Manuskript Evangelische Perspektiven Gen-Müse? Chancen und Risiken moderner Pflanzenzucht Autor/in: Barbara Schneider Redaktion: Friederike Weede / Matthias Morgenroth Religion und Orientierung Sendedatum: Sonntag, 09. April 2017 / 08.30 - 09.00 Uhr http://www.br.de/themen/religion/index.html Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 1 MUSIKIMPULS Sprecherin 1 In der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising. Der Pflanzengenetiker Volker Mohler läuft einen Gang entlang, an mehreren Gewächshäusern vorbei. Die Belüftungsanlage an der Decke brummt. Vor einer kleinen Werkstatt bleibt der Biologe stehen. Er öffnet die Türe. 1 O-Ton Mohler Ich darf mal kurz reinkommen… In dem Raum arbeitet die Landwirtschaftlich-Technische Assistentin Sabine Schmidt. Ihre Aufgabe: Das Kreuzen von Hafer. Vor ihr auf dem Boden steht ein Topf mit einer Haferpflanze. Vorsichtig drückt sie mit einer Pinzette die einzelnen Ährchen auseinander. Ährchen für Ährchen zwickt sie die Staubbeutel ab. 2 O-Ton Sabine Schmidt Erstmal eine ausgewählte Mutterpflanze kastrieren… und nach zwei, drei Tagen kommt dann der gewünschte Pollen, der gewünschte Vater drauf, auch mit der Pinzette. Sprecherin 2 Sabine Schmidt arbeitet mit den Methoden der klassischen Pflanzenzüchtung. Und das ist erst einmal sehr viel Handarbeit. Die Pflanzenzüchterin entfernt den männlichen Pollen, später pflanzt sie fremden Pollen in die Haferpflanze ein. Das Ziel: möglichst standfeste, gegen Krankheitserreger resistente Pflanzen. Das dauert: Bis eine neue Sorte fertig ist, können acht bis zehn Jahre vergehen. 3 O-Ton Volker Mohler Was wir hier machen: wir selektieren auf Krankheitsresistenz gegen Schaderreger, das heißt, wir nutzen hier die natürliche Resistenz der Pflanze. Das heißt, in Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 2 Vorarbeiten werden wir verifizieren, welche Pflanze zeigt Resistenz gegenüber welchem Schaderreger und diese Pflanze nutzen wir dann…um zum Beispiel eine Sorte, die sehr standfest ist, damit auszustatten - über Kombinationszüchtung und Kreuzung. Sprecherin 1 Was Sabine Schmidt und Volker Mohler am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung in Freising machen, ist eine alte Kulturtechnik. Seit der katholische Ordenspriester und Naturwissenschaftler Gregor Mendel im 19. Jahrhundert die berühmten Vererbungsregeln entdeckt hat, werden Pflanzen auf diese Weise weitergezüchtet. Mit Kreuzung und Selektion entwickeln seither Menschen Kulturpflanzen, die besser bekömmlich sind, sich besser lagern lassen oder resistenter gegen Schädlinge sind. MUSIK Sprecherin 2 Optimierung und Genveränderungen an Pflanzen sind prinzipiell nichts Neues. Seit Beginn des Ackerbaus vor rund 10.000 Jahren versuchen Menschen, Nutzpflanzen zu verbessern. Das ist bis heute so: Das meiste Obst und Gemüse, das wir heute kaufen, ist so entstanden. Äpfel, Gurken und Tomaten, die in den Supermarktregalen liegen, sind Züchtungen, entstanden durch Selektion und Kreuzung. Und doch ist das nur eine Spielart, mit der heute neue Pflanzenarten entstehen: Sprecherin 1 Seit rund 30 Jahren arbeiten etwa Biochemiker in den Forschungslaboren daran, Äpfel, Mais oder Getreide mit Hilfe der grünen Gentechnik zu verändern. Dabei werden fremde Gene direkt in das Erbgut einer Pflanze eingeschleust. Rund 80 Prozent der Sojabohnen, die es heute weltweit zu kaufen gibt, sind auf diese Weise genetisch verändert. Seit kurzem gibt es nun eine neue Methode: das sogenannten Genome Editing. