anlage[news]_jan09_rz.qxd 22.01.2009 11:42 Uhr Seite 24 [hintergrund] Einfallsreiche Oligarchen Auch Russland bleibt von der Finanzkrise nicht verschont. Einiges deutet aber darauf hin, dass der Riese wandlungsfähig und die Oligarchen einfallsreich genug sind, um auch das zu überstehen. Jelena Baturina hat in den letzten Jahren enge Bande zu Österreich geknüpft. Die Frau des ziemlich eigenwilligen Moskauer Bürgermeisters Juri Luschkow ist die reichste Russin. Die Unternehmerin mit einem geschätzten Privatvermögen von sieben Milliarden US-Dollar managt die Geschäfte ihres weltweit tätigen Mischkonzerns Inteco über eine kürzlich in Wien gegründete Beneco-Stiftung. Alle Geschäfte des Konzerns, die nicht Russland betreffen, sollen nun über Wien abgewickelt werden. Die Dame hat aber nicht nur am österreichischen Stiftungsrecht Gefallen gefunden, sondern auch an der schönen Tiroler Bergwelt. In Aurach bei Kitzbühel plante sie ein Hotelprojekt. Sie wollte Elton John für ein Konzert in die Alpen holen und an der Universität Innsbruck ein russisches Zentrum entstehen lassen. Pläne, die angesichts der Finanzkrise möglicherweise geplatzt sind. Geplatzte Projekte Jelena Baturinas Mann freilich hat derweilen im vergleichsweise unwirtlichen Moskau mit anderen Problemen zu kämpfen. Der Rossija-Bürokomplex, mit 612 Meter als höchstes Gebäude Europas geplant, dürfte nun doch nicht gebaut werden. "Er wird ein Symbol Russlands sein, das sich der Zukunft zuwendet", hatte Luschkow noch bei der Grundsteinlegung im September 2007 gesagt. Nun dürfte es beim Grundstein bleiben. Die Banken, die das Projekt ursprünglich finanzieren sollten, zieren sich nun. Brodeln in der Moskauer Gerüchteküche Keine Frage: Die Abwärtsbewegung der Märkte hat auch Russland erfasst – mit all den Intrigen, die immer schon im und um den Kreml gespielt wurden. Die neuAutoren: Martin Schwarz, Heinz Erdmann 24 anlage[news] jänner.2009 este: Wladimir Putin soll wieder der Weg ins Präsidentenamt geöffnet werden. Noch steht Wladimir Putin als Premier zumindest protokollarisch im Schatten des russischen Präsidenten Dimitri Medwedew. Doch lange könne dieser Zustand nicht mehr andauern. Seit die Duma per Verfassungsänderung die Amtszeit des nächsten Präsidenten von vier auf sechs Jahre verlängert hat, brodelt es in der politischen Gerüchteküche Moskaus. Medwedew könnte wegen der Finanzkrise zurücktreten und wieder seinem Mentor Putin im Kreml Platz machen. Bangen um Investitionen Solche Planspiele sind nicht nur Beweis für den nach wie vor unbändigen Machtwillen Wladimir Putins, sondern auch für den Faktor Finanzkrise, der nun auch Russland erfasst hat. Wie nervös die Staatsmacht um den Ruf Russlands als sicheren Standort für Investitionen bangt, zeigt sich auch in den teilweise absurd anmutenden Versuchen der Justiz, das Thema aus den russischen Medien zu drängen. So hat die Staatsanwaltschaft bereits im Herbst letzten Jahres gegen regionale Zeitungen zu ermitteln begonnen, weil die im Verdacht der "Panikmache" über die Auswirkungen in den Regionen standen. Die Nervosität ist wohl begründet: Solange die Finanzkrise eben eine reine Finanzkrise mit beinahe ausschließlichen Auswirkungen auf die Börsen war, störte das niemanden. Weniger als eine Million Russen besitzen Aktien. Nun, da auch die produzierende Wirtschaft und insbesondere die Öl- und Gaswirtschaft betroffen ist, beginnt der Kreml nervös zu werden. Schließlich ist nun auch der ganz normale Russe betroffen. Die Rückstände bei den auszuzahlenden Löhnen steigen. Wirtschaft schrumpft Diese Indizien reichen aus, um die Prognosen für das Wachstum der russischen Wirtschaft dementsprechend düs- ter aussehen zu lassen. Gar von einer – jedenfalls kurzfristigen – Phase der Rezession ist die Rede. Russlands Wirtschaft soll laut Prognosen russischer Wirtschaftsforscher in der ersten Jahreshälfte schrumpfen. Selbst die bislang von den Wogen der Weltmärkte ziemlich verschont gebliebenen russischen Oligarchen dürften langsam die Finanznot zu spüren bekommen. Rund 300 Milliarden US-Dollar haben sie vermutlich im vergangenen Jahr an der Moskauer Börse verloren. Das bekamen auch reiche Russen wie Oleg Deripaska zu spüren. Nur Umschichtungen innerhalb seines Konzerns und Banken, die für ihn einsprangen, retteten ihn davor, etwa seine Investments in einem großen österreichischen Unternehmen aufgeben zu müssen. Die Ankunft der Krise in Russland erwartet Deripaska im Frühjahr 2009. Kurzes Intermezzo Freilich: Auch wenn Russland nicht gänzlich von den Problemen an den Finanzmärkten unbelastet bleibt – so steht doch zu hoffen, dass der gern getätigte staatliche Durchgriff auf die Wirtschaft die Auswirkungen mittelfristig glätten wird. So fordert eben Deripaska Stützungskäufe der russischen Regierung für die heimischen Metallproduzenten. Sein Konzern United Co. Rusal ist der weltweit größte Aluminiumproduzent. Der Aluminiumpreis ist seit Anfang 2008 um knapp 30 Prozent eingebrochen (Stand: Dez. 2008). Mit dem Aluminium, so Deripaskas Forderung, soll Russland Infrastrukturprojekte verwirklichen. Aber immerhin: Für den derzeit ein wenig notleidenden Industriellen scheint Russland noch am wenigsten betroffen von der Krise. Weil das Land bisher nicht allzu viele Kredite angehäuft habe und die Bevölkerung noch über Reserven verfüge, werde Russland nach dem Tiefststand im Frühjahr 2009 schnell wieder zu alter wirtschaftlicher Größe aufsteigen. anlage[news]_jan09_rz.qxd 22.01.2009 11:43 Uhr Seite 25 © iStockphoto © iStockphoto [hintergrund]