sofortimplantation - Nobel Biocare NewsBlog

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EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
SOFORTIMPLANTATION:
AKZEPTANZ STEIGT
Die Verkürzung der Behandlungsdauer durch Sofortimplantation plus
Sofortversorgung erhöht die Patientenzufriedenheit und den Patientenkomfort.
Längere Zeiträume der Zahnlosigkeit oder der Versorgung mit ästhetisch und
funktionell kompromittierenden Provisorien lassen so sich vermeiden. Sind die
„Wartefristen“, die durch die Ausheilung der Alveole und die gedeckte, unbelastete
Einheilphase entstehen, bald „Vergangenheit“? Werden die Ergebnisse voraussagbarer,
das Indikationsspektrum breiter? Was tun bei Parodontitispatienten? Welche Rolle
spielt die Primärstabiliät? Was gibt es Neues in Sachen „jumping distance“?
Das diskutierten Experten aus der Praxis, der Hochschule und der
Industrie im aktuellen Expertenzirkel.
| ANNE BARFUß
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Wessing
EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
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EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
DR. BASTIAN WESSING
PROF. DDR. GABOR TEPPER
THOMAS STAHL
Partner und stellv. Leiter der Praxisklinik
Aachen. Zu seinen Behandlungsschwerpunkten zählen Implantologie, Prothetik
und komplexe Rehabilitationen.
Fachzahnarzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, tätig an der Wiener Universitätsklinik,
niedergelassen in privater Praxis in Wien,
national und international als Referent aktiv.
seit 2012 Leiter Marketing und Produktmanagement
Nobel Biocare DACH. Er verfügt über langjährige
Erfahrung in der Dentalbranche, auch im Bereich der
restaurativen Zahnheilkunde und Prothetik.
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Niedergelassene Zahnärzte wünschen Konzepte, die sicher
funktionieren. Kann die Sofortimplantation das heute leisten?
WESSING: Bei richtiger Indikationsstellung und Anwendung definitiv. Das zeigen aktuelle, gut angelegte Studien sowie systematische
Übersichtsarbeiten und Metaanalysen.
Khzam et al. haben dazu zum Beispiel erst
Ende letzten Jahres im Journal of Periodontics eine schöne Übersicht gegeben.
Wie bei einer Zahnreimplantation?
TEPPER: Richtig, das führt nachweislich zu einer primären Heilung. Die Alveole wird durch die Restauration verschlossen, das
Emergenzprofil gehalten. Dem Patienten bleibt damit die Phase
der knöchernen Ausheilung der Alveole
nach der Extraktion erspart, die sonst
drei bis vier Monate dauert und mit teils
erheblichem Knochenverlust einhergehen kann. Wird auch sofort belastet,
geht das noch schneller. Dass die Sofortimplantation die Regeneration der
Extraktionsalveole nicht behindert, entspricht meiner klinischen Erfahrung.
Doch exakt das wird derzeit ausgesprochen kontrovers diskutiert, eine der gegenwärtig wirklich spannendsten Debatten im Fach, hoch emotional. Von einem breiten
Konsens sind wir allerdings noch weit entfernt. Immerhin: Einst
vehemente Gegner der Sofortimplantation haben bereits „vorsichtig die Fronten gewechselt“.
1 THEMA
3 MEINUNGEN
Zeichnet sich damit eine Trendwende ab?
STAHL: Noch keine Trendwende, aber
Sofortimplantation und Sofortversorgung sind heute wissenschaftlich gut
dokumentiert. Die Erfolge sind vor allem
auf die Entwicklung rauer Oberflächen und selbstschneidender
Gewinde zurückzuführen. Mit den geeigneten Implantaten und
Aufbauten erreicht man heute eine Primärstabilität, die den Einstieg in die Sofortversorgung guten Gewissens erlaubt. Die Produkte und Konzepte für die Sofortimplantation und -versorgung
entwickeln sich kontinuierlich weiter. Die Bedeutung wächst.
Aber das konventionelle Vorgehen bleibt State of the Art?
TEPPER: Natürlich. Die Sofortimplantation etabliert sich als zusätzliche Technik, als zusätzliches Protokoll. Ersetzen möchte und
kann sie das traditionelle Vorgehen nicht. Ziel ist es, nach atraumatischer Extraktion die Alveole durch die Sofortimplantation und
Sofortversorgung aufrechtzuerhalten und dem Patientenwunsch
nach schneller und leistbarer Versorgung entgegenzukommen.
Die Sofortimplantation vermag im Idealfall eine spätere Augmentation zu ersparen und reduziert die Zahl der Eingriffe und damit
auch das Trauma deutlich. Essenziell ist dabei die richtige Indikationsstellung. Die Entscheidung, ob ein Sofortimplantat zum Einsatz
kommen kann oder es doch die klassische Vorgehensweise
braucht, erfordert fundierte klinische Erfahrung.
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Als wichtigste Voraussetzung für die Sofortimplantation gilt die
Primärstabilität …
WESSING: … und genau diese primäre Stabilität wird derzeit
besonders kontrovers diskutiert.
Sie meinen die viel zitierten 35 Ncm Drehmomentstabilität?
WESSING: Ja, denn die Werte unterscheiden sich teilweise erheblich.
Man spricht von einer Kehrtwende in der Literatur. Früher galten 35 Ncm Drehmomentstabilität als Pflicht, heute verlangt
man 35 Ncm für einzeln stehende Implantate, aber weniger,
wenn zwei oder drei Implantate nebeneinander stehen und primär verblockt werden.
EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
Abb. 1a: Fallbeispiel 1: Frontalansicht der Situation mit nicht erhaltungswürdigem Zahn 12 aufgrund persistierender Beschwerden
Abb. 1b: Röntgeneinzelzahnfilm von Zahn 12. Zustand nach Wurzelspitzenresektion
TEPPER: Auf konkrete Zahlen möchte ich mich hier nicht festle-
gen. Inserieren zehn Implantologen ein und dasselbe Implantat,
erzielen sie zehn unterschiedliche initiale Festigkeiten aufgrund
unterschiedlicher Bohrprotokolle und unterschiedlichen individuellen Handlings. Nicht nur die primäre Verblockung mehrerer
benachbarter Implantate spielt eine Rolle, auch die Implantatposition; ein Seitenzahnimplantat verlangt zum Beispiel eine höhere
Primärstabilität als ein Frontzahnimplantat. Auch Knochenqualität und -quantität beeinflussen die Primärstabilität. Wichtig ist
zudem die möglichst belastungsfreie Einheilung mithilfe prothetisch sorgfältig angefertigter provisorischer Brücken und Kronen.
