Bayern 2 Vorlage - Bayerischer Rundfunk

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Manuskript
Evangelische Perspektiven
Gen-Müse?
Chancen und Risiken moderner Pflanzenzucht
Autor/in:
Barbara Schneider
Redaktion:
Friederike Weede / Matthias Morgenroth
Religion und Orientierung
Sendedatum:
Sonntag, 09. April 2017 / 08.30 - 09.00 Uhr
http://www.br.de/themen/religion/index.html
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Bayerischer Rundfunk 2017
Seite 1
MUSIKIMPULS
Sprecherin 1
In der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising. Der Pflanzengenetiker
Volker Mohler läuft einen Gang entlang, an mehreren Gewächshäusern vorbei. Die
Belüftungsanlage an der Decke brummt. Vor einer kleinen Werkstatt bleibt der Biologe
stehen. Er öffnet die Türe.
1 O-Ton Mohler
Ich darf mal kurz reinkommen…
In dem Raum arbeitet die Landwirtschaftlich-Technische Assistentin Sabine Schmidt.
Ihre Aufgabe: Das Kreuzen von Hafer. Vor ihr auf dem Boden steht ein Topf mit einer
Haferpflanze. Vorsichtig drückt sie mit einer Pinzette die einzelnen Ährchen
auseinander. Ährchen für Ährchen zwickt sie die Staubbeutel ab.
2 O-Ton Sabine Schmidt
Erstmal eine ausgewählte Mutterpflanze kastrieren… und nach zwei, drei Tagen
kommt dann der gewünschte Pollen, der gewünschte Vater drauf, auch mit der
Pinzette.
Sprecherin 2
Sabine Schmidt arbeitet mit den Methoden der klassischen Pflanzenzüchtung. Und das
ist erst einmal sehr viel Handarbeit. Die Pflanzenzüchterin entfernt den männlichen
Pollen, später pflanzt sie fremden Pollen in die Haferpflanze ein. Das Ziel: möglichst
standfeste, gegen Krankheitserreger resistente Pflanzen. Das dauert: Bis eine neue
Sorte fertig ist, können acht bis zehn Jahre vergehen.
3 O-Ton Volker Mohler
Was wir hier machen: wir selektieren auf Krankheitsresistenz gegen Schaderreger,
das heißt, wir nutzen hier die natürliche Resistenz der Pflanze. Das heißt, in
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Seite 2
Vorarbeiten werden wir verifizieren, welche Pflanze zeigt Resistenz gegenüber
welchem Schaderreger und diese Pflanze nutzen wir dann…um zum Beispiel eine
Sorte, die sehr standfest ist, damit auszustatten - über Kombinationszüchtung und
Kreuzung.
Sprecherin 1
Was Sabine Schmidt und Volker Mohler am Institut für Pflanzenbau und
Pflanzenzüchtung in Freising machen, ist eine alte Kulturtechnik. Seit der katholische
Ordenspriester und Naturwissenschaftler Gregor Mendel im 19. Jahrhundert die
berühmten Vererbungsregeln entdeckt hat, werden Pflanzen auf diese Weise
weitergezüchtet. Mit Kreuzung und Selektion entwickeln seither Menschen
Kulturpflanzen, die besser bekömmlich sind, sich besser lagern lassen oder resistenter
gegen Schädlinge sind.
MUSIK
Sprecherin 2
Optimierung und Genveränderungen an Pflanzen sind prinzipiell nichts Neues. Seit
Beginn des Ackerbaus vor rund 10.000 Jahren versuchen Menschen, Nutzpflanzen zu
verbessern. Das ist bis heute so: Das meiste Obst und Gemüse, das wir heute kaufen,
ist so entstanden. Äpfel, Gurken und Tomaten, die in den Supermarktregalen liegen,
sind Züchtungen, entstanden durch Selektion und Kreuzung. Und doch ist das nur eine
Spielart, mit der heute neue Pflanzenarten entstehen:
Sprecherin 1
Seit rund 30 Jahren arbeiten etwa Biochemiker in den Forschungslaboren daran, Äpfel,
Mais oder Getreide mit Hilfe der grünen Gentechnik zu verändern. Dabei werden fremde
Gene direkt in das Erbgut einer Pflanze eingeschleust. Rund 80 Prozent der
Sojabohnen, die es heute weltweit zu kaufen gibt, sind auf diese Weise genetisch
verändert. Seit kurzem gibt es nun eine neue Methode: das sogenannten Genome
Editing.
