Möglichkeiten moderner Komposit

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BZB Dezember 16
Möglichkeiten moderner Kompositsysteme im Frontzahnbereich
Ein Update
E i n B e i t r a g v o n P r o f . D r. J ü r g e n M a n h a r t , M ü n c h e n
Mit direkten Kompositrestaurationen können
höchste ästhetische Ansprüche im Frontzahnbereich befriedigt werden. Um vorhersagbare
Ergebnisse zu erreichen, die sich durch eine hohe
Natürlichkeit auszeichnen und sich perfekt in die
umgebende Zahnsubstanz integrieren, ist eine
profunde Kenntnis der technischen und ästhetischen Grundlagen ebenso erforderlich, wie ein
Verständnis der korrekten Schichttechnik.
Seit der erstmaligen Verwendung von Kompositen
im Frontzahnbereich hat eine kontinuierliche Weiterentwicklung sowohl in der Materialwissenschaft
der Komposite als auch in der Adhäsivtechnik stattgefunden [1]. Im Gleichschritt konnte der Indikationsbereich von Kompositrestaurationen deutlich
ausgeweitet werden. Durch eine stetige Verbesserung der Schichttechnik wurde auch die intraorale
Anwendung am Patienten perfektioniert [2-16].
Der Indikationsbereich von Kompositen im Frontzahnbereich beginnt heute bei minimalinvasiven
Defektversorgungen und erstreckt sich über kavitätenlose Zahnumformungen bis hin zu umfangreichen Frontzahnaufbauten, die oft einen Großteil
des Kronenvolumens eines Zahns ersetzen [13,1719]. Mit entsprechender Übung in der Schichttechnik konkurrieren direkte Kompositrestaurationen
heute in vielen Fällen mit den ästhetischen Ergebnissen von Vollkeramikrestaurationen und gewährleisten gleichzeitig einen minimalinvasiven Umgang
mit gesunder Zahnhartsubstanz [20].
Komposite für hochästhetische
Frontzahnrestaurationen
Viele Patienten akzeptieren kaum mehr Kompromisse bezüglich der Ästhetik im Frontzahnbereich.
Um Füllungen zu legen, die von der Zahnhartsubstanz praktisch nicht mehr zu unterscheiden sind,
benötigt man Kompositmassen in unterschiedlichen Opazitäten/Transluzenzen und ausreichenden
Farbabstufungen [5-7]. Mit opaken Dentinfarben
und transluzenten Schmelzmassen lassen sich bei
Anwendung der polychromatischen Schichttechnik
hochästhetische Restaurationen erzielen [4,21]. Teilweise umfassen diese Kompositsysteme über 30 verschiedene Massen unterschiedlicher Farbe und Lichtdurchlässigkeit. Eine entsprechende Erfahrung im
Umgang mit diesen Materialien ist somit unerlässlich. Der ambitionierte Behandler wird immer einen
Lernprozess durchlaufen müssen, bis er reproduzierbar in der Lage ist, den Effekt der einzelnen Kompositfarben und -opazitäten in verschiedenen Schichtstärken und bei unterschiedlichen Situationen der
natürlichen Zahnunterlage (z. B. verfärbte Dentinanteile) zu antizipieren.
Neben der korrekten Auswahl der Grundfarbe des
Zahns und den zu deren Reproduktion ausgewählten Kompositmassen hängt die Farbwirkung der fertig
geschichteten Restauration vor allem vom richtigen
Verhältnis der Schichtdicken der unterschiedlich
opaken beziehungsweise transluzenten Kompositmassen ab. Mit sehr transluzenten Schmelzmassen
sollte man eher sparsam umgehen, da ansonsten
die Gefahr besteht, dass die Füllung insgesamt zu
transparent wird und dadurch – vor dem Hintergrund
der dunklen Mundhöhle – graustichig wirkt [22].