Also gibt es keine klare Regel?
TEPPER: Nein, in der Vergangenheit wurden sogar 45 Ncm Drehmomentstabilität für sofort gesetzte Implantate gefordert, später 25 Ncm (Norton 2011). Für deutlich wichtiger als absolute
Zahlen halte ich biologische Faktoren im Knochenstoffwechsel,
die wir erst allmählich zu verstehen beginnen.
Aber mit den 35 Ncm ist man auf der sichersten Seite, oder?
STAHL: Ob das nun 35, 37 oder 40 Ncm sind, darauf kommt es
doch letztlich gar nicht an. Wichtiger ist aus meiner Sicht, dass
der Behandler auch prothetische Komponenten verwendet, die
für 35 Ncm zugelassen sind und nicht nur für 15. Wir bieten mit
dem immediate Temporary Abutment und dem NobelProcera
ASC Abutment die richtigen Lösungen für die Sofortversorgung
nicht nur im ästhetischen Bereich, sondern auch in der Molarenregion. Vor prothetischen Komponenten, die sich nur mit
15 Ncm festschrauben lassen, möchte ich in diesem Zusammen-
hang ausdrücklich warnen. Bei Nachlassen der Primärstabilität
und wachsender Osseointegration kann es zu Schraubenlösungen kommen.
Was wäre die Alternative?
STAHL: Eine provisorische Klebebrücke oder sogar die herausnehmbare Interimsprothese, die aber nicht sehr komfortabel für
den Patienten ist.
Herr Dr. Wessing, in Ihrem Fallbeispiel (Abb. 1a bis 1l) haben Sie
mit einer Klebebrücke provisorisch sofort versorgt, warum?
WESSING: Aufgrund der mangelhaften Knochenqualität ließ sich
keine für uns ausreichende Primärstabilität erreichen.
Aber dennoch haben Sie sofort implantiert? Ist das Standard in
Ihrer Praxis? Was ist zu befürchten, wenn man anders versorgt?
WESSING: Wie Prof. Tepper eben schon gesagt hat, ist die Primärstabilität nicht genau definiert und es werden auch Werte unterhalb von 25 Ncm beschrieben. Wir versorgen dann jedoch nicht
mehr mit einer implantatgetragenen provisorischen Krone. In der
Regel erreichen wir aber mit diesem Implantatsystem deutlich
höhere Werte.
Gibt es eigentlich auch eine Obergrenze für die Primärstabilität?
Beim NobelActive soll es bei einem Festziehen von 70 Ncm kritisch werden, heißt es. Der Knochen könnte kompromittiert
werden …
TEPPER: Soweit mir bekannt, gibt es keine Obergrenze. Das halte
ich auch gar nicht für nötig. Ich kenne zwar Misserfolge aufgrund zu
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EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
Abb. 1c: Atraumatische Extraktion von Zahn 12
mit dem Benex-Extraktor
Abb. 1d: Alveole nach schonender Extraktion
Abb. 1f: Transgingivale Einheilung mit Gingivaformer. Adaptation der Gingiva mithilfe einer
Matratzennaht
Abb. 1g: Postoperative Orthopantomogrammaufnahme
geringer Primärstabilität, habe aber noch
nie von Komplikationen aufgrund zu fester
Implantate gehört. Im Gegenteil, ich habe
erfolgreich viele Implantate mit extrem
hoher Primärstabilität gesetzt. Die Osseointegration war exzellent. Insbesondere in
der Maxilla fürchte ich mich auf keinen Fall
vor einer maximal erzielbaren Festigkeit.
Implantatsystem zu Implantatsystem
unterschiedlich, NobelActive ist für den
Bereich Sofortimplantation sicherlich ein
besonders geeignetes Implantatsystem.
Das erzielte Drehmoment beim Inserieren eines Implantats beschreibt einen
Teil der mechanischen Verankerungsqualität. Herr Stahl, kann man es so
„festziehen“, dass der Knochen in Mitleidenschaft gezogen wird?
STAHL: Aufgrund des speziellen Gewindedesigns beim NobelActive sind Werte von
bis zu 70 Ncm nachgewiesenermaßen
ohne negative Auswirkungen. Fester sollte
man es nicht ziehen. Dies ist jedoch von
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Kommen wir zur Implantatposition
innerhalb der Alveole. Wo genau inserieren Sie?
TEPPER: Zum Teil in die massive Knochenwand, palatinal versetzt, da ist die Alveole
am stabilsten. Ein allseits bündiger Knochenkontakt ist nicht die Regel und auch
nicht möglich aufgrund der Formendiskrepanz der anatomisch asymmetrischen
Alveole und des drehrunden Implantatkörpers.
Also nicht direkt in das Extraktionsloch?
TEPPER: Nein, Zahn raus, Implantat rein –
das ist das falsche Konzept. Der hauchdün-
Abb. 1e: Sofortimplantation eines NobelActive
4,3 mm X 13 mm Implantats
ne Knochen, der die Außenseite der Alveole begrenzt, darf nicht einmal berührt werden. Platziert man das Implantat bündig in
die Extraktionsalveole, wird Druck auf den
Knochen ausgeübt, der dann resorbiert,
was folglich auch zu ästhetisch störenden
Weichgewebsdefekten führt. Deshalb
inseriert man bei der Sofortimplantation
durchmesserreduzierte Implantate nach
palatinal (OK) bzw. lingual (UK) versetzt.
Die Erfolgsfaktoren lauten:
n durchmesserreduzierte Implantate,
n palatinal versetzt,
n ohne Druck auf die dünne bukkale Kortikalis.
Wie „dünn“ sollte bzw. darf das Implantat sein, 3,8 mm Durchmesser?
TEPPER: Nein, absolute Zahlen sind auch
hier fehl am Platz. Jede Alveole, jedes
EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
Abb. 1h: Versorgung der Zahnlücke 12 mit einer
Adhäsivbrücke
Abb. 1i: Abformung mittels Abformpfosten von
der Implantatschulter
„Loch“, und ich sage ganz bewusst Loch, ist anders. Auch ein
6-mm-Implantat ist denkbar, wenn die Alveole 8 mm misst. Aber
wehe, Sie platzieren in eine 5-mm-Alveole ein 5-mm-Implantat.
