Spieltheorie (Winter 2009/10) 4 4-1 Prof. Dr. Ana B. Ania Verhandlungsspiele Literaturhinweise zu Kapitel 4: Osborne (2004), Kapitel 16 Gibbons (1992), Kapitel 2 Fudenberg und Tirole (1991), Kapitel 4 4.1 Einleitung Verhandlungsspiele sind in vielen Bereichen der Ökonomie sehr wichtig. Immer wenn zwei oder mehr Parteien gemeinsam einen Überschuss erwirtschaften können, stellen sich folgende Fragen: 1. Werden sich die Parteien auf eine effiziente Allokation einigen? 2. Wie werden die Parteien den Überschuss, der gemeinsam erwirtschaftet wird, untereinander aufteilen? Klaus M. Schmidt 2007 Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-2 Prof. Dr. Ana B. Ania Beispiele: Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften Bi- oder multilaterale Verhandlungen zum Abbau von Handelsschranken Verhandlungen zwischen Unternehmer und Investor (Kapitalgeber) über Finanzierung eines Investitionsprojekts Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer über den Verkauf eines Gutes etc. In allen diesen Beispielen haben die Parteien das gemeinsame Interesse, den erreichbaren Überschuss so groß wie möglich zu machen, aber es gibt auch einen Interessenkonflikt über die Aufteilung des Überschusses. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-3 Prof. Dr. Ana B. Ania 4.2 Das Ultimatumspiel Die einfachste Version eines nicht-kooperativen Verhandlungsspiels ist die folgende: Spieler 1 und 2 können einen gemeinsamen Überschuss erreichen, dessen Maximalgröße auf 1 normiert ist. In Stufe 1 schlägt Spieler 1 eine Aufteilung dieses Überschusses (s1, s2) vor, wobei s1 + s2 = 1. In Stufe 2 kann Spieler 2 diesen Vorschlag annehmen oder ablehnen: – wenn er annimmt, bekommt Spieler 1 s1 und Spieler 2 s2; – wenn er ablehnt, bekommen beide Spieler eine Auszahlung von 0, und das Spiel ist zu Ende. Analyse des Spiels durch Rückwärtsinduktion: Stufe 2: Spieler 2 wird jedes Angebot s2 > 0 annehmen. Bei s2 = 0 ist er indifferent zwischen Annehmen und Ablehnen. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-4 Prof. Dr. Ana B. Ania Stufe 1: Spieler 1 wird Spieler 2 so wenig wie möglich anbieten und für sich den maximal möglichen Rest beanspruchen. Angenommen er schlägt (s1 = 1 − , s2 = ) vor, wobei > 0. Ist das ein Gleichgewicht? Nein: Spieler 1 könnte sich besserstellen, wenn er (s1 = 1 − 2 , s2 = 2 ) vorschlägt, was Spieler 2 immer noch annehmen wird. ⇒ Das einzige teilspielperfekte Gleichgewicht in diesem Spiel ist (s1 = 1, s2 = 0). Im Gleichgewicht muss Spieler 2 dieses Angebot annehmen. Beachten Sie: 1. Wenn es eine kleinste Geldeinheit (z.B. 0,01 EUR) gibt, ist auch (s1 = 0, 99, s2 = 0, 01) ein TPGG. (Zeigen!) 2. Jede Aufteilung des Überschusses ist ein Nash-GG. Beispiel: Spieler 1 schlägt (s1 = 0, 4; s2 = 0, 6) vor. Spieler 2 lehnt jedes Angebot mit s2 < 0, 6 ab. Aber: Die Ablehnungsdrohung ist nicht glaubwürdig. Das Ultimatumspiel ist allerdings keine sehr realistische Beschreibung eines Verhandlungsprozesses. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-5 Prof. Dr. Ana B. Ania 4.3 Ein Verhandlungsspiel mit endlichem Horizont: Ståhl (1972) Spieler 1 und Spieler 2 verhandeln über die Aufteilung eines Kuchens mit Wert 1. Sei s ∈ [0, 1] der Anteil des Kuchens, der an Spieler 1 geht, 1 − s der Anteil von Spieler 2. Zeitliche Struktur t=1: Spieler 1 macht einen Vorschlag s1 ∈ [0, 1]. Wenn Spieler 2 zustimmt, ist das Spiel zu Ende. Ansonsten: t=2: Spieler 2 macht einen Vorschlag s2. Wenn Spieler 1 zustimmt, ist das Spiel zu Ende. Ansonsten: t=3: Spieler 1 macht einen Vorschlag s3. Wenn Spieler 2 zustimmt, ist das Spiel zu Ende. Ansonsten: .. t=T: Falls T ungerade ist, macht Spieler 1 den letzten Vorschlag sT . Wenn Spieler 2 zustimmt, ist das Spiel zu Ende. Wenn er ablehnt, ist der Kuchen verloren. Falls T gerade ist, sind die Rollen von 1 und 2 in Periode T vertauscht. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-6 Prof. Dr. Ana B. Ania Auszahlungen Einigung in Periode t auf (s, 1 − s) ⇒ u1 = δ t−1s, u2 = δ t−1(1 − s), wobei δ = 1 1+r , δ = Diskontrate, r = Zinssatz. Keine Einigung ⇒ beide erhalten 0. Analyse per Rückwärtsinduktion Wir nehmen an, T ist ungerade. t=T: Spieler 2 akzeptiert g.d.w. sT ≤ 1. Spieler 1: sT = 1. Spieler 2 akzeptiert. u1 = δ T −1 · 1 = δ T −1, u2 = δ T −1 · 0 = 0. t=T-1: Spieler 1 akzeptiert g.d.w. δ T −2sT −1 ≥ δ T −1. Spieler 2: sT −1 = δ. Spieler 1 akzeptiert. u1 = δ T −2δ = δ T −1, u2 = δ T −2(1 − δ). Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-7 Prof. Dr. Ana B. Ania t=T-2: Spieler 2 akzeptiert g.d.w. δ T −3(1 − sT −2) ≥ δ T −2(1 − δ). Spieler 1: sT −2 = 1 − δ(1 − δ) = 1 − δ + δ 2. Spieler 2 akzeptiert. u1 = δ T −3(1 − δ + δ 2), u2 = δ T −2(1 − δ). t=T-3: Spieler 1 akzeptiert g.d.w. δ T −4sT −3 ≥ δ T −3(1 − δ + δ 2). Spieler 2: sT −3 = δ(1 − δ + δ 2). Spieler 1 akzeptiert. u1 = δ T −3(1 − δ + δ 2), u2 = δ T −4(1 − δ + δ 2 − δ 3). t=T-4: Spieler 2 akzeptiert g.d.w. δ T −5(1 − sT −4) ≥ δ T −4(1 − δ + δ 2 − δ 3). Spieler 1: sT −4 = 1 − δ(1 − δ + δ 2 − δ 3). Spieler 2 akzeptiert. u1 = δ T −5(1 − δ + δ 2 − δ 3 + δ 4), u2 = δ T −4 · (1 − δ + δ 2 − δ 3). t=T-(T-1)=1: Spieler 2 akzeptiert g.d.w. δ (T −T )(1−sT −T +1) = (1−s1) ≥ δ(1−δ +δ 2 −. . .−δ T −2). Spieler 1: sT −T +1 = 1 − δ + δ 2 − · · · + δ T −1. Spieler 2 akzeptiert. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-8 Prof. Dr. Ana B. Ania u1 = 1 − δ + δ 2 − · · · + δ T −1 = (1 − δ)(1 + δ 2 + δ 4 + · · · + δ T −3) + δ T −1 ⎛ ⎞ 1 T −1 T +1 T +3 ⎜ = (1 − δ) ⎝ −δ −δ −δ · · ·⎟⎠ + δ T −1 2 1−δ ⎞ ⎛ T −1 1 − δ T −1 ⎜1 − δ ⎟ T −1 ⎜ ⎟ + δ T −1. = (1 − δ) ⎝ = ⎠ + δ 2 1−δ 1+δ u2 = δ − δ 2 + · · · − δ T −1 = δ(1 − δ)(1 + δ 2 + δ 4 + · · · + δ T −3) ⎛ ⎞ T −1 1 − δ T −1 ⎜1 − δ ⎟ ⎜ ⎟ . = δ(1 − δ) ⎝ ⎠ = δ 1 − δ2 1+δ Beachten Sie: Hier haben wir wiederholt verwendet, dass 1 . 1 + δ2 + δ4 + · · · = 1 − δ2 Dies folgt aus der bekannten Summenformel 1 + q + q2 + · · · = 1 . 1−q Die Analyse für gerades T ist analog, nur dass Spieler 2 das letzte Angebot macht. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-9 Prof. Dr. Ana B. Ania Die Summe der Auszahlungen ist 1 − δ T −1 1 − δ T −1 T −1 +δ +δ u1 + u2 = 1+δ 1+δ T −1 (1 + δ)(1 − δ ) = + δ T −1 = 1 . 