Indikationen von Kompositen im Frontzahnbereich
Direkte Kompositrestaurationen im Frontzahnbereich
werden entweder kavitäten- beziehungsweise defektbezogen eingesetzt, um durch Karies, Trauma oder
nicht kariöse Prozesse (Erosion, Abrasion, Attrition)
verloren gegangene Zahnhartsubstanz zu rekonstruieren, oder um bestehende insuffiziente Versorgungen zu ersetzen. Seltener werden funktionelle
Korrekturen, zum Beispiel der Aufbau oder die Optimierung einer Front-Eckzahn-Führung, durchgeführt. Andererseits werden vermehrt auch ästhetisch
(teil-)motivierte, defektunabhängige Behandlungen
vorgenommen. Hierzu zählen beispielsweise Zahnumformungen, Lückenschluss, Kompositrestaurationen in Verbindung mit oder anstelle einer kieferorthopädischen Behandlung, die Reduktion schwarzer
interdentaler Dreiecke im zervikalen Approximalraum sowie direkte Kompositveneers (Korrektur von
Zahnfarbe, -form und -stellung) [10,13,17,23-31].
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Generell existiert keine eindeutige Grenze, bis zu
der Restaurationen im Frontzahnbereich in der direkten Komposittechnik hergestellt werden können
und ab deren Überschreitung nur mehr indirekte
Verfahren angewendet werden sollten. Zusammenfassend kann man aber festhalten, dass mit vermehrter Anzahl an gleichzeitig notwendigen (großen) Versorgungen, mit zunehmender Schwierigkeit aufgrund komplexer Farb-, Transparenz- oder
Textursituationen beziehungsweise Besonderheiten
der Zahnstellung und -morphologie (bedingt eventuell Probleme mit der Matrizentechnik) und mit
parallel dazu steigendem ästhetischen Anspruch
der Patienten irgendwann bei jedem Behandler ein
individuelles Limit erreicht wird, dessen Überschreitung die Vorteile der indirekten Versorgungen deren
Nachteile überwiegen lassen.
Vorteile und Nachteile direkter Kompositfüllungen
Der Vorteil direkter Kompositrestaurationen im
Frontzahnbereich liegt neben der guten Ästhetik in
der substanzschonenden Vorgehensweise und dem
geringen Risiko iatrogener Schäden für die zu versorgenden Zähne und deren umgebende Gewebe
[29]. Die Präparation ist rein defektbezogen und
verläuft zumeist supragingival. Neben der Kariesexkavation erfolgt lediglich eine Randabschrägung.
Speziell bei ästhetisch motivierten Behandlungen
kann in vielen Fällen im Gegensatz zu Keramikveneers oder Kronen auf eine Präparation verzichtet werden. Auch eine Abformung und die hierzu
notwendige Retraktion der Gingiva unterbleiben. Das
dadurch vermiedene Gewebstrauma eliminiert vor
allem bei einer fragilen Architektur der parodontalen
Strukturen die Gefahr hierdurch verursachter Rezessionen nahezu komplett [32-38]. Irreversible Präparationstraumata [39] und postoperative Schmerzen
beziehungsweise endodontische Komplikationen sind
im Zusammenhang mit Frontzahnkompositfüllungen selten. Im Gegensatz zu laborgefertigten Restaurationen liegt die Verantwortung für die direkte
Restauration komplett in der Hand des Zahnarztes
und es besteht keine Abhängigkeit vom Dentallabor
inklusive damit assoziierter potenzieller Unwägbarkeiten. Im Vergleich zu indirekten Verfahren sind die
Kosten erheblich geringer und der Behandlungsaufwand deutlich zeitsparender [29].
