Neue Auskoppelverfahren und Sensoren zur Vor-Ort

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Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
zur Vor-Ort-Teilentladungsmessung
an Hochspannungs-Kabelanlagen
Dipl.-Ing. Kay Rethmeier
Fakultät IV – Elektrotechnik und Informatik
Institut für Energie- und Automatisierungstechnik
Fachgebiet Hochspannungstechnik
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Ingenieurwissenschaften
- Dr.-Ing. genehmigte Dissertation
Promotionsausschuss:
Vorsitzender:
Prof. Dr.-Ing. G. Mönich
1. Berichter:
Prof. Dr.-Ing. W. Kalkner
2. Berichter:
Prof. Dr.-Ing. V. Hinrichsen
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 28.04.2006
Berlin 2006
D83
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Fachgebiet Hochspannungstechnik des Institutes für Energie- und
Automatisierungstechnik an der Technischen Universität Berlin.
Die gute Zusammenarbeit und Hilfsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Fachgebietes hat wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Mein Dank für viele
anregende Gespräche gilt unter anderem den Herren Dipl.-Ing. T. Kumm, Dipl.-Ing.
A. Obralic und Dipl.-Ing. S. Schaper, die ebenfalls auf dem Gebiet der TE-Messtechnik
forschend tätig sind.
Herrn Prof. Dr.-Ing. W. Kalkner danke ich für die Übernahme der Betreuung sowie die
kritische Begleitung und Unterstützung der Arbeit, ebenso wie den Herren Prof. Dr.-Ing. V.
Hinrichsen und Prof. Dr.-Ing. G. Mönich für die Übernahme der Berichte bzw. des
Vorsitzes des Promotionsausschusses.
Mein besonderer Dank gilt der Unterstützung durch Herrn Dr.-Ing. R. Plath, der die
vorliegende Arbeit zusammen mit Prof. Kalkner anregte und diese durch seine fachlichen
Diskussionsbeiträge und Berichte aus der Praxis stets weiter vorantrieb.
Berlin, im Januar 2006
Kay Rethmeier
Übersicht
Die vorliegende Arbeit beschreibt neue Auskoppelverfahren und Sensoren zur
empfindlichen Vor-Ort-Teilentladungsmessung an Hochspannungs-Kabelanlagen, insbesondere die induktive TE-Auskopplung an sensorlosen Kabelanlagen in CrossbondingAusführung, sowie neue Möglichkeiten, die sich durch die Anwendung der digitalen
synchronen TE-Messung mit verteilter Sensorik ergeben.
Bei Energiekabelanlagen großer Länge führt eine klassische TE-Auskopplung mittels
Koppelkondensator am Kabelende zu keiner ausreichenden Messempfindlichkeit vor Ort.
Sind keine speziellen zusätzlichen TE-Sensoren im Muffen- bzw. Endverschlussbereich
implementiert, ist eine empfindliche TE-Messung nach bisherigem Stand der Technik nur
stark eingeschränkt oder gar nicht möglich. Neben der technisch und auch wirtschaftlich
nicht immer realisierbaren Sensornachrüstung ist jedoch für Kabelanlagen großer Länge
eine induktive TE-Signalauskopplung im Bereich der Crossbonding-Schirmauskreuzung
ohne größere Eingriffe in das Kabelsystem möglich. Erforderlich ist hierzu eine spezielle
Versuchstechnik und Sensorik, die in der vorliegenden Arbeit detailliert beschrieben wird.
Ein neuartiges digitales Mehrstellen-TE-Messsystem wurde diesbezüglich auf seine
Eignung zum wissenschaftlichen Messeinsatz untersucht und durch zusätzliche
Softwaretools weiterentwickelt bzw. ergänzt.
Einen Schwerpunkt der Untersuchungen zu den alternativen TE-Auskoppelverfahren stellt
der Einsatz spezieller induktiver Hochfrequenz-Transformatoren (RFCT) dar, deren
Eignung zur empfindlichen TE-Messung an gut zugänglichen Erdverbindungen von Kabelendverschlüssen untersucht wird, bevor deren Einsatzbereich auch auf die externe
Schirmverbindung einphasiger Trennmuffen ausgeweitet wird. Durch Messungen an vereinfachten Modellanordnungen, Labormessungen an Hochspannungskabelkomponenten
und letztlich durch Vor-Ort-Erprobungen an Energiekabelanlagen im Netzbetrieb wird die
Eignung des Messverfahrens und der verwendeten Sensorik zur empfindlichen TE-Messung an phasenübergreifenden Crossbonding-Verbindungen unter Berücksichtigung von
Besonderheiten bei der TE-Fehlerortung durch Echometrie nachgewiesen.
Abschließend wird die konsequente Ausweitung des vorgestellten sensorischen Konzeptes zu einem synchronen, räumlich verteilten Erfassungsnetzwerk (synchrone Mehrstellen-TE-Messung mit verteilter Sensorik) dargelegt. Die daraus resultierenden Vorteile
für die TE-Fehlerortung und die erreichbaren Messempfindlichkeiten werden anhand von
Praxismessungen detailliert beschrieben.
Abstract
This thesis reports on new pd decoupling techniques and pd sensors for sensitive pd onsite measurements on high voltage cable systems. In particular the thesis focuses on the
inductive pd decoupling on sensorless cross-bonded cable systems. Additionally, new
capabilities using an innovative digital synchronous pd measuring system with distributed
pd sensors are presented.
For power cable systems of long lengths, the classic pd decoupling method by means of
coupling capacitors at one cable end, results in insufficient on-site measurement results.
Given the state-of-the-art technology, a sensitive pd measurement is either limited or not
possible without special additional pd sensors at joints or terminations. However, besides
cost intensive and extensive technical sensor retrofitting, an inductive pd decoupling within
the cross-bonding link area of long length cable systems is feasible without greater
intervention in the cable system. This needs a special testing and sensor technology,
which is described in detail within this thesis, as well as the use of a new type of digital
multi-channel pd measuring system which was therefore checked for suitability and
improved, respectively, by additional software tools.
A main point of the investigations is the selection and the use of special inductive current
transformers (RFCT). The suitability of these RFCTs for sensitive pd measurements is
tested at accessible grounding links of cable screens, before the use is extended also to
screen links of insulating joints. Computer simulations, measurements on high voltage
cable components, as well as on-site cable system testing have been conducted to prove
the suitability of this innovative method and sensor technology for sensitive pd decoupling
and location at cross bonding joints.
Finally, a consequent extension of the presented method for on-site pd decoupling to a
synchronous, spatially distributed multi-site pd sensor network is explained. The resulting
advantages and improvements in pd fault location and pd detection sensitivity are
demonstrated by several actual examples of on-site pd measurements on long high
voltage and extra high voltage XLPE-cable systems.
Inhaltsverzeichnis
1
EINFÜHRUNG UND MOTIVATION .............................................................................1
2
ZIELSETZUNG DER ARBEIT......................................................................................4
3
GRUNDLAGEN ZU AUFBAU UND BETRIEB VON ENERGIEKABELANLAGEN.....5
3.1
Aufbau und Eigenschaften VPE-isolierter Kabel............................................................................. 5
3.2
Aufbau und Eigenschaften von Garnituren ..................................................................................... 6
3.2.1
Verbindungsmuffen .......................................................................................................................... 7
3.2.2
Schirm-Trennmuffen......................................................................................................................... 7
3.3
4
Cross-Bonding-Betrieb ...................................................................................................................... 8
STAND DER TECHNIK BEI DER TE-MESSUNG .....................................................12
4.1
TE-Messsysteme............................................................................................................................... 12
4.2
Konventionelle TE-Auskopplung .................................................................................................... 13
4.2.1
Messkreise ..................................................................................................................................... 13
4.2.2
Messimpedanz ............................................................................................................................... 16
4.3
Nichtkonventionelle Feldkopplung ................................................................................................. 17
4.3.1
Kapazitive Sensoren....................................................................................................................... 19
4.3.2
Richtkopplersensoren..................................................................................................................... 21
4.3.2.1
4.3.3
4.4
5
Induktive Richtkopplersensoren............................................................................................. 23
Induktive Sensoren......................................................................................................................... 25
Zusammenfassung ........................................................................................................................... 25
VERSUCHSTECHNIK ZUR TE-MESSUNG...............................................................27
5.1
Beschreibung des verwendeten TE-Messsystems ....................................................................... 27
5.2
Synchronitätstest der TE-Erfassungseinheiten ............................................................................ 29
5.3
Beschreibung der Software ............................................................................................................. 32
5.3.1
Bediensoftware............................................................................................................................... 32
5.3.2
Ergänzende Softwaretools zur komplexen Nachbereitung ............................................................ 32
6
NEUE AUSKOPPELVERFAHREN UND SENSOREN ..............................................35
6.1
Energiekabel als Koppelkondensator............................................................................................. 35
6.1.1
Verwendung einer Phase als Koppelkondensator CK .................................................................... 35
6.1.2
Synchrone Mehrstellenmessung an allen drei Phasen .................................................................. 35
6.2
Richtkopplersensoren für GIL / GIS-Kabeleinführungen.............................................................. 38
6.3
HF-Transformatoren zur TE-Auskopplung..................................................................................... 40
6.3.1
Ferrite ............................................................................................................................................. 41
6.3.2
Stromimpuls-Transformatoren (kommerziell) .................................................................................41
6.3.3
HF-Transformatoren für variablen Einsatz......................................................................................42
6.4
Induktive TE-Auskopplung an Endverschlüssen vor Ort..............................................................44
6.4.1
TE-Messung an 110-kV-Transformator-Einführungsendverschluss...............................................44
6.4.2
TE-Messung an 220-kV-GIS-Einführungsendverschluss ...............................................................46
6.4.3
TE-Messung an 10-kV-Mittelspannungskabel ................................................................................51
6.5
HF-Transformatoren zur TE-Auskopplung auf Potenzial ..............................................................52
6.6
Induktive TE-Auskopplung an Trennmuffen ..................................................................................55
6.6.1
Modellmessungen an einer Trennmuffe .........................................................................................55
6.6.1.1
Versuchsaufbau......................................................................................................................56
6.6.1.2
Einfluss der verwendeten Auskoppelvierpole auf die Messung.............................................56
6.6.1.3
Einfluss der Windungszahl auf den Frequenzgang im Versuchsaufbau ...............................57
6.6.1.4
Einfluss parasitärer Elemente ................................................................................................58
6.6.1.5
Messung von TE-Impulsen im Zeitbereich.............................................................................59
6.6.1.6
Zusammenfassung zur Modellmessung ................................................................................60
6.6.2
TE-Messungen an einer 110-kV-Kabelanlage mit Trennmuffe ......................................................61
6.6.3
TE-Auskopplung an Trennmuffen vor Ort .......................................................................................62
6.6.3.1
Kalibrierung der TE-Messung.................................................................................................63
6.6.3.2
Durchführung und Ergebnisse der TE-Messung....................................................................65
6.7
Induktive TE-Auskopplung an Crossbonding-Muffen ...................................................................67
6.7.1
Messtechnische Erprobung an Modellanlagen...............................................................................69
6.7.1.1
Konstruktion einer Modellanlage ............................................................................................69
6.7.1.1.1 Konzeption der Modellanlage ............................................................................................70
6.7.1.1.2 Aufbauelemente der Modellanlage ....................................................................................72
6.7.1.1.3 Messungen an der Modellanordnung ................................................................................75
6.7.1.1.4 Transmissionsverhalten der Modellmuffen ........................................................................76
6.7.1.2
Messungen an der vollständigen Modellanlage .....................................................................85
6.7.2
TE-Auskopplung an den Crossbonding-Zuleitungen ......................................................................85
6.7.3
TE-Auskopplung an Crossbonding-Auskreuzkästen ......................................................................90
6.7.3.1
Kalibriermessung an einer 245-kV Kabelanlage ....................................................................90
6.7.3.1.1 Auskopplung an Muffengruppe 3 .......................................................................................92
6.7.3.1.2 Auskopplung an Muffengruppe 6 .......................................................................................99
6.7.3.1.3 Auskopplung an Muffengruppe 6 bei linearer Schirmverbindung....................................103
6.7.3.1.4 TE-Auskopplung an der Crossbonding-Zuleitung vor der CB-Box ..................................105
6.7.3.2
Vor-Ort-TE-Messungen an Hochspannungskabelanlagen.................................................. 107
6.7.3.2.1 TE-Messung an einer 400-kV-Kabelanlage mit Muffenkammer ..................................... 107
6.7.3.2.2 TE-Messung an einer 220-kV-Kabelanlage mit externer Schirmauskreuzung ............... 109
6.7.3.2.3 TE-Messung an einer 132-kV-Kabelanlage mit externer Schirmauskreuzung ............... 117
7
TE-ORTUNG DURCH ECHOMETRIE .....................................................................121
7.1
Grundlagen der TE-Fehlerortung auf Energiekabelanlagen ...................................................... 121
7.2
Besonderheiten bei der Auskopplung an Crossbonding-Stellen.............................................. 123
7.2.1
Rechnersimulation verschiedener Beobachtungs- und Fehlerpunkte ......................................... 125
7.2.2
Wichtige Sonderfälle..................................................................................................................... 128
7.2.3
Modellmessungen an Messleitungen ........................................................................................... 130
7.2.4
Modellmessungen an der Mittelspannungs-Versuchsanlage....................................................... 132
7.3
8
TE-Fehlerortung an Hochspannungskabelanlagen vor Ort ....................................................... 133
TE-ORTUNG DURCH VERTEILTE SENSORIK ......................................................136
8.1
Synchrone TE-Messung mit verteilter Sensorik.......................................................................... 138
8.1.1
TE-Fehlerortung durch Amplitudenvergleich................................................................................ 139
8.1.2
TE-Fehlerortung durch Echometrie .............................................................................................. 140
8.1.3
TE-Fehlerortung durch Laufzeitvergleich zwischen benachbarten Messorten ............................ 144
8.2
Zeitgleiche Messung durch nachträgliche Synchronisation ..................................................... 146
8.2.1
Synchronisation durch TTL-Signal ............................................................................................... 147
8.2.2
Synchronisation durch Pulsinjektion............................................................................................. 147
8.2.3
Versuchsstrecke zur Vor-Ort-Untersuchung ................................................................................ 148
8.2.4
Messverfahren.............................................................................................................................. 148
8.2.4.1
Grundgedanke der synchronen Mehrstellen-TE-Messung an Kabelanlagen ..................... 148
8.2.4.2
Synchronisierung mittels Trägersignal ................................................................................ 149
8.2.4.3
Ergebnisse der Vor-Ort-Erprobung...................................................................................... 151
8.2.4.4
Zwei-System-Messung mit Trägersignal-Synchronisation .................................................. 152
8.2.5
9
10
Fazit .............................................................................................................................................. 154
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ...............................................................155
LITERATURVERZEICHNIS..................................................................................159
Einführung und Motivation
1
1 Einführung und Motivation
Das Leben in den industrialisierten Ländern ist heute in einem hohen Maß von einer
zuverlässigen Energieversorgung abhängig. Neben den Privathaushalten und öffentlichen
Einrichtungen gilt dies vor allem für industrielle Stromkunden. An dieser Stelle seien
beispielhaft die chemische und die metallverarbeitende Industrie genannt, in der neben
Großstörungen auch ein kurzzeitiger Ausfall der elektrischen Energie zum Erliegen ganzer
Produktionsprozesse und damit zu hohen Folgekosten führen kann. Statistische
Aufzeichnungen der großen Versicherungsunternehmen belegen dabei die erheblichen
Folgekosten
der
von
elektrischer
Energie
abhängigen
und
damit
betroffenen
Industriezweige. So sind z. B. alleine in gastronomischen Betrieben des Großraumes New
York während des großen Blackouts 2003 im Nordosten der USA Lebensmittel im Wert
von ca. 100 Millionen US-Dollar wegen mangelnder Kühlung verdorben [Bra04],
Schätzungen für die gesamten Folgekosten belaufen sich auf mehrere hundert Milliarden
US-Dollar [OEC03] [NCE03].
Aufgrund der durch die Liberalisierung und fortschreitende Deregulierung veränderten
Strategien der Energieversorgungsunternehmen (EVU) in Europa steigt die Auslastung
der Netze bei gleichzeitiger Reduzierung des Investitionsvolumens.
140
120
Normierter Wert in %
100
80
60
40
Stromverbrauch
Investitionen
20
02
20
01
20
00
20
99
19
98
19
97
19
96
19
95
19
19
94
93
19
92
19
19
91
0
Jahr
Abbildung
1:
Entwicklung
von
Stromverbrauch
Energieversorgung in Deutschland, 1991=100% [Ret04]
und
Investitionen
in
der
Elektrischen
2
Einführung und Motivation
Während in Unternehmen der deutschen Stromwirtschaft 2003 noch über 50 % der
Investitionsmittel den Netzen zu Gute kamen, waren es 2004 nur noch gute 40 % [VDN04]
[VDN05]. Abbildung 1 verdeutlicht die daraus resultierende Investitionslücke.
Es wird daher für die EVU zunehmend wichtiger, genaue Informationen über den Zustand
und über die restliche Lebensdauer ihrer Betriebsmittel im Netz zu erhalten, um innerhalb
der angesprochenen geänderten Rahmenbedingungen die geforderte und für den Kunden
gewohnte Betriebssicherheit aufrecht zu erhalten [Smi05]. Für die Energiekabel als das
wertvollste Investitionsgut im deutschen Netz [Wec02] sind dabei neben den klassischen
Prüf- und Messverfahren vor allem die zerstörungsfreien dielektrischen Testmethoden von
großer Bedeutung. Die Messung von Teilentladungen (TE) in Energiekabelanlagen kann
dabei punktuelle Fehlstellen aufdecken, welche dann gezielt vor einem möglichen
Durchschlag und dem damit verbundenem Ausfall der Kabelstrecke beseitigt werden
können [Ele96] [Cha91]. Die rechtzeitige Erkennung von Fehlern im Frühstadium im
Rahmen eines zukünftig an Bedeutung gewinnenden Online-Monitorings ermöglicht
zudem
ggf.
ein
kontrolliertes
unterbrechungsfreies
Umschalten
auf
alternative
Versorgungswege und verhindert so finanzielle Verluste des EVU aus potenziellen
Vertragsstrafen oder durch den Wegfall von Durchleitungsentgelten.
Neben der diagnostischen TE-Messung ist die TE-Messung an neu errichteten oder
instand gesetzten Kabelanlagen von großer Bedeutung. Da die zum Teil vorgefertigten
Einzelkomponenten wie Aktivteile von Muffen oder Endverschlüssen, aber auch die
Kabelteillängen, schon im Werk vorgeprüft wurden und als TE-frei eingestuft werden
können, ist bei der qualitätssichernden TE-Messung der einwandfreie Zustand des vor Ort
montierten Gesamtsystems nachzuweisen. Hier kann durch eine Abnahmeprüfung in
Form einer TE-Messung die Einhaltung der vom Kunden geforderten Qualitätsmerkmale
überprüft werden. Die Ergebnisse der TE-Messung dienen dabei neben anderen Prüf- und
Diagnoseverfahren als Forderungsgrundlage bei Garantie- oder Regressansprüchen im
Rahmen der Gefahrenübergabe vom Anlagenerrichter zum Anlagenbetreiber.
Eine große Schwierigkeit bei der Messung von Teilentladungen ist der Zugang zu den
Betriebsmitteln bzw. der Zugang zu den für die TE-Messung geeigneten Auskoppelstellen.
Dieses Problem stellt sich speziell bei direkt erdverlegten Energiekabelsystemen, bei
denen z. B. aus Kostengründen auf den Einbau geeigneter TE-Sensoren zum Zeitpunkt
der Errichtung der Kabelanlage verzichtet worden ist. Gut zugänglich sind in der Regel
Freiluftendverschlüsse in Umspannwerken. Jedoch führt die TE-Auskopplung am
Einführung und Motivation
3
Kabelende gerade bei langen Kabelstrecken zu sinkenden und unzureichenden
Messempfindlichkeiten [Pla03] und ist daher für sensitive TE-Messungen ungeeignet.
Eine weitere Möglichkeit ist die TE-Auskopplung durch spezielle, an die jeweilige
Kabelstrecke angepasste Sensoren. Sind diese Sensoren jedoch bei der Planung der
Kabelanlage nicht berücksichtigt worden, gestaltet sich eine Nachrüstung oft sehr
kostenintensiv oder, wie bei direkt erdverlegten Kabelsystemen, sogar unmöglich [Pla02].
In der vorliegenden Arbeit wird daher die Auskopplung von TE-Impulsen an CrossbondingVerbindungen als neuartiges und äußerst geeignetes Verfahren zur empfindlichen TEMessung
beschrieben.
Das
Auskreuzen
der
Kabelschirme
ist
bei
Hochspannungskabelanlagen großer Länge üblich, zum Teil sogar zwingend notwendig,
um
Schirmverluste
zu
minimieren
und
Berührungsspannungen
innerhalb
der
vorgeschriebenen Grenzwerte zu halten. Durch die Auskopplung von TE-Impulsen an
Crossbonding-Verbindungen können auch lange, sensorlose Kabelanlagen mittels
empfindlicher TE-Messungen überwacht werden, die sich in der Vergangenheit einer
sinnvollen TE-Diagnose entzogen haben. Durch die Verwendung von speziellen induktiven
Sensoren kann ein TE-Impuls in den Auskreuzungen der Kabelschirme potenzialfrei
ausgekoppelt und gemessen werden [Wei04].
Ein weiteres Problem bei der TE-Messung vor Ort sind das Erkennen und die Ortung von
Endverschlussfehlern an einer Energiekabelanlage, was jedoch im Fehlerfall durch die klar
abgegrenzten Zuständigkeiten verschiedener an der Errichtung der Kabelanlage beteiligter
Firmen zwingend notwendig ist. Bei der Beurteilung von Freiluftendverschlüssen ist oft
eine Unterscheidung von externen Störimpulsen (z. B. Korona oder Umrichterimpulse der
Prüfspannungserzeugung) und TE-Fehlern innerhalb des Endverschlusses nicht möglich.
Ebenso sind nach dem aktuellen Stand der Technik Einführungsendverschlüsse an
gasisolierten Schaltanlagen aufgrund der Systemschnittstelle von Kabelanlage und
Schaltanlage
nicht
gezielt
überwachbar.
In
der
vorliegenden
Arbeit
werden
messtechnische Lösungen für beide Arten von Endverschlüssen vorgestellt und
untersucht.
Unabhängig von den verwendeten Sensortypen wird als neuartiges Verfahren die
synchrone Mehrstellenmessung mit räumlich verteilter Sensorik untersucht, die gegenüber
den klassischen Messverfahren große Vorteile bezüglich Messempfindlichkeit und TEOrtungsschärfe aufweist. Gerade bei Kabelanlagen großer Länge mit einer Vielzahl von
Garnituren (z. B. 400-kV-VPE-Kabelanlage London Elstree nach St. Johns Wood: 20 km,
4
Einführung und Motivation
20 Crossbonding-Muffen, Inbetriebnahme 2005) ist eine zeitgleiche Überwachung
möglichst vieler oder sogar aller unter Prüfspannung stehender Komponenten zwingend
erforderlich, um das Risiko eines nicht zu beobachtenden und ungewollten Ausfalles
während der TE-Messung zu minimieren. Ein sequenzielles Prüfen aller Garnituren eines
solchen Kabelsystems würde hier zu einer erheblichen akkumulierten, nicht überwachten
Beanspruchungsdauer für einige Muffen führen und ist daher nicht zu vertreten.
2 Zielsetzung der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung und Untersuchung neuer sensorischer Konzepte und
Verfahren zur empfindlichen TE-Auskopplung an Energiekabelanlagen vor Ort. Hierbei gilt
es im Besonderen, die bisher nicht durch eine TE-Messung sinnvoll überwachbaren
Komponenten der Kabelanlage zu erfassen. Hauptsächlich sind dies sensorlose
Verbindungsmuffen direkt erdverlegter Hochspannungskabel, die in Crossbonding-Technik
ausgeführt sind. Als Sonderfall der Crossbonding-Muffen ist dabei auch die einphasige
externe Schirmverbindung bei Verbindungsmuffen zu berücksichtigen und auf ihre
Eignung zur empfindlichen TE-Auskopplung zu untersuchen.
Ein weiterer Aspekt der Untersuchungen soll sich auf Freiluftendverschlüsse und GISEinführungsendverschlüsse
einer
Kabelanlage
beziehen.
Hier
ist
eine
direkte
Unterscheidung zwischen TE aus den Endverschlüssen und externen Störern mit
bestehender Messtechnik noch nicht eindeutig möglich, so dass bisher auf indirekte
Verfahren, wie die Interpretation von TE-Mustern, zurückgegriffen werden muss.
Bei mehreren geeigneten Auskoppelorten zur TE-Messung sollen ferner die Vorteile
bezüglich
Messempfindlichkeit
und
Ortungsgenauigkeit,
sowie
die
technische
Realisierbarkeit einer synchronen Mehrstellenmessung unter Einsatz eines neuartigen
digitalen TE-Messsystems und neuartiger Auswerteverfahren untersucht werden. Hierbei
sollen im Besonderen der Einfluss des zur klassischen Messung veränderten
Beobachtungspunktes und die damit einhergehenden Unterschiede in der systematischen
TE-Fehlerortberechnung
durch
Echometrie
und
Laufzeitauswertung
herausgestellt
werden.
Zusätzlich zu Rechnersimulationen und Messungen an Modellkabelanlagen sollen die zu
erarbeitenden sensorischen Konzepte und Verfahren vor allem auch bezüglich ihrer VorOrt-Tauglichkeit an Hochspannungs-Kabelanlagen untersucht und erprobt werden.
Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen
5
3 Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen
3.1 Aufbau und Eigenschaften VPE-isolierter Kabel
VPE-isolierte Hochspannungskabel werden als Einleiterkabel ausgeführt und können
ihrem Aufbau nach als lang gestreckte zylindrische Kondensatoren mit Leiter und
metallischem Mantel als Elektroden und der VPE-Isolierschicht als Dielektrikum
angesehen werden. Der Strom führende Innenleiter wird in verschiedenen Kombinationen
als ein- oder mehrdrähtiger Massiv-, Hohl- oder Segmentleiter gefertigt. Als Leiterglättung
wird auf dem verseilten Leiter eine innere feldglättende Leitschicht extrudiert, die aus
Polyethylen mit Ruß- oder Grafitbeimengungen besteht. Zudem wird als Aderabschirmung
zur Erzielung eines radialsymmetrischen elektrischen Feldes auf die Isolierung eine
ebenfalls leitfähige Umhüllung (äußere Leitschicht) extrudiert. Zur Vermeidung von
Hohlräumen, Grenzflächen und auch Verschmutzungen zwischen den Schichten werden
innere Leitschicht, Isolierung und äußere Leitschicht in einem einzigen Arbeitsgang durch
Dreifachextrusion zeitgleich aufgebracht. Die anschließende Bewickelung mit leitfähigen
Bändern stellt sicher, dass bei Wärmeausdehnung die Kupferdrähte des Schirmes nicht in
die Leitschicht gedrückt werden können. Quellfähige Fließe oder Pulver gewährleisten
zudem eine Längswasserdichtigkeit im Schirmbereich. Ein geschlossener MetallSchichtenmantel
dient
als
Diffusionssperre
und
bewirkt
eine
sichere
Querwasserdichtigkeit. Ein Kunststoff-Außenmantel aus Polyethylen oder PVC sorgt für
einen abschließenden mechanischen Schutz. Abbildung 2 zeigt den typischen Aufbau
eines 110-kV-VPE-Kabels in längs- und querwasserdichter Ausführung.
Abbildung 2: Aufbau eines VPE-isolierten Hochspannungskabels [Kiw85]
6
Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen
Die Isolation eines VPE-isolierten Hochspannungskabels ist empfindlich gegenüber der
Einwirkung von Teilentladungen und bezogen auf das Langzeitverhalten (Alterung) das
am
schwierigsten
zu
kalkulierende
Element
eines
Kabels.
Abbildung
3
zeigt
mikroskopische Aufnahmen von durch TE-Aktivität an Nadelspitzen entstandenen
„Electrical Trees“, die den isolierenden Feststoff zersetzen und letztlich zum Ausfall des
Kabels führen [Pes98] [Kuh97].
a) bush-like-tree
b) tree-like-tree
Abbildung 3: “Electrical Tree” in Polyethylen
Durch empfindliche TE-Messungen beim Kabelhersteller in gut geschirmten Laboren wird
bereits vor der Auslieferung der Teillängen gewährleistet, dass neu gefertigte VPE-Kabel
TE-frei sind. Diese Werksmessungen ersetzen jedoch nicht die TE-Messung vor Ort,
welche letztlich das Gesamtsystem Kabelanlage einschließlich der Garnituren und vor
allem auch der Montagearbeiten beurteilen kann.
3.2 Aufbau und Eigenschaften von Garnituren
Neben den Endverschlüssen sind vor allem die Muffen wichtige Aufbauelemente von
Energiekabelanlagen und sollen daher näher beschrieben werden.
Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen
7
3.2.1 Verbindungsmuffen
VPE-isolierte Hochspannungskabel können heute in sehr großen Längen produziert
werden, jedoch limitieren die durch die Transportbedingungen (Fahrzeugprofile,
Brückenprofile) gegebenen Maximalabmessungen und die Gewichte einer Kabeltrommel
die maximal handhabbare Länge auf etwa 1000 Meter. Daher werden für die Installation
einer längeren Kabelstrecke immer entsprechende Verbindungselemente, sog. Muffen,
benötigt. Neben der Verbindung zwischen zwei gleichartigen Kabeln (Verbindungsmuffe,
s. Abbildung 4 a) gibt es weitere Anwendungsfälle für Muffen. Hierzu gehört z. B. die
Verbindung von Kabel unterschiedlicher Bauarten (Übergangsmuffen). In Verbindung mit
den verschiedenen Dielektrika und unterschiedlichen konstruktiven Varianten ergibt sich
damit eine Vielzahl von Bauarten, die durch die Funktion und das verwendete Material
bestimmt werden. Die grundlegenden Bestandteile, Leiterverbindung, Isolation und
Feldsteuerelemente, sind jedoch in jeder Muffe zu finden. Als Beispiel zeigt Abbildung 4
den Querschnitt einer vorgefertigten Aufschiebemuffe für Kunststoffkabel.
Kabelgarnituren
stellen
bei
der
TE-Fehler-Überprüfung
von
Hochspannungs-
Kabelsystemen einen Schwerpunkt dar, da an ihnen die Mehrzahl aller Fehler auftreten.
Denn im Gegensatz zu Kabeln, welche noch im Werk nach der Fertigstellung auf
eventuelle Fehler geprüft werden, erfolgt die Muffenmontage vor Ort auf der Baustelle, so
dass die Montagequalität auch erst vor Ort mittels Spannungsprüfung und TE-Messung
überprüft werden kann.
3.2.2 Schirm-Trennmuffen
Für das Crossbonding (s. Kapitel 3.3) werden spezielle Muffen (Trennmuffen) verwendet,
bei denen die Kabelschirme beider Kabelseiten leitfähig herausgeführt werden. Dabei
ergibt sich eine Unterbrechung in der äußeren feldglättenden Schicht, die durch die
spezielle Konstruktion ausgeglichen wird. Der Querschnitt einer solchen Trennmuffe ist
schematisch in Abbildung 4 b) dargestellt.
8
a) Verbindungsmuffe
Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen
b) Muffe mit Schirmtrennstelle
Abbildung 4: Schnittbild vorgefertigter Aufschiebemuffen für Kunststoff-Hochspannungskabel
Nach Aussage eines großen deutschen Herstellers und Montagedienstleisters für
Hochspannungsgarnituren werden Schirmtrennmuffen mit wachsender Häufigkeit auch als
Verbindungsmuffen eingesetzt. Die beiden Kabelschirme werden dazu wieder über dem
Muffenkörper miteinander verbunden, so dass die Schirmtrennung aufgehoben ist. Ein
Schrumpfschlauch oder ein spezielles Muffengehäuse versiegeln und schützen das
Gesamtsystem der Muffenkonstruktion nach außen hin. Der Vorteil für den Dienstleister
liegt dabei in der Reduzierung seines Produktspektrums und den daraus resultierenden
Einsparungen für Entwicklungs- und Typprüfungen.
Dieser Aspekt kann für die Vor-Ort-TE-Messtechnik von Interesse sein, sofern die externe
Schirmverbindung für eine TE-Messung bei der Inbetriebnahme noch kurzzeitig
zugänglich bleibt. Durch die Einbringung eines Hochfrequenztransformators in die
Schirmverbindung kann so auch an einer sensorlosen Muffe empfindlich ausgekoppelt
werden (s. Kapitel 6.6). Die endgültige Versiegelung der Muffe bzw. das Verschließen der
Muffengrube kann dabei nachträglich erfolgen.
3.3 Cross-Bonding-Betrieb
Neben den Leiterverlusten, die im Normalbetrieb den größten Teil der leitungsgebundenen
Verluste ausmachen, gibt es weitere stromabhängige Verluste in einer Kabelanlage. Die
größte Bedeutung haben hier die axialen Induktionsströme [Arn29] [Sch61]. Der in einer
Phase fließende Laststrom erzeugt ein magnetisches Feld, welches im eigenen
Kabelmantel (oder Drahtschirm) und in den Mänteln der parallel liegenden Phasen eine
Spannung Ui induziert (s. Abbildung 5). Diese Spannung ist dabei direkt proportional zur
Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen
9
Größe des verursachenden Leiterstromes und zur Länge des Kabels und kann in der
Praxis bei 50 V/km⋅kA bis 120 V/km⋅kA liegen [Kiw85]. Da die bei größeren Längen
auftretenden Schirmspannungen somit eine Gefahr für Personen und Geräte darstellen
[DIN0100], werden entsprechende Kabelanlagen zur Vermeidung von unzulässig hohen
Berührspannungen beidseitig geerdet. Dabei entsteht mit dem als Rückleiter fungierenden
Erdboden eine geschlossene Leiterschleife, die zum Fließen von Ausgleichsströmen führt
und damit erhebliche Stromwärmeverluste verursacht. Diese können im Extremfall die
Größenordnung der Leiterverluste annehmen.
Abbildung 5: Mantelspannungsinduktion durch das Magnetfeld in der Nachbarphase [nach Pes98]
Um diese Induktionsstromverluste zu vermeiden, wird bei längeren Kabelstrecken das
sog. Crossbonding durchgeführt. Dabei werden die Kabelstrecken in der Regel in drei
bzw. Vielfache von drei jeweils möglichst gleich lange Abschnitte unterteilt und die Mäntel
der drei Phasen zyklisch ausgekreuzt (s. Abbildung 6). Die nun in die einzelnen Schleifen
induzierten Spannungen addieren sich im Idealfall auf der Länge zwischen den
Erdungspunkten zu Null, so dass trotz starrer Erdung der Schirme an den Enden kein
Induktionsstrom auf den Kabelmänteln fließt.
Abbildung 6: Auskreuzen der Kabelschirme, schematische Darstellung
10
Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen
Neben dieser klassischen Art des Crossbonding sind weitere Auskreuzmethoden mit
Vorteilen bei den im Fehlerfall zu erwartenden transienten Überspannungen möglich
[Che05]. Beim modifizierten Crossbonding [ANS575] wird die Kabelstrecke nicht in drei
gleiche
Teilstücke
mit
zwei
Crossbonding-Muffen
aufgeteilt,
sondern
in
vier
Kabelsektionen mit drei Crossbonding-Muffen, wobei hier zwei der vier Teillängen
zusammen genauso lang sind, wie die jeweiligen übrigen Segmente (s. Abbildung 7).
Abbildung 7: Modifiziertes CB Typ 1 nach ANSI/IEEE Std. 575, mit L1 + L2 = L
Optimale Kompensationsergebnisse werden beim Crossbonding mit Transposition der
Leiter (s. Abbildung 8) erzielt [Bro73]. Dieses Verfahren ist jedoch u. a. wegen des hohen
Installationsaufwandes und der thermischen Probleme an den Überkreuzungsstellen der
Kabel (Bildung von Hotspots) nicht üblich.
Abbildung 8: Crossbonding mit Transposition der Leiter
Anmerkung: Eine IEC-Norm zum Crossbonding entsprechend der zitierten ANSI/IEEENorm ist zurzeit nicht vorgesehen. Für den europäischen Raum existieren lediglich
Empfehlungen der CIGRE [Ele81], [Ele90], sowie eine Arbeitsgruppe „Special bonding of
HV cables“ [Ele05].
Zur Verbindung der in der Muffe unterbrochenen Kabelschirme mit der Crossbonding-Box
(s. auch Abbildung 57 auf Seite 68) kommen neben einfachen (Zweidraht-) Leitungen
Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen
auch
spezielle
Mittelspannungskabel
(s.
Abbildung
11
9)
zum
Einsatz.
Diese
Mittelspannungskabel unterscheiden sich von den gängigen Verteilungskabeln der
Energieversorgung
durch
einen
deutlich
vergrößerten
Schirmquerschnitt.
Im
symmetrischen dreiphasigen Betrieb ist der Schirm von Energiekabeln nicht vom
Laststrom durchflossen und dient lediglich zum Führen von Fehlerströmen und zum
Schutz bei mechanischen Beanspruchungen. Bei den Crossbonding-Kabeln muss der
Schirm (wie auch der Leiter) jedoch betriebsmäßig den Crossbonding-Strom tragen
können und ist daher als zweilagiger Drahtschirm größeren Querschnittes ausgelegt. Aus
Stabilitätsgründen sind diese zwei Lagen im Gegenschlag gewickelt.
Abbildung 9: Schematischer Aufbau eines CB-Zuleitungskabels
1: Innerer Leiter, 2: Innere LS, 3: VPE-Isolierung, 4: Äußere LS, 5: Äußerer Leiter, 6: Polster, 7: PE-Außenmantel, 8:
Extrudierte leitfähige Hülle
12
Stand der Technik bei der TE-Messung
4 Stand der Technik bei der TE-Messung
4.1 TE-Messsysteme
Um TE-Impulse messen und beurteilen zu können, müssen diese aus dem Prüfling
ausgekoppelt
und
einem
geeigneten
Auswertesystem
zur
Signalaufbereitung,
Signalverarbeitung und zur Visualisierung bzw. Datensicherung zugeführt werden. Auf
dem Markt sind zu diesem Zweck verschiedene TE-Messsysteme unterschiedlicher
Hersteller verfügbar, die in der Regel einkanalige TE-Messungen in z. T. vordefinierten
festen Frequenzbändern erlauben. Diese Messsysteme sind jedoch überwiegend für den
Prüffeldeinsatz optimiert und ermöglichen u. A. keine ausreichende Flexibilität, um z. B.
unter Vor-Ort-Bedingungen temporär auftretenden frequenzstarren Störern durch Variation
der Messfrequenz oder Messbandbreite geeignet ausweichen zu können. Empfindliche
TE-Messungen vor Ort sind damit in der Regel nicht möglich. Ebenso sind diese Systeme
für zeitgleiche TE-Messungen an verschiedenen Auskoppelstellen ungeeignet, da bei
ihnen i. A. lediglich ein einzelner Messkanal zur Verfügung steht, der Teilentladungen an
mehreren
Messstellen
nur
zeitlich
nacheinander
(unter
Verwendung
eines
Messumstellers) erfassen kann. Bei langen Hochspannungs-Kabelstrecken z. B. ist jedoch
gerade eine synchrone TE-Messung aller unter Prüfspannung stehender Garnituren zur
Reduzierung der Messzeit, aber vor allem auch zur Minimierung des Risikos eines sonst
nicht zu beobachtenden ungewollten Ausfalles dringend notwendig.