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Seite 3
Sprecherin 2
Das ist ein genchirurgischer Eingriff, bei dem sich das Erbgut einer Pflanze mit einer
Genschere gezielt an einer Stelle im Genom verändern lässt. Züchter haben
beispielsweise in den USA mit dieser biochemischen Methode einen Champignon
entwickelt, der nicht mehr braun wird. Die Hoffnungen, die auf dieser Methode liegen
sind gewaltig, ist das Genome Editing doch viel präziser als die grüne Gentechnik, bei
der der Einbau der neuen Gene in das Erbgut noch zufällig erfolgte.
Sprecherin 1
Schaut man sich die Diskussion um die Methoden der Pflanzenzucht an, fällt vor allem
eines auf: Es gibt kein Züchtungsverfahren, das mehr Kritiker auf den Plan ruft als die
grüne Gentechnik. Seit es diese Methode gibt, wird heftig über Nutzung, Folgen und
Risiken gestritten. Es ist eine Auseinandersetzung, die sich heute in Teilen beim
Genome Editing wiederholt. Dabei stellt sich immer die Frage: Wie sicher sind diese
Methoden eigentlich? Welche Risiken für Menschen und Umwelt bringen sie mit sich?
Und wie sind sie eigentlich ethisch, ökologisch und rechtlich zu bewerten?
MUSIKIMPULS
Sprecher: Die Frage nach der Biosicherheit oder welche Risiken bringen die
neuen Züchtungsmethoden mit sich?
Sprecherin 2
Bis ein mit grüner Gentechnik verändertes Lebens- oder Futtermittel zugelassen wird, ist
es ein langer Weg. Nach der Entwicklung im Labor folgen mehrere Jahre Tests im
Gewächshaus. Erst dann dürfen Forscher gentechnisch veränderte Pflanzen nach
amtlicher Genehmigung und Kontrolle im Feldversuch anbauen.
Damit die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit eine Zulassung erteilt, ist eine
Sicherheitsbewertung notwendig. Der Theologe Stephan Schleissing vom Institut
Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in
München:
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Seite 4
6 O-Ton Schleissing
Grüne Produkte, die mit Hilfe der grünen Gentechnik hervorgebracht werden,
erleben eine ganz andere Risikobewertung wie das zum Beispiel bei
konventionellen Pflanzen der Fall ist… Das dauert sehr lange bis man die
Unbedenklichkeit im Grunde attestieren kann.
In Deutschland nimmt das Julius-Kühn-Institut in Quedlinburg als Bundesinstitut für
Kulturpflanzen solche Sicherheitseinschätzungen bei gentechnisch veränderten
Pflanzen vor. Die Wissenschaftler prüfen, ob Gesundheitsrisiken oder Risiken für die
Umwelt bestehen.
Sprecherin 1
Einer, der sich intensiv mit der Sicherheitsbewertung beschäftigt hat, ist Joachim
Schiemann. Der Biochemiker war bis September vergangenen Jahres Leiter des
Instituts für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen am Julius-KühnInstitut. Joachim Schiemann gibt, was die Sicherheitsbewertung angeht, weitgehend
Entwarnung. Bei den mit grüner Gentechnik hergestellten Pflanzen habe man im
Vergleich zu konventionell gezüchteten Pflanzen keine größeren Risiken für Gesundheit
und Menschen festgestellt, sagt er.
7 O-Ton Schiemann
Was wir insbesondere im Bereich der Gentechnik in den letzten 20 Jahren gelernt
haben ist, dass es keine inhärenten Risiken bei einer bestimmten Technologie
gibt. Sei es nun, … sei es die Gentechnik oder seien es die neuen Verfahren der
Genom-Editierung.