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 3 Sprecherin 2 Das ist ein genchirurgischer Eingriff, bei dem sich das Erbgut einer Pflanze mit einer Genschere gezielt an einer Stelle im Genom verändern lässt. Züchter haben beispielsweise in den USA mit dieser biochemischen Methode einen Champignon entwickelt, der nicht mehr braun wird. Die Hoffnungen, die auf dieser Methode liegen sind gewaltig, ist das Genome Editing doch viel präziser als die grüne Gentechnik, bei der der Einbau der neuen Gene in das Erbgut noch zufällig erfolgte. Sprecherin 1 Schaut man sich die Diskussion um die Methoden der Pflanzenzucht an, fällt vor allem eines auf: Es gibt kein Züchtungsverfahren, das mehr Kritiker auf den Plan ruft als die grüne Gentechnik. Seit es diese Methode gibt, wird heftig über Nutzung, Folgen und Risiken gestritten. Es ist eine Auseinandersetzung, die sich heute in Teilen beim Genome Editing wiederholt. Dabei stellt sich immer die Frage: Wie sicher sind diese Methoden eigentlich? Welche Risiken für Menschen und Umwelt bringen sie mit sich? Und wie sind sie eigentlich ethisch, ökologisch und rechtlich zu bewerten? MUSIKIMPULS Sprecher: Die Frage nach der Biosicherheit oder welche Risiken bringen die neuen Züchtungsmethoden mit sich? Sprecherin 2 Bis ein mit grüner Gentechnik verändertes Lebens- oder Futtermittel zugelassen wird, ist es ein langer Weg. Nach der Entwicklung im Labor folgen mehrere Jahre Tests im Gewächshaus. Erst dann dürfen Forscher gentechnisch veränderte Pflanzen nach amtlicher Genehmigung und Kontrolle im Feldversuch anbauen. Damit die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit eine Zulassung erteilt, ist eine Sicherheitsbewertung notwendig. Der Theologe Stephan Schleissing vom Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München: Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 4 6 O-Ton Schleissing Grüne Produkte, die mit Hilfe der grünen Gentechnik hervorgebracht werden, erleben eine ganz andere Risikobewertung wie das zum Beispiel bei konventionellen Pflanzen der Fall ist… Das dauert sehr lange bis man die Unbedenklichkeit im Grunde attestieren kann. In Deutschland nimmt das Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg als Bundesinstitut für Kulturpflanzen solche Sicherheitseinschätzungen bei gentechnisch veränderten Pflanzen vor. Die Wissenschaftler prüfen, ob Gesundheitsrisiken oder Risiken für die Umwelt bestehen. Sprecherin 1 Einer, der sich intensiv mit der Sicherheitsbewertung beschäftigt hat, ist Joachim Schiemann. Der Biochemiker war bis September vergangenen Jahres Leiter des Instituts für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen am Julius-KühnInstitut. Joachim Schiemann gibt, was die Sicherheitsbewertung angeht, weitgehend Entwarnung. Bei den mit grüner Gentechnik hergestellten Pflanzen habe man im Vergleich zu konventionell gezüchteten Pflanzen keine größeren Risiken für Gesundheit und Menschen festgestellt, sagt er. 7 O-Ton Schiemann Was wir insbesondere im Bereich der Gentechnik in den letzten 20 Jahren gelernt haben ist, dass es keine inhärenten Risiken bei einer bestimmten Technologie gibt. Sei es nun, … sei es die Gentechnik oder seien es die neuen Verfahren der Genom-Editierung. Schiemann schließt bei seiner Beurteilung auch die neue Methode des Genome Editing mit ein. Das Verfahren ist erst ein paar Jahre alt. Bislang gibt es nur wenige Pflanzen, die auf diese Weise entstanden sind. Also alles unbedenklich? Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 5 Sprecherin 2 Nein sagen Kritiker. Anders als die Sicherheitsbewertung warnen sie vor nicht absehbaren Folgen. Denn weder für die grüne Gentechnik noch für das Genome Editing gibt es Langzeituntersuchungen. Zu wenig weiß der Mensch, was er mit der Technologie langfristig anrichtet, sagt etwa der Gentechnik-Kritiker Christoph Then. Das trifft nach seiner Einschätzung auch auf die Pflanzen zu, die mithilfe der neuen Methoden des Genome Editing entstanden sind. Ob solch ein Eingriff mit der Genschere langfristig Folgen hat, weiß man noch nicht, sagt der Geschäftsführer des gentechnik-kritischen Vereins „Testbiotech“. 