Im Rahmen dieser Forschungsarbeit bestand die Möglichkeit, ein neuartiges digitales
Mehrstellen-TE-Messsystem bereits im Prototyp-Stadium mit zu erproben, an der
Fortentwicklung z. B. der Auswertverfahren mitzuarbeiten und die Eigenschaften des fertig
gestellten Gerätes schließlich vor Ort zu untersuchen. Dieses Messsystem erlaubt einen
nahezu freien Zugriff auf alle Frequenzparameter und damit eine optimale Anpassung an
die gestörte Vor-Ort-Umgebung. Durch ein modulares Systemkonzept mit mehreren
synchron
arbeitenden
autonomen
TE-Erfassungseinheiten
ist
zudem
die
neue
Möglichkeiten bietende zeitgleiche Mehrstellen-TE-Messung möglich (s. Kapitel 8). Dieses
Messsystem wird in Kapitel 5.1 detailliert beschrieben. Die oben angesprochenen
konventionellen TE-Messsysteme kamen daher im Rahmen dieser Arbeit nicht zum
Einsatz und werden an dieser Stelle nicht näher betrachtet. Ihre ausführliche
Beschreibung kann der Literatur entnommen werden [Hae04] [PDS04] [LDI05].
Stand der Technik bei der TE-Messung
13
Unabhängig vom verwendeten TE-Messsystem kommt der Auskopplung der TE-Impulse
aus dem Prüfling eine entscheidende Rolle zu. Zu diesem Zweck sind verschiedene
sensorische Konzepte bzw. Messverfahren etabliert, die z. T. bereits für bestimmte
Betriebsmittel optimiert bzw. spezialisiert sind (z. B. integrierte kapazitive Sensoren zur
TE-Messung an Muffen). Im Folgenden soll daher ein Überblick über die gängigen
Auskoppelverfahren an Hochspannungs-Kabelanlagen gegeben werden.
4.2 Konventionelle TE-Auskopplung
Nach der IEC 60270 (High-voltage test techniques – Partial discharge measurement)
erfolgt die Messung von Teilentladungen am Kabelende. Die Auskopplung der TE-Impulse
erfolgt dabei über eine Messimpedanz Zmi (Auskoppelvierpol CD), die den durch den
lokalen Isolationszusammenbruch im Prüfling verursachten impulsartigen Nachladestrom
[Cri89] des parallel zum Prüfling angeschlossenen Koppelkondensators CK in ein
ladungsäquivalentes Spannungssignal konvertiert. Dieses Spannungssignal wird dann von
einem TE-Messsystem erfasst und verarbeitet.
4.2.1 Messkreise
Mehrere Arten der Verschaltung von Prüfling (Ca), Koppelkondensator (Ck) und
Messimpedanz (Zmi, CD) sind möglich [IEC 60270]. Abbildung 10 zeigt den Messaufbau
bei geerdetem Koppelkondensator CK.
Abbildung 10: Messaufbau bei geerdetem Koppelkondensator CK (Sperrimpedanz Z, Prüfling Ca,
Messimpedanz Zmi, Auskoppeleinheit CD, Messleitung CC, Messinstrument MI)
In diesem Fall liegt der Prüfling mit der Messimpedanz Zmi in Serie, was bei Prüflingen mit
kleinem Kapazitätswert zu einer guten Messempfindlichkeit führt. Bei einem Durchschlag
des Prüflings liegt allerdings die volle Prüfspannung an der Messimpedanz Zmi an, so dass
14
Stand der Technik bei der TE-Messung
die nachgelagerte Messtechnik durch entsprechende Überspannungsschutzeinrichtungen
abgesichert werden sollte.
Da bei den meisten Hochspannungsprüflingen eine isolierte Aufstellung oder eine
Auftrennung der Erdverbindung nicht möglich ist, muss die Messimpedanz Zmi in der
Regel in den Erdzweig des Koppelkondensators CK eingebracht werden. Hierzu muss
dieser isoliert aufgestellt werden, die Erdverbindung des Prüflings bleibt bestehen.
Abbildung 11 zeigt diese Anschlussvariante.
Abbildung 11: TE-Aufbau mit Prüfling auf Erdpotenzial
Die erreichbare Empfindlichkeit bei beiden genannten Varianten der TE-Messung wird
dabei in großem Maße von der Größe des verfügbaren Koppelkondensators CK, bzw.
durch das Verhältnis von CK zur Prüflingskapazität Ca bestimmt. Die messbare Ladung qm
eines TE-Impulses berechnet sich dabei aus der scheinbaren Ladung nach Gleichung 1.
qm = q s ⋅
Ck
Ck + Ca
Abbildung 12 verdeutlich den Zusammenhang grafisch.
Gleichung 1
Stand der Technik bei der TE-Messung
15
1,0
qm /q
s
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
0,001
0,01
0,1
1
10
100
1000
Ck / Ca
Abbildung 12: Einfluss von Koppelkondensator CK und Kapazität des Prüflings Ca auf qm
Kabelanlagen stellen aufgrund ihrer großen Länge eine enorme kapazitive Last dar (z. B.
400-kV-VPE-Diagonale Berlin: ca. 11,5 km, ca. 2,2 µF; London 400-kV-VPE: 20 km,
4,4 µF; Augsburg 110-kV-VPE: ca. 3,8 km, ca. 700 nF). Mit den gängigen verfügbaren
Kapazitätswerten von vor-Ort-tauglichen Koppelkondensatoren für die geforderten
Spannungsebenen würde sich dadurch zwangsläufig eine erhebliche Reduzierung der
Messempfindlichkeit ergeben. Eine TE-Messung mit Koppelkondensator ist damit nicht
sinnvoll. Als Alternative ist bei einphasigen TE-Messungen an Kabelanlagen die
Verwendung einer Nachbarphase (oder beider Nachbarphasen, vgl. [Pla03]) als
Koppelkondensator möglich. An dieser Stelle wird die Forderung nach TE-Freiheit des
Koppelkondensators zu Gunsten einer deutlich erhöhten Messempfindlichkeit aufgegeben.
Bei auftretenden TE-Signalen kann durch den Vergleich der Messergebnisse aller drei
Phasen jedoch eindeutig geklärt werden, welche der Phasen TE-behaftet ist.
Eine weitere Variation bei der zeitgleichen Messung von zwei Phasen eines Kabelsystems
ist die Auskopplung von TE-Signalen über eine Brückenschaltung (s. Abbildung 13), die
ein hohes Maß an Gleichtaktunterdrückung ermöglicht.
16
Stand der Technik bei der TE-Messung
Abbildung 13: Brückenschaltung aus zwei gleichartigen Prüfobjekten bzw. Kabeln
Dieses Messprinzip basiert auf der Annahme, dass die messbaren Signale von
auftretenden TE-Fehlern aus dem Prüfling zeitlich nicht zu Impulsen aus der als
Koppelkondensator fungierenden Nachbarphase korreliert sind, wo hingegen Störimpulse
(hauptsächlich an den Kabelenden eingekoppelte Koronastörer von parallelen unter
Spannung stehenden Systemen) durch beide an der Messung beteiligte Phasen laufen
und zeitgleich (und polaritätsgleich) am Messort auftreten. Durch die Verwendung eines
Ferritübertragers bei der TE-Auskopplung können diese Gleichtaktstörer wirkungsvoll
unterdrückt
werden.
Bei
diesem
Messverfahren
wird
vorausgesetzt,
dass
die
Prüfspannungsquelle vor Ort ausreichend Leistung für mehrere Phasen bereitstellen kann.
4.2.2 Messimpedanz
Die Messimpedanz ist in der Regel als passiver analoger Bandpassfilter aufgebaut. Tiefe
Frequenzanteile, vornehmlich der Bereich in der Nähe der Prüf- bzw. Betriebsfrequenz,
werden zum Schutz der angeschlossenen Messtechnik hochgradig unterdrückt. In einem
breiten ungedämpften Bereich (<1 MHz) erfolgt dann die Auskopplung der TE-Impulse. In
diesem Auskoppelbereich können zusätzlich fest integrierte weitere Filter (Bandsperren)
vorgesehen sein, die bekannte schmalbandige frequenzstarre Störer, vornehmlich
amplitudenmodulierte Rundfunksender, unterdrücken. Hier ist darauf zu achten, dass sich
durch die Reduzierung des nutzbaren Frequenzspektrums folglich auch die auskoppelbare
Energie des TE-Impulses reduziert. Bei mobilen TE-Messsystemen ist zudem davon
auszugehen, dass durch regionale Unterschiede bei den terrestrischen Sendefrequenzen
fest implementierte Bandsperren nicht sinnvoll sind. Hier kann die Unterdrückung dieser
Störer durch programmierbare Filter auf der Softwareseite des TE-Messsystems, z. B.
durch adaptive Filteralgorithmen, erfolgen.
Stand der Technik bei der TE-Messung
17
Ein weiterer Zweck der Bandpassfilterung in der Messimpedanz ist eine Quasiintegration
des Messsignals im Zeitbereich zur Ermittlung der Impulsladung. Dabei berechnet sich
nach Fourier die spektrale Energie eines beliebigen Stromimpulses nach Gleichung 2:
+∞
F ( jω ) = ∫ i (t ) ⋅ e − jωt ⋅ dt
Gleichung 2
−∞
Bekanntlich
ist
das
Stromintegral
über
die
Zeit
die
gesuchte
Impulsladung q
(s. Gleichung 3).
+∞
q = ∫ i (t ) ⋅ dt o
Gleichung 3
0
Rechnerisch entspricht also der spektrale Signalanteil bei Gleichspannung (f = 0 Hz) dem
gesuchten Ladungswert q. Da jedoch, wie oben beschrieben, Frequenzen im Bereich der
Prüfspannung (und darunter) bei der Auskopplung unterdrückt werden, steht dieser
Frequenzanteil zur weiteren Auswertung nicht zur Verfügung. Unter der Annahme, dass
der Verlauf des Frequenzspektrums bis hin zu einer charakteristischen Grenzfrequenz fG
nahezu konstant verläuft, ist eine korrekte Ladungsbestimmung auch durch eine
Bandpassmessung im Bereich dieser konstanten Amplitude des Frequenzspektrums eines
TE-Impulses oberhalb von 0 Hz möglich. Die schmalbandige Bandpassmessung
ermöglicht zudem bei Kenntnis des aktuellen Störspektrums der Umgebung die gezielte
Auswahl
eines
Frequenzbereiches
zur
TE-Messung,
der
weitgehend
frei
von
frequenzstarren Störern ist.
4.3 Nichtkonventionelle Feldkopplung
Wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, führt die klassische Auskopplung von TEImpulsen an den Kabelenden mittels Koppelkondensator und Messimpedanz oft nicht zu
den geforderten Messempfindlichkeiten von einigen Picocoulomb (pC). Eine Alternative zu
dieser klassischen galvanischen Auskopplung stellt die TE-Detektion mittels Feldkopplung
dar. Bei diesem Verfahren werden durch geeignete Feldsensoren die von TE-Impulsen
18
Stand der Technik bei der TE-Messung
erzeugten elektrischen und magnetischen Feldkomponenten erfasst und in messbare
Spannungssignale umgewandelt [Tia02] [Pla02] [Wie03b].
Feldsensoren arbeiten im Allgemeinen in einem Frequenzbereich oberhalb von 1 MHz und
sind daher nicht IEC-konform. Zudem gelten sie als im klassischen Sinne nicht kalibrierbar
(Ausgangssignal in mV statt in pC). Durch eine Vielzahl von erfolgreichen Messungen,
gerade auch unter gestörten Vor-Ort-Bedingungen, konnten sich diese Sensoren jedoch
bereits bewähren. In kommenden Normen bzw. Normanpassungen werden Feldsensoren
und deren Kalibrierung [Wan05] daher Berücksichtigung finden, jedoch noch nicht in der
aktuellen Neugestaltung der IEC 60060-3 zur Normierung der Vor-Ort-Prüf- und
Messtechnik
[IEC60060].
Des
Weiteren
ist
es
im
Prüfbetrieb
für
Hochspannungskabelanlagen üblich, dass Absprachen zwischen Kunde und Prüfern
gültige Normen ergänzen bzw. ersetzen [Küc05]. Der Einsatz von Feldsensoren ist bereits
heute üblich und in vielen Fällen die einzig sinnvolle Methode zur Signalerfassung bei TEMessungen ausgedehnter Kabelanlagen.
Als sinnvoller Einbauort für Feldsensoren ist der Bereich um die Kabelgarnituren zu
nennen. Zum einen kann der Feldsensor bei der Garniturenmontage vor Ort mit geringem
zusätzlichem Arbeitsaufwand implementiert werden. Oft ist sogar die Integration von
Feldsensoren in Garnituren schon bei deren Herstellung im Werk möglich, so dass vor Ort
keine zusätzlichen Arbeitsschritte notwendig werden. Zum anderen ist der Sensor mit
seiner Anbringung in direkter Nähe zur Garnitur nahe der potenziellen TE-Fehlstelle
platziert, da das Hochspannungskabel (VPE) schon im Kabelwerk auf TE-Freiheit
untersucht worden ist, so dass in der Regel nur Komponenten, die vor Ort montiert werden
(Muffen und Endverschlüsse), als TE-Fehlstellen in Frage kommen.
Ein weiterer positiver Effekt bei der TE-Auskopplung mittels Feldsensoren ist die
störunterdrückende Wirkung des Prüflings selbst [Bog92]. Aufgrund der großen
Kabelkapazität wirkt der Prüfling als Tiefpassfilter und dämpft damit im relevanten
Frequenzbereich größer 1 MHz externe Störimpulse soweit, dass diese von den
Feldsensoren im Bereich der Muffen nur noch mit stark reduzierter Amplitude erfasst
werden können. Der Überwachungsbereich der Feldsensoren kann so auf die nahe
Umgebung der Garnituren beschränkt werden.
Stand der Technik bei der TE-Messung
19
4.3.1 Kapazitive Sensoren
Die Erfassung der elektrischen Feldkomponente eines TE-Impulses erfolgt durch
kapazitive Sensoren [Hei03], [Pla02]. Dabei kann die Sensorelektrode als leitfähiger
Streifen in Form eines Zylindermantels um die Kabelader realisiert werden (CCS, Coaxial
Cable Sensor, s. Abbildung 14). Die Sensorelektrode wirkt dabei zusammen mit dem
äußeren Kabelschirm als Kapazität. Es entsteht ein kapazitiver Spannungsteiler aus Kabel
und Sensor, der die Auskopplung von impulsartigen Signalen aus dem Energiekabel bzw.
der Garnitur ermöglicht [Hen96] [Che00].
Diese Ausführungsart des kapazitiven Sensors muss vor Ort montiert werden.
Infolgedessen müssen auch der geöffnete Kabelschirm und der schützende Kabelmantel
nach der Sensormontage wieder hergestellt und deren ordnungsgemäßer Zustand
nachgewiesen werden. Als zusätzliche Schwachstelle ist auch die Messleitung zu nennen,
die das Sensorpotenzial zur Messung aus dem Kabel nach außen führt. Diese durchstößt
zwangsläufig den Kabelmantel und muss daher gegen möglichen Wassereintritt
ausreichend geschützt werden.
Konstruktiv ausgereifter sind kapazitive Feldsensoren, die schon bei der Herstellung der
Garnituren direkt in diese implementiert wurden. Hier können die vorhandenen
feldsteuernden Deflektoren als kapazitive Sensorfläche genutzt werden [Gro99]. Dabei
wird der halbleitende und damit frequenzabhängige Charakter des Deflektorwerkstoffes
ausgenutzt. Während der Deflektor für die betriebsfrequenten Felder die feldsteuernde
Funktion innerhalb der Muffenkonstruktion übernimmt, können durch TE verursachte
hochfrequente Felder an diesem über einen Shuntwiderstand zur messtechnischen
Erfassung abgegriffen werden.
a) Koaxialer Kabelsensor (CCS)
Abbildung 14: Ausführungsformen kapazitiver Sensoren
b) Deflektor als Sensorelektrode
(schematisch)
20
Stand der Technik bei der TE-Messung
Da in den meisten Fällen lediglich ein einzelner kapazitiver Sensor je Muffe realisiert wird,
ist eine genaue Ortung eines TE-Fehlers durch Laufzeitauswertungen innerhalb der Muffe
nicht möglich. Eine cm-genaue Fehlerortung ist auch aufgrund der auf ca. 20 MHz
limitierten oberen Grenzfrequenz des Sensors selbst bei zwei Sensoren nur sehr
eingeschränkt möglich. Da jedoch bei Hoch- und Höchstspannungskabeln davon
ausgegangen werden kann, dass TE-Fehler lediglich in den erst vor Ort montierten Muffen
und Endverschlüssen auftreten, ist unter Verwendung des in Kapitel 5.1 beschriebenen
synchronen Mehrstellen-TE-Messsystems eine eindeutige Zuordnung von TE-Signalen zur
jeweiligen fehlerbehafteten Garnitur mit einer, in Kapitel 8.1.3 vorgestellten, an allen
Muffen gleichzeitigen, hochpräzisen Messung der Absolutzeit der TE-Signale möglich.
Bei dem für kapazitive Sensoren typischen Frequenzbereich von ca. 2 MHz bis 20 MHz
werden hochfrequente Impulse bei ihrer Ausbreitung im Kabel bereits so stark gedämpft,
dass die Abnahme der Impulsamplituten vom Entstehungs- zum Messort sowie die
Impulsverformung [Ben05] i. A. eine klare Unterscheidung des Impulsursprungs
ermöglichen (s. Abbildung 15).
Abbildung 15: Signaldämpfung in Abhängigkeit vom Messort (schematisch)
So können z. B. auch Koronastörer eindeutig von TE aus der Muffe unterschieden werden.
Unabhängig davon ermöglicht die hochpräzise Erfassung der Absolutzeit die Feststellung
der Richtung der Impulsausbreitung und damit ebenfalls eine sichere Unterscheidung des
Impulsursprungs.
Aus den oben genannten Gründen ist es jedoch nicht möglich, den kapazitiven Sensor
durch eine Einspeisung einer Referenzladung am zugänglichen Kabelende vor Ort zu
Stand der Technik bei der TE-Messung
21
kalibrieren [Azc05]. Der Kalibrierimpuls müsste das Kabel mehrere 100 Meter bis hin zum
Sensor in der ersten Muffe durchlaufen und wäre dort stark gedämpft. Die für eine
quantitative TE-Auswertung erforderliche Kalibrierung muss deshalb an einer zusätzlich
aufgebauten Muffe mit kurzen Kabeln im Labor stattfinden. Die Empfindlichkeit des
Sensors ist dabei ausschließlich vom System Kabel-Muffe abhängig (z. B. Geometrie,
Leitfähigkeit der Leitschicht). Bei zwei vorhandenen baugleichen Sensoren an einer Muffe
ist zudem eine Kreuzkalibrierung denkbar [Wan05]. Hier fungiert einer der Sensoren als
Kondensator zur Einspeisung des Kalibriersignals, während der andere Sensor als
Auskoppelkondensator dient. Nach Gleichung 4 entspricht aufgrund der Symmetrie der
Sensoren der halbe Wert der ermittelten Koppeldämpfung dem Dämpfungswert X eines
einzelnen Sensors.
2 ⋅ X [dB] = 20 ⋅ log
U in
U out
Gleichung 4
Auch auftretende Signalverluste durch Teilreflexionen innerhalb der Muffenkonstruktion
müssen dabei berücksichtigt werden.
4.3.2 Richtkopplersensoren
Ein Richtkoppler ist ein aus der Nachrichtentechnik bekanntes Bauelement [Mei86], mit
dem sich vor- und rücklaufende Signale getrennt auskoppeln lassen. Das Koppelverhalten
von Richtkopplersensoren beruht auf einer Überlagerung von induktiver und kapazitiver
Kopplung. Dadurch können Richtkopplersensoren in einem weiten Bereich abgestimmt
werden, d.h., es wird das Verhältnis von induktiver und kapazitiver Kopplung eingestellt.
Bei einem idealen Richtkoppler sind induktive und kapazitive Kopplung exakt gleich groß.
Abbildung 16 zeigt das Prinzip der konstruktiven und destruktiven Signalüberlagerung.
22
Stand der Technik bei der TE-Messung
Abbildung 16: Funktionsprinzip des RKS
Ein Signal auf Leitung 1 (in Abbildung 16 dargestellt durch den gerichteten Strompfeil I,
grün) hat auf Leitung 2 sowohl eine gleichtaktförmige induktive Koppelkomponente (IM,
blau), wie auch eine gegentaktförmige kapazitive Koppelkomponente (IC, rot) zur Folge,
die sich jeweils an den beiden Messwiderständen überlagern und zu den beschriebenen
Ausgangssignalen führen [Ret99].
Der
Richtkopplersensor
zeichnet
sich
durch
eine
eindeutige
Anzeige
der
Impulsherkunftsrichtung aus. Ein auf den Richtkopplersensor treffendes Signal ist jeweils
an der der Herkunftsrichtung zugewandten Seite der Richtkopplerausgänge (Koppelpfad)
messbar (konstruktive Superposition der induktiven und kapazitiven Signalkomponente),
während am anderen Ausgang (Sperrpfad) idealer Weise kein Ausgangssignal erscheint
(destruktive Superposition). Bei idealen Richtkopplern kommt es zu einer vollständigen
Auslöschung der Signale im Sperrpfad. In der Praxis erreichen reale Richtkopplersensoren
ein Koppelverhältnis (Signalverhältnis Sperrpfad zu Koppelpfad) in der Größenordnung
1:10. Bis hinunter zu einem Signalverhältnis von 1:2 ist eine gesicherte Aussage über die
Herkunftsrichtung der TE-Signale jedoch meist unproblematisch.
Die Richtkopplersensoren werden üblicherweise innerhalb des Muffengehäuses direkt auf
die hiervon nicht beeinflusste äußere Leitschicht des Kabels montiert. Abbildung 17 zeigt
die Ausführungsvariante einer Muffe in Aufschiebetechnik mit zwei Richtkopplersensoren.
Alternativ ist auch eine Montage außerhalb des Muffengehäuses möglich, was vor allem
bei der Nachrüstung von TE-Sensoren vorteilhaft ist.
Stand der Technik bei der TE-Messung
23
Abbildung 17: 400-kV-Aufschiebemuffe mit Richtkopplersensoren innerhalb des Muffengehäuses
Durch logische Verknüpfung der vier Ausgangssignale der beiden Richtkopplersensoren
an einer Muffe ist eine eindeutige Klassifizierung der Signale in „von links kommend“, „von
rechts
kommend“
und
„TE
aus
der
Muffe“
möglich
[Pom97].
Für
maximale
Entscheidungssicherheit, d. h. großes Richtverhältnis, sollte der Richtkopplersensor für
jedes Kabel einmalig in seiner Geometrie speziell abgeglichen werden, da die
mechanischen und elektrischen Eigenschaften des Kabels, z. B. die Dicke der Isolierung
und die Leitfähigkeit der Leitschichten, in das Richtverhältnis eingehen [Hei01].
4.3.2.1 Induktive Richtkopplersensoren
Bei induktiv abgestimmten Richtkopplersensoren überwiegt induktive Kopplung [Hei03b].
Die Impulslaufrichtung wird beim induktiv abgestimmten Richtkoppler im Gegensatz zum
bisher betrachteten Richtkopplersensor über die Polarität der Ausgangssignale zweier
Sensoren bestimmt. Externe Störungen werden mit entgegengesetzter Polarität
ausgekoppelt. Signale mit dem Entstehungsort zwischen den beiden Sensoren, z. B. TE
aus der Muffe, werden dagegen mit gleicher Polarität ausgekoppelt und sind somit
eindeutig erkennbar (s. Abbildung 18).
24
Stand der Technik bei der TE-Messung
a) TE aus der Muffe
b) Externer Störimpuls
Abbildung 18: Ausgangssignale induktiv abgestimmter Richtkopplersensoren
Die Funktionsweise der induktiv abgestimmten Richtkopplersensoren leitet sich aus dem
Grundprinzip eines Richtkopplers ab, bei dem die kapazitive Kopplung fehlt. Der Sensor
und der Innenleiter des Hochspannungskabels bilden ein System von zwei verkoppelten
Leitungen, die eine gemeinsame Induktivität MK besitzen. Der induktiv abgestimmte
Richtkopplersensor
hat
nur
ein
Ausgangssignal
pro
Sensor.
Der
bei
den
Richtkopplersensoren notwendige zweite Ausgang entfällt, da er eine redundante
Information enthält. Zur Überwachung einer Muffe wird je ein Sensor links und rechts der
Muffe montiert.
Besonders vorteilhaft an induktiven Richtkopplersensoren ist, dass sie im Gegensatz zu
„normalen“ Richtkopplersensoren nicht für jedes Kabel in ihrer Geometrie speziell
abgestimmt werden müssen, und dass die Auswerteelektronik nur zwei Signale an einer
Muffe auswerten muss. Zudem kann die erforderliche Bandbreite der Auswerteelektronik –
abhängig von der geforderten Empfindlichkeit, die bei voller Bandbreite wie bei
Richtkopplern ist – deutlich reduziert werden, ohne dass die Entscheidungssicherheit über
die TE-Herkunft, d.h. TE aus der Muffe oder von extern, beeinflusst wird. Demgegenüber
steht der für die praktische Anwendung in vielen Fällen vertretbare Nachteil, dass mit dem
induktiven Richtkopplersensor die Herkunftsrichtung von externen Störsignalen nicht mehr
differenziert werden kann.
Stand der Technik bei der TE-Messung
25
4.3.3 Induktive Sensoren
Induktive Sensoren nutzen die magnetische Feldkomponente eines TE-Impulses [Xin04]
und können außen über dem Mantel des Energiekabels montiert werden. Durch geeignete
Schirmmaßnahmen ist dabei sicherzustellen, dass keine elektrischen Feldkomponenten
das Messsignal überlagern. Eine verbreitete Ausführungsform eines induktiven Sensors ist
die Rogowskispule. die aufgrund ihrer regelmäßigen geometrischen Eigenschaften und
der Abschirmung gegenüber den elektrischen Feldkomponenten zur Auskopplung von TEImpulsen an Energiekabeln vorteilhaft ist [Rog12] [Koh85] [Ber87] [Sch94].
Kurzschluss
Leiter
Schirmunterbrechung
Messanschluss
Abbildung 19: Prinzip Rogowskispule [Wie05]
Rogowskispulen zeichnen sich durch eine große Messbandbreite und durch einen breiten
linearen Übertragungsbereich aus [Ray00]. Aufgrund der Verwendung von ausgedehnten
Leitungselementen als Sekundärwicklung des zusammen mit dem Hauptstrompfad
entstehenden Transformators müssen bei der Verwendung dieser Sensoren jedoch u. U.
Wanderwelleneffekte berücksichtigt werden [Bel85].
4.4 Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach dem aktuellen Stand der Technik eine
Vielzahl von unterschiedlichen Sensoren zur TE-Auskopplung verfügbar ist, die in
Kombination mit speziellen Messverfahren und konventionellen TE-Messsystemen für
kommerzielle Messaufgaben eingesetzt werden können. Diese Sensoren und Verfahren
decken dabei aber nicht alle denkbaren und auftretenden Einsatzfelder in ausreichender
Weise ab, so dass oft bzw. für spezielle Messsituationen die hohe geforderte
26
Stand der Technik bei der TE-Messung
Messempfindlichkeit vor Ort nicht erreicht werden kann. So sind zwar z. B. in Muffen
integrierte Feldsensoren (kapazitive Sensoren oder Richtkopplersensoren) optimal zur
empfindlichen TE-Auskopplung und Beurteilung dieser Garnituren geeignet. Fehlen jedoch
diese Sensoren (bei älteren Kabelanlagen oder bewusstem Verzicht bei der Planung), ist
eine Nachrüstung oft nicht möglich oder zu aufwändig. Sensorlose Muffen, aber auch
verschiedene Arten von Kabeleinführungs-Endverschlüssen, sind somit nach aktuellem
Stand der Technik nicht ausreichend empfindlich auf ihre TE-Freiheit hin zu untersuchen.
Hier müssen daher neue und alternative Auskoppelverfahren und Sensoren bzw.
neuartige Messtechniken (Mehrstellen-TE-Messung) zum Einsatz kommen, deren Eignung
zur empfindlichen TE-Auskopplung und TE-Messung im Folgenden (s. Kapitel 6: Neue
Auskoppelverfahren und Sensoren) detailliert beschrieben wird.
Versuchstechnik zur TE-Messung
27
5 Versuchstechnik zur TE-Messung
5.1 Beschreibung des verwendeten TE-Messsystems
Für die Durchführung der TE-Messungen wurde ein neuartiges digitales Mehrstellen-TEMesssystem verwendet, welches dem systemkundigen Benutzer den Zugriff auf eine
Vielzahl von Programmparametern und gespeicherten Daten erlaubt und somit auch
weiterführende
und
über
den
Standardbetrieb
hinausgehende
wissenschaftliche
Untersuchungen ermöglicht. Im Rahmen dieser Arbeit bestand die Möglichkeit, bereits am
Prototyp dieses Gerätes die Eignung und Möglichkeiten der digitalen Messdatenerfassung
und komplexen Nachbereitung zu erproben und z. B. an der Entwicklung neuer
Auswerteverfahren mitzuarbeiten. Aufgrund der in dieser Arbeit durchgeführten TEMessungen konnte das Messsystem zudem entscheidend verbessert werden, z. B. bei der
Systemgenauigkeit der Absolutzeiterfassung von TE-Impulsen. Somit kann z. B. eine
hochpräzise TE-Fehlerortung an Hochspannungskabeln auch mit räumlich verteilter
Sensorik durchgeführt werden.
Abbildung 20: Komponenten des digitalen Mehrstellen-TE-Messsystems MPD 540
(v.l.n.r.: TE-Erfassungseinheit, Akku zum potenzialfreien Betrieb, LWL zur potenzialfreien Kommunikation, USBController, Notebook)
Das PC-gestützte System (Fa. mtronix, aktuelles System: MPD 540 [Mtr04], s. Abbildung
20)
besteht
aus
i. A.
mehreren
autonom
arbeitenden,
batteriebetriebenen
Erfassungseinheiten, die die messbaren elektrischen Signale (Teilentladungen und
Prüfspannung) erfassen, vorverarbeiten und zur potenzialfreien Übertragung optisch
umsetzen. Alle Erfassungseinheiten arbeiten dabei streng synchron, was eine Nutzung
28
Versuchstechnik zur TE-Messung
dieses Systems (im Gegensatz zu Multiplex-Systemen) für eine streng synchrone
Mehrstellen-TE-Messung qualifiziert. Die Einbindung dieser Messsysteme in ein
neuartiges komplexes Mehrstellen-Messverfahren ist auch Gegenstand dieser Arbeit und
wird u. a. in Kapitel 8 (TE-Ortung durch verteilte Sensorik) beschrieben.
Die TE-Signale werden mit einer Abtastrate von 64 MS/s und einer Quantisierung von
14 Bit digitalisiert. Durch die nahezu freie Wahl eines Filterbandes (digitaler Bandpass)
kann zur TE-Messung ein spektraler Bereich gewählt werden, der unter den jeweils auch
veränderlichen Vor-Ort-Bedingungen den günstigsten Signal-Rausch-Abstand (SNR) und
die beste Messempfindlichkeit erzielt. Unabhängig vom Signalpfad durch das Messfilter
wird zur visuellen Unterstützung zyklisch wiederholt eine Fourieranalyse (FFT) der
Eingangssignale mit der vollen zur Verfügung stehenden analogen Bandbreite von
20 MHz durchgeführt und dargestellt (s. Abbildung 21).
Abbildung 21: Blockschaltbild einer Erfassungseinheit des MPD 540
Nach einer Signalübertragung über LWL übernimmt ein USB-Controller am Messrechner
die notwendige optisch-elektrische Umsetzung der gewonnenen Daten. Die OnlineVisualisierung der TE-Daten erfolgt für alle verwendeten Erfassungseinheiten am PC in
Form von phasenaufgelösten Häufigkeitsdiagrammen der Impulsladung (q-H-φ-Diagramm,
im Folgenden als „Fingerprint“ bezeichnet). Des Weiteren besteht die Möglichkeit, einzelne
TE-Impulse oszillografisch darzustellen und zu vermessen. Speziell für die Fehlerortung in
Energiekabeln steht zusätzlich ein auf Reflektografie basierendes Auswerteverfahren zur
Verfügung. Zur weiteren Störunterdrückung ist eine Ausblendung von Störsignalen durch
Software- und Hardware-Gating möglich.
Versuchstechnik zur TE-Messung
29
Die Prüfspannung kann für jede Erfassungseinheit separat aufgezeichnet und in ihren
Momentanwerten oszillografisch dargestellt werden. Die Digitalisierung mit 24 Bit bei
100 kS/s ist dabei entschieden hochwertiger als bei vergleichbaren verfügbaren
Messsystemen [LDI05] [PDS04] [Hae04] und ermöglicht so die Erfassung kleinster
Schwankungen im Prüfspannungsverlauf, die bei verschiedenen Verfahren der PulsSequenz-Analyse (z. B. Δ U- oder Δ φ-Methode) einen signifikanten Einfluss haben
können [Lap00]. Für eine Protokollierung des Messverlaufes in Form einer Trendkurve
sind zusätzlich der Effektivwert der Prüfspannung und der TE-Pegel über der Zeit grafisch
aufgetragen.
Unabhängig von der Visualisierung können alle gewonnenen Messdaten in Form eines
Daten-Streams
digital
gespeichert
werden.
Diese
Stream-Datei
beinhaltet
den
vollständigen Datentransfer aller Erfassungseinheiten zum Messrechner und liefert so ein
vollständiges Abbild der gesamten Messung. Die Stream-Daten können für eine OfflineAnalyse (Replay-Modus) jederzeit wieder dem Messrechner zugeführt werden, um
gegebenenfalls den Schwerpunkt der Auswertung durch eine Variation der einstellbaren
Parameter zu verändern. Die Möglichkeit der Konvertierung des systemeigenen StreamFormates
in
offene
Datenformate
(MatLab,
ASCII)
ermöglicht
speziell
dem
wissenschaftlichen Anwender beliebige Freiheitsgrade in der weiterführenden OfflineAnalyse. An dieser Stelle sei beispielhaft die 3PARD-Visualisierung [Pla02b] genannt, die
für die im Folgenden beschriebenen Messungen im Rahmen dieser Arbeit (s. auch
Kapitel 5.3.2) vom Autor realisiert worden ist und in folgenden Programmversionen als
Online-Darstellung implementiert werden soll (Stand: Juni 2005).
Weitere
speziell
auf
das
MPD 540
abgestimmte
Zusatzkomponenten
sind
der
Systemkalibrator MPD 501 und die auf 20 MHz Bandbreite optimierten Messimpedanzen
(Auskoppelvierpole)
mit
optionalen
analogen
Bandsperren
für
starke
lokale
Rundfunksender.
Zu Beginn dieser Arbeit kam auch das Vorgängermodell MPD 520 zum Einsatz, welches
dem Institut als Prototyp zur Verfügung stand und prinzipiell eine vergleichbare
Funktionalität zum MPD 540 besitzt.
5.2 Synchronitätstest der TE-Erfassungseinheiten
Im Rahmen der Vorbereitung zu einem Großprojekt mit einer synchronen TE-Messung an
22 Garnituren einer Hochspannungskabelanlage wurde am Institut "Prüffeld für elektrische
30
Hochleistungstechnik" GmbH
Versuchstechnik zur TE-Messung
(IPH-Berlin)
erstmals
ein
Systemleistungstest
mit
25 synchron arbeitenden Messstationen vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt handelte es
sich um die größte Anzahl jemals synchron messender autonomer Stationen dieses Typs.
Ziel dieses Systemleistungstests war zum einen auf Seiten der Hardware der generelle
Nachweis der Funktionsfähigkeit der entstehenden Messkette, hierbei insbesondere der
Nachweis der gleichzeitigen Impulserfassung aller Messstationen. Zum anderen sollte auf
Seiten der Software die sinnvolle visuelle Einbindung und Darstellung der Messergebnisse
der einzelnen Messstationen sowie die Übersicht über die Gesamtheit der Messdaten
verifiziert werden. Zu diesem Zweck wurden 25 Messstationen über das optische
Kommunikationssystem miteinander vernetzt und mit einem Messrechner verbunden.
Abbildung 22 zeigt den Testaufbau der Messtechnik.
Abbildung 22: 25 Messstationen beim Systemleistungstest
Anmerkung: Abbildung 22 zeigt nicht alle der beteiligten Stationen. Einige der 25 Stationen sind fest in einem räumlich
ausgelagerten Prüfaufbau integriert, jedoch über LWL in die Messkette implementiert.
Mittels eines Kalibratorimpulses wurde über kurze koaxiale elektrische Verbindungen in
mehrere Messstationen zeitgleich ein Testsignal eingespeist. Abbildung 23 zeigt den
resultierenden Zeiterfassungsfehler exemplarisch für vier Messstationen der Messkette.
Versuchstechnik zur TE-Messung
31
2,50
Station 2
2,00
Station 7
Zeiterfassungsfehler [ns]
1,50
Station 9
Station 18
1,00
0,50
0,00
-0,50
-1,00
-1,50
-2,00
-2,50
Messwert
Abbildung 23: Zeiterfassungsfehler einzelner Messstationen bezogen auf Station 1
Der messtechnisch ermittelte durchschnittlich maximal auftretende Zeiterfassungsfehler
beträgt ca. 2 ns und liegt damit im Bereich der Herstellerangaben [Mtr04]. Zusätzliche
Systemkomponenten mit Einfluss auf die Absolutzeiterfassung, wie z. B. die zur optischen
Kommunikation benötigten Lichtwellenleiter, werden dabei durch interne Kalibriervorgänge
berücksichtigt und kompensiert. Bei dem ermittelten Zeitfehler von maximal 2 ns handelt
es sich um einen systeminternen Zeittakt in der Messhardware, der nicht weiter
kompensiert werden kann. Für den Anwendungsbereich der TE-Fehlerortung an
Energiekabelanlagen ergibt sich so eine theoretisch maximale Ortungsgenauigkeit von ca.
0,3 m (bei vc = 150 m/µs). Bei TE-Messungen vor Ort wurde bei der Verwendung eines
MPD 540 eine praktische Ortungsgenauigkeit von ca. 5 Metern erreicht [Kum05], die damit
immer noch weit über denen vergleichbarer Messsysteme liegt. Die nachgewiesene
nahezu synchrone TE-Erfassung aller beteiligten autonomen Messstationen unterstreicht
zusätzlich die Eignung des verwendeten Messsystems zur Mehrstellen-TE-Messung mit
verteilter Sensorik (s. Kapitel 8: TE-Ortung durch verteilte Sensorik). Im Gegensatz zu
anderen Mehrkanal-TE-Messsystemen (z. B. [Hae04b]) ist so eine präzise TEFehlerortung durch Laufzeitmessungen benachbarter TE-Erfassungseinheiten möglich.
