Arbeitswissenschaftliche Instrumente und Methoden Umsetzung der neuen Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung Referent: Matthias Holm Institut für Gesundheitsförderung und Personalentwicklung Berater Dipl.-Ing. Matthias Holm Institut für Gesundheitsförderung und Personalentwicklung in Hannover Ausbildung: Ü Dipl.-Ing. Fachrichtung Arbeitswissenschaft Ü 2. Studium mit Staatsexamen Berufpädagogik Ü Qualifikation als Fachkraft für Arbeitssicherheit Ü Weiterbildung in Konfliktmanagement, systemische Organisationsentwicklung Tätigkeitsschwerpunkte: Ü Durchführung von Schulungen und Beratungen zu den Themen BEM / Burnout / Mobbing / Führungstechniken Ü Betriebliche Beratungsprojekte zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung unter besonderer Berücksichtigung der psychischen Belastungen Ü Projektleiter im INQA-Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Thema: „Integration der psychischen Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung“ Ü Veröffentlichung der gleichnamigen Broschüre (in Internet als pdf-Download) Ü Projekterfahrung im Bankwesen bei Sparda Bank Hannover, Finanz IT, W&W Gesetzliche Grundlagen Arbeitsschutzgesetz § 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen (Auszug) (1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. (3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch - Unfallgefahren - die Gestaltung des Arbeitsplatzes, - die Gestaltung von Arbeitsabläufen - die Gestaltung der Arbeitszeit - eine unzureichende Qualifikation - eine unzureichende Unterweisung der Beschäftigten - psychische Belastungen bei der Arbeit (seit 27.6.2013) Gesetzliche Grundlagen Arbeitsschutzgesetz § 6 Dokumentation (Auszug) (1) Der Arbeitgeber muss über die je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten erforderlichen Unterlagen verfügen, aus denen das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind. Ablauf einer Prüfung Prüfung von Gefährdungsbeurteilungen im Hinblick auf die angemessene Berücksichtigung psychischer Belastungen Prüfliste zum Erkennen psychischer Belastungen Tätigkeitsmerkmale § Tätigkeit, deren Ausführung § § § § § detailliert festgelegt ist. Tätigkeit, die nur unter sehr hohem Zeitbzw. Termindruck ausgeführt werden kann. Tätigkeit, die aus extrem kurzen Zyklen besteht und Daueraufmerksamkeit erfordert. Tätigkeit mit extrem hoher oder niedriger Informationsdichte. Tätigkeit mit hoher Verantwortung für Leben und Gesundheit anderer Menschen Tätigkeit mit hoher emotionaler Inanspruchnahme. Weitere kritische Merkmale (Überstunden, Kommunikation) Auffällige Sachverhalte (Unfälle, Krankenstand, Fluktuation) "Psychische Belastungen" sind ... „ ... alle erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“ Psychisch betrifft ... n ... die Sinnesorgane und die Wahrnehmung, n ... Denken, Lernen und Gedächtnis, n ... Gefühle, Antriebe und Empfindungen. Belastungen Arbeitsorganisation Störungen Aufgaben Arbeitsumgebung Zeitdruck Arbeitsmittel Wie wirken psychische Belastungen ? Überforderung Belastungen Gesundheit Unlust Lebensfreude Krankheit Begeisterung Beanspruchungen Arten der psychischen Belastungen DIN 10075 : Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Belastungen Monotonie Monotoniezustand ist ein langsam entstehender Zustand herabgesetzter Aktivierung, der bei länger andauernden einförmigen Wiederholungstätigkeiten auftreten kann. Ermüdung Psychische Ermüdung wird