4.10
Außenhandel Deutschlands nach Ländern und Regionen
Spezialhandel; saisonbereinigte Quartalswerte in Mrd. Euro
Ausfuhr
Einfuhr
Euroraum
110
Andere EU-Länder
a)
56
48
95
40
80
32
65
24
50
16
35
8
98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
USA
China
24
18
21
15
18
12
15
9
12
6
9
3
6
0
98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Russland
OPEC-Staaten
12
8
9
6
b)
Im zweiten Quartal 2010 werden die Ausfuhren weiter stark zunehmen. Zum einen liegt
der Wert für die nominalen Warenexporte in
3
2
Abgrenzung des Spezialhandels im April bereits 2% über dem Durchschnitt des ersten
0
0
98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10
Quartals. Zum anderen deuten sowohl die
Polen, Ungarn, Tschechien, Lettland, Litauen, Estland, Bulgarien, Dänemark, Rumänien, Schweden, Großbritannien.
ifo Exporterwartungen als auch die AuftragsAlgerien, Libyen, Nigeria, Venezuela, Irak, Iran, Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Indonesien.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.
eingänge aus dem Ausland auf eine kräftige
Auslandsnachfrage nach deutschen Gütern
hin. Die realen Exporte werden sich deshalb
im aktuellen Quartal um 4% verbessern. Für das zweite Halbländern angeboten, was dort die Kreditkonditionen verjahr 2010 wird mit einer leichten Abschwächung der zum
bessert und die Renditen senkt.
Teil äußerst kräftigen konjunkturellen Dynamik in den asia6
4
a)
b)
Der Außenhandel führt Deutschland aus
der Krise
Abb. 4.11
Reale Exporte
Saison- und kalenderbereinigter Verlauf
320
Im ersten Quartal 2010 konnten die realen Exporte mit 2,6%
gegenüber dem Vorquartal expandieren und knüpften damit an
die hohen Zuwachsraten im dritten und vierten Quartal des Vorjahres an. Dabei kam es im Januar noch zu einem unerwarteten Einbruch der Warenausfuhren um 6,5% gegenüber dem
Vormonat. Dieser wurde im Februar und vor allem im März mit
dem kräftigsten Anstieg seit Juli 1992 wieder wettgemacht. Betrachtet man den Spezialhandel nach Warengruppen, so spiegelt sich der Anstieg der Exporte vor allem in dem Bereich »Kraftwagen und Kraftwagenteile« mit einem Zuwachs von 7,0% und
in der Chemiebranche mit einem Plus von 6,6% wider. Beide
Branchen machen mehr als 30% der Warenausfuhren aus.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
%
Verkettete Volumenangaben in Mrd. Euro
40
7,3%
2,9%
300
12,9%
10,8%
7,5%
20
280
260
0
240
-14,5%
-20
laufende Jahresrate a)
Jahresdurchschnitt b)
Mrd. Euro
220
Prognosezeitraum
200
-40
2006
2007
2008
2009
2010
a)
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
b)
Zahlenangabe: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
2011
Daten und Prognosen
tischen Ländern und den USA gerechnet, welche sich in der
Entwicklung der Exporte niederschlägt. Stützend jedoch wird
sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit auswirken, die sich
seit Anfang des Jahres deutlich verbessern konnte. Insgesamt kommt es im Jahr 2010 zu einem Exportplus von
10,8% (vgl. Abb. 4.11).
Abb. 4.12
Reale Importe
Saison- und kalenderbereinigter Verlauf
280
%
Verkettete Volumenangaben in Mrd. Euro
laufende Jahresrate a)
Jahresdurchschnitt b)
Mrd. Euro
270
6,2%
4,3%
260
40
30
20
8,8%
4,8%
Im weiteren Prognosezeitraum wird die Nachfrage aus der
Eurozone und Großbritannien, die zusammen mehr als die
Hälfte des deutschen Exportmarktes ausmachen, verhalten
bleiben. Ursache hierfür sind die Probleme der südeuropäischen Länder und die Konsolidierungsbemühungen im gesamten Euroraum und in Großbritannien. Impulse für den
Export werden weiter aus China und Südostasien kommen. Daneben werden Polen und Tschechien zur Expansion der Ausfuhren beitragen. Aus den USA dürften leicht
positive Signale kommen. Alles in allem werden die Exporte im Jahr 2011 um 7,3% steigen. Das Niveau des Exportvolumens dürfte sich Ende 2011 wieder leicht über Vorkrisenniveau befinden.
Die realen Importe nahmen im ersten Quartal 2010 kräftig
um 6,1% gegenüber dem Vorquartal zu; ein noch höherer
Quartalsanstieg der Importe wurde das letzte Mal vor
20 Jahren verzeichnet. Die Zunahme der Einfuhren resultierte durch Anstiege in allen Warengruppen. Dabei handelt es sich zum einen um eine Korrekturbewegung gegenüber dem vierten Quartal des Vorjahres, als geringere
Konsumgüterimporte die Einfuhren reduzierten. Zum anderen wurden im ersten Quartal deutlich mehr Vorleistungsgüter importiert, die für die Produktion von Investitionsund Exportgütern verwendet werden. Aufgrund des starken ersten Quartals, der damit einhergehenden volleren
Lager und einem Rückgang der nominalen Warenimporte
in Abgrenzung des Spezialhandels im April gegenüber dem
ersten Quartal von 0,5% wird für das aktuelle Quartal mit einem deutlich geringeren
Einfuhrplus von 1,8% gerechnet.
Tab. 4.4
Im weiteren Verlauf des Jahres führt die abnehmende Dynamik der Exporte zu einer geringeren Zunahme der Importe von Vorleistungsgütern. Größere Impulse dürften von der höheren Nachfrage nach Ausrüstungsinvestitionen ausgehen, diese kommen durch das Auslaufen der günstigen degressiven Abschreibungsbedingungen Ende dieses Jahres zustande. Daneben werden in diesem Jahr steigende Importpreise die Importnachfrage dämpfen. Insgesamt erhöhen sich die realen Importe im Jahr 2010 um 8,8% gegenüber dem Vorjahr. Im kommenden Jahr wird aufgrund eines
moderateren Anstiegs der Exporte und einer
geringeren Zunahme der Binnennachfrage eine Zunahme von 6,2% erwartet (vgl. Abb. 4.12).
10
250
240
0
11,9%
Prognosezeitraum
230
220
-10
-20
-9,5%
210
-30
2006
2007
2008
2009
2010
2011
a)
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
b)
Zahlenangabe: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
Der Außenbeitrag liefert in den Jahren 2010 und 2011 jeweils einen kräftigen Wachstumsbeitrag von 1,2 bzw.
0,9 Prozentpunkten zum BIP-Zuwachs (vgl. Tab. 4.4). Mittelfristig ist damit zu rechnen, dass die deutlich positiven
Wachstumsbeiträge des Außenhandels kleiner werden und
sich die Leistungsbilanzüberschüsse allmählich zurückbilden. Diese Entwicklung resultiert vorwiegend aus einer
dynamischeren Binnennachfrage, die sich in höheren Importen niederschlägt.
Die Einfuhrpreise sind im ersten Quartal 2010 sehr stark
gestiegen. Das ist im Wesentlichen auf den Anstieg der
Energie- und Vorleistungsgüterpreise zurückzuführen. Für
das Jahr 2010 wird eine Zunahme der Importpreise von
3,3% gegenüber dem Vorjahr erwartet. Dabei wird zwar
Konstanz bei den Rohstoffpreisen und dem Euro-Wechselkurs unterstellt, die zurückliegende Verteuerung der
Rohstoffe wirkt aber noch auf die Preise anderer Import-
Wachstumsbeiträge zur Veränderung des Bruttoinlandsprodukts
(in Prozentpunkten)
a)
a)
2009
2010
2011
Konsumausgaben
0,6
– 0,2
0,5
Private Konsumausgaben
0,0
– 0,6
0,4
Konsumausgaben des
Staates
0,6
0,3
0,1
Bruttoanlageinvestitionen
– 1,7
0,3
0,3
Ausrüstungen
– 1,7
0,2
0,2
Bauten
– 0,1
0,0
0,1
Sonstige Anlagen
0,1
0,1
0,0
Vorratsveränderungen
– 0,8
0,8
– 0,2
Letzte inländische Verwendung
– 2,0
0,8
0,6
Außenbeitrag
– 2,9
1,2
0,9
Exporte
– 6,8
4,4
3,3
Importe
3,9
– 3,2
– 2,4
b)
Bruttoinlandsprodukt
– 4,9
2,1
1,5
a)
b)
Schätzungen des ifo Instituts. – Veränderung in % gegenüber dem
Vorjahr. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
47
48
Daten und Prognosen
güter durch. Im kommenden Jahr dürfte kein expansiver
Preisdruck aus den Defizitländern der Eurozone ausgehen, da diese ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern werden. Aufgrund dessen fällt für 2011 die Erhöhung der
Einfuhrpreise mit 1,1% wohl wesentlich moderater aus.
Die Ausfuhrpreise haben sich im ersten Quartal 2010 um
0,9% erhöht. Sie dürften weiter anziehen, da die Spielräume der Exporteure für Preisüberwälzungen mit der Festigung der Weltkonjunktur und der unterstellten Stabilisierung des Euro-Kurses zunehmen. Für 2010 wird mit einem Zuwachs der Exportpreise von 2,7% gerechnet. Der
Welthandel wird im kommenden Jahr deutlich weniger
steigen als 2010. Dies wirkt sich dämpfend auf die Preissetzung der Exporteure aus. Für die Exportpreise wird deshalb für 2011 ein Zuwachs von 1,1% prognostiziert. Die
Terms of Trade verschlechtern sich 2010 und bleiben im
Jahr 2011 unverändert.
Investitionen in Ausrüstungen beleben sich
Die Ausrüstungsinvestitionen sind im vergangenen Jahr
um 20,5% gesunken. Sie sind damit nahezu auf das Niveau von 2005 zurückgegangen. Nachdem sich die inländische Nachfrage nach Ausrüstungsgütern im Sommer
2009 wieder leicht erholt hatte, kam es im Herbst zu einem erneuten Rückprall. Im ersten Vierteljahr 2010 investierten die Unternehmen wieder verstärkt in Maschinen,
Geräte und Fahrzeuge. Dabei dürften nach den Ergebnissen des ifo Investitionstests vorwiegend Ersatzinvestitionen getätigt worden sein.
Die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe war
nach den Angaben der Unternehmen im ifo Konjunkturtest
im Winter 2009 stark abgesenkt worden. Seither wurde sie
aber wieder schrittweise erhöht. Derzeit liegt die Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe leicht unter dem
langjährigen Durchschnittswert. Auch bewerten die Befra-
gungsteilnehmer ihre vorhandenen technischen Kapazitäten etwas weniger häufig als zu groß. Im weiteren Jahresverlauf 2010 entwickelt sich die Nachfrage nach Ausrüstungsinvestitionen positiv. Zwar wird das Expansionstempo des ersten Quartals zunächst nicht beibehalten, doch
dürfte sich gegen Ende des Jahres das Tempo wieder erhöhen. Auf eine Steigerung der Investitionstätigkeit deuten
aktuell die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe
hin. Im ersten Quartal erhielt die Industrie insgesamt, und
die darin enthaltene Hauptgruppe Investitionsgüterhersteller sowie die Maschinenbauer, die Kraftwagenhersteller und
die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen
und optischen Erzeugnissen mehr Aufträge. Nach den jüngsten vorliegenden Daten konnten diese Bereiche auch im April
ein Plus bei den Auftragseingängen verbuchen. Dennoch
lässt im Vergleich zum ersten Vierteljahr die Investitionsdynamik zunächst etwas nach. Insbesondere die Konjunkturtestergebnisse für die Leasingbranche, die sich als zuverlässiger Indikator für die Investitionsneigung bewährt haben,
deuten eine moderate Grundentwicklung an. Gegen Ende
des Jahres werden aber nochmals vermehrt Ausrüstungen
nachgefragt, um in den Genuss der noch gültigen degressiven Abschreibungsregeln zu kommen.
Im Jahr 2011 dehnen die Unternehmen ihre Investitionen in
Maschinen, Geräte und Fahrzeuge insgesamt weiter aus.
Allerdings fehlen zu Jahresbeginn zunächst Projekte, die in
das Jahr 2010 vorgezogen werden. Im weiteren Verlauf wird
das konjunkturelle Grundtempo wieder aufgenommen. Die
Lohnstückkosten erhöhen sich nach einem Rückgang in
2010 im Folgejahr lediglich leicht. Mit weiter steigender Kapazitätsauslastung und günstigen Ertragsperspektiven weiten die Unternehmen die Investitionstätigkeit aus. Anregend
wirken auch die niedrigen Zinsen. Die Ausrüstungsinvestitionen werden im Jahresdurchschnitt 2010 moderat, um
rund 3%, zunehmen und im Jahr 2011 nochmals in ähnlicher Größenordnung steigen (vgl. Abb. 4.13).
Baunachfrage durch Wohnungsbau geprägt
Abb. 4.13
Reale Investitionen in Ausrüstungen
Saison- und kalenderbereinigter Verlauf
Verkettete Volumenangaben in Mrd. Euro
62
%
3,3%
11,0%
60
Prognosezeitraum
11,8%
40
54
2,9%
3,1%
20
-20,5%
46
0
-20
38
a)
laufende Jahresrate
Jahresdurchschnitt b)
Mrd. Euro
-40
30
-60
2006
2007
2008
2009
2010
a)
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
b)
Zahlenangabe: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
2011
Die Bauinvestitionen gingen im Jahresdurchschnitt 2009 um
1,1% zurück. Sowohl der Wohnungsbau als auch der Nichtwohnungsbau verzeichneten ein Minus von jeweils mehr
als einem Prozent. Zwar weitete die öffentliche Hand, unterstützt durch die Konjunkturpakete, ihre Bauinvestitionen
stark aus, doch konnte das den Rückgang in anderen Bereichen nicht vollständig ausgleichen. Im ersten Vierteljahr
2010 war die Bautätigkeit durch den strengen Winter geprägt. So lagen die Bauinvestitionen im ersten Quartal um
3,1% unter dem entsprechenden Vorjahreswert. Die monatlichen Daten zur Bauproduktion zeigen aber, dass die Unternehmen bereits seit März die Produktionstätigkeit wieder kräftig ausgeweitet haben. Im Prognosezeitraum wird
Daten und Prognosen
sich allerdings die Investitionstätigkeit in den Bausparten
sehr unterschiedlich entwickeln.
Über die Jahre 2010 und 2011 hinweg gehen vom Wohnungsbau positive Impulse aus. Der Auftragseingang ist seit
Jahresbeginn deutlich gestiegen und die Baufirmen konnten ihre Auftragsbücher füllen. Die aufgelaufenen Auftragsbestände sind höher als im Vorjahr. Im weiteren Verlauf wird
die Wohnungsbaunachfrage auf der einen Seite durch die
günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt unterstützt. Die Arbeitslosigkeit reduziert sich, und die Arbeitsplatzsicherheit
sollte zunehmen. Auf der anderen Seite ist die Finanzierung
von Baugeld seit Jahresbeginn noch einmal deutlich günstiger geworden. Die Hypothekenzinsen sind damit im historischen Vergleich sehr niedrig. Zudem dürfte weiterhin auch
die energetische Sanierung der Nachfrage Impulse verleihen. Im Jahr 2010 nehmen die Wohnungsbauinvestitionen
um etwa 1,3% und im Jahr darauf um 3,0% zu.
Im gewerblichen Bau setzt sich der Rückgang der Investitionen in diesem Jahr fort. Die Auftragsbestände im gewerblichen Hochbau lagen im Jahresdurchschnitt 2009 um mehr
als 20% unter dem Durchschnittswert des Jahres 2008. Dieser Nachfrageeinbruch dürfte auch im Jahr nachwirken. Es
zeigen sich in den Frühindikatoren aber erste Anzeichen für
eine Wende. Die durch die ifo Architektenumfrage bei den
freischaffenden Architekten abgefragten Schätzungen für
das Bauvolumen von gewerblichen Auftraggebern haben
sich insgesamt merklich vom Tiefpunkt gelöst. Bei den Baugenehmigungen deutet sich ebenfalls eine Besserung an.