Schiemann schließt bei seiner Beurteilung auch die neue Methode des Genome Editing
mit ein. Das Verfahren ist erst ein paar Jahre alt. Bislang gibt es nur wenige Pflanzen,
die auf diese Weise entstanden sind. Also alles unbedenklich?
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Seite 5
Sprecherin 2
Nein sagen Kritiker. Anders als die Sicherheitsbewertung warnen sie vor nicht
absehbaren Folgen. Denn weder für die grüne Gentechnik noch für das Genome Editing
gibt es Langzeituntersuchungen.
Zu wenig weiß der Mensch, was er mit der Technologie langfristig anrichtet, sagt etwa
der Gentechnik-Kritiker Christoph Then. Das trifft nach seiner Einschätzung auch auf die
Pflanzen zu, die mithilfe der neuen Methoden des Genome Editing entstanden sind. Ob
solch ein Eingriff mit der Genschere langfristig Folgen hat, weiß man noch nicht, sagt der
Geschäftsführer des gentechnik-kritischen Vereins „Testbiotech“.
9 O-Ton: Christoph Then
Wir haben relativ wenig Erfahrung … mit diesem neuen Verfahren der Gentechnik.
Wir sehen …, dass es auch ungewollte Veränderungen im Erbgut gibt und
natürlich kann auch die gezielte Veränderung im Erbgut zu Nebenwirkungen
führen, die man gar nicht haben will, das heißt, man muss sich im Einzelfall
ansehen, was wird da gemacht… und welches Risiko ist hier relevant.
MUSIKIMPULS
Sprecher: Schöne neue Welt oder welche Eigenschaften haben die neuen
Pflanzen?
Sprecherin 1
Viele Jahre hat der Biologe Hans-Jörg Jacobsen am Institut für Pflanzengenetik an der
Universität Hannover an genetisch veränderten Pflanzen geforscht. Sein Spezialgebiet:
transgene Pflanzen, also Pflanzen in die ein artfremdes Gen eingebaut wird. Er hat
beispielsweise Äpfel und Erbsen entwickelt, die gegen Pilze resistent sind. Die Erbsen,
sagt er, werden gerade auf einem Feld in Kanada getestet. Jacobsen ist Mitglied im
„Forum grüne Vernunft“, einem Zusammenschluss von Gentechnikbefürwortern.
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Seite 6
10 O-Ton Jacobsen
Man kann mit grüner Gentechnik zunächst einmal Probleme lösen, die mit
herkömmlichen Züchtungsmethoden nicht oder sehr viel schwieriger oder
langwieriger zu lösen sind. Nehmen wir zum Beispiel Insektenresistenz, dieses
Merkmal ist in der Natur, in den Pflanzen relativ selten vertreten.
Sprecherin 2
In den zurückliegenden Jahren haben Wissenschaftler eine Reihe gentechnisch
veränderter Pflanzen entwickelt: Da gibt es die stärkeproduzierende Industrie-Kartoffel
Amflora, insektenresistenten Mais oder Sojabohnen, die gegen ein bestimmtes
Pflanzengift resistent sind.
Sprecherin 1
Mit dem Genome Editing - so die Hoffnungen - lassen sich nun noch ganz andere
Merkmale verändern. Denn jetzt lässt sich viel präziser in das Erbgut einer Pflanze
eingreifen als noch mit Hilfe der grünen Gentechnik. Gelingt es jetzt etwa, neue Pflanzen
zu züchten, die auf sehr salzigen Böden mit wenig Wasser wachsen? Die Hoffnungen
sind groß, dass sich damit zum Beispiel das Welthungerproblem lösen lässt. Stephan
Schleissing vom Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaften:
12 O-Ton Schleissing
Wenn Sie nun mit Hilfe einer neuen Genetik in ganz anderer Art und Weise
Pflanzen verändern können, wie das im Falle der Genom-Editierung möglich sein
könnte, werden Sie Eigenschaften erzielen, die bestimmten Personen zum
Beispiel in Dürreregionen enorme Vorteile verschaffen und dann muss man in
eine Relation setzen: Das prinzipielle Vorsorgeprinzip - also lieber die Finger
davon lassen, es könnte etwas passieren, auch wenn ich noch nicht genau weiß,
was - im Zusammenhang mit dem möglichen Nutzen, den die Entwicklung so einer
Pflanze für Menschen, die in ganz anderen Klimaregionen wie wir leben, haben
kann.
