Schriftliche Anfrage - Bayerischer Landtag

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Bayerischer Landtag
16. Wahlperiode
Drucksache
16/3153
04.02.2010
Schriftliche Anfrage
der Abgeordneten Sabine Dittmar SPD
vom 16.11.2009
Neuerrichtung einer Schweinemastanlage in der Gemeinde Rannungen
In der Gemeinde Rannungen, Landkreis Bad Kissingen, ist
die Neuerrichtung einer Schweinemastanlage geplant. Die
geplante Stallanlage verfügt über eine Kapazität von 4.304
Tieren; der Jahresumsatz beträgt bis zu 12.000 Schweine.
Bislang gibt es in der Region keine Anlage in dieser Größenordnung. Die Bevölkerung ist entsprechend verunsichert und
beunruhigt.
Ich frage deshalb die Staatsregierung:
1. Hat die Staatsregierung Kenntnis von der geplanten Baumaßnahme?
a) Wenn ja, wie beurteilt sie diese Form der Massentierhaltung unter den Gesichtspunkten der Ökologie, der
Tiergesundheit und des Tierschutzes?
b) Wie viele Standorte von Schweinestallanlagen mit
2.000 oder mehr Stallplätzen gibt es in Bayern und
wo befinden sich diese?
2. Unter welchen Voraussetzungen/Auflagen erfüllt die geplante Schweinemastanlage die Kriterien einer privilegierten landwirtschaftlichen Baumaßnahme im Außenbereich?
a) Ist die vorhandene Straßenstruktur auf den anfallenden Schwerverkehr ausgelegt, welche Nachrüstungen
sind erforderlich und von wem werden die Kosten für
Aus- und Neubau von Straßen sowie den Straßenunterhalt getragen?
3. Wie beurteilt die Staatsregierung die Tatsache, dass sich
die geplante Anlage im Wasserschutzgebiet Zone 3 der
Münnerstädter Talbrunnen befindet, also in einem Gebiet, dass im Jahresbericht 2006, Trinkwasserversorgung
Unterfranken, als Nitratsanierungsprojektgebiet der
Wasserversorgung Unterfranken aufgenommen wurde?
4. Da ein neuer Brunnen im Einzugsgebiet der Wasserschutzgebiete Bad Kissingen und Münnerstadt gebohrt
werden müsste, um die Wasserversorgung für die Anlage
zu gewährleisten, und dabei mit einer jährlichen Wasserentnahme von rund 50 Millionen Liter Wassern kalkuliert wird – welche Auswirkungen kann diese Bohrung
samt Entnahme auf die Grundwasserbilanz der Region
haben?
a) Kann die Staatsregierung eine Gefährdung für den
Wasserhaushalt und das Trinkwasseraufkommen der
Region, die bekannt für ihre prekären Grundwasserverhältnisse (niedrige Niederschläge, ungünstige geologische Verhältnisse) ist, ausschließen?
5. Nachdem im Rahmen des Baus der BAB 71 umfangreiche Sicherungsmaßnahmen in dieser Region, mit dem
Ziel das Gefährdungspotenzial für Grund- und Trinkwasser zu minimieren, getroffen wurden, ist nach Meinung
der Staatsregierung die geplante Schweinemastanlage
mit Brunnenneubohrung in eben diesem Gebiet ein zu
vernachlässigender Gefährdungsfaktor für die Trinkwasserschutzzone?
a) Hält es die Staatsregierung für angemessen bzw. notwendig, dass zur Beurteilung der Umweltverträglichkeit Sachverständige auf dem Gebiet der Hydrogeologie hinzugezogen werden, und wenn nein, warum
nicht? Wenn JA, wie kann dies sichergestellt werden?
6. Nachdem die Gemeinde Rannungen im Jahr 2003 aufgefordert wurde, ihre gemeindeeigene Kläranlage in eben
diesem Bereich aufzugeben, und sich dem Abwasserzweckverband „Obere Werntalgemeinden“ anschließen
muss, was damals vom Bayerischen Staatsministerium
für Landesentwicklung und Umweltfragen mit der „besonderen Situation im Karst“ und dem besonderen Vorsorgecharakter für den Trinkwasserschutz der Stadt Bad
Kissingen (geplante Ausweitung des Wasserschutzgebietes) begründet wurde, ist diese Auffassung jetzt nicht
auch für die geplante Schweinemastanlage anzuwenden –
und wenn NEIN, warum nicht?
7. In welcher Form wird die Entsorgungssicherheit für kalkulierte rund 6 Millionen Liter anfallende Schweinegülle
pro Jahr gewährleistet?
a) Zu welchem Anteil (in Prozent) ist die Gülleentsorgung durch eigene Flächen, durch angepachtete
Flächen oder durch Abnahmeverträge nachgewiesen?
b) Wie viele Hektar der Nachweisflächen befinden sich
im Wasserschutzgebiet, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Schutzzonen?
