Neue Auskoppelverfahren und Sensoren zur Vor-Ort-Teilentladungsmessung an Hochspannungs-Kabelanlagen Dipl.-Ing. Kay Rethmeier Fakultät IV – Elektrotechnik und Informatik Institut für Energie- und Automatisierungstechnik Fachgebiet Hochspannungstechnik der Technischen Universität Berlin zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Ingenieurwissenschaften - Dr.-Ing. genehmigte Dissertation Promotionsausschuss: Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. G. Mönich 1. Berichter: Prof. Dr.-Ing. W. Kalkner 2. Berichter: Prof. Dr.-Ing. V. Hinrichsen Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 28.04.2006 Berlin 2006 D83 Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Hochspannungstechnik des Institutes für Energie- und Automatisierungstechnik an der Technischen Universität Berlin. Die gute Zusammenarbeit und Hilfsbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fachgebietes hat wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Mein Dank für viele anregende Gespräche gilt unter anderem den Herren Dipl.-Ing. T. Kumm, Dipl.-Ing. A. Obralic und Dipl.-Ing. S. Schaper, die ebenfalls auf dem Gebiet der TE-Messtechnik forschend tätig sind. Herrn Prof. Dr.-Ing. W. Kalkner danke ich für die Übernahme der Betreuung sowie die kritische Begleitung und Unterstützung der Arbeit, ebenso wie den Herren Prof. Dr.-Ing. V. Hinrichsen und Prof. Dr.-Ing. G. Mönich für die Übernahme der Berichte bzw. des Vorsitzes des Promotionsausschusses. Mein besonderer Dank gilt der Unterstützung durch Herrn Dr.-Ing. R. Plath, der die vorliegende Arbeit zusammen mit Prof. Kalkner anregte und diese durch seine fachlichen Diskussionsbeiträge und Berichte aus der Praxis stets weiter vorantrieb. Berlin, im Januar 2006 Kay Rethmeier Übersicht Die vorliegende Arbeit beschreibt neue Auskoppelverfahren und Sensoren zur empfindlichen Vor-Ort-Teilentladungsmessung an Hochspannungs-Kabelanlagen, insbesondere die induktive TE-Auskopplung an sensorlosen Kabelanlagen in CrossbondingAusführung, sowie neue Möglichkeiten, die sich durch die Anwendung der digitalen synchronen TE-Messung mit verteilter Sensorik ergeben. Bei Energiekabelanlagen großer Länge führt eine klassische TE-Auskopplung mittels Koppelkondensator am Kabelende zu keiner ausreichenden Messempfindlichkeit vor Ort. Sind keine speziellen zusätzlichen TE-Sensoren im Muffen- bzw. Endverschlussbereich implementiert, ist eine empfindliche TE-Messung nach bisherigem Stand der Technik nur stark eingeschränkt oder gar nicht möglich. Neben der technisch und auch wirtschaftlich nicht immer realisierbaren Sensornachrüstung ist jedoch für Kabelanlagen großer Länge eine induktive TE-Signalauskopplung im Bereich der Crossbonding-Schirmauskreuzung ohne größere Eingriffe in das Kabelsystem möglich. Erforderlich ist hierzu eine spezielle Versuchstechnik und Sensorik, die in der vorliegenden Arbeit detailliert beschrieben wird. Ein neuartiges digitales Mehrstellen-TE-Messsystem wurde diesbezüglich auf seine Eignung zum wissenschaftlichen Messeinsatz untersucht und durch zusätzliche Softwaretools weiterentwickelt bzw. ergänzt. Einen Schwerpunkt der Untersuchungen zu den alternativen TE-Auskoppelverfahren stellt der Einsatz spezieller induktiver Hochfrequenz-Transformatoren (RFCT) dar, deren Eignung zur empfindlichen TE-Messung an gut zugänglichen Erdverbindungen von Kabelendverschlüssen untersucht wird, bevor deren Einsatzbereich auch auf die externe Schirmverbindung einphasiger Trennmuffen ausgeweitet wird. Durch Messungen an vereinfachten Modellanordnungen, Labormessungen an Hochspannungskabelkomponenten und letztlich durch Vor-Ort-Erprobungen an Energiekabelanlagen im Netzbetrieb wird die Eignung des Messverfahrens und der verwendeten Sensorik zur empfindlichen TE-Messung an phasenübergreifenden Crossbonding-Verbindungen unter Berücksichtigung von Besonderheiten bei der TE-Fehlerortung durch Echometrie nachgewiesen. Abschließend wird die konsequente Ausweitung des vorgestellten sensorischen Konzeptes zu einem synchronen, räumlich verteilten Erfassungsnetzwerk (synchrone Mehrstellen-TE-Messung mit verteilter Sensorik) dargelegt. Die daraus resultierenden Vorteile für die TE-Fehlerortung und die erreichbaren Messempfindlichkeiten werden anhand von Praxismessungen detailliert beschrieben. Abstract This thesis reports on new pd decoupling techniques and pd sensors for sensitive pd onsite measurements on high voltage cable systems. In particular the thesis focuses on the inductive pd decoupling