verstanden als eine vorübergehende Beeinträchtigung der psychischen und körperlichen Funktionstüchtigkeit, de je nach Dauer, Höhe und Verlauf der Belastung auftritt. Sättigung Psychische Sättigung wird verstanden als ein Zustand der nervösunruhevollen, affektbetonten Ablehnung sich wiederholender Tätigkeiten oder Situationen, Erleben des Auf-der-Stelle-Tretens. Stress Stress ist ein Zustand anhaltender und angstbetonter, erregter und unangenehmer Gespanntheit. Der Stresszustand zeichnet sich durch psychische Überaktiviertheit und subjektiv erlebte Bedrohung aus. Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung Grundsätze: ü ü Keine Maßnahmen ohne Analyse Nur durchgeführte Maßnahmen schaffen Veränderungen Analyse der Ausgangssituation durch eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen ü ü ü ü ü ü Datenanalyse Anonyme Mitarbeiterbefragung Begehung der Abteilung Mitarbeiterworkshop im Arbeitsbereich Beobachtung und Interview Strukturiertes Interview am Arbeitsplatz Elemente der Gefährdungsbeurteilung Information der Beschäftigten Gründung Steuerkreis Vom Projekt zum Prozess Grobanalyse, z.B. MitarbeiterBefragung Dokumentation Auswahl Pilotbereiche Wirksamkeit überprüfen Fortsetzung in anderen Bereichen Begehung der Arbeitsplätze © B/R Schulung Betriebsrat / Beschluss Workshop mit Beschäftigten Maßnahmen durchführen Datenanalyse Auswerten vorhandener Datensätze im Unternehmen § Bereichsbezogener Krankenstand § Gesundheitsbericht der Krankenkasse § Erhöhte Fluktuation § Überlastungsanzeigen § Beschwerden von Beschäftigten § Patientenbeschwerden Nutzen einer Datenanalyse § Daten liegen bereits vor § Belastungsschwerpunkte sind zu erkennen § Sensibilität wird erzeugt Schwächen einer Datenanalyse § Daten liegen nicht flächendeckend vor § Aussagen sind nicht statistisch abgesichert § Widerstand zur Veröffentlichung der Daten Mitarbeiterbefragung Kennzeichen der Mitarbeiterbefragung § anonyme Befragung § 30 – 50 Fragen § abteilungsbezogene Auswertung Argumente für eine Mitarbeiterbefragung § Es werden alle Mitarbeiter erreicht und sensibilisiert § Belastungsschwerpunkte sind zu erkennen § ehrliche Antworten Schwächen der Mitarbeiterbefragung § Kreuze geben ungenaue Beschreibung der Belastung (Grobanalyse) § keine Nachfragen möglich § Rücklauf evtl. nicht groß genug Durchführung einer Mitarbeiterbefragung Idee: Das Ausfüllen einer Mitarbeiterbefragung ist ein erster Veränderungsschritt Einige Hinweise zur Durchführung einer Mitarbeiterbefragung § Der Rücklauf ist direkt abhängig vom Engagement aller Beteiligten bei der Organisation der Durchführung der Befragung (> 85% als Ziel) § Vorgesetzte und MitarbeiterInnen über den Sinn der Befragung aufklären § Maximal 80 Fragen stellen § Anonymität über eine externe Auswertung sicher stellen § Fragen zum Geschlecht, Alter, Betriebszugehörigkeit schränken die Anonymität ein, bringen aber wenige zusätzliche Erkenntnisse § Keine Fragen zum Gesundheitszustand stellen, denn es geht um die Veränderung der Arbeitsbedingungen und nicht um die Entwicklung von Gesundheitskursen § Eine bereichsbezogene Auswertung bringt die aussagekräftigsten Ergebnisse § Durchführung von Auswertungsworkshops in jedem Team Begehung der Abteilung Kennzeichen der Begehung § Teilnehmer: Leitung, BR, SiFa, B.