32
Versuchstechnik zur TE-Messung
5.3 Beschreibung der Software
5.3.1 Bediensoftware
Ein wesentlicher Bestandteil des TE-Messsystems MPD 540 ist der Messrechner mit der
zugehörigen Betriebs- und Verarbeitungssoftware. Diese übernimmt die Parametrierung
der autonomen Messstationen und bestimmt damit maßgeblich das Verhalten des
gesamten Messsystems. Als Online-Analysetools stehen die oben beschriebenen
phasenaufgelösten
Häufigkeitsdiagramme,
Oszillogramme
der
Einzelimpulse
und
Frequenzspektren für jede Messstation zur Verfügung. TE-Ereignisse können als
Wertepaare von Absolutzeit und Impulsladung im MatLab-Format exportiert werden,
ebenso der Zeitverlauf der anliegenden Prüfspannung.
5.3.2 Ergänzende Softwaretools zur komplexen Nachbereitung
Für eine umfangreiche Offline-Analyse können, basierend auf den Export-Daten, beliebige
Auswertealgorithmen zur Anwendung kommen (z. B. [Cav03] [Che01]). Als Grundlage für
eine möglichst umfassende Analyse von TE-Daten wurde im Rahmen dieser Arbeit bereits
für das Basismodell MPD 520 (Vorgängermodell des aktuellen MPD 540) ein Analyse-Tool
in der Entwicklungsumgebung Visual-Basic erstellt, in welchem eine Vielzahl von
bekannten Visualisierungsmöglichkeiten implementiert ist und das zudem in seiner
Funktionalität beliebig erweitert werden kann. Das vom Autor entwickelte Programm stellt
dabei auf der Benutzeroberfläche drei Grafikfenster zur Verfügung, die vom Anwender
beliebig genutzt werden können. Zum einen kann eine bestimmte Art der Visualisierung
auf drei verschiedene Messstationen zur Anwendung kommen. Dies ist z. B. sinnvoll, um
räumlich getrennte Messorte (z. B. Muffen der Phasen L1, L2, L3) miteinander zu
vergleichen. Zum anderen können aber auch verschiedene Analysearten für einen
einzigen Messort verglichen werden, was die eindeutige Klassifizierung eines einzelnen
TE-Fehlers mit mehreren mathematischen Ansätzen erlaubt. Besonders zu erwähnen sind
hier die Möglichkeiten der Impulssequenz-Analyse. Bei dieser Art der Auswertung werden
aufeinander folgende TE-Impulse miteinander in Beziehung gebracht und visualisiert
[Hoo97]. Dieser Ansatz ist eine Grundlage für computergestützte Expertensysteme, die
viele Analyseverfahren koppeln, um Fehlertypen zu klassifizieren.
Abbildung 24 zeigt einen Ausschnitt der Benutzeroberfläche des Analyseprogramms und
beispielhaft verschiedene TE-Muster eines einzelnen TE-Fehlers in der gängigen
Versuchstechnik zur TE-Messung
33
Fingerprint-Darstellung (links), in der ΔU/ΔU+1 -Darstellung (mittig) und in der m/m+1 Darstellung (rechts) [Lap00].
Abbildung 24: Anwendung verschiedener Algorithmen der Impulssequenzanalyse auf den selben
Satz von TE-Messdaten
Als weitere Zusatzfunktionen beinhaltet das Programm die 3PARD-Auswertung [Pla02b] in
der klassischen Form (Auswertung der Amplitudenverhältnisse von drei Impulsen), sowie
die 3PARD-ähnliche Vektoraddition von drei zeitgleichen TE-Signalen. Zusätzlich zur
Auswertung von drei zeitgleichen Impulsen ist hier auch die Berücksichtigung von nur zwei
zeitgleichen Impulsen realisiert worden. Diese Art der Auswertung nutzt auch Impulstripel,
bei denen einer der drei zur klassischen 3PARD-Darstellung erforderlichen TE-Impulse
nicht mehr aus dem Rauschen zu separieren ist und demnach nicht mehr für eine 3PARDAnalyse zur Verfügung steht. Die so entstehenden Cluster liefern damit in einer stark
gestörten
Messumgebung
gegenüber
der
klassischen
3PARD-Auswertung
einen
erheblichen Informationsgewinn. Als grafische Darstellungsart wurden farbkodierte Balken
zwischen den Phasenbezeichnungen im Sterndiagramm gewählt, die eine intuitive
Einordnung in das bestehende 3PARD-Diagramm gewährleisten.
34
Versuchstechnik zur TE-Messung
Abbildung 25: 3PARD-Visualisierung mit Zusatzfunktionen
Abbildung 25 zeigt anhand einer nicht näher beschriebenen Beispielmessung, dass in
diesem Fall nur 48 % aller aufgezeichneten Impulse als Tripel in die 3PARD-Analyse
eingehen, also in allen drei Phasen messbar sind. Zusätzlich gibt es mit einem Anteil von
17 % der verbleibenden tripelbereinigten Messdaten weitere Impulspaare der Phasen S
und T, die nicht in 3PARD visualisiert werden können, sondern die mit ihrer
Häufigkeitsverteilung
als
gesonderter
Streifen
unterhalb
des
3PARD-Diagramms
dargestellt sind.
Ebenfalls wurde eine Fehlerortung für TE-Fehler auf Energiekabeln, basierend auf
Laufzeitmessung von Reflexionen, programmiert. Diese Option wurde jedoch nicht
perfektioniert, da sie mittlerweile in der kommerziellen Software der Fa. mtronix
implementiert ist.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit dem digitalen Mehrstellen-TE-Messsystem
der Fa. mtronix ein sehr gut geeignetes Werkzeug zur TE-Messung entwickelt worden ist,
welches
zusätzlich
zur
implementierten
Grundfunktionalität
eine
komplexe
Nachbearbeitung der Datensätze durch die Bereitstellung der gewonnenen Messdaten in
Standardformaten ermöglicht. Im Rahmen dieser Arbeit wurden speziell für die
verwendeten Systeme Algorithmen zur nachträglichen Störunterdrückung und zur
vielfältigen Visualisierung der Messdaten entwickelt, die neuartige Ansätze bei TE-Messund Auswerteverfahren ermöglichen.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
35
6 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
6.1 Energiekabel als Koppelkondensator
Bei Kabelanlagen mit zugänglichen Freiluftendverschlüssen kann anstelle eines externen
Koppelkondensators eine zusätzliche parallele Kabelphase als Koppelkapazität zur TEAuskopplung verwendet werden.
6.1.1 Verwendung einer Phase als Koppelkondensator CK
Die Auswirkungen des konstruktiv bedingten ungünstigen Größenverhältnisses von
Prüflingskapazität und Koppelkondensator wurden bereits in Kapitel 4.2 beschrieben. Als
Alternative zu einem konventionellen Koppelkondensator ist daher prinzipiell die
Verwendung einer parallelen Nachbarphase möglich. Aufgrund der nahezu identischen
Eigenschaften
zweier
Phasen
eines
Systems
sind
Koppelkondensator
und
Prüflingskapazität gleich groß und längenunabhängig.
Nachteilig hierbei ist die für die zusätzlich hinzugewonnene Kapazität erforderliche
Ladeleistung, die die Prüfspannungsquelle vor Ort in Form von zusätzlicher Blindleistung
bereitstellen muss. Hieraus ergibt sich für die Praxis eine Reduzierung der prüfbaren
Kabellängen. An dieser Stelle wird wie schon beschrieben die Forderung nach TE-Freiheit
des
Koppelkondensators
zugunsten
einer
deutlich
erhöhten
Messempfindlichkeit
aufgegeben. Bei auftretenden TE-Signalen kann durch den Vergleich der Messergebnisse
aller drei Phasen jedoch eindeutig geklärt werden, welche der Phasen TE-behaftet ist.
6.1.2 Synchrone Mehrstellenmessung an allen drei Phasen
Als logische Weiterführung der Verwendung einer einzelnen Nachbarphase als
Koppelkondensator ist die zeitgleiche TE-Messung an allen drei Phasen eines Systems
ohne zusätzlichen Koppelkondensator möglich. Neben der zeitgleichen Messung aller drei
Einzelphasen ist dabei vor allem die dreiphasige Brückentechnik mit zweifach verkoppelter
Auskopplung im Erdzweig zu nennen (s. auch Abbildung 26). Nach [Pla03] werden dabei
die Leiter der drei Energiekabel miteinander verbunden und mit Prüfspannung
beaufschlagt.
Die
Auskopplung
der
TE-Impulse
erfolgt
induktiv
mit
drei
Transformatoren an den zugänglichen Erdverbindungen der Kabelendverschlüsse.
HF-
36
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Abbildung 26: Prinzip der dreiphasigen Brückenauskopplung im Erdzweig
Dabei werden die Erdverbindungen zweier Phasen gegensinnig durch jeweils einen
Ringkern gezogen, so dass sich die Impulse von Gleichtaktstörern im magnetischen Kern
des HF-Transformators gegenseitig eliminieren. Dagegen werden TE-Impulse, die ihren
Ursprung in einer der Phasen haben, als sog. Gegentaktimpulse ausgekoppelt und
messbar gemacht. Als geeignetes Auswertetool steht die 3PARD-Visualisierung zur
Verfügung, die eine Phasenzuordnung der einzelnen TE-Impulse übernimmt und eine
selektive Rücktransformation einzelner TE-Quellen in ein gewohntes Fingerprint-Bild
ermöglicht. Da eine TE-Erfassungseinheit des Messsystems mit jeweils zwei Phasen der
Kabelstrecke verknüpft ist, liegen die entstehenden Cluster einer Phase nicht auf den drei
Hauptachsen des Diagramms, sondern in den Bereichen zwischen den Achsen. Eine
Kalibrierung an allen drei Phasen stellt dabei sicher, dass die Zuordnung der Segmente zu
den Phasen fehlerfrei erfolgt.
Zur Erprobung dieses Verfahrens wurden im Rahmen einer Spannungsprüfung
experimentelle
TE-Messungen
an
einer
VPE-isolierten
110-kV-Kabelanlage
von
ca. 1080 Metern Länge innerhalb Berlins durchgeführt. Abbildung 27 fasst die Ergebnisse
mehrerer Kalibrier- und Messzyklen als Fingerprint und innerhalb einer 3PARDDarstellung
zusammen.
Abbildung
27 a)
zeigt
einen
in
gestörter
Umgebung
aufgezeichneten Fingerprint mit einem künstlichen Koronastörer am Endverschluss der
Phase U bei 30 kV Prüfspannung.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
37
TE-Fehler
Thyristor- / IGBT-Impulse
a) Fingerprint mit verschiedenen Impulsquellen
b) 3PARD-Separierung aller Impulsquellen
Abbildung 27: Auswertung der Versuchsmessung
Die Fingerprint-Darstellung in Abbildung 27 a) verdeutlicht, dass sich bei TE-Messungen
vor Ort mehrere Signale aus verschiedenen Quellen überlagern können. Neben einem zur
Resonanzprüfspannungsfrequenz von ca. 37,3 Hz nicht korrelierten breiten Rauschband
(resultierend aus schwebenden 50 Hz-Koronastörern der Umgebung) sind die vier
symmetrischen
Störimpulse
der
Thyristorsteuerung
der
Prüfspannungsquelle
als
senkrechte blaue Linien zu erkennen. Aufgrund ihrer hohen Amplitude sind die aus den
Impulsladungen resultierenden Diagrammpunkte im gewählten Maßstab der Darstellung
nicht mehr zu sehen, bzw. am äußersten oberen Rand der Grafik aufgetragen. Die
künstliche TE-Fehlstelle hingegen ist mit einer sehr großen Häufigkeit als phasenstarres
Cluster konstanter Amplitude auszumachen.
In der 3PARD-Darstellung lassen sich diese Impulsquellen gut unterscheiden. In
Abbildung 27 b) fallen die regelmäßig auftretenden Thyristorstörimpulse aufgrund ihrer
nahezu gleich großen Amplitude auf einen Punkt (gelb) nahe dem Ursprung zusammen.
Im gleichen Bereich, jedoch mit einer größeren Streubandbreite, sind die Störimpulse des
Grundrauschens zu erkennen. Diese Impulse im Bereich des Diagrammursprungs
repräsentieren somit Störer, die mit keiner einzelnen Phase des Systems vorzugsweise
verknüpft sind und somit nicht auf TE aus der Kabelanlage schließen lassen. Deutlich
außerhalb des Zentrums ist im zur Phase U gehörenden Drittel des Diagramms eine
Punktewolke zu erkennen, die die künstliche TE-Fehlstelle (Draht-TE) symbolisiert.
38
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Weiterhin zeigt die Darstellung eng begrenzte Cluster der im Vorfeld durchgeführten
Kalibrationseinspeisungen (200 pC) EU, EV, und EW in den entsprechenden Dritteln des
Diagramms. Die breitere Streuung des Clusters mit der Beschriftung EW 10pC resultiert
aus einer Kalibriermessung mit reduzierter Impulsladung und dem damit verbundenen
reduzierten Signal-Rausch-Abstand (SNR).
Durch diese Versuchsmessungen konnte gezeigt werden, dass eine empfindliche TEMessung auch ohne externen Koppelkondensator möglich ist. Die drei Kabelphasen
können dabei gegenseitig als Koppelkondensator fungieren und Gleichtaktstörer
wirkungsvoll unterdrücken. Durch die gleichzeitige Messung aller drei Phasen konnte die
3PARD-Technik zur Auswertung eingesetzt werden, welche eine Impulsseparation nach
verschiedenen TE-Quellen ermöglicht, so dass eine effektive Rauschunterdrückung
möglich wurde. Eine abschließende TE-Messung bei 160 kV Prüfspannung bestätigte die
TE-Freiheit der Kabelanlage bei einer Messempfindlichkeit von < 2 pC.
6.2 Richtkopplersensoren für GIL / GIS-Kabeleinführungen
Richtkopplersensoren auf VPE-isolierten Hochspannungskabeln entsprechen dem Stand
der Technik und ermöglichen hervorragende Messempfindlichkeiten mit inhärenter
Störunterdrückung. In gasisolierten Schaltanlagen (GIS) kommen zur TE-Messung
hingegen meist kapazitive UHF-Sensoren zum Einsatz, die ohne Richtungserkennung TESignale auskoppeln. Die Signalauswertung erfolgt dabei meist im Frequenzbereich, so
dass eine Laufzeitanalyse von Einzelimpulsen und zugehörigen Reflexionen nicht möglich
ist. Die TE-Überwachbarkeit einzelner GIS-Aufbauelemente ist damit jedoch ausreichend
gegeben. Das System wird als Komplettlösung von einem großen deutschen
Schaltanlagenhersteller für seine Anlagen kommerziell angeboten [Hüc98] [Sie05].
Schwachpunkt dieser Messsysteme ist allerdings der Bereich der Kabeleinführung (s.
Abbildung 30), also die Schnittstelle zwischen den Betriebsmitteln Kabel und GIS. Hier
kann mit gängiger Technik nicht zwischen TE aus der GIS-Anlage bzw. TE aus dem
Einführungsendverschluss unterschieden werden. Eine Unterscheidung ist jedoch von
großem Interesse für den Betreiber der Gesamtanlage, da die Komponenten Kabel bzw.
GIS in der Regel von verschiedenen Herstellern stammen und daher eine eindeutige
Zuständigkeit für eventuelle Nachbesserungen oder Garantieansprüche bei auftretenden
TE-Fehlern gewährleistet sein muss. Zur Behebung dieses Überwachungsdefizits wurde
die Richtkopplertechnik auf gasisolierte Betriebsmittel (GIS / GIL) übertragen [Hei03c].
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
39
In einem Versuchsaufbau (s. Abbildung 28) aus verschiedenen 245-kV-GIS-Elementen
wurden zwei Richtkopplersensoren (RKS) in Winkelbausteine montiert.
RKS1
RKS2
Abbildung 28: Versuchsaufbau zum Sensortest in GIS/GIL
An verschiedenen Stellen innerhalb des Gasraumes wurden künstliche TE-Fehlstellen
angebracht, die bei Überschreitung der TE-Einsetzspannung zu Ausgangssignalen an den
Richtkopplersensoren und an einem kapazitiven Referenzsensor führten. Abbildung 29
zeigt die erfassten Messsignale bei TE-Aktivität einer künstlichen Fehlstelle zwischen
beiden Sensoren.
a) TE-Fehler zwischen den Sensoren
Abbildung 29: Ausgangssignale der RKS
b) Vergleichsmessung RKS – UHF-Sensor
40
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Die Interpretation der Oszillogramme erfolgt analog zur Auswertung von TE-Messungen
mit Richtkopplersensoren der Kabeltechnik und ist in Kapitel 4.3.2 beschrieben. Der TEFehlerort zwischen den beiden Sensoren konnte erkannt und zentimetergenau bestimmt
werden. Abbildung 29 b) verdeutlicht, dass die Ausgangssignale der GIS-RKS in ihrer
Amplitude und Kurvenform mit den Spannungssignalen der kapazitiven UHF-Sensoren gut
übereinstimmen.
Dieser
Effekt
gewährleistet
eine
Abwärtskompatibilität
der
fortschrittlicheren Richtkopplersensorik, da unter Verlust der Richtungsselektivität eine
Einbindung in das bestehende TE-Messsystem der GIS-Anlage des Projektpartners auf
einfachste Art möglich war [Sie05].
Für weiterführende Untersuchungen speziell an gasisolierten Einführungsendverschlüssen
wurden die GIS-Richtkopplersensoren an einer 110-kV-Versuchsanlage des Institutes,
bestehend aus GIS-Elementen und gasisolierter Kabeleinführung mit steckbarer
Kabelverbindung, montiert und auch hier erfolgreich getestet (s. Abbildung 30).
a) Kabeleinführung 110-kV-Anlage
b) Schnittbild, schematisch
Abbildung 30: Richtkopplersensor in GIS
Eine eindeutige Zuordnung der TE-Fehlerquellen ist durch die kombinierte Verwendung
von Richtkopplersensoren auf dem Kabel und im GIS-Anlagenteil möglich.
6.3 HF-Transformatoren zur TE-Auskopplung
Hochfrequenztransformatoren (HF-Trafos) basieren auf dem Prinzip der in Kapitel 4.3.3
beschriebenen induktiven Sensoren und bilden zusammen mit dem primären Leiter ein
geeignetes Auskoppelsystem für TE-Impulse. Ihre Übertragungseigenschaften werden
u. a. durch die Wahl des Kernmaterials (Ferrits) und durch ihre Bauform beeinflusst.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
41
6.3.1 Ferrite
Ferrite sind ferrimagnetische keramische Werkstoffe (Oxide), deren magnetische
Eigenschaften ähnlich denen ferromagnetischer Metalle sind. Wegen ihrer geringen
elektrischen Leitfähigkeit sind Ummagnetisierungsverluste infolge von Wirbelströmen zu
vernachlässigen, was besonders bei Anwendungen der Hochfrequenztechnik von
Bedeutung ist. Die Wahl der Ausgangsmaterialien und der Herstellungsprozess legen
dabei die späteren Materialeigenschaften fest [Gor54] [Fer04].
In HF-Transformatoren konzentrieren Ferritkerne das magnetische Feld und ermöglichen
so eine starke Kopplung von Primär- und Sekundärspule, sowie geringe Streuverluste.
Aufgrund ihrer Anfälligkeit gegenüber mechanischen Belastungen sollten die Ferrite
speziell bei Messungen vor Ort ausreichend vor Fremdeinwirkung geschützt sein.
6.3.2 Stromimpuls-Transformatoren (kommerziell)
Verschiedene Hersteller von TE-Messtechnik bieten Stromimpuls-Transformatoren (radio
frequency current transformers, RFCT) zur induktiven Auskopplung von TE-Signalen an
[PDS04b] [Pul00]. Diese sind meist für die TE-Messsysteme der eigenen Produktlinie
optimiert und daher in ihrer Funktion für experimentelle Forschungsanwendungen
ungeeignet. Abbildung 31 zeigt zwei kommerziell erhältliche Sensoren.
a) Geschlossene Ausführung (Ø 15 mm)
b) Klappbare Ausführung (Ø 100 mm)
Abbildung 31: Kommerziell erhältliche Stromwandler (Quelle: PD-Systems Produktbroschüre)
Starre Sensoren (geschlossene Ringkerne) sind dabei in der Regel auf ihre elektrischen
Übertragungseigenschaften hin optimiert, während offene Sensoren (Klappferrite) für die
Handhabbarkeit und Anbringung vor Ort (unterbrechungsfreie Montage oder OnlineMessungen) von Vorteil sind [Li04].
42
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
6.3.3 HF-Transformatoren für variablen Einsatz
Für experimentelle Untersuchungen mit variablen und wechselnden Randbedingungen
sind einfach aufgebaute HF-Transformatoren mit zweiteiligem Ferritkern von Vorteil.
Abbildung 32 zeigt den für die TE-Messungen hauptsächlich verwendeten Typ, bestehend
aus abgeschirmter Sekundärwicklung und Ferrit [Tri05].
a) Aufbau Sensor
b) Vergossener Sensor für Vor-Ort-Anwendungen
Abbildung 32: Klappferrit (Doppel-U Profil)
Zur Ermittlung eines optimalen Übertragungsverhaltens wurde die Windungszahl N2 der
messseitigen Sekundärwicklung in mehreren Versuchsreihen variiert [Tan05]. Dazu
wurden
nach
Abbildung
33
mit
einem
TE-Kalibrator
Testimpulse
in
eine
Kurzschlussschleife eingespeist und diese im Zeit- und Frequenzbereich mit dem digitalen
TE-Messsystem MPD 540 vermessen.
Ferrit
Erfassungseinheit MPD 540
Abbildung 33: Testaufbau zur Untersuchung der Übertragungseigenschaften des HF-Trafos
Abbildung 34 zeigt die auskoppelbare Impulsladung bei variabler Windungszahl N2.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
43
Abbildung 34: Einfluss von N2 auf die Ausgangsamplitude
Die erreichbare Ausgangsspannung am HF-Transformator ist für die Windungszahl N2 = 2
maximal. Bei einer weiteren Erhöhung der Windungszahl wird die Signalamplitude am
Ausgang geringer, der Amplitudengang wird jedoch über die Frequenz linearer (s. dazu
Abbildung 49). Mit Hinblick auf Amplitude und Breitbandigkeit wurde für weitere
Untersuchungen die Windungszahl auf N2 = 3 festgesetzt.
Bei TE-Auskopplung in Erdverbindungen ist zu erwarten, dass bei anliegender
Prüfspannung ein betriebsfrequenter Strom (kapazitiver Ladestrom des Kabels oder
Laststrom) fließt und den Ferritkern in den Sättigungsbereich bringen kann. Durch die
Einbringung eines definierten Luftspaltes zwischen die Grenzflächen der Ferrithälften
können Sättigungseffekte vermieden werden. Abbildung 35 a) zeigt den Einfluss von
überlagerten Lastströmen auf die auskoppelbare Amplitude von TE-Impulsen bei
veränderter Luftspaltbreite d.
44
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
0 ms
Ladung [nC]
5,0
4,8
d [µm] = 0
4,6
d [µm] = 250
4,4
d [µm] = 414
10 ms
20 ms
Prüfspannung
4,2
Rauschband
4,0
3,8
3,6
3,4
3,2
3,0
0
20
40
60
80
Sättigungsstrom [A]
a) Einfluss der Luftspaltbreite
b) Moduliertes Rauschband
Abbildung 35: Einfluss der Sättigung auf die TE-Auskopplung, N2 = 3
Bei steigender Luftspaltbreite d sinkt der Einfluss des Sättigungsstromes auf den
auskoppelbaren Ladungswert. Bei einer Luftspaltbreite von d = 414 µm kann ein Einfluss
des Laststromes praktisch nicht mehr nachgewiesen werden. Generell ist jedoch die
Messempfindlichkeit bei zeitgleich fließendem Laststrom geringer als im unbelasteten Fall
[s. auch Khe98],
so
dass
die
Luftspaltbreite
bei
bekanntem
zu
erwartendem
Sättigungsstrom entsprechend minimal dimensioniert werden sollte.
Ein deutliches Kriterium für Ferritkerne in Sättigung und damit für eventuell daraus
resultierende Messfehler sind betriebsfrequent modulierte TE-Muster (s. Abbildungsteil b).
Auch in diesem Fall sollte der Luftspalt vergrößert werden.
6.4 Induktive TE-Auskopplung an Endverschlüssen vor Ort
Zur Beurteilung der Praxistauglichkeit der induktiven Sensoren zur TE-Auskopplung in der
Erdverbindung bzw. Kabelschirmanlenkung von Endverschlüssen wurden Messungen vor
Ort in gestörter Umgebung vorgenommen.
6.4.1 TE-Messung an 110-kV-Transformator-Einführungsendverschluss
Bei einem 112-MVA-Maschinentransformator in einem Heizkraftwerk wurden bei
Isolierölanalysen auffällige Gaskonzentrationen festgestellt. Mit Hilfe einer TE-Messung
sollte festgestellt werden, ob innere Entladungen im Transformator Ursache dieser
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
45
Veränderungen sind. Zur Auskopplung der TE-Signale wurden HF-Transformatoren um
die
Erdverbindungen
der
110-kV-Kabeleinführung
an
den
Transformator-
Einführungsendverschlüssen montiert. Abbildung 36 zeigt die Auskoppeleinheiten zur
synchronen dreiphasigen TE-Messung.
a) Überblick 110-kV-Transformator-Einspeisung
b) HF-Trafo an Schirmverbindung (Kreis),
zusätzliche kap. Ausk. mit Messimpedanz
(links)
Abbildung 36: TE-Auskopplung an Schirmerde des Kabelendverschlusses
Bei anliegender Wechselspannung (hochspannungsseitige Erregung, Transformator im
Leerlauf) konnten keine TE aus dem Transformator detektiert werden. Einzelne erfasste
Störimpulse von maximal 10 pC Impulsladung auf den drei Messkanälen und das
akquirierte Grundrauschen von < 2 pC werden in der 3PARD-Analyse als symmetrische
Störer ohne Phasenbezug dargestellt und sind damit nicht relevant.
46
a) Fingerprint
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
b) 3PARD
Abbildung 37: Ergebnisse der TE-Messung
Die TE-Messung gab somit keinen Aufschluss über die veränderten Gaswerte im Isolieröl,
konnte jedoch innere Teilentladungen (bei Leerlauf) mit großer Sicherheit ausschließen.
Durch die messtechnische Erfassung einzelner Störer und der z. B. durch das Zuschalten
des Prüflings entstandenen Störimpulse konnte jedoch gezeigt werden, dass die TEAuskopplung durch HF-Transformatoren in diesem Fall erfolgreich war. Hervorzuheben ist
die erreichte Messempfindlichkeit von < 2 pC, die durch alternative Auskoppelverfahren,
wie z. B. die TE-Auskopplung durch Koppelkondensatoren am anderen Kabelende, nicht
hätte erreicht werden können. Eine TE-Erfassungssensorik im Transformator selbst stand
nicht zur Verfügung.
6.4.2 TE-Messung an 220-kV-GIS-Einführungsendverschluss
Im Auftrag eines spanischen Energieversorgungsunternehmens wurden sechs gasisolierte
Einführungsendverschlüsse in einem neu errichteten Umspannwerk auf TE-Freiheit
untersucht. Zur Anbindung einer neuen Schaltanlage des betreffenden Umspannwerkes
an das bestehende 220-kV-Netz wurde eine 220-kV-VPE-Kabelstrecke (Länge ca. 9 km)
aufgetrennt und durch die neu errichtete Schaltanlage in zwei ca. 4,5 km lange Segmente
unterteilt. Die ehemals durchverbundene Kabelstrecke einschließlich aller Muffen und der
GIS-Einführungsendverschlüsse an den beiden ehemaligen fernen Kabelenden wurde
bereits vor der Auftrennung erfolgreich auf TE-Freiheit untersucht.
Die TE-Auskopplung an den neu errichteten Einführungsendverschlüssen erfolgte mittels
der beschriebenen induktiven Sensoren (HF-Transformatoren) an einer Erdverbindung der
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
47
Schaltanlage bzw. an der Schirmverbindung von Energiekabel und Schaltanlage.
Zusätzliche Erdverbindungen wurden, soweit möglich, zur Optimierung des TESignalweges für die Dauer der TE-Messung aufgetrennt (s. Abbildung 38).
Abbildung 38: HF-Transformator (gelbe Markierung) zur induktiven TE-Auskopplung an der
Verbindung von Kabelschirm und GIS
Zur Verbesserung des Grundstörpegels am Messort erfolgte die Einspeisung der
Resonanzprüfspannung vom fernen Kabelende, so dass die positiven Filtereigenschaften
der ca. 4,5 km langen Kabelstrecke (Tiefpass-Charakter) voll genutzt werden konnten.
Durch ein Ausweichen auf höhere Mittenfrequenzen bei der TE-Messung war somit eine
TE-freie Hochspannungskontaktierung am Standort der Resonanztestanlage nicht
notwendig.
Aufgrund
der
gegebenen
örtlichen
Umstände
(ca. 35 Meter
Hochspannungszuleitung vom Resonanztestsystem zur GIS-Testeinführung, mehrfach
provisorisch abgestützt, s. Abbildung 39) wäre der Aufwand für die Beseitigung aller
aufbaubedingter TE-Quellen unverhältnismäßig hoch bzw. nicht möglich gewesen.
48
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Abbildung 39: Einspeisung der Resonanzspannung über provisorische Zuleitung
Auf Wunsch des Kunden wurde die TE-Messung bei einer Prüfspannungshöhe von 1,5 U0
unabhängig von der nachfolgenden Spannungsprüfung (1,4 U0, 60 Minuten) durchgeführt.
Eine kurzzeitige Vorbeanspruchung (1,75 U0, 10 Sekunden) sollte gewährleisten, dass
auch mögliche TE-Fehler mit höherer TE-Einsetzspannung initiiert werden.
Bei den TE-Messungen konnten bei allen sechs Messzyklen im Bereich tieferer
Messfrequenzen ähnliche phasenstarre Muster detektiert werden (s. Abbildung 40).
Abbildung 40: Phasenstarre TE-Muster bei fc = 1,4 MHz
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
49
Bei den aufgezeichneten Mustern handelt es sich jedoch nicht um Teilentladungen aus
den zu untersuchenden Kabeleinführungsendverschlüssen der Schaltanlage, sondern um
externe Störimpulse bzw. aufbaubedingte TE vom fernen Kabelende. Die vier scharf
abgegrenzten senkrechten Muster (s. auch vier kleine grüne Markierungen) sind keine
Teilentladungsimpulse,
sondern
resultieren
aus
internen
Schaltvorgängen
der
Resonanzprüfspannungserzeugung (IGBT-Schaltzeitpunkte) und sind für diesen Typ von
Resonanzanlage (Fa. highvolt) allgemein bekannt. Der größere rot markierte Bereich in
Abbildung 40 zeigt hingegen ein typisches TE-Muster, welches seinen Ursprung jedoch
nicht in Entladungsprozessen innerhalb des zu untersuchenden Schaltanlagenteils hat,
sondern
aus
dem
stark
TE-behafteten
Hochspannungsaufbau
am
Ort
der
Resonanzprüfspannungserzeugung resultiert (starke akustisch wahrnehmbare äußere
Teilentladungen). Eine zeitgleich parallel durchgeführte TE-Messung (TE-Messsystem
LDS-6
der
Fa. LDIC,
Messfrequenz
< 1 MHz,
IEC-konform)
am
Standort
der
Resonanzanlage führte zu einem ähnlichen TE-Muster (s. Abbildung 41).
Abbildung 41: Fingerprint der TE-Messung am Standort der Resonanzanlage, Messsystem LDS-6
Zur endgültigen Absicherung der Vermutung über den TE-Fehlerort (aufbaubedingte TE
am Standort der Resonanzanlage) wurde die Mittenfrequenz der TE-Messung am
Standort der zu untersuchenden Schaltanlage variiert. Abbildung 42 zeigt das zu
beobachtende TE-Muster bei ansteigender Messfrequenz.
50
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
fc = 1,4 MHz
fc = 3,0 MHz
fc = 5,0 MHz
fc = 7,8 MHz
Abbildung 42: TE-Muster mit sinkender Amplitude bei steigender Messfrequenz
Wie durch die roten Markierungen verdeutlicht, sinkt der zu beobachtende TELadungspegel
an
der
Messposition
nahe
der
zu
untersuchenden
Einführungsendverschlüsse bei steigender Messfrequenz kontinuierlich ab. Dieser Effekt
basiert auf der Signaldämpfung des Hochspannungskabels, welche die hochfrequenten
Signalanteile der TE-Impulse am ca. 4,5 km entfernten Standort der Resonanzanlage auf
ihrem Weg bis zum Auskoppelort stark vermindert, so dass diese ab einer Messfrequenz
von ca. 5 MHz nicht mehr nachweisbar sind. Für TE-Impulse aus der direkt benachbarten
Schaltanlage wäre die Tiefpasswirkung des Energiekabels dagegen nicht wirksam, eine
Verminderung der messbaren TE-Ladung wäre demnach bei der TE-Messung mit höheren
Messfrequenzen nicht in diesem Maße zu beobachten.
Durch die Beobachtung der TE-Amplitudenunterschiede bei variabler Messfrequenz an
einem
einzelnen
Auskoppelort
konnte
somit
die
TE-Freiheit
der
GIS-
Einführungsendverschlüsse für alle sechs zu untersuchenden Phasen nachgewiesen
werden. Der durch die induktive Signalauskopplung mit HF-Transformatoren vor Ort
erreichte Grundstörpegel von maximal 5 pC (bester erreichter Wert: 3,6 pC) stellte für die
Messempfindlichkeit einen erheblichen Vorteil gegenüber der klassischen TE-Messung mit
Koppelkondensator am Kabelende dar. Die beschriebene parallel durchgeführte TEAuskopplung am fernen Kabelende (Standort der Resonanztestanlage mit integriertem
TE-Messsystem, IEC-konforme TE-Messung mit Koppelkondensator) lieferte bei einem
Grundstörpegel von ca. 200 pC keine für den Kunden zufrieden stellende Empfindlichkeit
und keine erfolgreiche Störunterdrückung.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
51
6.4.3 TE-Messung an 10-kV-Mittelspannungskabel
Im Rahmen einer Messkampagne eines deutschen Netzbetreibers zur Beurteilung
verschiedener Diagnosedienstleister wurden in Zusammenarbeit mit dem IPH-Berlin TEMessungen an mehreren Mittelspannungskabelstrecken durchgeführt. Die Kabel wurden
dabei
mit
50 Hz-Resonanzspannung
beaufschlagt,
die
TE-Auskopplung
für
den
kommerziellen Teil der TE-Messung sollte mit einem Koppelkondensator erfolgen. Zur
Vor-Ort-Erprobung der HF-Transformatoren zur induktiven TE-Auskopplung wurden
zeitgleich zur Koppelkondensatormessung TE-Impulse an der Erdverbindung der FreiluftKabelendverschlüsse gemessen. Abbildung 43 zeigt den Messaufbau.
a) Überblick Aufbau Messtechnik mit zusätzlichem
Koppelkondensator
b) HF-Trafos an den Kabelendverschlüssen
Abbildung 43: TE-Auskopplung an Schirmerde des Kabelendverschlusses
Durch die TE-Auskopplung mit HF-Transformatoren konnte eine Messempfindlichkeit von
< 2 pC erreicht werden. Abbildung 44 zeigt eine Fingerprint-Darstellung der gemessenen
Teilentladungen.
52
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Abbildung 44: Fingerprint Kabelfehler
Schon unterhalb der 1,5-fachen Betriebsspannung konnten in diesem Fall TE-Aktivitäten
auf der Kabelstrecke nachgewiesen werden. Zur Vermeidung eines Ausfalles der
Kabelstrecke wurde die Messung an dieser Stelle auf Wunsch des Betreibers
abgebrochen, so dass keine genauere Analyse vorgenommen werden konnte.
6.5 HF-Transformatoren zur TE-Auskopplung auf Potenzial
Bei der induktiven TE-Auskopplung im Erdzweig kann es zu einem erhöhten
Grundstörpegel kommen, da Störer aus der näheren Umgebung über die gemeinsame
Erdverbindung
galvanisch
Hochspannungselektrode
einkoppeln
vermeidet
können.
diesen
Eine
TE-Auskopplung
Störeinfluss,
stellt
an
jedoch
der
erhöhte
Anforderungen an die Messtechnik. Sowohl die Energieversorgung der Messtechnik als
auch die Datenkommunikation bzw. Messwertübermittlung müssen dabei potenzialfrei
erfolgen.
An einer 110-kV-Versuchsanlage an der TU-Berlin (s. Kapitel 6.6.2) wurde im Rahmen
einer
Sensor-Vergleichsuntersuchung
ein
HF-Transformator
um
die
Prüfspannungszuleitung am Freiluft-Endverschluss montiert. Über eine breitbandige
Signalweiche (Powersplitter, HF-tauglich) wurde das Ausgangssignal dabei reflexionsfrei
auf zwei verschiedene optische Übertragungssysteme (breitbandig analog und TEMessstation des MPD 540) verteilt, so dass zum einen eine direkte Zeitbereichsmessung
möglich war, zum anderen aber auch eine standardisierte Einbindung in das beschriebene
digitale TE-Messsystem. HF-Transformator, Übertragungstechnik und potenzialfreie
Stromversorgung wurden dabei gegenüber dem äußeren elektrischen Feld bei
anliegender Hochspannung mit Toroiden abgeschirmt, so dass eine empfindliche TE-
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
53
Messung ohne störende Koronaentladungen vom zusätzlichen Aufbau bis 200 kVeff
Prüfspannungshöhe bei 50 Hz möglich war.
Abbildung 45 zeigt, dass im Frequenzbereich von 6,5 MHz bis 13 MHz die Empfindlichkeit
des HF-Transformators auf Potenzial größer ist als die Empfindlichkeit der zusätzlich
montierten induktiven Sensoren an der Erdverbindung des Endverschlusses oder an der
externen Schirmverbindung der Crossbonding-Muffe in einigen Metern Entfernung.
10000,0
Ladung [pC]
1000,0
100,0
10,0
Ferrit Hochspannung
Ferrit Erdverbindung
1,0
Ferrit Muffe
0,1
15
14
13
12
11
10
00
.0
00
.0
00
.0
00
.0
00
.0
00
.0
0
00
9.
0
00
8.
0
00
7.
0
00
6.
0
00
5.
Frequenz [kHz]
Abbildung 45: Frequenzgang Ferritsensoren
Unter
Berücksichtigung
des
in
direkter
Nähe
zum
Endverschluss
montierten
Richtkopplersensors auf dem Energiekabel kann mit dem induktiven Sensor auf Potenzial
eine selektive Überwachung des Freiluftendverschlusses realisiert werden. Bei Beachtung
der Richtungsabhängigkeit der Ferritauskopplung (Wickelsinn der Sekundärspule) kann
durch
Polaritätsvergleich
der
Ausgangssignale
von
HF-Transformator
und
Richtkopplersensor die Impulsquelle eindeutig bestimmt werden. Abbildung 46 zeigt die
Oszillogramme der Sensorsignale (RKS: schwarze obere Kurve, HF-Tafo: grüne, untere
Kurve) bei Einspeisung von Testimpulsen auf der Freiluftseite bzw. am Steuerelement des
Endverschlusses ohne anliegende Prüfspannung.
54
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
a) Polarität unterschiedlich: Impuls von außen
b) Polarität gleich: Impuls aus Endverschluss
Abbildung 46: Richtungserkennung durch Polaritätsvergleich
Bei anliegender Hochspannung konnten ab einer Prüfspannungshöhe von 106 kVeff bei
0,1 Hz Entladungen detektiert werden.