Zu den Nachteilen direkter Kompositrestaurationen
im Frontzahnbereich gehört die eingeschränkte Vorhersagbarkeit des ästhetischen Resultats, vor allem bei Behandlern, die in der polychromatischen
Schichttechnik nur wenig geübt sind [19]. Bei sehr
großen Defekten oder Zahnumformungen können
Schwierigkeiten mit der Matrizentechnik zu Gestaltungsproblemen im Bereich der Approximalkonturen führen. Auch zirkuläre und subgingivale Defekte
limitieren aufgrund von Problemen beim Einsatz
formgebender Matrizen beziehungsweise bei der
Sicherstellung kontaminationsfreier Bedingungen
die sinnvolle Anwendung direkter Kompositversorgungen. Bei der gleichzeitigen Versorgung zahlreicher großer, ästhetisch anspruchsvoller Defekte
dürfen auch der dazu notwendige Zeitaufwand nicht
unterschätzt und die Möglichkeiten des Zahnarztes
zur konstanten Aufrechterhaltung der dazu notwendigen hohen Konzentration nicht überschätzt werden. Komposite sind zudem weniger verschleißbeständig als Keramiken [40-43]. Langfristig kann es
durch Verschleiß somit zum Verlust des initialen
Oberflächenglanzes oder zu Konturveränderungen
und zur Auflösung der eingearbeiteten mikroanatomischen Texturmerkmale kommen [44]. Diese
Problematik tritt vor allem auf, wenn der Werkstoff
chairside nicht ausreichend polymerisiert wurde
und das Komposit somit nicht über die optimalen
werkstoffkundlichen Eigenschaften verfügt. Komposite sind auch hinsichtlich ihrer Farbstabilität
nicht mit Keramiken vergleichbar [21,45-47].
Vorbereitende Maßnahmen
Bis auf wenige Ausnahmen wie die Notversorgung
nach Trauma oder eine akute Schmerztherapie können Kompositrestaurationen im Frontzahnbereich
geplant terminiert werden. Dabei sollte ein ausreichendes Zeitbudget berücksichtigt werden, da ästhetisch mangelhafte Frontzähne für die meisten Patienten eine deutliche Belastung sind [31,48].
Eine Kontamination der Kavität mit Blut, Speichel
oder Sulkusflüssigkeit beeinträchtigt die Haftfestigkeit und Randqualität von adhäsiven Füllungen
drastisch. Daher wird zur Sicherstellung einer entzündungsfreien Gingiva eine Zahnreinigung circa
eine Woche vor dem Behandlungstermin empfohlen. Für komplexere beziehungsweise umfangreichere Therapien, wie etwa der Schluss multipler
Diastemata oder die Umformung mehrerer dysplastischer Zähne, ist es eine deutliche Erleichterung, wenn in einer vorbereitenden Sitzung Abformungen für Situationsmodelle angefertigt werden.
An den Modellen stellt der Zahntechniker ein Waxup her [49], das einerseits dem Patienten das anzustrebende Resultat der Therapie visualisiert und andererseits für die Anfertigung von Silikonschlüsseln
dient, mit deren Hilfe in der Behandlungssitzung
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die auf dem Situationsmodell erarbeiteten Zahnkonturen einfach und zuverlässig in den Patientenmund übertragen werden (s. Abb. 3 und 4) [50].
rekte Farbauswahl und Analyse der opaken beziehungsweise transluzenten Zahnbereiche in dieser
Sitzung nicht mehr möglich [57].
Ästhetische Analyse
Zu Beginn der Behandlung wird eine ästhetische
Analyse des Zahns durchgeführt. Neben der Farbbestimmung inklusive der Verteilung unterschiedlicher Farbareale über die zu restaurierende Oberfläche werden hier weitere für den ästhetischen
Erfolg der Restauration wichtige Parameter erhoben
[24]. Dazu zählen die korrekte Analyse der transluzenten Bereiche (Schneidekante, evtl. approximale
Schmelzanteile) und opaken Areale sowie deren
Dimensionen ebenso wie die Feststellung, ob Dentinmamelons durch den Schmelz hindurch sichtbar
sind oder ein Halo-Effekt an der Inzisalkante vorliegt [51,52]. Auch individuelle Charakteristika (z.B.
Schmelzrisse, weiße Entkalkungsflecken) und deren
Verteilungsmuster auf der Labialfläche werden notiert. Vorzugsweise fertigt man hierzu eine Skizze
an, in der die einzelnen Details vermerkt werden.