So wurden im März mehr Handels- und Lagergebäude genehmigt als im vergleichbaren Vorjahresmonat. Auch die Zahl
der genehmigten Hotels und Gaststätten hat zugelegt. Hier
zeigt sich, dass die Rezession im Dienstleistungsbereich
nicht so deutliche Spuren hinterlassen hat wie im verarbeitenden Gewerbe. Bei den Fabrik- und Werkstattgebäuden
liegt die Zahl der Genehmigungen weiterhin unter dem Vorjahreswert. Das gilt ebenso für Büro- und Verwaltungsgebäude. Aber auch in diesen beiden Bereichen haben sich
die Genehmigungszahlen in den vergangenen Monaten tendenziell positiv entwickelt. Mit einer steigenden gesamt-
49
wirtschaftlichen Nachfrage und einer wieder besseren Ertragssituation der Unternehmen werden sich die Wirtschaftsbauinvestitionen im Jahr 2011 leicht erhöhen. Insgesamt
dürften die gewerblichen Bauinvestitionen im laufenden Jahr
um 4,6% sinken und im kommenden Jahr um 0,5% zunehmen (vgl. Tab. 4.5).
Die öffentlichen Bauinvestitionen expandieren im Jahr 2010
weiter kräftig. Sowohl im öffentlichen Hochbau als auch im
Straßenbau sind die Auftragsbestände der ausführenden
Unternehmen im ersten Vierteljahr 2010 kräftig gestiegen.
Aufgrund der Mittel, die durch die Konjunkturprogramme
bereitgestellten werden, legen die öffentlichen Bauinvestitionen im Verlauf dieses Jahres weiter zu. Zwar hat sich bei
vielen Kommunen wegen der eingebrochenen Steuereinnahmen inzwischen eine Investitionszurückhaltung breit gemacht, die konjunkturstützenden Mittel können dies aber
vorerst noch überkompensieren. Einige der 2010 angestoßenen Baumaßnahmen werden sich in das Jahr 2011 hineinziehen. Die Maßnahmen aus den Konjunkturpaketen laufen im nächsten Jahr jedoch aus. Zudem bleibt die Finanzlage vieler Kommunen angespannt, so dass die Ausgaben
für öffentliche Bauinvestitionen stark eingeschränkt werden.
Daher werden die Bauinvestitionen der öffentlichen Hand im
Jahr 2010 um knapp 9% steigen und im Folgejahr um etwa 6% abnehmen.
Die Bauinvestitionen insgesamt werden dieses Jahr durch
die in den Konjunkturpaketen enthaltenen Maßnahmen deutlich gestützt. Zudem gewinnt der Wohnungsbau an Fahrt.
Dies kann den Rückgang bei den Wirtschaftsbauaktivitäten mehr als ausgleichen. Die Bauinvestitionen expandieren 2010 daher um etwa 0,5%. Im kommenden Jahr wechseln die Antriebskräfte. Die öffentlichen Bauinvestitionen sinken kräftig. Dem gegenüber steht aber eine weitere Steigerung der Wohnungsbauinvestitionen. Zudem stabilisiert sich
der Wirtschaftsbau und wird insgesamt leicht zunehmen. Im
Jahr 2011 steigen daher die Bauinvestitionen insgesamt um
etwa 1% (vgl. Abb. 4.14).
Abb. 4.14
Reale Bauinvestitionen
Saison- und kalenderbereinigter Verlauf
Tab. 4.5
Reale Bruttoanlageinvestitionen
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
Bauten
Wohnbauten
Nichtwohnbauten
Gewerblicher Bau
Öffentlicher Bau
Ausrüstungen
Sonstige Anlagen
Bruttoanlageinvestitionen
2009
– 1,1
– 1,1
– 1,2
– 3,8
5,4
– 20,5
4,9
–9,0
2010
0,5
1,3
– 0,6
– 4,6
8,8
2,9
4,7
1,6
65
Verkettete Volumenangaben in Mrd. Euro
%
laufende Jahresrate a)
Jahresdurchschnitt b)
Mrd. Euro
2011
1,0
3,0
– 1,7
0,5
– 6,1
3,1
4,5
2,0
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2010 und 2011: Prognose
des ifo Instituts.
60
Prognosezeitraum
40
59
4,6%
0,0%
2,6%
-1,1%
0,5%
1,0%
53
20
47
0
41
-20
2006
2007
2008
2009
2010
2011
a)
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
b)
Zahlenangabe: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
50
Daten und Prognosen
Abb. 4.15
Reale Konsumausgaben der privaten Haushalte im Inland nach Verwendungszweck
seit 2005
Nahrungsmittel
Bekleidung und Schuhe
Kettenindex, 2000 = 100
%
102
laufende Jahresrate
Kettenindex, 2000 = 100
%
15 105
15
10
10
(rechte Skala)
99
a)
102
5
0
96
5
0
99
-5
93
-5
96
-10
-10
laufende Jahresrate
(rechte Skala)
90
-15
2005
2006
2007
2008
2009
93
2010
-15
2005
Einrichtungsgegenstände b)
Kettenindex, 2000 = 100
102
2006
2007
2008
2009
2010
Verkehr und Nachrichtenübermittlung
%
20 118
Kettenindex, 2000 = 100
%
45
Sommer des vergangenen Jahres war es durch
die befristet ausgezahlte Abwrackprämie zu einem Boom bei Pkw-Neuzulassungen gekommen; der nach dem Auslaufen der Prämie einsetzende Rückgang von Neuwagenkäufen hat
auch noch im ersten Quartal 2010 angehalten. Ferner wurde an Nahrungsmitteln und
an Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen gespart. Dagegen war die Nachfrage
nach Einrichtungsgegenständen (einschließlich
Haushaltsgeräte) aufwärtsgerichtet. Die realen Ausgaben für Bekleidung und Schuhe sowie für Freizeit, Unterhaltung und Kultur haben
im ersten Quartal 2010 stagniert.
laufende Jahresrate
(rechte Skala)
100
15
30
Im weiteren Verlauf des Jahres dürfte sich der
private Konsum stabilisieren. Bei sich nach und
0
106
nach normalisierenden Arbeitszeiten dürften die
94
0
-15
92
-5
Löhne brutto wie netto saisonbereinigt verhal100
-30
laufende Jahresrate
90
-10
ten expandieren. Die monetären Sozialleistun(rechte Skala)
88
-15
94
-45
gen werden allerdings nicht mehr nennenswert
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2005
2006
2007
2008
2009
2010
steigen. Zum einen bessert sich der ArbeitsFreizeit, Unterhaltung und Kultur
Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen
markt weiter. Zum andern gibt es bei den AlKettenindex, 2000 = 100
%
Kettenindex, 2000 = 100
%
116
20 106
15
tersrenten, anders als in den Vorjahren, eine Null10
runde. Angesichts der rückläufigen Durch102
110
10
5
schnittslohnentwicklung wäre sogar eine Kürzung der Altersbezüge fällig gewesen.16 Die ent0
98
nommenen Gewinne und Vermögenseinkom104
0
-5
94
men dürften saisonbereinigt kaum noch sinken.
laufende Jahresrate
-10
laufende Jahresrate
(rechte Skala)
(rechte Skala)
Bei im konjunkturellen Profil leicht rückläufiger
90
98
-10
-15
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Sparquote zeichnet sich für die privaten KonSaisonbereinigt nach Census X-12-ARIMA.
sumausgaben saisonbereinigt ein geringfügiger
Einschließlich Geräte für den Haushalt.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.
Anstieg ab. Aufgrund des Einbruchs im ersten
Quartal und des aus 2009 herrührenden UnPrivater Konsum belebt sich wieder
terhangs ergibt sich in der Jahresdurchschnittsbetrachtung 2010
für den privaten Konsum ein Rückgang um 1,0% (vgl. Abb. 4.16).
Der private Konsum hat im ersten Quartal 2010 konjunkturell
Im kommenden Jahr dürfte der private Konsum trotz der
erneut enttäuscht, saisonbereinigt ist er um 0,8% gesunken.
jüngsten Sparbeschlüsse zur Konsolidierung der öffentlichen
Bereits im zweiten Halbjahr 2009 hatte er in ähnlicher GrößenHaushalte verhalten weiter expandieren. Die Bruttolöhne und
ordnung abgenommen. Maßgeblich für die ungünstige Entwick-gehälter werden mit 2,1% in ähnlichem Tempo wie im laulung nach der Jahreswende war der spürbare Rückgang der
fenden Jahr steigen; netto ergibt sich jedoch ein geringeres
verfügbaren Realeinkommen. Zwar haben die MasseneinkomPlus (1,5%), weil die Progression wieder voll greift. Zudem
men (Nettolöhne und monetäre Sozialleistungen) saisonberei98
10
96
5
112
15
a)
b)
nigt merklich zugenommen. Hier schlugen, neben der Ausweitung des Arbeitsvolumens, die zu Jahresanfang in Kraft getretene Anhebung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags,
die erhöhte Absetzbarkeit von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowie die Erhöhung des Grundfreibetrags im
ESt-Tarif zu Buche. Dagegen waren die Selbständigen- und Vermögenseinkommen konjunkturell bedingt rückläufig. Zudem hat
sich das Verbraucherpreisniveau – gemessen am Konsumdeflator – kräftig erhöht. Schließlich ist die Sparquote gestiegen.
Bevorzugt haben die Verbraucher im ersten Quartal 2010 bei
Pkw-Käufen den Rotstift angesetzt (vgl. Abb. 4.15). Bis zum
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
16
Basis für die Rentenanpassung ist die durchschnittliche Bruttolohnentwicklung im Vorjahr. Aufgrund der schweren Rezession sind die Bruttolöhne und
-gehälter je Beschäftigten in Deutschland im Jahr 2009 erstmals seit über
50 Jahren gesunken. In den alten Ländern hat sich dies weitaus deutlicher
ausgewirkt als in den neuen Ländern. Die für die Rentenanpassung maßgebliche Lohnentwicklung beträgt für das Jahr 2009 in den alten Ländern
– 0,96%. In den neuen Ländern sind die Löhne dagegen geringfügig um
0,61% gestiegen. Neben der Lohnentwicklung wirkt sich der Nachhaltigkeitsfaktor dämpfend auf die diesjährige Rentenanpassung aus (– 0,51%).
Zusätzlich dämpft der Riesterfaktor (– 0,64%). Aufgrund dieser Faktoren
wären die Bruttorenten in Westdeutschland um 2,10% gekürzt worden und
in Ostdeutschland um 0,54%. Durch die Rentengarantie ist jedoch sichergestellt, dass die Anwendung dieser Anpassungsfaktoren nicht zu einer
Minderung der Altersbezüge führt (vgl. Bundesministerium für Arbeit und
Soziales, Pressemitteilung vom 16. März 2010).
Daten und Prognosen
Abb. 4.16
oder ganz gestrichen. Gegenzurechnen ist, dass im Jahr 2011
die gesetzlichen Altersrenten – wenn auch nur geringfügig –
wieder steigen werden. Die entnommenen Gewinne und Vermögenseinkommen werden voraussichtlich erstmals wieder
etwas zunehmen (2,8%). Insgesamt werden die verfügbaren
Einkommen um 1,9% zulegen, real um 0,6%. Die Sparquote
dürfte bei anhaltend niedrigem Zinsniveau leicht sinken, wozu
auch Vertrauenseffekte im Gefolge der staatlichen Konsolidierungsanstrengungen beitragen. Insgesamt wird der reale private Konsum im Jahresdurchschnitt 2010 voraussichtlich um
0,7% steigen. Auch im Jahresverlauf dürfte der reale Verbrauch
damit steigen (vgl. Tab. 4.6).
Reale Konsumausgaben der privaten Haushaltea)
Saison- und kalenderbereinigter Verlauf
Verkettete Volumenangaben in Mrd. Euro
322
%
laufende Jahresrate b)
Jahresdurchschnitt c)
Mrd. Euro
318
15
Prognosezeitraum
10
0,7%
5
-0,1%
1,3%
-0,3%
314
0,4%
-1,0%
310
0
306
-5
302
-10
2006
2007
2008
2009
2010
2011
a)
Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.
b)
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
c)
Zahlenangabe: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
Verbraucherpreisanstieg leicht beschleunigt
wird der Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung – wie
geplant – von 2,8 auf 3,0% erhöht. Ferner dürften angesichts
der schlechten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung Zusatzbeiträge von durchschnittlich 0,5% erhoben werden.17
Das Verbraucherpreisniveau ist im Winterhalbjahr weitgehend stabil geblieben; im Februar 2010 war der Verbraucherpreisindex saisonbereinigt kaum höher als im vergangenen Oktober. Seit März haben die Preise jedoch spürbar wieder angezogen, das Vorjahresniveau wurde im Mai
um 1,2% überschritten (vgl. Kasten Verbraucherpreisniveau und Inflationsrate). Maßgeblich hierfür war einmal
die Entwicklung der Energiepreise. Aufgrund der anziehenden Rohölnotierungen sind die Preise von Mineralölprodukten wieder deutlich gestiegen. Zuletzt lagen die Heizöl- und Kraftstoffpreise um knapp 18% über dem vergleichbaren Vorjahresmonat. Ohne Mineralölprodukte gerechnet
hätte die Teuerungsrate nur 0,5% betragen. Deutlich verteuert haben sich aber auch saisonabhängige Nahrungsmittel (+ 7,0%).
Die monetären Sozialleistungen werden dagegen leicht sinken
(– 0,3%). Zum einen gehen die Arbeitslosigkeit und damit die
daran gekoppelten Transferleistungen deutlich zurück. Zum anderen kommt das neue Sparpaket der Bundesregierung zum
Tragen: So werden bei der Arbeitslosenversicherung Pflichtleistungen durch Ermessensleistungen ersetzt sowie der befristete Zuschlag beim Arbeitslosengeld II abgeschafft. Für diesen
Empfängerkreis werden außerdem die bisher vom Staat übernommenen Rentenversicherungsbeiträge gestrichen. Zudem
wird das Elterngeld für bestimmte Empfängergruppen gekürzt
17
Die Kerninflationsrate, aus der in Abgrenzung des ifo Instituts der Einfluss der Preisentwicklung von Energieträgern, Gütern mit administrierten Preisen und saisonab-
Die allgemeinen Beitragssätze in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung werden in dieser Prognose als unverändert angenommen.
Tab. 4.6
Quartalsdaten zur wirtschaftlichen Entwicklunga)
Veränderung in % gegenüber dem Vorquartal
2008
I
II
2009
III
IV
II
0,4
0,8 – 1,3 – 0,2 – 0,8
Private Konsumausgaben
– 0,4 – 0,6
Öffentlicher Konsum
Ausrüstungen
Bauten
Sonstige Anlagen
0,8
0,7
0,0
1,0
1,5
0,7
– 0,6 – 0,8
1,5 – 3,7 – 18,4 – 0,5
5,9 – 4,3 – 0,4 – 1,0
0,2
1,3
– 0,6
2,0
1,8
1,3 – 0,4
1,7
Vorratsinvestitionenc)
Inländische
Verwendung
Außenbeitragc)
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
a)
0,3 – 0,4
2010
I
III
IV
I
0,7 – 0,2
1,1
0,8 – 1,5 – 1,6
0,6 – 1,0 – 3,8
2,4
1,9
0,0
IIb)
2011
IIIb)
0,2
0,2
0,3
0,2
0,0
0,2
0,1
2,5 – 0,3
0,3
1,2
1,4 – 0,2 – 0,8 – 1,1
2,3
0,0
1,2
1,3
0,1
1,4
– 0,9
1,5
1,7 – 1,1
1,9 – 0,6
2,3 – 1,3
1,2 – 0,4
– 1,5 – 1,1
1,2 – 1,5
1,4
0,0
0,0
– 0,5
0,7 – 1,4 – 2,1 – 2,1
1,5 – 0,5
1,6 – 1,1
1,7
0,2 – 0,1 – 7,9 – 10,2 – 1,0 – 3,2
2,3
2,6
3,3 – 1,5
3,4 – 4,2 – 6,1 – 4,8
4,7 – 1,6
6,1
1,1
4,0
1,8
0,5
2,5
1,6
1,1
0,5
– 3,5
0,4
0,7
b)
0,2
0,2
IVb)
0,2
– 0,5 – 1,8
– 0,4 – 0,2
0,2
IIIb)
0,2
0,8
1,4
1,2
0,1
0,1
IIb)
0,3
0,8
1,6 – 0,6 – 0,3 – 2,4
Ib)
0,1
0,8
4,3
0,6
1,2 – 0,5
Saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte, in Vorjahrespreisen. –
Bruttoinlandsprodukts in Prozentpunkten (Lundberg-Komponenten).