on sensorless cross-bonded cable systems. Additionally, new capabilities using an innovative digital synchronous pd measuring system with distributed pd sensors are presented. For power cable systems of long lengths, the classic pd decoupling method by means of coupling capacitors at one cable end, results in insufficient on-site measurement results. Given the state-of-the-art technology, a sensitive pd measurement is either limited or not possible without special additional pd sensors at joints or terminations. However, besides cost intensive and extensive technical sensor retrofitting, an inductive pd decoupling within the cross-bonding link area of long length cable systems is feasible without greater intervention in the cable system. This needs a special testing and sensor technology, which is described in detail within this thesis, as well as the use of a new type of digital multi-channel pd measuring system which was therefore checked for suitability and improved, respectively, by additional software tools. A main point of the investigations is the selection and the use of special inductive current transformers (RFCT). The suitability of these RFCTs for sensitive pd measurements is tested at accessible grounding links of cable screens, before the use is extended also to screen links of insulating joints. Computer simulations, measurements on high voltage cable components, as well as on-site cable system testing have been conducted to prove the suitability of this innovative method and sensor technology for sensitive pd decoupling and location at cross bonding joints. Finally, a consequent extension of the presented method for on-site pd decoupling to a synchronous, spatially distributed multi-site pd sensor network is explained. The resulting advantages and improvements in pd fault location and pd detection sensitivity are demonstrated by several actual examples of on-site pd measurements on long high voltage and extra high voltage XLPE-cable systems. Inhaltsverzeichnis 1 EINFÜHRUNG UND MOTIVATION .............................................................................1 2 ZIELSETZUNG DER ARBEIT......................................................................................4 3 GRUNDLAGEN ZU AUFBAU UND BETRIEB VON ENERGIEKABELANLAGEN.....5 3.1 Aufbau und Eigenschaften VPE-isolierter Kabel............................................................................. 5 3.2 Aufbau und Eigenschaften von Garnituren ..................................................................................... 6 3.2.1 Verbindungsmuffen .......................................................................................................................... 7 3.2.2 Schirm-Trennmuffen......................................................................................................................... 7 3.3 4 Cross-Bonding-Betrieb ...................................................................................................................... 8 STAND DER TECHNIK BEI DER TE-MESSUNG .....................................................12 4.1 TE-Messsysteme............................................................................................................................... 12 4.2 Konventionelle TE-Auskopplung .................................................................................................... 13 4.2.1 Messkreise ..................................................................................................................................... 13 4.2.2 Messimpedanz ............................................................................................................................... 16 4.3 Nichtkonventionelle Feldkopplung ................................................................................................. 17 4.3.1 Kapazitive Sensoren....................................................................................................................... 19 4.3.2 Richtkopplersensoren..................................................................................................................... 21 4.3.2.1 4.3.3 4.4 5 Induktive Richtkopplersensoren............................................................................................. 23 Induktive Sensoren......................................................................................................................... 25 Zusammenfassung ........................................................................................................................... 