8. Welche Ergebnisse brachten die Immissionsprognosen
bezüglich Ammoniak, Stickstoff und Schwefel?
a) Welche Auflagen und sonstigen Erfordernisse nach
der BImSchV ergeben sich daraus für die Genehmigung und den Betrieb der Anlage?
b) In welcher Weise werden durch die zu erwartenden
Emissionen die umliegenden Wälder, Böden und Biotope gefährdet bzw. belastet?
c) Unter welchen Rahmen- und Witterungsbedingungen
ist mit unvertretbaren Geruchsbelästigungen für welche Bereiche zu rechnen, und welche Konsequenzen
werden daraus gezogen?
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Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de Parlamentspapiere abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de - Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung.
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Antwort
des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit
vom 11.01.2010
Die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen
mit den Staatsministerien des Innern sowie für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten wie folgt:
Für das geplante Vorhaben wird nach Mitteilung des Landratsamtes Bad Kissingen ein förmliches immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt. Über die Genehmigungsfähigkeit der
Schweinemastanlage kann derzeit noch keine Aussage getroffen werden, da dem Landratsamt entweder einzelne Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange noch nicht vorliegen oder die Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen noch andauert. Die einzelnen Fragen können somit zum
jetzigen Zeitpunkt teilweise nicht abschließend beantwortet
werden.
Zu 1.:
a) Wettbewerbsfähige, nachhaltig wirtschaftende bäuerliche Unternehmen, die umwelt- und tiergerechte Erzeugungsmethoden anwenden, sollen in ihrer betrieblichen
Entwicklung gefördert und gestärkt werden.
Aufgrund der verbesserten Haltungssysteme und des
größeren Platzangebotes bringen Neubauten Vorteile für
den Tierschutz. Auch hinsichtlich der Tiergesundheit
sind bei Ställen in der Größenordnung, um die es hier
geht, keine größeren Probleme zu erwarten. Dies gilt insbesondere wegen der hohen Anforderungen, die an solche Stallungen bezüglich der Tierhygiene gestellt werden
(Einfriedung, Hygieneschleuse usw.). Hinzu kommt,
dass in spezialisierten Großbeständen nicht zuletzt auch
aus wirtschaftlichen Gründen dem Tierschutz und der
Gesundheit der Tiere eine große Bedeutung zugemessen
wird. Auch von ökologischer Seite her sind bei Neubauten in dieser Größenordnung bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben keine Nachteile zu erwarten.
b) In Bayern gibt es derzeit 14 Schweinemastanlagen mit
mehr als 2.000 Mastschweineplätzen. Aufgeteilt auf die
Regierungsbezirke ergibt dies: 3x Oberbayern, 3x Niederbayern, 1x Oberpfalz, 1x Oberfranken, 1x Mittelfranken, 2x Unterfranken, 3x Schwaben.
Zu 2.:
Schweinemastbetriebe sind, sofern sie einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im
Außenbereich privilegiert zulässig. Gewerbliche Schweinemastbetriebe – d.h. solche, bei denen das Futter nicht überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden
kann – werden in der Regel unter § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB
subsumiert; sie sind Vorhaben, die wegen ihrer nachteiligen
Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt
werden sollten.
Die geplante Baumaßnahme dient dem landwirtschaftlichen
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Haupterwerbsbetrieb. Die Viehhaltung beruht zum überwiegenden Teil auf eigener Futtergrundlage. Auflagen für die
Bewilligung dieses Vorhabens sind u. a. eine für sechs Monate ausreichende Güllelagerkapazität und die ordnungsgemäße Ausbringung der anfallenden Güllemengen gemäß
der Düngeverordnung. Weitere Auflagen zum Betrieb der
Anlage werden von den beteiligten Fachstellen im Rahmen
des Genehmigungsverfahrens benannt.
a) Das Vorhaben kann teilweise über die Gemeindeverbindungsstraße zwischen Rannungen und Poppenlauer erschlossen werden. Für den weiteren Erschließungsverlauf sind die vorhandenen landwirtschaftlichen Wege
notwendig. Laut den nachgereichten Planunterlagen sind
die Erschließungswege mit einer Achslast von 10 t befahrbar. Nach Mitteilung des Landratsamtes wird eine
Achslast von 10 t bei landwirtschaftlichen Transportfahrzeugen bei Weitem nicht erreicht, da diese Fahrzeuge
auch auf unbefestigten Grünwegen zum Einsatz kommen. Über Kosten zur eventuell notwendigen Nachrüstung für einen Schwerlastverkehr kann beim jetzigen
Verfahrensstand noch keine Aussage getroffen werden.
Unterhaltspflichtiger für das landwirtschaftliche Wegenetz ist die Gemeinde Rannungen.