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Seite 7
MUSIKIMPULS
Sprecher: Auf Feldern und Äckern - wie werden gentechnisch veränderte Pflanzen
heute angebaut?
Sprecherin 2
Heute sind die USA, Brasilien, aber auch Argentinien, China und Indien die wichtigsten
Erzeuger im Bereich der grünen Gentechnik. Angebaut werden vor allem Mais, Soja,
Raps, Baumwolle und Zuckerrüben. Dem Verein „Forum Bio- und Gentechnologie“
zufolge wurden 2015 auf 179,7 Millionen Hektar weltweit genetisch veränderte Pflanzen
angebaut. Deutschland ist nicht darunter. Dem deutschen Standort-Register zufolge gibt
es hierzulande seit 2014 keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen mehr.
Zu groß ist die Ablehnung in der Bevölkerung.
Sprecherin 1
Schaut man sich den Anbau von gentechnisch verändertem Getreide weltweit an, sehen
Kritiker der grünen Gentechnik vor allem ein Problem: Gentechnisch veränderte
Pflanzen werden vor allem in großen Monokulturen angebaut - Soja-Monokulturen in
Südamerika, großflächiger Maisanbau in den USA. Diese Art des Anbaus hat bis heute
enorme Schäden angerichtet, sagt Ursula Hudson. Die Verbraucherschützerin ist
Präsidentin des Vereins „Slow Food Deutschland“, einer Organisation, die sich für
bewusstes und regionales Essen stark macht.
13 O-Ton Hudson
Die grüne Gentechnik trat ja mit wahnsinnigen Versprechen an und hat die alle
nicht einhalten können. Wir haben unglaublich technologischen Aufwand
betrieben..und betreiben ihn noch heute auf den Äckern, um diese Pflanzen
überhaupt zum Wachsen zu bringen. ….Die brauchen… Unmengen an Pestiziden,
was über zwanzig Jahre schon zu ganz großen ökologischen Katastrophen
geführt hat.
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Seite 8
Sprecherin 2
Heißt: Viele Pflanzen sind genetisch so verändert, dass sie die Dusche mit einem
bestimmten Pflanzenschutzmittel überleben. Das macht die Pflanze für Landwirte
attraktiv, denn die Unkrautbekämpfung ist dadurch sehr einfach. Solch ein dauerhafter
Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln, wenn er in einer Monokultur angewandt wird,
hat allerdings langfristig schwerwiegende Folgen für die Bodenqualität. Der Boden wird
unfruchtbar, kritisiert die Verbraucherschützerin Ursula Hudson. Sie beobachtet noch ein
weiteres Problem, das infolge dieser Form des Landwirtschaftens auftritt:
14 O-Ton Hudson
Und was natürlich auch entsteht, das sind Superweeds, also diese nicht mehr mit
chemischen Mitteln in den Griff zu kriegenden Unkräuter, die ganze Hektar,
hunderte und tausende Hektar in Nordamerika bereits befallen haben, Die nicht
mehr wegzukriegen sind. Also, das ist ein bisschen wie multiresistente Keime.
Sprecherin 1
Die grüne Gentechnik bietet unglaubliche Versprechen, die Frage bleibt allerdings - wie
nutzen wir sie? Können wir die Folgen tatsächlich immer abschätzen? Oder rufen wir
Geister, die wir danach nicht bändigen können?
MUSIKIMPULS
Sprecher: Das Patentrecht oder wem gehören die Pflanzen?