25 VERSUCHSTECHNIK ZUR TE-MESSUNG...............................................................27 5.1 Beschreibung des verwendeten TE-Messsystems ....................................................................... 27 5.2 Synchronitätstest der TE-Erfassungseinheiten ............................................................................ 29 5.3 Beschreibung der Software ............................................................................................................. 32 5.3.1 Bediensoftware............................................................................................................................... 32 5.3.2 Ergänzende Softwaretools zur komplexen Nachbereitung ............................................................ 32 6 NEUE AUSKOPPELVERFAHREN UND SENSOREN ..............................................35 6.1 Energiekabel als Koppelkondensator............................................................................................. 35 6.1.1 Verwendung einer Phase als Koppelkondensator CK .................................................................... 35 6.1.2 Synchrone Mehrstellenmessung an allen drei Phasen .................................................................. 35 6.2 Richtkopplersensoren für GIL / GIS-Kabeleinführungen.............................................................. 38 6.3 HF-Transformatoren zur TE-Auskopplung..................................................................................... 40 6.3.1 Ferrite ............................................................................................................................................. 41 6.3.2 Stromimpuls-Transformatoren (kommerziell) .................................................................................41 6.3.3 HF-Transformatoren für variablen Einsatz......................................................................................42 6.4 Induktive TE-Auskopplung an Endverschlüssen vor Ort..............................................................44 6.4.1 TE-Messung an 110-kV-Transformator-Einführungsendverschluss...............................................44 6.4.2 TE-Messung an 220-kV-GIS-Einführungsendverschluss ...............................................................46 6.4.3 TE-Messung an 10-kV-Mittelspannungskabel ................................................................................51 6.5 HF-Transformatoren zur TE-Auskopplung auf Potenzial ..............................................................52 6.6 Induktive TE-Auskopplung an Trennmuffen ..................................................................................55 6.6.1 Modellmessungen an einer Trennmuffe .........................................................................................55 6.6.1.1 Versuchsaufbau......................................................................................................................56 6.6.1.2 Einfluss der verwendeten Auskoppelvierpole auf die Messung.............................................56 6.6.1.3 Einfluss der Windungszahl auf den Frequenzgang im Versuchsaufbau ...............................57 6.6.1.4 Einfluss parasitärer Elemente ................................................................................................58 6.6.1.5 Messung von TE-Impulsen im Zeitbereich.............................................................................59 6.6.1.6 Zusammenfassung zur Modellmessung ................................................................................60 6.6.2 TE-Messungen an einer 110-kV-Kabelanlage mit Trennmuffe ......................................................61 6.6.3 TE-Auskopplung an Trennmuffen vor Ort .......................................................................................62 6.6.3.1 Kalibrierung der TE-Messung.................................................................................................63 6.6.3.2 Durchführung und Ergebnisse der TE-Messung....................................................................65 6.7 Induktive TE-Auskopplung an Crossbonding-Muffen ...................................................................67 6.7.1 Messtechnische Erprobung an Modellanlagen...............................................................................69 6.7.1.1 Konstruktion einer Modellanlage ............................................................................................69 6.7.1.1.1 Konzeption