IVb)
0,1
0,1
0,1
0,1
0,3
0,1
0,2
0,2
0,3
0,0
1,2
1,3
0,2
1,5
1,3
0,2
1,7
1,6
0,1
1,8
1,8
0,1
1,9
1,8
0,3
0,3
0,3
0,4
0,4
Schätzungen des ifo Instituts. – c) Beitrag zur Veränderung des
Quelle: Statistisches Bundesamt, ab 2. Quartal 2010: Schätzungen des ifo Instituts.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
51
52
Daten und Prognosen
Kasten
Verbraucherpreisniveau und Inflationsrate
allmählich auf die Kernrate wirken. Hinzu
kommt, dass die der Ölpreisentwicklung mit
Verzögerung folgenden Gaspreise und UmlaDie Veränderung des Verbraucherpreisniveaus wird üblicherweise mit Hilfe
der Inflationsrate gemessen. Hierbei wird das Preisniveau in einem Monat t
gen für Fernwärme steigen werden. Auch bei
zum Preisniveau des vergleichbaren Vorjahresmonats t – 12 in Beziehung
Strom ist mit Tariferhöhungen zu rechnen, zugesetzt. Die Entwicklung der Inflationsrate wird deshalb nicht nur von der
mal die Kernenergiewirtschaft im Rahmen des
aktuellen Preisdynamik im laufenden Jahr beeinflusst, sondern immer auch
von den Preisbewegungen im entsprechenden Vorjahreszeitraum. So
Sparpaketes steuerlich belastet wird. Außerergeben sich z.B. zunehmende monatliche Inflationsraten immer dann, wenn
dem dürfte die ökologische Luftverkehrsabdas aktuelle Verbraucherpreisniveau saisonbereinigt steigt und im vergleichgabe auf die Verbraucherpreise umgelegt werbaren Vorjahreszeitraum gesunken oder zumindest konstant geblieben ist.
Die Abbildung 4.17 zeigt diesen Sachverhalt für die Entwicklung der Infladen. Die Finanznot vieler Gemeinden wird zutionsrate in Deutschland auf, wobei diese approximativ aus dem Vorjahrdem zu einer merklichen Verteuerung von
esabstand der logarithmierten und saisonbereinigten Verbraucherpreiskommunalen Dienstleistungen führen. Alles in
niveaus berechnet ist.
allem dürfte das Verbraucherpreisniveau (gemessen am CPI bzw. HVPI) im JahresdurchAbb. 4.17
schnitt 2010 um 1,1% steigen, im Jahr 2011 um 1,5%.
Entwicklung von Verbraucherpreisniveau a) und Inflationsrate
In (2005 = 100)
Inflationsrate ( = approximativ Vorjahresabstand der
Verbraucherpreisniveaus in %), linke Skala
4,700
4,690
Staatskonsum weiter aufwärtsgerichtet
Mai 2010
= 1,2 %
4,680
4,670
Mai 2009
= 1,0 %
4,660
4,650
4,640
4,630
Verbraucherpreisniveau (2005 = 100), rechte Skala
Verbraucherpreisniveau (2005 = 100), um ein Jahr
verzögert, rechte Skala
4,620
4,610
J F MAM J J A S ON D J F MAM J J A S ON D J F MAM J J A S ON D J F MAM J J A S ON D
2007
2008
2009
2010
a)
Saisonbereinigt und logarithmiert.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.
hängigen Nahrungsmitteln ausgeschlossen ist18, betrug
zuletzt 0,7% (vgl. Tab. 4.7). Hier macht sich die immer
noch günstige Preisentwicklung von Nahrungsmitteln
(ohne Saisonwaren) vorteilhaft bemerkbar. Ohne diese
Nahrungsmittel betrug die Inflationsrate für den verbleibenden Warenkorb, auf den 64,5% aller Verbrauchsausgaben entfallen, zuletzt 0,8% (Jahresdurchschnitt 2009:
1,5%). In dieser Warengruppe waren z. B. die Preise
von Gebrauchsgütern mit mittlerer Lebensdauer nur
um 0,5% höher als vor Jahresfrist, die Preise von
langlebigen Gebrauchsgütern sind sogar um 0,5%
gesunken.
Im Prognosezeitraum dürfte das Verbraucherpreisniveau leicht
beschleunigt steigen. Zwar wird die Kerninflationsrate bei
unterdurchschnittlicher Auslastung der Produktionskapazitäten zunächst noch etwas weiter sinken. Die sich festigende Konjunktur im Verlauf des Jahres 2011 wird dann aber
18
Die Preise von Energieträgern und von Saisonwaren (Fische, Fischwaren,
Obst, Gemüse) sind überdurchschnittlich volatil und können die Ergebnisse der Preisstatistik auf kurze Sicht verzerren. Aufgrund der in Deutschland besonders großen Bedeutung von Gütern mit administrierten Preisen schließt das ifo Institut bei der Berechnung der Kerninflationsrate
diese Gütergruppe zusätzlich aus.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
In der Wirtschaftskrise 2008/2009 wirkten die staatlichen
Konsumausgaben stabilisierend auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Auch im Anfangsquartal des laufenden
Jahres expandierten sie kräftig, in realer Rechnung nahmen sie gegenüber dem Vorquartal um 1,1% zu. Die Ausgaben für den Individualkonsum (insbesondere Gesundheitspflege und Bildung) legten im Quartalsvergleich um 0,8%
zu, die entsprechende Zunahme bei den Ausgaben für den
Kollektivkonsum (wie die allgemeine öffentliche Verwaltung,
Verteidigung, öffentliche Sicherheit und Ordnung etc.) betrug sogar 1,5%. Nachdem die staatlichen Konsumausgaben im Jahr 2009 um 3,4% gestiegen sind, werden sie im
Prognosezeitraum nur noch moderat zunehmen. Im Jahresdurchschnitt 2010 dürfte die Zuwachsrate bei 1,7% liegen,
im kommenden Jahr, wenn die kürzlich beschlossenen Sparmaßnahmen in Kraft treten, nur noch bei 0,5%.
Stundenlohnanstieg vorübergehend schwach
Die Stundenproduktivität ist im vergangenen Jahr mit – 2,2%
deutlich gesunken. Demgegenüber haben die Tariflöhne mit
2,3% vergleichsweise kräftig zugelegt. Aber auch die Lohndrift war durch die hohe Zahl der Kurzarbeiter positiv, so dass
die Lohnstückkosten auf Stundenbasis um 5,4% in die Höhe schnellten. Zu Beginn dieses Jahres war die Tarifgestaltung von Beschäftigungssicherung geprägt. So wurden sowohl in der Metallindustrie als auch in der Chemiebranche lediglich Einmalzahlungen vereinbart. Im öffentlichen Dienst
erfolgte eine Stufenerhöhung um 1,2%. Insgesamt waren
die Tariflöhne damit im ersten Quartal um 1,75% höher als im
Vorjahresquartal. Die Effektivlöhne (Bruttoverdienste je Arbeitnehmerstunde) sind hingegen um 0,2% gesunken. Hier machte sich die stark verminderte Inanspruchnahme von Kurzarbeit bemerkbar, da nun Zuzahlungen zum Kurzarbeitergeld
wegfallen. Des Weiteren fanden ein Anstieg der normalen Wochenarbeitszeit und ein Aufbau von Überstunden statt.
Daten und Prognosen
Tab. 4.7
a)
Entwicklung des Verbraucherpreisindex
2006
Wägungsschema
in Promille
2007
2008
2009
2010
Mai
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %
b)
Kerninflation
718,08
0,8
2,0
1,9
1,3
0,7
davon:
Nahrungsmittel ohne Saisonwaren
73,08
0,8
3,5
7,3
– 0,5
0,0
darunter:
Brot, Getreideerzeugnisse
16,44
0,6
3,2
7,9
0,7
– 0,6
Molkereiprodukte, Eier
14,44
0,0
5,9
14,0
– 7,3
0,1
Speisefette und -öle
2,55
0,8
10,5
7,5
– 5,0
6,4
Andere Waren und Dienste
645,00
0,8
1,8
1,3
1,5
0,8
Übrige Lebenshaltung
281,92
3,6
3,1
4,4
– 2,0
2,5
davon:
Saisonabhängige Nahrungsmittel
16,91
6,8
5,8
3,1
– 4,8
7,0
Heizöl, Kraftstoffe und Gas
57,43
9,1
2,9
11,2
– 12,4
10,6
Heizöl
9,21
10,9
– 1,5
31,6
– 30,7
34,6
Kraftstoffe
35,37
5,5
4,1
6,8
– 11,0
14,0
Gas
12,85
17,6
2,7
8,9
– 1,5
– 9,3
Güter mit administrierten Preisen
207,58
1,9
3,0
2,5
1,6
– 0,1
darunter:
Strom
24,61
3,9
6,9
6,9
6,2
2,9
Umlagen für Fernwärme u. Ä.
12,36
15,2
3,3
8,1
4,0
– 12,0
Telefondienstleistungen
27,12
– 3,1
– 0,3
– 3,2
– 2,4
– 1,9
Gesundheitspflege
40,27
0,5
0,8
1,7
1,0
0,2
Beiträge zur Krankenversicherung
9,39
2,2
2,1
5,2
1,6
– 0,6
Kraftfahrzeugsteuer
6,50
1,1
3,6
– 0,1
– 0,5
1,0
Lebenshaltung insgesamt
1 000,00
1,6
2,3
2,6
0,4
1,2
c)
davon:
Kerninflation
–
0,5
1,4
1,4
0,9
0,5
Nahrungsmittel ohne Saisonwaren
–
0,1
0,3
0,5
0,0
0,0
Andere Waren und Dienste
–
0,5
1,2
0,8
1,0
0,5
Übrige Lebenshaltung
–
1,0
0,9
1,3
– 0,6
0,7
Saisonabhängige Nahrungsmittel
–
0,1
0,1
0,1
– 0,1
0,1
Heizöl, Kraftstoffe und Gas
–
0,5
0,2
0,7
– 0,8
0,6
Güter mit administrierten Preisen
–
0,4
0,6
0,5
0,3
0,0
a)
b)
c)
Verbraucherpreisindex, 2005 = 100. –
In der Abgrenzung des ifo Instituts. –
Inflationsbeiträge der Teilindizes zur
Veränderung des Verbraucherpreisindex in Prozentpunkten. Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen des ifo Instituts.
Für den weiteren Verlauf des Jahres 2010 stehen tarifliche Lohnzahlungen bereits fest. So erfolgt im Baugewerbe eine Erhöhung der Löhne um 2,3%, im Einzelhandel steigen die Löhne
im Herbst um 1,5%, und die Beschäftigten in der Metallindustrie und in der Chemiebranche erhalten Einmalzahlungen, die
je nach betrieblicher Ertragslage gestaffelt werden können. Insgesamt steigen die tariflichen Stundenlöhne mit 1,7% schwächer als im Vorjahr. Die effektiven Stundenlöhne liegen dabei
nur um 0,4% über dem Vorjahr, da die Lohndrift deutlich negativ ausfallen dürfte. Dies liegt zum einen daran, dass die Kurzarbeit rasch reduziert wird und somit die Zuzahlungen der Arbeitgeber zum Kurzarbeitergeld wegfallen. Zum anderen wird
sich die durchschnittliche Arbeitszeit nach dem Einbruch im
vergangenen Jahr nun wieder normalisieren und die Arbeitszeitkonten dürften wieder aufgefüllt werden. Des Weiteren dürften außerbetriebliche Lohnbestandteile nicht ausgebaut werden, da sich die Arbeitsmarktsituation im Verarbeitenden Gewerbe nur langsam entspannt. Insgesamt ergibt sich für die
Lohnstückkosten auf Stundenbasis nach dem spürbaren Anstieg im letzten Jahr eine leichte Abnahme um 0,3%.
handelnden Branchen im kommenden Jahr etwas höhere Lohnsteigerungsraten erzielt werden, um die moderaten Abschlüsse während der Krise zum Teil zu kompensieren. So steht bereits fest, dass für die Beschäftigten in der Metallindustrie eine
spürbare Tarifanhebung erfolgt. Die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst werden hingegen im kommenden Jahr etwas
schwächer ausfallen als in diesem. Insgesamt ergibt sich ein
Anstieg der tariflichen Stundenlöhne um 1,8%. Die Lohndrift
dürfte dabei leicht positiv ausfallen, da nach und nach vermehrt
Überstundenzuschläge bezahlt werden und außertarifliche
Lohnbestandteile bei einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit dann wieder an Bedeutung gewinnen. Im kommenden
Jahr dürften die Stundenlöhne demnach um knapp 2% zulegen. Trotz beschleunigt steigender Arbeitsproduktivität erhöhen sich die Lohnstückkosten auf Stundenbasis um 0,5%.
Nach dem Abbau der Kurzarbeit und mit zunehmendem Auslastungsgrad im Verarbeitenden Gewerbe dürften in den ver-
Zu Beginn des vergangenen Jahres hatte sich der Arbeitsmarkt in Anbetracht des konjunkturellen Einbruchs als über-
Rückgang der Arbeitslosigkeit und Abbau von
Kurzarbeit
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
53
54
Daten und Prognosen
aus stabil erwiesen. Dabei wurde vor allem die durchschnittlich geleistete Arbeitszeit der Arbeitnehmer durch Kurzarbeit und Abbau von Arbeitszeitkonten reduziert. Zudem fand
ein enormer Produktivitätseinbruch statt, da überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer in meist hochproduktiven, exportabhängigen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes
entlassen wurden. Demgegenüber stieg die Zahl der Beschäftigten bei öffentlichen und privaten Dienstleistern. Dies
führte zu einer zusätzlichen Reduktion der durchschnittlichen Arbeitszeit je Beschäftigten, da diese Bereiche eine
überdurchschnittlich hohe Teilzeitquote aufweisen.19 Diese sektorale Verschiebung setzte sich im weiteren Jahresverlauf fort und in der Folge ging die Zahl der Erwerbstätigen im Inland insgesamt nur leicht zurück (– 0,4%), auch
weil der Pendlersaldo deutlich sank. Mit fortschreitender
gesamtwirtschaftlicher Erholung wurden dabei Negativsalden auf Arbeitszeitkonten wieder ausgeglichen, so dass
der scharfe Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit zu
Jahresbeginn teilweise wettgemacht wurde. Auch die Kurzarbeit ging im weiteren Jahresverlauf etwas zurück. Insgesamt reduzierte sich die durchschnittliche Arbeitszeit 2009
noch um 2,8%. Die Zahl der Arbeitslosen stieg dabei lediglich um 186 000.20
Im ersten Quartal dieses Jahres hat sich die Industriekonjunktur weiter erholt. Dennoch war die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe weiterhin rückläufig und lag im März um 220 000
(– 3,4%) niedriger als ein Jahr zuvor. Hier wurde offenbar
zunächst die Kurzarbeit reduziert und Arbeitszeitkonten
wurden wieder aufgefüllt. Nachdem in der Krise viele Leiharbeiter entlassen worden waren, profitierte nun offenbar
die Leiharbeitsbranche vom Aufholprozess bei der Produktion, da dort die Beschäftigung seit einigen Monaten bereits wieder ansteigt und im März um 81 000 (15,7%) über
Vorjahr lag. Die Erwerbstätigkeit in den öffentlichen und privaten Dienstleistungsbereichen wurde weiter ausgebaut
und die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sowohl im Bereich Erziehung und Unterricht als auch
im Gesundheitswesen lag um 3,3 bzw. 3,8% über dem
Vorjahreswert.
Abb. 4.18
Geleistete Arbeitsstunden der Erwerbstätigen im Inland
Saison- und kalenderbereinigter Verlauf
Mill. Stunden
14800
%
1,3%
14400
1,8%
0,2%
1,4%
0,3%
12
Prognosezeitraum
8
-2,8%
14000
4
13600
0
laufende Jahresrate a)
Jahresdurchschnitt b)
Mill. Stunden
13200
-4
12800
-8
2006
a)
b)
2007
2008
2009
2010
2011
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in %, auf Jahresrate hochgerechnet (rechte Skala).
Zahlenangabe: Veränderung der Ursprungswerte gegenüber dem Vorjahr in %.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
re, die ohne Aussicht auf Beschäftigung sind, erfasst werden. Zudem hat sich der Anstieg der Arbeitsuchenden, die
nicht als Arbeitslose registriert sind – dies sind vor allem
Personen in unsicheren Erwerbsverhältnissen – spürbar
verlangsamt. Des Weiteren steigt sowohl die Zahl der offenen Stellen als auch das ifo Beschäftigungsbarometer
seit etwa einem Jahr stetig an, was daraufhin deutet, dass
die Beschäftigung in den kommenden Monaten weiter ausgeweitet wird.