9 O-Ton: Christoph Then Wir haben relativ wenig Erfahrung … mit diesem neuen Verfahren der Gentechnik. Wir sehen …, dass es auch ungewollte Veränderungen im Erbgut gibt und natürlich kann auch die gezielte Veränderung im Erbgut zu Nebenwirkungen führen, die man gar nicht haben will, das heißt, man muss sich im Einzelfall ansehen, was wird da gemacht… und welches Risiko ist hier relevant. MUSIKIMPULS Sprecher: Schöne neue Welt oder welche Eigenschaften haben die neuen Pflanzen? Sprecherin 1 Viele Jahre hat der Biologe Hans-Jörg Jacobsen am Institut für Pflanzengenetik an der Universität Hannover an genetisch veränderten Pflanzen geforscht. Sein Spezialgebiet: transgene Pflanzen, also Pflanzen in die ein artfremdes Gen eingebaut wird. Er hat beispielsweise Äpfel und Erbsen entwickelt, die gegen Pilze resistent sind. Die Erbsen, sagt er, werden gerade auf einem Feld in Kanada getestet. Jacobsen ist Mitglied im „Forum grüne Vernunft“, einem Zusammenschluss von Gentechnikbefürwortern. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 6 10 O-Ton Jacobsen Man kann mit grüner Gentechnik zunächst einmal Probleme lösen, die mit herkömmlichen Züchtungsmethoden nicht oder sehr viel schwieriger oder langwieriger zu lösen sind. Nehmen wir zum Beispiel Insektenresistenz, dieses Merkmal ist in der Natur, in den Pflanzen relativ selten vertreten. Sprecherin 2 In den zurückliegenden Jahren haben Wissenschaftler eine Reihe gentechnisch veränderter Pflanzen entwickelt: Da gibt es die stärkeproduzierende Industrie-Kartoffel Amflora, insektenresistenten Mais oder Sojabohnen, die gegen ein bestimmtes Pflanzengift resistent sind. Sprecherin 1 Mit dem Genome Editing - so die Hoffnungen - lassen sich nun noch ganz andere Merkmale verändern. Denn jetzt lässt sich viel präziser in das Erbgut einer Pflanze eingreifen als noch mit Hilfe der grünen Gentechnik. Gelingt es jetzt etwa, neue Pflanzen zu züchten, die auf sehr salzigen Böden mit wenig Wasser wachsen? Die Hoffnungen sind groß, dass sich damit zum Beispiel das Welthungerproblem lösen lässt. Stephan Schleissing vom Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften: 12 O-Ton Schleissing Wenn Sie nun mit Hilfe einer neuen Genetik in ganz anderer Art und Weise Pflanzen verändern können, wie das im Falle der Genom-Editierung möglich sein könnte, werden Sie Eigenschaften erzielen, die bestimmten Personen zum Beispiel in Dürreregionen enorme Vorteile verschaffen und dann muss man in eine Relation setzen: Das prinzipielle Vorsorgeprinzip - also lieber die Finger davon lassen, es könnte etwas passieren, auch wenn ich noch nicht genau weiß, was - im Zusammenhang mit dem möglichen Nutzen, den die Entwicklung so einer Pflanze für Menschen, die in ganz anderen Klimaregionen wie wir leben, haben kann. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 7 MUSIKIMPULS Sprecher: Auf Feldern und Äckern - wie werden gentechnisch veränderte Pflanzen heute angebaut? Sprecherin 2 Heute sind die USA, Brasilien, aber auch Argentinien, China und Indien die wichtigsten Erzeuger im Bereich der grünen Gentechnik. Angebaut werden vor allem Mais, Soja, Raps, Baumwolle und Zuckerrüben. Dem Verein „Forum Bio- und Gentechnologie“ zufolge wurden 2015 auf 179,7 Millionen Hektar weltweit genetisch veränderte Pflanzen angebaut. Deutschland ist nicht darunter. Dem deutschen Standort-Register zufolge gibt es hierzulande seit 2014 keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen mehr. Zu groß ist die Ablehnung in der Bevölkerung. Sprecherin 1 Schaut man sich den Anbau von gentechnisch verändertem Getreide weltweit an, sehen Kritiker der grünen Gentechnik vor allem ein Problem: Gentechnisch veränderte Pflanzen werden vor allem in großen Monokulturen angebaut - Soja-Monokulturen in Südamerika, großflächiger Maisanbau in den USA. Diese Art des Anbaus hat bis heute enorme Schäden angerichtet, sagt Ursula Hudson. Die Verbraucherschützerin ist Präsidentin des Vereins „Slow Food Deutschland“, einer Organisation, die sich für bewusstes und regionales Essen stark macht. 13 O-Ton Hudson Die grüne Gentechnik trat ja mit wahnsinnigen Versprechen an und hat die alle nicht einhalten können. Wir haben unglaublich technologischen Aufwand betrieben..und betreiben ihn noch heute auf den Äckern, um diese Pflanzen überhaupt zum Wachsen zu bringen. ….Die brauchen… Unmengen an Pestiziden, was über zwanzig Jahre schon zu ganz großen ökologischen Katastrophen geführt hat. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 8 Sprecherin 2 Heißt: Viele Pflanzen sind genetisch so verändert, dass sie die Dusche mit einem bestimmten Pflanzenschutzmittel überleben. Das macht die Pflanze für Landwirte attraktiv, denn die Unkrautbekämpfung ist dadurch sehr einfach. Solch ein dauerhafter Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln, wenn er in einer Monokultur angewandt wird, hat allerdings langfristig schwerwiegende Folgen für die Bodenqualität. Der Boden wird unfruchtbar, kritisiert die Verbraucherschützerin Ursula Hudson. Sie beobachtet noch ein weiteres Problem, das infolge dieser Form des Landwirtschaftens auftritt: 14 O-Ton Hudson Und was natürlich auch entsteht, das sind Superweeds, also diese nicht mehr mit chemischen Mitteln in den Griff zu kriegenden Unkräuter, die ganze Hektar, hunderte und tausende Hektar in Nordamerika bereits befallen haben, Die nicht mehr wegzukriegen sind. Also, das ist ein bisschen wie multiresistente Keime. Sprecherin 1 Die grüne Gentechnik bietet unglaubliche Versprechen, die Frage bleibt allerdings - wie nutzen wir sie? Können wir die Folgen tatsächlich immer abschätzen? Oder rufen wir Geister, die wir danach nicht bändigen können? MUSIKIMPULS Sprecher: Das Patentrecht oder wem gehören die Pflanzen? Sprecherin 2 Bei der grünen Gentechnik geht es immer auch um das Patentrecht. Liegen doch die Patente für das genetisch veränderte Getreide heute in der Hand von einigen wenigen großen Saatgutunternehmen. Der Theologe Stephan Schleissing sieht hierfür folgenden Grund: Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 9 15 O-Ton Schleissing Diese Produkte sind patentgeschützt, das müssen sie auch, weil ohne diesen hohen Schutzanspruch niemand die Kosten dafür aufbringen würde, sie zu entwickeln. Sprecherin 1 Eigenen Angaben auf seiner Webseite zufolge investiert der Agrar-Konzern Monsanto mehr als zwei Millionen US-Dollar täglich in Forschung und Entwicklung. Landwirte, die dieses patentierte Getreide kaufen, zahlen eine Lizenz. Und sie unterschreiben eine Vereinbarung, dass sie dieses Saatgut nicht nachbauen. Eine Weiterzüchtung ist dem Landwirt also untersagt und wird patentrechtlich geahndet. Die Landwirte müssen jährlich neues Saatgut einkaufen. Sprecherin 2 Der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sieht in diesem System vor allem ein Gerechtigkeitsproblem. 16 O-Ton Schockenhoff Ich glaube die eigentlichen ethischen Probleme mit der grünen Gentechnik sind..die Patente… Ein ganz großes Problem ist, dass dadurch, dass die gentechnisch veränderte Nahrung - zum Beispiel Reis und auch Samen, den man jährlich aussäen muss, in einer Abhängigkeit zu den großen weltweit agierenden Nahrungsmittelkonzernen … gerät und dass dadurch die lokalen Erzeugerbetriebe, die bislang eine Subsidienzwirtschaft haben und durchaus existieren können, dass denen die Basis genommen wird. Für Schockenhoff heißt das konkret: 17 O-Ton Schockenhoff Man kann die Welternährung nicht nur als ein technisches Erzeugerproblem begreifen. Sondern das ist in sehr starkem Maße eine Frage der sozialen Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 10 Strukturen und der gerechten Gesellschaft, wie die Menschen vor Ort tatsächlich befähigt werden können für ihre Ernährung… selber einstehen zu können. Sprecherin 2 Was passiert bei Missernten? Können dann die Landwirte immer noch ihre Lebensgrundlage sichern? Oder sind Verschuldung und wirtschaftlicher Ruin die Folge? Die Verbaucherschützerin Ursula Hudson warnt davor, Saatgut nur noch als Wirtschaftsgut zu sehen. 