Zu 3.:
Das Vorhaben liegt innerhalb des mit Verordnung vom
01.06.1976 festgesetzten Wasserschutzgebietes zur Sicherung der öffentlichen Wassergewinnung Talgrund bei Münnerstadt der Stadtwerke Bad Kissingen in der weiteren
Schutzzone W III B. Nach dieser „alten“ Schutzgebietsverordnung ist keine Ausnahmegenehmigung von der Schutzgebietsverordnung erforderlich. Die Inhalte der damaligen
Schutzgebietsverordnung genügen nicht mehr den heutigen
Anforderungen, sodass die Stadtwerke Bad Kissingen im
April 2004 einen neuen Antrag auf Schutzgebietsausweisung
gestellt haben, der auf der Grundlage der aktuellen Regelwerke aufbaut. Dazu wurde ein Büro eingeschaltet, das die
Wasserversorgung hydrogeologisch untersucht und bewertet
hat. Darauf aufbauend wurde ein neuer Schutzgebietsvorschlag mit einem neuen Schutzgebietskatalog erarbeitet. Das
Verfahren hierfür läuft. Das Stadium der Planreife ist erreicht, da das Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes Bad
Kissingen bereits vorliegt. Somit ist dieser Auflagenkatalog
gültig und bei dem Bauvorhaben einzuhalten. Die Auflagen
der Schutzgebietsverordnung können – soweit es den baulichen Teil betrifft und der Vorhabensträger die Auflagen und
Bedingungen des amtlichen Sachverständigen erfüllt – eingehalten werden. Somit sind nach Auffassung des Landratsamtes die Belange der Trinkwasserversorgung gewahrt.
Die Ausbringung der Gülle hat nach der „guten landwirtschaftlichen Praxis“ zu erfolgen. Nach dem Schutzgebietskatalog ist die Ausbringung von Gülle in den weiteren
Schutzzonen III A und III B zulässig, wenn dies standortund bedarfsgerecht geschieht.
Zu 4. und 5.:
Für eine beantragte Grundwasserentnahme zur Versorgung
mit Trink- und Brauchwasser wird ein wasserrechtliches
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Verfahren durchgeführt. Es ist hydrologisch und hydrogeologisch nachzuweisen, dass von der geplanten Entnahme keine Beeinträchtigung ausgeht. Der Antrag liegt derzeit zur
Überarbeitung beim Betreiber.
aus der TA Luft zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bzw. zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen ergebenden Anforderungen zu beachten und nachzuweisen.
Zu 6.:
Die bestehende Kläranlage der Gemeinde Rannungen entspricht nicht den heutigen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwasserentsorgung. Nach der Schutzgebietsverordnung von 1976 war in der Zone III B die Errichtung oder
Erweiterung von Kläranlagen zulässig. Nach der neuen
Schutzgebietsverordnung gilt das nicht mehr. Der Graben, in
den der Kläranlagenablauf mündet, versickert nachweislich.
Somit kann eine Lösung am derzeitigen Standort nicht befürwortet werden. Zudem ist der Anschluss an den Abwasserzweckverband „Obere Werntalgemeinden“ die wirtschaftlichere Lösung. Da die Gemeinde Zuwendungen des
Freistaates Bayern in Anspruch nimmt, kann aus diesem
Grund auch nur diese Lösung gefördert werden.
Zu den Antragsunterlagen wurde vonseiten des Antragstellers ein Immissionsgutachten der IFU GmbH, Lichtenau,
vom 11.06.2009 vorgelegt. Das Institut kommt zum Ergebnis, dass die Ammoniakimmissionen und die Stickstoffdepositionen keine Schädigung von Biotopen (Mähwiesen und
Forst) erwarten lassen. Das Gutachten wurde zur Plausibilitätsprüfung an das Bayerische Landesamt für Umwelt
(LfU) weitergeleitet. Nach Auffassung des LfU vom
28.10.2009 wurde die Immissionsprognose korrekt durchgeführt. Die Ergebnisse der Ausbreitungsrechnung sind plausibel. Das LfU sieht jedoch weiteren Klärungsbedarf durch das
zuständige Forstamt bezüglich der Stickstoffeinträge am
Waldrand. Weiterhin empfiehlt das LfU aufgrund der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen (NEC-Richtlinie), dass der Betreiber Emissionsminderungsstrategien für
seine Intensivtierhaltung in Betracht ziehen sollte. Eine diesbezügliche Rückantwort durch das Amt für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten Bad Neustadt a. d. Saale steht
derzeit noch aus.
Zu 7.:
Mit Schreiben des Landratsamtes vom 05.11.2009 wurde der
Antragsteller aufgefordert, die entsprechenden Unterlagen
vorzulegen. Dies ist bis heute nicht geschehen.
Zu 8.:
Bei landwirtschaftlichen Tierhaltungsbetrieben werden aus
Sicht des Immissionsschutzes die Emissionen an Ammoniak
bzw. Stickstoff, Staub und Gerüchen bewertet. Schwefel als
Element wird nicht emittiert, sondern wird in Form geruchsintensiver schwefelhaltiger Verbindungen beim Geruch mitberücksichtigt.
Der Betreiber einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage hat die sich nach § 5 BImSchG und
Die Ausbreitungsrechnungen des IFU-Gutachtens beziehen
sich auf ein amtliches Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 23.06.2009. Laut IFU-Gutachten ist mit keinen unvertretbaren Geruchsbelästigungen an der nächsten Wohnbebauung von Rannungen, der Waldsiedlung und Rottershausen, Am Bahnhof, zu rechnen. Der Immissionsrichtwert von
0,10 nach der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) für
Wohnbebauung wird laut IFU-Gutachten an allen Immissionsorten nicht überschritten.
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