Sprecherin 2
Bei der grünen Gentechnik geht es immer auch um das Patentrecht. Liegen doch die
Patente für das genetisch veränderte Getreide heute in der Hand von einigen wenigen
großen Saatgutunternehmen. Der Theologe Stephan Schleissing sieht hierfür folgenden
Grund:
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Seite 9
15 O-Ton Schleissing
Diese Produkte sind patentgeschützt, das müssen sie auch, weil ohne diesen
hohen Schutzanspruch niemand die Kosten dafür aufbringen würde, sie zu
entwickeln.
Sprecherin 1
Eigenen Angaben auf seiner Webseite zufolge investiert der Agrar-Konzern Monsanto
mehr als zwei Millionen US-Dollar täglich in Forschung und Entwicklung. Landwirte, die
dieses patentierte Getreide kaufen, zahlen eine Lizenz. Und sie unterschreiben eine
Vereinbarung, dass sie dieses Saatgut nicht nachbauen. Eine Weiterzüchtung ist dem
Landwirt also untersagt und wird patentrechtlich geahndet. Die Landwirte müssen
jährlich neues Saatgut einkaufen.
Sprecherin 2
Der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sieht in diesem System vor allem ein
Gerechtigkeitsproblem.
16 O-Ton Schockenhoff
Ich glaube die eigentlichen ethischen Probleme mit der grünen Gentechnik
sind..die Patente… Ein ganz großes Problem ist, dass dadurch, dass die
gentechnisch veränderte Nahrung - zum Beispiel Reis und auch Samen, den man
jährlich aussäen muss, in einer Abhängigkeit zu den großen weltweit agierenden
Nahrungsmittelkonzernen … gerät und dass dadurch die lokalen
Erzeugerbetriebe, die bislang eine Subsidienzwirtschaft haben und durchaus
existieren können, dass denen die Basis genommen wird.
Für Schockenhoff heißt das konkret:
17 O-Ton Schockenhoff
Man kann die Welternährung nicht nur als ein technisches Erzeugerproblem
begreifen. Sondern das ist in sehr starkem Maße eine Frage der sozialen
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Seite 10
Strukturen und der gerechten Gesellschaft, wie die Menschen vor Ort tatsächlich
befähigt werden können für ihre Ernährung… selber einstehen zu können.
Sprecherin 2
Was passiert bei Missernten? Können dann die Landwirte immer noch ihre
Lebensgrundlage sichern? Oder sind Verschuldung und wirtschaftlicher Ruin die Folge?
Die Verbaucherschützerin Ursula Hudson warnt davor, Saatgut nur noch als
Wirtschaftsgut zu sehen.
18 O-Ton Hudson
Man muss das Ganze sehr ganzheitlich angehen. Wo eben noch Menschenrechte
mit dazu gehören, wo Bodenrechte dazugehören, Bodenfruchtbarkeit und eben
nie zu vergessen: dass das Saatgut ursprünglich ein Kulturgut der Menschheit ist.
Es ist das älteste Kulturgut der Menschen. Und das vergessen wir in all dieser
Diskussion komplett.
MUSIKIMPULS
Sprecher: Ungewollte Auskreuzungen - Welche Risiken hat die grüne Gentechnik
für die konventionelle oder ökologische Landwirtschaft?
Sprecherin 1
Ob grüne Gentechnik und konventionelle oder ökologische Landwirtschaft
nebeneinander bestehen können, ist eine Frage, über die heftig gestritten wird. Die
Angst bei Biobauern, aber auch konventionellen Bauern ist groß, dass Wind oder Bienen
die Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen auch auf ihre Felder tragen. Sie
befürchten Auskreuzungen auf ihre Pflanzen. Zwar gibt es in Deutschland
Abstandsregelungen für den Anbau von genetisch verändertem Getreide, ob diese
jedoch ausreichen, ist äußerst umstritten. Die Folgen solcher Auskreuzungen sind fatal,
sagt Dirk Zimmermann von Greenpeace Deutschland.