1+δ Also ist das Ergebnis effizient. (Das muss auch so sein, weil im Gleichgewicht das Angebot der ersten Periode bereits angenommen wird.) Für T → ∞ verschwindet der Unterschied in den Payoffs zwischen geradem und ungeradem T . Für T → ∞ konvergiert u1 gegen δ . 1+δ 1 1+δ und u2 gegen Wenn Angebote und Gegenangebote sehr schnell erfolgen können, sollte δ sehr nahe bei 1 liegen. In diesem Fall bekommen beide Spieler ungefähr 12 . Die letzte Periode ist sehr wichtig: Sie zwingt die Spieler, letztendlich zuzustimmen, weil sonst der Kuchen endgültig verloren ist. Die Annahme einer letzten Periode scheint unplausibel. Wer hält die Parteien davon ab, nach Periode T noch ein weiteres Angebot zu machen? Was passiert, wenn es keine letzte Periode gibt? Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-10 Prof. Dr. Ana B. Ania 4.4 Ein Verhandlungsspiel mit unendlichem Horizont: Rubinstein (1982) Wenn es keine letzte Periode gibt, ist Rückwärtsinduktion unmöglich. Dennoch gilt der folgende Satz: Satz 4.1 (Rubinstein) Das Verhandlungsspiel mit alternierenden Angeboten und unendlichem Horizont hat ein eindeutiges teilspielperfektes Gleichgewicht 1 δ und u∗2 = 1+δ . mit Auszahlungen u∗1 = 1+δ Beweis: Der Beweis benutzt die Stationarität des Spiels, d.h. die Tatsache, dass jedes Teilspiel wieder genauso aussieht wie das ursprüngliche Spiel. 1) Sei u1 die höchste Auszahlung für Spieler 1 in allen teilspielperfekten Gleichgewichten, und u1 die niedrigste. Aus der Stationarität des Spiels folgt: a) u1 ist auch die höchste GG-Auszahlung für Spieler 1 in jedem Teilspiel, das in einer ungeraden Periode beginnt. (Analog für u1.) b) u1 ist auch die höchste GG-Auszahlung für Spieler 2 in jedem Teilspiel, das in einer geraden Periode beginnt. (Analog für u1.) Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-11 Prof. Dr. Ana B. Ania 2) u1 ≥ 1 − δu1. Warum? Angenommen, Spieler 1 erhielte die Auszahlung u1 < 1−δu1. Dann könnte er sich dadurch besser stellen, dass er in der ersten Periode einen Anteil s1 mit u1 < s1 < 1 − δu1 verlangt. Spieler 2 würde solch ein Angebot auf jeden Fall annehmen, denn mit 1 − s1 > δu1 brächte es ihm echt mehr, als er bei Ablehnung in der Folge erreichen könnte. Eine Auszahlung u1 < 1 − δu1 ist deshalb nicht mit einem TPGG vereinbar. 3) u1 ≤ 1 − δu1. Warum? Spieler 2 wird jedes Angebot zurückweisen, das ihm weniger als δu1 gibt, denn δu1 kann er sich wenigstens garantieren, indem er eine Periode wartet und dann in die Rolle von Spieler 1 schlüpft. Soll Spieler 2 das Angebot von Spieler 1 im TPGG akzeptieren, darf Spieler 1 also höchstens 1 − δu1 für sich verlangen. Und wenn Spieler 1 im TPGG ein Angebot macht, das Spieler 2 ablehnt? In diesem Fall verstreicht eine Runde ohne Einigung, und der zu verteilende Kuchen schrumpft im Gegenwartswert auf δ zusammen. Spieler 2 bekommt davon mindestens δu1, so dass für Spieler 1 höchstens δ − δu1 übrigbleibt. Wegen δ < 1 ist dies sogar strikt schlechter als 1 − δu1. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-12 Prof. Dr. Ana B. Ania 4) Wir haben gezeigt, dass u1 ≤ 1 − δu1 ≤ u1 + δu1 − δu1 (wegen 1 ≤ u1 + δu1). Also gilt: (1 − δ)u1 ≤ (1 − δ)u1. Wegen der Definitionen von u1 und u1 muss aber auch gelten, dass u1 ≥ u1. Das impliziert u1 = u1 = u∗1 , d.h., Spieler 1 hat eine eindeutige Gleichgewichtsauszahlung. Aus u1 ≥ 1 − δu1 und u1 ≤ 1 − δu1 folgt 1 . dann, dass u∗1 = 1 − δu∗1 und somit u∗1 = 1+δ 5) Wie wir in 3) gesehen haben, muss Spieler 2 mindestens δu∗1 erhalten. Und wegen der vorgegebenen Größe des zu verteilenden Kuchens kann er auf keinen Fall mehr als 1 − u∗1 = δu∗1 erhalten. Die Auszahlung für Spieler 2 δ . ist daher u∗2 = δu∗1 = 1+δ 6) Wegen u∗1 + u∗2 = 1 muss die Einigung in der ersten Runde stattfinden (sonst wäre die Summe der Payoffs kleiner). Spieler 1 muss in der ersten Runde also s1 = u∗1 vorschlagen, und Spieler 2 muss dies annehmen. (Wir wussten schon, dass er alle höheren Angebote annehmen, alle niedrigeren ablehnen würde.) Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-13 Prof. Dr. Ana B. Ania 7) Kandidaten für ein TPGG können deshalb nur folgende Strategien sein: Spieler 1: “Schlage in jeder ungeraden Periode s1 = u∗1 vor. Wenn Spieler 2 in einer geraden Periode s2 ≥ δu∗1 anbietet, nimm das Angebot an. Wenn er s2 < δu∗1 anbietet, lehne ab.” Spieler 2: “Schlage in jeder geraden Periode s2 = δu∗1 vor. Wenn Spieler 1 in einer ungeraden Periode s1 ≤ u∗1 anbietet, nimm das Angebot an. Wenn er s1 > u∗1 anbietet, lehne ab.” D.h., jeder Spieler fordert u∗1 für sich selbst, wenn er ein Angebot macht, und lehnt umgekehrt genau diejenigen Angebote ab, die ihm weniger als δu∗1 einbringen. 8) Überprüfen Sie, dass diese Strategien tatsächlich ein teilspielperfektes Nash-Gleichgewicht bilden! Q.E.D. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-14 Prof. Dr. Ana B. Ania Bemerkungen: 1) Das Gleichgewicht ist stationär, d.h., die Gleichgewichtsstrategien sind unabhängig von der Geschichte des Spiels. Beachten Sie: Wir haben nicht angenommen, dass die Strategien stationär sein müssen. Diese Eigenschaft folgt aus der Analyse des Spiels. 2) Das Gleichgewichtsergebnis ist dasselbe wie im Spiel mit endlichem Horizont und T → ∞. 3) Das Gleichgewicht ist effizient: Volle Aufteilung des Kuchens in der 1. Periode. (Bestätigung des “Coase Theorems”). 4) Spieler 1 hat einen “First-Mover Advantage”, der jedoch verschwindet, wenn δ → 1. Nash-Gleichgewichte im Rubinstein-Spiel Satz 4.2 Jede Aufteilung (x, 1 − x), x ∈ [0, 1], des Kuchens ist ein Nash-Gleichgewichtsergebnis im Rubinstein-Spiel. Beweis: Die folgenden Strategien bilden ein Nash-GG: Spieler 1: Schlage in jeder ungeraden Periode s1 = x vor. Wenn Spieler 2 in einer geraden Periode s2 ≥ x vorschlägt, nimm an, sonst lehne ab. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-15 Prof. Dr. Ana B. Ania Spieler 2: Schlage in jeder geraden Periode s2 = x vor. Wenn Spieler 1 in einer ungeraden Periode s1 ≤ x vorschlägt, nimm an, sonst lehne ab. Q.E.D. Dieses Nash-Gleichgewicht ist nicht teilspielperfekt: Angenommen, Spieler 2 lehnt s1 = x ab und schlägt in der nächsten Runde s2 = x − vor. Folgt Spieler 1 seiner Nash-Gleichgewichtsstrategie, so lehnt er dieses Angebot ab und schlägt in der