Nach der Insertion sieht das Ganze erst einmal super aus. Doch
ich garantiere Komplikationen, denn der hauchdünne äußere
Knochen, die bukkale Lamelle, steht unter Druck. Tendenziell
verwenden wir heute Implantate dünneren Durchmessers als vor
acht bis zehn Jahren. Noch einmal: Niemals darf das Implantat die
Alveole komplett ausfüllen. Dieser Fehler wurde in den Anfängen
der Sofortimplantation gemacht und sollte „vom Tisch“ sein.
Immerhin wurde der Spalt zwischen Implantat und Alveolenwand durch dicke Implantate früher damit so klein wie möglich
gehalten.
WESSING: Aber es hat nicht funktioniert. Knochen- und Weichgewebsrezessionen waren die Folgen, ästhetisches Desaster.
Und heute ist das Problem vom Tisch?
TEPPER: Ja, seit wir die Implantate außerhalb des Alveolenzentrums setzen, also mehr nach palatinal, und keine großen Durchmesser mehr wählen. Die Implantate füllen niemals die komplette Alveole aus, wir implantieren kompressionsfrei. Dadurch
haben sich die meisten, aber nicht alle Probleme erledigt.
Wie meinen Sie das?
TEPPER: Es gilt natürlich die Regel, dass ein falsch gesetztes
Implantat später nicht zu korrigieren ist und zu Komplikationen
in puncto Hart- und Weichgewebe führen wird. Das klassische
Beispiel ist in der Front das zu bukkal gesetzte Implantat, das zu
Beginn vorübergehend akzeptabel aussieht, aber sehr schnell
fast nicht korrigierbare Einbußen zeigt.
Nicht vom Tisch ist dagegen die Diskussion um den besagten
Spalt zwischen Implantat und Alveolenwand, um die „jumping
distance“: In der Vergangenheit hat man die Lücke grundsätzlich mit autologem Knochen oder Knochenersatzmaterialien
aufgefüllt; es gibt die „Auffüller“ und „Nicht-Auffüller“.
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Abb. 1j: Verschraubte Implantatkrone, hergestellt durch ein keramisch verblendetes Procera
Zirkonoxidabutment, Nobel Biocare
TEPPER: Ich fülle den Spalt nicht auf. Das ist aber meine individu-
elle Meinung. Wer gute Resultate beim Auffüllen erzielt, sollte
dabei bleiben.
Lassen Sie einbluten?
TEPPER: Ja, „alles, was man da reintut, stört“, salopp formuliert.
Knochenersatzmaterial ist ein Fremdkörper, das birgt Risiken.
Und wenn der Spalt einmal zu groß ist, zum Beispiel größer als
3 mm?
TEPPER: Auch dann lasse ich einbluten, bleibe streng palatinal
und setze unter Umständen das Implantat einen Millimeter tiefer.
FALL 1: SOFORTIMPLANTATION
Es handelte sich um einen 48 Jahre alten männlichen Patienten mit persistierenden Aufbissbeschwerden an Zahn 12,
Zustand nach Wurzelbehandlung und nachfolgender Wurzelspitzenresektion. Aufgrund der Beschwerdesymptomatik
wurde der Zahn 12 minimalinvasiv mit dem Benex-Extraktor,
einem Seilzugsystem, entfernt und ein NobelActive 4,3 mm X
13 mm sofort implantiert. Der Spalt zwischen Implantat und
Alveolenwand wurde mit einem Knochenersatzmaterial aufgefüllt und die Wundränder wurden durch eine Matratzennaht am Gingivaformer adaptiert. Aufgrund des sehr weichen
Knochens konnte keine ausreichende Primärstabilität
(< 25 Ncm) erreicht werden, so dass wir uns für eine provisorische Versorgung mit einer Adhäsivbrücke (Eingliederung
am nächsten Tag) für die Einheilzeit entschieden. Nach ca.
drei Monaten wurde eine Abformung mittels Abformpfosten
von der Implantatschulter genommen. Die prothetische Versorgung wurde mit einem keramisch verblendeten Procera
Zirkonoxidabutment (Nobel Biocare) realisiert. Der ehemalige Palatinalstand mit Kopfbiss des Zahns 12 konnte so
durch die neue implantatprothetische Versorgung korrigiert
werden.
Wessing (12)
EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
Abb. 1k: Okklusalansicht der fertiggestellten Situation
Abb. 1l: Frontalansicht der fertigen Situation drei Wochen nach Eingliederung
Sie sind Auffüller, Herr Dr. Wessing, wie Sie auch in Ihrem Fallbeispiel erläutert haben. Warum?
WESSING: Aufgrund eigener ästhetischer Nachuntersuchungen
und der aktuellen Literatur. Tarnow et al. haben 2014 publiziert,
dass sie aus ästhetischer Sicht die besten Ergebnisse erreicht
haben, wenn der Spalt zwischen Implantat und Alveole mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt wurde und das Implantat entweder
mit einem konturierten Gingivaformer oder einer provisorischen
Krone versorgt wurde.
okklusion – auch bei Artikulation – aufweist. Da dies aber auch
beträchtliche Auswirkungen auf die Kosten hat, wird dies natürlich zuvor mit dem Patient ausführlich besprochen. Die Sofortversorgung von Implantaten mit provisorischen Kronen und Brücken kommt daher bei uns im Frontzahnbereich deutlich häufiger vor.
Wer wird sich letztlich durchsetzen?
TEPPER: Das ist eine philosophische Frage. Aber: Die Auffüller
sind „die Lauteren“, den Nicht-Auffüllern fehlt die Herstellerlobby, schließlich verzichten sie auf das Knochenersatzmaterial.
WESSING: Es besteht jedenfalls weiterer Forschungsbedarf im
Sinne randomisierter klinischer Studien zur Überprüfung der zurzeit noch gering evidenzbasierten Aussagen.