der Modellanlage ............................................................................................70 6.7.1.1.2 Aufbauelemente der Modellanlage ....................................................................................72 6.7.1.1.3 Messungen an der Modellanordnung ................................................................................75 6.7.1.1.4 Transmissionsverhalten der Modellmuffen ........................................................................76 6.7.1.2 Messungen an der vollständigen Modellanlage .....................................................................85 6.7.2 TE-Auskopplung an den Crossbonding-Zuleitungen ......................................................................85 6.7.3 TE-Auskopplung an Crossbonding-Auskreuzkästen ......................................................................90 6.7.3.1 Kalibriermessung an einer 245-kV Kabelanlage ....................................................................90 6.7.3.1.1 Auskopplung an Muffengruppe 3 .......................................................................................92 6.7.3.1.2 Auskopplung an Muffengruppe 6 .......................................................................................99 6.7.3.1.3 Auskopplung an Muffengruppe 6 bei linearer Schirmverbindung....................................103 6.7.3.1.4 TE-Auskopplung an der Crossbonding-Zuleitung vor der CB-Box ..................................105 6.7.3.2 Vor-Ort-TE-Messungen an Hochspannungskabelanlagen.................................................. 107 6.7.3.2.1 TE-Messung an einer 400-kV-Kabelanlage mit Muffenkammer ..................................... 107 6.7.3.2.2 TE-Messung an einer 220-kV-Kabelanlage mit externer Schirmauskreuzung ............... 109 6.7.3.2.3 TE-Messung an einer 132-kV-Kabelanlage mit externer Schirmauskreuzung ............... 117 7 TE-ORTUNG DURCH ECHOMETRIE .....................................................................121 7.1 Grundlagen der TE-Fehlerortung auf Energiekabelanlagen ...................................................... 121 7.2 Besonderheiten bei der Auskopplung an Crossbonding-Stellen.............................................. 123 7.2.1 Rechnersimulation verschiedener Beobachtungs- und Fehlerpunkte ......................................... 125 7.2.2 Wichtige Sonderfälle..................................................................................................................... 128 7.2.3 Modellmessungen an Messleitungen ........................................................................................... 130 7.2.4 Modellmessungen an der Mittelspannungs-Versuchsanlage....................................................... 132 7.3 8 TE-Fehlerortung an Hochspannungskabelanlagen vor Ort ....................................................... 133 TE-ORTUNG DURCH VERTEILTE SENSORIK ......................................................136 8.1 Synchrone TE-Messung mit verteilter Sensorik.......................................................................... 138 8.1.1 TE-Fehlerortung durch Amplitudenvergleich................................................................................ 139 8.1.2 TE-Fehlerortung durch Echometrie .............................................................................................. 140 8.1.3 TE-Fehlerortung durch Laufzeitvergleich zwischen benachbarten Messorten ............................ 144 8.2 Zeitgleiche Messung durch nachträgliche Synchronisation ..................................................... 146 8.2.1 Synchronisation durch TTL-Signal ............................................................................................... 147 8.2.2 Synchronisation durch Pulsinjektion............................................................................................. 147 8.2.3 Versuchsstrecke zur Vor-Ort-Untersuchung ................................................................................ 148 8.2.4 Messverfahren.............................................................................................................................. 148 8.2.4.1 Grundgedanke der synchronen Mehrstellen-TE-Messung an Kabelanlagen ..................... 148 8.2.4.2 Synchronisierung mittels Trägersignal ................................................................................ 149 8.2.4.3 Ergebnisse der Vor-Ort-Erprobung...................................................................................... 