Friedrich Glasl CSR – Ethik oder Kosmetik? Erschienen in der Schweizer Zeitung „Tages-Anzeiger“ (Zürich), 2. Februar 2008 Es gibt heiße Diskussionen über „Corporate Social Responsibility“, nämlich darüber, ob Unternehmen über den Shareholder value hinaus auch gesellschaftlich nützliche Aktionen – z.B. Projekte karitativer Organisationen – finanzieren oder unterstützen sollen. Denn, so wurde das einmal im „Economist“ (22. Januar 2005) formuliert: „Wohltätigkeit eines Unternehmens ist Wohltätigkeit mit dem Geld anderer Leute – und das ist überhaupt keine Wohltätigkeit!“ Dieser Auffassung steht die Überzeugung anderer Wirtschaftsexperten gegenüber, die nach der Philosophie „License to Operate“ handeln, die besagt: Ein Unternehmen ist nur erfolgreich, wenn es in einem funktionierenden gesellschaftlichen Kontext operiert; deshalb ist es verpflichtet, Beiträge für eine gute materielle und immaterielle Infrastruktur zu leisten. Dadurch ist es berechtigt, diese Kontextfaktoren zu nutzen – in einem wechselseitigen Geben und Nehmen. Was ist CSR – was nicht? Dass über Sinn und Unsinn von CSR-Aktionen kontrovers diskutiert wird, liegt auch an der Vielschichtigkeit des Begriffs „Social Responsibility“. „Social“ bedeutet nach angloamerikanischem Sprachverständnis nicht nur „sozial“ im Sinn gerechter Entlohnung, des Arbeitsschutzes usw., sondern es geht um „gesellschaftliche Verantwortung“ im breitesten Sinn. CSR umfasst sowohl mögliche Fördermaßnahmen für Kunst (Sponsoring) und Kultur (Bildungsmaßnahmen), als auch für Bemühungen um Chancengleichheit (Gender, Ethnien, Religionen, Altersgruppen usw.) oder für Ressourcenschonung, Nachhaltigkeit von Produkten, Vermeidung ökologischer Schäden usw. Aber auch das Bekämpfen von Korruption (Transparancy International) und Folter (Amnesty International) sowie die Entwicklung rechtsstaatlicher Systeme u.dgl. zählen dazu. Setzt sich ein Unternehmen für die eine oder andere Aktion ein, dann verhält es sich wie mündige BürgerInnen, die auf vielerlei Weise gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Dies wird in der CSR-Sprache als „Corporate Citizenship“ bezeichnet. Aber auch „Corporate Governance“ ist Teil der CSR, nämlich Normen und Formen einer transparenten, korrekten und fairen Unternehmensaufsicht, die sowohl den Aktionären wie auch den anderen Mitgliedern der Gesellschaft nutzt. An dieser Vielzahl der Elemente von CSR wird deutlich, dass es bei CSR-Diskussionen oft um sehr unterschiedliche Aspekte geht, die mit der wirtschaftlichen Funktion eines Unternehmens in mehr oder weniger direktem Zusammenhang stehen. © Trigon Entwicklungsberatung CSR – Ethik oder Kosmetik 1/3 Aber die CSR-Diskussion führt auch darüber hinaus oft zu einer Scheidung der Geister. Dabei geht es um die Kernfrage: Wie eng oder wie weit wird die Funktion eines Wirtschaftsunternehmens verstanden? Es gibt die enge Sicht auf die Funktion eines Wirtschaftsunternehmens: Der einzige Daseinszweck eines Unternehmens ist es, die Vermögenswerte der Kapitalgeber zu mehren. Und es gibt die weite Sicht, wie die des prominenten amerikanischen Beraters Charles Handy. Er meint: „Heutzutage beruht der Wert eines Unternehmens weitgehend auf seinem geistigen Eigentum, auf seiner Marke und seinen Patenten, sowie auf den Fähigkeiten und Erfahrungen seiner MitarbeiterInnen; es erscheint unrealistisch, diese Faktoren als das Eigentum der Geldgeber zu betrachten, über das sie nach Belieben verfügen können.