Forschung, Innovation und Soziale Arbeit Herausgegeben von Bringfriede Scheu, Feldkirchen Otger Autrata, Feldkirchen Die Soziale Arbeit hat in den mehr als hundert Jahren ihres Bestehens Wichtiges erreicht. Weitere Forschung sowie Anstrengungen zur Innovation sind aber notwendig. In der Buchreihe „Forschung, Innovation und Soziale Arbeit“ sollen solche Forschungs- und Innovationsbemühungen in und aus der Sozialen Arbeit dokumentiert werden. Die Debatte um eine paradigmatische Bestimmung Sozialer Arbeit und damit um eine grundlegende theoretische Orientierung wird aufgegriffen; ebenso werden auch theoretische und empirische Aufarbeitungen von wichtigen Einzelthemen der Sozialen Arbeit sowie innovative Praxisformen dargestellt. Die Buchreihe wird Monografien und Sammelbände von WissenschaftlerInnen, aber auch Arbeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses beinhalten. Zielgruppe der Reihe sind Studierende, WissenschaftlerInnen und Professionelle aus der Sozialen Arbeit, aber auch andere Interessierte. Herausgegeben von Bringfriede Scheu Fachhochschule Kärnten Feldkirchen, Österreich Otger Autrata Forschungsinstitut RISS, Feldkirchen, Österreich/ Universität Osnabrück, Deutschland Bringfriede Scheu • Otger Autrata Partizipation und Soziale Arbeit Einflussnahme auf das subjektiv Ganze Bringfriede Scheu Feldkirchen, Österreich Otger Autrata Feldkirchen, Österreich ISBN 978-3-658-01715-6 DOI 10.1007/978-3-658-01716-3 ISBN 978-3-658-01716-3 (eBook) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. 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Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vs.de Inhaltsverzeichnis Einführung 7 1 Partizipation und Partizipationsforschung 1.1 Verbreitung von Partizipation 11 24 2 Partizipation in der Sozialwissenschaft 2.1 Partizipation und Kapitalismuskritik 2.2 Partizipation und Armut 2.2.1 Geschichte der Armut 2.2.2 Theorien zu Armut 2.2.3 Armut und Pädagogik 35 36 45 46 50 57 3 3.1 3.2 3.3 3.4 Soziale Arbeit und Partizipation Partizipation in der lebensweltorientierten Sozialen Arbeit Partizipation in der sozialraumorientierten Sozialen Arbeit Partizipation in der Einzelfallhilfe Partizipation und bürgerschaftliches Engagement 75 78 95 113 128 4 Historische Herangehensweise zur Erklärung von Partizipation 4.1 Historische Herangehensweise 4.2 Kategorialanalyse und Vorformen von Partizipation 153 157 172 5 Grundlagen der Partizipation: Mensch, Gesellschaft und Soziales 5.1 Mensch 5.2 Mensch und Gesellschaft 5.3 Mensch und Soziales 195 200 208 227 6 Partizipation als Gestaltung des Sozialen 6.1 Ungleichheitsaversion und Partizipation 6.2 Lebensqualität und Partizipation 6.3 Partizipation als Gestaltung des Sozialen 243 248 257 265 5 Partizipation und Soziale Arbeit: Neues Verständnis 7 7.1 Denkprinzip: Gestaltung des Sozialen 7.2 Partizipation und Soziale Arbeit: Professionelle Aufgaben 7.3 Partizipation und Soziale Arbeit: Disziplinäre Aufgaben 279 281 286 297 Ausblick 309 Literatur 313 6 Einführung Partizipation ist zu einem omnipräsenten Stichwort in der Sozialen Arbeit geworden. Der Begriff der Partizipation findet sich in nahezu allen theoretischen Bestimmungen Sozialer Arbeit seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Dabei ist allerdings Partizipation zu einer Schimäre geworden: Was genau eigentlich gemeint wird, wenn von Partizipation gesprochen oder geschrieben wird, ist nur mühsam erkennbar. Ob weiterhin die vielen AutorInnen, die alle von der Wichtigkeit von Partizipation und ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit überzeugt