151 8.2.4.4 Zwei-System-Messung mit Trägersignal-Synchronisation .................................................. 152 8.2.5 9 10 Fazit .............................................................................................................................................. 154 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ...............................................................155 LITERATURVERZEICHNIS..................................................................................159 Einführung und Motivation 1 1 Einführung und Motivation Das Leben in den industrialisierten Ländern ist heute in einem hohen Maß von einer zuverlässigen Energieversorgung abhängig. Neben den Privathaushalten und öffentlichen Einrichtungen gilt dies vor allem für industrielle Stromkunden. An dieser Stelle seien beispielhaft die chemische und die metallverarbeitende Industrie genannt, in der neben Großstörungen auch ein kurzzeitiger Ausfall der elektrischen Energie zum Erliegen ganzer Produktionsprozesse und damit zu hohen Folgekosten führen kann. Statistische Aufzeichnungen der großen Versicherungsunternehmen belegen dabei die erheblichen Folgekosten der von elektrischer Energie abhängigen und damit betroffenen Industriezweige. So sind z. B. alleine in gastronomischen Betrieben des Großraumes New York während des großen Blackouts 2003 im Nordosten der USA Lebensmittel im Wert von ca. 100 Millionen US-Dollar wegen mangelnder Kühlung verdorben [Bra04], Schätzungen für die gesamten Folgekosten belaufen sich auf mehrere hundert Milliarden US-Dollar [OEC03] [NCE03]. Aufgrund der durch die Liberalisierung und fortschreitende Deregulierung veränderten Strategien der Energieversorgungsunternehmen (EVU) in Europa steigt die Auslastung der Netze bei gleichzeitiger Reduzierung des Investitionsvolumens. 140 120 Normierter Wert in % 100 80 60 40 Stromverbrauch Investitionen 20 02 20 01 20 00 20 99 19 98 19 97 19 96 19 95 19 19 94 93 19 92 19 19 91 0 Jahr Abbildung 1: Entwicklung von Stromverbrauch Energieversorgung in Deutschland, 1991=100% [Ret04] und Investitionen in der Elektrischen 2 Einführung und Motivation Während in Unternehmen der deutschen Stromwirtschaft 2003 noch über 50 % der Investitionsmittel den Netzen zu Gute kamen, waren es 2004 nur noch gute 40 % [VDN04] [VDN05]. Abbildung 1 verdeutlicht die daraus resultierende Investitionslücke. Es wird daher für die EVU zunehmend wichtiger, genaue Informationen über den Zustand und über die restliche Lebensdauer ihrer Betriebsmittel im Netz zu erhalten, um innerhalb der angesprochenen geänderten Rahmenbedingungen die geforderte und für den Kunden gewohnte Betriebssicherheit aufrecht zu erhalten [Smi05]. Für die Energiekabel als das wertvollste Investitionsgut im deutschen Netz [Wec02] sind dabei neben den klassischen Prüf- und Messverfahren vor allem die zerstörungsfreien dielektrischen Testmethoden von großer Bedeutung. Die Messung von Teilentladungen (TE) in Energiekabelanlagen kann dabei punktuelle Fehlstellen aufdecken, welche dann gezielt vor einem möglichen Durchschlag und dem damit verbundenem Ausfall der Kabelstrecke beseitigt werden können [Ele96] [Cha91]. Die rechtzeitige Erkennung von Fehlern im Frühstadium im Rahmen eines zukünftig an Bedeutung gewinnenden Online-Monitorings ermöglicht zudem ggf. ein kontrolliertes unterbrechungsfreies Umschalten auf alternative Versorgungswege und verhindert so finanzielle Verluste des EVU aus potenziellen Vertragsstrafen oder durch den Wegfall von Durchleitungsentgelten. Neben der diagnostischen TE-Messung ist die TE-Messung an neu errichteten oder instand gesetzten Kabelanlagen von großer Bedeutung. Da die zum Teil vorgefertigten Einzelkomponenten wie Aktivteile von Muffen oder Endverschlüssen, aber auch die Kabelteillängen, schon im Werk vorgeprüft wurden und als TE-frei eingestuft werden können, ist bei der qualitätssichernden TE-Messung der einwandfreie Zustand des vor Ort montierten Gesamtsystems nachzuweisen. Hier kann durch eine Abnahmeprüfung in Form einer TE-Messung die Einhaltung der vom Kunden geforderten Qualitätsmerkmale überprüft werden. Die Ergebnisse der TE-Messung dienen dabei neben anderen Prüf- und Diagnoseverfahren als Forderungsgrundlage bei Garantie- oder Regressansprüchen im Rahmen der Gefahrenübergabe vom Anlagenerrichter zum Anlagenbetreiber. Eine große Schwierigkeit bei der Messung von Teilentladungen ist der Zugang zu den Betriebsmitteln bzw. der Zugang zu den für die TE-Messung geeigneten Auskoppelstellen. Dieses