Abbildung 47: TE-Impuls aus der Prüfspannungsquelle
Durch die Auswertung der Impulspolaritäten der Signalverläufe am Richtkopplersensor
(schwarze obere Kurve in Abbildung 47, bzw. redundante grüne mittlere Kurve) und am
Hochfrequenz-Transformator
(rote
untere
Kurve
in
Abbildung
47)
konnte
die
experimentelle VLF-Prüfanlage als TE-Quelle identifiziert werden (Koronaentladungen an
unzureichend geschirmter Verschraubung).
Durch den HF-Transformator auf Potenzial konnte so eine erfolgreiche TE-Messung
realisiert werden. Zusätzlich ist die TE-Auskopplung auf Potenzial in Kombination mit einer
Polaritätsermittlung durch einen kabelseitigen Richtkopplersensor geeignet, eine gezielte
Überprüfung des Endverschlussbereiches von Energiekabelanlagen vorzunehmen, so
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
55
dass diese sensorische Überwachungslücke nun als geschlossen betrachtet werden kann.
Zusammen mit den bereits vorgestellten Richtkopplersensoren für GIS/GIL (s. Kapitel 6.2)
ist damit der Kabelendverschluss sowohl in Freiluftausführung wie auch als gasisolierter
Einführungsendverschluss in GIS-Anlagen durch eine TE-Messung selektiv und eindeutig
überwachbar.
6.6 Induktive TE-Auskopplung an Trennmuffen
Bei modernen VPE-Kabelanlagen sind innere TE-Quellen neben den Endverschlüssen
größtenteils auf den Bereich der Muffen beschränkt. Um diese hochfrequenten TE-Signale
empfindlich messen zu können, ist es jedoch unter Umständen nicht möglich,
konventionelle
Auskoppeltechniken
an
Hochfrequenz-Übertragungseigenschaften
den
eines
Kabelenden
anzuwenden,
Hochspannungskabels
da
zu
die
einer
Verbreiterung und amplitudenmäßigen Abschwächung der TE-Impulse führen [Bog96].
Eine Unterscheidung des TE-Signals vom Grundstörpegel kann damit schon nach
mehreren hundert durchlaufenen Metern nicht mehr möglich sein.
Die Auskopplung der TE-Impulse sollte demnach möglichst in direkter Nähe zu ihrem
potenziellen Entstehungsort erfolgen, hier also im Bereich der vor Ort montierten Muffen.
Wie schon in Kapitel 4.3 beschrieben, gibt es zu diesem Zweck mehrere geeignete
Sensoren [Pla02], die jedoch oft schon bei der Muffenmontage installiert werden müssen
[Hei98]. Eine nachträgliche Installation ist hierbei extrem aufwändig.
Eine kostengünstige und praktische Alternative bietet daher die induktive Auskopplung von
TE-Signalen im Stromzweig der Schirmverbindungsstelle einer Trennmuffe mittels eines
Ferritübertragers. Der Ferrit wirkt zusammen mit der Schirmverbindung und einer
Messleitung als Transformator. Das so gewonnene Signal kann dann auf einen
Auskoppelvierpol gegeben oder auch direkt weiterverarbeitet werden.
6.6.1 Modellmessungen an einer Trennmuffe
Zur messtechnischen Erprobung der TE-Auskopplung am externen Schirmverbinder einer
Trennmuffe wurde ein Prüfaufbau für Hochfrequenzmessungen konzipiert.
56
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
6.6.1.1 Versuchsaufbau
Ein 110-kV-Muffenprüfling, bestehend aus einem Muffenkörper in Aufschiebetechnik und
kurzen 110-kV-VPE-Kabeln zu beiden Seiten, wurde so mit metallischer Folie umwickelt,
dass die Hochfrequenzeigenschaften einer Schirmtrennmuffe ausreichend nachgebildet
werden konnten. Die beiden Kabelschirme wurden, entsprechend der Konstruktion von
Trennmuffen, über eine externe Schirmverbindung miteinander galvanisch verbunden.
Diese externe Schirmverbindung wurde dabei durch einen Ferritkern geführt (entspricht
einer primären Windungszahl von n = 1). Die weitere Auskopplung erfolgte über
Messimpedanzen.
Die Messungen im Frequenzbereich erfolgten mit einem Spektrumanalysator, die
Messungen im Zeitbereich mit einem TE-Kalibrator und einem breitbandigen digitalen
Speicheroszilloskop. Die Testimpulse des TE-Kalibrators wurden koaxial in ein Ende des
Energiekabels eingespeist. Das Ende des Energiekabels auf der anderen Seite der Muffe
wurde dabei mit dem Wellenwiderstand (ca. 30 Ω) reflexionsfrei abgeschlossen.
6.6.1.2 Einfluss der verwendeten Auskoppelvierpole auf die Messung
Zur Untersuchung des Einflusses der verwendeten Komponenten wurden die Messungen
mit zwei verschiedenen Auskoppelvierpolen (AK4P) durchgeführt. Der erste untersuchte
Vierpol (AK-4-Pol 1, Fa. Haefely) zeigt ein einfaches Bandpassverhalten mit einem
Übertragungsmaximum von ca. - 8 dB Dämpfung bei einer Frequenz von 1 MHz. Der
zweite Vierpol (AK-4-Pol 2, Fa. mtronix) zeigt ein nahezu lineares Übertragungsverhalten
über einen breiten Frequenzbereich. Zur Abschwächung von lokalen Rundfunkstörern im
Mittelwellenbereich wurden in diesen Vierpol Bandsperren mit Mittenfrequenzen von
693 kHz (Sender „Stimme Russlands“, 250 kW, Berlin Zehlendorf) und 990 kHz (Sender
„DLR“, 100 kW, Berlin Britz) realisiert. Abbildung 48 zeigt die Frequenzgänge beider
Vierpole im Vergleich.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
57
Frequenz [Hz]
1,0E+04
0
1,0E+05
1,0E+06
1,0E+07
1,0E+08
1,0E+09
Dämpfung [dB]
-10
-20
-30
-40
AK-4-Pol 1
-50
AK-4-Pol 2
-60
Abbildung 48: Frequenzgänge der verwendeten Auskoppelvierpole
Aufgrund der besseren Übertragungseigenschaften wurde für die weiteren Messungen die
Messimpedanz der Fa. mtronix verwendet.
6.6.1.3 Einfluss der Windungszahl auf den Frequenzgang im Versuchsaufbau
Wie schon in Kapitel 6.3.3 für den einfachen Kalibrationskreis beschrieben, wurde auch für
den Versuchsaufbau mit Muffe und Messimpedanz der Einfluss der sekundärseitigen
Windungszahl des Hochfrequenz-Transformators untersucht. Exemplarisch wurden
Messungen mit ein, zwei und drei Windungen auf der Sekundärseite durchgeführt.
Abbildung
49
Windungszahlen.
zeigt
die
gemessenen
Frequenzgänge
bei
den
verschiedenen
58
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
1,0E+04
0
1,0E+05
1,0E+06
Frequenz [Hz]
1,0E+08
1,0E+07
Dämpfung [dB]
-10
-20
-30
3 Windungen
2 Windungen
1 Windung
-40
Abbildung 49: Frequenzgang Auskopplung bei verschiedenen Windungszahlen auf Ferrit
Wie auch schon bei den einfachen Kalibrationsmessungen ohne Prüfling (s. Kapitel 6.3.3)
zeigen die dargestellten Frequenzgänge für den komplexeren Aufbau mit Muffe und
Messimpedanz, dass eine Vergrößerung der Windungszahl oberhalb einer Frequenz von
ca. 100 kHz zu einer größeren Dämpfung des auszukoppelnden Signals führt. Positiv zu
bewerten ist jedoch der Gewinn an Messbandbreite. Der Bereich mit linearem
Übertragungsverhalten wird größer. Im Gegensatz dazu liefert der Ferrit unterhalb einer
Messfrequenz von 60 kHz mit größer werdender sekundärer Windungszahl mehr Signal.
Bei einer Messfrequenz von 10 MHz ist für alle sekundärseitigen Windungszahlen ein
aufbaubedingter Resonanzeinbruch im Spektrum zu erkennen. Oberhalb dieser Frequenz
dominiert die parasitäre kapazitive Überkopplung der ungeschirmten Leitungen, so dass
für diesen Versuchsaufbau eine Betrachtung von Frequenzanteilen oberhalb dieser
Grenzfrequenz nicht sinnvoll erscheint.
Für die weiteren Messungen mit diesem Ferrittyp wurden für die Sekundärspule zwei
Windungen gewählt.
6.6.1.4 Einfluss parasitärer Elemente
Der zu messende TE-Impuls läuft nicht ausschließlich über die galvanische Verbindung
des externen Schirmverbinders der Trennmuffe, sondern zum Teil auch kapazitiv über die
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
59
Schirmtrennstelle innerhalb der Muffenkonstruktion selbst und damit an der TE-Erfassung
vorbei. Dieser kapazitive Anteil ist dabei abhängig vom inneren Aufbau der Muffe,
insbesondere von der Art und Ausführung der Schirmtrennstelle selbst. Zur Untersuchung
des Einflusses der Schirmtrennstelle innerhalb der Muffenkonstruktion wurden im
Versuchsaufbau verschiedenartige Trennstellen nachgebildet. Abbildung 50 zeigt dabei
den am Auskoppelvierpol zu messenden Frequenzgang bei sich in der Muffe
überlappenden Schirmen mit großer parasitärer Kapazität im Vergleich zu einer
Anordnung mit kleiner parasitärer Kapazität, realisiert durch einen Abstand der
Kabelschirme von 10 cm.
1,0E+05
0
1,0E+06
1,0E+07
Frequenz [Hz] 1,0E+08
Dämpfung [dB]
-10
Abstand ca. 10cm
zwischen den Schirmen
-20
-30
Papier-Alu-Wickel
über der Trennstelle
-40
Abbildung 50: Frequenzgang der Auskopplung, Einfluss der parasitären Überkopplung
Ein nennenswerter Einfluss der parasitären kapazitiven Überkopplung ist erst ab einer
Frequenz von ca. 10 MHz zu erkennen. Oberhalb dieser Grenzfrequenz kann ein größerer
Anteil des TE-Signals über die größere Koppelkapazität der sich überlappenden
Kabelschirme abfließen und steht so nicht mehr am Ferrit zur Verfügung. Im linearen
Übertragungsbereich mit geringster Dämpfung ist jedoch kein signifikanter Einfluss der
Muffenkonstruktion und damit des Muffentyps auf das Nutzsignal zu erkennen.
6.6.1.5 Messung von TE-Impulsen im Zeitbereich
Zur Unterstützung der bisher gewonnenen Ergebnisse im Frequenzbereich wurden
Messungen im Zeitbereich durchgeführt. Ein koaxial eingespeister Testimpuls mit
60
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
definierter Impulsladung soll dabei am Messausgang des Auskoppelvierpols detektiert
werden. Abbildung 51 zeigt die gemessenen Signale bei 5 pC bzw. 1 pC eingespeister
Impulsladung.
3,5
3
2,5
U [mV]
2
1,5
1
0,5
0
-0,5
-1
-40
-30
-20
-10
0
10
20
30
40
50
60
t [ns]
a) 5 pC, Echtzeitdarstellung
b) 1 pC, mit Mittelwertbildung
Abbildung 51: Signal am Auskoppelvierpol bei koaxialer Einspeisung
Die Einspeisung des Kalibratorsignals erfolgte koaxial in ca. 2 m Entfernung zur
Auskoppelstelle direkt in das abgesetzte 110-kV-Kabel. Von einer Dämpfung des Signals
durch das VPE-Kabel kann damit aufgrund der geringen Länge nicht ausgegangen
werden.
Der Testimpuls konnte bis zu einem Ladungswert von 1 pC deutlich vom Störband
separiert und damit durch eine einfache Mittelwertbildung rauschbereinigt dargestellt
werden. Ohne Mittelwertbildung, die bei Vor-Ort-Messungen wegen des stochastischen
Auftretens von TE-Impulsen nicht immer möglich ist, ist der Testimpuls noch bei einer
Ladung von 5 pC deutlich zu erkennen.
6.6.1.6 Zusammenfassung zur Modellmessung
Es konnte gezeigt werden, dass eine Auskopplung von TE-Signalen in der externen
Erdverbindung einer Trennmuffe durch einen Hochfrequenztransformator möglich ist und
zu sehr guten Ergebnissen führt. In Laborversuchen konnte ohne aufwändige Filterung der
Signale eine Messempfindlichkeit von 1 pC nachgewiesen werden. Es ist anzunehmen,
dass dieser Wert bei Vor-Ort-Messungen mit gestörter Umgebung nur mit aufwändiger
digitaler Filterung zu erreichen sein wird. Eine Empfindlichkeit von 5 pC scheint dagegen
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
sicher
möglich
und
soll
61
in
weiteren
Laborversuchen
an
realen
Hochspannungskabelanlagen und auch vor Ort verifiziert werden.
6.6.2 TE-Messungen an einer 110-kV-Kabelanlage mit Trennmuffe
Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Untersuchung des Teilentladungsverhaltens
einer 110-kV-Kabelanlage bei bis zu 3,5 U0 VLF-Prüfspannung wurde an der TU-Berlin
eine einphasige Kabelteststrecke mit Freiluftendverschluss, einer Trennmuffe und einem
SF6-Einführungsendverschluss mit zugehörigem SF6-Schaltanlagengehäuse aufgebaut (s.
Abbildung 52).
Abbildung 52: 110-kV-Versuchstrecke mit TE-Sensoren, schematischer Aufbau
Zur TE-Auskopplung wurden eine Vielzahl von verschiedenen Sensoren zur TE-Messung
an allen Anlagenteilen montiert, wie z. B. die Richtkopplersensoren AB und CD auf dem
VPE-Kabel neben der Muffe und die GIS-Richtkopplersensoren WX und YZ innerhalb des
SF6-Anlagenteils der Versuchsstrecke. Die externe Schirmverbindung der Trennmuffe
wurde dabei, wie auch schon bei den vorangegangenen Versuchsreihen, durch einen
Ferritkern geführt (Sensor 2 in Abbildung 52) und zusammen mit einer Sekundärwicklung
als Hochfrequenztransformator zur induktiven TE-Auskopplung genutzt.
Die TE-Messungen wurden mit dem digitalen Mehrstellen-TE-Messsystem der Fa. mtronix
durchgeführt. Abbildung 53 zeigt den an der externen Schirmtrennstelle gemessenen
Kalibrationsimpuls von 50 pC und das Rauschband mit einem Grundstörpegel von unter
2 pC, sowie den Fingerprint der durchgeführten 30-minütigen TE-Messung bei 160 kV
VLF-Prüfspannung.
62
a) Kalibratorsignal 50 pC
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
b) Fingerprint TE-Fehler aus VLF-Anlage bei 0,1 Hz @ 160 kV
Abbildung 53: TE-Signale bei Auskopplung an der externen Schirmverbindung
Mit Hilfe der TE-Auskopplung an der externen Schirmverbindung der Trennmuffe konnte
eine erfolgreiche TE-Messung an der 110-kV-Versuchsanlage durchgeführt werden. Dabei
konnten die TE-Signale über den HF-Transformator empfindlich ausgekoppelt und
detektiert werden. Mittels der zusätzlich montierten Richtkopplersensoren an der Muffe
und anhand der in Kapitel 6.5 beschriebenen Untersuchungen konnte als TE-Quelle
eindeutig die experimentelle VLF-Anlage zur Prüfspannungserzeugung identifiziert
werden. Die Trennmuffe ist damit TE-frei.
6.6.3 TE-Auskopplung an Trennmuffen vor Ort
Zur Verifizierung der im Labor gewonnenen Daten wurden TE-Messungen vor Ort an
realen Trennmuffen mittels Hochfrequenztransformatoren am externen Schirmverbinder
durchgeführt. Im Rahmen einer Wechselspannungsprüfung nach einem Muffenfehler an
einer 110-kV-VPE-Kabelanlage der Stadtwerke Augsburg sollten während der 30minütigen Prüfdauer zeitgleich TE-Messungen durchgeführt werden. Abbildung 54 zeigt
den Aufbau der Prüfspannungserzeugung und den Anschluss an den Prüfling.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
63
a) Aufbau Resonanzanlage mit Baueinsatzkabel
b) Ankopplung Prüfspannung an SF6-Anlage
Abbildung 54: Anschluss der Prüfspannung vor Ort
Die Prüfspannung wurde mit einer Resonanzanlage erzeugt und über ein Baueinsatzkabel
mit der SF6-Anlage verbunden. Mangels Verfügbarkeit von drei geeigneten SF6-Adaptern
konnten die Spannungsprüfung und die TE-Messung nur einphasig durchgeführt werden.
Aufgrund der großen Kabellänge von ca. 3830 Metern konnte dabei eine TE-Auskopplung
am Kabelende nicht Erfolg versprechend realisiert werden. Auch an den bestehenden
Verbindungsmuffen waren keine Sensoren zur TE-Auskopplung verfügbar. In Abstimmung
mit dem Muffenhersteller und dem Betreiber der Kabelstrecke konnte jedoch erreicht
werden, dass eine der zwei Reparaturmuffen je Phase als Trennmuffe mit extern
zugänglicher Schirmverbindung realisiert wurde. Diese externe Schirmverbindung wurde
in
Anlehnung
an
die
erfolgreichen
Laborversuche
zur
TE-Auskopplung
mittels
Hochfrequenztransformatoren verwendet. Die in direkter Nähe der Muffen platzierten TEErfassungseinheiten waren potenzialfrei über Lichtwellenleiter mit einem Messrechner
außerhalb des Muffenbauwerks verbunden.
6.6.3.1 Kalibrierung der TE-Messung
In einem ersten Arbeitsschritt wurden die unbeschrifteten Trennmuffen bezüglich ihrer
Phasenzugehörigkeit identifiziert. Der verwendete Kalibrationsimpuls war im tieffrequenten
Messbereich eindeutig oberhalb des Rauschbandes zu erkennen. Aufgrund der großen
Entfernung von ca. 2 km zum Messort konnte der Kalibrierimpuls jedoch nur stark
gedämpft erfasst werden. Eine Kalibrierung des Messsystems lieferte bei einer
eingespeisten Impulsladung von 10 nC einen nicht realistischen Grundstörpegel von 3 nC,
was einem Koppelfaktor von ca. k = 7500 entspricht. Gestützt durch die Ergebnisse der
64
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
vorbereitenden Messungen im Labor wurde der Koppelfaktor der Messtechnik daher
manuell auf einen Wert von k = 4 festgesetzt. Der daraus resultierende Grundstörpegel
von ca. 3 pC deckte sich dabei mit den Erwartungen.
Als ein weiterer Grund für die stark gedämpfte Erfassung des Kalibrationsimpulses können
die schlechten Einkoppelbedingungen für externe Signale in die zu prüfende Kabelanlage
bis hin zum Auskoppelort an der Muffe genannt werden. Dabei muss ein an der
zugänglichen Freiluftseite der Resonanzanlage eingespeister Testimpuls über den
großvolumigen Hochspannungsaufbau in das koaxiale Baueinsatzkabel einkoppeln,
welches die Verbindung zum Prüfling herstellt. Hier entstehen aufgrund der mangelnden
Anpassung des Wellenwiderstandes Reflexionsverluste, die das Richtung Prüfling
laufende Signal mindern. Auch der Übergang vom Baueinsatzkabel in die SF6-Anlage ist
signaltechnisch verlustbehaftet, so dass letztlich das in den Prüfling einkoppelnde Signal
nur einem Bruchteil des Ausgangssignals entspricht.
Zur Visualisierung des Problems der Signaleinkopplung in ein Kabelsystem dient
Abbildung 55.
Q la n g [p C]
3500
Q ku rz [p C]
3000
Q ko a x [p C]
2500
2000
1500
1000
500
0
0
Ladung [pC ] an S c hirm v erbindung
4000
80
70
60
50
40
30
20
10
00
00
00
00
00
00
00
00
M es s frequenz [k H z ]
Abbildung 55: Messbare Ladung am HF-Trafo bei verschiedenen Einkoppelbedingungen
In einem Modellversuch an der TU-Berlin wurde an der bereits beschriebenen 110-kVVersuchsanlage ein Kalibrationsimpuls von 10 nC am Freiluftendverschluss eingespeist.
Abbildung
55
zeigt
die
durch
induktive
Signalauskopplung
an
der
externen
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
65
Schirmverbindung gemessenen Ladungswerte bei verschiedenen Einspeiseverfahren.
Beim Anschluss des Kalibrators durch lange Messleitungen, wie es zwangsläufig auch bei
der angesprochenen Vor-Ort-Messung der Fall war, konnten lediglich einige hundert
Picocoulomb detektiert werden. Beim Anschluss des Kalibrators mit kürzest möglichen
Messleitungen oder gar koaxial (Abschirmung des Freiluftendverschlusses) wird die
messbare Ladung mit bis zu annähernd 4 nC bei unveränderter Einspeisehöhe erheblich
größer.
Bei
der
Vor-Ort-Messung
Signaleinkopplung
auch
wiederum
durch
den
wird
bei
die
Annahme
TE-Messungen
vor
einer
Ort
ungünstigen
obligatorischen
„Drahtversuch“ (künstliche Referenzfehlstelle „Spitze auf Hochspannung“) unterstützt. Bei
diesem
Referenzversuch
Hochspannungspotenzial
erzeugt
oberhalb
ein
nicht
seiner
abgeschirmter
TE-Einsetzspannung
Draht
auf
hörbare
Koronaentladungen im negativen Maximum der Prüfwechselspannung, welche dann durch
die TE-Messtechnik phasenrichtig erfasst werden müssen. In diesem Fall konnten jedoch
am ca. 2 km entfernten Messort keine TE-Impulse detektiert werden, was wiederum für die
bereits beschriebenen ungünstigen Einkoppelbedingungen spricht.
Abgesehen von der beschriebenen Problematik bei der Kalibrierung von außen sind diese
ungünstigen Einkoppelbedingungen von externen Impulsen für eine erfolgreiche TEMessung jedoch eindeutig von Vorteil, da sie eine natürliche Unterdrückung von externen
Störimpulsen gewährleisten, welche die TE-Messung ungünstig beeinflussen würden.
In der Praxis kann das Problem der Kalibration durch die Verwendung eines zweiten
Sensors an derselben Muffe gelöst werden (Kreuzkalibration). Da es sich bei den
Sensoren um ein passives reziprokes System handelt, können über die HFTransformatoren nicht nur Signale erfasst, sondern auch eingespeist werden. Bei zwei
verwendeten Sensoren ist jedoch die doppelte Koppeldämpfung wirksam. Diese muss in
der Berechnung des Koppelfaktors dementsprechend berücksichtigt werden.
6.6.3.2 Durchführung und Ergebnisse der TE-Messung
Während der jeweils 30-minütigen Prüfdauer wurden TE-Messungen in verschiedenen
Frequenzbereichen und Messbandbreiten durchgeführt. Dabei sollte über eine an der
externen Schirmverbindung parallel zur TE-Erfassung angebrachte Stromzange der
kapazitive Ladestrom des Kabels (ca. 33 A) gemessen werden, über den dann die
Phaseninformation der Prüfwechselspannung rekonstruiert werden sollte, welche zur
Erstellung von phasenstarren TE-Fingerprints benötigt wird. Aufgrund der beidseitigen
66
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Schirmerdung der Kabelanlage und der nahezu exakt in der Mitte der Kabelstrecke
liegenden Messposition konnte jedoch kein ausreichend großer Ladestrom gemessen
werden. Die Auftrennung der messfernen Erdverbindung des Kabelschirms war
konstruktiv bedingt nicht möglich, so dass der Ladestrom letztlich nicht als Phasenreferenz
für die TE-Messung herangezogen werden konnte. Bei tieffrequenten TE-Messungen
(Messfrequenz 500 kHz, Bandbreite 100 kHz) konnten jedoch die starken Störimpulse des
Frequenzumrichters der Resonanzanlage detektiert werden. Die Phasenposition der
Schaltimpulse der leistungselektronischen Komponenten in der Prüfspannungserzeugung
ist aufgrund der langjährigen Betriebserfahrung mit der Resonanzanlage bekannt und
kann zur Konstruktion der phasenaufgelösten TE-Muster herangezogen werden.
Abbildung 56 zeigt die phasenaufgelösten Muster der TE-Messungen aller drei Phasen bei
160 kV Prüfspannung.
Abbildung 56: Fingerprints, sequenziell durchgeführte einphasigen TE-Messungen bei 160 kV
Prüfspannung, fc = 500 kHz, fbw = 100 kHz
Außer den bekannten phasenstarren Störimpulsen der Resonanzanlage sind keine TEImpulse aus der Kabelanlage oberhalb des Grundstörpegels von ca. 3 pC zu erkennen.
Dies gilt auch für in anderen Frequenzbereichen durchgeführte TE-Messungen während
der Prüfzeit. Da die Thyristorimpulse der Resonanzanlage für höhere Messfrequenzen
aufgrund der Kabeldämpfung nicht mehr nachweisbar waren, konnten für diese Fälle aus
den
aufgezeichneten
Messdaten
aufgrund
der
fehlenden
Phasenreferenz
keine
Fingerprints erzeugt werden. Eine Beobachtung der Messdaten während anliegender
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
67
Prüfspannung und auch die spätere Offline-Auswertung der digitalen Aufzeichnungen
lieferten jedoch keine Hinweise auf eine TE-Aktivität der Kabelanlage. Die Kabelanlage gilt
damit nach bestandener Wechselspannungsprüfung auch als TE-frei.
Mit diesen Messungen konnte gezeigt werden, dass das Verfahren der induktiven TEAuskopplung an der externen Erdverbindung von Trennmuffen auch unter Vor-OrtBedingungen erfolgreich anzuwenden ist.
6.7 Induktive TE-Auskopplung an Crossbonding-Muffen
Die prinzipielle Nutzbarkeit von Schirmtrennstellen zur TE-Auskopplung und -Messung
konnte im Labor und auch vor Ort dargelegt werden. Da die Verfügbarkeit von externen
Schirmverbindungen bei Trennmuffen einer Phase eher gering ist, soll das Verfahren auch
auf seine Anwendbarkeit bei crossbonding-bedingten Schirmtrennstellen untersucht
werden.
Bei
Crossbonding-Muffen
liegen
Schirmtrennstellen
ähnlich
der
bereits
untersuchten Trennstellen bei einphasigen Trennmuffen vor. Unterschiede sind jedoch
durch die Verwendung von Crossbonding-Zuleitungen und Crossbonding-Auskreuzkästen
(CB-Box) zu erwarten. Durch die Schirmauskreuzung ist zudem eine gegenseitige
Beeinflussung durch die Verkopplung der Phasen gegeben, weshalb die TE-Messung
synchron dreiphasig durchgeführt werden sollte.
Die systemtheoretische Beschreibung der TE-Impulsausbreitung im Crossbonding-System
kann nach dem aus der Hochfrequenztechnik bekannten Modell der verlustbehafteten
gekoppelten Leitungen (Mehrleitersysteme) beschrieben werden [Mei86]. Einerseits sind
die drei koaxialen Energiekabel bzw. die drei koaxialen Crossbonding-Kabel durch
Koppelkapazität
und
Koppelinduktivität
für
hochfrequente
Vorgänge
miteinander
verkoppelt, andererseits entstehen durch die Schirmunterbrechung an den CrossbondingMuffen und die damit verbundene lokale Aufhebung des Koaxialsystems Störstellen, an
denen die elektromagnetischen Wellen das Kabelsystem verlassen können (s. Abbildung
57, markierte Kästen). Hier entstehen weitere Ausbreitungspfade, bei denen sich
Signalanteile zwischen den äußeren Schirmen der energietechnischen Komponenten
untereinander, aber auch zwischen Schirmen und umgebenem leitfähigem Erdreich
ausbreiten können, wie z. B. nach der Vertauschung von Schirm und Innenleiter innerhalb
der Crossbonding-Box. Aufgrund der allgemein gültigen Reziprozität sind über diese
Koppelpfade auch zusätzliche Störeinkopplungen möglich, die empfindliche TEMessungen ggf. negativ beeinflussen können.
68
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
CB-Box
CB-Zuleitungen
L1
L2
L3
Abbildung 57: Übersichtsskizze CB-Komponenten. Markierung: Unterbrechungen im Koaxialsystem
Eine exakte Bestimmung aller auftretenden Eigenwellen und damit eine vollständige
signaltheoretische Beschreibung ist jedoch in starkem Maße von den geometrischen und
elektrischen Eigenschaften und Randbedingungen der beteiligten Komponenten abhängig
und wird daher an dieser Stelle nicht näher untersucht. Für einige einfache
Randbedingungen (z. B. Mehrleitersystem über leitender Ebene) existieren in der Literatur
geschlossene Lösungen. Für eine reale energietechnische Kabelanlage ist dagegen eine
geschlossene analytische Berechnung nicht sinnvoll, da eine Vielzahl von Parametern
nicht bekannt und auch nicht zu ermitteln ist, da Details über die genaue Verlegung z. B.
der Crossbonding-Kabel für den Anlagenbetreiber nicht von Interesse und daher nicht
ausreichend dokumentiert sind. Aus diesem Grunde ist selbst eine numerische
Rechnersimulation nicht immer sinnvoll, da zu viele unbekannte Einflussgrößen die
Modellbildung
und
damit
zwangsläufig
auch
die
Simulationsergebnisse
negativ
beeinflussen. Zu empfehlen sind daher ausführliche vorbereitende Messungen bzw. eine
Kalibration am realen Messobjekt selbst. Die so gewonnenen Daten sind direkt auf ihre
Plausibilität hin zu beurteilen und liefern so einen ersten Eindruck über die
messtechnischen Besonderheiten (z. B. ungünstige Frequenzbereiche für die TE-Messung
aufgrund auftretender Resonanzen). Zusammen mit den aufgezeichneten Messdaten
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
69
kann so in einer genauen Offline-Analyse eine gesicherte Auswertung vorgenommen bzw.
eine gesicherte Aussage über das TE-Verhalten des Prüflings getroffen werden.
Wie auch schon bei den in Kapitel 6.6 beschriebenen Messungen an Schirmtrennstellen
wird die TE-Auskopplung an Crossbonding-Stellen induktiv durchgeführt. Im Gegensatz
zur
Signalauskopplung
über
in
den
Schirm-
bzw.
Erdzweig
eingeschleifte
Messimpedanzen [Min01] [Min02] erfolgt hier kein Eingriff in sicherheitsrelevante
Komponenten der Kabelanlage, da die aufklappbaren Hochfrequenz-Transformatoren
ohne Auftrennung der Schirmverbindung an den entsprechenden Leitungen montiert
werden können.
Zur eingehenden Untersuchung der induktiven TE-Auskopplung an Crossbonding-Stellen
wurden vorbereitende Modelluntersuchungen und Messungen im Labor und vor Ort
durchgeführt.
6.7.1 Messtechnische Erprobung an Modellanlagen
Aufgrund des durch die Deregulierung und Liberalisierung der Strommärkte stark
gestiegenen Kosten- und Zeitdrucks der EVU, der sich auch auf die Hersteller von
Kabelsystemen
auswirkt,
Hochspannungskabelanlagen
Freischaltungen
für
Höchstspannungsebene
sind
zu
umfangreiche
Forschungszwecken
experimentelle
aus
Messungen
Messungen
Kostengründen
kaum
stehen
(Verlust
mehr
in
von
der
an
realen
durchzuführen.
Hoch-
und
Durchleitungsentgelten,
mangelnde (n-1)-Verfügbarkeit, Probleme mit der Einhaltung des Spannungsbandes) nicht
zur Diskussion, Messungen vor der erstmaligen Inbetriebnahme einer CrossbondingKabelanlage sind wegen der zeitkritischen Fertigstellung und Übergabe der Anlage oft nur
sehr eingeschränkt möglich. Ebenso sind u. U. zeitaufwändigere Messungen zu
Forschungszwecken mit umfangreicher Parametervariation bei den selten gewordenen
planmäßigen
Freischaltungen,
wie
etwa
bei
periodisch
anfallenden
Korrosionsschutzmessungen, vom Netzbetreiber nicht gerne gesehen, da auch hier die
schnellstmögliche Wiederzuschaltung Priorität hat.
6.7.1.1 Konstruktion einer Modellanlage
Zur messtechnischen Bestätigung der im Vorfeld gewonnenen Simulationsdaten sind
daher zunächst Modellanlagen erstellt worden, an denen mit vor-Ort-tauglichen Sensoren
und kommerziell verfügbaren TE-Messsystemen einführende Messungen durchgeführt
werden konnten. Hierbei wurden sowohl die Modellnachbildung der dreiphasigen
70
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Kabelanlage, als auch die Modellanordnung der Auskreuzkästen in mehreren Stufen
verfeinert und angepasst. Ausgangspunkt für die Modellbildung ist die funktionelle
Reduzierung eines Crossbonding-Kabelsystems auf die für die TE-Auskopplung an
Crossbonding-Stellen wesentlichen Elemente. Diese sind zum einen die Energiekabel
selbst, zum anderen die Crossbonding-Muffen, die Crossbonding-Verbindungskabel und
die Crossbonding-Station (CB-Box) zur Auskreuzung der Schirmpotenziale (s. Abbildung
58).
Crossbonding-Station
Verbindungskabel
Trennmuffen
Abbildung 58: Wesentliche Elemente einer Crossbonding-Kabelanlage
6.7.1.1.1 Konzeption der Modellanlage
Um ein möglichst vielseitig und universell einsetzbares Modell zu erstellen, wurde ein
dreiphasiger Aufbau (s. Abbildung 59) mit vier Kabelsegmenten (Kabel 1 bis Kabel 4) und
drei crossbonding-fähigen Muffengruppen (MG1 bis MG3) und den zugehörigen
Auskreuzkästen (CB-Box) konzipiert.
A
L1
Kabel1
K1
MG1
M1
Kabel2
K2
MG2
M2
Kabel3
K3
MG3
M3
Kabel4
K4
E
L2
L3
M1
CB-Box
CB-Box
M2
CB-Box
CB-Box
M3
CB-Box
CB-Box
Abbildung 59: Schematische Darstellung der vollständigen Crossbonding-Modellanlage
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
71
Zur eindeutigen und systematischen Bezeichnung der einzelnen Elemente des Modells
zeigt Abbildung 60 den Aufbau einer einzelnen Muffengruppe im Detail.
K1-1
K2-1
M1-1
K1-2
K2-2
M1-2
K1-3
K2-3
M1-3
C1-2
C1-1
C1-3
CB1
Abbildung 60: Schematische Darstellung einer Muffengruppe mit Aufbauelementen
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass bewusst drei mögliche Crossbonding-Stellen
vorgesehen worden sind, da neben dem klassischen und theoretisch optimalen
Crossbonding mit zwei Muffengruppen und drei gleichlangen Kabelsegmenten auch
weitere Verschaltungsmöglichkeiten in der Praxis vorkommen und ihre Berechtigung
haben. So ist z. B. beim modifizierten Crossbonding nach Typ 1 [ANS575] eine Aufteilung
der Gesamtlänge in vier Kabelteilstücke mit drei Crossbonding-Muffen beschrieben (s.
Abbildung 7), wobei das erste und das vierte Teilstück die halbe Länge der mittleren
beiden Segmente aufweisen sollen. Obwohl sich damit insgesamt betrachtet die
induzierten Spannungen der einzelnen Kabelsegmente auf den Schirm ebenso
kompensieren wie beim klassischen Crossbonding, ergeben sich für die maximal zu
erwartenden transienten Überspannungen an den Schirmtrennstellen niedrigere Werte, so
dass die notwendigen Überspannungsableiter bei Schaltvorgängen und im Fehlerfall
weniger belastet werden.
Ein
weiterer
Vorteil
der
mehrsegmentigen
Modellanordnung
ist
die
variable
Gestaltungsmöglichkeit der Teillängen zwischen den Muffen und zu den Kabelenden hin.
Da die Forderung nach symmetrischen Teilstücken beim stromlosen Betrieb der
Modellanlage nicht berücksichtigt werden muss, können so Konfigurationen erstellt
werden, die ausschließlich für die HF-Signalausbreitung der TE-Impulse von Interesse
sind. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, eine oder mehrere der Crossbonding-Muffen
auf
einfache
Weise
zu
Durchgangsmuffen
mit
linear
kontaktiertem
umzukonfigurieren und die drei Phasen völlig voneinander zu entkoppeln.
Schirm
72
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
6.7.1.1.2 Aufbauelemente der Modellanlage
Für eine erste messtechnische Näherung wurde aus koaxialen Messleitungen (RG 58,
BNC-konfektioniert, 50 Ω Wellenwiderstand) eine Modellanlage konzipiert. Der Aufbau
zeichnet sich durch seine Einfachheit und durch ein hohes Maß an Flexibilität aus, da
durch die Verwendung von standardmäßigen und robusten BNC-Verbindern eine
modulare Bauweise möglich wurde, die Konfigurationsänderungen und Erweiterungen auf
einfache
Art
und
Kabelsegmente
Weise
zulässt.
(Energiekabel
und
Aufbauelemente
dieses
50 Ω-Modells
Crossbonding-Verbindungskabel),
sind
Muffen
und
Auskreuzkästen. Die Kabelsegmente wurden durch Messleitungen verschiedener Länge
realisiert. Ein Kriterium für die Längenwahl der nachgebildeten Energiekabel war, in
Anlehnung
an
laufzeitbedingten
konstruktiven
die
realen
Längenverhältnisse,
Überlagerungen
Maßnahmen
zur
von
die
Vermeidung
Originalimpulsen
Impulstrennung
und
wurden
von
störenden
Reflexionen.
zudem
Neben
schmale
Kalibrationsimpulse von wenigen Nanosekunden Pulsbreite verwendet. Abbildung 61 zeigt
den Zeitverlauf der Ausgangsspannungen der verwendeten Kalibratoren.
a) CAL2A, Fa. Power Diagnostix
b) RH-LCD2, TU-Berlin
Abbildung 61: Kalibratoren mit kurzer Pulsbreite
Beim Muffenmodell wurden sowohl die Schirmtrennung als auch die (aufgrund der zum
Kabel veränderten Geometrie) unvermeidliche Änderung des Wellenwiderstandes durch
einen Serienwiderstand in der Leiterverbindung nachgebildet. Abbildung 62 zeigt den als
Referenz gemessenen Verlauf des Wellenwiderstandes einer 110-kV-Muffe (einschließlich
Hochspannungskabel und Messleitung) für VPE-isolierte Hochspannungskabel in
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Aufschiebetechnik
und
73
verdeutlicht
die
Notwendigkeit
eines
zusätzlichen
1,0
TDR-intern
Messleitung
110-kV-Kabel
CB-Muffe
A
B
C
D
Fehlanpassung
0,9
0,8
CBTrennstelle:
ca. 125 Ω
Spannung am TDR [V]
0,7
0,6
0,5
0,4
0,3
0,2
U (TDR)
0,1
Messleitung
RG58: 50 Ω
0,0
Z
110-kV-Kabel:
ca. 33 Ω
-0,1
200
190
180
170
160
150
140
130
120
110
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
-10
-20
Wellenwiderstand [Ω]
Widerstandselementes in der Modellmuffe.
Zeit bzw. Länge
Abbildung 62: Gemessener Wellenwiderstand an einer 110-kV-Modellmuffe
Der über die Länge des Versuchsaufbaus gemessene Wellenwiderstand startet bei
Z = 0 Ω (systeminterner Wert innerhalb des TDR-Messgerätes, Bereich A), steigt dann für
den Bereich der flexiblen Messleitung (RG 58) auf 50 Ω an (Bereich B) und sinkt wieder
auf ca. 30 Ω im Bereich des Hochspannungskabels ab (Bereich C). Im Bereich des
Muffenkörpers steigt der Wellenwiderstand dann bis auf ca. 125 Ω an (Bereich D) und
erreicht damit seinen lokalen Maximalwert innerhalb der Muffelänge. Der weitere Verlauf
ist durch Reflexionen und Fehlanpassung geprägt und daher nicht weiter zu
berücksichtigen.