-Arzt, Sibe § Checkliste als Erhebungsgrundlage § Beurteilung der Gefährdungen durch das gesamte Analyseteam Argumente für eine Begehung § Blick von außen (gegen Betriebsblindheit) § Instrument bekannt aus dem Bereich der technischen Gefährdungen § Intensive Gespräche mit Beschäftigten am Arbeitsplatz möglich Schwächen der Begehung § Psychische Belastungen sind oft nicht ganz einfach zu beobachten § Checkliste muss an psychische Belastungen angepasst sein § Beschäftigte äußern die Meinung nicht offen Beobachtungsinterview Kennzeichen des Beobachtungsinterviews § Beobachtung des MA während der Arbeit § Nachfragen bei Unklarheit § Auswertung mittels Bewertungsmaßstäben Argumente für ein Beobachtungsinterview § reproduzierbar und objektiv § Nachfragen möglich § Ausformulierte Gutachten zur Arbeitstätigkeit Schwächen des Beobachtungsinterviews § expertenorientiert § aufwendig in der Durchführung und Auswertung § es werden nicht alle Mitarbeiter erreicht Interview am Arbeitsplatz Kennzeichen des Interviews § Ausgewählte MA eines Arbeitsbereichs § strukturiertes Interview mit Leitfaden § allseits akzeptierter Interviewer Argumente für ein Interview § freie Äußerung des Mitarbeiters § Nachfragen möglich § Belastungen und Lösungsansätze Schwächen des Interviews § nicht anonym § aufwendig in der Durchführung und Auswertung § es werden nicht alle Mitarbeiter erreicht Analyseworkshop Kennzeichen des Analyseworkshops § Teilnehmer eines Arbeitsbereichs § externe Moderation § Dauer: 2h, 6h, 5 x 2h Argumente für einen Analyseworkshop § Mitarbeiter beschreiben Belastungen selbst § Lösungsansätze werden erarbeitet § eigene Anteile am Veränderungsprozess werden deutlich Schwächen des Analyseworkshops § Verzetteln in der Diskussion § nicht anonym § es werden nicht alle Mitarbeiter erreicht Workshop-Konzept „In 8 Schritten zu mehr Handlungsfähigkeit“ Workshopverlauf Schritt 1 Einführende Worte zum Zusammenhang von Arbeit und Gesundheit Schritt 2 Kartenabfrage: „Warum kommen Sie gerne zur Arbeit?“ (Kraftquellen) „Welche Belastungen erleben Sie bei der Arbeit?“ (Krafträuber) Schritt 3 Sammeln der Karten im Plenum (zur eigenen Belastung stehen) Schritt 4 Sortieren der Kärtchen zu Belastungsgruppen Schritt 5 Bilden von Prioritäten durch Punktekleben Schritt 6 Diskutieren von Lösungsideen: „Was könnten wir verändern?“ Schritt 7 Treffen von ganz konkreten Verabredungen (was / wer / bis wann) Schritt 8 Benennung eines Umsetzungspaten, der die Umsetzung einer Maßnahme beobachtet Ziele des Workshop-Konzepts Ziele, die mit der Durchführung von Workshops erreicht werden können § Beschäftigte lernen, ihre Arbeitsbelastungen genau zu beschreiben § MitarbeiterInnen erkennen, welchen Anteil ihre persönliche Sichtweise an den erlebten Belastungen hat § Workshop-TeilnehmerInnen erarbeiten, was sie selbst tun können, um die beschriebenen betrieblichen Situationen in Bewegung zu bringen § MitarbeiterInnen finden die Kraftquellen bei der Arbeit heraus und werden motiviert, diese zu konservieren oder besser noch: stärken § Erstellung eines konkreten Maßnahmenkatalogs zur Veränderung Arbeitsbedingungen im Arbeitsbereich Die Ideen hinter den Zielen des Workshop-Konzepts Belastungen abbauen durch das Verändern der Sichtweise und aktives Handeln im eigenen Wirkbereich § Beschäftigte übernehmen die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit § Beschäftigte lernen, Grenzen zu setzen § Beschäftigte fühlen sich der Arbeitssituation nicht ohnmächtig ausgeliefert § Beschäftigte lernen, ihre eigene Belastungssituation zu diskutieren, statt