STAHL: Diese Diskussion wird uns sicherlich nicht noch die nächsten zehn bis 15 Jahre begleiten. Gerne möchte ich die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, dass wir mit creos xenogain ab
Sommer 2016 über ein bovines Knochenersatzmaterial verfügen,
was in seiner Zusammensetzung und Darreichungsform einzigartig ist.
Ein Ziel der Sofortimplantation ist die Weichgewebserhaltung.
Herr Dr. Wessing, worauf kommt es dabei noch an.
WESSING: Hier möchte ich ein wenig ausholen: Die direkte Versorgung mit Gingivaformern, die transgingivale Einheilung, wird
per definitionem auch als Sofortversorgung bezeichnet. Dies
macht auch Sinn, da anatomisch geformte bzw. konturierte Gingivaformer eine ähnliche Wirkung auf das Weichgewebe haben
wie eine provisorische Krone. In der Regel wird eine Sofortimplantation in unserer Praxis ohne Bildung eines Mukoperiostallappens durchgeführt, so dass zumindest mit einem Gingivaformer versorgt werden kann und sollte. Im Front- und Prämolarenbereich versorgen wir bei Erreichen einer Primärstabilität von
> 25 Ncm gerne auch sofort mit einem Provisorium, das Non18 | Deutscher Ärzteverlag | DENTAL MAGAZIN | 2016;34(5)
Widmen wir uns dem Implantatdesign. Die Sofortimplantation
ist ja nichts Neues, Stichwort: Tübinger Sofortimplantat. Was
hat sich seither getan?
STAHL: Selbstschneidende apikal knochenverdichtende Implantate sind heute ein Muss. Mit rein parallelwandigen Implantaten
lässt sich keine ausreichende Primärstabilität erreichen, es sei
denn, man verwendet NobelParallel CC, das sich eben durch ein
Gewinde auszeichnet, das apikal knochenverdichtend wirkt. Man
könnte natürlich eine Presspassung erwägen, um die ausreichende initiale Festigkeit zu bekommen. Aber warum sollte man das
tun? Mit einem selbstschneidenden Gewinde hat man es leichter.
WESSING: Da die Primärstabilität bei Sofortimplantationen häufig
nur über die apikalen 3–4 mm erreicht wird, verwenden wir
NobelActive Implantate. Sie haben für mich persönlich das perfekte Design für die Sofortimplantation.
Aufgrund des aggressiven Gewindes?
WESSING: Ja, in der Alveole eine ausreichende Primärstabilität zu
generieren ist die Grundvoraussetzung für eine Sofortimplantation. Ansonsten drohen zum Beispiel bei einer Sofortbelastung
Mikrobewegungen, die letztlich zum Implantatverlust führen.
Und mit dem seit 2008 zur Verfügung stehenden NobelActive
Implantat lassen sich hohe Primärstabilitäten auch in schwierigen
Knochensituationen erreichen.
TEPPER: Und ohne ein solch progressives, selbstschneidendes
Gewinde und das konische Außendesign gestaltet sich eine
Sofortimplantation und -belastung schwierig. An konischen
Außendesigns mit aggressivem Gewinde wie dem
NobelActive führt in der Sofortimplantation und -belastung heute nichts mehr vorbei.
EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
WESSING: Auch die konische Implantat-Abutment-Verbindung ist
von Bedeutung. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass periimplantärer Knochenabbau bei Platform-Switching und konischen Innenverbindungen minimiert wird. Praktisch hat sich bei
uns in der Praxis gezeigt, dass nach der Umstellung von Tubein-Tube-Systemen auf konische Innenverbindungen weniger
Schraubenlockerungen aufgetreten sind.
Die entzündete Alveole gilt als Kontraindikation für Sofortversorgung und -belastung. Implantieren Sie dennoch bei Parodontitispatienten sofort?
TEPPER: Nur wenn die Parodontitis grob „vortherapiert“ ist und
die Compliance stimmt. Sofortimplantation und -belastung, aber
auch das zweizeitige Vorgehen bei unbehandelter Parodontitis
ist mit äußerster Vorsicht zu genießen und bestimmt keine Einsteigerindikation. An solche Fälle muss man sich quasi herantasten. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Publikation
von der Gruppe um Malo, die höchste Erfolgsraten vermeldet bei
sofortbelasteten Sofortimplantaten bei PA-Patienten ohne jegliche Vorbehandlung (Malo et al. 2014).
Bitte konkretisieren Sie das.
TEPPER: Es handelte sich um die Sofortimplantation und -belastung unmittelbar nach Extraktion der parodontal destruierten
Restbezahnung. Nach simultaner Extraktion aller parodontitisbehafteten Zähne sehe auch ich kaum Probleme bei der Sofortimplantation. Absolutes No-go aber ist die Implantation – egal ob
sofort oder später – neben einem Zahn mit tiefer entzündlicher
Tasche. Die Keime würden auf das Implantat übergreifen, das
Implantat ginge verloren. Enorme Defekte wären die Folge.
WESSING: Ich schließe mich an, auch bei uns ist die PA-Therapie,
bevor implantiert wird, Pflicht.
Und wenn die PA-Behandlung nicht anschlägt oder der Lockerungsgrad der Zähne zu hoch ist?
TEPPER: Dann wird extrahiert. Jahrzehntelang hat man zwar vertreten, „lieber ein wackeliger Zahn als gar kein Zahn“. Die aus
heutiger Sicht nicht erhaltungswürdigen Zähne wurden eingesetzt, um abnehmbare Teilprothesen wenigstens irgendwo noch
verankern zu können. Doch diese Auffassung ist überholt. Denn
hat eine Parodontitis bereits ein gewisses Ausmaß an Knochenverlust verursacht, wird sie zu weiteren großen Defekten führen,
wenn man den Zahn nicht entfernt.
Zahnerhaltung um jeden Preis ist demnach kontraindiziert.
TEPPER: Die bedingungslose Erhaltung kranker Zähne ist definitiv
eine antiquierte Auffassung. Angesichts 98-prozentiger Erfolgsraten in der Implantologie gelten wesentlich strengere Indikationen zur Entfernung eines kranken Zahns als in den vergangenen
Jahrzehnten. Ein nicht erhaltungswürdiger Zahn kann den Kieferknochen massiv schädigen und Defekte hinterlassen, die schwer
bis gar nicht mehr zu kurieren sind. Die Herausforderung ist es,
auch rechtskräftig zu entscheiden, wann der Zahnentfernung
oder dem Zahnerhalt der Vorzug zu geben ist, um das Knochen-
lager so weit wie möglich zu erhalten. Denn solche Defekte später wieder zu regenerieren, das bereitet große Probleme und
kann sogar eine spätere Implantation unmöglich machen oder
massiv verteuern und komplexe augmentative Eingriffe erforderlich machen.