sind, das Gleiche meinen, ist zu hinterfragen. Im Ergebnis wird in der vorliegenden Veröffentlichung belegt, dass unter Partizipation in der Sozialen Arbeit sehr Unterschiedliches verstanden wird. Zur mangelnden Klärung von Partizipation in der Sozialen Arbeit tragen verschiedene Sachverhalte bei: So sind die unterschiedlichen Theoriebildungen zur Sozialen Arbeit an sich nicht hergeleitet und bleiben bruchstückhaft; Partizipation ist dabei ein Bestandteil der Theoriebildung, der als Versatzstück an vermeintlich passender Stelle eingefügt wird. Partizipation wird oft auch aus Bezugsdisziplinen übernommen: Aber auch die Bezugsdisziplinen liefern nur vorläufige Einsichten über Partizipation. Weiter wird Partizipation in Theoriebildungen Sozialer Arbeit funktionalisiert oder limitiert: Partizipation wird nur so und da gewünscht, wo sie nützlich ist. Das Verständnis von Partizipation in dieser Art fragt nicht danach, was Menschen mit Partizipation erreichen wollen und warum Partizipation für sie wichtig ist. Das geläufige Verständnis von Partizipation in der Sozialen Arbeit fragt danach, welche Funktionalität Partizipation für die Soziale Arbeit hat. Damit ist aber Partizipation entkernt: Der begrifflichen Klarheit und Transparenz halber wird in der vorliegenden Veröffentlichung vorgeschlagen, dafür nicht mehr den Begriff der Partizipation zu benutzen. Da es nur um Beteiligung an Formen der Sozialen Arbeit geht, ist der Begriff der Beteiligung dafür angemessener. Partizipation – und da liegt der Hauptschwachpunkt bisheriger Theoriebildung – wird nicht subjektorientiert bestimmt: Es gibt in der Sozialen Arbeit keine Subjekttheorie zu Partizipation. Unter der Maßgabe, dass Partizipation kein Modewort und nicht nur schmückendes Beiwerk bleiben soll, wird in der vorliegenden Veröffentlichung ein grundlegendes Verständnis von Partizipation hergeleitet und entfaltet: Partizipation ist ein wesentlicher Bestandteil menschli- 7 chen Lebens. Daraus ergeben sich neue Perspektiven für Soziale Arbeit in disziplinärer und professioneller Hinsicht. Die Entwicklung dieser Perspektiven wird nachfolgend in einem kurzen Überblick über die Argumentation des Buches entfaltet. Im 1. Kapitel wird die politikorientierte Partizipationsforschung beleuchtet. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Begriff der Partizipation häufig verwendet, aber in seiner Substanz nicht geklärt. Das nahm die Politikwissenschaft, die sich als originär für Partizipation zuständig sieht, zum Anlass zu versuchen, Partizipation wissenschaftlich abzuklären. Eine Begriffsbestimmung gelang freilich nicht, dafür wurde zwischen einer Vielzahl von Partizipationsformen differenziert und ihre Verbreitung untersucht. Partizipation ist nicht nur in ihrer Relation zu Politik ein Thema, sie wird auch in ihrem Konnex zu Kapitalismus und Armut wissenschaftlich untersucht. Die Debatte um eine kapitalismuskritische sowie eine armutsorientierte Sichtweise auf Partizipation findet sich weit verzweigt in der Sozialwissenschaft. Dem wird im 2. Kapitel nachgegangen. Im Ergebnis führt das zu vielfältigen, nicht immer koinzidenten Einsichten über Partizipation: Das führt allerdings auch auf der Basis der Sichtung dieser Quellen zu dem Ergebnis, dass Partizipation sowie äquivalent gebrauchte Begriffe wie Teilhabe, Teilnahme oder Beteiligung in der wissenschaftlichen Diskussion nicht klarer und definierter wird, sondern in der Unüberschaubarkeit und Widersprüchlichkeit zerfließt. Im 3. Kapitel wird der Diskussionsstand zu Partizipation im Rahmen der Theoriebildung zur Sozialen Arbeit