Im zweiten Quartal 2010 wird sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Anbetracht des Aufholprozesses der Industriekonjunktur weiter verbessern. Dabei steigt das Arbeitsvolumen
deutlich an und die Erwerbstätigkeit nimmt spürbar zu, wenn
auch etwas langsamer als das Arbeitsvolumen, da sich die
durchschnittliche Arbeitszeit weiter normalisiert. Mit dem Abflachen der gesamtwirtschaftlichen Aufwärtsdynamik in der
zweiten Jahreshälfte verlangsamt sich auch der Beschäftigungsaufbau, da die Kapazitätsauslastung in der Industrie
dann zwar etwa bei ihrem langjährigen Durchschnitt liegen
dürfte, aber nur langsam zunimmt. Außerdem dürften in vielen Betrieben keine Neueinstellungen anstehen, da der ver-
Abb. 4.19
Erwerbstätige
Der Anstieg des Arbeitsvolumens hat sich im ersten Quartal 2010 fortgesetzt (vgl. Abb. 4.18), und die Arbeitslosigkeit lag im Mai trotz des Abbaus von Kurzarbeit um 168 000
niedriger als zu Jahresbeginn. Auch die »Arbeitslosigkeit
im weiteren Sinne« lag unter dem Wert des Vorjahresmonats, obwohl dort auch Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und Langzeitarbeitslose über 58 Jah-
Inländerkonzept, saisonbereinigter Verlauf
41,4
Mill. Personen
41,0
20
Vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, »Die Spuren der Krise sind noch länger sichtbar«, IAB Kurzbericht, 3/2010.
Die »Arbeitslosigkeit im weiteren Sinne«, bei der auch Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erfasst werden und die auch Langzeitarbeitslose über 58 Jahre umfasst, die ohne Aussicht auf Beschäftigung
sind, lag um 415 000 Personen über dem Vorjahreswert.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
500
400
40,6
+564
-49
+89
+139
+660
40,2
300
200
39,8
100
39,4
0
39,0
-100
+255
38,6
19
Tsd. Personen
Prognosezeitraum
Veränderung gegenüber dem Vorquartal a)
-200
Jahresdurchschnitt b)
38,2
-300
Mill. Personen
37,8
-400
2006
2007
2008
2009
2010
a)
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in tausend Personen (rechte Skala).
b)
Zahlenangabe: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in tausend Personen.
Quelle: Statistisches Bundesamt; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
2011
Daten und Prognosen
mehrte Einsatz von Kurzarbeit im vergangenen Jahr das Beschäftigungsniveau zunächst stabilisiert hat und so ein erheblicher Personalüberhang entstanden ist. Weite Bereiche des
Verarbeitenden Gewerbes leiden zudem unter anhaltendem
Kostendruck. Obwohl die Lohnstückkosten im Produzierenden Gewerbe ohne Bau zuletzt etwas gesunken sind, befinden sie sich immer noch etwa 14% über Vorkrisenniveau, was
für sich genommen dafür spricht, dass der Personalanpassungsprozess in der Industrie noch nicht vollständig abgeschlossen ist und viele Betriebe zunächst mit Neueinstellungen zögern. Bei den öffentlichen und privaten Dienstleistern
machen sich im weiteren Jahresverlauf mehr und mehr die
Konsolidierungsanstrengungen der öffentlichen Haushalte bemerkbar, so dass der Beschäftigungsaufbau auch dort spürbar gebremst wird. Unterstützend für die Arbeitsmarktentwicklung wirken im weiteren Verlauf dieses Jahres allerdings
die unter der Maßgabe der Beschäftigungssicherung abgeschlossenen Tarifverträge. Zudem dürften Leiharbeiter aufgrund der flexiblen Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse auch weiterhin eingestellt werden.
Der Beschäftigungsaufbau dürfte überwiegend bei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stattfinden. Das Tempo des Anstiegs verlangsamt sich zwar; jedoch
ergibt sich im Jahresdurchschnitt ein Anstieg um 170 000
(vgl. Tab. 4.8). Nachdem in der Krise zunächst vermehrt geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aufgebaut wurden,
dürfte der Anstieg in diesem Jahr zum Stillstand kommen.
Bei den Selbständigen wird der leichte Rückgang der Zahl
der ungeförderten Selbständigen etwa kompensiert durch
die Ausweitung der geförderten Selbständigkeit. Insgesamt
ergibt sich für 2010 eine Zunahme der Erwerbstätigkeit der
Inländer um 90 000 (0,2%), was im Verlauf einer Zunahme
von knapp 290 000 entspricht (vgl. Abb. 4.19). Dabei steigt
die durchschnittliche Arbeitszeit – trotz einer im langjährigen
Trend zunehmenden Teilzeitquote – um 1,2%. Der Anstieg
begründet sich durch den Abbau von Kurzarbeit und das
Auffüllen der Arbeitszeitkonten sowie der Verlängerung der
regulären Wochenarbeitszeit. Das Arbeitsvolumen steigt in
diesem Jahr um 1,4%. In der Folge sinkt die Zahl der registrierten Arbeitslosen um 190 000, was im Verlauf einem Rückgang um gut 280 000 entspricht. Die Arbeitslosenquote beträgt im Jahresdurchschnitt dann 7,7%. Entlastend wirkt
dabei, dass ältere Langzeitarbeitslose ab 58 Jahren, die keine Beschäftigungsperspektive haben, nach einem Jahr aus
der Statistik fallen. Hinzu kommt, dass das Arbeitskräftepotentials um etwa 100 000 Personen zurückgeht.21 Rechnet
21
Vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, »Die Spuren der Krise sind noch länger sichtbar«, IAB Kurzbericht, 3/2010.
Tab. 4.8
Arbeitsmarktbilanz
Jahresdurchschnitte in 1 000 Personen
Deutschland
Arbeitsvolumen (Mill. Stunden)
Erwerbstätige Inländer
Arbeitnehmer
darunter:
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
darunter
a)
geförderte SV-pflichtige Beschäftigung
marginal Beschäftigte
darunter:
Minijobs
b)
Ein-Euro-Jobs
Selbständige
darunter:
c)
geförderte Selbständige
Pendlersaldo
Erwerbstätige Inland
Arbeitslose
Aktive Arbeitsmarktpolitik
Teilnehmer § 46 SGB III
Trainingsmaßnahmen
d)
Arbeitslosenquote BA
e)
Erwerbslose
f)
Erwerbslosenquote
Kurzarbeit
2007
2008
2009
2010
2011
56 845
39 656
35 220
57 583
40 220
35 786
55 976
40 171
35 759
56 760
40 260
35 846
56 887
40 399
35 987
26 942
27 510
27 494
27 664
27 794
210
5 906
240
5 898
267
5 923
232
5 918
202
5 928
4 861
301
4 436
4 866
291
4 434
4 904
279
4 412
4 904
274
4 445
4 919
269
4 558
237
68
39 724
3 777
180
59
40 279
3 268
145
94
40 265
3 423
162
90
40 350
3 233
178
71
40 470
3 043
0
77
9,0
3 602
8,3
68
0
81
7,8
3 141
7,2
102
132
39
8,2
3 227
7,4
1 143
258
1
7,7
3 009
7,0
543
253
0
7,3
2 830
6,5
213
a)
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Strukturanpassungsmaßnahmen, Personal-Service-Agenturen, Eingliederungszuschuss,
Eingliederungszuschuss bei Vertretung, Eingliederungszuschuss bei Neugründung, Arbeitsentgeltzuschuss, Einstiegsgeld bei
abhängiger Beschäftigung, Arbeitsgelegenheiten der Entgeltvariante, Beschäftigungszuschuss, Qualifizierungszuschuss für
b)
Jüngere, Eingliederungshilfen für Jüngere, Entgeltsicherung für Ältere. –
Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsc)
d)
entschädigung. – Gründungszuschüsse, Existenzgründungszuschüsse, Überbrückungsgeld und Einstiegsgeld. – Arbeitse)
f)
lose in % der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß Bundesagentur für Arbeit). – Definition der ILO. Erwerbslose in %
der inländischen Erwerbspersonen (erwerbstätige Inländer plus Arbeitslose).
Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
55
56
Daten und Prognosen
man Personen hinzu, die von dritten Vermittlern betreut werden und damit seit 2009 nicht mehr als arbeitslos gezählt
werden, beläuft sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit in diesem Jahr auf 105 000.
Im kommenden Jahr nimmt die gesamtwirtschaftliche Expansion wieder langsam an Fahrt auf, und die Kapazitäten
sind weiter leicht überdurchschnittlich ausgelastet. Zudem
entfällt nach und nach der Personalanpassungsdruck für
die Industrieunternehmen, da dann in den meisten Betrieben
die Kurzarbeit wohl beendet wird und der Weg für Neueinstellungen frei ist. Auch dürften die Arbeitszeitkonten dann
wieder gefüllt sein und durch die gestiegene Produktivität
dürften sich die Lohnstückkosten wieder normalisiert haben.
In der Folge steigt die Erwerbstätigkeit der Inländer im kommenden Jahr um 140 000 (0,3%) an; im Verlauf entspricht
dies einer Zunahme um gut 110 000 Personen. Bei etwa
stagnierender durchschnittlicher Arbeitszeit steigt das Arbeitsvolumen um 0,2%. Demgegenüber geht die Arbeitslosigkeit weiter um 190 000 zurück, so dass sich im Jahresdurchschnitt eine Arbeitslosenquote von 7,3% ergibt (vgl.
Abb. 4.20). Zum Ende des Prognosezeitraums dürften dann
noch etwa 3,0 Mill. Personen arbeitslos sein. Dies liegt unter anderem an der Verringerung der strukturellen Arbeitslosigkeit. In einer längerfristigen Betrachtung stieg diese beginnend in den 1970er Jahren stetig an. Seit einigen Jahren
scheint dieser Anstieg allerdings gestoppt; zuletzt dürfte die
strukturelle Arbeitslosigkeit sogar zurückgehen. Maßgeblich
hierfür ist die Aktivierung von Arbeitslosen durch die Arbeitsmarktreform Hartz 4. Auch der Ausbau von geringfügigen
Beschäftigungsverhältnissen und die Lockerung der Regelungen zur Leiharbeit im Jahr 2004 haben zu einer Flexibilisierung des Arbeitsmarkts und erhöhter Einstellungsbereitschaft geführt. Des Weiteren entlastet die demographische
Entwicklung den Arbeitsmarkt, da langfristig weniger Arbeitskräfte nachrücken als aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Nicht zuletzt hat auch die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre für sich genommen zu einem Rückgang der trendmäßigen Arbeitslosigkeit geführt.
Abb. 4.20
Arbeitslose
Saisonbereinigter Verlauf
Mill. Personen
Tsd. Personen
5,0
400
-374
Veränderung gegenüber dem Vorquartal a)
Jahresdurchschnitt b)
Mill. Personen
4,4
+238c)
-711
Prognosezeitraum
200
-105c)
3,8
0
Bedingt durch die Wirtschaftskrise und die in diesem Zusammenhang beschlossenen staatlichen Stützungsprogramme war der Budgetsaldo des Staates 2009 mit 3,1%
in Relation zum Bruttoinlandsprodukt wieder knapp über
den Maastricht-Grenzwert gestiegen. Im laufenden Jahr
dürfte die Defizitquote mit 4,2% noch wesentlich höher ausfallen. Dafür ursächlich sind insbesondere die expansiven
Maßnahmenpakete der Bundesregierung. Mögliche neue
Ausgaben im Rahmen der Banken- und Euro-Rettungspakete bleiben bei dieser Prognose unberücksichtigt. Es
wird jedoch davon ausgegangen, dass das Konsolidierungspaket der Bundesregierung so umgesetzt wird, wie es derzeit geplant ist.22
Die Einnahmen des Staates insgesamt werden 2010 noch
einmal leicht sinken (Vgl. Tab. 4.9), was insbesondere auf
rückläufige Steuereinnahmen zurückzuführen ist. Der Rückgang des Steueraufkommens fällt jedoch mit 1,8% deutlich
geringer aus als im Vorjahr (4,8%) und auch geringer als noch
vor kurzem erwartet wurde (2,7%).23
Die merklich verbesserte konjunkturelle Lage stärkt das
Steueraufkommen, das jedoch aufgrund der stark verzögerten Entwicklung der Veranlagungssteuern und der verabschiedeten Steuersenkungen insgesamt weiter sinkt.
So gehen die Einkommen- und Vermögensteuern im Jahr
2010 nochmals um 5,4% zurück, während bei den Produktions- und Importabgaben bereits Zuwächse zu verzeichnen sind (1,2%).
Deutliche Rückgänge ergeben sich bei der Lohnsteuer
(– 3,3%) und bei den Gewinnsteuern. Die Körperschaftsteuer bleibt nach dem dramatischen Absturz im Jahr 2009 auf
sehr niedrigem Niveau. Die Steuern vom Umsatz in Abgrenzung der Finanzstatistik steigen um 2,4%.
Die an den Staat geleisteten Sozialbeiträge werden im Jahr
2010 um 1,0% gegenüber dem Vorjahr zunehmen. Abgesehen von der Anhebung des von den Arbeitgebern allein
zu entrichtenden Beitrages für das Insolvenzgeld (die Insolvenzgeldumlage zählt zu den Einnahmen der Arbeitslosenversicherung) gab es zum Jahresbeginn keine Änderungen der allgemeinen Beitragssätze. Allerdings war im
Zuge des Konjunkturpaketes II der Krankenversicherungsbeitragssatz zur Jahresmitte 2009 von 15,5% auf 14,9%
abgesenkt worden, was im Jahr 2010 weiterwirkt. In den
vergangenen Monaten haben aber nun nach und nach ei-
-200c)
-509
+155
3,2
Strukturelles Defizit sinkt deutlich
-200
22
-190
-190
2,6
-400
2006
2007
2008
2009
2010
2011
a)
Veränderung gegenüber dem Vorquartal in tausend Personen (rechte Skala).
Zahlenangabe: Veränderung gegenüber dem Vorjahr in tausend Personen.
c)
Inklusive neue Teilnehmer an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung.
Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts (Juni 2010).
b)
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
23
Vgl. Bundesregierung (2010), »Eckpunkte für die weitere Aufstellung des
Haushaltsentwurfs 2011 und des Finanzplans bis 2014«,
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen /2010/2010-0607-eckpunkte-kabinett,property=publicationFile.pdf.
Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, »Erholung setzt sich fort –
Risiken bleiben groß«, ifo Schnelldienst 63(8), 2010, 3–78.
Daten und Prognosen
57
Tab. 4.9
a)
Ausgewählte finanzwirtschaftliche Indikatoren 1991 bis 2011
in % des nominalen Bruttoinlandsprodukts
Staatseinnahmen
darunter:
Staatsausgaben
Nachrichtlich:
darunter:
insinsFinanzieZins-SteuerZinsBruttob)
gesamt
rungssaldo
Quote
Steuern
Sozialbeiträge gesamt
ausgaben
investitionen
1991
43,4
22,0
16,8
46,3
2,7
2,6
– 2,9
12,2
1992
44,8
22,4
17,2
47,2
3,1
2,8
– 2,5
14,1
1993
45,2
22,4
17,7
48,2
3,2
2,7
– 3,0
14,3
1994
45,6
22,3
18,2
47,9
3,2
2,5
– 2,3
14,2
c)
1995
44,9
21,9
18,3
48,1
3,5
2,2
– 3,2
15,9
1996
46,0
22,4
19,0
49,3
3,5
2,1
– 3,3
15,5
1997
45,7
22,2
19,2
48,4
3,4
1,8
– 2,6
15,3
1998
45,9
22,7
18,9
48,0
3,4
1,8
– 2,2
14,8
1999
46,6
23,8
18,7
48,1
3,1
1,9
– 1,5
13,2
d)
2000
46,4
24,2
18,3
47,6
3,2
1,8
– 1,2
13,0
2001
44,7
22,6
18,2
47,6
3,1
1,7
– 2,8
13,5
2002
44,4
22,3
18,2
48,1
2,9
1,7
– 3,7
13,1
2003
44,5
22,3
18,3
48,5
3,0
1,6
– 4,0
13,3
2004
43,3
21,8
17,9
47,1
2,8
1,4
– 3,8
13,0
2005
43,5
22,0
17,7
46,8
2,8
1,4
– 3,3
12,7
2006
43,7
22,8
17,2
45,4
2,8
1,4
– 1,6
12,3
2007
43,9
23,7
16,5
43,7
2,8
1,4
0,2
11,7
2008
43,7
23,7
16,4
43,7
2,7
1,5
0,0
11,3
2009
44,2
23,4
17,0
47,3
2,5
1,7
– 3,1
10,8
2010
42,5
22,2
16,7
46,7
2,5
1,8
– 4,2
11,3
2011
42,3
22,1
16,6
45,7
2,5
1,6
– 3,4
11,4
a)
b)
In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. –
Zinsausgaben des Staates in Relation zum
c)
Steueraufkommen. – Ohne Vermögenstransfers im Zusammenhang mit der Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt
d)
und der Wohnungswirtschaft der ehemaligen DDR (per saldo 119,6 Mrd. ). – Ohne Erlöse aus der Versteigerung der
UMTS-Lizenzen (50,8 Mrd. ).