Ist die Extraktionsalveole jedoch noch infiziert, steht aber nur die
verzögerte Sofortimplantation an? Zurzeit wird dieses Thema
kontrovers diskutiert …
Tepper: Die klassische apikale Beherdung ist in der Regel heute
kein Problem, sorgfältige Extraktionen und Alveolen-Kürettagen
sind allerdings die Bedingung. Ebenso wird im Rahmen der Aufbereitung des Implantatbetts der apikale, zumeist chronisch infizierte und entzündete Knochen meist entfernt, da das Implantat
in der Regel länger ist als der Originalzahn. Die Abwesenheit der
kranken Wurzel ermöglicht es dem Immunsystem, die alten Herde zu eliminieren.
Stichwort Vorhersagbarkeit: Inwieweit hilft das navigierte
Implantieren?
WESSING: Da die dreidimensionale Implantatpositionierung bei
der Sofortimplantation eine der Schlüsselvoraussetzungen für
ein gutes Ergebnis ist und gerade diese den hohen handwerklichen Anspruch an den Chirurgen stellt, ist das navigierte Implantieren hier sehr hilfreich. Wir arbeiten allerdings zurzeit an einer
Entwicklung, um dieses Problem auch ohne Strahlenbelastung
durch CT- oder DVT-Daten gelöst zu bekommen.
Darf man schon etwas verraten?
WESSING: Nein, das ist noch zu früh, da möchte ich noch um
Geduld bitten.
TEPPER: Systeme wie NobelGuide liefern definitiv enorme Hilfen
bei der Planung und optimieren die prothetische Versorgung. Bei
komplexen Fällen ist das absoluter Standard.
Und bei einfachen Fällen?
TEPPER: Kann man meist mit zunehmender Erfahrung darauf verzichten.
STAHL: Der Patient wird sich allerdings grundsätzlich sicherer
fühlen, wenn er weiß, dass der Zahnarzt navigiert implantiert.
Das Aufklärungsgespräch gestaltet sich einfacher. Welche
Implantatoberfläche oder welches Implantatdesign am besten
ist, kann der Patient nicht nachvollziehen. Aber wenn der
Behandler demonstriert, wie die geführte Implantologie funktioniert, dass eventuell gar nicht aufgeschnitten werden muss und
wenig Zeit verstreicht von der ersten Sitzung bis zur definitiven
Versorgung, dann erhöht das seine Bereitschaft für eine Implantattherapie. Ich vergleiche das gern mit dem Navigationsgerät im
Auto. Bekannte Wege findet man auch ohne, aber mit geht es
schneller, sicherer und einfacher. Grundvoraussetzung ist natürlich der Führerschein bzw. ausreichende Erfahrung – das gilt fürs
Autofahren wie fürs Implantieren. Und die Navigation kann hier
positiv unterstützen.
TEPPER: Die navigierte Implantologie, die Digital Dentistry ist
letztlich die Zukunft. Die kommende Implantologengeneration
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EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
Abb. 2a: Fallbeispiel 2: Oberkieferfront nach Traumen und konservierend ausbehandelten Zähnen,
acht Jahre Recall, verwendetes Implantat: Replace
Select Tapered, massiv geschädigte Oberkieferfront bei männlichem Patienten, Mitte 20
2a
2b
2c
2d
Abb. 2b bis 2d: Radiologische und CT-Dokumentation vor der Extraktion zeigt starke apikale
Beherdungen der Zähne 11 und 21.
Abb. 2e und 2f: Intraoperative Aufnahme unmittelbar nach Implantation zeigt einzeitiges Vorgehen mit Healingabutments in situ.
2e
2f
2g
2h
Abb. 2g: Healingabutments in situ zehn Wochen
nach der Implantation – ideale Schleimhautheilung vor Abdrucknahme
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Abb. 2h: Prothetische Versorgung
2i
Abb. 2i: 3D-VT-Aufnahme demonstriert
eindrucksvoll die
komplette Ausheilung
des bukkalen Spalts
ohne jegliche Auffüllung mit Knochenersatzmaterialien.
2j
Abb. 2j: AchtjahresKontrollröntgenaufnahme
EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
wird grundsätzlich navigiert implantieren, denke ich. Doch bei
allem Komfort, niemals wird die digitale Planung das Handwerk
und das Know-how des Zahnarztes ersetzen können. Die digitale
Planung muss aus meiner Sicht zudem in der Hand des Zahnarztes bleiben, denn er trägt die Verantwortung für eine erfolgreiche Therapie.
Wann und wie dürfen die sofort versorgten Implantate belastet
werden?
WESSING: Sofort versorgte Implantate, auch mit Provisorien in
Nonokklusion oder sogar nur mit Gingivaformern, werden im
Prinzip mit geringerer Krafteinwirkung schon von Anfang an
belastet. Die volle Belastung von Einzelzahnimplantaten erfolgt
bei uns erst nach etwa drei Monaten. Beim All-on-4-Konzept versorgen wir bei Erreichen einer Primärstabilität jedes einzelnen
Implantats von mindestens 35 Ncm sofort, falls der Patient dies
wünscht. Es ist aber kein Muss! In diesem Fall kommt es jedoch
unweigerlich auch zu einer Sofortbelastung.
Wie gehen Sie vor, Herr Professor Tepper?
TEPPER: Einzelzahnversorgungen stellen wir ebenfalls für zwei
bis drei Monate außer Okklusion. Das ist auch in implantatversorgten größeren Kieferabschnitten bei vorhandener Restbezahnung möglich, etwa mit einer Kunststoffbrücke, die aus der
Belastung genommen wird. All-on-4-Konzepte und Arbeiten, die
ganze zahnlose Kieferteile sofort versorgen, lassen sich natürlich
nicht komplett außer Okklusion stellen. Es kommt also automatisch zu einer Belastung durch das Kauen oder die sog. Parafunktion.
Und wann ist die Sofortbelastung ein No-go?