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Seite 11
19_O-Ton Zimmermann
Da reicht ja schon ein Samen, ein Pollenkorn theoretisch, für eine Ausbreitung
über Ländergrenzen hinweg. Das haben wir in den USA und Kanada erlebt, dass
sich da Rapspflanzen soweit ausgebreitet haben, dass man diese genetisch
veränderten Pflanzen gar nicht mehr einfangen kann, da dann praktisch auch ein
ökologischer Rapsanbau dadurch unmöglich wird. Das ist einfach ein
Grundrisiko, das sich nicht in den Griff kriegen lässt.
MUSIKIMPULS
Sprecher: Eine Frage des Rechts - Ist das Genome Editing grüne Gentechnik oder
nicht?
Sprecherin 2
Zur Zeit wird EU-weit heftig darüber diskutiert, ob es eine neue Gentechnik-Definition
braucht. Der Streitpunkt: Ist eine Pflanze, deren Erbgut mit Hilfe des Genome Editing
verändert wurde, Gentechnik oder nicht? Die Meinungen gehen hier stark auseinander.
Beispielsweise betrachtet das Bundesinstitut für Risikobewertung Pflanzen, die auf diese
Weise entstanden sind, nicht als Gentechnik. Das Argument: Die künstliche
Veränderung lässt sich, anders als bei der grünen Gentechnik, an der Pflanze nicht
mehr nachweisen. Müsste dann also, anders als die grüne Gentechnik Im Supermarkt
nicht mehr als Gentechnik gekennzeichnet werden. Kritiker sehen in dieser Einordnung
dagegen eine „Gentechnik durch die Hintertüre“.
Sprecherin 1
Im kommenden Jahr wird der Europäische Gerichtshof in Straßburg darüber
entscheiden, ob und inwiefern das Genome Editing als Gentechnik einzustufen ist. Es ist
eine Entscheidung, die weitreichende Konsequenzen hat - für Züchter und Verbraucher.
Sprecherin 2
Gilt das Genome Editing nicht als Gentechnik, dann heißt das für den Züchter: Die
langwierigen und kostspieligen Regulierungsverfahren fallen weg, es werden mehr
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Seite 12
Züchter mit dieser Methode arbeiten können als vorher. Für den Verbraucherschutz
hingegen heißt es: Gemüse und Obst, das mithilfe des Genome Editing verändert
wurde, ist nicht kennzeichnungspflichtig. Der Verbraucher erfährt letztlich nicht, ob der
Pilz oder die Tomate, die er kauft, mithilfe des Genome Editing entstanden ist. Geht es
um die Kennzeichnungspflicht sieht der katholische Theologe Eberhard Schockenhoff
daher weiteren Handlungsbedarf:
22 O-Ton Schockenhoff
Die Frage ist, ob der hohe Standard an Nahrungsmittelsicherheit, den wir in
Deutschland haben, auch im Vergleich mit anderen Ländern, … erhaltenswert ist.
Und da würde ich schon sagen, dieses Ziel sollten wir schon haben, diesen
Anspruch. Und dann muss man möglicherweise die Kennzeichnungspflicht so
verändern, dass sie genauer das erfassen kann und dass der Verbraucher dann
eine Entscheidung fällen kann.
Sprecherin 1
Ähnlich sieht es die Verbraucherschützerin Ursula Hudson. Sie geht sogar noch einen
Schritt weiter.
21 O-Ton Hudson
Das ist ein Eingriff von Außen ins Erbgut, es wird zwar nichts von außen
eingeführt, aber es ist ja ein Vorgang, der auf Miniatur-Ebene der Zelle stattfindet.
Das heißt, es gehört klar deklariert, damit der Verbraucher überhaupt zu einer
Entscheidung kommen kann.
Denn nur so lässt sich für den Verbraucher überhaupt nachvollziehen, dass er einen mit
Hilfe des Genome Editing veränderten Champignon oder Apfel kauft.