Beim Aufbau des Zahns mit Komposit stehen dann
die Informationen, an welchen Stellen etwa opakere
beziehungsweise transluzentere Kompositmassen in
entsprechenden Schichtstärken [53] eingesetzt werden müssen oder eventuell Charakterisierungen angebracht werden sollen, verlässlich zur Verfügung.
Die ästhetische Analyse wird unter standardisierten
Lichtbedingungen am feuchten Zahn vor dem Anlegen von Kofferdam und möglichst unter Ausschaltung starker Kontraste (z.B. Lippenstift) durchgeführt. Bei einer Dehydratation (z.B. durch Druckluft
aus der Multifunktionsspritze, Kofferdam) wird das
Wasser in den Schmelzporen reversibel durch Luft
ersetzt, wodurch sich der Brechungsindex ändert
und die Schmelzoberfläche in Abhängigkeit vom
Austrocknungsgrad zunehmend weißlich-heller und
opaker erscheint [54-56]. Dadurch wäre eine kor-
Präparation
Die Behandlung mit direkten Kompositrestaurationen im Frontzahnbereich kann aufgrund von
defektbezogenen Indikationen erfolgen, in denen
verloren gegangene Zahnhartsubstanz ersetzt werden muss. Darüber hinaus kommen elektive Indikationen in Form von defektunabhängigen Maßnahmen hinzu, bei denen eine ästhetisch motivierte
Behandlung dominiert [58].
Abb. 1: Multiple Zahnfrakturen im Ober- und Unterkiefer nach Trauma
Defektbezogene Restaurationen
Zu den defektbezogenen Indikationen zählt der Ersatz verloren gegangener Zahnhartsubstanz aufgrund von Karies, Trauma (Abb. 1 bis 12), Abrasion,
Attrition und Erosion. Wegen der adhäsiven kraftschlüssigen Befestigung kann auch bei großen Kompositrestaurationen komplett auf die Präparation
von retentiven Kavitätenarealen verzichtet werden.
Die Defektränder werden im Regelfall zirkulär angeschrägt. Dadurch wird vermieden, dass die Schmelzprismen parallel zu ihrer Längsachse angeschnitten
werden [59]. Dies steigert die Festigkeit des Adhäsivverbunds und sorgt langfristig für eine gute Randversiegelung der Kompositrestauration [60-65]. Verzichtet man auf die Anschrägung, entstehen durch
die Polymerisationskontraktion des Komposits an den
Kavitätenrändern oft Mikrorisse im Schmelz [66-70].
Aufgrund der Luft in diesen Spalträumen wird das
Licht dort stärker reflektiert und es fällt klinisch häufig
ein ästhetisch störender, weißer Füllungsrand („white
line margin“) auf [69,71]. Neben einem erhöhten
Risiko für postoperative Sensibilitäten kann sich in
diesen Bereichen marginaler Undichtigkeiten mittelund langfristig eine Randverfärbung und letztlich
auch eine Sekundärkaries manifestieren [58,71].
Abb. 2: Insgesamt handelt es sich um elf kleine bis mittelgroße Defekte. Die
Zähne weisen unkomplizierte Kronenfrakturen auf.
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Abb. 3: Unterkiefer-Situationsmodell nach Erstellung eines Wax-ups und Anfertigung eines Silikonschlüssels
Abb. 4: Die Frakturränder werden labial mit breiten Anschrägungen versehen.
Überprüfung des spaltfreien Sitzes des Silikonschlüssels und Markierung der
oralen Defektränder.