WESSING: Bei zu geringer Primärstabilität unter 25 Ncm und bei
Patienten, die unter Bruxismus leiden. Hier belasten wir erst nach
Osseointegration voll.
Wie handhaben Sie das in Ihrer Praxis, Herr Prof. Tepper?
TEPPER: Jeder Fall ist anders, deshalb versprechen wir dem
Patienten grundsätzlich nie im Voraus ein Sofortimplantat plus
Sofortversorgung. Erst nach Extraktion und Begutachtung der
Alveole ist eine Aussage dazu möglich. Denn es kann durchaus
passieren, dass die Entfernung des Zahns dazu führt, dass ein
Sofortimplantat schlicht nicht möglich ist. Das muss der
Patient wissen, eine detaillierte Aufklärung ist zwingend erforderlich.
Weil das Knochenangebot nicht reicht? Weil die Alveole entzündet ist?
TEPPER: Korrekt. In diesen Fällen warten wir die Verknöcherung
ab und augmentieren zu einem späteren Zeitpunkt.
Sofort zu implantieren erfordert Erfahrung, heißt es. Wie steil
ist die Lernkurve? Gibt es eine „Hausnummer“?
STAHL: Wer nicht mindestens 200 bis 300 Implantate pro Jahr
setzt oder über mindestens zehn Jahre Erfahrung in der Implan22 | Deutscher Ärzteverlag | DENTAL MAGAZIN | 2016;34(5)
tologie verfügt, sollte bei der Sofortimplantation und Sofortbelastung sehr vorsichtig vorgehen.
Gilt das auch für das All-on-4-Konzept?
STAHL: Definitiv! Gerade hier kommt es darauf an, neben der
eigentlichen implantologischen und prothetischen Erfahrung
auch systemspezifische Komponenten zu verwenden. Dies hat
zwei Vorteile: Einerseits sind sie aufeinander abgestimmt, andererseits ist das All-on-4-Konzept nach Malo nur mit Nobel Biocare Implantaten ausreichend mit klinischen Studien belegt. Es gibt
lediglich von einem anderen Hersteller dazu eine wissenschaftliche Untersuchung!
Nicht selten müssen die letzten Zähne des Patienten für eine
All-on-4-Versorgung „dran glauben“. Nach welchen Kriterien
entscheiden Sie sich für die Extraktion der gesamten Restbezahnung?
TEPPER: Für die Extraktion eines oder mehrerer Zähne gelten
stets die gleichen Regeln. Denn jeder Zahn wird individuell
betrachtet. Erforderlich ist selbstverständlich die entsprechende
Röntgendiagnostik, DVT, CT.
WESSING: Wir arbeiten in einer Praxis mit parodontologischem
Schwerpunkt, dabei versuchen wir nachhaltig möglichst viele
Zähne zu erhalten. Das heißt für uns auch, dass wir keine Zähne
ziehen, die mit einem anderen Konzept therapiert und langfristig
erhalten werden können.
TEPPER: Ganz entscheidend ist das Aufklärungsgespräch. Wir
besprechen mit dem Patienten alle Behandlungsoptionen, auch
abnehmbare und nichtimplantologische. Wir demonstrieren den
Patienten die Behandlungsmöglichkeiten an Modellen. Zudem
liefern wir detaillierte Kostenvoranschläge und entscheiden dann
gemeinsam über die Therapie.
Dass für eine All-on-4-Versorgung die letzten Zähne gezogen
werden müssen, dürfte den Patienten dennoch schocken …
TEPPER: Nur wenn man ihn nicht richtig aufklärt – das aber ist
sehr individuell, zeitintensiv und verantwortungsvoll. Ein Parodontitispatient kommt mit einem entzündlichen Problem in die
Praxis, mit möglicherweise hochgradig gelockerten Zähnen,
Zahnfleischtaschen und Abszessen. Wenn in dieser Situation
mehrere Zähne entfernt werden, ist das eine Erleichterung. Denn
diese Zähne verursachen große Knochendefekte, sie schädigen
das gesamte Kauorgan, den gesamten anatomischen knöchernen Kiefer massiv und führen zu enormen Knochenverlusten. Die
Extraktion ist letztlich in solchen Fällen ein Segen für das Immunsystem und die Gesundheit des Patienten. Unsere Patienten wünschen sich die Extraktionen in möglichst einer Sitzung. Das ist in
der Regel auch klinisch kein Problem, denn hochentzündete
mobile Zähne lassen sich mühelos extrahieren. Kurz: Mehrere
Zähne auf einmal zu extrahieren und gegebenenfalls zu implantieren ist effektiv durchgeführte Zahnheilkunde. Sie erspart dem
Patienten weitere schmerzhafte Eingriffe, senkt die Kosten und
verkürzt die Behandlungsdauer, Wir zeigen interessierten Kollegen diese Techniken in unseren Kursen Step by Step.
EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
Abb. 3b: Intraoperativer Blick auf die Sofortimplantate regio mesiale Alveole 36 und regio 37
Abb. 3c: Drei Wochen postoperativ – komplette
Schleimhautverheilung
Abb. 3d: Implantate nach Wochen – PlatformSwitch erhält den Alveolarknochen in ursprünglicher Höhe bei leicht subkrestaler Implantation.
Abb. 3e: Röntgenaufnahme der eingesetzten
definitiven prothetischen Versorgung
Abb. 3f: Definitive verschraubte keramische Brücke vor Verschluss der Schraubkanäle
Wie häufig führen Sie All-on-4-Behandlungen durch?
WESSING: Die Zahl der Patienten, die in
unserer Praxis eine All-on-4-Behandlung
erhalten, steigt stetig. Zurzeit führen wir
etwa eine Behandlung pro Woche durch.
Der Patient wird von Beginn an in die Planung einbezogen, denn es geht um seine
Lebensqualität. Das heißt, wir versuchen
ihn auf einen guten Wissensstand zu bringen in puncto Diagnose und Therapiealternativen. Der Patient entscheidet auf
dieser Grundlage über die Behandlungsform. Ganz wichtig: Jeder Schritt wird
dokumentiert.
gen respektive komplexen Fällen halte ich
eine zusätzliche Fotodokumentation für
unerlässlich.
pro Jahr werden deutschlandweit durchgeführt. Haben Sie Zahlen?