Der ankommende und der abgehende Kabelschirm sind beim BNC-Modell durch einen
seitlich
angebrachten
gemeinsamen
BNC-Verbinder
für
die
weitere
elektrische
Kontaktierung zugänglich. Die bewusst gewählte Asymmetrie des Muffenmodells (BNCAnschluss der Schirmpotenziale nicht mittig) stellt dabei sicher, dass ankommender und
abgehender Kabelschirm auf systematische Weise verwechslungssicher behandelt
werden können.
74
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Durch eine BNC-Kurzschlusskappe kann dabei die Schirmtrennung aufgehoben werden.
In der Praxis ist die Möglichkeit der linearen Schirmverbindung z. B. für einphasige
Spannungsprüfungen oder für Korrosionsschutzmessungen notwendig. Daher ist es auch
üblich, die Schirmauskreuzungen nicht in direkter Nähe der Muffen durchzuführen,
sondern in ausgelagerten, meist ebenerdig zugänglichen Crossbonding-Stationen. An
dieser Stelle ist auch der Zugang zu den zur Begrenzung von Überspannungen durch
Wanderwellen notwendigen Ableitern zu nennen [Tra98] [Yam00] [Wan03], auf die jedoch
nicht weiter eingegangen werden soll.
Für den Betrieb als Crossbonding-Muffe können die Schirmsegmente mit denen der
Nachbarmuffe ausgekreuzt werden. Hierzu werden die drei Crossbonding-Muffen mit drei
weiteren (in Relation zu den Nachbildungen der Energiekabel) kurzen koaxialen
Messleitungen mit der Auskreuzbox verbunden, in der dann die zyklische Auskreuzung
der Schirmpotenziale realisiert ist. Abbildung 63 zeigt das Auskreuzschema der
verwendeten Modell-Auskreuzboxen.
L1
L2
L3
Abbildung 63: Auskreuzschema des CB-Box-Modells
Als eine weitere Variante des Crossbonding-Modells wurden Mittelspannungskabel zur
Nachbildung der Energiekabelsegmente verwendet. Die Verwendung von dreifach
extrudierten VPE-Mittelspannungskabeln mit Schichtenmantel kommt dabei den realen
VPE-Hochspannungskabeln in Bezug auf Signaldämpfung durch den Einfluss der
Leitschichten und in Bezug auf die Schirmung durch den geschlossenen koaxialen
Metallschirm sehr nahe. Durch die Konfektionierung der Mittelspannungs-Kabelenden mit
BNC-Steckverbindern bleibt eine problemlose Kontaktierung aller anderen Modellelemente
gewährleistet. Auf die Verwendung von entsprechenden Hochspannungskabeln als
optimale (weil reale) Modellelemente musste aufgrund der extrem hohen Kosten und der
schwierigen Handhabbarkeit verzichtet werden.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
75
Das verwendete BNC-Modell der Auskreuzbox ermöglicht die direkte Messung von
Spannungsverläufen mittels Tastköpfen an allen BNC-Kontakten und auch innerhalb der
Muffen. Für die realitätsnähere Signalauskopplung mittels induktiver Sensoren wurde eine
größere Auskreuzbox aufgebaut, die einerseits kompatibel zum bestehenden BNC-Modell
der gesamten Kabelanlage ist, andererseits aber auch dem Aufbau und den
geometrischen Abmessungen einer realen Crossbonding-Box entspricht. Abbildung 64
zeigt die zur induktiven Auskopplung konstruierte Crossbonding-Box neben einer realen
Crossbonding-Box einer 245-kV-VPE-Kabelanlage.
a) Modell der CB-Box zur induktiven
TE-Auskopplung
b) CB-Box einer 245-kV-VPE-Kabelanlage der Fa. Nexans
Abbildung 64: Ansicht CB-Box
In ihrer endgültigen und vollständigen Konfiguration ergibt sich für die dreiphasig
aufgebaute Crossbonding-Modellanlage eine Gesamtlänge von ca. 65 Meter pro Phase
mit zugänglichen Messstellen und Einspeisemöglichkeiten für Testimpulse an den
jeweiligen Kabelenden und an jeder der drei Muffengruppen.
6.7.1.1.3 Messungen an der Modellanordnung
Um das Verhalten des komplexen Gesamtsystems besser analysieren zu können, wurden
in einem ersten Schritt die Einzelkomponenten des Modells vermessen. Hier ist von
besonderem Interesse, die Ausbreitung eines TE-Impulses von der fehlerbehafteten
Phase über die Crossbonding-Muffe mit angeschlossenem Crossbonding-Kabel bis hin zur
76
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Crossbonding-Box, dem Ort der TE-Auskopplung, zu verstehen. Die Betrachtungen sollen
dabei zum einen Aufschlüsse über die generelle Durchführbarkeit solcher Messungen
liefern, zum anderen eine Abschätzung der zu erwartenden Messempfindlichkeit
ermöglichen.
6.7.1.1.4 Transmissionsverhalten der Modellmuffen
Ein potenzieller TE-Fehler in einer der Crossbonding-Muffen breitet sich über alle drei
möglichen Ausbreitungskanäle aus, sowohl nach links und rechts entlang des
Energiekabels, als auch entlang des Crossbonding-Kabels in Richtung der Auskreuzbox.
Der Einfluss der Auskreuzbox wird im späteren Verlauf ausführlich behandelt.
Als simulierte TE-Quelle wurde ein TE-Kalibrator verwendet. Der Kalibrator wird dabei
über eine 2 Meter lange Messleitung an einen der Muffeneingänge angeschlossen, was
für die zu erwartende TE-Ausbreitung einem TE-Fehler innerhalb der Muffen entspricht, da
der dämpfende Einfluss der verwendeten Messleitungen zu vernachlässigen ist. Ein
digitales Speicheroszilloskop mit terminierten Eingängen erfasst die Signale (s. Abbildung
65).
Oszilloskop
feste kurze
Verbindung
Kalibrator
CAL2A
C1-1
2m Koax-Leitungen
K1-1
K2-1
150Ω
Muffe
Abbildung 65: Messung der TE-Signalausbreitung am Muffenmodell, alle Messleitungen 2m
Abbildung 66 zeigt die gemessenen Signalverläufe an den drei BNC-Anschlüssen des
Muffenmodells.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
77
K1-1
K2-1
C1-1
Abbildung 66: Gemessene Signalverläufe am Muffenmodell
Der Amplitude des anfänglich eingespeisten Impulses von 3 V stehen am Ausgang der
Muffe nur noch ca. 0,8 V entgegen, am Crossbonding-Abgang können noch ca. -0,5 V
gemessen werden. Abbildung 66 zeigt in einer zeitlich zusammenhängenden Darstellung
alle zu messenden Impulse. Zusätzlich zu den beiden zeitgleich gemessenen Impulsen
am Crossbonding-Abgang und am Ausgang der Muffe ist hier auf Kanal A neben dem
Ursprungsimpuls die Reflexion vom Muffeneingang mit ca. 1 V Spannungsamplitude zu
erkennen (s. Markierung). Diese drei Spannungswerte legen dabei nahe, dass es einen
weiteren
Spannungsfall
im
Gesamtsystem
der
Modellmuffe
geben
muss
(Spannungsmasche = 0). Hier fällt eine zusätzliche nicht gemessene Spannung über dem
ohmschen Längswiderstand im Durchgangszweig der Muffe ab, der zur Nachbildung des
Wellenwiderstandsprunges eingebracht worden ist.
Unter Berücksichtigung des elektrischen Ersatzschaltbildes nach Abbildung 67 können die
gemessenen Signalamplituden näher analysiert werden.
78
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Z = 50 Ω
R = 150 Ω
K2-1
C1-1
Z = 50 Ω
Z = 50 Ω
K1-1
Abbildung 67: Ersatzschaltbild des Muffenmodells
Der an K2-1 (Kanal B in Abbildung 66) gemessene Spannungswert von ca. 0,8 V deutet
unter Berücksichtigung des Spannungsteilers aus den Wellenwiderständen der abgehenden Leitungen und dem ohmschen Längswiderstand darauf hin, dass die von K1-1
in die Modellmuffe hineinlaufende Spannungswelle eine Amplitude von ca. UK1-1,e = 4 V
hat. Gleichzeitig ergibt sich am Ende der Leitung K1-1 für die Spannung ein
Reflexionsfaktor von ru = 0,67, so dass die dort wieder zurücklaufende Spannungswelle
einen Wert von ca. UK1-1,r = 2,68 V besitzt. Diese auf der Leitung K1-1 zurücklaufende
Welle wird am 50 Ω-Eingang des Oszilloskops erneut gemessen. Am Eingangswiderstand
des Oszilloskops liegt jedoch zusätzlich der Innenwiderstand des dort angeschlossenen
Kalibrators parallel. Bei einem Innenwiderstand von Ri = 30 Ω ergibt sich so der
gemessene Spannungswert von ca. 1 V auf Kanal B, sowie ein negativer Reflexionsfaktor
für weitere Teilreflexionen (negativer Peak im weiteren Verlauf des Graphen K1-1 in
Abbildung 66).
Generell muss bei der Betrachtung der Amplituden am Messaufbau jedoch beachtet
werden, dass aufgrund der frequenzabhängigen Reflexionsstellen an den Wellenwiderstandsdiskontinuitäten
Dispersionseffekte
auftreten
können,
die
zu
einer
Impulsverschleifung und damit auch zu einer Reduzierung der jeweiligen Spannungspeaks
führen. Ein direkter und exakter Vergleich der Signalamplituden (Signalmaxima) aller
auftretenden Impulse wird dadurch erheblich erschwert.
Frequenzverhalten des Muffenmodells
Zur
Aufnahme
der
Übertragungseigenschaften
im
Frequenzbereich
wurden
am
Muffenmodell Messungen mit einem Spektrum-Analyser durchgeführt. Es wurde zum
einen der Durchgang vom Eingang (K1-1) zum Ausgang (K2-1) und zum anderen der
Durchgang vom Eingang (K1-1) zum Abgang (C1-1) gemessen. Dabei wurde der jeweils
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
79
freie Anschluss im Leerlauf, mit einem 50 Ω Abschlusswiderstand oder mit einem
Kurzschluss
betrieben,
um
alle
möglichen
Anschlusskonfigurationsvariationen
abzudecken. Muffenausgang und Crossbonding-Abgang zeigten dabei vergleichbare
Frequenzgänge, ebenso wie die Abschlüsse der jeweils freien BNC-Anschlüsse mit 50 Ω
und mit 0 Ω (Kurzschluss). In Abbildung 68 sind die Messergebnisse für den
Muffenausgang dargestellt.
a) Leerlauf an CB-Abgang (offenes Ende)
b) Kurzschluss an CB-Abgang (0 Ω und 50 Ω)
Abbildung 68: Frequenzgang am Muffenausgang (10 dB bis -40 dB bei 5 dB/Div, 10 kHz bis 500 MHz
bei 50 MHz/Div)
Da im Leerlauffall keine leitende ohmsche Verbindung besteht und eine Ausbreitung an
der Schirmtrennstelle nur über die Kapazität der angeschlossenen Leitung möglich ist,
sind hier die tiefen Frequenzen stark gedämpft (s. Abbildung 68 a). Im Kurzschlussfall und
bei 50 Ω-Abschluss des jeweils freien BNC-Anschlusses besteht eine leitende ohmsche
Verbindung im Signalweg, durch die auch tieferfrequente Anteile ungedämpft passieren
können (s. Abbildung 68 a). Für höhere Frequenzen
begrenzen wiederum
die
Längsinduktivitäten des Aufbaus die Transmission in Richtung Muffenausgang.
Überlegungen zur Signalpolarität im Muffenmodell
Am Beispiel der elektrischen Feldkomponente eines TE-Signals sollen die zu erwartenden
Ausgangspolaritäten
am
Crossbonding-Abgang
und
an
den
Muffenausgängen
schematisch anhand der Muffengeometrie verdeutlicht werden. Der Zusammenhang von
Polarität und Laufrichtung des TE-Signals kann einerseits bei bekannter Signalpolarität zur
80
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
TE-Fehlerortung herangezogen werden, andererseits kann über im Einzelfall bekannte
Ausbreitungsrichtungen von reflektierten Signalkomponenten die Polaritätsinformation als
Plausibilitätskriterium herangezogen werden.
Die Impulspolarität eines TE-Signals ändert sich beim Durchlauf durch die CrossbondingMuffe von Muffeneingang zu Muffenausgang nicht. Ein einlaufender positiver Impuls wird
auch als positiver Impuls aus der Muffe herauslaufen (s. Abbildung 69 a), E-Feld-Pfeile
zeigen von Plus nach Minus).
C1-1
K1-1
C1-1
E
K1-2
a) Einspeisung in K1-1
E
K1-1
K1-2
b) Einspeisung in K1-2
Abbildung 69: Ausbreitung des elektrischen Feldes in der Muffe, E-Feld im Außenraum
vernachlässigt
Die zu messende Polarität am Crossbonding-Abgang C1-1 ist dabei negativ. Läuft der
positive Ausgangsimpuls von der anderen Seite in die Muffe hinein, so wird er sie
ebenfalls als positiver Impuls verlassen (s. Abbildung 69 b). Die zu messende Polarität am
Crossbonding-Abgang ist damit auch positiv. Hier ist bereits zu erkennen, dass die zu
messende
Polarität
am
Crossbonding-Abgang
die
Information
über
die
Ausbreitungsrichtung des TE-Impulses beinhaltet. Grundvoraussetzung ist hierfür
allerdings die Kenntnis der ursprünglichen TE-Polarität und eine eindeutige Zuordbarkeit
des linksseitigen und rechtsseitigen Schirmpotenzials an der Messstelle. An späterer
Stelle
wird
diese
Problematik
weitergehend
vertieft
bzw.
bei
Messungen
als
Plausibilitätskriterium genutzt.
Der letzte verbliebene Fall ist das Einlaufen eines hier positiven TE-Impulses von Seiten
der Crossbonding-Zuleitung in die Muffe hinein (s. Abbildung 70). An den Ausgängen der
Muffe sind dann herauslaufende Impulse mit gegensätzlichem Vorzeichen zu beobachten.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
81
C1-1
E
K1-1
K1-2
Abbildung 70: Ausbreitung des elektrischen Feldes in der Muffe bei Einspeisung in C1-1, E-Feld im
Außenraum vernachlässigt
Dieser Fall tritt immer dann auf, wenn sich der ursprüngliche TE-Impuls aus der
fehlerbehafteten Muffe über die zugehörige Crossbonding-Leitung in die CrossbondingBox hinein ausgebreitet hat und von dort aus über die beiden anderen CrossbondingLeitungen auf die Nachbarphasen verteilt wird. Dieser Ausbreitungsfall beschreibt damit
die Verkopplung der drei Phasen über das Crossbonding-System und wird bei der
Diskussion der Crossbonding-Box näher untersucht.
Transmissions- und Reflexionsverhalten der Auskreuzkästen
In Anlehnung an die Untersuchungen zum Muffenmodell wurde auch die CrossbondingBox messtechnisch untersucht. Zur Bestimmung des Reflexionsverhaltens für in die
Crossbonding-Box einlaufende TE-Impulse wurde die Sprungantwort eines CrossbondingEinganges (C1-1) bei abgeschlossenen Ausgängen (C2-1, C3-1) aufgezeichnet (s.
Abbildung 71).
C1-1
C2-1
TDR
50Ω
C3-1
50Ω
CB-Box
Abbildung 71: TDR-Messungen an der CB-Box, schematischer Messaufbau
82
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Abbildung 72 zeigt die reflektierte Spannungswelle. Für Untersuchungen mittels
Rechnersimulationen
wurden
zunächst
Simulationsmodelle
in
PSpice
entwickelt.
Abbildung 72 zeigt ebenfalls die gute Übereinstimmung von Messung und Simulation.
U
≈ 110 Ω
0,83 m;
≈ 83 Ω
0,558 m;
≈ 185 Ω
ca.1,39 m;
≈ 130 Ω
t
a) Reflexionsverhalten der CB-Box
b) Simuliertes Reflexionsverhalten
Abbildung 72: Reflexionsmessung
Die einlaufende Spannungswelle wird aufgrund mangelnder Anpassung teilweise
reflektiert. Der in die Crossbonding-Box einlaufende Anteil teilt sich dabei nahezu
symmetrisch auf die beiden verbleibenden Abgänge auf. Abbildung 73 verdeutlicht dieses
Verhalten anhand der E-Feld-Komponente des einlaufenden Signals.
ΙΙΙ
E
C1-1
Ι
1
2E
ΙΙ
C2-1
1
2
E
C3-1
Abbildung 73: E-Feldverlauf innerhalb der CB-Box (schematisch) , E-Feld im Außenraum
vernachlässigt
Um das Ausbreitungsverhalten von TE-Impulsen innerhalb der Crossbonding-Box und an
deren Abgängen messtechnisch zu erfassen, wurde ein Testimpuls nach Abbildung 74 a)
in
die
Crossbonding-Box
eingespeist.
Abbildung
Signalverläufe der drei Crossbonding-Abgänge.
74 b)
zeigt
die
gemessenen
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
83
Oszilloskop
feste kurze
Verbindung
Kalibrator
CAL2A
C3-1
C2-1
2m Koax-Leitungen
C1-1
CB-Box
a) Versuchsaufbau
b) Signalverlauf am CB-Boxmodell
Abbildung 74: Messung der TE-Signalausbreitung am CB-Box-Modell
Als Ursprungsphase des Signals ist die erste Crossbonding-Zuleitung (bei einer TEMessung damit Phase L1) eindeutig zu identifizieren. Auf Kanal 1 tritt das Signal mit der
größten Amplitude auf, die Maxima der Kanäle 2 und 3 fallen deutlich geringer aus. Bei
angenommener Symmetrie im Aufbau ergibt sich als zusätzliches Kriterium für die zu
messenden Signale, dass der Spitzenwert in der fehlerbehafteten Phase genau doppelt so
groß ist wie die Amplituden in einer der beiden TE-freien Phasen. Die Impuls-Spitzenwerte
der nicht TE-behafteten Phasen müssen damit gleich groß sein und gegenüber der
Fehlerphase
eine
entgegengesetzte
Polarität
aufweisen.
Der
allgemeingültige
Zusammenhang U1+U2+U3 = 0 lässt sich dabei anhand der bereits angeführten Abbildung
73 (E-Feld in CB-Box) verdeutlichen, in der die drei ankommenden CrossbondingVerbindungskabel
im
Inneren
der
Crossbonding-Box
eine
geschlossene
Spannungsmasche darstellen.
Frequenzverhalten des Crossbonding-Box-Modells
Wie
auch
bei
den
Untersuchungen
am
Muffenmodell
wurden
spektrale
Transmissionsmessungen durchgeführt. Dabei wurde das Referenzsignal in den
84
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Anschluss C1-1 der Crossbonding-Box eingespeist und in zwei Messzyklen zum einen am
Ausgang C2-1 (Signalweg 1 2), zum anderen am Ausgang C3-1 abgegriffen (Signalweg
1 3). Der verbleibende freie Abgang wurde dabei jeweils leer laufend betrieben, mit 50 Ω
abgeschlossen
oder
kurzgeschlossen.
Abbildung
75
zeigt
die
resultierenden
Frequenzgänge bei 50 Ω-Abschluss des jeweils freien Crossbonding-Abganges mit ca. 5 dB bis -10 dB Signaldämpfung.
a) Transmission CB-Anschluss 1 nach 2
b) Transmission CB-Anschluss 1 nach 3
Abbildung 75: Frequenzgänge der CB-Box (10 dB bis -45 dB bei 5 dB/Div, 10 kHz bis 500 MHz bei
50 MHz/Div)
Die gute Übereinstimmung beider Graphen belegt, dass sich einlaufende TE-Impulse
nahezu symmetrisch auf beide Crossbonding-Abgänge aufteilen, so dass ein TE-Signal
mit Ursprung auf Phase L1 schließlich auch auf den Phasen L2 und L3 detektierbar ist.
Wie auch schon bei den Messungen am Muffenmodell ist zu erkennen, dass bei einer
bestehenden galvanischen Verbindung (hier 50 Ω) am jeweils dritten Abgang der
Crossbonding-Box auch tieffrequente Signalanteile gut passieren können, was eine
potenzielle phasenübergreifende TE-Ausbreitung über die Crossbonding-Box begünstigt.
Für höhere Frequenzen werden wiederum parasitäre Induktivitäten wirksam und
begrenzen die Ausbreitung diese spektralen Anteile.
Um Messfehler zu vermeiden, muss für alle Messungen die gemeinsame und nicht
trennbare Signalmasse an den Anschlüssen des Messgerätes beachtet werden.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
85
6.7.1.2 Messungen an der vollständigen Modellanlage
Da im Wesentlichen die gewollte Überkopplung von TE-Impulsen an den CrossbondingStellen untersucht werden soll, wurde in einem ersten Versuch sichergestellt, dass eine
parasitäre Überkopplung über die gesamte Ausdehnung der parallel liegenden
Kabellängen zu vernachlässigen ist. Abbildung 76 zeigt das Oszillogramm der
Spannungen aller drei Phasen bei Einspeisung eines Testimpulses auf Phase L1 für das
BNC-Modell und für die Modellanordnung mit Mittelspannungskabeln ohne Crossbonding.
a) Messung am BNC-Modell
b) Messung am Mittelspannungs-Kabelmodell
Abbildung 76: Signalverläufe der entkoppelten Phasen L1, L2 und L3 bei TE-Einspeisung auf L1
Bei keiner der Modellanordnungen konnte dabei messtechnisch eine nennenswerte
parasitäre Überkopplung nachgewiesen werden, so dass alle messbaren Effekte auf den
Crossbonding-Einfluss zurückzuführen sind.
6.7.2 TE-Auskopplung an den Crossbonding-Zuleitungen
Wie bereits beschrieben, koppelt ein TE-Impuls an der Schirmtrennstelle einer
Crossbonding-Muffe auch auf die Crossbonding-Verbindungsleitung über und erreicht die
Crossbonding-Box. Überwacht man nun synchron alle drei Crossbonding-Zuleitungen der
drei Phasen einer Muffengruppe, so kann sowohl für einen Einzelimpuls, aber vor allem
auch im Rahmen einer statistischen Auswertung von vielen tausend TE-Impulsen, die
fehlerbehaftete Phase (bzw. Muffe) identifiziert werden. Eine sinnvolle Auswertung ist
damit nicht mehr durch die Betrachtung von einzelnen Oszillogrammen möglich, sondern
wurde mittels eines digitalen Mehrstellen-TE-Messsystems durchgeführt und mit 3PARD
86
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
visualisiert. Abbildung 77 a) zeigt die 3PARD-Darstellung für den künstlichen TE-Fehler
innerhalb der Crossbonding-Muffengruppe auf Phase L1.
L1
L2
L2
L3
a) TE-Fehler auf L1
L3
b) TE-Fehler auf L2
c) TE-Fehler auf L3
Abbildung 77: TE-Fehler auf den Phasen L1, L2, L3 der gemessenen Muffengruppe
Die maximale Anhäufung der Punkte liegt nahezu auf der senkrechten Hauptachse L1 des
Diagramms a) und beschreibt somit diese Phase als TE-Quelle. Dabei repräsentiert der
innere Kreis des Diagramms mit dem Radius r = 1 nach den Konstruktionsregeln der
3PARD-Darstellung diejenigen Impulstripel, bei denen der Impuls mit der dominierenden
gemessenen Ladung (hier der Impuls auf L1) doppelt so groß ist wie die beiden übrigen
Impulse. Impulstripel mit gleichen Ladungsamplituden werden dementsprechend ohne
Vorzugsrichtung in der Mitte des Diagramms eingetragen.
Die Abbildungsteile b) und c) zeigen die 3PARD-Darstellungen von künstlichen TEFehlstellen in den Crossbonding-Muffen der Phasen L2 bzw. L3. Auch hier liegen die
Schwerpunkte der Punktewolken auf den Achsen der jeweilig zugehörigen Fehlerphasen
und nahezu auf den inneren Kreisen mit dem Radius r = 1. Auffällig ist bei allen drei
Diagrammen, dass neben den dominierenden Clustern auf den Achsen zusätzliche
sichelförmige
Bereiche
mit
reduzierter
Häufigkeit
zu
erkennen
sind.
Diese
charakteristische Struktur entsteht durch nicht vollständig unterdrücktes Rauschen und
durch stochastisch auftretende Störimpulse auf den Messleitungen, die zwar annähernd
zufällig auftreten, beim Einlaufen in das Crossbonding-System aber aufgrund der bereits
angeführten Spannungsmasche mit der Bedingung U1+U2+U3= 0 systematisch in die
Diagrammkonstruktion eingehen.
Wie zu erkennen ist, sind mit der 3PARD-Darstellung TE-Fehler eindeutig der betroffenen
Phase zuzuordnen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der TE-Fehler in der Nähe
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
87
des Messortes auftritt, also innerhalb der zu der Crossbonding-Box (=Messort)
gehörenden Muffen. In diesem Fall durchläuft der TE-Impuls keine nennenswerten
dämpfenden Kabellängen, sondern lediglich eine Crossbonding-Muffengruppe mit den
zugehörigen Crossbonding-Verbindungskabeln und hat damit, wie schon beschrieben, auf
seiner ursprünglichen Phase die größte Amplitude. Auch für höhere Messfrequenzen ist
aufgrund der relativ kurzen Signalwege die Dämpfung nicht relevant. Für Messungen vor
Ort ist dieser Fall (TE-Fehler innerhalb der Muffe oder in relativer Nähe rechts oder links
der Muffe) zwingend anzunehmen, da ein TE-Impuls, der zwei oder gar drei
Crossbonding-Muffengruppen durchläuft, aufgrund der starken Dämpfung (mindestens
eine komplette Kabelteillänge zwischen Fehlerort und Messort, Reflexionsverluste an den
Muffen) am Messort nur noch schwer nachweisbar ist.
Ungeachtet dieser Überlegung wurde im Modellaufbau das mehrfache Durchlaufen von
Crossbonding-Stellen
untersucht
und
in
Tabelle
1
als
Übersichtsdarstellung
zusammengefasst. Die Zeilen 3 und 4 der Tabelle zeigen die 3PARD-Darstellung von TESignalen, die inklusive des Messortes zwei Crossbonding-Muffengruppen durchlaufen
haben. Hier scheint zwar die Ursprungsphase des Fehlers dominant (größte Amplitude auf
der Fehlerphase), die Richtung der Abweichung der Punktewolke in der 3PARDDarstellung ist jedoch abhängig von der Herkunftsrichtung des Fehlerimpulses und führt
damit zu nicht eindeutigen Clusterpositionen (Fehler auf L1 von rechts ähnlich Fehler auf
L3 von links). Dieses Verhalten resultiert aus dem asymmetrischen Aufbau der
modellierten Crossbonding-Muffen, sowie aus der Verwendung eines ohmschen
Längswiderstandes in der Leiterverbindung der Muffe und ist damit lediglich für die
Modellanordnung relevant. Bei einer realen Kabelanlage hat der durchlaufende Impuls
immer auf seiner Ursprungsphase die größte Amplitude, so dass das mehrfache
Durchlaufen von Crossbonding-Stellen nicht wesentlich zu einer Veränderung der
Amplitudenverhältnisse
führt
und
die
3PARD-Darstellung
damit
immer
auf
der
fehlerbehafteten Phase dominant ist. Nachfolgend beschriebene Messungen an realen
Kabelanlagen (Kapitel 6.7.3.1) bestätigen dies. Bei der Modellanordnung wird der
Ursprungsimpuls auf der fehlerbehafteten Phase beim Durchlauf durch die Muffe durch
den Längswiderstand stark gedämpft. Seine Amplitude reduziert sich und wird mit den
Amplituden auf den entsprechenden Nachbarphasen vergleichbar. Dabei wird von links
kommend der auf L1 unterbrochene Schirm auf der Phase L2 rechtsseitig fortgesetzt, bei
von rechts kommenden Impulsen jedoch auf der Phase L3 weiter nach links. Daher
weichen auch die Clusterpositionen in der 3PARD-Darstellung jeweils in diese Richtungen
88
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
ab. Zeile 3 der Tabelle zeigt eine Verschiebung des Clusters hin zu L3 (nach rechts), da
der unterbrochene Schirm von L1 auf der Phase L3 fortgesetzt wird. Zeile 4 der Tabelle
zeigt eine Verschiebung des Clusters hin zu L2 (nach links), da der unterbrochene Schirm
von Phase L1 auf Phase L2 fortgesetzt wird. Für TE-Einspeisungen auf L2 bzw. L3 gilt
entsprechendes.
Die Zeilen 5 und 6 der Tabellen zeigen die 3PARD-Darstellungen eines TE-Fehlers mit
dreifacher Auskreuzung. Tendenziell ist eine Verschiebung der Cluster zum Ursprung hin
zu verzeichnen. In der Modellanordnung gleichen sich die Amplituden auf allen Phasen
durch die mehrfachen Auskreuzungen an.
3x CB (von rechts)
ra=2, fc= 5.0MHz,
bw=300kHz
TE-Fehler auf Lx von
rechts auf die Muffe
zulaufend, unterwegs
3x Auskreuzung, dritte
Auskreuzung am
Messort selbst
3x CB (von links)
ra=2, fc= 8.1MHz,
bw=300kHz
TE-Fehler auf Lx von
links auf die Muffe
zulaufend, unterwegs
3x Auskreuzung, dritte
Auskreuzung am
Messort selbst
TE-Fehler auf Lx von
rechts auf die Muffe
zulaufend, erste
Auskreuzung am
Messort selbst
ra=2, fc=20.0MHz,
bw=1000kHz
1x CB (von rechts)
Fehler auf L3
TE-Fehler auf Lx von
links auf die Muffe
zulaufend, erste
Auskreuzung am
Messort selbst
ra=2, fc=7.7MHz,
bw=300kHz
1x CB (von links)
Fehler auf L2
TE-Fehler auf Lx von
rechts auf die Muffe
zulaufend, unterwegs
2x Auskreuzung, zweite
Auskreuzung am
Messort selbst
ra=4, fc=5.0MHz,
bw=300kHz
2x CB (von rechts)
Fehler auf L1
TE-Fehler auf Lx von
links auf die Muffe
zulaufend, unterwegs
2x Auskreuzung, zweite
Auskreuzung am
Messort selbst
ra=5, fc=5.8MHz,
bw=300kHz
2x CB (von links)
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
89
Erläuterung
Tabelle 1: Zusammenfassung der 3PARD-Auswertung an der CB-Modellanlage (ra=Maßstabsfaktor)
90
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
6.7.3 TE-Auskopplung an Crossbonding-Auskreuzkästen
6.7.3.1 Kalibriermessung an einer 245-kV Kabelanlage
Vor der Inbetriebnahmeprüfung einer VPE-isolierten 245-kV-Kabelstrecke in Bad
Schwartau
(Schleswig-Holstein)
bestand
die
Möglichkeit,
Messungen
zur
Impulsausbreitung an der fertig montierten Kabelanlage durchzuführen. Dabei wurden an
den Freiluftendverschlüssen der Kabelstrecke Testimpulse mit 2 nC Impulsladung
eingespeist. Abbildung 78 zeigt den Anschluss des Kalibrators am Kabelende der Phase
L1 und verdeutlicht die Größenverhältnisse. Eine induktionsarme oder gar koaxiale
Einspeisung war nicht möglich.
Abbildung 78: Anschluss des Kalibrators am Freiluftendverschluss
Eine Kabelphase besteht aus neun Teillängen, jeweils durch acht Muffen miteinander
verbunden. Die Muffengruppen 3 und 6 ermöglichen dabei ein Auskreuzen der
Kabelschirme in externen Crossbonding-Boxen, die übrigen Muffen der Gruppen 1, 2, 4, 5,
7 und 8 sind als Durchgangsmuffen ausgelegt. Abbildung 79 zeigt die Muffen bzw.
Muffengruben.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
a) Montage der Durchgangsmuffen in Muffengrube
91
b) Externe CB-Box über geschlossener Muffengrube
Abbildung 79: Muffenbereich der Durchgangsmuffen bzw. CB-Muffen
Abbildung 80 zeigt eine geöffnete Crossbonding-Box mit den rot ummantelten
Crossbonding-Brücken, sowie die installierte TE-Messtechnik. Ableiter zum Schutz vor
transienten Überspannungen waren zu diesem Zeitpunkt nicht montiert.
a) Schirmauskreuzung durch CB-Brücken
b) Installierte TE-Messtechnik mit HF-Trafos, TEErfassungseinheiten, Akkus und LWL
Abbildung 80: Geöffnete CB-Box
Zur Auskopplung der eingespeisten Signale wurden drei Hochfrequenztransformatoren an
den Crossbonding-Brücken der Kabelschirme montiert. Da eine einzelne Schirmbrücke die
Kabelschirme zweier Phasen verbindet, kann der dort montierte TE-Sensor somit Impulse
aus beiden beteiligten Phasen detektieren, diese jedoch nicht eindeutig einer der beiden
Phasen zuordnen. Durch die synchrone Betrachtung der Signale aller drei TE-Sensoren ist
92
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
die Eindeutigkeit jedoch wieder gewährleistet. Bedingt durch diese zwangsläufige
Verkopplung von zwei Phasen an einem Auskoppelort repräsentiert der Messkanal 1 des
angeschlossenen TE-Messsystems nicht Phase L1 der Kabelanlage, sondern die Phasen
L1 und L2, verknüpft über ihre gemeinsame Schirmverbindung. Kanal 2 überwacht die
Phasen L2 und L3, Kanal 3 wiederum die Phasen L3 und L1. Zur Untersuchung des
frequenzabhängigen
Ausbreitungsverhaltens
der
Testimpulse
wurden
dabei
TE-
Messungen bei 0,5 MHz, 1 MHz, 2 MHz und bei 10 MHz an beiden CrossbondingMuffengruppen der Kabelanlage durchgeführt.
6.7.3.1.1 Auskopplung an Muffengruppe 3
In einem ersten Messzyklus wurden die Testimpulse an der vom Einspeiseort aus
betrachtet ersten Crossbonding-Muffengruppe (MG3) ausgekoppelt. Die Testimpulse
durchlaufen bis zum Auskoppelort drei Kabelteillängen und werden zusätzlich zur dadurch
resultierenden Kabeldämpfung an zwei Verbindungsmuffen durch Reflexionsvorgänge in
ihrer Amplitude reduziert. Je nach konstruktiver Ausführung der Crossbonding-Stelle
innerhalb der Muffe (asymmetrische CB-Zuleitung, z. B. Schirmtrennung direkt am Anfang
des Muffenkörpers) kann die Crossbonding-Muffe der Muffengruppe 3 als zusätzliche
Reflexionsstelle angesehen werden.
Einspeisung in Phase L1
Abbildung 81 zeigt die gemessenen Amplituden (Mittelwerte aller Impulse) an den drei
Sensoren der Crossbonding-Box bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L1 in
Abhängigkeit der Messfrequenz.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
93
600
L1-L2
L2-L3
500
L3-L1
Ladung [pC]
400
300
200
100
0
100
1000
10000
Messfrequenz [kHz]
Abbildung 81: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L1 (2 nC)
Bei allen untersuchten Mittenfrequenzen ist die Dominanz der Amplituden auf den
Crossbonding-Brücken der Phasen L1-L2 und L3-L1 deutlich erkennbar. Diese
Crossbonding-Brücken verbinden den Kabelschirm der Phase L1 mit den Nachbarphasen
und führen somit Anteile des Testimpulses. Die Amplituden der beiden zu L1 gehörenden
Messkanäle sind dabei nahezu gleich groß. Leichte Unterschiede lassen sich, außer durch
die asymmetrische Crossbonding-Box, auch durch den nicht vollständig symmetrischen
Aufbau der dreiphasigen Kabelstrecke begründen. Aus geometrischen Gründen treten
immer Unterschiede z. B. in den Erdkapazitäten bzw. Gegenkapazitäten auf, die auf die
gemeinsamen Koppelimpedanzen Einfluss haben. Ein weiterer Grund für die zu
beobachtende Unsymmetrie ist der Aufbau der Crossbonding-Muffe, bzw. die Art der
Kontaktierung
des
von
den
Kabelschirmen
zur
Crossbonding-Box
führenden
Crossbonding-Verbindungskabels. Hier ist von Bedeutung, welches der beiden getrennten
Schirmsegmente auf dem Innenleiter des Crossbonding-Verbindungsleiters, und welches
auf dem äußeren Leiter des Crossbonding-Verbindungskabels fortgeführt wird.
Zur näheren Betrachtung der Unsymmetrien und in Hinblick auf eine zukünftige direkte
Implementierung in die Online-Messsoftware des MPD 540 wurde eine 3PARDVisualisierung durchgeführt und deren Informationsgewinn für den Benutzer bewertet.
94
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Abbildung 82 zeigt die entstehenden Grafiken bei den untersuchten Mittenfrequenzen der
TE-Messung. Aufgrund der bereits dargelegten Verknüpfung von jeweils zwei Phasen zu
einer TE-Erfassungseinheit liegen die einzelnen Phasen der Kabelanlage nicht auf den
Achsen des Diagramms, sondern auf den Winkelhalbierenden der zwischen den Achsen
liegenden Segmente.
L1
L1-2
L1
L2
L2-3
L1
L1
L1-3
L3
0,5 MHz, ra = 2
1 MHz, ra = 1
2 MHz, ra = 0,3
10 MHz, ra = 1
Abbildung 82: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG3 (Einspeisung L1)
Der ebenfalls in Abbildung 82 angegebene Radius des äußeren Kreises ra entspricht dabei
dem nach den Berechnungsvorschriften zur 3PARD-Erstellung ermittelten skalaren Wert
des Amplitudenverhältnisses [Pla02].
Bei allen berechneten 3PARD-Darstellungen liegt die entstehende Punktewolke im zur
Phase L1 gehörenden Drittel des Diagramms. Dabei liefern die Messungen mit den
Mittenfrequenzen von 0,5 MHz, 1 MHz und 10 MHz vergleichbare Cluster, obwohl sich die
Absolutwerte der Impulsladungen erheblich voneinander unterscheiden. Diese Tatsache
ist besonders dann von Vorteil, wenn in einer der Muffen ein TE-Fehler auftritt, der TEImpulse unterschiedlicher Amplituden erzeugt (z. B. Oberflächenentladung). Durch die
Betrachtung von Amplitudenverhältnissen, wie es in der 3PARD-Analyse der Fall ist,
werden diese Unterschiede kompensiert. Auch bei Mehrfachfehlern innerhalb derselben
Muffe, die TE-Impulse unterschiedlicher Frequenzcharakteristik zur Folge haben können
(z. B. verschiedene Impulssteilheiten), werden diese TE-Impulse auf direkt nebeneinander
liegende Bereiche im 3PARD-Diagramm abgebildet. Minimale verbleibende Unterschiede
sorgen dabei jedoch weiterhin für eine mögliche Auftrennung in verschiedene Cluster.