Quelle: Statistisches Bundesamt; 2010 und 2011: Prognose des ifo Instituts.
nige gesetzliche Krankenkassen damit begonnen, Zusatzbeiträge zu erheben. Aus den genannten Gründen ist die
Finanzentwicklung bei den einzelnen Versicherungszweigen sehr unterschiedlich. So kann die Arbeitslosenversicherung um rund 10% (2,5 Mrd. €) höhere Einnahmen verbuchen, wovon der Löwenanteil (reichlich 2 Mrd. €) auf
die Insolvenzgeldumlage entfällt. Auf der anderen Seite
werden die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung um etwa 11⁄2% niedriger als 2009 ausfallen. Die Beiträge an die Rentenversicherung und an die Pflegeversicherung nehmen um knapp 2% zu, und damit etwa im Ausmaß der Bruttolöhne und -gehälter.
Besonders dynamisch entwickeln sich mit 9% die Investitionsausgaben, weil die mit den Konjunkturprogrammen beschlossene Aufstockung der Investitionen im Jahr 2010 den
Höhepunkt erreicht. Auch die sozialen Sachleistungen (das
sind insbesondere die Sachaufwendungen der gesetzlichen
Krankenkassen) expandieren weiter kräftig (4,2%).
Deutlich gedämpft ist hingegen der Anstieg der monetären
Sozialleistungen (1,9%). Hier schlägt sich nieder, dass mit
der spürbaren Verbesserung am Arbeitsmarkt die Ausga-
Abb. 4.21
a)
Einnahmen, Ausgaben und Budgetdefizit des Staates
Die Vermögenseinkommen des Staates gehen aufgrund
des gesunkenen Bundesbankgewinns im Jahr 2010 deutlich zurück.
in % des BIP
52
18
50
16
Ausgaben
Schätzung
48
14
45,7
46
Dem Rückgang auf der Einnahmenseite steht eine verlangsamte Expansion der Staatsausgaben gegenüber. Diese nehmen zwar um 1,8% zu, allerdings weniger als halb
so stark wie im Vorjahr (4,6%). Die Staatsquote (Ausgaben des Staates in Relation zum Bruttoinlandsprodukt)
sinkt nach dem kräftigen Anstieg im Jahr 2009 nun wieder leicht, weil das nominale Bruttoinlandsprodukt um
3,2% – und damit rascher als die Staatsausgaben – steigt
(vgl. Abb. 4.21).
12
46,7
44
42,5
Einnahmen
42
42,3
40
10
8
6
4,2
38
3,4
36
4
2
34
0
Budgetdefizit (rechte Skala)
32
-2
94
a)
95
96
97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
Gebietskörperschaften und Sozialversicherung in Abgrenzung der VGR; 1995 und 2000 ohne Sondereffekte.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 1.4; Berechnungen und Schätzungen des ifo
Instituts (Juni 2010).
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
58
Daten und Prognosen
ben für Arbeitslosengeld I sinken. Andererseits steigen die
Rentenausgaben – trotz der Nullrunde zur Jahresmitte 2010
– noch einmal kräftig, weil die hohe Anpassung vom
Juli 2009 (im Westen + 2,41%, im Osten + 3,38%) in der
ersten Jahreshälfte noch expansiv wirkt. Trotz der erneuten
Anhebung des Kindergelds zum Jahresbeginn 2010 steigen
die Ausgaben für diese Transferleistung deutlich langsamer
als 2009, weil der einmalig gezahlte Kinderbonus von 100 €
entfällt.
Nach dem kräftigen Anstieg im Vorjahr (3,5%) steigen die
Arbeitnehmerentgelte nun wieder moderater (1,6%), weil
die tariflichen Bezüge deutlich geringer angehoben wurden. Im Rückgang der Subventionen (– 5,1%) spiegelt
sich u.a. wider, dass die Bundesagentur für Arbeit im laufenden Jahr deutlich weniger Sozialbeiträge für Empfänger von Kurzarbeitergeld übernehmen muss als im Vorjahr. Einen Sondereffekt gibt es bei der Position »Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern«, denn
hier sind – als negative Ausgaben – die Einnahmen des
Staates aus der jüngsten Versteigerung von Frequenzen
für Telekommunikationsdienste in Höhe von 4,38 Mrd. €
berücksichtigt.
Im Jahr 2011 wird aufgrund der konjunkturellen Erholung
und der Sparmaßnahmen das Finanzierungsdefizit des
Staates von 4,2% auf 3,4% des Bruttoinlandsprodukts
sinken. Die »tatsächliche« Verbesserung der staatlichen
Finanzlage wird durch diese Verminderung der Defizitquote um 0,8 Prozentpunkte sogar noch unterzeichnet,
denn es ist zu berücksichtigen, dass die Defizitquote 2010
durch die einmaligen Einnahmen aus der Versteigerung
von Telekommunikationsfrequenzen um knapp 0,2 Prozentpunkte vermindert wurde. Die staatlichen Einnahmen
werden im kommenden Jahr um 2,0% zunehmen, während der Zuwachs auf der Ausgabenseite nur noch 0,4%
betragen wird.
Die Steuereinnahmen des Staates werden im Jahr 2011
nach zwei Jahren Rückgang wieder zunehmen (1,6%). Dabei steigen die Steuern vom Einkommen und Vermögen
nur moderat um 1,2%, während die Produktions- und Importabgaben um 1,9% zunehmen. Die Zunahme bei den
Steuern vom Einkommen ist im Wesentlichen auf den Anstieg der aufkommensstarken Lohnsteuer (1,7%) zurückzuführen. Auch die Körperschaftsteuer steigt im Jahr 2011 voraussichtlich wieder deutlich an, während die veranlagte Einkommensteuer aufgrund von Zahlungsverzögerungen weiterhin rückläufig bleibt. Die Gewerbesteuer sowie die Mineralölsteuer dürften ebenfalls erheblich zum Aufkommensanstieg beitragen.
Das Aufkommen der Sozialversicherungsbeiträge wird im
Jahr 2011 deutlich (um 2,3%) zunehmen. Hier wird unterstellt, dass der Beitragssatz der Arbeitslosenversicherung
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
wie geplant von 2,8% auf 3,0% angehoben wird und die
allgemeinen Beitragssätze in der Renten-, Kranken- und
Pflegeversicherung unverändert bleiben. Allerdings wird angesichts der Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherungen angenommen, dass Zusatzbeiträge von im Durchschnitt 0,5% erhoben werden. Außerdem dürfte der Satz für
die Insolvenzgeldumlage wieder etwas reduziert werden.
Berücksichtigt ist hier, dass der Staat – wie im Sparpaket
der Bundesregierung angekündigt – für Empfänger von Arbeitslosengeld II keine Beiträge mehr an die Rentenversicherung überweist. Während die Rentenversicherung nur
einen geringfügigen Zuwachs erwarten kann, steigen die
Beitragseinnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung
um etwa 4%.
Die Vermögenseinkommen des Staates werden im Jahr
2011 voraussichtlich wieder steigen. Dabei wird unterstellt,
dass der Bund – wie im Rahmen des Konsolidierungspakets festgelegt – eine jährliche Dividende in Höhe von
0,5 Mrd. € von der Deutschen Bahn erhält.
Die nachlassende Ausgabendynamik ist in erster Linie auf
die monetären Sozialleistungen zurückzuführen. Diese werden – erstmals seit 2007 – sinken (– 0,5%), weil die Aufwendungen für die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgehen.
Das liegt erstens an der sinkenden Arbeitslosigkeit. Zweitens wirken die Sparmaßnahmen der Bundesregierung in
doppelter Hinsicht, denn zum einen werden direkte Leistungen gekürzt (durch den Ersatz von Pflichtleistungen
durch Ermessensleistungen sowie die Abschaffung des
befristeten Zuschlags beim Arbeitslosengeld II sollen insgesamt 1,7 Mrd. € eingespart werden), zum anderen werden innerstaatliche Transfers gestrichen (durch den bereits
bei den Sozialbeiträgen als Einnahmenminderung erwähnten Wegfall der Rentenversicherungsbeiträge für die Empfänger von Arbeitslosengeld II sinken die – brutto ausgewiesenen – Sozialleistungen um 1,8 Mrd. €). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das Elterngeld für bestimmte Empfängergruppen gekürzt oder ganz gestrichen wird
und die Rentenanpassung wohl nur sehr klein ausfallen
wird (ca. 0,5%).
Infolge der von der Bundesregierung angekündigten Einsparungen im Gesundheitswesen (4 Mrd. €) werden die sozialen Sachleistungen nur noch moderat zulegen (1,8%).
Weitere Sparmaßnahmen machen sich auch bei den Arbeitnehmerentgelten bemerkbar (0,6%). Die Investitionen
werden nach dem Auslaufen der Konjunkturprogramme
wieder zurückgefahren (– 4,1%) und schließlich lässt der
nahezu vollständige Abbau der Kurzarbeit bis Ende 2011
und die damit einhergehende Erstattung von Sozialbeiträgen an die Arbeitgeber durch die Bundesagentur für Arbeit die Subventionen erneut kräftig schrumpfen (– 6,9%).
Die Zinsausgaben des Staates dürften jedoch auch im Jahr
2011 weiter ansteigen.
Daten und Prognosen
Tab. 4.10
Budgetdefizit, Konsolidierungsbedarf und Defizitabbau laut Schuldendienst
2009
2010
Konsolidierungsbedarf
2011–2016
Budgetdefizit
Gesamtstaat
75 Mrd. 104 Mrd. ca. 15 Mrd. p.a.
davon: Bund
39 Mrd. 64 Mrd. ca. 9 Mrd. p.a.
Gesamtstaat (in % des BIP)
3,1
4,2
ca. 0,6 Prozentpunkte p.a.
davon: Bund
1,7
2,6
ca. 0,4 Prozentpunkte p.a.
Strukturelles Defizit
Gesamtstaat
87 Mrd. ca. 12 Mrd. p.a.
davon: Bund
55 Mrd. ca. 8 Mrd. p.a.
Gesamtstaat (in % des BIP)
3,5
ca. 0,5 Prozentpunkte p.a.
davon: Bund
2,2
ca. 0,3 Prozentpunkte p.a.
Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen und Schätzungen des ifo Instituts.
2016
16 Mrd. 10 Mrd. 0,5
0,35
16 Mrd. 10 Mrd. 0,5
0,35
Insgesamt werden sich die Ausgaben des Staates auf 45,7%
des Bruttoinlandsprodukts belaufen, die Einnahmen erreichen mit einem Wert von 42,3% das niedrigste Niveau seit
der deutschen Vereinigung (vgl. Abb. 4.21).
Das erwartete Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte für die Jahre 2010 und 2011 fällt aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs und der damit verbundenen günstigeren Lage auf dem Arbeitsmarkt deutlich geringer aus, als es
bisher geschätzt wurde. Das aktuelle Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung trägt hierzu spürbar bei. Auch
das strukturelle Defizit, welches von der Bundesregierung Anfang des Jahres auf 4,5% des BIP veranschlagt wurde24, beträgt im laufenden Jahr auf Basis dieser Prognose voraussichtlich nur etwa 3,5% und 2,9% im Jahr 2011.25 Dabei ist
auf die Konjunkturanfälligkeit der Schätzung des strukturellen Defizits hinzuweisen.26 Um die Maßgaben der Schuldenregel zu erfüllen, müsste das strukturelle Defizit für den Gesamtstaat im Zeitraum 2011 bis 2016 um voraussichtlich etwa 0,5 Prozentpunkte pro Jahr zurückgeführt werden.27 Zwar
liegt dieses im Jahr 2010 oberhalb der Defizitgrenze des Stabilitäts- und Wachstumspaktes; die Verbesserung im Jahr
2011 um 0,6 Prozentpunkte dürfte jedoch knapp den Kriterien der deutschen Schuldenregel gerecht werden (vgl.
Tab. 4.10). Um dieses Ziel zu erreichen ist es aber erforderlich, dass die von der Bundesregierung angestoßenen Konsolidierungsanstrengungen – wie in dieser Prognose unterstellt – tatsächlich umgesetzt werden.
Anhang
Die wichtigsten Daten der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Das ifo Institut veröffentlicht in diesem Tabellenanhang
erstmals jährliche Sektorkonten (in jeweiligen Preisen)
für die institutionellen Sektoren private Haushalte (einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck),
Kapitalgesellschaften (nichtfinanzielle und finanzielle) sowie Staat im Zeitraum 2009 bis 2011. Die Konten zeigen
außerdem die Transaktionen mit der übrigen Welt auf.
Abgeschlossen am 22. Juni 2010
24
25
26
27
BMF, German Stability Programme, January 2010 Update.
Für die Bestimmung der Konjunkturkomponente wird das Produktionspotenzial an dieser Stelle mit Hilfe des HP-Filters bestimmt. Um das Randwertproblem zu reduzieren werden mittelfristig (in den Jahren 2012–2014)
Wachstumsraten von 1,6% unterstellt.
Vgl. Chr. Breuer und T. Büttner, »Auf Sand gebaut: Das strukturelle Defizit im Auf und Ab der Konjunktur«, ifo Schnelldienst 63(11), 2010, 28–31.
Dabei wird unterstellt, dass das Finanzierungsdefizit des Bundes im Jahr
2010 etwa 2,6% des BIP beträgt und die Länder im Jahr 2016 ein strukturelles Defizit von 0,15% des BIP aufweisen (vgl. Tab. 4.10).