Abb. 5: Konditionierung der Defektoberflächen mit Phosphorsäure und nachfolgende Applikation des Haftvermittlers
Abb. 6: Silikonschlüssel mit Markierungen der Defektdimensionen
An der Labialfläche des Zahns ist zusätzlich ein unsichtbarer Übergang der Kompositrestauration in die
Zahnhartsubstanz unabdingbar. Dies wird durch die
Präparation einer verbreiterten labialen Anschrägung („long bevel“) mit circa 1,5 bis 2,5 mm Breite
(s. Abb. 4) erreicht [72]. Durch die breite Überlappung von der Außenkante zur Innenkante der Anschrägung ergibt sich eine langsam ansteigende
Schichtstärke des nachfolgend applizierten Komposits. Dadurch werden die optischen Eigenschaften der
unterschiedlichen Materialien langsam ineinander
übergeführt und die Farbanpassung optimiert. Dies
ist eine Grundvoraussetzung für nahezu unsichtbare
Übergänge im Randbereich [73]. Weist der Zahn eine
markante Oberflächentextur auf, so hat ein leicht
wellenförmiger Anschliff der äußeren Anschrägungskante den Vorteil, dass man den Füllungsrand nahezu
unsichtbar in der Mikrotextur der natürlichen Zahnhartsubstanz verstecken kann [57,74,75].
Die Ränder sollten abschließend mit Feinkorndiamanten (40 μm Korngröße) finiert werden, um gelockerte Schmelzprismen zu entfernen [71]. Ansonsten
besteht das Risiko, dass diese durch die Polymerisationskontraktion des Komposits aus ihrem Verbund
gelöst werden und Mikrorisse entstehen, die sich
durch Lufteinschlüsse wiederum als „white lines“ im
Schmelz in einigen Mikrometern Entfernung parallel
zum adhäsiven Interface darstellen [66-69,71].
Ästhetisch motivierte Restaurationen
Werden mit Kompositen defektunabhängige ästhetische Korrekturen durchgeführt, kann in vielen
Fällen auf eine Präparation des Zahns verzichtet
werden [17,23,25,30,76-82]. Da direkte Kompositrestaurationen im Gegensatz zu Keramikversorgungen keine Mindestschichtstärken erfordern, kann
situationsabhängig ein zervikales oder approximales Überkonturieren auch ohne Präparation vermieden werden [79,81]. Beim Diastemaschluss entsteht
durch den rundlich verlaufenden Übergang von der
Approximalkontur auf die Labialfläche des Zahns
eine breite „natürliche Anschrägung“, die durch eine langsam ansteigende Kompositschichtstärke in
laterale Richtung die optischen Eigenschaften der
unterschiedlichen Materialien langsam ineinander
überführt und somit einen harmonischen, praktisch
unsichtbaren Farbverlauf zwischen Komposit und
Zahnhartsubstanz erlaubt [81].
Allerdings kann es bei einzelnen Form- und Stellungskorrekturen in Abhängigkeit von der Ausgangslage und dem Behandlungsziel durchaus notwendig sein, bestimmte Zahnbereiche mittels selektiver
Schmelzplastik abzutragen, während gleichzeitig
andere Bereiche desselben Zahns durch gezieltes
Auftragen von Komposit vergrößert werden [79].
Subtraktive Korrekturen sind immer dann nötig,
wenn der Fall nicht alleine durch additive Maß-
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Abb. 7: Schmelzmasse wird auf den Silikonschlüssel appliziert. Das Komposit wird mit einem Spatel zu einer circa 0,5 mm dünnen Schicht ausgedünnt.
Abb. 8: Der mit Komposit beschickte Silikonschlüssel wird sorgfältig von oral an
die frakturierten Zähne appliziert.
Abb. 9: Fertig aufgebaute orale Flächen und Inzisalkanten mit Schmelzkomposit
Abb. 10: Aufbau der internen Zahnstrukturen mit Dentinmasse
Abb. 11: Die Restaurationen werden durch labiale Verblendungen mit Schmelzkomposit komplettiert.
Abb. 12: Fertiggestellte Restaurationen nach dem Ausarbeiten und Polieren
nahmen zu lösen ist. Der selektive Substanzabtrag
bei Form- und Stellungskorrekturen beschränkt sich
im Regelfall auf den Schmelz. Die Korrektur von
ausgeprägten Stellungsanomalien, hypoplastischen
Schmelzveränderungen oder massiven Verfärbungen kann jedoch auch umfangreichere Präparationsmaßnahmen erforderlich machen [79].