18 O-Ton Hudson Man muss das Ganze sehr ganzheitlich angehen. Wo eben noch Menschenrechte mit dazu gehören, wo Bodenrechte dazugehören, Bodenfruchtbarkeit und eben nie zu vergessen: dass das Saatgut ursprünglich ein Kulturgut der Menschheit ist. Es ist das älteste Kulturgut der Menschen. Und das vergessen wir in all dieser Diskussion komplett. MUSIKIMPULS Sprecher: Ungewollte Auskreuzungen - Welche Risiken hat die grüne Gentechnik für die konventionelle oder ökologische Landwirtschaft? Sprecherin 1 Ob grüne Gentechnik und konventionelle oder ökologische Landwirtschaft nebeneinander bestehen können, ist eine Frage, über die heftig gestritten wird. Die Angst bei Biobauern, aber auch konventionellen Bauern ist groß, dass Wind oder Bienen die Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen auch auf ihre Felder tragen. Sie befürchten Auskreuzungen auf ihre Pflanzen. Zwar gibt es in Deutschland Abstandsregelungen für den Anbau von genetisch verändertem Getreide, ob diese jedoch ausreichen, ist äußerst umstritten. Die Folgen solcher Auskreuzungen sind fatal, sagt Dirk Zimmermann von Greenpeace Deutschland. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 11 19_O-Ton Zimmermann Da reicht ja schon ein Samen, ein Pollenkorn theoretisch, für eine Ausbreitung über Ländergrenzen hinweg. Das haben wir in den USA und Kanada erlebt, dass sich da Rapspflanzen soweit ausgebreitet haben, dass man diese genetisch veränderten Pflanzen gar nicht mehr einfangen kann, da dann praktisch auch ein ökologischer Rapsanbau dadurch unmöglich wird. Das ist einfach ein Grundrisiko, das sich nicht in den Griff kriegen lässt. MUSIKIMPULS Sprecher: Eine Frage des Rechts - Ist das Genome Editing grüne Gentechnik oder nicht? Sprecherin 2 Zur Zeit wird EU-weit heftig darüber diskutiert, ob es eine neue Gentechnik-Definition braucht. Der Streitpunkt: Ist eine Pflanze, deren Erbgut mit Hilfe des Genome Editing verändert wurde, Gentechnik oder nicht? Die Meinungen gehen hier stark auseinander. Beispielsweise betrachtet das Bundesinstitut für Risikobewertung Pflanzen, die auf diese Weise entstanden sind, nicht als Gentechnik. Das Argument: Die künstliche Veränderung lässt sich, anders als bei der grünen Gentechnik, an der Pflanze nicht mehr nachweisen. Müsste dann also, anders als die grüne Gentechnik Im Supermarkt nicht mehr als Gentechnik gekennzeichnet werden. Kritiker sehen in dieser Einordnung dagegen eine „Gentechnik durch die Hintertüre“. Sprecherin 1 Im kommenden Jahr wird der Europäische Gerichtshof in Straßburg darüber entscheiden, ob und inwiefern das Genome Editing als Gentechnik einzustufen ist. Es ist eine Entscheidung, die weitreichende Konsequenzen hat - für Züchter und Verbraucher. Sprecherin 2 Gilt das Genome Editing nicht als Gentechnik, dann heißt das für den Züchter: Die langwierigen und kostspieligen Regulierungsverfahren fallen weg, es werden mehr Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 12 Züchter mit dieser Methode arbeiten können als vorher. Für den Verbraucherschutz hingegen heißt es: Gemüse und Obst, das mithilfe des Genome Editing verändert wurde, ist nicht kennzeichnungspflichtig. Der Verbraucher erfährt letztlich nicht, ob der Pilz oder die Tomate, die er kauft, mithilfe des Genome Editing entstanden ist. Geht es um die Kennzeichnungspflicht sieht der katholische Theologe Eberhard Schockenhoff daher weiteren Handlungsbedarf: 22 O-Ton Schockenhoff Die Frage ist, ob der hohe Standard an Nahrungsmittelsicherheit, den wir in Deutschland haben, auch im Vergleich mit anderen Ländern, … erhaltenswert ist. Und da würde ich schon sagen, dieses Ziel sollten wir schon haben, diesen Anspruch. Und dann muss man möglicherweise die Kennzeichnungspflicht so verändern, dass sie genauer das erfassen kann und dass der Verbraucher dann eine Entscheidung fällen kann. Sprecherin 1 Ähnlich sieht es die Verbraucherschützerin Ursula Hudson. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter. 21 O-Ton Hudson Das ist ein Eingriff von Außen ins Erbgut, es wird zwar nichts von außen eingeführt, aber es ist ja ein Vorgang, der auf Miniatur-Ebene der Zelle stattfindet. Das heißt, es gehört klar deklariert, damit der Verbraucher überhaupt zu einer Entscheidung kommen kann. Denn nur so lässt sich für den Verbraucher überhaupt nachvollziehen, dass er einen mit Hilfe des Genome Editing veränderten Champignon oder Apfel kauft. Gleichzeitig geht ihr jedoch das deutsche Recht nicht weit genug: Zwar sind in Deutschland genetisch veränderte Produkte kennzeichnungspflichtig, das trifft aber nicht auf Zusatzstoffe oder Enzyme aus der Käseherstellung zu. Auch Milch von Kühen, die mit genetisch verändertem Soja gefüttert wurden, ist nicht kennzeichnungspflichtig. Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 13 MUSIKIMPULS Sprecherin 2 Bei den modernen Pflanzenzüchtungsverfahren, wie der grünen Gentechnik oder dem Genome Editing, zeigt sich wie bei vielen Streitfragen: Einfache Antworten gibt es nicht. Es gilt die Chancen zu sehen, gleichzeitig aber auch Risiken und Folgen in der Anwendung abzuschätzen. Und doch wirft die Auseinandersetzung um neue Methoden der Pflanzenzucht vor allem folgende Fragen auf: Wie wollen wir heute Landwirtschaft betreiben? Sprecherin 1 Und in welcher Welt wollen wir morgen leben? Sprecherin 2 Brauchen wir die grüne Gentechnik, und wenn ja zu welchem Preis? Sprecherin 1 Welche Folgen hat der Einsatz und die Art und Weise des Anbaus von genetisch veränderten Pflanzen – auch für Gesellschaften auf der ganzen Welt? Sprecherin 2 Wie hochtechnisiert muss Landwirtschaft sein? Sprecherin 1 Für die Verbraucherschützerin Ursula Hudson ist dabei vor allem eine Frage drängend: 23 O-Ton Hudson Für wen züchtet man das, wo sind die Nutzergemeinschaften und was ist die Zielrichtung der Zucht? …. wir müssen uns eigentlich als Gesellschaft einmal fragen, wer sind wir eigentlich und für wen züchten wir, für welche Vorstellung von Lebensmittelerzeugung züchten wir eigentlich? MUSIK Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 14 Sprecherin 2 Zurück in der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, wo der Pflanzengenetiker Volker Mohler und sein Team immer noch auf klassische Weise neue Getreidesorten züchten. Sie nutzen die genetische Vielfalt, die Pflanzen von Natur aus haben. Pflanzenzucht heißt für Mohler und sein Team beispielsweise die Weizenpflanzen zu finden, die von Natur aus beispielsweise resistenter gegen Pilze als andere sind. Braucht es denn also überhaupt neue Methoden wie das Genome Editing? Oder lässt sich schon mithilfe der Vielzahl an Möglichkeiten in der Natur das gewünschte Ziel erreichen? Volker Mohler: 24_O-Ton Mohler Wir haben immer noch einen Ertragszuwachs, aber der ist viel viel geringer als früher. Und das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass man erst in den letzten Jahren gelernt hat. wie komplex diese Merkmale wirklich sind. Und viele stellen sich die Frage, kommt man mit den gängigen Züchtungsmethoden wirklich noch voran oder hat…die klassische Kreuzung … ihr ganzes Potential schon ausgeschöpft? Sprecherin 1 Ganz ausschließen will es Volker Mohler daher nicht, dass auch sein Institut in Zukunft irgendwann die Methoden des Genome Editing nutzen wird. Allerdings nur, wenn es um Variationen einer Pflanze geht, die auch sonst in der Natur vorkommen. 25 O-Ton Mohler Wir arbeiten mit Kulturpflanzen und versuchen, dass die den kommenden Ansprüchen gerecht werden… Und deshalb denken wir auch über neue Methoden nach. Werden die uns helfen, bei den Antworten, die wir suchen oder nicht? Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 15 Sprecherin 2 Braucht es neue Methoden in der Pflanzenzüchtung oder nicht? Darüber wird weiter gestritten. Eines sollte jedoch dabei nicht vergessen werden: Die Natur selbst bietet viel mehr Möglichkeiten, hat viel mehr Variationen als wir oft annehmen. Musikimpuls Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München Service-Nr.: 0800/5900 222 (kostenlose Service-Nummer) Fax: 089/5900-46258 [email protected] www.bayern2.de © Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! Bayerischer Rundfunk 2017 Seite 16