STAHL: 2015 waren es rund 2500 Patienten, die nach unserem All-on-4 behandelt
wurden. Aber das Interesse der Patienten
an solchen Konzepten wächst.
Tepper (16)
Abb. 3a: Fallbeispiel 3: Röntgenaufnahme der
beherdeten 35 und 36. Standardfall in der Praxis:
Beherdeter Unterkiefer, Prämolaren und Molaren. verwendetes Implantat: NobelReplace CC
PMC
Schaffen Sie es so, nachträglichen Patientenbeschwerden vorzubeugen?
WESSING: Mit einer sauberen Dokumentation der klinischen und radiologischen
Befunde und des Patientengesprächs ist
das kein Problem. Bei größeren Sanierun-
Erübrigt sich damit ein weiteres Absichern?
TEPPER: Absichern ist das falsche Wort,
wenn die Kommunikation stimmt. Die
Patienten sind heute informiert, sie holen
die Meinungen mehrerer Kollegen ein.
Und genau das empfehle ich auch. Wir
gehen den Weg gemeinsam. Jeder einzelne Zahn wird individuell eingestuft und
der Befund mit dem Patient besprochen.
Wenn man beginnt, klinisch zu arbeiten,
ist die Aufklärung abgeschlossen, der
Patient kennt alle Optionen. Er weiß, dass
wir niemals erhaltungswürdige Zähne
entfernen würden.
Herr Stahl, All-on-4 scheint im Trend zu
liegen. Wie viele All-in-4-Behandlungen
Das klingt dennoch wenig, liegt es am
Preis? Die All-on-4-Behandlung eines
zahnlosen Ober- oder Unterkiefers dürfte eine fünfstellige Summe kosten.
STAHL: Es liegt weniger am Preis als an
der fehlenden Information. Viele Patienten wissen nicht, dass sie eine Alternative zur Prothese haben, die sie sich im
Sommer gar mit irgendwelchen Klebern
in den Mund kleben müssen, um sie nicht
zu verlieren. Und der Bedarf ist enorm.
25 Prozent der Bevölkerung sind 60 Jahre und älter, davon sind 10 bis 15 Prozent, mehr als vier Millionen Menschen,
zahnlos (DMS IV). Das All-on-4-Konzept
Deutscher Ärzteverlag | DENTAL MAGAZIN | 2016;34(5)
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EXPERTENZIRKEL – Ein Thema, drei Meinungen
ist eine Option, nicht mehr und nicht weniger. Aufklärung ist
allerdings das A und O. Der Behandler muss dem Patienten die
Vor- und Nachteile darlegen und das Ganze sauber dokumentieren.
Wie viele Zahnärzte bieten All-on-4 inzwischen an?
STAHL: Eine absolute Zahl der Zahnärzte, die All-on-4 – inklusive
anderer Systeme – anbieten, kann ich nicht angeben. Aber: Wir
haben gegenwärtig 25 All-on-4-Kompetenzzentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz, deren Teams eine enorme Zahl
an Fortbildungsstunden und Hands-on-Trainings absolviert
haben. Je Zentrum werden in der Regel mehr als 300 Implantate
gesetzt, die Behandler verfügen über mindestens zehn Jahre
implantologische Erfahrung. Wer das All-on-4-Konzept praktisch
erlernen möchte, hat die Chance, dort zu hospitieren. Mit Interessenten setzen wir uns einen Tag zusammen, analysieren die
Patientenbedürfnisse und trainieren die Patientenaufklärung und
-kommunikation. Das klinische Vorgehen – Sofortimplantation,
Sofortversorgung, All-on-4 – tritt dabei in den Hintergrund, was
so manchen zunächst irritiert. Aber Zahnärzte und ihre Teams
sollen vor allem lernen, den Patienten abzuholen und aufzuklären, damit er die unterschiedlichen Therapieoptionen versteht.
Dazu bieten wir einen umfangreiches Seminarprogramm für das
ganze Team.
Dennoch ist die Sofortimplantation als Therapieoption noch nicht
in der Praxis angekommen. Woran liegt das, Herr Dr. Wessing?
WESSING: Es braucht halt seine Zeit. Man muss sich wie an alles
im Leben langsam herantasten, mit einfacheren Situationen
beginnen und den Schwierigkeitsgrad sukzessive erhöhen. Die
von Prof. Tepper angesprochenen Misserfolge in der Anfangs-
zeit der Sofortimplantationen haben sicherlich auch dazu beigetragen, dass die anfängliche Euphorie in Vorsicht umgeschlagen ist. Es sind auch wirklich weitere wissenschaftliche Studien
nötig, die beleuchten, wann welche Therapie in welcher Indikation und zu welchem Zeitpunkt durchgeführt werden sollte. Die
zurzeit zur Verfügung stehenden Therapieoptionen sind mannigfaltig, doch es fehlt an evidenzbasierten Daten für den jeweiligen Einsatz. Interessierte Kollegen sollten sich für ein Implantatsystem inklusive prothetischer Komponenten entscheiden,
die diese Therapieform wirklich zulässt. Ebenso wichtig sind
gute Fortbildungen, Kommunikationstrainings und Handson-Kurse.
Deswegen dominiert in den Praxen nach wie vor das traditionelle zweizeitige Vorgehen?
WESSING: Ja, aber immer mehr implantologisch tätige Kollegen
setzen sich bereits mit dem Thema Sofortimplantation intensiv
auseinander. Denn solche Konzepte entsprechen den Patientenbedürfnissen.