Eine nicht instrumentierte Schmelzfläche muss vor
der Haftvermittlung zuerst gründlich von externen
Auflagerungen und der Pellikelschicht gereinigt werden [73,83]. An der unpräparierten Schmelzoberfläche kann auch bei bleibenden Zähnen eine äußere
Schicht prismenfreien Schmelzes vorliegen [84] beziehungsweise in der obersten Schmelzschicht vermehrt Fluorid eingelagert sein [59], was sich in reduzierten Verbundfestigkeiten auswirken kann [85].
Um dennoch klinisch ausreichende Haftfestigkeiten
zu erzielen, sollte in diesen Fällen die Einwirkzeit der
Phosphorsäure am Schmelz auf 60 Sekunden verlängert werden [59,86]. Alternativ kann die unpräparierte Schmelzoberfläche vor der Ätzung auch mit
Feinkorndiamanten, rotierenden Scheibchen oder
oszillierenden Feilensystemen mechanisch angeraut
und somit die prismenfreie Schicht eliminiert werden [87-91]. Geeignet ist auch das Abstrahlen der
relevanten Zahnoberfläche mit Aluminiumoxidpulver (50 μm) [73,92,93].
Restauration des Zahns
Nach der Präparation ist es ratsam, das Arbeitsfeld
mit Kofferdam zu isolieren. Dann wird der Zahn mit
einem Haftvermittler gemäß den Regeln der Adhäsiv-
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technik für die mikroretentive Verankerung der Kompositrestauration vorbereitet (s. Abb. 4 und 5).
Adhäsive Haftvermittlung
Am Schmelz stellen Etch-and-Rinse-Adhäsive, denen eine Konditionierung der Zahnoberfläche mit
Phosphorsäure vorausgeht, immer noch den Goldstandard dar und sind aufgrund ihrer besseren
Haftvermittlung und Randdichtigkeit den selbstätzenden Primern vorzuziehen [94-99]. Sollen selbstkonditionierende Adhäsivsysteme (Self-Etch-Adhäsive) für die Haftvermittlung eingesetzt werden, so
ist zu beachten, dass diese auf dem Zahnschmelz
und vor allem auf nicht instrumentierten Schmelzoberflächen aufgrund ihres im Vergleich zur Phosphorsäure geringeren Demineralisationspotenzials
immer noch Schwächen aufweisen [98]. Daher empfiehlt sich vor dem Einsatz solcher Adhäsive eine zusätzliche konventionelle Phosphorsäureätzung vor
allem des nicht präparierten Schmelzes, aber auch
auf beschliffenem Schmelz ist eine vorausgehende
Ätzung förderlich [95,96,100-108].
Seit einiger Zeit sind alternativ zu den klassischen
Etch-and-Rinse-Adhäsiven und den Self-Etch-Adhäsiven auch Universaladhäsive („Multimode“-Adhäsive) erhältlich. Diese speziellen Haftvermittler sind
mit allen gebräuchlichen Konditionierungstechniken
und Adhäsivstrategien kompatibel, der phosphorsäurefreien Self-Etch-Technik und beiden phosphorsäurebasierten Etch-and-Rinse-Techniken (selektive
Schmelzätzung bzw. „Total-Etch“-Vorbehandlung von
Schmelz und Dentin) [107-110]. Dadurch ergibt sich
die Möglichkeit, jederzeit das Adhäsivprotokoll in
Abhängigkeit von intraoralen Notwendigkeiten (z.B.
pulpanahes Dentin, Blutungsgefahr der angrenzenden Gingiva etc.) ohne Wechsel des Haftvermittlers
variieren zu können. Auch bei diesen Universaladhäsiven resultiert eine Phosphorsäureätzung am
Schmelz in einer besseren Haftvermittlung [107,108].