Die 3PARD-Darstellung bei 2 MHz Messfrequenz zeigt eine deutliche Abweichung zu den
anderen Diagrammen bezüglich des Abstandes der Punktewolke vom Mittelpunkt. Mit
einem äußeren Radius von ra = 0,3 ist die Skalierung der Darstellung dabei auf einen
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
95
Bereich in direkter Nähe zum Diagrammursprung optimiert. Obwohl hier die Amplituden
der drei Impulse nur eine geringere Abweichung voneinander aufweisen, ist die
Eingliederung in das zur Phase L1 gehörende Diagrammsegment immer noch eindeutig.
Bei zusätzlich auftretenden Impulsquellen kann die Nähe des beschriebenen Clusters zum
Nullpunkt jedoch zu einer Überdeckung mit Punktewolken von symmetrischen Störern
(z. B. auch Grundrauschen) führen.
Die zu beobachtende Frequenzabhängigkeit in beiden Visualisierungsarten führt zu der
Schlussfolgerung, dass es für eine in der Regel unbekannte (d. h. nicht vorher durch
zeitaufwändige Kalibriervorgänge vermessene) Kabelanlage keine einzelne ideale
Messfrequenz gibt. Zur Erlangung einer größtmöglichen Aussagesicherheit ist eine TEMessung daher immer unter Variation der Messfrequenzen vorzunehmen, um
konstruktionsbedingte ungünstige Messfrequenzen durch nachträglichen Vergleich der
Messdaten zu erkennen und diese dann gezielt nicht zu verwenden. Eine rechnerische
Bestimmung dieser ungünstigen Frequenzen im Voraus ist aufgrund des komplexen
Gesamtsystems aus Crossbonding-Muffe, Crossbonding-Zuleitung und Auskreuzbox nicht
möglich, da z. B. aufgrund von Montagearbeiten durch Fremdfirmen (Outsourcing)
lediglich die für den sicheren Betrieb der Kabelanlage relevanten Randbedingungen, nicht
aber messtechnisch relevante Details (z. B. die exakte Länge der CB-Zuleitung) bekannt
sind. Unterschiede, wenn auch nicht signifikant, konnten so auch bei den Betrachtungen
der Testimpulseinspeisungen in die Phasen L2 und L3 festgestellt werden.
Einspeisung in Phase L2
Abbildung 83 zeigt die gemessenen Amplituden an den drei Sensoren der CrossbondingBox bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L2 in Abhängigkeit der
Messfrequenz.
96
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
600
L1-L2
L2-L3
500
L3-L1
Ladung [pC]
400
300
200
100
0
100
1000
10000
Messfrequenz [kHz]
Abbildung 83: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L2 (2 nC)
Bei allen untersuchten Mittenfrequenzen ist eine Dominanz der Amplituden auf den
Crossbonding-Brücken
der
Phasen
L1-L2
und
L2-L3
erkennbar
(bei
10 MHz
Mittenfrequenz dabei weniger stark ausgeprägt). Diese Crossbonding-Brücken verbinden
den Kabelschirm der Phase L2 mit den Nachbarphasen und führen somit Anteile des
Testimpulses.
L1
L2
L2
L2
L2
L3
0,5 MHz, ra = 2
1 MHz, ra = 1
2 MHz, ra = 0,2
Abbildung 84: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG3
10 MHz, ra = 1
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
97
In der 3PARD-Darstellung ist, wie auch schon bei der Betrachtung der Phase L1, eine
eindeutige Korrelation zur Ursprungsphase der Testimpulse zu erkennen. Auch hier ist die
Messfrequenz 2 MHz für eine 3PARD-Auswertung weniger geeignet.
Einspeisung in Phase L3
Abbildung 85 zeigt die gemessenen Amplituden an den drei Sensoren der CrossbondingBox bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L3 in Abhängigkeit der
Messfrequenz.
600
L1-L2
500
L2-L3
L3-L1
Ladung [pC]
400
300
200
100
0
100
1000
10000
Messfrequenz [kHz]
Abbildung 85: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L3 (2 nC)
Bei den Messungen mit den Mittenfrequenzen von 500 kHz und 1 MHz ist die Dominanz
der Amplituden auf den Crossbonding-Brücken der Phasen L2-L3 und L3-L1 deutlich
erkennbar. Diese Crossbonding-Brücken verbinden den Kabelschirm der Phase L3 mit
den Nachbarphasen und führen somit Anteile des Testimpulses. Die Messungen bei
Mittenfrequenzen von 2 MHz bzw. 10 MHz lassen die Zusammenhänge lediglich erahnen,
liefern jedoch in der gewählten Darstellungsform keine eindeutigen Ergebnisse. In der
3PARD-Darstellung wird diese Einschätzung weiter unterstützt.
98
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
L2
L1
L3
0,5 MHz, ra = 1
L3
L3
L3
1 MHz, ra = 1
2 MHz, ra = 0,2
10 MHz, ra = 0,4
Abbildung 86: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG3
Der Abstand der Punktewolken zum Ursprung des Diagramms bei den Messfrequenzen
von 2 MHz bzw. 10 MHz ist sehr gering (keine ausgeprägte Dominanz), so dass bei
weiteren symmetrischen Störimpulsen eine Verdeckung erfolgen kann. Die erstellten
Diagramme für 500 kHz und für 1 MHz Mittenfrequenz liefern eindeutige Ergebnisse.
Zusammenfassung zur Auskopplung an Muffengruppe 3
Die Messungen an der ersten Crossbonding-Muffengruppe haben gezeigt, dass durch die
induktive Signalauskopplung an den Schirmbrücken innerhalb der Crossbonding-Box eine
TE-Messung mit zusätzlicher Erkennung der fehlerbehafteten Kabelphase durch eine
synchrone Auskopplung realisiert werden kann. Es wird dabei vorausgesetzt, dass die
Messfrequenzen während der Messzeit variiert werden, so dass eventuell ungünstige, im
Vorfeld nicht bekannte Messbereiche in der Nachbearbeitung der Messung erkannt und
mögliche daraus resultierende Fehlinterpretationen durch redundante Aufzeichnungen
kompensiert werden können. Über die erhebliche Distanz von drei Kabelteillängen und
nach Durchlauf durch zwei Muffengruppen konnten die am Freiluftendverschluss
signaltechnisch nicht optimal eingespeisten Testimpulse detektiert und gemessen werden,
so
dass
für
realistische
TE-Fehlerorte
innerhalb
der
Muffen
deutlich
bessere
Messergebnisse und erhöhte Empfindlichkeiten zu erwarten sind, besonders für die
Frequenzbereiche oberhalb von 2 MHz. Für diesen Fall werden äußere Störer
wirkungsvoll unterdrückt und lediglich messnahe TE-Ereignisse in die Auswertung
aufgenommen.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
99
6.7.3.1.2 Auskopplung an Muffengruppe 6
In einem zweiten Messzyklus wurden die Testimpulse an der vom Einspeiseort aus
betrachtet zweiten Crossbonding-Muffengruppe (MG6) ausgekoppelt. Diese Messungen
geben weiteren Aufschluss über die zusätzliche Signaldämpfung der TE-Impulse, die nun
bis zur Auskopplung die doppelte Kabelstrecke durchlaufen müssen und an drei weiteren
Muffen durch Reflexionsvorgänge abgeschwächt werden.
Einspeisung in Phase L1
Abbildung 87 zeigt die gemessenen Amplituden (Mittelwerte aller Impulse) an den drei
Sensoren der Crossbonding-Box bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L1 in
Abhängigkeit der Messfrequenz.
600
L1-L2
500
L2-L3
L3-L1
Ladung [pC]
400
300
200
100
0
100
1000
10000
Messfrequenz [kHz]
Abbildung 87: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L1 (2 nC)
Bei allen untersuchten Mittenfrequenzen ist die Dominanz der Amplituden auf den
Crossbonding-Brücken der Phasen L1-L2 und L3-L1 deutlich erkennbar. Die Messungen
bei 10 MHz Mittenfrequenz haben dabei jedoch aufgrund der großen Distanz zwischen
Signalquelle und Auskoppelort eine geringere Aussagekraft, sind aber zur systematischen
Vergleichbarkeit zu den Vormessungen auch im weiteren Verlauf konsequent durchgeführt
100
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
worden. Abbildung 88 zeigt die entstehenden 3PARD-Grafiken bei den untersuchten
Mittenfrequenzen der TE-Messung. Auch stellt sich die Messung bei einer Mittenfrequenz
von 10 MHz durch ihren relativ breiten Streubereich der Punktewolke als weniger geeignet
dar.
L2
L1
L3
0,5 MHz, ra = 1
1 MHz, ra = 2
2 MHz, ra = 1
10 MHz, ra = 2
Abbildung 88: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG6
Einspeisung in Phase L2
Abbildung 89 zeigt die gemessenen Amplituden an den drei Sensoren der CrossbondingBox bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L2 in Abhängigkeit der
Messfrequenz.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
101
600
L1-L2
500
L2-L3
L3-L1
Ladung [pC]
400
300
200
100
0
100
1000
10000
Messfrequenz [kHz]
Abbildung 89: Ausgekoppelte Ladung an MG6 bei Kalibrator-Einspeisung in L2 (2 nC)
Das Diagramm zeigt ebenso wie die 3PARD-Darstellung eindeutige Ergebnisse für die
Messungen bei 500 kHz, 1 MHz und 2 MHz.
L2
L1
L3
0,5 MHz, ra = 1
1 MHz, ra = 1
2 MHz, ra = 0,2
10 MHz, ra = 2
Abbildung 90: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG6
Einspeisung in Phase L3
Abbildung 91 zeigt die gemessenen Amplituden an den drei Sensoren der CrossbondingBox bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L3 in Abhängigkeit der
Messfrequenz.
102
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
600
L1-L2
L2-L3
L3-L1
500
Ladung [pC]
400
300
200
100
0
100
1000
10000
Messfrequenz [kHz]
Abbildung 91: Ausgekoppelte Ladung an MG6 bei Kalibrator-Einspeisung in L3 (2 nC)
Hier sind die Messungen bei den Mittenfrequenzen von 2 MHz und 10 MHz als kritisch
anzusehen, da die entstehenden Punktewolken einen zu geringen Abstand vom
Koordinatenursprung oder eine große Streuung aufweisen.
L2
L1
L3
0,5 MHz, ra = 2
1 MHz, ra = 1
2 MHz, ra = 0,4
10 MHz, ra = 1
Abbildung 92: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG6
Zusammenfassung zur Auskopplung an Muffengruppe 6
Auch bei den Messungen an der Muffengruppe 6 konnten die Testimpulse erkannt
werden. Eine eindeutige Phasenzuordnung war durch den Vergleich verschiedener
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
103
Messfrequenzen weiterhin möglich. Der große Abstand von Signalquelle zu Messort führte
dabei jedoch zu einer reduzierten Messempfindlichkeit (ca. 10 % Amplitudenverlust bei
500 kHz, über 50 % Verlust bei 2 MHz, ca. 95 % Verlust bei 10 MHz) und zu einer
verringerten Aussagesicherheit, was für reale TE-Messungen in der Praxis aufgrund der
konstruierten Situation jedoch nicht von Relevanz ist.
6.7.3.1.3 Auskopplung an Muffengruppe 6 bei linearer Schirmverbindung
In einem weiteren Messzyklus wurden die Testimpulse wiederum an der vom Einspeiseort
aus betrachtet zweiten Crossbonding-Muffengruppe (MG6) ausgekoppelt, wobei am
Messort die Auskreuzung der Kabelschirme, wie bei einer Spannungsprüfung üblich,
aufgehoben wurde. Die Kabelschirme wurden innerhalb der Crossbonding-Box linear
durchverbunden, so dass bei der synchronen dreiphasigen Messung jede TEErfassungseinheit nicht mehr phasenübergreifend arbeitet, sondern direkt die Impulse
einer
einzelnen
Kabelphase
aufzeichnet.
Die
Crossbonding-Auskreuzung
an
Muffengruppe 3 blieb dagegen unverändert bestehen. Abbildung 93 zeigt die gemessenen
Amplituden (Mittelwerte aller Impulse) an den drei Sensoren der Crossbonding-Box bei
Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L1 in Abhängigkeit der Messfrequenz.
800
L1
700
L2
L3
Ladung [pC]
600
500
400
300
200
100
0
100
1000
Messfrequenz [kHz]
Abbildung 93: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L1 (2 nC)
10000
104
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Wie zu erwarten war, ist die größte Signalamplitude an dem zur Phase L1 gehörenden
Messkanal zu verzeichnen. Lediglich eine geringe Signalüberkopplung durch das
Auskreuzen
der
Kabelschirme
an
Muffengruppe 3
bzw.
durch
unvermeidliche
Koppelimpedanzen ist festzustellen. Aufgrund der erheblichen Amplitudenunterschiede
zeigen sich in Abbildung 94 bei den entstehenden 3PARD-Grafiken weit außerhalb des
Diagrammursprungs liegende Punktewolken (ra > 3). Im Gegensatz zu allen bisherigen
Messungen sind die Messkanäle des TE-Messsystems nun direkt mit den Kabelphasen
verknüpft, da am Auskoppelort kein Crossbonding vorliegt. Die Punktewolken liegen damit
auf den Diagrammachsen.
L1
L2
L3
0,5 MHz, ra = 5
1 MHz, ra = 5
2 MHz, ra = 13
10 MHz, ra = 3
Abbildung 94: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG6 ohne CB bei Einsp. In L1
Da bei der direkten linearen Schirmverbindung im Vergleich zu den phasenübergreifenden
Crossbonding-Auskopplungen eine höhere Signalamplitude messbar ist und zusätzlich
aufgrund
der
Quasi-Entkopplung
der
Phasen
der
Amplitudenabstand
zu
den
Nachbarphasen L2 bzw. L3 größer ist, liegt selbst die durch Streuung verbreiterte
Punktewolke der 10 MHz-Messung mit deutlichem Abstand vom Koordinatenursprung auf
der zu L1 gehörenden Diagrammachse und kann zu Auswertezwecken herangezogen
werden. In der 3PARD-Darstellung bei 2 MHz Messfrequenz ist die Punktewolke lediglich
klein und undeutlich zu erkennen, was jedoch auf den extrem großen und für die
Auswertung sehr guten Amplitudenverhältniswert von ra = 13 zurückzuführen ist.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
105
Zusammenfassung zur Auskopplung an Crossbonding-Brücken
Es ist klar festzuhalten, dass die Auskopplung innerhalb der Crossbonding-Box bei
linearen
Schirmverbindungen,
wie
sie
z. B.
bei
einphasig
durchgeführten
Spannungsprüfungen der Fall sind, zu den besten Ergebnissen führt. Zum einen ist durch
die direkte Zuordnung einer TE-Messstation zu einer einzelnen, nahezu entkoppelten
Phase eine intuitive Auswertung der Messergebnisse möglich, zum anderen ist die TEAmplitude aufgrund der nahezu vollständig koaxialen Impulsausbreitung im CrossbondingZuleitungssystem größer als bei phasenübergreifender Überkopplung. Für kombinierte
Spannungsprüfungen und TE-Messungen ist daher die lineare Schirmverbindung
vorzuziehen. Aber auch bei der Anwendung der induktiven Signalauskopplung zur OnlineTE-Messung an einer sich im Betrieb befindenden Crossbonding-Kabelanlage kann unter
Beachtung der oben beschriebenen Ergebnisse ein empfindliches TE-Monitoring realisiert
werden.
6.7.3.1.4 TE-Auskopplung an der Crossbonding-Zuleitung vor der CB-Box
In seltenen Fällen kommt es vor, dass die Crossbonding-Box nach der ersten
Inbetriebnahme der Kabelanlage nicht mehr zugänglich ist oder dass diese auf Wunsch
des
Betreibers
nicht
geöffnet
werden
darf.
Bei
zugänglichem
Crossbonding-
Verbindungskabel besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit einer TE-Messung mittels HFTransformator.
Zur Untersuchung der in diesem Fall maximal zu erreichenden Empfindlichkeit wurde eine
Messung bei Einspeisung eines Testimpulses von 2 nC in Phase L3 mit drei Sensoren
durchgeführt.
Sensor 1
im
Mittelpunkt
der
Betrachtung
wurde
außen
um
die
Crossbonding-Zuleitung der zur Phase L3 gehörenden Muffe angebracht. Die Sensoren 2
und 3 wurden zur Ermittlung von Vergleichswerten wie auch bei den vorangegangenen
Messungen an den Crossbonding-Brücken L2-L3 und L3-L1 befestigt. Abbildung 95 zeigt
die hierbei zu messenden Ladungswerte der drei Sensoren.
106
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
600
L3 Zuleitung
L2-L3
L3-L1
500
Ladung [pC]
400
300
200
100
0
100
1000
10000
Messfrequenz [kHz]
Abbildung 95: TE-Auskopplung an CB-Zuleitungskabel außerhalb der CB-Box, Phase L3
Die Messergebnisse belegen, dass eine TE-Messung mit HF-Transformatoren an der
Crossbonding-Zuleitung außerhalb der Crossbonding-Box nicht empfindlich realisiert
werden kann. Im Vergleich zur TE-Auskopplung an den Crossbonding-Brücken innerhalb
der Auskreuzbox ist die Signalamplitude um den Faktor zwei bis drei reduziert.
Berücksichtigt man dabei den Aufbau der verwendeten Crossbonding-Zuleitungskabel (s.
Kapitel 3.3), wird ersichtlich, dass die magnetische Feldkomponente eines TE-Impulses
durch den doppellagigen und gegensinnig gewickelten Kabelschirm nur stark gedämpft
auskoppelbar ist. Lediglich sehr hochfrequente Signalanteile können durch Lücken im
Schirm nach außen greifen. Diese hochfrequenten Signalanteile waren jedoch bei den
Kalibriermessungen vor Ort bis zum Auskoppelort nicht ausreichend ausbreitungsfähig, so
dass ein messtechnischer Nachweis nicht erbracht werden konnte. Bei potenziellen TEFehlern innerhalb der Crossbonding-Muffengruppe kann eine hochfrequente Messung an
der Crossbonding-Zuleitung jedoch bei ausreichend großen Ladungspegeln u. U.
erfolgreich sein.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
107
6.7.3.2 Vor-Ort-TE-Messungen an Hochspannungskabelanlagen
Zur messtechnischen Erprobung der TE-Auskopplung an Crossbonding-Anlagen unter
Vor-Ort-Bedingungen wurden in Zusammenarbeit mit dem IPH-Berlin experimentelle
Untersuchungen im Rahmen von Spannungsprüfungen und auch kommerziellen TEMessungen durchgeführt.
6.7.3.2.1 TE-Messung an einer 400-kV-Kabelanlage mit Muffenkammer
An einer ca. 10 km langen 400-kV-Ölkabelstrecke wurden bei routinemäßigen Gas-in-ÖlAnalysen des Isolieröles erhöhte Wasserstoffkonzentrationen festgestellt. Anhand einer
TE-Messung an den Garnituren sollte daher festgestellt werden, ob eventuell
Teilentladungen in der Kabelanlage die beobachtete Wasserstoffbildung verursachten. Da
die Kabelenden der Anlage nicht zugänglich waren und in den Garnituren keine speziellen
TE-Sensoren implementiert waren, konnte die TE-Auskopplung nur an den CrossbondingVerbindungen innerhalb der begehbaren Muffengrube vorgenommen werden. Zu diesem
Zweck wurden drei HF-Transformatoren zur induktiven Signalauskopplung an den sich in
direkter Nähe zu den Muffen befindenden Crossbonding-Verbindungskabeln angebracht
(s. Abbildung 96).
Histogramme
gefilterte TE-Signale
Abbildung 96: HF-Trafo an einer CB-Verbindung
Abbildung
97:
Fingerprint-Darstellung
des
Kalibrierimpulses
Abbildung 97 zeigt die Ergebnisse der Kalibrierung bei einer eingespeisten Impulsladung
von 10 pC.
108
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Die Kalibratorimpulse zeichnen sich in der Histogrammdarstellung (Fingerprint) deutlich in
Form von zwei eng begrenzten Punktewolken ab. Das rot dargestellte Spannungssignal in
der Mitte des Oszillogramms zeigt dabei das aufgezeichnete Messsignal nach Durchlaufen
der Eingangsverstärker des Messsystems, jedoch vor der implementierten digitalen
Filterung. Damit ist diese Darstellungsform nicht ausschlaggebend für die Ermittlung der
Messempfindlichkeit bzw. des Grundstörpegels. Hierfür kann die blaue Darstellung am
unteren Rand des Oszillogramms herangezogen werden, die die Impulserkennung und
Filterung des digitalen TE-Messsystems berücksichtigt. Die Messempfindlichkeit für die
gewählte Messfrequenz von 4 MHz kann bei freigeschalteter und geerdeter Kabelstrecke
mit < 2 pC angegeben werden und ist demnach für eine empfindliche TE-Messung
ausreichend. Die TE-Messung konnte hier jedoch nur ohne die Verwendung einer
spannungsvariablen und TE-freien (bzw. gefilterten) Prüfspannungsquelle erfolgen, so
dass nach Zuschaltung der Netzspannung auf die Kabelanlage mit einer Reduzierung der
Empfindlichkeit durch die Einkopplung von netzfrequenten Störern aus der Umgebung der
beteiligten Umspannwerke zu rechnen war. Während der gesamten Messdauer konnten
dabei keine TE aus den Garnituren festgestellt werden. Es konnten jedoch TE-Aktivitäten
von benachbarten Betriebsmitteln und Koronaentladungen von Freiluftkomponenten
messtechnisch erfasst werden, die durch die galvanische Leiterkopplung (Kabelanlage im
Netzbetrieb) und durch gemeinsame Erdverbindungen bis zum Messort an den
Crossbonding-Muffen nachweisbar waren. Abbildung 98 zeigt die Fingerprints der
aufgezeichneten TE-Ereignisse, die an den Schirmauskreuzungen K1-K2, K2-K3 und K1K3
der
Crossbonding-Muffe
durch
induktive
Signalauskopplung
bei
beidseitiger
Zuschaltung der Kabelstrecke unter Last erfasst worden sind. Aufgrund einer fehlerhaften
Prüfspannungserfassung am Messort ist die absolute Phasenposition der aufgezeichneten
TE-Muster unbekannt, sie kann jedoch anhand der sinusförmigen Cluster erahnt werden.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
109
Abbildung 98: Fingerprint-Darstellung (0° - 360°), Messung an den drei Schirmauskreuzungen
Durch die Variation der Schaltzustände in beiden beteiligten Umspannwerken (z. B.
einseitige Speisung) konnte nachgewiesen werden, dass der Ursprung der TE-Impulse
nicht auf der Kabelstrecke oder in den Garnituren lag. Die Möglichkeit einer empfindlichen
TE-Messung durch Auskopplung an den Crossbonding-Verbindungen konnte jedoch
davon unabhängig durch die erfolgreiche Aufzeichnung von TE-Mustern demonstriert
werden.
6.7.3.2.2 TE-Messung an einer 220-kV-Kabelanlage mit externer Schirmauskreuzung
Wenige Tage nach der Inbetriebnahme einer VPE-isolierten 220-kV-Kabelanlage im
Stadtgebiet
von Kairo traten trotz bestandener
Spannungsprüfungen wiederholt
Muffenfehler auf, die zum Durchschlag und damit zum Ausfall der Kabelanlage führten.
Die Demontage der zerstörten Muffen ließ auf Montagefehler schließen und lieferte
Anzeichen für vorangegangene innere TE-Aktivität. Nach der erneuten Instandsetzung der
Kabelanlage sollte eine Spannungsprüfung mit paralleler TE-Messung durchgeführt
werden, um die Montagequalität der Garnituren zu beurteilen.
110
In
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
enger
Zusammenarbeit
mit
dem
Muffenhersteller
wurden
vorbereitende
Labormessungen durchgeführt, um die zu erwartende Empfindlichkeit der TE-Messung mit
induktiver
Signalauskopplung
an
den
Crossbonding-Verbindungen
innerhalb
der
Crossbonding-Box zu ermitteln. An einer kompakten Versuchsanlage (s. Abbildung 99)
bestehend aus Kabelkurzstücken, Wasserendverschlüssen und einer Crossbonding-Muffe
des in Kairo eingesetzten Typs, konnte im Werk des Herstellers zudem eine IEC-konforme
Kalibrierung der induktiven Sensoren durch eine zusätzliche TE-Auskopplung an einem
Koppelkondensator vorgenommen werden. Die Dämpfung des Hochspannungskabels
konnte dabei aufgrund der kurzen verwendeten Längen und der niedrigen Messfrequenz
von < 1 MHz vernachlässigt werden.
a) Versuchsaufbau mit Messtechnik (schematisch)
b) Induktive Auskopplung in CB-Box
Abbildung 99: Laboraufbau zur Kalibrierung der induktiven Sensoren an 220-kV-VPE-Kabelmuffen
Bei
Variation
der
Mittenfrequenz
des
digitalen
TE-Messsystems
wurden
die
Ausgangssignale des vorher kalibrierten induktiven TE-Sensors mit den Ladungswerten
der Testimpulseinspeisung auch für den nicht IEC-konformen Frequenzbereich verglichen,
da die TE-Messungen vor Ort aufgrund der zu erwartenden geringeren Störbeeinflussung
in diesem höheren Frequenzbereich durchgeführt werden sollten. Die messtechnisch
ermittelte Frequenzabhängigkeit des Versuchsaufbaus für Frequenzen oberhalb von
1,5 MHz zeigt Abbildung 100 am Beispiel der auskoppelbaren Amplituden an den
Crossbonding-Verbindungen M1 und M2 innerhalb der Crossbonding-Box.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
111
250
5
M1
200
4
M2
M2 / M1
3
100
2
50
1
Q [pC]
Ratio M2/M1
150
0
0
1,5
2,5
3,5
4,5
5,5
6,5
7,5
8,5
f [MHz]
Abbildung 100: Frequenzabhängigkeit der TE-Auskopplung
Unter Berücksichtigung des bekannten, relativ flach verlaufenden Frequenzganges des
induktiven Sensors im betrachteten Frequenzbereich kann davon ausgegangen werden,
dass der Versuchsaufbau selbst einen erheblichen Einfluss auf die zu messenden
Amplituden
bei
der
Signalauskopplung
darstellt
und
ursächlich
für
die
Frequenzabhängigkeit und auch für die unterschiedlichen Messwerte der beiden Sensoren
(s. Verhältnis M2 zu M1 in Abbildung 100) verantwortlich ist. So fällt die bei ca. 2,5 MHz zu
erkennende erste Überhöhung im Graphen von M2 mit der λ/4-Resonanz der 15 Meter
langen Crossbonding-Zuleitung zwischen Muffe und Auskreuzbox zusammen (bei
angenommenen 150 m/µs Impulsausbreitungsgeschwindigkeit). Ebenso kann die zweite
Überhöhung der Messkurven bei ca. 5,8 MHz und bei ca. 6,35 MHz den ca. 6 Meter und
ca. 5,9 Meter langen Kabelteilstücken zwischen Muffe und Endverschlüssen zugeordnet
werden. Es wurde daher beschlossen, auch bei der Vor-Ort-Messung trotz der großen
Kabellängen und der damit verbundenen Impulsdämpfung vom Freiluftendverschluss bis
zum Messort (Muffe) eine Testsignaleinspeisung mit 2000 pC am zugänglichen nahen
Kabelende vorzunehmen und die Frequenzabhängigkeit der Gesamtanordnung erneut zu
betrachten. Abbildung 101 zeigt den entsprechenden Aufbau für die Vor-Ort-Kalibrierung
schematisch.
112
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Abbildung 101: Vor-Ort-Kalibrierung der Auskopplung
Die in einer Entfernung von 500 Metern aufgezeichneten Ladungsamplituden an
Muffengruppe 8 sind in Abbildung 102 in Abhängigkeit der Mittenfrequenz des TEMesssystems für die drei Phasen (blue, yellow, red) dargestellt.
2000
1800
1600
M 8 b lu e
M 8 y e llo w
M 8 re d
1400
Q [pC]
1200
1000
800
600
400
200
0
3
4
5
6
f [M H z ]
Abbildung 102: Frequenzabhängigkeit der Ausgangssignale vor Ort
7
8
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
113
Im Frequenzbereich um ca. 3 MHz ist die maximale Amplitude für alle drei TE-Sensoren
zu erzielen. Auch in diesem Fall stimmt die optimale Messfrequenz mit der zugehörigen
λ/4-Resonanz der ca. 12 Meter langen Crossbonding-Zuleitungen von Muffengruppe 8
überein. Die minimalen Differenzen bei der Position der Maxima zwischen den
Messwerten der drei Phasen können dabei auf die verschiedenen CrossbondingZuleitungslängen aufgrund versetzter Muffenpositionen innerhalb der Muffengrube
zurückgeführt werden. Dabei kamen für die Crossbonding-Muffen aller Muffengruppen und
Phasen nach Angaben des Muffenherstellers und Verantwortlichen der ordnungsgemäßen
Errichtung der Crossbonding-Anlagen Zuleitungslängen von 8 Metern bis 24 Metern zum
Einsatz.
Aufgrund der Untersuchungen zur Frequenzabhängigkeit wurde für die durchzuführenden
TE-Messungen eine Mittenfrequenz von 4 MHz gewählt. Für diese Messfrequenz ist eine
nahezu einheitliche Bewertung des Ladungspegels für alle drei Phasen bzw. für alle drei
Crossbonding-Brücken gewährleistet. Die Wahl einer Messfrequenz oberhalb der
beobachteten
Maxima
Störunterdrückung
wurde
äußerer
auch
hinsichtlich
Fremdeinflüsse
der
durch
zu
die
erwartenden
besseren
Signaldämpfung
des
Hochspannungskabels begründet.
Zur Reduzierung des zeitlichen und gerätetechnischen Messaufwandes (verfügbare
Anzahl von TE-Erfassungseinheiten und ausreichend langen LWL-Verbindungen) wurde
beschlossen, jeweils drei der 8 Muffengruppen des Kabelsystems synchron zu messen
und dann nach Abschluss eines Messzyklus die gesamte Messtechnik um eine oder zwei
Muffenpositionen
Mehrfachmessungen
vorzurücken.
mancher
Die
Muffen
daraus
sollten
als
resultierenden
redundante
eventuellen
Information
die
Messsicherheit vergrößern. Dabei wurde die durch Kontrollmessungen bestätigte
Annahme zu Grunde gelegt, dass TE-Fehler einer einzelnen Muffe an allen CrossbondingVerbindungen der zugehörigen Auskreuzbox und Muffengruppe phasenübergreifend
detektiert werden können. Daher wurde lediglich ein einzelner induktiver Sensor um eine
der Verbindungsbrücken innerhalb der Auskreuzbox montiert (s. Abbildung 99 b), welcher
nachweislich ausreichend sensitiv für TE-Fehler aller drei Phasen ist. Es wurde vereinbart,
bei ersten Anzeichen von TE an einer Muffengruppe die laufende TE-Messung zu
unterbrechen, um die Sensoren aller Schirmbrücken zu montieren und dann mit erhöhter
Messempfindlichkeit bei allen Phasen fortzufahren. Für diesen Fall kann auch eine lineare
Verbindung der Crossbonding-Brücken innerhalb der Auskreuzbox (nur bei einseitiger
114
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Speisung, ohne Lastfluss) und damit eine vollständige Entkopplung der drei Phasen zur
Steigerung der Aussagekraft der TE-Messung vorgenommen werden.
Die TE-Erfassungseinheiten der räumlich 500 Meter weit auseinander liegenden
benachbarten
Muffengruppen
der
Kabelanlage
wurden
durch
spezielle
LWL
(stahlummantelt, Militärstandard) miteinander optisch verbunden und durch das digitale
Mehrstellenmesssystem (PC) synchronisiert (s. Abbildung 103).
Abbildung 103: Messstrategie bei Vor-Ort-Messung
Bei
auftretenden
TE-Signalen
kann
so
durch
die
Berücksichtigung
der
ausbreitungsbedingten Amplitudenabnahme von einer Muffengruppe zur nächsten eine
Fehlerortung vorgenommen werden. Eine Fehlerortung durch Laufzeitanalyse war zum
Zeitpunkt der Messungen nicht möglich, da aufgrund der neuartigen Erfassungshardware
die
notwendige
Synchronisation
der
einzelnen
TE-Erfassungseinheiten
mit
der
erforderlichen Genauigkeit im µs-Bereich bei LWL-Verbindungen über einige hundert
Meter noch nicht fehlerfrei implementiert war. Abbildung 104 zeigt eine der beteiligten
potenzialfrei arbeitenden Erfassungseinheiten und die Anbindung der Muffengrube über
Lichtwellenleiter.
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
a) TE-Erfassungseinheit mit Messimpedanz und Akku
115
b) LWL-Verbindung zur potenzialfreien Kommunikation
Abbildung 104: LWL-Verbindung der Erfassungseinheiten
Abbildung 105 zeigt tabellarisch die Zusammenfassung der aufgezeichneten Fingerprints
aller 8 Muffengruppen.
116
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
MG8
MG4
MG7
MG3
MG6
MG2
MG5
MG1
Abbildung 105: Fingerprints (0° - 360°) der 8 CB-Muffen
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
117
An den Messpositionen der Muffengruppen MG8 und MG7 wurden TE-Pegel von
ca. 15 pC bzw. 10 pC detektiert. Die erkennbare Abnahme des Pegels von MG8 hin zu
MG7 deutet darauf hin, dass es sich dabei um einen externen TE-Störer handelt, der von
TE-behafteten
Komponenten
im
speisenden
Umspannwerk
einkoppelt.
Ab
der
Messposition MG6 ist dieser Störer aufgrund des größer werdenden Abstandes und der
daraus resultierenden Kabeldämpfung oberhalb der Messempfindlichkeit von < 10 pC
nicht mehr messbar. Bei beidseitiger Speisung der Kabelstrecke ist von der anderen
Kabelseite betrachtet ebenfalls über die Distanz von zwei Muffengruppen bis hin zur
Messposition MG2 der störende Einfluss des zweiten Umspannwerkes messbar, hier ohne
erkennbare TE-Muster durch die Anhebung des allgemeinen Rauschbandes auf
ca. 20 pC. An diesen beiden Muffengruppen wurden daher ergänzende Messungen bei
1,6 MHz bzw. 1,7 MHz Messfrequenz durchgeführt, die ohne Anzeichen von TE-Aktivität
eine Empfindlichkeit von < 10 pC erreichten.
Durch die Variation der Schaltzustände (linksseitige, rechtsseitige, beidseitige Speisung)
konnte die Quelle der aufgezeichneten TE-Impulse eindeutig mit TE-behafteten
Komponenten in den Umspannwerken in Zusammenhang gebracht werden. Die
montierten Crossbonding-Muffen wurden daher als TE-frei eingestuft und sind seit der
erneuten Inbetriebnahme im Anschluss an die TE-Messung fehlerfrei in Betrieb. Eine
empfindliche TE-Auskopplung an den Crossbonding-Verbindungen der Kabelanlage durch
induktive Sensoren konnte durch diese Vor-Ort-Messung erfolgreich demonstriert werden.
6.7.3.2.3 TE-Messung an einer 132-kV-Kabelanlage mit externer Schirmauskreuzung
In Zusammenarbeit mit dem IPH-Berlin wurden im Rahmen einer ResonanzWechselspannungsprüfung (49,4 Hz) TE-Messungen an einer 132-kV-VPE-Kabelanlage
im südwest-europäischen Raum durchgeführt. Die als Doppelsystem ausgeführte
Kabelstrecke hat eine Gesamtlänge von 3185 Metern und ist durch zwei CrossbondingMuffen nach 1100 Metern und nach 2200 Metern in drei ungefähr gleich lange
Teilsegmente unterteilt. Im letzten Teilsegment ist eine zusätzliche Durchgangsmuffe bei
2652 Metern montiert. Der Anschluss der Prüfspannungsquelle erfolgte an den
Freiluftendverschlüssen der Masteinführung der Kabelstrecke. Die Auskopplung der TEImpulse erfolgte bei verschiedenen Messfrequenzen (2,56 MHz, 6 MHz, 7 MHz) induktiv
mit HF-Transformatoren an der externen Crossbonding-Verbindung der Muffengruppe 1
(CB joint 1), wobei aufgrund der einphasigen Spannungsprüfung die Schirmverbindung
118
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
linear wieder hergestellt worden war. Abbildung 106 zeigt den schematischen Aufbau der
Kabelstrecke, Abbildung 107 zeigt die Realisierung der TE-Auskopplung innerhalb der
Crossbonding-Box mit den durchverbundenen Kabelschirmen.
Abbildung 106: Schema der Kabelanlage
3
4
1
2
5
Abbildung 107: TE-Signalauskopplung in der Crossbonding-Box
1: TE-Erfassungseinheit, 2: Akku, 3: HF-Trafo, 4: Prüfspannungssynchronisation, 5: LWL zum Messrechner
Bei den durchgeführten TE-Messungen an der Crossbonding-Muffe 1 wurden fünf der
sechs Phasen des Doppelsystems trotz TE-Aktivität als TE-frei eingestuft. Die detektierten
TE-Impulse dieser Phasen ließen aufgrund ihrer festgestellten Phasenlage auf externe
Störer (Koronaentladungen an den Hochspannungszuleitungen und an Aufbauelementen
des Kabelmastes) schließen. Eine Variation der Mittenfrequenz des digitalen TEMesssystems konnte diesen Sachverhalt bestätigen. Mit ansteigender Messfrequenz
nahm
die
an
der
Muffengruppe 1
detektierte
messbare
Ladung
ab.
Diese
frequenzabhängige Abnahme der TE-Amplitude lässt den Schluss zu, dass die
detektierten Impulse eine lange Wegstrecke von ihrem Ursprungsort bis zum Messort
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
119
zurückgelegt haben, da sich die hochfrequenten Signalanteile der TE-Impulse aufgrund
der mit zunehmender Kabellänge wirksameren Kabeldämpfung stärker reduzieren als
tieferfrequente Signalanteile. Ein TE-Fehler in direkter Nähe zum Messort ist damit
auszuschließen. Abbildung 108 a) zeigt die aufgezeichneten Fingerprints des externen
Koronastörers auf Phase „blue“ des zweiten Kabelsystems und die Abnahme der
Amplitude mit steigender Messfrequenz.
a) Externer Störer, Ladungsabnahme
b) Interner TE-Fehler, keine Ladungsabnahme
Abbildung 108: Einfluss der Messfrequenz auf die Ladungswerte
120
Neue Auskoppelverfahren und Sensoren
Die TE-Messung der sechsten Phase (System 2, Phase „red“) ergab einen internen TEFehler mit Ladungswerten im Nanocoulomb-Bereich. Die Variation der Messfrequenz
ergab
dabei
nahezu
konstante
Ladungsamplituden
(s.
Abbildung
108 b).
Die
verschiedenen Frequenzanteile der TE-Impulse konnten nahezu ungedämpft erfasst
werden, was darauf schließen lässt, dass keine nennenswerte Ausbreitung entlang der
Kabelstrecke stattgefunden hat. Die Nähe des vermuteten TE-Fehlers zum Messort
(Muffe CB1) in Kombination mit den gemessenen hohen Ladungswerten bei lediglich 1,4facher Nennspannung führt zu der Annahme, dass es sich um einen Gleitentladungsfehler
innerhalb der Muffe CB1 handelt, der den Weiterbetrieb der Kabelanlage gefährden kann.
Dem Betreiber der Kabelanlage wurde daraufhin empfohlen, die Muffe zu bergen bzw. zu
öffnen und damit die Ergebnisse der TE-Messung zu bestätigen.