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
59
60
Daten und Prognosen
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Vorausschätzung für die Jahre 2010 und 2011
2009 (1)
Entstehung des Inlandsprodukts
Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Zahl der Erwerbstätigen
Arbeitsstunden je Erwerbstätigen 3)
Arbeitsvolumen
Produktivität (4)
Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt
2010 (2)
2011 (2)
2010
1.Hj (2)
2.Hj (2)
2011 (2)
1.Hj
2.Hj
0,0
0,2
0,3
-0,1
0,5
0,4
0,2
-2,8
1,2
-0,1
1,8
0,6
0,1
-0,2
-2,8
-2,2
-4,9
1,4
0,7
2,1
0,2
1,3
1,5
1,7
0,4
2,1
1,1
0,9
2,0
0,5
1,5
2,0
0,0
1,0
1,0
1884,4
1410,8
473,5
429,9
158,2
244,4
27,3
-18,2
2296,0
113,1
979,3
866,2
2409,1
1906,9
1419,9
487,0
437,0
161,5
247,9
27,7
0,3
2344,3
141,7
1114,9
973,1
2486,0
1941,6
1448,8
492,7
447,4
164,9
254,1
28,4
-5,9
2383,1
165,0
1209,6
1044,6
2548,1
928,8
692,5
236,4
203,6
75,9
114,6
13,1
11,1
1143,6
69,7
534,2
464,5
1213,3
978,1
727,4
250,7
233,4
85,5
133,3
14,6
-10,8
1200,7
72,0
580,7
508,6
1272,8
946,6
707,2
239,4
213,6
78,0
122,3
13,3
2,0
1162,2
87,8
589,1
501,3
1250,0
995,0
741,6
253,4
233,8
86,9
131,9
15,0
-7,8
1220,9
77,2
620,6
543,3
1298,2
1,2
0,1
4,8
-9,4
-21,6
-0,2
-2,2
-1,9
-17,0
-15,4
-3,5
1,2
0,6
2,8
1,7
2,1
1,5
1,3
2,1
13,8
12,3
3,2
1,8
2,0
1,2
2,4
2,2
2,5
2,5
1,7
8,5
7,3
2,5
1,0
0,2
3,4
0,1
0,6
-0,2
0,7
2,2
13,0
9,9
3,8
1,4
1,1
2,4
3,0
3,5
2,9
1,8
2,0
14,6
14,7
2,6
1,9
2,1
1,3
4,9
2,7
6,7
1,8
1,6
10,3
7,9
3,0
1,7
2,0
1,1
0,2
1,6
-1,1
3,1
1,7
6,9
6,8
2,0
3. Verwendung des Inlandsprodukts, verkettete Volumenangaben (Referenzjahr 2000)
a) Mrd. EUR
Konsumausgaben
1681,6
1676,4
1687,8
Private Konsumausgaben 5)
1248,8
1236,4
1245,4
Konsumausgaben des Staates
433,4
440,8
443,2
Bruttoanlageinvestitionen
426,4
433,4
442,0
Ausrüstungen
178,7
183,9
189,6
Bauten
211,4
212,4
214,5
Sonstige Anlagen
35,9
37,7
39,3
Inländische Verwendung
2069,4
2087,5
2101,3
Exporte
993,4
1101,0
1181,8
Importe
906,5
986,1
1047,0
Bruttoinlandsprodukt
2161,9
2206,8
2239,8
821,2
604,2
217,5
202,0
86,1
98,6
17,7
1024,8
531,0
473,7
1083,9
855,1
632,2
223,3
231,4
97,8
113,8
20,0
1062,7
570,0
512,4
1122,9
828,1
609,8
218,8
211,1
89,5
103,4
18,5
1031,8
576,4
503,6
1105,5
859,6
635,6
224,4
230,9
100,1
111,0
20,8
1069,5
605,3
543,4
1134,3
-0,7
-1,7
2,1
0,5
1,8
-0,9
5,5
0,8
10,4
7,9
2,1
0,1
-0,3
1,4
2,7
3,9
1,7
4,0
0,9
11,2
9,6
2,0
0,8
0,9
0,6
4,5
3,9
4,9
4,6
0,7
8,6
6,3
2,0
0,5
0,5
0,5
-0,2
2,4
-2,4
4,4
0,6
6,2
6,0
1,0
2. Verwendung des Inlandsprodukts in jeweiligen Preisen
a) Mrd. EUR
Konsumausgaben
Private Konsumausgaben 5)
Konsumausgaben des Staates
Bruttoanlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
Sonstige Anlagen
Vorratsveränderungen 6)
Inländische Verwendung
Außenbeitrag
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Konsumausgaben
Private Konsumausgaben 5)
Konsumausgaben des Staates
Bruttoanlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
Sonstige Anlagen
Inländische Verwendung
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Konsumausgaben
Private Konsumausgaben 5)
Konsumausgaben des Staates
Bruttoanlageinvestitionen
Ausrüstungen
Bauten
Sonstige Anlagen
Inländische Verwendung
Exporte
Importe
Bruttoinlandsprodukt
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
0,8
-0,1
3,4
-9,0
-20,5
-1,1
4,9
-2,1
-14,5
-9,5
-4,9
-0,3
-1,0
1,7
1,6
2,9
0,5
4,7
0,9
10,8
8,8
2,1
0,7
0,7
0,5
2,0
3,1
1,0
4,5
0,7
7,3
6,2
1,5
Daten und Prognosen
noch Bundesrepublik Deutschland: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
2009 (1)
2010 (2)
2011 (2)
2010
1.Hj (2)
2.Hj (2)
4. Preisniveau der Verwendungsseite des Inlandsprodukts (2000=100)
Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Konsumausgaben
0,5
Private Konsumausgaben 5)
0,2
Konsumausgaben des Staates
1,4
Bruttoanlageinvestitionen
-0,5
Ausrüstungen
-1,4
Bauten
0,9
Sonstige Anlagen
-6,8
Inländische Verwendung
0,3
Exporte
-2,9
Importe
-6,5
1,5
Bruttoinlandsprodukt
5. Einkommensentstehung und -verteilung
a) Mrd. EUR
Primäreinkommen der privaten Haushalte
Sozialbeiträge der Arbeitgeber
Bruttolöhne und -gehälter
Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte
Primäreinkommen der übrigen Sektoren
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Abschreibungen
Bruttonationaleinkommen
nachrichtlich:
Volkseinkommen
Arbeitnehmerentgelte
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Primäreinkommen der privaten Haushalte
Sozialbeiträge der Arbeitgeber
Bruttolöhne und -gehälter
Bruttolöhne und -gehälter je Beschäftigten
Nettolöhne und -gehälter je Beschäftigten
Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte
Primäreinkommen der übrigen Sektoren
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Abschreibungen
Bruttonationaleinkommen
nachrichtlich:
Volkseinkommen
Arbeitnehmerentgelte
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Masseneinkommen
Nettolöhne und -gehälter
Monetäre Sozialleistungen
abz. Abgaben auf soziale Leistungen,
verbrauchsnahe Steuern
Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte
Verfügbares Einkommen
Private Konsumausgaben 5)
Sparen
2.Hj
1,5
1,6
1,1
0,0
-0,8
1,0
-3,3
1,2
2,7
3,3
1,1
1,1
1,3
0,6
0,4
-0,9
1,5
-1,9
1,0
1,1
1,1
1,0
1,7
1,9
1,3
-0,4
-1,2
0,7
-4,6
1,4
2,3
1,9
1,6
1,3
1,4
1,0
0,4
-0,5
1,2
-2,2
1,1
3,1
4,6
0,6
1,1
1,2
0,7
0,4
-1,2
1,7
-2,6
0,9
1,6
1,5
1,0
1,2
1,4
0,6
0,4
-0,7
1,4
-1,2
1,0
0,6
0,7
1,0
1798,5
231,2
992,2
575,2
280,6
2079,1
364,9
2444,0
1797,9
236,1
1013,3
548,5
361,9
2159,8
362,1
2521,9
1838,8
240,2
1035,0
563,6
383,0
2221,8
363,0
2584,8
883,4
114,3
480,3
288,7
155,7
1039,1
183,3
1222,3
914,5
121,8
533,0
259,8
206,2
1120,7
178,9
1299,6
903,1
115,9
488,2
299,0
172,9
1076,0
183,3
1259,3
935,7
124,3
546,8
264,6
210,1
1145,8
179,7
1325,5
1806,6
1223,3
583,2
1882,0
1249,4
632,6
1936,2
1275,2
661,0
900,2
594,7
305,5
981,8
654,8
327,0
933,3
604,1
329,2
1002,8
671,0
331,8
-1,7
0,8
-0,4
-0,3
-0,5
-5,0
-17,2
-4,2
-0,7
-3,7
0,0
2,1
2,1
1,9
3,2
-4,6
29,0
3,9
-0,8
3,2
2,3
1,7
2,1
1,7
1,2
2,8
5,8
2,9
0,2
2,5
-1,2
1,3
1,6
1,8
3,7
-6,3
57,3
4,7
-1,0
3,8
1,1
2,9
2,6
1,9
2,8
-2,7
13,6
3,2
-0,5
2,6
2,2
1,4
1,6
1,1
0,3
3,5
11,1
3,6
0,0
3,0
2,3
2,1
2,6
2,3
1,9
1,9
1,9
2,2
0,5
2,0
-4,2
-0,1
-11,8
4,2
2,1
8,5
2,9
2,1
4,5
5,2
1,6
12,9
3,3
2,6
4,6
3,7
1,6
7,8
2,1
2,5
1,5
518,9
310,4
250,9
557,6
350,7
248,7
520,4
313,0
249,5
565,2
358,3
248,5
42,4
288,7
-26,6
781,0
15,9
692,5
104,4
41,8
259,8
-26,7
790,7
16,4
727,4
79,7
42,1
299,0
-24,0
795,3
16,7
707,2
104,7
41,6
264,6
-24,2
805,7
17,0
741,6
81,1
6. Einkommen und Einkommensverwendung der privaten Haushalte und priv. Org. o.E.
a) Mrd. EUR
Masseneinkommen
1042,3
1076,4
1085,6
Nettolöhne und -gehälter
638,9
661,1
671,3
Monetäre Sozialleistungen
490,4
499,6
498,0
abz. Abgaben auf soziale Leistungen,
verbrauchsnahe Steuern
87,1
84,2
83,7
Übrige Primäreinkommen der privaten Haushalte
575,2
548,5
563,6
Sonstige Transfers (Saldo)
-56,9
-53,2
-48,2
1560,6
1571,7
1601,0
Verfügbares Einkommen
Zunahme betriebl. Versorgungsansprüche
30,6
32,2
33,7
Private Konsumausgaben 5)
1410,8
1419,9
1448,8
Sparen
180,4
184,0
185,9
Sparquote 7)
2011 (2)
1.Hj
11,3
11,5
11,4
13,1
9,9
12,9
9,9
2,5
-0,6
8,3
3,3
3,5
1,9
0,9
1,5
-0,3
3,7
3,5
2,8
2,9
3,5
1,0
0,3
0,8
-0,5
1,4
2,2
-0,1
11,2
-5,0
0,2
0,1
1,0
-3,3
-4,6
0,7
0,6
2,0
-0,7
2,8
1,9
2,0
1,0
-3,1
-6,3
0,5
0,2
3,1
-3,4
-2,7
0,9
1,1
0,7
-0,8
3,5
1,8
2,1
0,3
-0,5
1,9
1,9
2,0
1,8
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
61
62
Daten und Prognosen
noch Bundesrepublik Deutschland: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
2009 (1)
2010 (2)
2011 (2)
2010
1.Hj (2)
2.Hj (2)
2011 (2)
1.Hj
2.Hj
7. Einnahmen und Ausgaben des Staates
a) Mrd. EUR
Einnahmen
Steuern
Sozialbeiträge
Vermögenseinkünfte
Sonstige Übertragungen
Vermögensübertragungen
Verkäufe
Sonstige Subventionen
Einnahmen insgesamt
564,1
410,2
19,3
13,5
8,9
48,7
0,6
1065,2
553,7
414,4
15,7
14,7
8,8
49,0
0,6
1056,9
562,4
423,8
16,9
15,2
9,3
49,5
0,6
1077,7
277,6
200,9
10,2
7,0
4,3
23,1
0,2
523,3
276,1
213,5
5,6
7,7
4,5
25,9
0,4
533,7
281,3
204,7
10,7
7,3
4,6
23,3
0,2
532,1
281,0
219,2
6,2
7,9
4,8
26,2
0,4
545,7
Ausgaben
Vorleistungen
Arbeitnehmerentgelte
Sonstige Produktionsabgaben
Vermögenseinkünfte (Zinsen)
Subventionen
Monetäre Sozialleistungen
Soziale Sachleistungen
Sonstige Transfers
Vermögenstransfers
Bruttoanlageinvestitionen
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern
Ausgaben insgesamt
112,4
178,1
0,1
61,1
31,9
444,0
196,7
45,0
32,7
39,9
-1,4
1140,5
114,6
181,0
0,1
62,4
30,3
452,3
205,0
48,1
29,0
43,5
-5,5
1160,6
115,6
182,1
0,1
64,3
28,2
450,0
208,6
50,2
25,8
41,8
-1,2
1165,6
52,8
87,2
0,0
31,2
15,5
227,2
101,5
23,7
13,9
17,5
-4,9
565,6
61,8
93,8
0,0
31,1
14,7
225,1
103,5
24,4
15,1
26,1
-0,7
595,0
53,3
87,9
0,0
32,1
14,2
225,6
103,3
24,5
11,6
20,1
-0,5
572,0
62,3
94,2
0,0
32,2
14,0
224,5
105,3
25,8
14,2
21,7
-0,7
593,6
Finanzierungssaldo
-75,3
-103,7
-87,9
-42,3
-61,4
-40,0
-47,9
b) Veränderung in % gegenüber Vorjahr
Einnahmen
Steuern
Sozialbeiträge
Vermögenseinkünfte
Sonstige Übertragungen
Vermögensübertragungen
Verkäufe
Sonstige Subventionen
Einnahmen insgesamt
-4,8
0,5
5,5
-9,0
-11,9
2,4
-2,4
-1,8
1,0
-18,4
9,0
-0,5
0,6
-0,8
1,6
2,3
7,5
3,1
5,7
1,0
2,0
-2,7
0,0
-19,0
11,1
-3,5
0,5
-1,8
-0,9
2,1
-17,2
7,3
2,5
0,7
0,3
1,3
1,9
5,2
3,6
6,2
0,9
1,7
1,8
2,6
11,7
2,6
5,2
1,1
2,2
Ausgaben
Vorleistungen
Arbeitnehmerentgelt
Sonstige Produktionsabgaben
Vermögenseinkünfte (Zinsen)
Subventionen
Monetäre Sozialleistungen
Soziale Sachleistungen
Sonstige Transfers
Vermögenstransfers
Bruttoanlageinvestitionen
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern
Ausgaben insgesamt
5,4
3,5
-8,9
13,8
5,3
5,9
11,8
-1,4
6,7
4,6
2,0
1,6
2,1
-5,1
1,9
4,2
6,8
-11,3
9,0
1,8
0,9
0,6
3,2
-6,9
-0,5
1,8
4,5
-11,0
-4,1
0,4
1,9
2,0
2,0
1,1
2,9
5,1
14,3
-14,7
5,1
2,1
2,1
1,3
2,2
-10,9
0,9
3,3
0,5
-8,0
11,8
1,4
0,9
0,8
2,9
-8,7
-0,7
1,8
3,6
-16,3
14,9
1,1
0,9
0,4
3,5
-5,0
-0,3
1,7
5,5
-6,1
-16,8
-0,2
nachrichtlich:
Finanzierungssaldo in % des BIP
-3,1
-4,2
-3,4
-3,5
-4,8
-3,2
-3,7
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Daten und Prognosen
noch Bundesrepublik Deutschland: Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
Gesamte Volkswirtschaft
Nichtfinanzielle
und finanzielle
Kapitalgesellschaften
Private
Haushalte und
private Org. o.E.
Staat
Übrige Welt
8. Primäreinkommen, verfügbares Einkommen und Finanzierungssalden nach Sektoren
Mrd. EUR
2079,1
54,3
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Arbeitnehmerentgelte
1223,3
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
583,2
54,3
Produktions- und Importabgaben abz. Subventionen
272,5
-
226,3
-46,3
272,5
1798,5
1223,3
575,2
-
-148,0
.
.
.
Saldo der laufenden Transfers
Verfügbares Einkommen
Konsum
Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche
Sparen
Saldo der Vermögenstransfers
2009 (1)
-32,0
11,6
194,3
-237,9
32,0
2047,1
1884,4
162,7
65,9
-30,6
35,4
420,6
473,5
-53,0
1560,6
1410,8
30,6
180,4
-116,0
-116,0
0,9
-0,9
16,5
-23,9
6,5
Bruttoinvestitionen
411,6
221,6
39,9
150,1
-
Abschreibungen
364,9
210,5
40,1
114,3
-
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern
Finanzierungssaldo
-
0,5
-1,4
0,9
-
115,1
40,3
-75,3
150,1
-115,1
2010 (2)
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Arbeitnehmerentgelte
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
Produktions- und Importabgaben abz. Subventionen
Saldo der laufenden Transfers
Verfügbares Einkommen
Konsum
Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche
Sparen
Saldo der Vermögenstransfers
2159,8
1249,4
632,6
277,8
134,7
134,7
-
227,2
-50,6
277,8
1797,9
1249,4
548,5
-
-177,6
.
.
.
-32,7
19,7
173,8
-226,2
32,7
2127,1
154,4
401,0
1571,7
-144,9
1906,9
220,2
-32,2
122,2
487,0
-86,0
1419,9
32,2
184,0
-144,9
-0,8
12,6
-20,2
6,8
0,8
Bruttoinvestitionen
437,4
239,9
43,5
154,0
-
Abschreibungen
362,1
208,0
40,5
113,6
-
-
4,7
-5,5
0,8
-
144,1
98,2
-103,7
149,6
-144,1
2221,8
1275,2
661,0
285,6
148,1
148,1
-
234,9
-50,7
285,6
1838,8
1275,2
563,6
-
-201,7
.
.
.
-33,3
18,6
185,9
-237,7
33,3
2188,5
1941,6
247,0
166,7
-33,7
133,0
420,8
492,7
-71,9
1601,0
1448,8
33,7
185,9
-168,5
-168,5
-1,0
8,3
-16,5
7,3
1,0
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern
Finanzierungssaldo
2011 (2)
Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen)
Arbeitnehmerentgelte
Unternehmens- und Vermögenseinkommen
Produktions- und Importabgaben abz. Subventionen
Saldo der laufenden Transfers
Verfügbares Einkommen
Konsum
Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche
Sparen
Saldo der Vermögenstransfers
Bruttoinvestitionen
441,5
243,8
41,8
156,0
-
Abschreibungen
363,0
208,1
41,1
113,8
-
Nettozugang an nichtprod. Vermögensgütern
Finanzierungssaldo
1)
2)
3)
4)
5)
6)
7)
-
0,3
-1,2
0,9
-
167,5
105,4
-87,9
150,0
-167,5
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Vorausschätzung des ifo Instituts; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Inlandskonzept.
Bruttoinlandsprodukt in Vorjahrespreisen je Erwerbstätigenstunde.
Konsumausgaben der privaten Haushalte und der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck.