folgenden Runde s2 = x vor, was Spieler 2 (gemäß seiner NashGleichgewichtsstrategie) akzeptiert. Solange x − > δx, ist es für Spieler 1 also besser, das Angebot anzunehmen – die obigen Strategien sind im durch s2 = x − erreichten Teilspiel dann kein NashGleichgewicht mehr! D.h., die Drohung von Spieler 1, alle Angebote s2 < x abzulehnen, ist unglaubwürdig! In der Tat kann Spieler 1 glaubhaft nur damit drohen, Angebote s2 < δx abzulehnen. Für x = u∗1 ergibt dies genau das Ablehnungsverhalten der teilspielperfekten Gleichgewichtsstrategie. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-16 Prof. Dr. Ana B. Ania 4.5 Variationen des Rubinstein-Spiels 4.5.1 Outside Options Was passiert, wenn Spieler 2 eine “outside option” hat, mit der er sich einen Nutzen y2 < 1 außerhalb der Beziehung sichern kann? Angenommen, Spieler 2 kann diese Option nur in ungeraden Perioden wählen, nachdem er ein Angebot von Spieler 1 abgelehnt hat. Dann müssen zwei Fälle unterschieden werden: δ . In diesem Fall hat die Option keine Auswir1) y2 ≤ 1+δ kung auf das Verhandlungsergebnis. Die Drohung von Spieler 2, seine Option zu wählen, ist nicht glaubwürdig. Dennoch ist dieses Ergebnis nicht völlig plausibel. Sollte die Verhandlungsmacht von 2 nicht mit y2 steigen? δ 2) y2 > 1+δ . In diesem Fall bekommt Spieler 2 im eindeutigen teilspielperfekten Gleichgewicht genau y2. Dieses Ergebnis wird das “outside option principle” genannt. Übungsaufgabe: Beweisen Sie es! Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-17 Prof. Dr. Ana B. Ania 4.5.2 Risiko des Spielabbruchs Nehmen wir an, es gebe keine Diskontierung. Dafür sei das Ende des Spiels ungewiss: Jede Periode ist mit Wahrscheinlichkeit 1 − δ die letzte; mit Wahrscheinlichkeit δ geht es nach einer Ablehnung in die nächste Runde. Dieses Spiel ist formal völlig äquivalent zum RubinsteinSpiel mit Diskontierung. 4.5.3 Mehr als zwei Spieler Was passiert, wenn mehr als zwei Spieler einen Kuchen aufteilen müssen und die Spielstruktur analog zum RubinsteinSpiel ist? Man kann zeigen: Satz 4.3 Mit N ≥ 3 Spielern im Rubinstein-Spiel lässt sich jede Aufteilung des Kuchens als teilspielperfektes Gleichgewicht stützen. Beweis: siehe Osborne-Rubinstein, S. 130. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-18 Prof. Dr. Ana B. Ania 4.5.4 Robustheit des Rubinstein-Ergebnisses Das Rubinstein-Spiel ist ein gutes Beispiel dafür, dass Details der Spielstruktur wichtig sind und oft einen unerwarteten Einfluss auf das Ergebnis haben können. Für N = 2 Spieler haben wir: Wenn es eine kleinste Geldeinheit gibt, so dass nur endlich viele Aufteilungen des Kuchens möglich sind, gilt: Falls δ nahe genug bei 1 ist, lässt sich jede Aufteilung des Kuchens als TPGG stützen (van Damme, Selten, Winter). Wenn Spieler 2 eine Outside Option hat und diese jederzeit (d.h. nicht nur in ungeraden Perioden) wählen kann, dann kann jede Aufteilung des Kuchens, die Spieler 2 wenigstens seine Outside Option gibt, als TPGG gestützt werden. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-19 Prof. Dr. Ana B. Ania 4.6 Die Nash-Verhandlungslösung Einen völlig anderen Ansatz zur Lösung von Verhandlungsspielen verfolgt die kooperative Spieltheorie. Sie fragt, welche Verhandlungslösung bestimmten Axiomen genügt. Diese Axiome sind Bedingungen, die ein Verhandlungsergebnis erfüllen sollte und die von möglichst vielen Menschen als sinnvll und überzeugend akzeptiert werden. Wenn alle Parteien die Verhandlungslösung akzeptieren, kann sie durch einen Vertrag fixiert und von den Gerichten durchgesetzt werden. Die bekannteste Verhandlungslösung geht auf John Nash (1950) zurück und ist die sog. “Nash bargaining solution”. Wir betrachten eine Situation, in der zwei Parteien über etwas verhandeln. Sie X die Menge der möglichen Vereinbarungen und D das Ergebnis, das sich einstellen würde, wenn die Parteien zu keiner Einigung finden würden. Jede der beiden Parteien hat Präferenzen über X {D}, die durch die von-Neumann-Morgensternschen Nutzenfunktionen u1(·) und u2(·) beschrieben werden. Gegeben diese Nutzenfunktionen ist die Menge der möglichen Auszahlungen U = {(v1, v2) | u1(x) = v1 und v2(x) = v2 für x ∈ X} sowie d = (u1(D), u2(D)). Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-20 Prof. Dr. Ana B. Ania Von jetzt an arbeiten wir nur noch mit den erreichbaren Nutzenallokationen. Definition 4.1 Sei U ⊂ IR2 die Menge der möglichen Nutzenallokationen bei einer Einigung und d die Nutzenallokation, wenn keine Einigung zustande kommt. Ein Verhandlungsproblem ist ein Paar (U, d) mit den Eigenschaften d∈U Es existiert ein (v1, v2) ∈ U mit v1 > d1 und v2 > d2 U ist konvex U ist abgeschlossen und beschränkt Wie lassen sich diese Annahmen rechtfertigen? Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-21 Prof. Dr. Ana B. Ania rr rrrrrrrrrr rr rrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr r rrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr r Abb. 8.1: Ein Verhandlunsproblem Definition 4.2 Eine Verhandlungslösung ordnet jedem Verhandlungsproblem (U, d) wenigstens ein v(U, d) ∈ U zu. Die Nash Axiome: Nash (1950) argumentiert, dass eine Verhandlungslösung die folgenden Bedingungen erfüllen sollte: Das erste Axiom verlangt, dass die Parteien keinen Nutzen wegwerfen sollten: Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-22 Prof. Dr. Ana B. Ania Axiom 4.1 ( Pareto-Optimalität) Sei v(U, d) die Lösung des Verhandlungsspiels (U, d). Dann existiert keine Nutzenallokation x = v(U, d), so dass x1 ≥ v1(U, d) und x2 ≥ v2(U, d). rrrr rrrrrrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr r rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr Abb. 8.2: Pareto-Optimalität Das zweite Axiom verlangt, dass die Parteien in einer symmetrischen Situation ein symmetrisches Verhandlungsergebnis erzielen sollten. Axiom 4.2 ( Symmetrie) Wenn das Verhandlungsproblem symmetrisch ist, d.h. wenn (v1, v2) ∈ U ⇔ (v2, v1) ∈ U Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-23 Prof. Dr. Ana B. Ania und d1 = d2, dann sollte auch das Verhandlungsergebnis symmetrisch sein, d.h. v1(U, d) = v2(U, d). rrrr rrrrrrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr rr rr rr rrr rr rr rr rr rr Abb. 8.3: Symmetrie Das dritte Axiom verlangt, dass die Verhandlungslösung nicht von der Nutzendarstellung abhängen sollte, also nicht davon, welche lineare Transformation der vN-M Nutzenfunktionen verwendet wird: Axiom 4.3 ( Unabhängigkeit von äquivalenten Nutzentransformationen) Sei (U, d) ein Verhandlungsproblem und seien αi, βi, i ∈ {1, 2}, reelle Zahlen mit αi > 0. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-24 Prof. Dr. Ana B. Ania Sei (U , d) ein Verhandlungsproblem mit v1 = α1v1 + β1 und v2 = α2v2 + β2 für alle (v1, v2) ∈ U und d = d1 = (α1d1 + β1, d2 = α2d2 + β2. Wenn (w1, w2) eine Verhandlungslösung von (U, d) ist, dann ist (α1w1 + β1, α2w2 + β2) eine Verhandlungslösung von (U , d). rrr rrrrrrrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr rr rr rr rrr rr rr rr rr rr Abb. 8.4: Unabhängigkeit von äquivalenten Nutzentransformationen Das letzte Axiom verlangt, dass wenn (v1, v2) eine Lösung des Verhandlungsproblems (U,d) ist, dann ist es auch die Lösung eines Verhandlungsproblems (U , d), wenn U ⊂ U und d = d. Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-25 Prof. Dr. Ana B. Ania Axiom 4.4 ( Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen:) Sei v(U, d) die Lösung des Verhandlungsproblems (U, d) und sei U ⊂ U . Wenn v(U, d) ∈ U , dann ist v(U, d) auch die Lösung des Verhandlungsspiels (U , d). rrr rrrrrrrrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rrr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr rr r rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr rr rr rr rrr rr rr rr rr rr Abb. 8.5: Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen John Nash hat den folgenden, bemerkenswerten Satz bewiesen: Satz 4.4 Für jedes Verhandlungsspiel (U, d) existiert eine eindeutige Nutzenallokation v ∗ = v(U, d), die die Axiome 1 bis 4 erfüllt. v ∗ ist die Lösung des Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-26 Prof. Dr. Ana B. Ania folgenden Maximierungsproblems: max (v1 − d1)(v2 − d2) v ,v 1 2 unter den Nebenbedingungen: (v1, v2) ∈ U und vi ≥ di i ∈ {1, 2} Dieses Resultat ist nicht offensichtlich und der Beweis ist nicht trivial (siehe z.B. Osborne-Rubinstein (1994). Der Satz ist sehr nützlich. Wenn wir glauben, dass eine “vernünftige” Verhandlungslösung den Axiomen 4.1 bis 4.4 genügen muss, dann ist die Verhandlungslösung damit eindeutig bestimmt und wir können sie leicht ausrechnen. Ähnliche Konzepte sind für Verhandlungsspiele mit mehr als zwei Teilnehmern entwickelt worden: Shapley Wert Kern Kernel Nukleolus etc. Aus der Sicht der nicht-kooperativen Spieltheorie sind diese “kooperativen” Konzepte jedoch nicht voll befriedigend, Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-27 Prof. Dr. Ana B. Ania weil sie nichts über die strategische Interaktion der Spieler aussagen, die dazu führt, dass eine bestimmte Verhandlungslösung erreicht wird. Die nicht-kooperative Verhandlungstheorie von Rubinstein führt im Limes (wenn die Geduld der Parteien unendlich wird) zum selben Resultat wie die Nash-Verhandlungslösung. Sie kann als eine Fundierung der Nash-Verhandlungslösung betrachtet werden.