Auf Wunsch des Betreibers der Kabelanlage wurde zusätzlich zur implementierten TEMesstechnik über einen externen Koppelkondensator (8 nF) am Kabelende ausgekoppelt
und mit einem weiteren kommerziellen TE-Messsystem (ICMcompact) im IEC-konformen
Frequenzbereich von < 1 MHz gemessen. Aufgrund der enormen geometrischen
Ausmaße der Hochspannungsverbindungen zur Kontaktierung von Prüfspannungsquelle
und Koppelkondensator mit der Masteinführung konnte hier aber nur ein ungünstig hoher
Grundstörpegel erreicht werden, der eventuell auftretende ladungsschwache TE-Impulse
aus der Kabelanlage überlagern würde. Die Entladungen im nC-Bereich konnten hingegen
sicher detektiert werden. Ähnliche Fingerprint-Darstellungen für diesen Fehlertyp
bestätigten zudem die Messergebnisse der empfindlicheren TE-Auskopplung durch HFTransformatoren an den Crossbonding-Verbindungen.
TE-Ortung durch Echometrie
121
7 TE-Ortung durch Echometrie
In vorangegangenen Kapiteln dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass TE-Impulse an
Crossbonding-Verbindungen empfindlich ausgekoppelt werden können. Zur genaueren
TE-Analyse konnten mit den so gewonnenen Informationen Fingerprints und 3PARDDarstellungen generiert werden, die auf die Art des TE-Fehlers und dessen Ursprung
schließen ließen. Im Folgenden soll darüber hinaus auf die Möglichkeiten der TE-Ortung
durch Echometrie eingegangen werden, die, unabhängig vom Fehlertyp, eine genaue
Lokalisierung des Fehlerortes in Kabelanlagen durch die Betrachtung einzelner TEImpulse
und
deren
Reflexionen
ermöglicht,
sofern
diese
durch
die
HF-
Dämpfungseigenschaften des Kabels aus dem Grundrauschen separierbar sind. Das
Verfahren der Echometrie ist für Messungen an den Kabelenden bereits seit langem
etabliert. Für die Auskopplung der TE-Signale an den Muffen einer Kabelanlage jedoch
müssen spezielle Betrachtungen angestellt werden.
7.1 Grundlagen der TE-Fehlerortung auf Energiekabelanlagen
Aufgrund der Wanderwelleneigenschaften von elektromagnetischen Impulsen auf
Leitungen breiten sich TE-Signale zu beiden Seiten der Fehlerstelle mit der
materialabhängigen Ausbreitungsgeschwindigkeit vTE aus. An Diskontinuitäten des
Wellenwiderstandes erfolgen dabei Reflexionen bzw. Transmissionen. Neben den
Verbindungsmuffen (und auch neben besonderen Kabelfehlern mit Einfluss auf die
Kabelgeometrie oder Querleitfähigkeit) stellen hauptsächlich die hochfrequenzmäßig leer
laufenden Kabelenden eine solche Diskontinuität dar. Hier erfolgt eine Totalreflexion des
Impulses, der somit seine Ausbreitungsrichtung umkehrt und zurück durch das Kabel läuft.
Diese Reflexionsvorgänge wiederholen sich in der Theorie unendlich oft. In der Praxis ist
nach einigen wenigen Reflexionsvorgängen der Impuls soweit gedämpft oder aufgrund der
Dispersion in seiner maximalen Amplitude soweit reduziert, dass dieser aus dem
Grundrauschen nicht mehr zu selektieren ist.
Bei der klassischen TE-Messung erfolgt eine Auskopplung der Impulse an einem der meist
zugänglichen Kabelenden (über einen Koppelkondensator). Bei einer Messung im
Zeitbereich werden dabei der Originalimpuls und seine Reflexionen erfasst. Der zeitliche
Abstand dieser gemessenen Impulse ist aufgrund der als konstant angenommen
122
TE-Ortung durch Echometrie
Ausbreitungsgeschwindigkeit vTE auf dem Energiekabel direkt in eine Entfernungsangabe
umzurechnen. So ergibt nach Gleichung 5 die Zeitdifferenz Δt des ersten Impulspaares
(Originalimpuls und erste Reflexion) den potenziellen Fehlerort lFehler, gemessen vom
messfernen Ende der Kabelstrecke.
lFehler =
vTE
⋅ Δt
2
Gleichung 5
Für die Fehlerentfernung gemessen vom Standort des Messsystems ergibt sich dann
unter Berücksichtigung der Kabellänge L nach Gleichung 6 ein entsprechender Fehlerort.
⎛v
⎞
lFehler = L − ⎜ TE ⋅ Δt ⎟
⎝ 2
⎠
Gleichung 6
Durch die Berücksichtigung vieler TE-Impulse ergibt sich so ein statistisch abgesicherter
Bereich
(bei
Mehrfachfehlern
mehrere
Bereiche)
mit
einer
erhöhten
Fehlerwahrscheinlichkeit [Kre93].
Da Reflexionsvorgänge an allen Diskontinuitäten des Wellenwiderstandes und nicht nur an
den Kabelenden auftreten, überlagern sich im Reflektogramm zusätzlich Teilreflexionen
von Verbindungsmuffen, die eine eindeutige Auswertung der entstehenden Graphen
erschweren können. Bei Mischkabelstrecken mit Kabelsegmenten verschiedenen
Wellenwiderstandes treten ähnliche Effekte auf. Bei TE-Pegeln geringer Amplitude sind
diese Einflüsse meist zu vernachlässigen. Bei der Kalibration hingegen können diese
Effekte sogar hilfreich sein, da bei der Verwendung eines amplitudenstarken
Kalibrationssignals ein Muffenplan der zu untersuchenden Kabelstrecke messtechnisch
erstellt werden kann. Die Kenntnis der Muffenpositionen ermöglicht unter Einbeziehung
existierender Pläne der Netzbetreiber eine Konzentration auf diese Stellen als potenzielle
TE-Fehlstellen. In der Praxis unterscheidet sich die Dokumentationsqualität der
Kabelnetzbetreiber erheblich voneinander, so dass im Extremfall die Muffenpositionen vor
der Messung nicht bekannt sind und durch eine Echometrie bestimmt werden sollten.
Abbildung 109 zeigt Reflektogramme eines TE-Fehlers und die Ergebnisse der
Muffenbestimmung durch Kalibration.
TE-Ortung durch Echometrie
a) TDR eines TE-Fehlers
123
b) Reflexionen durch Muffen bei Kalibration
Abbildung 109: Typische Reflektogramme
Es ist deutlich zu erkennen, dass die Amplituden des TE-Signals und der aufgezeichneten
Reflexionen eines einzelnen TE-Fehlers in erster Näherung exponentiell abnehmen (s.
Abbildung 109 a). Bei Teilreflexionen durch Stoßstellen sind die Signalamplituden
hingegen deutlich geringer (s. Abbildung 109 b) und werden zeitlich in ihrer Amplitude nur
solange kleiner, bis wiederum eine Totalreflexion vom Kabelende auftritt. Diese
Totalreflexion (falls messbar) kann dabei als Kontrollkriterium (Messzeit entspricht
doppelter Kabellänge) für eine fehlerfreie Messung herangezogen werden.
7.2 Besonderheiten bei der Auskopplung an Crossbonding-Stellen
Bei Kabelanlagen mit SF6-isolierten Einführungsendverschlüssen ist es aufgrund der
mangelnden Zugänglichkeit im Allgemeinen nicht möglich, eine TE-Auskopplung an den
Kabelenden vorzunehmen. Wie bereits beschrieben, besteht jedoch bei CrossbondingKabelsystemen die Möglichkeit, TE-Signale an den Schirmtrennstellen bzw. an den
Auskreuzstellen in den Crossbonding-Boxen zu erfassen und eine klassische auf
Echometrie basierende Fehlerortung vorzunehmen. Aufgrund der im Vergleich zur TEErfassung an den Kabelenden zwangsläufig veränderten Beobachtungsposition ergeben
sich jedoch Oszillogramme von TE-Impulsen und deren Reflexionen, die zwar eine große
124
TE-Ortung durch Echometrie
Ähnlichkeit zu den bekannten Darstellungen aufweisen (und damit zu Fehlinterpretationen
bezüglich des Fehlerortes führen können), jedoch u. U. völlig anders zu interpretieren sind.
Neben der bereits aus der klassischen Echometrie mit Messstandort am Kabelende
bekannten Zeitdifferenz Δt, die in Korrelation zum TE-Fehlerort steht, tritt bei den
Messungen mit beliebigem Messort eine weitere charakteristische Zeitdifferenz auf, die
über die bekannte Umrechnung mittels Impulsausbreitungsgeschwindigkeit vTE den
Abstand des Messstandortes selbst zum Kabelende beschreibt, so dass eine
Unterscheidung dieser beiden verschiedenartigen Zeitdifferenzen durch Indizes sinnvoll
ist. ΔtFehler soll dabei die Zeitdifferenz mit Relevanz für den Fehlerort, ΔtMessort die
Zeitdifferenz mit Relevanz für den Messort bezeichnen.
Bei der TE-Messung an beliebiger Position ergeben sich so i. A. zwei verschiedene
Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2, die anfänglich nicht direkt dem Messort oder dem Fehlerort
zuzuordnen sind. Da aber in der Regel die Messposition bekannt ist, kann eine der beiden
Zeitdifferenzen eindeutig als zum Standort gehörend identifiziert werden. Die andere
Zeitdifferenz ist somit der gesuchte Wert für die Bestimmung des Fehlerortes, der sich
nach Gleichung 7 berechnet.
lFehler =
vTE
⋅ Δt Fehler
2
Gleichung 7
Für die ermittelte Fehlerentfernung ist jedoch der Bezugspunkt von großer Bedeutung. Im
Gegensatz zur Ortung mit Messposition an einem der Kabelenden ist der Referenzort für
Entfernungsangaben nicht allein aus den bekannten Gleichungen zu ermitteln. Hier ist es
vielmehr so, dass bei der Identifizierung der Beobachtungsposition durch die Zuordnung
einer der beiden Zeitdifferenzen auch das entsprechende Kabelende (z. B. UW1) vermerkt
werden muss, auf das sich die Zeitdifferenz ΔtMessort bezieht. Die verbleibende zweite
Zeitdifferenz ΔtFehler gibt dann zwangsläufig den Abstand des Fehlerortes zum
entgegengesetzten Kabelende (z. B. UW2) an. Nachfolgende Simulationen und
Messungen sollen diese Zusammenhänge verdeutlichen.
TE-Ortung durch Echometrie
125
7.2.1 Rechnersimulation verschiedener Beobachtungs- und Fehlerpunkte
Zur Verifizierung der im Vorfeld angestellten theoretischen Überlegungen wurden
Laufzeitberechnungen mit der Simulationssoftware PSpice durchgeführt. Energiekabel
wurden hierbei durch ihren Wellenwiderstand und ihre zeitliche Länge (Impulslaufzeit) als
verlustfreie Leitungen (Simulationselement T) nachgebildet. Zur Nachbildung des
Wellenwiderstandsprunges von Verbindungsmuffen wurden ohmsche Längswiderstände
zwischen die Leitungssegmente eingebracht. Die Verwendung von fünf Kabelsegmenten
mit Längen von 400 ns bis 600 ns und die Verwendung von vier Verbindungsmuffen
erlaubte dabei eine Beobachtung an sechs verschiedenen Positionen bei einem für alle
Untersuchungen fest stehenden TE-Fehlerort an Position 3. Abbildung 110 zeigt die
simulierte Schaltung.
Abbildung 110: Simulationsschaltung zur TE-Ortung durch Echometrie
Abbildung 111 fasst die Simulationsergebnisse grafisch zusammen.
126
TE-Ortung durch Echometrie
Δt1
Δt2
Abbildung 111: Simulationsergebnisse zur TE-Ortung durch Echometrie
Zur Bestimmung der Fehlerposition werden die Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 aus den
Graphen 1 bis 6 der Simulationsergebnisse benötigt. In den Plots sind neben den
gewünschten eingekreisten Impulsen und den Reflexionen von den Kabelenden auch
kleinere Impulse zu erkennen. Diese Impulse entstehen durch die parasitären
Teilreflexionen an den Verbindungsmuffen und sind somit auch bei realen Messungen zu
erwarten. Durch die Wahl des Längswiderstandes in der Simulation kann die Amplitude
dieser parasitären Impulse beeinflusst werden. So kann z. B. auch untersucht werden, ab
welchem Widerstandswert (entsprechend dem Reflexionsfaktor der realen Muffe) eine
eindeutige Zuordnung der benötigten Zeitdifferenzen Δt nicht mehr möglich ist. Tabelle 2
fasst die Ergebnisse zusammen.
TE-Ortung durch Echometrie
127
Messort
Δt1 [ns]
Δt2 [ns]
Δt1 - Bezug
Δt2 - Bezug
1
2700
5000
Fehlerort - rechtes Ende
Messort - linkes Ende
2
1200
2700
Messort - linkes Ende
Fehlerort - rechtes Ende
3
2300
2700
Messort - linkes Ende
Fehlerort - rechtes Ende
4
1700
2300
Messort - rechtes Ende
Fehlerort - linkes Ende
5
800
2300
Messort - rechtes Ende
Fehlerort - linkes Ende
6
2300
5000
Fehlerort - linkes Ende
Messort – rechtes Ende
Tabelle 2: Zusammenfassung der Simulationsergebnisse
Die Beobachtung der Impulse von den Positionen 1 und 6 entspricht der klassischen
Echometrie
an
den
Kabelenden
und
wird
im
Anschluss
betrachtet.
Beobachtungsposition 2 beschreibt hingegen einen typischen Fall für eine TEAuskopplung in einer Muffe und soll hier näher erläutert werden.
Die erste auftretende Zeitdifferenz Δt1 wird mit 1200 ns ausgemessen und entspricht damit
der doppelten Kabellaufzeit ΔtMessort der bekannten Beobachtungsposition 2 zum linken
Kabelende. Die zweite ausgemessenen Zeitdifferenz Δt2 entspricht mit 2700 ns somit der
gesuchten
doppelten
Laufzeitdifferenz
ΔtFehler und
liefert
nach
Gleichung 7
die
Fehlerdistanz zum rechten Kabelende.
Ebenso kann für Beobachtungsposition 3 verfahren werden. Obwohl hier Messort und TEFehlerort zusammenfallen, kann nach demselben Schema zur Bestimmung der
Fehlerposition vorgegangen werden. Die erste Zeitdifferenz beschreibt den Abstand des
Messortes zum linken Kabelende, die zweite Zeitdifferenz beschreibt den Abstand des
Fehlerortes zum rechten Kabelende.
Gleiches gilt für die Beobachtungspositionen 4 und 5. Hier entspricht die gemessene erste
Zeitdifferenz Δt1 der bekannten doppelten zeitlichen Entfernung des Messortes betrachtet
vom rechten Kabelende. Demzufolge beschreibt die zweite Zeitdifferenz Δt2 in beiden
Fällen über Gleichung 7 den Fehlerabstand vom linken Kabelende.
Wie schon oben angeführt, stellen die Beobachtungspositionen 1 und 6 Sonderfälle dar,
da sie der klassischen Echometrie durch Messung an den Kabelenden entsprechen. Eine
Fehlerortbestimmung kann also nach den bekannten Verfahren und Formeln erfolgen.
Dennoch
soll
zur
Verdeutlichung
der
Allgemeingültigkeit
des
für
beliebige
128
TE-Ortung durch Echometrie
Beobachtungspositionen entwickelten Lösungsansatzes gezeigt werden, dass auch diese
Sonderfälle mit der beschriebenen Betrachtung abgedeckt werden können.
Bei Beobachtungsposition 1 wird mit der zweiten Zeitdifferenz von Δt2 = 5000 ns exakt die
doppelte Kabellaufzeit festgestellt. Diese Zeit beinhaltet dabei keine relevante Information,
beschreibt sie doch lediglich das zweifache Durchlaufen des TE-Impulses durch die
Kabelanlage. Wichtig ist jedoch, dass damit die erste Zeitdifferenz Δt1 die gesuchte
Längeninformation für den Fehlerort beinhalten muss. Da der Messort in diesem Fall
eindeutig dem linken Ende der Kabelanlage zuzuordnen ist, bezieht sich die rechnerisch
gewonnene Entfernungsangabe für den TE-Fehler auf die Distanz gemessen vom rechten
Kabelende. Für die auf der Gegenseite gelegene Beobachtungsposition 6 gilt demnach
dasselbe. Δt1 beinhaltet die Entfernungsinformation in Bezug auf das nun linke Kabelende.
Anhand der durchgeführten Simulationen konnte gezeigt werden, dass durch die zeitliche
Erfassung der ersten zwei Zeitdifferenzen des Impuls-Reflektogrammes einer TEMessung eine eindeutige Bestimmung des Fehlerortes möglich ist. Der Zeitraum bis zur
Erfassung des dritten Impulses, der für die Bildung der zweiten Zeitdifferenz benötigt wird,
ist dabei im Vergleich zur klassischen Echometrie an den Kabelenden nicht größer. Es
muss lediglich ein Zeitfenster bis zur doppelten Kabellaufzeit zur Auswertung
berücksichtigt
werden.
Die
Qualität
der
Messung
ist
damit
in
Bezug
auf
Messempfindlichkeit und Ortungsschärfe mit der klassischen Messung vergleichbar.
7.2.2 Wichtige Sonderfälle
Bei den Simulationsuntersuchungen ist aufgefallen, dass es bei gewissen symmetrischen
Aufbauvariationen zu Problemen bei der eindeutigen Zuordnung der relevanten
Zeitdifferenzen kommen kann. Dies gilt im Besonderen, wenn die Impulslaufzeiten vom
Messort zum Kabelende und vom Fehlerort zum Kabelende annähernd gleich sind. Dieser
Fall liegt in der Praxis vor, wenn z. B., wie bei einer Crossbonding-Kabelanlage üblich,
Kabelsegmente annähernd gleicher Länge verwendet worden sind. Bei drei ähnlich langen
Kabelteilstücken und zwei Muffen je Phase kann es vorkommen, dass sich verschieden
gerichtete Impulsanteile eines TE-Fehlers durch die Symmetrien im Aufbau am Messort
zeitgleich überlagern, so dass eine Separierung in die geforderten Zeitdifferenzen Δt1 und
Δt2 nicht ohne weiteres möglich ist. Abbildung 112 zeigt den Aufbau für die
Simulationsuntersuchungen zu dieser Problematik.
TE-Ortung durch Echometrie
129
Abbildung 112: Simulationsschaltung zur TE-Ortung durch Echometrie
Für die Teillängen der drei Kabelsegmente wurde eine Laufzeit von ca. 500 ns gewählt.
Die Einzelsegmente unterscheiden sich dabei jedoch bewusst mit jeweils 10 ns um 2 %,
damit die im Zeitbereich zusammenfallenden Reflexionen weiterhin unterscheidbar
bleiben. Die Einspeisung des Fehlerimpulses erfolgte in Muffe 1, Beobachtungsposition
war Muffe 2. Abbildung 113 zeigt den simulierten Zeitverlauf.
Abbildung 113: Simulationsergebnisse zur TE-Ortung durch Echometrie, Schaltung n. Abbildung 112
Nachdem der erste Impuls deutlich zu erkennen ist, fällt bei der Betrachtung des weiteren
Zeitverlaufes auf, dass die Folgeimpulse eng beieinander liegen und im ungünstigsten Fall
(exakt gleiche Teillängen der Kabelsegmente) sogar aufeinander liegen oder miteinander
verschmelzen können, wie z. B. auch bei unzureichender Messbandbreite. Die
130
TE-Ortung durch Echometrie
Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 sind somit nahezu gleich, was jedoch die oben beschriebene
systematische Fehlerortbestimmung nicht negativ beeinflusst. An dieser Stelle ist es
jedoch von größter Relevanz, das Impulspaket letztlich als zwei Einzelimpulse zu
erkennen und aufzulösen. Die Einbeziehung eines weiteren Impulses oder von folgenden
Impulspaketen würde zu einer fehlerhaften Erfassung der Zeitdifferenz Δt2 und damit zu
einer Fehlinterpretation des Messergebnisses führen.
Für den Fall, dass der TE-Fehler an der Beobachtungsposition auftritt, ist eine eindeutige
Unterscheidung der drei benötigten Impulse wiederum leicht möglich. Abbildung 114 zeigt
das simulierte Oszillogramm für diesen Fall.
Abbildung 114: Simulationsergebnisse TE-Ortung, TE-Fehler am Beobachtungspunkt
Die Impulse 1, 2 und 3 haben nahezu den gleichen zeitlichen Abstand zueinander.
Lediglich die parasitären Komponenten der Teilreflexionen an den Muffen, wie z. B. der
zeitlich direkt vor Impuls 2 erkennbare Peak, können sich den Originalimpulsen
überlagern. Aufgrund ihrer geringen Amplitude ist dies jedoch an dieser Stelle nicht von
Bedeutung und beeinflusst die Fehlerortbestimmung nicht.
7.2.3 Modellmessungen an Messleitungen
Zur messtechnischen Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse wurde eine erste
Messreihe an einem einfachen Aufbau aus koaxialen Messleitungen (vTE = 2/3 c0)
durchgeführt. Zur Nachbildung einer Crossbonding-Kabelanlage mit drei nahezu gleich
TE-Ortung durch Echometrie
131
langen Teilsegmenten wurden Messleitungen mit den Teillängen L1 = 33,3 Meter,
L2 = 30,8 Meter und L3 = 28 Meter durch BNC-Kupplungen zu einer Gesamtlänge von
92,1 Metern miteinander verbunden. Die Teillängen wurden dabei bewusst nicht exakt
gleich lang gewählt, um, wie auch schon bei der Simulation, eventuell auftretende
Überlagerungsprozesse durch Symmetrien bei diesen Modellmessungen zu vermeiden.
Es wurden Messungen an allen vier möglichen Auskoppelpositionen durchgeführt. Die
Einspeisung
eines
nachgebildeten
TE-Signals
erfolgte
durch
einen
steilen
Kalibrationsimpuls ebenfalls an den vier möglichen Einkoppelorten.
Die Messergebnisse bestätigen die gewonnenen Simulationsergebnisse. An dieser Stelle
soll dabei lediglich die bereits in der Simulation als kritischer Sonderfall bestimmte
Konfiguration mit Messort in Muffe 1 und mit TE-Fehlerort in Muffe 2 näher beschrieben
werden, bei der es bei gleichen Kabelteillängen zu Interpretationsschwierigkeiten bei der
Auswertung der Oszillogramme kommen kann. Abbildung 115 a) zeigt das entsprechende
Reflektogramm.
a) Mess- und Fehlerort in verschiedenen Muffen
b) Mess- und Fehlerort in Muffe 1
Abbildung 115: Reflektogramme zur Fehlerortung
Die
Zeitdifferenzen
Δt1 = 282 ns
und
Δt2 = 333 ns
führen
über
die
bekannte
Ausbreitungsgeschwindigkeit zu Distanzen von 28 Metern und 33 Metern, wobei letztere
den bekannten Abstand vom Messort zum linken Kabelende angibt. Damit ist die
Fehlerposition mit 28 Metern vom rechten Kabelende eindeutig auf die Muffenposition 2
festgelegt. Eine eindeutige Separierung der beiden Signalpeaks im Oszillogramm ist in
diesem Fall möglich gewesen.
132
TE-Ortung durch Echometrie
7.2.4 Modellmessungen an der Mittelspannungs-Versuchsanlage
Zur weiteren Annäherung an realitätsnahe Aufbauten wurden Messungen zur TE-Ortung
an verschiedenen Beobachtungspositionen an der Mittelspannungs-Modellanlage des
Institutes durchgeführt. Hier sind die zu erwartenden Ausbreitungsverhältnisse aufgrund
des Wellenwiderstandes von ca. 30 Ω und der auftretenden Reflexionsstellen an den
Crossbonding-Modellmuffen komplexer. Auch der in Kapitel 6.7.1 beschriebene, zum Teil
polaritätsumkehrende Einfluss des Crossbonding-Muffenabganges auf die Signale am
Messort ist wirksam und beeinflusst die Darstellung.
Zur Nachbildung einer klassischen Crossbonding-Kabelanlage wurden drei ungefähr
gleich lange verfügbare Mittelspannungs-Kabelsegmente der Längen L1 = 14 Meter,
L2 = 16 Meter und L3= 16 Meter, sowie zwei Crossbonding-Modellmuffen miteinander
verschaltet. Das Crossbonding wurde dabei aufgehoben (Kurzschlusskappe, bzw. lineare
Verbindung in CB-Box), so dass der Versuch einphasig durchgeführt werden konnte.
In einer ersten Messreihe wurde der eingespeiste Testimpuls direkt an den CrossbondingAbgängen
der
Muffen
erfasst.
Hier
wird
die
Pulspolarität
entsprechend
den
Vorüberlegungen in Kapitel 6.7.1 beeinflusst. In einem zweiten Messzyklus wurde, wie
auch
bei
zukünftigen
Vor-Ort-Messungen
vorgesehen,
an
der
nachgebauten
Crossbonding-Box induktiv ausgekoppelt. Der beschriebene Polaritätseinfluss wird in
diesem Fall durch die Richtungsabhängigkeit der induktiven Signalauskopplung
kompensiert. Ein positiver Impuls in Vorwärtsrichtung wird am verwendeten HFTransformator ebenso wie ein negativer Impuls in Gegenrichtung mit demselben positiven
Vorzeichen bewertet.
Wie auch schon beim oben beschriebenen einfachen Kabelmodell sollen an dieser Stelle
lediglich anhand des kritischen Sonderfalles mit möglicher Signalüberlagerung (Messung
in MG1, TE-Fehler in MG2 bei gleichen Kabelteillängen) die Oszillogramme zur
Fehlerortung exemplarisch gezeigt werden. Die Bestimmung der Fehlerposition erfolgt
dabei nach bekanntem Schema.
TE-Ortung durch Echometrie
133
a) Messung am CB-Abgang
b) Induktive Auskopplung in CB-Box
Abbildung 116: Oszillogramme der Fehlerortung
Es ist zu erkennen, dass bei beiden Messvarianten die Impulsreflexionen trotz der bereits
erklärten verschiedenen Polaritäten zu nahezu gleichen Zeitpunkten auftreten. Die Breite
der einzelnen Impulse in Teil b der Abbildung weisen dabei deutlich auf die durch das
Bandpassverhalten der HF-Transformatoren bedingte reduzierte Messbandbreite der
induktiven
Signalauskopplung
hin.
Aufgrund
der
geringen
Kabellängen
der
Modellanordnung überlagern sich hier die Impulse und Reflexionen teilweise, so dass sich
geringfügige Unterschiede bei der Messung der Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 ergeben, die
den Messort und den Fehlerort beschreiben. Bei realen Kabelanlagen großer Länge ist
das Auftreten dieser Überlagerungseffekte nicht zu erwarten, so dass das beschriebene
Auskoppelverfahren auch bei TE-Messungen und Fehlerortungen vor Ort Anwendung
finden kann.
7.3 TE-Fehlerortung an Hochspannungskabelanlagen vor Ort
Bei der bereits in Kapitel 6.7.3.2.3 beschriebenen TE-Messung an einer 132-kV-VPEKabelanlage im südwest-europäischen Raum konnte durch die Auswertung der
Fingerprints und durch die Variation der Messfrequenzen ein interner TE-Fehler am
Messort selbst nachgewiesen werden.
Darüber hinaus kann durch die Betrachtung von einzelnen TE-Impulsen und deren
Reflexionen an den Kabelenden durch Echometrie die Fehlerposition exakt bestimmt
werden. Dazu werden, wie schon oben beschrieben, die Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 der
ersten drei detektierten Impulse benötigt. Abbildung 117 zeigt eine statistische
134
TE-Ortung durch Echometrie
Zusammenfassung der bei der Vor-Ort-Messung aufgezeichneten Oszillogramme der
Einzelimpulse mit den zugehörigen Reflexionen. Die Darstellungen sind durch einen am
Institut entwickelten Algorithmus, der Plausibilitätsbetrachtungen wie Impulspolarität und
Ladungsverhältnisse berücksichtigt, nach Abschluss der TE-Messungen offline erzeugt
worden [Kal05]. Das benutzte Verfahren ist dadurch leistungsfähiger und weitaus weniger
störanfällig als die in die Online-Messsoftware implementierte TE-Fehlerortung.
t1
t2
Abbildung 117: Statistische Auswertung der Zeitdifferenzen
oben: Ladung [nC] über Zeitdifferenz, unten: Häufigkeit über Zeitdifferenz
Neben dem Ursprungsimpuls zum Zeitpunkt t0 (hier nicht dargestellt) sind die durch die
offenen Kabelenden bedingten Reflexionsimpulse zu den Zeiten t1 und t2 zu erkennen.
Zusätzlich ist in zeitlicher Nähe zu t1 eine Teilreflexion an einer Muffe messbar, die im
Vergleich zur zeitlich nachfolgenden Totalreflexion vom Kabelende eine deutlich kleinere
Amplitude besitzt. Für die Fehlerortbestimmung ist diese Teilreflexion nicht notwendig,
kann jedoch als zusätzliches Kontrollkriterium angeführt werden.
Die für die Fehlerortbestimmung benötigten Zeitdifferenzen werden zu Δt1 = 12,6 µs und
Δt2 = 23,67 µs ermittelt. Bei einer messtechnisch ermittelten Ausbreitungsgeschwindigkeit
von 174,6 m/µs repräsentiert die Zeitdifferenz Δt1 somit mit 2200 Metern die doppelte
Entfernung des Messortes (Muffe CB1) zum linken Kabelende. Nach der zuvor
beschriebenen Systematik zur Bestimmung des Fehlerortes repräsentiert somit die
Zeitdifferenz Δt2 den Fehlerort, gemessen vom rechten Kabelende. Die ermittelten
TE-Ortung durch Echometrie
135
Faktoren ergeben eine rechnerische Entfernung von 2066 Metern vom rechten Kabelende.
Nach den Angaben des Anlagenbetreibers liegt die Muffe CB1 in einer Entfernung von
2085 Metern vom rechten Kabelende und ist somit Ursprung der TE-Impulse. Diese
Annahme wird durch die schon in Kapitel 6.7.3.2.3 beschriebene Eingrenzung des TEFehlers durch Variation der Messfrequenz auf den Nahbereich des Messortes unterstützt.
Der hohe gemessene TE-Pegel von mehreren Nanocoulomb Impulsladung spricht auch
für einen Muffenfehler, da ein TE-Fehler im VPE-Kabel bei diesen hohen Ladungspegeln
nach einstündiger Messdauer ausgeschlossen werden kann.
Eine genauere Berechnung des Fehlerortes unter Einbeziehung von Messtoleranzen und
Unsicherheiten bei der Impulsausbreitungsgeschwindigkeit führt zu einem Fehlerbereich
von -15 Metern bis +51 Metern um die vom Anlagenbetreiber angegebene Position von
Muffe CB1. Da jedoch davon ausgegangen werden kann, dass sich der TE-Fehler direkt
innerhalb der Muffe befindet, weisen die ermittelten Toleranzwerte darauf hin, dass die
Angaben des Kabelanlagenbetreibers zu den Längen der Kabelteilsegmente und zu den
Muffenpositionen nicht exakt sind. Vielmehr scheint es so, dass die Muffe CB1 um einige
zehn Meter weiter rechts liegt als angegeben, also nahezu exakt an der ermittelten
Fehlerposition. Diese Vermutung wird durch die Berücksichtigung des in Abbildung 117
zum
Zeitpunkt
t = 11,2 µs
erkennbaren
und
bereits
angesprochenen
Teilreflexionsimpulses einer weiteren Muffe unterstützt. Dieser kleinere Impuls entsteht
durch die Teilreflexion des nach rechts laufenden TE-Impulses an der Muffe CB2 und fällt
bei Symmetrie der Teilsegmente mit dem größeren Impuls zeitlich zusammen. Da dieser
Impuls jedoch früher am Messort eintrifft als der vom linken Kabelende totalreflektierte
Impuls t1, muss die durchlaufene Distanz auf dem mittleren Kabelsegment geringer sein
als die Distanz auf dem ersten Teilsegment. Dies kann u. a. dann der Fall sein, wenn die
Fehlerposition, und damit die Muffe CB1, um einige zehn Meter weiter rechts liegt als in
der Dokumentation verzeichnet.
Am Beispiel dieser Vor-Ort-TE-Messung konnte gezeigt werden, dass die in Simulation
und Modellmessungen gewonnenen Erkenntnisse auch unter gestörten Messbedingungen
auf Hochspannungskabelanlagen zu übertragen sind. Eine präzise TE-Fehlerortung ist
neben der klassischen TE-Ortung am Kabelende somit auch an weiteren Auskoppelorten
möglich, speziell an den Crossbonding-Muffen bzw. Auskreuzkästen durch die
Verwendung von Hochfrequenztransformatoren zur induktiven Signalauskopplung.
136
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
8 TE-Ortung durch verteilte Sensorik
Zur Erzielung eines größtmöglichen Informationsgewinnes ist als Weiterführung der TEAuskopplung an einer einzelnen geeigneten Muffe die synchrone TE-Auskopplung an
mehreren zugänglichen Auskoppelstellen einer Energiekabelanlage denkbar (s. Abbildung
118).
Abbildung 118: Prinzip der synchronen Mehrstellenmessung (schematisch)
Zu diesem Zweck wurden die von der Fa. mtronix hergestellten synchronen digitalen
Mehrstellen-TE-Messsysteme des Institutes eingesetzt und dabei auf ihre Vor-Ort-Eignung
zur hoch präzisen Absolutzeiterfassung hin untersucht. Hierzu wurde die zeitgleiche TEAuskopplung an allen 22 Garnituren pro Phase einer 400-kV-VPE-Kabelanlage erprobt,
bei der ein Messsystem des Typs MPD 540 verwendet wurde, welches bei einer
räumlichen Verteilung von ca. 20 km über eine optische LWL-Verbindung die synchron
gewonnenen Daten der insgesamt verwendeten 24 autonomen TE-Erfassungseinheiten
akquirieren
kann.
Besteht
keine
Möglichkeit
einer
direkten
Verbindung
der
Erfassungseinheiten durch LWL, kann durch externe Synchronisationsmechanismen eine
zeitgleiche Messung durchgeführt werden [Wie03] [Ama02] [Wie04]. Zu diesem Zweck
wurden auch erste experimentelle Untersuchungen an einer ca. 10 km langen
Mittelspannungskabelstrecke
in
Berlin
durchgeführt,
bei
der
zwei
voneinander
unabhängige TE-Messsysteme vom Typ MPD 540 nachträglich präzise synchronisiert
werden konnten [Kum05] [Kum05b].
Für Laufzeituntersuchungen muss der geometrische Abstand der Sensoren immer in
äquivalente Zeitabstände umgerechnet werden. Diese Zeitabstände sind abhängig von
den frequenzabhängigen Ausbreitungsgeschwindigkeiten auf den Kabelteillängen und
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
137
nicht zwangsläufig trivial zu ermitteln. Besonders bei Mischstrecken von VPE-isolierten
Kabeln mit Übergangsmuffen auf Kabel mit getränkter Papierisolierung ist diese
Umrechnung problematisch und Teil eines weiteren Forschungsvorhabens am Institut. Ein
TE-Fehler hinterlässt beim Durchlaufen der Kabelstrecke und damit beim Durchlaufen der
einzelnen Sensoren jedoch immer eine charakteristische zeitliche Signatur, mit deren Hilfe
man auf den Ursprungsort des Impulses schließen kann.
Besondere Vorteile sind durch den Einsatz von verteilter Sensorik bei der Fehlerortung zu
erzielen. Wenn ein TE-Fehler zwischen zwei Sensoren einer Kabelstrecke auftritt, kann
seine Position durch die Auswertung der Laufzeitdifferenzen zu beiden Messstellen
bestimmt werden. Als Beispiel aus der UHF-Messtechnik kann hier der Einsatz von zwei
Richtkopplersensoren links und rechts einer Verbindungsmuffe angeführt werden, bei dem
eine cm-genaue Feinortung des TE-Fehlers möglich ist. Im Gegensatz zur klassischen
Echometrie (TDR) ist man dabei nicht auf die Erfassung von am Kabelende reflektierten
Impulsen angewiesen, die insgesamt eine lange Wegstrecke auf dem dämpfenden Kabel
zurücklegen müssen. Für einen TE-Fehler am messfernen Kabelende kann die zu
durchlaufende Strecke bis zur Messung der zur Auswertung benötigten ersten Reflexion
somit maximal die dreifache Kabellänge betragen. Die TE-Fehlerortung mit verteilter
Sensorik hingegen kommt ohne die Erfassung von Reflexionen aus, da die auf einem
Energiekabel nach rechts laufende und die nach links laufende Komponente eines TEFehlerimpulses direkt gemessen werden können (s. Abbildung 119).
l
x
Messsystem 1
t0
x=l/2 - Δt1,2*v/2
Messsystem 2
t2
t1
t0 - Zeitpunkt des TE-Ereignisses
t1,2 - Messzeitpunkte des TE-Ereignisses bezogen auf t0
Abbildung 119: TE-Fehlerortung durch Messung an beiden Kabelenden
138
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
Die maximal zu durchlaufende Strecke beträgt hier für den ungünstigsten Fall (je ein
Sensor an beiden Kabelenden, TE-Fehler an einem der beiden Kabelenden) die einfache
Kabellänge. Die TE-Messempfindlichkeit kann damit im Vergleich zur klassischen Ortung
durch Echometrie wesentlich erhöht werden.
8.1 Synchrone TE-Messung mit verteilter Sensorik
An einer VPE-isolierten 400-kV-Kabelanlage mit 20 Muffen und einer Gesamtlänge von
20 km wurden im Rahmen der Inbetriebnahmeprüfung TE-Messungen an kapazitiven
Sensoren der Garnituren durchgeführt. Durch teilweise redundante Aufzeichnung von
Messdaten kamen dabei insgesamt bis zu 25 TE-Erfassungseinheiten zum Einsatz, so
dass ein Netzwerk verteilter Sensorik entstanden ist. Durch die Auswertung der
Messdaten an den verschiedenen Punkten entlang der Kabelstrecke kann eine TEFehlerortung durch Amplitudenvergleich bzw. Laufzeitvergleich erfolgen.
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
139
8.1.1 TE-Fehlerortung durch Amplitudenvergleich
Abbildung 120 zeigt die an verschiedenen Orten aufgezeichneten Fingerprints einer
äußeren TE-Fehlstelle am Kabelanfang (Drahtversuch, Korona, 50 kV), an denen die
deutliche Abnahme der TE-Amplitude mit steigendem Abstand von der TE-Quelle
festgestellt werden kann.
a) Endverschluss, kapazitiver Sensor
b) Muffe 1
c) Muffe 2
d) Muffe 3
e) Muffe 4
f) Muffe 5
Abbildung 120: Abnehmende Amplitude mit wachsender Entfernung von Fehlerort
140
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
Bereits nach fünf durchlaufenden Kabelteillängen von insgesamt ca. 5000 Metern sind ab
Muffe 5 bei der gewählten Messfrequenz von 5 MHz keine TE-Impulse oberhalb des
Rauschbandes zu erkennen. Es ist zu erwarten, dass sich für TE-Fehler innerhalb einer
Muffe ein Amplitudenabfall zu beiden Seiten der fehlerbehafteten Garnitur ergibt. Durch
die Variation der Messfrequenz kann dabei die Beobachtungsdistanz zu beiden Seiten
eines Sensors je nach Bedarf vergrößert oder verkleinert werden. Der Amplitudenvergleich
kann bei TE-Messungen mit verteilter Sensorik also zur Ermittlung des TE-Fehlerortes
herangezogen werden. Dieses Verfahren stellt damit eine sinnvolle Weiterentwicklung der
bereits
in
Kapitel 6.4.2
(TE-Messung
an
220-kV-GIS-Einführungsendverschluss)
beschriebenen TE-Ortung durch Amplitudenvergleich an einem einzelnen Messort dar.