Einschließlich Nettozugang an Wertsachen.
Ersparnis in % des verfügbaren Einkommens (einschließlich der Zunahme an betrieblichen Versorgungsansprüchen).
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
63
Kurz zum Klima: Kein Ende in Sicht
64
Luise Röpke, Max März und Jana Lippelt
Millionen von Litern Erdöl strömen täglich aus dem Bohrloch der verunglückten Bohrinsel Deepwater Horizon in
den Golf von Mexiko – und ein Ende ist nicht in Sicht. Die
aktuelle Ölkatastrophe hat eine breite Diskussion über Risiko und Nutzen von Offshore-Bohrungen zur Gewinnung
von Erdöl ausgelöst. Als besonders risikoreich gelten hierbei Tiefwasser- und Tiefstwasserbohrungen, das sind Bohrungen ab einer Wassertiefe von 300 bzw. 1 500 Meter (vgl.
Kedrosky 2010). Trotz der offensichtlichen Risiken und vielfach geäußerter Bedenken planen Unternehmen in vielen
Regionen vermehrt die Exploration neuer Offshore-Ölfelder. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion bietet der vorliegende Artikel einen Überblick über aktuelle OffshoreBohrungen in ihrem geographischen, wirtschaftlichen und
politischen Kontext.
Besonders im Golf von Mexiko finden bereits heute zahlreiche Offshore-Bohrungen statt. Während dort bis Mitte der
neunziger Jahre hauptsächlich in den Schelfgebieten Öl
gefördert wurde, haben sich die Bohrungen bis dato in immer tiefere Meereszonen verlagert. Obwohl die Produktion
von Erdöl aus den Schelfgebieten im gleichen Zeitraum abnahm, konnte insgesamt das Extraktionsvolumen gesteigert
werden. So kamen 2009 fast die Hälfte des geförderten Erdöls aus Tiefwasser- und fast ein Drittel sogar aus Tiefstwassergebieten.
Einen Eindruck über die Verteilung der On- und OffshoreReserven1 in den Förderregionen der Welt gibt die erste Karte2 (vgl. Abb. 1). Die Kreisdiagramme zeigen in sieben farblich gekennzeichneten Regionen den Anteil der onshore lagernden Reserven (grün) und den Anteil der offshore lagernden Reserven (blau). Ihre Größe gibt Auskunft über die
Menge der Reserven. Grau schraffiert sind dabei diejenigen 20 Länder, die insgesamt über 93% der weltweiten Reserven an konventionellem Erdöl verfügen.3 Circa 60% der
weltweiten Erdölreserven befinden sich im Nahen Osten. Nur
etwa 2% liegen in Europa.
Nach dem Stand der derzeitigen Explorationsarbeiten lagern weniger als ein Drittel der Reserven offshore. Nur im
australisch-asiatischen und europäischen Raum ist der Anteil der Offshore-Reserven deutlich größer als der Anteil der
Onshore-Reserven. Diese Regionen haben allerdings nur einen kleinen Anteil an den weltweiten Ölreserven. Wie im Falle der Onshore-Reserven, befinden sich auch die umfangreichsten Offshore-Reserven im Nahen Osten.
1
2
3
Definition von Reserven aus BGR (2009, 23): »Reserven sind die Mengen
eines Energierohstoffes, die mit großer Genauigkeit erfasst wurden und
mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten wirtschaftlich gewonnen
werden können.«
Die Daten stammen von der BGR ((2009, 39).
Unter konventionellem Öl versteht man nach der aktuellen Definition Kondensat, Leichtöl und Schweröl. Unter nicht-konventionellen Ölen versteht
man Bitumen oder Rohöl aus Ölsanden, Schwerstöl und Schwelöl oder
Rohöl aus Ölschiefer (vgl. BGR 2009, 19, 55).
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Bei Betrachtung der Graphik muss allerdings beachtet werden, dass zunehmende Explorationen, vor allem im Tiefwasserbereich des Golfes von Mexiko, des Atlantiks vor
Brasilien, der Westküste Afrikas, aber auch des Kaspischen
Meeres oder der arktischen Regionen, voraussichtlich zu
einer Erhöhung der Offshore-Reserven führen werden (vgl.
BGR 2009, 37). Auch können verbesserte und neue Explorations-, Bohr- und Fördertechniken, wie beispielsweise das Richtbohren, die Reserven erhöhen (vgl. BGR 2009,
39). Diese Neuerungen bewirken – sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus technischer Sicht – die Nutzbarmachung
von bisher unbrauchbaren Feldern und damit eine Erhöhung der Reserven.
Die Nutzung der Offshore-Ölvorkommen ist dabei weltweit
unterschiedlich stark ausgeprägt. Während Regionen wie
der Nahe Osten noch hauptsächlich auf Onshore-Reserven zurückgreifen, nutzen Nord- und Mittelamerika bereits
in großem Umfang die Offshore-Reserven.
Die zweite Karte bietet einen Überblick über die Flotten von
Bohrinseln in den verschiedenen Regionen.4 Die Kreisdiagramme geben durch ihre Größe Auskunft über die Anzahl
an Bohrinseln in einer Region. Die farblichen Abstufungen
der Kreisdiagramme stellen die Anteile der Bohrplattformen
in den verschiedenen Wassertiefen dar.
Es wird deutlich, dass die Plattformen regional sehr ungleichmäßig verteilt sind. Interessant ist hierbei insbesondere ein Vergleich beider Karten. Während im Nahen
Osten relativ zu den Reserven noch recht wenige Bohrplattformen existieren, bietet sich in den meisten anderen Regionen, vor allem in Europa und Nordamerika, ein
umgekehrtes Bild.
Im Nahen Osten befinden sich fast ausschließlich Bohrinseln in einer Wassertiefe geringer als 300 Meter. Dagegen
liegt der durchschnittliche Anteil der Bohrplattformen in den
übrigen Regionen in einer Wassertiefe von mehr als 300 Metern bei über 40%.
Neben wirtschaftlichen oder politischen Überlegungen
spielen hierbei natürlich auch geographische Gegebenheiten eine entscheidende Rolle. Während beispielsweise der Golf von Mexiko bis zu 4 384 Meter tief ist (vgl.
EPA 2010) und sich circa ein Viertel der Ölvorkommen im
Tiefwasserbereich befinden (vgl. BGR 2009, 37), erreicht
der Persische Golf nur eine Tiefe von bis zu 90 Meter (vgl.
Britannica 2010).
Entscheidende wirtschaftliche Gründe für zunehmende Offshore-Explorationen sind die steigende Nachfrage nach Öl
und hinreichend hohe Rohölpreise. Erst letztere haben die
4
Die Daten stammen aus der Datenbank von Rigzone (2010).
Im Blickpunkt
Abb. 1
Ölvorkommen und Ölplattformen
Ölvorkommen und Ölplattformen
Ölreserven (2007)
Onshore
Offshore
Größte Ölreserven
Wassertiefe der
Ölplattformen (m)
(Juni 2010)
>3.000
1.500 - 3.000
300 - 1.500
30 - 300
keine Angabe
Quelle: BGR (2009); Rigzone (2010).
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
65
66
Im Blickpunkt
teure Ölförderung im Offshore-Bereich rentabel gemacht.
So übersteigen in den USA die Gesamtgewinnungskosten
pro Barrel Rohöl im Offshore-Bereich die Kosten im
Onshore-Bereich um mehr als das Doppelte (vgl. EIA 2009).
Daneben spielen auch polit-strategische Überlegungen der
westlichen Industriestaaten, wie am Beispiel der USA deutlich nachzuvollziehen ist, eine Rolle. Der amerikanische Präsident Barack Obama rechtfertigt in seiner Erklärung zu der
Ölkatastrophe Tiefwasserbohrungen als notwendig aufgrund der geringen amerikanischen Reserven und dem
gleichzeitig hohen Verbrauch: »Dies ist teilweise der Grund,
dass die Ölfirmen eine Meile unter dem Meer bohren, weil
uns die Plätze zum Bohren an Land und in flachen Gewässern ausgehen« (Obama 2010). Wie von Gronwald und
Lippelt (2009) dargestellt, gehen die Ölreserven in den westlichen Industriestaaten in einem absehbaren Zeitraum zur
Neige. Die Förderung eigener Bohrprojekte kann als Bestandteil einer Strategie zur Energieunabhängigkeit verstanden werden. Entsprechend kommen im Golf von Mexiko, wie oben beschrieben, bereits besonders viele Tiefseeplattformen vor.
Nach dem Untergang der Deepwater Horizon, die in den
vergangenen Jahren einige Tiefbohrrekorde aufstellte (vgl.
Transocean 2009), wurden vielfach Bedenken gegenüber
den Entwicklungen der Offshore-Ölproduktion geäußert. Der
Vorfall am Roten Meer wirkt nun zusätzlich wie Wasser auf
die Mühlen der Kritiker. Angesichts der Katastrophe, für die
BP mit mindestens 20 Mrd. US-Dollar aufkommen muss,
fordert Lamar McKay, BP-Chef USA: »Ich glaube, über Tiefwasserbohrungen muss nach diesem Fall neu nachgedacht
werden.« (vgl. Vilsmeier 2010). Auch strebt die amerikanische Regierung ein Sechs-Monats-Moratorium für alle weiteren Tiefseebohrungen an (vgl. Obama 2010).
Trotz dieser medienwirksamen Aktionen und Forderungen
ist nicht damit zu rechnen, dass es in Zukunft zu einem Rückgang von Offshore-Bohrungen kommt. Dies zeigt sich auch
an den Schwierigkeiten der amerikanischen Regierung, das
Moratorium aufrecht zu erhalten. So prognostiziert der
Executive Director der Internationalen Energieagentur,
Nobuo Tanaka, angesichts der Ölkatastrophe, dass bis 2015
die Hälfte der zusätzlichen Ölproduktion aus Offshore-Quellen stammen wird. Auch hebt er die Bedeutung der OffshoreÖlproduktion für die Sicherung von Versorgung und Bereitstellung von Erdöl hervor. Für Nobuo Tanaka ergibt sich daraus, dass Investitionen weiterhin – auf sichere und nachhaltige Weise – getätigt werden sollen (vgl. Tanaka 2010).
Solange der Ölverbrauch so hoch bleibt oder sogar ansteigt,
ist trotz aller Risiken von einem Fortschreiten des Ausbaus
der Offshore-Förderung auszugehen. Es besteht sogar die
Möglichkeit, dass die Ölförderung nicht nur im Tiefwasser,
sondern auch auf die nicht-konventionellen Erdölreserven
ausgeweitet wird.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
Literatur
BGR, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2009), Energierohstoffe 2009. Reserven, Ressourcen, Verfügbarkeit. Erdöl, Erdgas, Kohle,
Kernbrennstoffe, Geothermische Energie, BGR, Hannover.
Britannica (2010), Persian Gulf, http://www.britannica.com/EBchecked/
topic/452764/Persian-Gulf, aufgerufen am 23. Juni 2010.
EIA, Energy Information Administration (2009), Performance Profiles of Major Energy Producers 2008, http://www.eia.doe.gov/emeu/perfpro/0206%
2808%29.pdf, aufgerufen am 18. Juni 2010.
EPA, U.S. Environmental Protection Agency (2010), General Facts about the
Gulf of Mexico, http://www.epa.gov/gmpo/about/facts.html, aufgerufen am
18. Juni 2010.
Gronwald, M. und J. Lippelt (2009), »Kurz zum Klima – Wie lange werden
die Ressourcen reichen?«, ifo Schnelldienst 62(21), 42–44.
Handelsblatt (2010), »Kosten für BP-Ölkatastrophe steigen weiter«,
http://www.handelsblatt.com/newsticker/unternehmen/kosten-fuer-bp-oelkatastrophe-steigen-weiter;2604630, aufgerufen am 21. Juni 2010.
Kedrosky (2010), Gulf Oil Production by Water Depth, http://paul.kedrosky.com/
archives/2010/05/gulf_oil_produc.html, aufgerufen am 21. Juni 2010.
Obama, B. (2010), Remarks by the President to the Nation on the BP Oil Spill,
https://whitehouse.gov/the-press-office/remarks-president-nation-bp-oilspill, aufgerufen am 21. Juni 2010.
Rigzone (2010), Rig data: worldwide offshore rig fleet information, http://www.rigzone.com/data/advanced_search.asp, aufgerufen am 15. Juni 2010.
Tanaka (2010), Statement by IEA Executive Director Nobuo Tanaka,
http://www.iea.org/files/apec_oil_spill.pdf, aufgerufen am 20. Juni 2010.
Transocean (2009), Deepwater Horizon Drills World’s Deepest Oil & Gas Well,
http://www.deepwater.com/fw/main/IDeepwater-Horizon-i-Drills-Worlds-Deepest-Oil-and-Gas-Well-419C1.html?LayoutID=6, aufgerufen am 23. Juni 2010.
Vilsmeier (2010), Ölförderung unter Druck: Risiken der Tiefseebohrung,
http://www.br-online.de/bayern2/iq-wissenschaft-und-forschung/iq-oelpesttiefseebohrung-ID1276503413757.xml, aufgerufen am 22. Juni 2010.
ifo Architektenumfrage: Auftragsreserven weiter erhöht
67
Erich Gluch
Nach den Ergebnissen der vierteljährlichen
Umfrage des ifo Instituts bei den freischaffenden Architekten hielt das freundliche Geschäftsklima zu Beginn des zweiten Quartals 2010 an.
Die befragten Architekten beurteilten ihre aktuelle Geschäftslage etwas besser als im
Vorquartal. Die Zahl der Architekten, die ihre Lage als »gut« bezeichneten, war zum vierten Mal hintereinander größer als die der kritischen Architekten. Nur noch ein Viertel der
Testteilnehmer (Vorquartal: 27%) war mit ihrer aktuellen Geschäftslage unzufrieden,
knapp ein Drittel – wie bereits vor drei Monaten – zufrieden.
Abb. 1
Vertragsabschlüsse der freischaffenden Architekten
von 100 Architekten haben ..... neue Verträge abgeschlossen
70
Ursprungswerte
geglättete Werte
65
60
55
50
45
40
35
1989
1992
1995
1998
2001
2004
2007
2010
Quelle: ifo Architektenumfrage.
Die Geschäftserwartungen der befragten
Architekten waren nicht ganz so zuversichtlich wie vor einem Vierteljahr. Während der Anteil der eher optimistisch
eingestellten Architekten leicht zunahm (17 nach 16%), vergrößerte sich gleichzeitig der Anteil der eher skeptischen Befragungsteilnehmer von 18 auf 20%. Per saldo setzten die
Architekten aber immer noch ungebrochenes Vertrauen in
die Geschäftsentwicklung im Verlauf der nächsten sechs
Monate.
Im ersten Quartal 2010 konnten 55% der freischaffenden
Architekten neue Verträge abschließen. Dies ist zwar nur jeweils ein Prozentpunkt mehr als im Vorquartal sowie vor einem Jahr – aber dennoch der höchste Wert seit zwölf Jahren (vgl. Abb. 1).
Im Berichtsquartal lag das geschätzte Bauvolumen aus
den neu abgeschlossenen Verträgen (Neubauten ohne Planungsleistungen im Bestand) um nahezu ein Fünftel über
dem Niveau des Vorquartals. Dabei nahmen sowohl die
Volumina der Aufträge für Wohnungsbauten (+ 15%) als auch die Planungsvolumina
für Nichtwohngebäude (+ 20%) zu.
Abb. 2
Im Wohnungsbau erhöhte sich das Auftragsvolumen zur Planung von Ein- und
Zweifamiliengebäuden im ersten Quartal
2010 zwar nur um 7%. Der Umfang der Aufträge ist damit aber mittlerweile um über 60%
größer als in der Schwächephase der Jahre
2006 und 2007. Der leichte Aufwärtstrend
hält somit weiter an.
Im Geschosswohnungsbau konnten die Architekten deutlich mehr Aufträge hereinholen als im Vorquartal (+ 23%). Berücksichtigt
man die bereits ebenfalls positive Entwicklung vom vierten Quartal 2009, so kletterte
das Auftragsvolumen in diesem Teilsegment
allein im letzten halben Jahr um knapp 60% (vgl. Abb. 2).
Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass das
Ausgangsniveau überaus niedrig war.
Im Nichtwohnbau war im Berichtsquartal eine deutliche Belebung beim gewerblichen Auftragseingang zu beobachten.
Das Volumen der neu akquirierten Aufträge lag um gut ein
Drittel über dem Niveau des Vorquartals – in dem es bereits
zu einer Steigerung um ein Sechstel gekommen war (vgl.