dargestellt. Für die Theorien der Sozialen Arbeit lässt sich feststellen, dass sich in fast allen Theorierichtungen ab den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts Bezugnahmen auf Partizipation identifizieren lassen. Das wird exemplarisch für die Lebenswelt- und Sozialraumorientierung sowie für die Soziale Arbeit mit dem Fokus auf Einzelfallhilfe oder auf der Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements herausgearbeitet. Für alle diese Richtungen lässt sich feststellen, dass Partizipation zu einer Beteiligung an den Leistungen der Sozialen Arbeit umgedeutet wird. Dass Partizipation potentiell nicht an den Grenzen der Handlungsfelder Sozialer Arbeit stoppt, wird nicht gesehen. Aus der Einsicht, dass aus der Aufarbeitung von vorliegenden Äußerungen zu Partizipation kein adäquates und theoretisch abgesichertes Verständnis von Partizipation abgeleitet werden kann, wird für die vorliegende Veröffentlichung der Schluss gezogen, dass eine vollkommen neue begriffliche Herleitung notwendig ist. Im 4. Kapitel wird dazu die erkenntnistheoretische Methodologie der 8 historischen Herangehensweise entfaltet und aufgezeigt, inwieweit in der Phylogenese Vorformen von Partizipation entstanden sind. Das wird im 5. Kapitel für den Menschen fortgeführt: Partizipation ist eine spezifisch menschliche Möglichkeit und beruht auf der Spezifik der menschlichen Existenz. Die Unmittelbarkeitsüberschreitung, die wiederum auf der Gesellschaftlichkeit basiert, hat für Menschen die Möglichkeitsbeziehung zur Welt und damit das Entstehen von Wahlmöglichkeiten für Handlungen mit sich gebracht. Das ist auch im Sozialen zu finden, der unmittelbaren Wahrnehmung und handelnden Bezugnahme auf andere Menschen. Die bis dahin geleisteten Vorarbeiten ermöglichen im 6. Kapitel die hergeleitete und begründete Definition von Partizipation: Partizipation ist eine besondere Form des menschlichen Handelns, die sich dadurch auszeichnet, dass sie auf das subjektiv als Ganzes Gesehene Einfluss nimmt. Über die Einflussnahme auf das Ganze, also Partizipation, wird eine Beibehaltung oder Erhöhung der eigenen Lebensqualität angestrebt. Zentral für die Bestimmung, ob Handlungen Partizipation sind oder nicht, ist die Perspektive der Subjekte, nicht ein Katalog von Formen: Nur wenn Handlungen auf ein wiederum subjektiv bestimmtes Ganzes Einfluss nehmen, sind sie Partizipation. Das Ganze, auf das Einfluss genommen wird, kann ein gesellschaftliches oder soziales Ganzes sein: Partizipation ist aber, mindestens in der intersubjektiven Verständigung über Intentionen, immer auch ein Prozess der Gestaltung des Sozialen. Aus dieser begrifflichen Bestimmung von Partizipation ergeben sich Konsequenzen für die Soziale Arbeit, was im 7. Kapitel erläutert wird: Wenn Partizipation die Einflussnahme auf ein subjektiv bestimmtes Ganzes ist, macht diese Einflussnahme nicht an den Grenzen der geläufigen Arbeitsformen der Sozialen Arbeit Halt. Die Soziale Arbeit hat die disziplinären und professionellen Kompetenzen zur Unterstützung und Förderung von Partizipation und sollte diese Aufgabe auch wahrnehmen. Die Unterstützung und Förderung von Partizipation ist allerdings subjektbezogen und als Gestaltung des Sozialen anzulegen, was ein Nachdenken die Aufgabenstellung der Sozialen Arbeit notwendig macht. Die vorliegende Veröffentlichung übernimmt nicht die geläufigen Perspektiven zu Partizipation. Ziel ist dabei, die Debatte zu Partizipation auf eine theoretisch hergeleitete Basis zu stellen, um somit den Gegenstand Partizipation eindeutig und abgesichert fassen zu können. 9