“ Deshalb sollten nach Charles Handy die Eigentümer, das Management und die MitarbeiterInnen gemeinsam über die Früchte ihrer Leistungen verfügen – sicher auch wenn es um Gemeinwohlprojekte geht. Der pragmatische Ansatz der Wettbewerbstheorie Andere Vertreter der Corporate Social Responsibility sind in ihren Prämissen und Schlussfolgerungen weniger radikal. Sie sehen keinen Gegensatz zwischen dem Gewinnstreben eines Unternehmens und seinem Engagement für gemeinnützige Projekte. Ein Unternehmen, das keine Gewinne erwirtschaftet, fällt der Gemeinschaft zur Last – denn nur ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen kann auch das Gemeinwohl wirkungsvoll fördern. Was schließlich auch dem Unternehmen selbst wieder zugute kommt. Ein Repräsentant dieser Philosophie ist Michael Porter, der wohl prominenteste Experte für Wettbewerbsstrategien in den USA. Für ihn ist das Engagement von Unternehmen für gut geplante kulturelle, soziale und ökologische Aktionen sogar eine Bedingung, um in komplexen Märkten Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Entscheidend ist jedoch, nicht einfach nach dem Gießkannensystem Spenden zu verteilen. CSR-Projekte sollen vielmehr zur Unternehmensstrategie in einem ehrlichen und stimmigen Verhältnis stehen. Dann wirken sich „strategische CSR-Projekte“ auf die Nachfrageseite positiv aus, weil Kunden heute immer häufiger auf die ethische Haltung eines Unternehmens achten. „Good Will“ ist ein unverzichtbares Element einer guten Marke – und gerade deshalb so verwundbar. Nestlé und Shell u.a. haben das bekanntlich zu spüren bekommen! Auch auf den Finanzmärkten hat dies positive Effekte, denn viele institutionelle Anleger bewerten nach dem Auf und Ab der Börsen soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit einer Unternehmenspolitik als bessere Garantie von Vermögenswerten (“intangible assets“) als die (manchmal manipulierten) Bilanzen der Vergangenheit. Nach Porter kann durch Projekte zusammen mit anderen Unternehmen, mit Regierungen und zivilen Organisationen – beispielsweise in Bildung und Forschung! – eine Infrastruktur geschaffen werden, die auf das Unternehmen vorteilhaft zurückwirkt. Das hat Nokia in afrikanischen Ländern mit Erfolg getan. Darüber hinaus beeinflusst eine glaubwürdige CSR-Strategie auch das betriebsinterne Klima, dient der Identifikation der MitarbeiterInnen, zieht fähige Menschen an und motiviert sie zur Sparsamkeit. © Trigon Entwicklungsberatung CSR – Ethik oder Kosmetik 2/3 Geht es nur um PR-Gags? Hängt der Effekt solcher Maßnahmen nicht in erster Linie von PR-Aktionen ab? Gilt nicht das Motto: „Tu Gutes und rede darüber“? Die Antwort ist „Ja und Nein!“ Ein absurdes Beispiel lieferte der Tabakkonzern Philip Morris, der in 1999 für karitative Zwecke 75 Millionen USDollar ausgeschüttet hat und danach zusätzlich 100 Millionen US-Dollar in PR investierte, um dies propagandistisch auszuschlachten. Genau das hat die Glaubwürdigkeit des Donors massiv untergraben! Deshalb vertreten Michael Porter und Mark Kramer die These: „So lange Unternehmen nur auf die PR-Wirkung fokussiert sind, versäumen sie gute Gelegenheiten, gesellschaftlichen Nutzen zu stiften.“ Glaubwürdigkeit ergibt sich aus der Stimmigkeit des gesamten Verhaltens eines Unternehmens und der Kommunikation nach innen wie nach außen. Was nur der PR wegen getan wird, straft sich selbst Lügen. Ethik ist also durchaus rational zu rechtfertigen. Auch wenn CSR-Aktivitäten heute auf Freiwilligkeit beruhen, so verändern sie nach und nach das öffentliche Gewissen und setzen Gegengewichte zu den Auswüchsen einer einseitig gewinnorientierten neo-liberalen Wirtschaftsideologie. PD Dr. Friedrich Glasl ist Unternehmensberater, Trigon Entwicklungsberatung, Graz. www.friedrich.glasl.trigon.at © Trigon Entwicklungsberatung CSR – Ethik oder Kosmetik 3/3