immer nur Stärke zu demonstrieren § Beschäftigte hören, dass ihr eigenes Handeln einen Einfluss auf das Handeln anderer haben wird § Beschäftigte fühlen sich Wert geschätzt durch die aktive Einbindung in den Workshop Jeder Mensch kann die Welt verändern – seine Welt! Instrumente in der Gefährdungsbeurteilung Auswahl von möglichen Kombination 1 2 3 Datenanalyse Befragung Befragung „Quick-wins“ Sofortmaßnahmen Begehung erste Maßnahmen umsetzen Analyseworkshop weitere Maßnahmen umsetzen Begehung 4 Datenanalyse erste Maßnahmen umsetzen „Quick-wins“ Sofortmaßnahmen Analyseworkshop Analyseworkshop erste Maßnahmen umsetzen Analyseworkshop weitere Maßnahmen umsetzen weitere Maßnahmen umsetzen weitere Maßnahmen umsetzen 5 6 Intervention in Krisen Die Gefährdungsbeurteilung ermittelt kollektive Belastungen. In Einzelfällen kann eine individuelle Unterstützung eines Beschäftigten notwendig sein. Intervention in Krisen § Durch den Betriebsarzt (Ansprechbarkeit) § interne Sozialberatung § externe Sozialberatung - Rahmenvertrag mit Beratungsstelle - Besuch des MA ohne Antrag im Betrieb Verhältnisprävention Maßnahmen der Verhältnisprävention Veränderung von Arbeitsinhalten ü Handlungsspielräume einräumen ü Verantwortung regulieren Reduzierung von Belastungen aus der Arbeitsorganisation ü Störungsfreie Arbeitszeit von 8:00-10:00 h an bestimmten Wochentagen ü Verringerung der E-Mail-Flut durch sinnvolle Verteiler Reduzierung von Belastungen aus der Arbeitszeitgestaltung ü Einführung kurzzyklischer Schichtsysteme ü Flexibilisierung der Arbeitszeit zur Vereinbarung von Familie und Beruf Verbesserung der Kommunikation ü Morgendliche 5-Minutenrunden in der Abteilung ü Regelmäßige Durchführung von Teamsitzungen Verhältnisprävention Maßnahmen der Verhältnisprävention Qualifizierung der Beschäftigten ü Einarbeitung neuer Mitarbeiter mittels Checkliste ü Betriebsinterne Stellenbörse im Internet Veränderung der Führungskultur ü Einführung von jährlichen Mitarbeitergesprächen ü Coaching von Führungskräften Veränderung der Arbeitsumgebung und Arbeitsmittel ü Aufteilung von Großraumbüros durch schallschluckende Trennwände ü Beschaffung von Headsets zum Telefonieren ü Einrichtung von „Silent-Rooms“ zur Verringerung von Störungen bei konzentrierter Arbeit Verhaltensprävention Maßnahmen der Verhaltensprävention ü Arbeit an den eigenen Normen und Wertvorstellungen ü Verbesserung der eigenen Qualifikation ü Stressauslösende Faktoren erkennen ü Stressbewältigungsmechanismen erlernen ü Kritikfähigkeit verbessern ü Ausgleichstätigkeiten suchen ü Sich Ruhezeiten gönnen ü Entspannungstechniken erlernen ü Körperliche Bewegung zum Abbau von Stresshormonen ü ü Erfolgsfaktoren Erfolgsfaktoren für die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung Ü Schulung des Betriebsrats und Beschlussfassung Ü Verbündete suchen in FASi und Betriebsarzt Ü Verständigung mit dem Arbeitgeber unter dem Motto „Eine gemeinsame Sprache sprechen“ Ü Aktive Einbeziehung und Information der Beschäftigten Ü Erfahrung gewinnen in Pilotbereichen Ü Abschließen einer Betriebsvereinbarung Ü Sich nicht überfordern aber kontinuierlich „am Ball bleiben“ Gemeinsam geht es bestimmt besser Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit Kontaktdaten Institut für Gesundheitsförderung und Personalentwicklung Dipl.-Ing. Matthias Holm Berkelmannweg 14 30559 Hannover Tel: 0511 / 999 44 22 Mail: [email protected] www.igp-hannover.de