Bauministerkonferenz (ARGEBAU) II. Nationaler Städtebaukongress 10. bis 11. Mai 2004 Positionspapier der Bauministerkonferenz (ARGEBAU) zum II. Nationalen Städtebaukongress I. Neue Formen der Zusammenarbeit in der Stadtplanung erforderlich In den letzten Jahren haben sich – parallel und in Zusammenhang mit der Veränderung der Städte – Charakter und Instrumente der Stadt- und Regionalplanung stark verändert. Neben bereits seit Jahrzehnten etablierten Themen wie etwa behutsame Stadterneuerung und nachhaltige Stadtentwicklung treten neue Themen und Strategien wie etwa der Stadtumbau und die Soziale Stadt. Angesichts der zu erwartenden demografischen Entwicklung, aber insbesondere auch der damit verbundenen sozialen Probleme in Stadtteilen, erhält die öffentliche Stadtplanung ein neues Aufgabenprofil. Gleichzeitig werden die öffentlichen Investitionsmittel, die zur Infrastrukturfinanzierung und zur Umsetzung nachhaltiger Stadtentwicklungsstrategien eingesetzt werden können, zusehends knapper. Die noch vorhandenen Mittel müssen noch effektiver als bisher eingesetzt werden. Dabei geht es zum einen um eine bessere Verzahnung der unterschiedlichen öffentlichen Investitionen und zum anderen um eine noch bessere Abstimmung mit der privaten Investitionstätigkeit. Schließlich hat sich auch die Rolle der Partner der öffentlichen Stadtentwicklungsplanung verändert. Das betrifft sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Wirtschaft: In den 80er und 90er Jahren hat sich die Stadt- und Regionalplanung intensiv mit den Möglichkeiten befasst, die Stadtbewohner möglichst umfassend in Planungsprozesse einzubeziehen; dies hat zu einer wesentlich größeren Akzeptanz und inhaltlichen Verbesserung von Planungsergebnissen geführt. Inzwischen fordern die Bürgerinnen und Bürger noch stärkere Partizipationsmöglichkeiten. Im Hinblick darauf sind sie auch bereit, mehr Verantwortung für ihre Lebensumwelt zu übernehmen. Mediation, Moderation und intermediäre Steuerungseinrichtungen haben sich als Steuerungsinstrumente der Stadtentwicklung etabliert. Parallel dazu kommt es zu immer mehr und immer intensiveren Kooperationsformen zwischen der öffentlichen Stadtplanung auf der einen und privaten Unternehmen, Investoren und Projektentwicklern auf der anderen Seite (public-private-partnership – ppp). Das Spektrum der Kooperationsansätze ist breit und reicht von der gemeinschaftlichen Planung, Finanzierung und Umsetzung einzelner Projekte bis hin zu komplexen Stadtentwicklungsmaßnahmen. Mit der aktiveren Rolle der Partner der Stadtentwicklung, aber auch der Zunahme von Planungsproblemen, die nur noch unter Beteiligung dieser Partner zu lösen sind, hat sich die Rolle der öffentlichen Stadtplanung geändert. An die Stelle hoheitlicher Planung treten mehr Kooperations- und Koordinierungsstrategien. Immer häufiger werden halböffentliche oder private Projektentwicklungsgesellschaften mit der Umsetzung von städtebaulichen Maßnahmen beauftragt. Mit dem Ziel, die neuen Partner auch formal besser in Planungsprozesse einzubinden, wurden – insbesondere mit den Vorschriften zum städtebaulichen Vertrag – neue rechtliche Regelungen geschaffen. Damit wurden die neuen Formen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit in der Stadtplanung auf ein gesichertes Fundament gestellt. 1/3 Auch die Länder haben den Partnern der Stadtplanung immer größere Handlungsspielräume eröffnet. Im Zuge großer Deregulierungsanstrengungen wurden viele gesetzliche Regelungen zurückgenommen und die private Verantwortung gestärkt. Gleichzeitig wirtschaften viele ehemals öffentliche Betriebe inzwischen nach marktwirtschaftlichen Prinzipien. II. Gegenstände der Kooperation Die Gegenstände und Formen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit sind vielfältig und häufig innovativ. Im Kern geht es fast immer um eine partielle, zeitlich und sachlich begrenzte Kooperation zwischen zwei oder mehreren Partnern nach dem Modell der aus der Privatwirtschaft bekannten „Strategischen Allianzen“. Public-private-partnership in der Stadtplanung bedeutet, dass die öffentlichen Planungsträger ihr Handeln (etwa in der Bauleitplanung) mit der Privatwirtschaft mit dem Ziel abstimmen, spezifische städtebauliche Chancen gemeinsam zu nutzen. Durch die Bündelung bzw. den synergetischen Einsatz öffentlicher und privater Handlungsmöglichkeiten, Kompetenzen und Finanzmittel werden Vorteile erzielt, die dann zwischen den Kooperationsbeteiligten aufgeteilt werden. Gegenstand dieser Strategien können Teile der vorbereitenden und verbindlichen Bauleitplanung, aber auch informelle Planungsansätze sein. Hier können Private bestimmte Teile der konzeptionellen Arbeit übernehmen. Soweit hoheitlich zu treffende Beschlüsse zu fassen sind, bleibt die Entscheidung bei den auf öffentlicher Seite dazu legitimierten Gremien. Eine in den letzten Jahren sehr intensiv diskutierte Form der öffentlich-privaten Kooperation besteht in der privaten Finanzierung öffentlicher Infrastruktur (z.B. Straßen und Brücken) bzw. Einrichtungen des öffentlichen Hochbaus (z.B. Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse etc.). Aktuelle Gutachten zu dieser Form der Finanzierung sehen erhebliche Wirtschaftlichkeitsvorteile für die öffentliche Hand. Die entsprechenden Berechnungen werden zur Zeit noch geprüft. III. Optionen der Kooperationsansätze Vorteile der öffentlich-privaten Kooperation in der Stadtplanung können sein: Die Kooperationsansätze definieren Planung und Umsetzung in der Stadtentwicklung als Einheit: zentrales Ziel des gemeinschaftlichen Handelns ist eine kurzfristige Umsetzung städtebaulicher Maßnahmen. Dabei erweist sich als besonders günstig, dass die für die Umsetzung zwingend erforderlichen privaten Entscheidungsträger und Investoren einbezogen werden. Die stringente Ziel- und Umsetzungsorientierung in der öffentlich-privaten Zusammenarbeit führt in der Regel zu einer maßgeblichen Verkürzung von Planungs- und Genehmigungszeiten. Positiv wirkt sich dabei das häufig hohe Konsensniveau im Vorfeld formaler Planungsverfahren aus. Im Rahmen von public-private-partnership-Ansätzen besteht die Möglichkeit, private Finanzmittel für städtebauliche Ziele oder Maßnahmen zu akquirieren. Auch die öffentlichen Mittel entfalten mehr Wirkung, wenn sie inhaltlich und zeitlich mit privaten Maßnahmen abgestimmt werden. Durch den systematischen Handlungszusammenhang mit Privaten kann Stadtplanung auch in solche Bereiche wirken, zu denen es bislang keinen öffentlichen Zugang gibt. Gemeinsam „vor Ort“ entwickelte Konzepte und Projekte stärken die lokale bzw. regionale Identität und sind Teil einer modernen Planungskultur, in die auch die private Wirtschaft in ihrer Verantwortung für die Stadt (den Standort) einbezogen wird. II. Nationaler Städtebaukongress 2004: Positionspapier der Bauministerkonferenz (ARGEBAU) 2/3 IV. Rahmenbedingungen für erfolgreiche Zusammenarbeit Wie jede strategische Allianz setzt auch die öffentlich-private Kooperation in der Stadtplanung spezifische Rahmenbedingungen voraus, deren Beachtung zwingende Voraussetzung für eine öffentliche Beteiligung an Kooperationsformen ist: Projekte und Gremien der öffentlich-privaten Zusammenarbeit müssen – soweit sie sich mit Fragen der Stadtplanung befassen – in die öffentlichen Planungsverfahren und politischen Entscheidungsprozesse integriert werden (Primat der Politik). Projekte des public-private-partnership bedürfen – wie alle Planungsmaßnahmen – der Beteiligung der Öffentlichkeit bzw. der von den Ergebnissen der Kooperation betroffenen Bürger. Die Gegenstände der Kooperation (z.B. der „Wert“ von Planungszusagen) müssen bekannt und in rechtlicher Hinsicht überhaupt „verhandlungsfähig“ sein. Nur begrenzt verhandlungsfähig sind insbesondere Inhalt, Zeitpunkt und Umfang von Bauleitplanungen, Umfang und Ansprüche auf Befreiungen. Die Kooperation darf zu keinen Zwangs- bzw. Abhängigkeitssituationen der Kommunen in finanzieller oder sonstiger Art führen. Soweit die Kommunen den öffentlich-privaten Austauschprozess mit hoheitlichen Verfahren verbinden, ist auszuschließen, dass es zu einem „Verkauf von Baurechten“ kommt. Öffentliche Entscheidungsträger bleiben in ihren Handlungen immer dem Allgemeinwohl verpflichtet – insbesondere in dessen langfristiger Perspektive. V. Position der Länder Die Bauministerkonferenz (ARGEBAU) hat in ihrem Beschluss vom 21./22. Juni 2001 die vielfältigen Formen der öffentlich-privaten Zusammenarbeit in der Stadtplanung als eine Chance begrüßt, private Aufwertungs- und Investitionsaktivitäten für den Prozess der Stadtentwicklung verstärkt nutzbar zu machen. Die Einbeziehung der Wirtschaft in Projekte und Strategien der Stadtentwicklung verstärkt die Umsetzungsorientierung planerischer Konzepte und ermöglicht eine Beschleunigung von Planungsprozessen sowie eine verbesserte fachliche Integration privater Projekte und Planungen. Die Ministerkonferenz hält es ferner für unabdingbar, dass bei allen Formen und Projekten der öffentlich-privaten Zusammenarbeit die Zuständigkeit der kommunalen Räte für alle Belange der örtlichen Stadtplanung beachtet wird. Die Verfahren der public-private-partnership müssen transparent und einer öffentlichen Kontrolle zugänglich sein. Die Erteilung von Genehmigungen oder die Ergebnisse der planerischen Abwägung im Rahmen von Bauleitplanverfahren dürfen nicht zum Verhandlungsgegenstand mit privaten Einzelinteressen gemacht werden. Die Bauministerkonferenz hat die Erstellung eines Leitfadens zu Public Private Partnership (PPP) mit Ausschreibungs- und Vertragsmustern sowie Anleitungen für Wirtschaftlichkeitsvergleiche begrüßt. Dabei sollen die Belange des Mittelstandes besonders berücksichtigt werden. II. Nationaler Städtebaukongress 2004: Positionspapier der Bauministerkonferenz (ARGEBAU) 3/3