8.1.2 TE-Fehlerortung durch Echometrie
Das
in
Kapitel 7.2
vorgestellte
Verfahren
der
Echometrie
an
verschiedenen
Beobachtungspunkten zur Fehlerortung durch Ermittlung der ersten und der zweiten
Laufzeitdifferenz kann für die durchgeführte Messung aufgrund der großen Kabellänge
von 20 km nur bedingt zur Anwendung kommen. Wie schon in den FingerprintDarstellungen in Abbildung 120 zu erkennen, wird ein TE-Impuls beim Durchlauf durch die
Kabelstrecke erheblich gedämpft, so dass die Totalreflexion vom fernen Ende schwer
nachweisbar bzw. nicht eindeutig zeitlich zuzuordnen ist. Abbildung 121 zeigt die
statistische Analyse der aufgezeichneten TE-Daten direkt am Einführungsendverschluss
der Kabelanlage.
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
141
Abbildung 121: Auswertung der Zeitdifferenzen zur TE-Fehlerortung, Standort EV
Das Histogramm (Achsenbezeichnung „count“) der auftretenden Zeitdifferenzen zeigt,
dass die Teilreflexionen von der ersten Muffe dominieren. Bei einer angenommenen
Ausbreitungsgeschwindigkeit von 169 m/µs und einer Zeitdifferenz von ca. 11 µs ergibt
sich der entsprechende Abstand von ca. 1 km. In äquidistanten Abständen sind die
Teilreflexionen der folgenden Muffen zu erkennen. Hier reduziert sich die Anzahl der
erfassten TE-Ereignisse in der Histogramm-Darstellung, da einige der reflektierten Impulse
aufgrund der geringen Amplitude von Störern bzw. Grundrauschen überlagert sind und so
142
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
nicht immer erkannt werden. Die Betrachtung der Ladungswerte (Diagramm „charge“) des
jeweils ersten Impulses bzw. die Betrachtung des Verhältnisses vom ersten Impuls zur
Reflexion (Diagramm „ratio“) bestätigen diese Annahme. Während die Amplitude des
ersten Impulses jeweils als nahezu konstant anzusehen ist (s. waagerechte Markierung im
Diagramm „charge“), steigt das Verhältnis von Ursprungsimpuls q1 zu Reflexion q2 an (s.
Markierung im Diagramm „ratio“), was mit einer stetigen Abnahme der Amplitude des
reflektierten Impulses gleichbedeutend ist. Ab der 13. Muffe ist keine eindeutige
Zuordnung des reflektierten Impulses zum Ursprungsimpuls mehr möglich. Erst bei der
Reflexion vom fernen Kabelende, bei der es sich im Gegensatz zur Teilreflexion an einer
Muffe um eine Totalreflexion mit größerer Amplitude handelt, kann erneut eine
Distanzbestimmung vorgenommen werden. Bei einer Zeitdifferenz von ca. 225 µs ist eine
erhöhte Anzahl von detektierten Impulsen im Histogramm zu verzeichnen, die zudem mit
der für den ersten Impuls bekannten konstanten Amplitude im Diagramm „charge“
korreliert. Das Kabelende kann somit messtechnisch ermittelt werden. Für TE-Fehler mit
unbekanntem Ort auf der Kabelstrecke ist diese Methode jedoch aufgrund des Auftretens
von mehreren eng beieinander liegenden lokalen Maxima nicht zuverlässig anwendbar. An
dieser Stelle soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass in der FingerprintDarstellung schon ab der fünften Muffe kein Impuls mehr aus dem Grundrauschen
separiert werden konnte.
Abbildung 122 zeigt die Zeitdifferenzauswertung des künstlichen äußeren TE-Fehlers,
beobachtet an Muffe 11. Diese Muffe befindet sich mit einem Abstand von ca. 9 km vom
Kabelanfang ungefähr in der Mitte der Kabelanlage.
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
143
Abbildung 122: Auswertung der Zeitdifferenzen zur TE-Fehlerortung, Standort Muffe 11
Wiederum ist eine Häufigkeitsdominanz bei ca. 11 µs zu erkennen (absolutes Maximum).
Diese Impulsansammlung repräsentiert in diesem Fall die beiden Teilreflexionen der
Muffen 10 und 12 links und rechts des Beobachtungspunktes, die den gleichen zeitlichen
Abstand zum in Muffe 11 detektierten Ursprungsimpuls (vom Kabelanfang) aufweisen.
Äquidistant folgen wiederum Teilreflexionen der nächsten Muffen. Bei einer Zeitdifferenz
Δt1 von ca. 107 µs (s. erste Markierung) ist eine relative Verdopplung bei den lokalen
Maxima in der Häufigkeitsdarstellung zu erkennen. Diese Auffälligkeit ist auch in der
Ladungsdarstellung (s. Markierung im Diagramm „charge“) zu erkennen. Eine weitere
Auffälligkeit ist wie auch schon in der vorangegangenen Betrachtung bei Δt2 = 225 µs (s.
zweite Markierung) durch die Totalreflexionen am Kabelende zu erklären. Nach der im
Kapitel 7.2
vorgestellten
Methodik
zur
TE-Fehlerortbestimmung
bei
beliebiger
Beobachtungsposition ist die Zeitdifferenz Δt1 der Messposition zuzuordnen. Nach
Umrechnung über die Ausbreitungsgeschwindigkeit ergibt sich eine Distanz von
ca. 18 km, was der doppelten Entfernung des Messortes zum rechten Kabelende
144
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
entspricht. Damit entspricht die gemessene Zeitdifferenz Δt2 der gesuchten Fehlerposition
am Kabelanfang (mit ca. 40 km der doppelte Abstand zum linken Kabelende).
Die exemplarische Auswertung der Zeitdifferenzen an Messposition M11 hat gezeigt, dass
das vorgestellte Verfahren zur TE-Fehlerortung an beliebigen Beobachtungspunkten auch
vor Ort erfolgreich angewendet werden kann. Einschränkend muss jedoch an dieser Stelle
angeführt werden, dass die eindeutige und sichere Ermittlung der benötigten
Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 aufgrund der großen Kabellänge nicht immer möglich ist, so
dass in einigen Fällen die Fehlerortung ohne weitere mathematische Nachbearbeitung der
Messdaten (z. B. [Qua05] [Zha05]) nicht erfolgen kann.
8.1.3 TE-Fehlerortung durch Laufzeitvergleich zwischen benachbarten Messorten
Um eine Unabhängigkeit von Reflexionen und den damit zwangsläufig verbundenen
langen Laufdistanzen der TE-Impulse zu erreichen, ist eine Eingrenzung eines TE-Fehlers
zwischen zwei Auskoppelorten möglich. Hier ist die Gesamtlänge der Kabelanlage nicht
von Bedeutung, da lediglich eine oder mehrere Teillängen überwacht werden müssen.
Durch die Bildung von Zeitdifferenzen des Ursprungsimpulses zwischen verschiedenen
Messstationen (anstelle der Bildung von Zeitdifferenzen von TE-Impuls und Reflexion an
einer einzelnen Messstation) kann eine Ortung zwischen den beiden Messstationen auf
der Basis von relativ großen ungedämpften Signalamplituden vorgenommen werden. Zur
Überwachung einer Muffe N werden dazu die TE-Laufzeitdaten der Messstationen an der
Muffe N-1 und der Muffe N+1 miteinander verglichen. Dabei weisen Impulse von
außerhalb des Überwachungsbereiches (also nicht aus der Muffe N kommend) eine immer
konstante Laufzeitdifferenz entsprechend dem bekannten Abstand der beiden Messorte
auf. Bei TE-Fehlern innerhalb des Überwachungsbereiches ist die zu ermittelnde
Zeitdifferenz kleiner als der bekannte zeitliche Abstand zwischen den zwei Messorten. Ein
TE-Fehler aus der exakt zwischen den Messorten liegenden Muffe N hätte dabei eine
Zeitdifferenz nahe Δt = 0 zur Folge und wäre damit sicher zu detektieren.
Abbildung 123 zeigt exemplarisch die Auswertung der durch den äußeren TE-Fehler
verursachten Zeitdifferenzen zwischen den Messstationen der Muffen 11 und 12.
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
145
Abbildung 123: Auswertung der Zeitdifferenzen M11 zu M12
Das ausgeprägte lokale Häufigkeitsmaximum bei ca. 5 µs entspricht dabei dem zeitlichen
Abstand der beiden Sensoren und deutet somit auf einen TE-Fehler außerhalb des
Überwachungsbereiches hin. Wiederum sind die schwachen äquidistanten Teilreflexionen
der Nachbarmuffen zu erkennen. Die Auswertung weiterer Sensorpaare führt zu gleichen
Ergebnissen. Die vorzeichenrichtige Auswertung der Laufzeitdifferenzen zwischen
Einführungsendverschluss und erster Muffe ergeben dabei eindeutig den bekannten
Fehlerort am Kabelanfang.
Es konnte gezeigt werden, dass durch die Bildung von Laufzeitdifferenzen einzelner
Sensorpaare der eingeschlossene Bereich auf TE-Aktivität überwacht werden kann.
Aufgrund geringer parasitärer Einflüsse und relativ großer Signalamplituden kann eine
eindeutige Fehlerortung durch verteilte Sensorik erfolgreich realisiert werden.
146
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
8.2 Zeitgleiche Messung durch nachträgliche Synchronisation
Bei großen räumlichen Distanzen ist eine synchrone Einbindung von mehreren TEErfassungseinheiten durch Lichtwellenleiter in ein Gesamtsystem verteilter Sensorik oft
nur mit sehr hohem Aufwand oder sogar gar nicht möglich. Es werden dazu eine Vielzahl
optischer Kommunikationsfasern von jeweils mehreren hundert Metern Länge benötigt, die
dann dem Verlauf der Kabelstrecke folgend miteinander verbunden werden müssen.
Während diese LWL-Verbindung bei einer tunnelverlegten Kabelanlage vor äußeren
Einflüssen gut geschützt ist, kann bei einer oberirdischen Verlegung eine Beschädigung
der Kommunikationsverbindung während der Messdauer von z. T. mehreren Tagen nicht
ausgeschlossen werden. So ist z. B. bei der in Kapitel 6.7.3.2.2 beschriebenen TEMessung in Nordafrika eine der über 500 Meter langen, durch die Innenstadt von Kairo
verlegten LWL-Verbindungen im Kreuzungsbereich zweier Hauptstraßen durch einen
überhohen Lastwagenaufbau von den provisorisch aufgestellten Masten gerissen und
letztlich zerstört worden. Durch eine ersatzweise vorgehaltene Reservelänge konnte die
Messung trotzdem erfolgreich beendet werden.
Die
Möglichkeit
einer
synchronen
Zweistellen-TE-Messung
mit
unabhängigen
Messsystemen an beiden Kabelenden ist ein im Folgenden beschriebener Ansatz zur
Vergrößerung der Empfindlichkeit von TE-Messung und -Ortung bzw. der maximal
überwachbaren Kabellänge. Der untersuchte Ansatz beruht darauf, eine nicht unter
Prüfspannung stehende Kabelader des 3-Phasen-Systems zur Synchronisation zu nutzen
und dabei mittels eines Trägersignals an beiden Kabelenden eine Zeitverankerung zweier
für sich hochpräzise arbeitender, synchroner Mehrstellen-TE-Messsysteme zu erreichen.
Die zu bildenden Zeit-Ladungs-Matrizen der Synchronisationskanäle unterscheiden sich
nur um die bekannte Laufzeit des Trägersignals in der Synchronisationsphase, so dass die
zeitlich noch nicht korrelierten Messdatensätze nachträglich auf eine gemeinsame
Zeitbasis gebracht werden können. Dieses Verfahren vergrößert den für die Fehlerortung
überwachbaren Bereich gegenüber der herkömmlichen Echometrie um den Faktor 2.
Gleichermaßen kann dieses Verfahren auch zu einer synchronen Mehrstellen-TEMessung an mehreren Verbindungsmuffen bzw. Crossbonding-Muffen nahezu unbegrenzt
erweitert werden.
Wesentliche Voraussetzung für die Untersuchungen ist ein hochauflösendes synchrones
Mehrstellen-TE-Messsystem, wie das bereits beschriebene MPD 540, welches eine
nahezu vollständig digitale Verarbeitung der TE-Signale realisiert.
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
147
8.2.1 Synchronisation durch TTL-Signal
Für erste Laboruntersuchungen zur Erzeugung einer Zeitreferenz wurden baugleiche
Impulsgeber (Kal 1, Kal 2) verwendet, die mittels TTL-Signal extern triggerbar sind. Die
Genauigkeit des Triggerzeitpunktes der beiden Impulsgeber ist in Abbildung 124
dargestellt.
Abbildung 124: Triggerzeitpunkt zweier baugleicher, extern triggerbarer Impulsgeber
Die Übertragung eines Rechtecksignals (TTL-Signals) auf einem Energiekabel führt
aufgrund von Dämpfung und Dispersion zu einer Verformung der relativ steilen Flanke.
Eine mögliche Abhilfemaßnahme stellt die Aufbereitung des verformten Rechtecks am
Kabelende
mittels
Differenzspannung
einer
Basiskomparatorschaltung
zwischen
Rechtecksignal
und
dar,
bei
einstellbarer
der
eine
positive
Referenzspannung
leerlaufverstärkt und am Ausgang auf 5 V begrenzt wird. Alternativ kann statt des
Rechtecksignals ein Sinussignal (z. B. 10 Vpp, 0,1 Hz) auf dem Energiekabel übertragen
werden, aus dem an beiden Kabelenden ein TTL-Signal zur Triggerung der Impulsgeber
mittels Komparatorschaltung erzeugt wird. Grundlegender Nachteil elektronischer
Schaltungen ist allerdings ein vorhandener Zeitjitter durch die Zusammenschaltung
verschiedener Halbleiterbauelemente, das zudem von äußeren Einflüssen wie Temperatur
und Feuchte abhängig ist.
8.2.2 Synchronisation durch Pulsinjektion
Die direkte Übertragung eines Impulses über das Energiekabel als Zeitanker erfordert eine
ausreichende Signalamplitude und eine möglichst wählbare Impulswiederholfrequenz
148
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
(Auswahl geeigneter Zeitfenster zur Synchronisierung). In Laboruntersuchungen wurden
daher kommerziell erhältliche Impulsgeber (z. B. LDJ-5, Fa. LDIC und CAL501,
Fa. mtronix) mit einer Ladung von 10 nC und einer Pulsfolge von 0,1 Hz bis 1 MHz erprobt
und später vor Ort eingesetzt.
8.2.3 Versuchsstrecke zur Vor-Ort-Untersuchung
Die Untersuchungen zu einer synchronen Zweistellen-TE-Messung konnten an einem 30kV-Kabel durchgeführt werden. Die Länge der Kabelstrecke betrug laut Verlegeplan etwa
9,4 km.
Es
handelte
kunststoffisoliertem
sich
Kabel
hierbei
und
um
aus
eine
Mischstrecke,
ca. 80 %
die
aus
ca. 20 %
Masse-Papier-isoliertem
Kabel
(Höchstädterkabel) besteht. Damit wird deutlich, dass Dämpfung und Dispersion von
hochfrequenten Impulsen bei der Ausbreitung auf dem Kabel wesentlich durch die
Eigenschaften der Öl-Papier-isolierten Abschnitte bestimmt werden. Darüber hinaus
besitzt die Strecke eine Vielzahl an Verbindungs- bzw. Übergangsmuffen, die als Stellen
mit Wellenwiderstandsänderungen ebenfalls zu Impulsveränderungen führen. Für die
Untersuchungen war von großem Vorteil, dass beide Kabelenden sich in einem
Umspannwerk in einer Entfernung von etwa 50 Meter befanden. Dadurch wurde ein
direkter Vergleich einer synchronen Zweistellen-TE-Messung bei verschiedenen Methoden
der Synchronisierung der Messdaten möglich.
8.2.4 Messverfahren
8.2.4.1 Grundgedanke der synchronen Mehrstellen-TE-Messung an Kabelanlagen
Bei der Verwendung zweier autarker, aber gleichartiger Messsysteme, erfolgt eine
Synchronisierung
mittels
eines
unabhängigen
exakten
Zeitnormals.
Exakte
Synchronisation bedeutet für die Messung an Kabelanlagen eine Genauigkeit von maximal
100 ns, die etwa einer akzeptablen Ortungsgenauigkeit von 10 Metern bis 20 Metern
entspricht. Dazu können Atomuhren oder das GPS verwendet werden. Atomuhren mit der
geforderten Genauigkeit von etwa 100 ns sind sehr teuer und unterliegen zudem stark
äußeren Einflüssen, wie Temperatur oder Magnetfeldern. Die Anwendung des GPS kann
zwar die minimal gewünschte Genauigkeit der Synchronisation erzielen, erfordert aber
freie Sicht auf Satelliten oder eine aufwändige Antennenkonstruktion in Nähe des zu
prüfenden Betriebsmittels. Des Weiteren muss das GPS-Zeitsignal mittels geeigneter
Hardware dem Messsystem bzw. der Messsoftware zugeführt werden.
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
149
In einem weiteren Ansatz wird auf die unter Prüfspannung stehende Phase einseitig ein
Impuls eingespeist und als Synchronisator zweier unabhängiger Datenerfassungssysteme
genutzt [Wie03] [Wie04]. Die dabei erzielte Ortungsgenauigkeit entspricht der bei
Synchronisierung mittels GPS. Allerdings muss bei diesem Verfahren eine Messeinheit
sowohl Synchronisationsimpuls als auch echte TE des Betriebsmittels empfindlich messen
und unterscheiden können, was u. U. hohe Anforderungen an den Dynamikbereich der
Digitalisierung stellen kann.
8.2.4.2 Synchronisierung mittels Trägersignal
Das untersuchte neuartige Verfahren (s. Abbildung 125) zur Synchronisierung der
Messsysteme basiert darauf, eine nicht unter Prüfspannung stehende Kabelader des 3Phasen-Systems als Synchronisationsphase zu nutzen.
Phase 1 (Testphase)
Phase 2 (Synchronisationsphase)
NF (z.B. 0,1Hz)
Phase 3
TTL (0...5V) oder
Sinus 10Vpp
tM1
tM2
lKabel
qTE1
qTE2
AC (HS)
AC (HS)
M1_1
Messsystem 1
tM1
tM2
qSync
qSync
M2_1
Messsystem 2
Abbildung 125: Prinzip synchrone Mehrstellen-TE-Messung mittels Trägersignal
In diese Phase wird ein Trägersignal an einem Kabelende eingespeist und erreicht das
andere Kabelende entsprechend der Kabellaufzeit mit ausreichender Amplitude. Dieses
Trägersignal kann ein niederfrequentes und damit auf dem Energiekabel nur gering
gedämpftes Sinus- bzw. Rechtecksignal sein. Das Trägersignal löst an beiden Kabelenden
periodisch je einen extern triggerbaren Impulsgeber aus. Die zwei unabhängigen
Messsysteme an beiden Kabelenden ermitteln einen Datensatz mit Zeitpunkt und Ladung
150
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
der durch das Trägersignal ausgelösten Synchronisierimpulse. Diese Methode hat den
Vorteil, dass eine Impulsverformung bei direkter Ausbreitung auf dem Energiekabel
vermieden wird.
Wird ein Synchronisierimpuls direkt über die Synchronisationsphase als Zeitanker
übertragen, muss dieser eine ausreichende Amplitude besitzen, um am fernen Kabelende
empfindlich gemessen werden zu können. Beeinflussungen des Synchronisationssignals,
beispielsweise durch die Prüfspannung, sowie durch damit eventuell verbundene
Entladungen in der Testphase, sind jedoch, je nach Art der Überkopplung, deutlich
geringer als bei gleichzeitiger Nutzung der Testphase zur Synchronisierung.
Gleichzeitig wird die unter Prüfspannung stehende Testphase an beiden Kabelenden mit
je einer weiteren Station des synchronen Messsystems auf TE-Ereignisse überwacht.
Beide Stationen eines einzelnen Messsystems haben dabei die gleiche Zeitbasis, so dass
für jedes Kabelende Zeit-Ladungs-Matrizen entstehen.
Die im allgemeinen unterschiedlichen Zeitbasen der beiden Messsysteme werden dadurch
synchronisiert,
dass
ausgehend
vom
ersten
Synchronisierimpuls
und
unter
Berücksichtigung der bekannten Trägersignallaufzeit auf der Kabellänge die Zeit tM2 in
eine Zeit tM2’ umgerechnet wird, wobei tM2’ = tM1 + lKabel/vp. Das mit einer festen
Wiederholfrequenz dauerhaft in die Synchronisationsphase eingespeiste Trägersignal tritt
periodisch an beiden Kabelenden bzw. Messsystemen auf, so dass aus den dadurch
entstehenden Zeitfenstern eine Umrechnung der Zeitbasis tM2 in tM2’ möglich wird. Die
Bestimmung der TE-Fehlerorte erfolgt dann anhand der Zeiten tM1(TE) und tM2’(TE) unter
Berücksichtigung von Kabellänge und Ausbreitungsgeschwindigkeit.
Ein entscheidender Vorteil dieses Verfahrens ist es, dass durch die freie Wahl der
Messparameter der verschiedenen Stationen eine optimale Empfindlichkeit bei der
Detektion von TE aus dem Betriebsmittel erzielt werden kann.
Die
nachträgliche
Synchronisation
der
Messdaten
erfolgte
zum
Zeitpunkt
der
vorbereitenden Labor- und Vor-Ort-Messungen offline durch ein in Visual-Basic
programmiertes Auswertetool. Dieses Programm greift dabei auf die MatLab-kompatiblen
Datensätze des digitalen TE-Messsystems zurück. Beim sequenziellen Durchlaufen aller
Impulse
der
vier
beteiligten
Erfassungseinheiten
werden
dabei
die
beiden
Synchronisationsspalten auf nicht zur Messung gehörende Störimpulse untersucht, die
dann
aus
den
Listen
entfernt
werden.
Eventuell
nicht
aufgezeichnete
Synchronisationsimpulse werden durch lineare Interpolation ergänzt. Bei Verlust von mehr
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
151
als einem Synchronisationsimpuls in Folge wird der gesamte Datensatz als unbrauchbar
deklariert.
Nach
der
oben
beschriebenen
Vorgehensweise
werden
daraufhin
beide
Synchronisationsspalten der getrennten Messsysteme aneinander angeglichen. Für die
entstehenden Zeitfenster zwischen zwei aufeinander folgenden Synchronisationsimpulse
werden lineare Interpolationsfunktionen generiert, die dann auf die entsprechenden TEMessdaten der zugehörenden Zeitfenster angewendet werden. Annäherungen mit
Polynomfunktionen höheren Grades brachten an dieser Stelle keinen zusätzlichen Gewinn
an Genauigkeit und wurden zugunsten kleinerer Programmrechenzeiten verworfen. Über
die gesamte Messdauer wird so die Zeitgenauigkeit der TE-Daten nachträglich
ausreichend konstant gehalten.
Dieses aufwändige manuelle Vorgehen soll für zukünftige Messungen mit zwei getrennten
Messsystemen in ein online-taugliches Verfahren umgewandelt werden. Dieses kann
jedoch ausschließlich vom Hersteller des digitalen Messsystems realisiert werden und wird
an dieser Stelle nicht weiter verfolgt.
8.2.4.3 Ergebnisse der Vor-Ort-Erprobung
In einem Referenzversuch sollte unter Verwendung eines einzelnen Messsystems mit
zwei TE-Erfassungseinheiten eine synchrone Zweistellenmessung durchgeführt werden.
Dabei wurde der am Anfang (0 Meter) einer Phase des 30-kV-Kabels eingespeiste
Störimpuls mit einer Ladung von 10 nC sowohl am Entstehungsort als auch am anderen
Kabelende mit zwei über LWL verbundenen Stationen eines Messsystems MPD 540
detektiert. Die gleiche Zeitbasis erlaubt die sofortige Angabe des Fehlerortes aus den
Messdaten,
wobei
in
Voruntersuchungen
143 m/µs
als
mittlere
Ausbreitungsgeschwindigkeit ermittelt worden war. Ausgehend von einem Mittelwert des
daraus berechneten Fehlerortes von ca. 30 Metern vom Kabelanfang und einer Streuung
der Messwerte von ca. 14 Metern beträgt die erzielte Ortungsgenauigkeit etwa 0,15 % (s.
Abbildung 126). In gleicher Weise wurde bei Einspeisung desselben Störimpulses am
Ende des Kabels (ca. 9,4 km) verfahren. Hierbei ergibt sich mit gleicher Rechnung eine
Ortungsgenauigkeit von etwa 0,1 %. Die geringe Abweichung der berechneten Mittelwerte
vom eigentlichen Fehlerort ist auf eine nicht vorhandene Kenntnis der exakten Kabellänge
und
damit
der
nicht
ausreichend
Ausbreitungsgeschwindigkeit zurückzuführen.
verlässlichen
Berechnung
der
152
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
20
Störimpuls 10nC eingespeist bei 0m
18
Störimpuls 10nC eingespeist bei ca. 9400m
16
Ladung [nC]
14
12
10
8
6
4
2
0
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
7000
8000
9000
10000
Fehlerort [m]
Abbildung 126: Messtechnisch bestimmte Fehlerorte bei synchroner Messung mit einem System
8.2.4.4 Zwei-System-Messung mit Trägersignal-Synchronisation
Die Erprobung des Verfahrens der Synchronisation zweier unabhängiger Messsysteme
mittels Übertragung eines Synchronisiersignals in einer nicht unter Prüfspannung
stehenden Phase des Kabelsystems erfolgte gleichfalls an der bereits beschriebenen 30kV-Kabelstrecke. Der Messaufbau am nahen Kabelende ist in Abbildung 127 dargestellt.
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
153
Störsignalgeber
Abbildung 127: Vor-Ort-Aufbau zur Synchronisation mittels Trägerimpuls
In die Synchronisationsphase wurde ein definierter Impuls von 10 nC mit einer festen
Folgefrequenz eingespeist, der von der Station 1 des Messsystems 1 (M1#1) erfasst
wurde. Dieser Impuls (bzw. die entstehende Impulsfolge) wurde nach einer festen Laufzeit
durch das ca. 10 km lange Kabel am anderen Kabelende von Station 1 des
Messsystems 2 (M2#1) detektiert. Die auftretenden Zeitwerte wurden in eine gemeinsame
Zeitbasis überführt. An eine andere Phase (Testphase) wurde zur Nachbildung eines TEFehlers ein weiterer Impulsgeber angeschlossen, der zu zufälligen Zeitpunkten mit
unterschiedlichen Ladungen zugeschaltet werden konnte. Dieses Störsignal wurde von
den Messkanälen M1#2 bzw. M2#2 an beiden Kabelenden erfasst, zunächst aber ohne
zeitliche
Korrelation.
Diese
wurde
erst
nachträglich
durch
die
mittels
Synchronisationssignal bestimmte absolute Zeitbasis hergestellt. Die Auswertung der auf
eine gemeinsame Zeitbasis gebrachten Messwerte des Störsignals in der Testphase zeigt
Abbildung 128.
154
TE-Ortung durch verteilte Sensorik
20
18
stochastisches Störsignal bei
0m in Testphase
16
Ladung [nC]
14
12
10
8
6
4
2
0
-40
-30
-20
-10
0
10
20
30
40
Fehlerort [m]
Abbildung 128: Berechnete Fehlerorte bei Einspeisung von Störimpulsen am Kabelanfang (0 m)
Dabei schwanken die ermittelten Fehlerpositionen in einem Bereich von etwa 10 Meter bis
32 Meter. Bezogen auf die Kabellänge sind das lediglich 0,1 % bis 0,3 % Ungenauigkeit.
8.2.5 Fazit
Durch Labor- und Vor-Ort-Untersuchungen konnte eine synchrone Zweistellen-TEMessung an Kabelanlagen mittels Synchronisierung zweier unabhängiger Messsysteme
durch ein Trägersignal in einer nicht unter Prüfspannung stehenden Phase erfolgreich
erprobt werden. Künstliche TE-Fehler (Kalibratorsignale eingespeist in Anfang bzw. Ende
einer Kabelstrecke) konnten dabei sehr gut lokalisiert werden. Die Ortungsgenauigkeit
nach Abgleich der unterschiedlichen Zeitdaten der Systeme auf eine gemeinsame
Zeitbasis lag dabei in einem Genauigkeitsbereich wie bei einer synchronen ZweistellenTE-Messung
mit
einem
einzigen
Messsystem
und
zwei
über
LWL
optisch
kommunizierenden Messstationen. Die durchgeführten Messungen sind jedoch mit einem
erheblichen gerätetechnischen und logistischen Aufwand verbunden. Hier besteht für
weiterführende Untersuchungen Optimierungspotenzial.
Zusammenfassung und Ausblick
155
9 Zusammenfassung und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit werden neue Auskoppelverfahren und Sensoren zur
empfindlichen
Vor-Ort-TE-Messung
an
Hochspannungs-Kabelanlagen
vorgestellt,
insbesondere die induktive Signalauskopplung durch Hochfrequenz-Transformatoren
(RFCT) an sensorlosen Kabelanlagen in Crossbonding-Ausführung, sowie neue
Möglichkeiten, die sich durch die Anwendung der digitalen synchronen TE-Messung mit
verteilter Sensorik ergeben.
Durch
Simulationsrechnungen,
Modellmessungen
im
Labor
und
durch
Vor-Ort-
Untersuchungen konnte erfolgreich demonstriert werden, dass auch in gestörter
Umgebung sowohl empfindliche TE-Messungen mit einer Messempfindlichkeit von bis zu
< 2 pC,
als
auch
TE-Fehlerortungen
zur
Lokalisierung
von
Muffenfehlern
oder
Koronaentladungen an den Endverschlüssen einer Kabelanlage durch den Einsatz der
induktiven Sensoren in den Crossbonding-Auskreuzkästen möglich sind. Das vorgestellte
Verfahren ist dabei nicht auf die Auskopplung an phasenübergreifenden CrossbondingBrücken innerhalb der Crossbonding-Kästen begrenzt. Es ist sowohl bei linearen
Schirmverbindungen
innerhalb
der
Crossbonding-Box
(wie
z. B.
bei
einphasig
durchgeführten Spannungsprüfungen), als auch bei einphasigen Trennmuffen mit
externer, zugänglicher Schirmverbindung anwendbar und deckt damit ein breites
Anwendungsspektrum zur TE-Auskopplung ab. In Voruntersuchungen zur induktiven TEAuskopplung an Crossbonding-Muffen sensorloser Kabelanlagen wurden zunächst TEMessungen an unterschiedlichen Arten von Kabelendverschlüssen vorgenommen, bei
denen jeweils eine einzelne externe Erdverbindung zur Anbringung eines HochfrequenzTransformators zugänglich war. Sowohl bei Freiluftendverschlüssen als auch bei
Kabeleinführungsendverschlüssen konnte die erreichte Messempfindlichkeit gegenüber
der klassischen TE-Auskopplung am Kabelende verbessert werden. So konnten
beispielsweise für die Vor-Ort-TE-Messungen an GIS-Einführungsendverschlüssen
Messempfindlichkeiten bis < 4 pC erreicht werden, für die beschriebenen Messungen an
Freiluftendverschlüssen
und
Transformator-Einführungsendverschlüssen
sogar
TE-
Messempfindlichkeiten von < 2 pC.
Durch die Wahl von speziellen Hochfrequenz-Transformatoren mit zweiteiligem Ferritkern
ist vor Ort eine einfache Montage und Demontage der Sensoren meist ohne den Einsatz
von zusätzlichen Werkzeugen auch während des Betriebes der Kabelanlage möglich,
156
Zusammenfassung und Ausblick
wodurch sich diese spezielle Messtechnik für TE-Messungen parallel zu OfflineSpannungsprüfungen, aber gerade auch für Online-Messungen und für das OnlineMonitoring an Kabelanlagen eignet. So ist auch bei der Nachrüstung eines TE-OnlineMesssystems zur Überwachung bestehender sensorloser Kabelanlagen, hier speziell bei
der Implementierung der TE-Erfassungssensorik, ein unterbrechungsfreier Betrieb
sichergestellt.
Die Erfassung der ausgekoppelten Sensorsignale erfolgte über ein neuartiges digitales
Mehrstellen-TE-Messsystem (MPD 540, Fa. mtronix), welches in Laborversuchen und
auch in der Vor-Ort-Anwendung erfolgreich auf seine Eignung überprüft und zudem
aufgrund der gewonnenen Messdaten und Erfahrungen verbessert und weiterentwickelt
werden konnte. Die streng synchrone Datenerfassung (Zeitfehler < 2 ns) und die hohe
auflösbare Impulsfolgerate bei der Signalverarbeitung stellen dabei sicher, dass auch bei
einer Vielzahl von eingebundenen Messstationen ein Maximum an relevanten Messdaten
erfasst und ausgewertet werden kann. Im Gegensatz dazu kommt es bei den gängigen
kommerziell
erhältlichen
Mehrkanal-TE-Messsystemen
vor,
dass
durch
interne
Umschaltvorgänge der Messkanäle, bzw. durch das sequenzielle Abfragen von TESensoren (sog. Multiplexing) kein vollständiges Abbild der gesamten TE-Messdaten
geliefert werden kann. Bei TE-Fehlern mit extrem niedriger Wiederholrate kann dies zu
folgenschweren Fehlinterpretationen bei der TE-Messung führen, da die wenigen
auftretenden TE-Impulse im Extremfall in Austastlücken der TE-Erfassungssensorik fallen
können und damit nicht berücksichtigt werden.
Die beschriebene neuartige digitale Messtechnik erlaubt, in Kombination mit dem Einsatz
induktiver
Hochfrequenz-Transformatoren
Messungen
mit
räumlich
Amplitudenvergleich
Messfrequenzen
der
(z. B.
verteilter
zur
Sensorik.
auskoppelbaren
unter
Signalauskopplung,
Ausnutzung
Hier
ist
Impulsladungen
der
synchrone
sowohl
bei
über
TEeinen
Variation
der
HF-Dämpfungseigenschaften
des
betreffenden Energiekabels für hochfrequente Signalanteile), als auch durch die
Auswertung von Laufzeitdifferenzen an verschiedenen Messorten (an Muffen bzw. an
Endverschlüssen) eine TE-Fehlerortung durchführbar. Im Besonderen ist dabei die zur
klassischen TE-Auskopplung am Kabelende veränderte Beobachtungs- bzw. Messposition
berücksichtigt
worden.
Hier
konnte
ein
erweiterter
Interpretationsansatz
zur
Fehlerortbestimmung durch Reflektometrie vorgestellt und in Computersimulationen,
Modellmessungen und im Rahmen von Vor-Ort-TE-Messungen erfolgreich verifiziert
werden. Erste experimentelle Messungen bestätigen zudem, dass die notwendige
Zusammenfassung und Ausblick
157
Synchronisation der räumlich verteilten TE-Erfassungseinheiten nicht nur durch lange und
mechanisch anfällige LWL-Verbindungen realisierbar ist, sondern dass alternative
Verfahren, wie die Benutzung einer leerlaufenden und nicht unter Prüfspannung
stehenden parallelen Kabelphase zur Synchronisation, ebenfalls Erfolg versprechende
Ansätze darstellen. Bei Vor-Ort-Messungen im Rahmen dieser Forschungsarbeit konnte
eine verbleibende Ortungsunsicherheit von weniger als 30 Meter bzw. < 0,3 % der
Gesamtkabellänge erreicht werden, was auch der erreichbaren Genauigkeit des
verwendeten digitalen Mehrstellen-TE-Messsystems bei systemintern synchronisierter
LWL-Verbindung entspricht.
Ein wichtiges Teilergebnis der vorliegenden Arbeit ist die Erweiterung des für eine TEMessung mit eindeutiger Fehlerortung überwachbaren Bereichs einer Energiekabelanlage
auf
die
Endverschlüsse.
Es
wurden
Verfahren
vorgestellt,
mit
denen
sowohl
Freiluftendverschlüsse als auch gasisolierte Einführungsendverschlüsse gezielt auf TEAktivität überwacht werden können. Zu diesem Zweck wurde unter Verwendung von
Richtkopplersensoren und auf Potenzial arbeitenden Hochfrequenz-Transformatoren ein
Aufbau bzw. ein Messverfahren vorgestellt, welches, ähnlich der bereits erfolgreich
erprobten Fehlerortbestimmung durch Richtkopplersensoren an Verbindungsmuffen von
Energiekabelanlagen,
eine eindeutige Ja / Nein-Aussage zur TE-Freiheit der zu
überwachenden Komponente liefern kann. Eine z. T. schwierige Interpretation von TEMustern oder anderen indirekten Verfahren [Nat88] [Ben05] ist somit nicht notwendig.
Durch die streng synchrone Anbindung von drei oder mehr TE-Sensoren im verwendeten
TE-Messsystem ist neben den klassischen TE-Auswerteverfahren die für verkoppelte
dreiphasige Systeme entwickelte 3PARD-Visualisierung einsetzbar, um auch im
phasenübergreifenden
Crossbonding-System
die
TE-Fehlerquelle
eindeutig
der
betroffenen Phase zuordnen zu können. Durch die 3PARD-eigene Clusterbildung in der
Visualisierung der gewonnenen Messdaten und durch die nachfolgende geordnete
Rücktransformation in separate Fingerprint-Darstellungen ist zudem eine Unterscheidung
von TE-Mehrfachfehlern im Prüfling und auch von TE-ähnlichen externen Stören möglich,
die über vorhandene parasitäre Koppelpfade in den Messzweig gelangen und so eine TEDiagnose erschweren bzw. verfälschen können.
Für zukünftige Forschungsarbeiten zu diesen Themengebieten besteht jedoch weiteres
Entwicklungs- und Optimierungspotenzial, da es sich bei allen beschriebenen Mess- und
Auswerteverfahren um z. T. experimentelle Versuchsaufbauten und um z. T. sehr einfach
158
Zusammenfassung und Ausblick
realisierte Software-Tools zur digitalen Nachbehandlung der Daten handelt, die zur
sinnvollen Nutzung noch in die kommerzielle TE-Messsoftware implementiert werden
sollten. Anzustreben ist auch ein standardisiertes Verfahren zum Einsatz und zur
allgemein akzeptierten Kalibrierung der Erfassungssensorik und Messtechnik vor Ort.
Durch eine im Wesentlichen automatisierte Auswertung der gewonnenen Messdaten kann
zudem eine verbesserte Vergleichbarkeit der Ergebnisse von TE-Messungen erreicht
werden. Zum Nachweis der Eignung der beschriebenen Messverfahren im Hinblick auf
einen möglichen Langzeiteinsatz (z. B. Online-TE-Monitoring über den Zeitraum der
angestrebten Gesamtlebensdauer der energietechnischen Komponenten) ist zudem eine
längerfristige
Kooperation
mit
Kabelanlagenbetreibern
und
auch
akkreditierten
Prüfinstituten anzustreben, um durch erfolgreiche Referenzprojekte die Akzeptanz der
neuartigen Techniken und Messverfahren bei zukünftigen Anwendern bzw. Nutzern zu
erhöhen.
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Zugehörige Unterlagen
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