TEPPER: Und der Patient erwartet heute, dass die Dinge schnell
gehen, dass eine Implantation ein ganz kurzer Besuch in einer
Praxis ist. In meiner Praxis zählt die Sofortimplantation plus
-belastung zu den wichtigsten Praxiskonzepten. Ich implantiere
und belaste in 30 bis 50 Prozent meiner Fälle sofort. Dreh- und
Angelpunkt ist und bleibt bei uns die Patientenaufklärung. Da
investieren wir deutlich mehr Zeit als in die eigentliche Implantation. Moderne Systeme ermöglichen das Inserieren in wenigen
Minuten. Salopperweise sage ich meinen Patienten: „Ich rede
eine Stunde über einen Fünfminuteneingriff.“
Literaturliste auf www.dentalmagazin.de
ZUSAMMENFASSUNG
n Sofortimplantation und Sofortversorgung sind heute wissen-
schaftlich gut dokumentiert.
n Die Technik etabliert sich zunehmend als zusätzliches Proto-
koll. Die Sofortimplantation kann und möchte das traditionelle Vorgehen jedoch nicht ersetzen.
n Bei der richtigen Indikationsstellung können spätere Aug-
mentationen vermieden werden.
n Zu den Erfolgsgaranten der Sofortimplantation und -belas-
n Das A und O ist die richtige Implantatposition. Auf keinen
Fall darf das Implantat die Alveole ausfüllen. Diese Anfangsfehler führten zu einem ästhetischen Desaster.
n Es empfehlen sich durchmesserreduzierte Implantate, die am
besten palatinal/lingual versetzt und kompressionsfrei inseriert
werden, ohne Druck auf die dünne bukkale Knochenlamelle.
n Der Spalt zwischen Implantat und Alveolenwand muss nicht
zwingend mit KEM gefüllt werden, auch nicht, wenn er größer als 3 mm sein sollte. Evidenzbasierte Aussagen dazu stehen allerdings noch aus.
tung zählen die atraumatische Extraktion und eine ausreichende Primärstabilität.
n Bei komplexen Fällen ist das navigierte Implantieren von Vorteil.
n Die viel zitierten 35 Ncm Drehmomentstabilität sind aber
n Bei Einzelzahnversorgungen sollte die Sofortversorgung
nicht immer zwingend erforderlich. Es werden auch Werte
unter 25 Ncm beschrieben. Entscheidend ist, dass keine
Mikrobewegung stattfindet.
durchweg weitgehend belastungsfrei in Infra-Okklusion
erfolgen. Verblockte Versorgungen lassen sich unter
Umständen früher belasten.
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Termine
FORTBILDUNGSTERMINE SOFORTIMPLANTATION
03.09.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mönchengladbach
09.11.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Köln
Thema: All-on-4 Live-OP mit Prof. Dr. Paulo Malo;
Prof. Dr. Paulo Malo, Dr. Ana Ferro, Dr. Bernd Quantius
Ort: MALO CLINIC, Mönchengladbach
CME-Punkte: 9, Gebühr: 399 €
Thema: NobelGuide – Digitale Präzision für alle
Indikationen; Ralf Hebestreit
Ort: Nobel Biocare Deutschland GmbH, Köln
Gebühr: 195 €
07.09.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Münster
17.11. – 19.11.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lissabon
Thema: Sofortversorgung des Einzelzahns – Kurs mit LiveOP; Dr. Bernhard Drüke
Ort: Implantatzentrum Münster
CME-Punkte: 8; Gebühr: 195 €
Thema: 3-day Clinical Residency; Prof. Dr. Paulo Malo und
das MALO CLINIC Klinik-Team
Ort: MALO CLINIC Lissabon/Portugal, Gebühr: 5850 €
09.09.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wien
Thema: All-on-4 – Feste Zähne an einem Tag!; André Weber
Ort: Nobel Biocare Deutschland GmbH, Köln, Gebühr: 249 €
18.11.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Köln
Thema: Sofortimplantation & Sofortbelastung – Lernen Sie
von 10 Jahren Erfahrung; Prof. DDr. Gabor Tepper
Ort: Wien/Österreich, Praxis Prof. DDr. Gabor Tepper
CME-Punkte: 4, Gebühr: 490 €
16.09. – 17.09.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lissabon
Thema: All-on-4 Surgical Protocol; Prof. Dr. Paulo Malo und
das MALO CLINIC Klinik-Team
Ort: MALO CLINIC Lissabon/Portugal
Gebühr: 1650 €
21.09.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dresden
Thema: NobelGuide – Digitale Präzision für alle
Indikationen; Dr. Jan Helm
Ort: Zahnarztpraxis Helm, Dresden
CME-Punkte: 5, Gebühr: 149 €
25.11.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wien
Thema: Sofortimplantation & Sofortbelastung – Lernen Sie
von 10 Jahren Erfahrung; Prof. DDr. Gabor Tepper
Ort: Wien/Österreich, Praxis Prof. DDr. Gabor Tepper
CME-Punkte: 4, Gebühr: 490 €
02.12. – 03.12.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lissabon
Thema: All-on-4 Surgical Protocol & Zygoma;
Prof. Dr. Paulo Malo und das MALO CLINIC Klinik-Team
Ort: MALO CLINIC Lissabon/Portugal, Gebühr: 2950 €
Anmeldung/Information:
[email protected]
Tel.: 0221 500 85-184
Fax: 0221 500 85-352
23.09.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Friedeburg
Thema: All-on-4-Versorgungskonzept „Feste Zähne an einem
Tag!“; Vladan Vasiljevic
Ort: Praxis Dr. Vasiljevic, Friedeburg
CME-Punkte: 9, Gebühr: 249 €
01.10.2016. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aachen
Thema: Frontzahnästhetik – immer teuer und langwierig,
oder geht’s auch wirtschaftlich und trotzdem schön?;
Dr. Bastian Wessing
Ort: Luisenhospital Aachen
CME-Punkte: 9, Gebühr: 249 €
05.11.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . München
Thema: Sofortversorgung des Einzelzahns – Kurs mit LiveOP; Dr. Rudolf Hocheneder
Ort: Implantatzentrum Münster
CME-Punkte: 10, Gebühr: 435 €
Fortbildungen der Kammern:
25.06.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamburg
Thema: Sofortimplantation, Sofortversorgung,
Sofortbelastung; Dr. Dr. Werner Stermann
Ort: Hamburg, Anmeldung/Information: ZÄK Hamburg
Tel.: 040 733405-0, Fax: 040 73258-28
[email protected], www.zahnaerzte-hh.de
CME-Punkte: 10, Gebühr: 200 €
20.09.2016 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Würzburg
Thema: Sofortimplantation oder sogar Sofortbelastung in Einzelund Mehrfachzahnlücken; Prof. Dr. Joachim S. Hermann
Ort: Würzburg, Anmeldung/Information: eazf GmbH
Tel.: 089 72480-190, Fax: -188
[email protected], www.eazf.de
CME-Punkte: 2, Gebühr: 50 €
Deutscher Ärzteverlag | DENTAL MAGAZIN | 2016;34(5)
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