Abb. 3). Nach dem jähen Einbruch seit dem zweiten Halbjahr 2008 um rund 66% innerhalb von nur fünf Quartalen
sind die Aufträge gewerblicher Auftraggeber nunmehr wieder sichtlich angestiegen.
Bei den öffentlichen Auftraggebern erfolgte dagegen eine
Verringerung der Auftragsvolumina im ersten Quartal 2010
um rund ein Zehntel. Der wesentliche Grund für das stark
schwankende Auftragsvolumen öffentlicher Auftraggeber ist,
dass von diesen nur noch in geringem Umfang Planungs-
Geschätztes Bauvolumen der freischaffenden Architekten für
Mehrfamiliengebäude (EUR)
Index 1990 = 100
220
Ursprungswerte
geglättete Werte
200
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
1989
1992
1995
1998
2001
2004
2007
2010
Quelle: ifo Architektenumfrage.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
68
Im Blickpunkt
Abb. 3
Geschätztes Bauvolumen der freischaffenden Architekten von
gewerblichen Auftraggebern (EUR)
Index 1990 = 100
140
120
100
80
60
Ursprungswerte
geglättete Werte
40
20
1989
1992
1995
1998
2001
2004
2007
2010
Quelle: ifo Architektenumfrage.
aufträge für Neubauten an Architekten vergeben werden.
In der ifo Architektenumfrage werden – neben Neubaumaßnahmen – auch Planungsleistungen für das Bauen im
Bestand (Umbauten, Modernisierungen, Instandsetzungen)
erfasst. Gerade bei öffentlichen Hochbauarbeiten spielt dieser Bereich mittlerweile eine große Rolle. Im Berichtsquartal waren beispielsweise die öffentlichen Planungsaufträge
für Baumaßnahmen im Bestand, die an freischaffende Architekten vergeben wurden, um fast 50% größer als für Neubauten.
Nach den eingegangenen Meldungen hat der Auftragsbestand bei den befragten Architekten deutlich zugenommen.
Zum Ende des ersten Quartals 2010 betrugen ihre Auftragspolster durchschnittlich knapp sechs Monate (vgl.
Abb. 4). Einen derart passablen Wert wiesen die Architekturbüros letztmals Mitte der neunziger Jahre auf.
Abb. 4
Auftragsbestände der freischaffenden Architekten
in Monaten
8
Ursprungswerte
geglättete Werte
7
6
5
4
3
1989
1992
1995
1998
Quelle: ifo Architektenumfrage.
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
2001
2004
2007
2010
ifo Konjunkturtest Juni 2010 in Kürze1
69
Klaus Abberger
Das ifo Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft
Deutschlands hat sich im Juni geringfügig verbessert. Die
Unternehmen sind mit ihrer momentanen Geschäftssituation zufriedener. Die Geschäftsentwicklung im kommenden
halben Jahr schätzen sie jedoch den zweiten Monat in Folge etwas weniger optimistisch ein. Dennoch sind die Unternehmen insgesamt weiterhin zuversichtlich. Der Konjunkturaufschwung in Deutschland setzt sich fort.
Abb. 1
a)
Gewerbliche Wirtschaft
Geschäftsentwicklung
Indexwerte, 2000 = 100, saisonbereinigt
120
115
Geschäftslage
Geschäftsklima
110
105
100
Das Geschäftsklima hat sich einzig im Einzelhandel eingetrübt. In den übrigen betrachteten Wirtschaftsbereichen –
dem verarbeitenden Gewerbe, dem Bauhauptgewerbe und
dem Großhandel – ist der Geschäftsklimaindex gestiegen.
Einheitlich, in allen vier Bereichen, ist der Charakter der Klimaveränderung: Die momentane Geschäftslage wird günstiger bewertet, und die Geschäftsaussichten für die nächste Zeit werden nicht mehr ganz so zuversichtlich eingeschätzt
wie im vergangenen Monat. Die Besserung der Geschäftslage in allen Bereichen zeigt aber, dass die Konjunkturerholung in der Breite der Wirtschaft spürbar ist.
Das ifo Beschäftigungsbarometer ist im Juni geringfügig
gesunken, nachdem es zuvor acht Monate in Folge gestiegen war. Damit stabilisiert sich der Beschäftigungsindikator im befriedigenden Bereich. Der Arbeitsmarkt lässt
die Wirtschaftskrise zunehmend hinter sich zurück. Die
Personalplanungen der Unternehmen im verarbeitenden
Gewerbe sind gegenüber dem Vormonat unverändert. Somit dürfte sich die Beschäftigungssituation in der Industrie weiter entspannen. Der Personalbestand wird kaum
noch als zu groß erachtet. Die Firmen geben zudem an,
die Kurzarbeit im zurückliegenden Vierteljahr deutlich reduziert zu haben. Überstunden werden aber weiterhin selten über das betriebsübliche Maß hinaus getätigt. Kaum
verändert haben sich auch die Beschäftigungsaussichten
im Einzelhandel und im Bauhauptgewerbe. Einzig im Großhandel sind die Personalplanungen nicht mehr so günstig
wie im Vormonat.
Das Geschäftsklima im verarbeitenden Gewerbe hat sich
erneut aufgehellt. Die Industrieunternehmen berichten von
einer weiter verbesserten Geschäftslage. Damit beurteilen
sie zum vierten Mal in Folge ihre aktuelle Geschäftssituation günstiger. Die Befragungsteilnehmer sind merklich seltener von den vorhandenen Auftragsreserven enttäuscht.
Lagerüberhänge bei den Fertigwaren konnten sie vollständig abbauen, und die Verkaufspreise planen sie vermehrt
anzuheben. Der Optimismus der Industriefirmen hinsichtlich
der Geschäftsentwicklung in den nächsten sechs Monaten
hat sich dagegen etwas abgeschwächt. Das Exportgeschäft
1
Die ausführlichen Ergebnisse des ifo Konjunkturtests, Ergebnisse von
Unternehmensbefragungen in den anderen EU-Ländern sowie des
Ifo World Economic Survey (WES) werden in den »ifo Konjunkturperspektiven« veröffentlicht. Die Zeitschrift kann zum Preis von 75,– EUR/Jahr
abonniert werden.
95
90
85
Geschäftserwartungen
80
75
2005
a)
2006
2007
2008
2009
2010
Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß- und Einzelhandel.
Quelle: ifo Konjunkturtest.
Abb. 2
Geschäftsklima nach Wirtschaftsbereichen
im Juni 2010
Salden, saisonbereinigte Werte
50
Klima positiv
aber verschlechtert
40
Klima positiv
und verbessert
30
20
verarbeitendes Gewerbe
10
Großhandel
0
-10
Einzelhandel
Bauwirtschaft
-20
-30
Klima negativ
aber verbessert
Klima negativ
und verschlechtert
-40
-50
-20
-16
-12
-8
-4
0
4
8
12
16
20
Veränderung in Prozentpunkten
Quelle: ifo Konjunkturtest.
Abb. 3
ifo Beschäftigungsbarometer Deutschland
a)
Gewerbliche Wirtschaft
im Juni 2010
Indexwerte, 2000 = 100, saisonbereinigt
110
105
100
95
90
2005
a)
2006
2007
2008
2009
2010
Verarbeitendes Gewerbe, Bauhauptgewerbe, Groß und Einzelhandel.
Quelle: ifo Konjunkturtest.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
70
Im Blickpunkt
wird nach Ansicht der Unternehmen nicht mehr ganz so kräftig zunehmen wie bislang. Dennoch bewerten sie ihre Perspektiven für das Auslandsgeschäft weiterhin als sehr gut.
Das Muster aus besserer aktueller Geschäftslage und reduziertem Optimismus hinsichtlich der Entwicklung in der
nahen Zukunft zeigt sich bei den Vorleistungsgüterherstellern und bei den Investitionsgüterproduzenten. Während die
Firmen im Vorleistungsbereich aber vermehrt Preiserhöhungen durchsetzen wollen, sind die Investitionsgüterhersteller vorwiegend zu Preisabschlägen bereit. Die Konsumgüterproduzenten rechnen etwas vermehrt mit Preisnachlässen, obwohl sie eine leicht günstigere Geschäftslage und
bessere Geschäftsperspektiven erkennen.
Abb. 4
a)
Verarbeitendes Gewerbe
Beurteilung der Fertigwarenlager
32
Salden
saisonbereinigt, geglättet
saisonbereinigt
28
24
20
16
12
8
4
0
-4
2005
Im Bauhauptgewerbe ist der Geschäftsklimaindex wieder
gestiegen. Die Unternehmen äußeren sich etwas zufriedener über ihre Geschäftslage und sehen auch der weiteren
Entwicklung zuversichtlicher entgegen. Den vorhandenen
Auftragsbestand bewerten sie weniger skeptisch als im Mai.
Die Zahl der Unternehmen, die über Auftragsmangel klagen,
liegt deutlich unter dem Wert des Vorjahres. Die Geräteauslastung haben die Unternehmen intensiviert. Sie liegt
spürbar über der Auslastung des entsprechenden Vorjahresmonats. Das Geschäftsklima hat sich sowohl im Tiefbau
als auch im Hochbau aufgehellt. In beiden Sparten lasten
die Firmen ihre Geräte stärker aus als im Vormonat und auch
als im Vorjahresmonat. Im Hochbau verbesserte sich das
Geschäftsklima durchgängig – im Wohnungsbau, im gewerblichen Hochbau und im öffentlichen Hochbau. Am markantesten ist dabei die Klimaverbesserung im öffentlichen
Hochbau. Die aktuelle Geschäftslage und die Perspektiven
schätzen die in diesem Bereich tätigen Unternehmen merklich günstiger ein als bislang.
a)
ifo Schnelldienst 12/2010 – 63. Jahrgang
2007
2008
2009
2010
Ohne Ernährungsgewerbe und Tabakverarbeitung.
Quelle: ifo Konjunkturtest.
Abb. 5
Bauhauptgewerbe
Grad der Kapazitätsauslastung
in Prozent
70
68
66
64
62
saisonbereinigt
saisonbereinigt, geglättet
60
58
2005
Die befragten Großhändler sind mit ihrer momentanen Geschäftssituation wieder zufriedener. Ihre Erwartungen an den
Geschäftsverlauf in den nächsten sechs Monaten sind von
verhaltenem Optimismus geprägt und haben sich im Vergleich zum Mai kaum verändert. Insgesamt hat sich das Geschäftsklima im Großhandel daher leicht verbessert. Die
Lagerbestände erachten die Befragungsteilnehmer seltener
als zu hoch, und sie planen erneut häufiger Preisanhebungen. Da sich bereits seit einigen Monaten die Preisplanungen der Großhändler vermehrt auf Erhöhungen ausrichten,
dürfte der Auftrieb bei den Großhandelspreisen tendenziell
zunehmen. Das Geschäftsklima hat sich im Konsumgüterbereich aufgehellt. Im Produktionsverbindungshandel ist es
dagegen nahezu unverändert. Allerdings sehen die Händler sowohl bei den Konsumgütern als auch bei den produktionsrelevanten Gütern ihre Lagerbestände seltener als
zu hoch an. Uneinheitlich präsentiert sich das Geschäftsklima in den bauaffinen Großhandelssparten. Im Großhandel
mit Elektroinstallationszubehör hat sich das Geschäftsklima stark aufgehellt. Insbesondere die Geschäftslage hat sich
hier erheblich verbessert. Beim Installationsbedarf für Gas,
2006
Salden aus den Prozentsätzen der Meldungen über zu große und zu kleine Lagerbestände
2006
2007
2008
2009
2010
Quelle: ifo Konjunkturtest.
Abb. 6
Großhandel
Preiserwartungen
Salden
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
-5
-10
saisonbereinigt
saisonbereinigt, geglättet
-15
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Salden aus den Prozentsätzen der Meldungen über steigende und sinkende
Großhandelspreise
Quelle: ifo Konjunkturtest.
Im Blickpunkt
Wasser und Heizung sowie bei den Baustoffen ist der Geschäftsklimaindex dagegen merklich gesunken.
Abb. 7
Dienstleistungen
Geschäftsentwicklung
Das Geschäftsklima im Einzelhandel hat sich im Gegensatz
zu den anderen Wirtschaftsbereichen etwas eingetrübt. Die
Befragungsteilnehmer sind zwar mit ihrer augenblicklichen
Geschäftslage weniger unzufrieden als im vergangenen Monat, die Geschäftsentwicklung im kommenden halben Jahr
schätzen sie aber zurückhaltender ein. Die Warenbestände
erachten die Einzelhändler weniger häufig als zu groß, und
die Verkaufspreise wollen sie vermehrt anheben. Das ungünstigere Geschäftsklima im Einzelhandel ist hauptsächlich dem Lebensmittelbereich geschuldet. Im Verbrauchsund im Gebrauchsgüterbereich hat sich das Geschäftsklima dagegen gebessert. In beiden Sparten reduzierten sich
die Lagerüberhänge, wobei die Gebrauchsgüterhändler nun
insgesamt keine überhöhten Bestände mehr erkennen. Bei
den Gebrauchsgütern planen die Händler auch vermehrt
Preisanhebungen, während im Verbrauchsgüterbereich
kaum noch Steigerungen geplant sind. Im Kfz-Einzelhandel
ist der Geschäftsklimaindex ebenfalls gestiegen. Die Befragungsteilnehmer sind zwar ähnlich unzufrieden mit ihrer derzeitigen Geschäftssituation wie im Vormonat, hinsichtlich der
Entwicklung im kommenden halben Jahr hat ihre Skepsis
aber etwas abgenommen. Die Lagerbestände schätzen sie
nun vorwiegend als zu klein ein, und die Verkaufspreise
wollen sie wieder vermehrt erhöhen.
Salden, nicht saisonbereinigt
40
Geschäftslage
30
20
10
0
Geschäftsklima
-10
-20
Geschäftserwartungen
-30
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Quelle: ifo Konjunkturtest.
Hinsichtlich des weiteren Geschäftsverlaufs sind die Befragungsteilnehmer ähnlich optimistisch wie bislang. Die Mitarbeiterzahl wollen sie kräftig erhöhen.
Das ifo Geschäftsklima im Dienstleistungsgewerbe2 hat sich
im Juni – wie schon im Vormonat – kaum verändert. Hinter
dem stabilen Geschäftsklima verbergen sich dieses Mal jedoch zwei gegenläufige Tendenzen: Die befragten Dienstleister berichten von einer besseren Geschäftslage als im
vergangenen Monat. Der Geschäftsentwicklung im kommenden halben Jahr sehen sie dagegen etwas weniger positiv entgegen als bislang. Die Personalplanungen der Dienstleistungsfirmen sind aber nahezu unverändert auf Beschäftigungsaufbau ausgerichtet. Im Bereich Transport und Logistik hat sich das Geschäftsklima etwas eingetrübt. Die Unternehmen sind zwar in einer ähnlich guten Geschäftssituation wie im Vormonat, für die Geschäfte in der nahen
Zukunft sind sie aber nicht mehr ganz so optimistisch. Sie
rechnen damit, nicht mehr ganz so häufig Preissteigerungen durchsetzen zu können. Ihre Auftragsreserven und die
Nachfragesituation bewerten sie aber günstiger als im Mai.
Die DV-Dienstleister sind mit ihrer Geschäftslage ähnlich zufrieden wie im Vormonat. Auch ihre Perspektiven schätzen
sie fast genauso gut ein wie bisher. Den Personalstamm planen sie wie bereits im Vormonat auszuweiten. Weiter verbessert hat sich das Geschäftsklima im Bereich Personalund Stellenvermittlung, Überlassung von Arbeitskräften – zu
dem die Zeitarbeitsfirmen gehören. Die bereits gute Geschäftslage hat sich im Juni nochmals positiver entwickelt.
2
In den Ergebnissen für die »gewerbliche Wirtschaft« nicht enthalten.
63. Jahrgang – ifo Schnelldienst 12/2010
71
6 2010
ifo Konjunkturperspektiven
37. Jahrgang
Inhalt
1
Industrie:
Geschäftslage wieder im positiven Bereich
13
Bauwirtschaft:
Tiefbaufirmen deutlich zuversichtlicher
19
Großhandel:
Moderate Aufwärtsentwicklung erwartet
25
Einzelhandel:
Abnehmender Lagerdruck
31
Dienstleistungen:
Geschäftsklima stabil
34
Beschäftigungsbarometer
35
Konjunkturindikatoren EU
39
Konjunkturindikatoren Weltwirtschaft
Institut für
Wirtschaftsforschung
an der Universität München
ifo Institut für Wirtschaftsforschung
im Internet:
http://www.cesifo-group.de
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