Bundesfinanzministerium

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26.02.2013
„So ist Demokratie“
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble sagte im ZDF-heute journal, dass die Finanzmärkte stabile Verhältnisse
schätzen. Es liege nun an den politisch Verantwortlichen in Italien, eine stabile Regierung zu bilden.
ZDF: Guten Abend, Herr Schäuble.
Schäuble: Guten Abend, Frau Slomka.
ZDF: Wenn Sie nach Italien blicken, auf die Reaktion der Finanzmärkte blicken, die Aktienmärkte im Keller, der Euro
massiv an Wert verloren, Italien muss schon wieder höhere Zinsen für seine Staatsanleihen, für Kapital bezahlen. Wie
besorgt ist der deutsche Finanzminister, wenn er heute nach Italien blickt?
Schäuble: Naja, wir wissen, Finanzmärkte schätzen stabile Verhältnisse. Und ein Wahlergebnis, bei dem man nicht so
genau weiß, wie die Regierungsbildung sich vollziehen wird, weil es offenbar unterschiedliche Mehrheiten bei den
Kammern gibt, ist sicher ein Problem. Das führt dann zu einer gewissen Beunruhigung. Nun liegt es an Italien, an den
politisch Verantwortlichen in Italien aus diesem Wahlergebnis das zu machen, was das Land braucht, nämlich eine
stabile Regierung, die den erfolgreichen Kurs der Reformen des letzten Jahres, der letzten anderthalb Jahre fortsetzt.
ZDF: Nun sieht es im Moment nicht nach so viel Stabilität in Italien aus. Was, wenn die Kreditmärkte Italien
irgendwann keine Kredite mehr geben? Das Land ist zu groß für einen Rettungsschirm. Was bedeutet das dann für die
Eurozone?
Schäuble: Ich glaube, alle Verantwortlichen in Italien wissen schon, dass sie verpflichtet sind eine stabile Regierung zu
bilden, im Interesse des Landes. Jeder hat eine Verantwortung. Wissen Sie, es gibt vor den Wahlen, dann entscheiden die
Wähler und dann ist entschieden. Und dann haben diejenigen, die gewählt sind, eine Verantwortung für das Land. Die
brauchen dann auch keine öffentlichen Ratschläge von außerhalb. Wir haben ja gesehen, Italien hat in den letzten
anderthalb Jahren große Fortschritte gemacht, Reformen voran gebracht. Das hat Vertrauen für das Land auch auf den
Finanzmärkten gebracht. Die Zinsen sind deutlich niedriger geworden, das ist wichtig für Italien. Das ist wichtig für die
Eurozone als Ganzes. Und ich bin zuversichtlich, dass alle Verantwortlichen in Italien auch die richtigen Schlüsse
ziehen werden und jetzt eben aus einem komplizierten Wahlergebnis das richtige tun.
ZDF: Und es ist ja gar nicht so klar, wer dann jetzt Verantwortung trägt. Und Sie sagen, alle sind sich ihrer
Verantwortung bewusst. Glauben Sie, Herr Berlusconi oder Herr Grillo sind sich ihrer Verantwortung wirklich so
bewusst? Da wurde ja im Wahlkampf mit antieuropäischen und auch antideutschen Slogans Wahlkampf gemacht, sehr
erfolgreich Wahlkampf gemacht.
Schäuble: Ja, ich sage ja, wir sind alle nicht so richtig erfreut. Aber es hilft ja nichts. So ist die Demokratie. Die
Italiener entscheiden selber, wer sie in ihrem Parlament vertritt. Aber Italien braucht und will eine stabile Regierung.
Und deswegen, auf dieser Grundlage dieses Wahlergebnisses, müssen jetzt die Verantwortlichen die richtigen Schlüsse
ziehen. Da helfen ihnen keine Ermahnungen von außerhalb. Das wissen sie selber. Aber wir sind alle darauf
angewiesen. Und noch einmal: Italien selber hat ja in den letzten anderthalb Jahren erlebt, dass es viel günstiger für das
Land ist, wenn es Vertrauen schrittweise zurückgewinnt. Deswegen muss der Reformkurs weitergehen und wir
brauchen stabile Verhältnisse. Denn das ist die Lehre aus den Erfahrungen der letzten drei Jahre. Instabilität, wenn
Märkte zweifeln, ob es stabile Regionen gibt, das zerstört immer Vertrauen und das zahlt dann das Land, ein teurer
Preis.
ZDF: Nun ja, deswegen hatten Sie ja den Italienern sogar persönlich empfohlen: Wählt Mario Monti, den Reformer.
Aber er ist dann mit zehn Prozent nach Hause gegangen. Das ist katastrophal. Also offenbar folgen die Wähler ihrem
Appell oder den Appellen der Europäischen Union nicht. Im Gegenteil. Gerade die Sparpolitik, die Reformpolitik, wird
vom Wähler - und der ist ja nun einmal in der Demokratie entscheidend - regelrecht abgestraft.
Schäuble: Also, ich sage es ja gerade, ich habe übrigens den Italienern keine Wahlempfehlung gegeben.
ZDF: Doch doch, in der italienischen Zeitung „L’Express“ und sie haben gesagt, Sie würden Monti empfehlen.
Schäuble: Nein nein, das war dann falsch zitiert. Ich habe schon sehr genau gesagt, wir mischen uns niemals in Wahlen
anderer ein, aber ich habe darauf hingewiesen. Italien hat in den letzten anderthalb Jahren große Fortschritte gemacht
und unser Rat ist, und damit stimmen alle überein in Europa, dass dieser Weg wirtschaftliche Reformen,
Strukturreformen, fortgesetzt werden muss. Natürlich auch in der Verantwortung Italiens, immerhin eins der größten
europäischen Länder, eine große europäische Tradition und Verpflichtung. Deswegen, Italien hat eine Verantwortung für
sich selbst, aber auch für Europa.
ZDF: Dann hoffen wir, dass die Italiener diese Verantwortung so auch umsetzen können. Danke, Herr Schäuble, für das
Gespräch.
Schäuble: Bitte sehr.
Das Interview führt Slomka.
Alle Rechte: ZDF.
© Bundesministerium der Finanzen
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