Matrizentechnik und Kompositschichtung
Silikonschlüssel-Technik
Die Silikonschlüssel-Technik (s. Abb. 4, 6 bis 8) stellt
eine große Erleichterung für die Gestaltung größerer
Klasse-IV-Restaurationen und bei Zahnumformungen
dar [19,25,29,49,73,83,111-113]. Hierbei wird aus
knetfähigem Silikon eine Formhilfe angefertigt, mit
deren Einsatz die orale Fläche und die Inzisalkante in
einem ersten Schritt mit einer dünnen Schicht Komposit (0,5 mm Schmelzmasse) fertiggestellt werden
(s. Abb. 7 bis 9). Der Vorteil ist, dass die Inzisalkante
gleich in der finalen Länge aufgebaut wird und an
der Oralfläche bis auf dünne Pressfahnen nicht mehr
ausgearbeitet werden muss. Bei der polychromatischen Schichttechnik ist für das ästhetische Gesamtresultat der Restauration das korrekte Verhältnis
der Schichtdicken der unterschiedlich opaken beziehungsweise transluzenten Kompositmassen wichtig.
Wird die erste orale Schicht mit dem Silikonschlüssel
in korrekter Materialstärke an der richtigen Stelle
appliziert, so ist dies eine deutliche Erleichterung für
die Orientierung der nachfolgenden Inkremente.
Der Silikonschlüssel kann vor Entfernung einer alten
Restauration angefertigt werden, wenn deren Konturen akzeptabel sind oder durch kleine Änderungen optimiert werden können. Für die Korrektur der
Kronenmorphologie bei Zahnfehlbildungen oder die
Verbreiterung von Zähnen kann an Situationsmodellen ein Wax-up angefertigt werden, an dem dann
die Silikonformhilfe hergestellt wird [49,83]. Bei sofort zu versorgenden Zahnfrakturen wird zuerst ein
intraorales Mock-up für die Anfertigung des Silikonschlüssels erstellt [73,75,79,113]. Nach dem Aufbau
der Palatinalfläche mit dem Silikonschlüssel wird die
Approximalkontur in einem separaten Arbeitsgang
unter Verwendung einer Matrize modelliert.
Matrizentechnik
Konventionelle Matrizentechnik
Die meisten Klasse-III-Defekte und unkomplizierte
Eckenaufbauten werden am einfachsten mit einer
konventionellen Matrizentechnik und einem Holzkeil restauriert, der einerseits für die Separation der
Zähne zur Kompensation der Matrizenbandstärke
sorgt und andererseits eine zervikale Überschussbildung durch sorgfältige Adaptation der Matrize verhindert. Die konventionelle Matrizentechnik kommt
aber bei komplexeren Situationen an ihre Grenzen.
Erstreckt sich der Defekt etwa bis nahe an die Papille, so findet der Holzkeil am zu restaurierenden
Zahn keine stabile Abstützung mehr. Liegt ein größerer Abstand zwischen benachbarten Zähnen vor
und würde der Holzkeil somit zu einer mangelhaften approximalen Konturierung beziehungsweise
einem unnatürlichen Emergenzprofil führen oder
soll die Umrissform des Zahns verändert werden
(z.B. beim Schließen von schwarzen zervikalen Dreiecken), so ist eine individuelle Matrizentechnik für
die Gestaltung der Approximalfläche und des Kontaktareals zu empfehlen [26,79,81,91,114].
Individuelle approximale Verschalungstechnik
Bei der Matrizentechnik zur individuellen approximalen Formgebung nach Hugo und Klaiber [26,
Wissenschaft und Fortbildung
76,79,114,115] wird sowohl auf den Einsatz eines
Holzkeils verzichtet als auch der Matrizenstreifen
modifiziert angewendet. Eine genaue Beschreibung
dieser Technik kann im BZB 9/2016 (S. 64 ff.) nachgelesen werden [115].
Schichttechnik
Die Erstellung einer dünnen oral-approximalen Kompositschale (ca. 0,5 mm Schichtdicke) mit inzisaler
Begrenzung in den beiden ersten Arbeitsgängen der
Schichtung wird im Regelfall – entsprechend dem
natürlichen Vorbild – mit Schmelzkomposit durchgeführt. Anschließend wird diese Schmelzschale mit
einer oder mehreren verschiedenen Dentinmassen
in labial-inzisale Richtung unter Beachtung relevanter
anatomischer Strukturen und lichtoptischer Details
wie zum Beispiel auszuformender Dentinmamelons
und des Erhalts eines transluzenten Schneidebereiches gemäß den Details der ästhetischen Analyse
aufgefüllt. Eine korrekt dimensionierte Schicht aus
Schmelzkomposit komplettiert die Restauration in
labialer Richtung und verleiht ihr aufgrund der inhärenten Transluzenz die notwendige optische Tiefe
(s. Abb. 10 und 11) [116]. Auf eine möglichst überschussfreie Applikation des Komposits ist zu achten.