Gleichzeitig geht ihr jedoch das deutsche Recht nicht weit genug: Zwar sind in
Deutschland genetisch veränderte Produkte kennzeichnungspflichtig, das trifft aber nicht
auf Zusatzstoffe oder Enzyme aus der Käseherstellung zu. Auch Milch von Kühen, die
mit genetisch verändertem Soja gefüttert wurden, ist nicht kennzeichnungspflichtig.
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Seite 13
MUSIKIMPULS
Sprecherin 2
Bei den modernen Pflanzenzüchtungsverfahren, wie der grünen Gentechnik oder dem
Genome Editing, zeigt sich wie bei vielen Streitfragen: Einfache Antworten gibt es nicht.
Es gilt die Chancen zu sehen, gleichzeitig aber auch Risiken und Folgen in der
Anwendung abzuschätzen. Und doch wirft die Auseinandersetzung um neue Methoden
der Pflanzenzucht vor allem folgende Fragen auf: Wie wollen wir heute Landwirtschaft
betreiben?
Sprecherin 1
Und in welcher Welt wollen wir morgen leben?
Sprecherin 2
Brauchen wir die grüne Gentechnik, und wenn ja zu welchem Preis?
Sprecherin 1
Welche Folgen hat der Einsatz und die Art und Weise des Anbaus von genetisch
veränderten Pflanzen – auch für Gesellschaften auf der ganzen Welt?
Sprecherin 2
Wie hochtechnisiert muss Landwirtschaft sein?
Sprecherin 1
Für die Verbraucherschützerin Ursula Hudson ist dabei vor allem eine Frage drängend:
23 O-Ton Hudson
Für wen züchtet man das, wo sind die Nutzergemeinschaften und was ist die
Zielrichtung der Zucht? …. wir müssen uns eigentlich als Gesellschaft einmal
fragen, wer sind wir eigentlich und für wen züchten wir, für welche Vorstellung
von Lebensmittelerzeugung züchten wir eigentlich?
MUSIK
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Seite 14
Sprecherin 2
Zurück in der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, wo der Pflanzengenetiker
Volker Mohler und sein Team immer noch auf klassische Weise neue Getreidesorten
züchten. Sie nutzen die genetische Vielfalt, die Pflanzen von Natur aus haben.
Pflanzenzucht heißt für Mohler und sein Team beispielsweise die Weizenpflanzen zu
finden, die von Natur aus beispielsweise resistenter gegen Pilze als andere sind.
Braucht es denn also überhaupt neue Methoden wie das Genome Editing? Oder lässt
sich schon mithilfe der Vielzahl an Möglichkeiten in der Natur das gewünschte Ziel
erreichen? Volker Mohler:
24_O-Ton Mohler
Wir haben immer noch einen Ertragszuwachs, aber der ist viel viel geringer als
früher. Und das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass man erst in den
letzten Jahren gelernt hat. wie komplex diese Merkmale wirklich sind. Und viele
stellen sich die Frage, kommt man mit den gängigen Züchtungsmethoden wirklich
noch voran oder hat…die klassische Kreuzung … ihr ganzes Potential schon
ausgeschöpft?
Sprecherin 1
Ganz ausschließen will es Volker Mohler daher nicht, dass auch sein Institut in Zukunft
irgendwann die Methoden des Genome Editing nutzen wird. Allerdings nur, wenn es um
Variationen einer Pflanze geht, die auch sonst in der Natur vorkommen.
25 O-Ton Mohler
Wir arbeiten mit Kulturpflanzen und versuchen, dass die den kommenden
Ansprüchen gerecht werden… Und deshalb denken wir auch über neue Methoden
nach. Werden die uns helfen, bei den Antworten, die wir suchen oder nicht?
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Seite 15
Sprecherin 2
Braucht es neue Methoden in der Pflanzenzüchtung oder nicht? Darüber wird weiter
gestritten. Eines sollte jedoch dabei nicht vergessen werden: Die Natur selbst bietet viel
mehr Möglichkeiten, hat viel mehr Variationen als wir oft annehmen.
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