Gegebenenfalls werden individuelle Charakterisierungen mit Malfarben simuliert, um die Natürlichkeit der Restauration entsprechend dem Vorbild der
benachbarten Zahnhartsubstanz zu steigern.
Ausarbeiten und Politur
Die korrekte Formgebung ist in hohem Maße mitentscheidend für den natürlichen Eindruck der Kompositrestauration [19,49]. Nach vorsichtiger Konturie-
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rung der Füllung mit Feinkorndiamanten und abrasiven Scheibchen, bei der insbesondere auf die Position der horizontalen und vertikalen Kantenlinien
geachtet wird [23,117], wird die Oberflächentextur
des Komposits an die benachbarte Zahnsubstanz angepasst. Während bei älteren Patienten die labiale
Schmelzoberfläche oft ausgesprochen glatt und hochglänzend ist, findet man bei jungen Patienten eine
deutlich sichtbare Mikroanatomie der Zahnoberfläche, bestehend aus vertikalen Längsfurchen und horizontal verlaufenden Perikymatien [18]. Man kann
diese Strukturen der Oberflächenmorphologie mit
einem rauen Präparationsdiamanten nachahmen
[71,73,118]. Abschließend erfolgt eine Hochglanzpolitur der Restauration mit speziellen Bürstchen oder
Kompositpolierpaste mit geeigneten Trägersystemen
[19,119]. Dabei ist darauf zu achten, eine zuvor geschaffene Mikroanatomie nicht wieder zu zerstören.
Fazit
Mit einer geeigneten Materialauswahl, der polychromatischen Schichttechnik und einer korrekten Ausarbeitung und Oberflächengestaltung lassen sich im
Frontzahnbereich mittlerweile auch viele herausfordernde Behandlungssituationen bei anspruchsvollen Patienten in der direkten Technik mit einer ästhetisch hochwertigen Kompositrestauration meistern.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Jürgen Manhart
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Goethestraße 70, 80336 München
[email protected]
www.manhart.com, www.dental.education
Literatur bei der Redaktion
Digitale Zahnheilkunde – Möglichkeiten und Grenzen
Die medizinischen Disziplinen erleben aufgrund der fort-
technischen Workflows. Diagnostische Verfahren werden
schreitenden Digitalisierung einen massiven Umbruch.
präziser und reproduzierbarer, neue Technologien ver-
Grund genug für die International Academy of Advanced
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Interdisciplinary Dentistry, kurz IAAID, Anfang des kom-
Der Kongress zielt darauf ab, die Evolution dieser neuen
menden Jahres einen Kongress zu veranstalten, bei dem
Technologien zu klassifizieren und sich kritisch mit deren
die digitale Zahnheilkunde im Mittelpunkt steht.
Möglichkeiten und Grenzen auseinanderzusetzen. Nam-
Am 20. und 21. Januar 2017 beschäftigen sich Präsident
hafte und international anerkannte Experten aus Lehre und
Dr. Markus Greven und sein Team im Hotel The Westin
Praxis werden sich dem ebenso spannenden wie brisan-
Grand in München intensiv mit dem Themenkomplex der
ten Thema stellen. Eine Veranstaltung, die ambitionierte
digitalen Zahnheilkunde. Denn für die funktionsorien-
Zahnärzte und Zahntechniker nicht verpassen sollten.
tierte Zahnheilkunde bedeutet das digitale Zeitalter eine
tiefgreifende Umstellung des zahnärztlichen und zahn-
Weitere Informationen:
www.iaaidentistry.com
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