Problem stellt sich speziell bei direkt erdverlegten Energiekabelsystemen, bei denen z. B. aus Kostengründen auf den Einbau geeigneter TE-Sensoren zum Zeitpunkt der Errichtung der Kabelanlage verzichtet worden ist. Gut zugänglich sind in der Regel Freiluftendverschlüsse in Umspannwerken. Jedoch führt die TE-Auskopplung am Einführung und Motivation 3 Kabelende gerade bei langen Kabelstrecken zu sinkenden und unzureichenden Messempfindlichkeiten [Pla03] und ist daher für sensitive TE-Messungen ungeeignet. Eine weitere Möglichkeit ist die TE-Auskopplung durch spezielle, an die jeweilige Kabelstrecke angepasste Sensoren. Sind diese Sensoren jedoch bei der Planung der Kabelanlage nicht berücksichtigt worden, gestaltet sich eine Nachrüstung oft sehr kostenintensiv oder, wie bei direkt erdverlegten Kabelsystemen, sogar unmöglich [Pla02]. In der vorliegenden Arbeit wird daher die Auskopplung von TE-Impulsen an CrossbondingVerbindungen als neuartiges und äußerst geeignetes Verfahren zur empfindlichen TEMessung beschrieben. Das Auskreuzen der Kabelschirme ist bei Hochspannungskabelanlagen großer Länge üblich, zum Teil sogar zwingend notwendig, um Schirmverluste zu minimieren und Berührungsspannungen innerhalb der vorgeschriebenen Grenzwerte zu halten. Durch die Auskopplung von TE-Impulsen an Crossbonding-Verbindungen können auch lange, sensorlose Kabelanlagen mittels empfindlicher TE-Messungen überwacht werden, die sich in der Vergangenheit einer sinnvollen TE-Diagnose entzogen haben. Durch die Verwendung von speziellen induktiven Sensoren kann ein TE-Impuls in den Auskreuzungen der Kabelschirme potenzialfrei ausgekoppelt und gemessen werden [Wei04]. Ein weiteres Problem bei der TE-Messung vor Ort sind das Erkennen und die Ortung von Endverschlussfehlern an einer Energiekabelanlage, was jedoch im Fehlerfall durch die klar abgegrenzten Zuständigkeiten verschiedener an der Errichtung der Kabelanlage beteiligter Firmen zwingend notwendig ist. Bei der Beurteilung von Freiluftendverschlüssen ist oft eine Unterscheidung von externen Störimpulsen (z. B. Korona oder Umrichterimpulse der Prüfspannungserzeugung) und TE-Fehlern innerhalb des Endverschlusses nicht möglich. Ebenso sind nach dem aktuellen Stand der Technik Einführungsendverschlüsse an gasisolierten Schaltanlagen aufgrund der Systemschnittstelle von Kabelanlage und Schaltanlage nicht gezielt überwachbar. In der vorliegenden Arbeit werden messtechnische Lösungen für beide Arten von Endverschlüssen vorgestellt und untersucht. Unabhängig von den verwendeten Sensortypen wird als neuartiges Verfahren die synchrone Mehrstellenmessung mit räumlich verteilter Sensorik untersucht, die gegenüber den klassischen Messverfahren große Vorteile bezüglich Messempfindlichkeit und TEOrtungsschärfe aufweist. Gerade bei Kabelanlagen großer Länge mit einer Vielzahl von Garnituren (z. B. 400-kV-VPE-Kabelanlage London Elstree nach St. Johns Wood: 20 km, 4 Einführung und Motivation 20 Crossbonding-Muffen, Inbetriebnahme 2005) ist eine zeitgleiche Überwachung möglichst vieler oder sogar aller unter Prüfspannung stehender Komponenten zwingend erforderlich, um das Risiko eines nicht zu beobachtenden und ungewollten Ausfalles während der TE-Messung zu minimieren. Ein sequenzielles Prüfen aller Garnituren eines solchen Kabelsystems würde hier zu einer erheblichen akkumulierten, nicht überwachten Beanspruchungsdauer für einige Muffen führen und ist daher nicht zu vertreten. 2 Zielsetzung der Arbeit Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung und Untersuchung neuer sensorischer Konzepte und Verfahren zur empfindlichen TE-Auskopplung an Energiekabelanlagen vor Ort. Hierbei gilt es im Besonderen, die bisher nicht durch eine TE-Messung sinnvoll überwachbaren Komponenten der Kabelanlage zu erfassen. Hauptsächlich sind dies sensorlose Verbindungsmuffen direkt erdverlegter Hochspannungskabel, die in Crossbonding-Technik ausgeführt sind. Als Sonderfall der Crossbonding-Muffen ist dabei auch die einphasige externe Schirmverbindung bei Verbindungsmuffen zu berücksichtigen und auf ihre Eignung zur empfindlichen TE-Auskopplung zu untersuchen. Ein weiterer Aspekt der Untersuchungen soll sich auf Freiluftendverschlüsse und GISEinführungsendverschlüsse einer Kabelanlage beziehen. Hier ist eine direkte Unterscheidung zwischen TE aus den Endverschlüssen und externen Störern mit bestehender Messtechnik noch nicht eindeutig möglich, so dass bisher auf indirekte Verfahren, wie die Interpretation von TE-Mustern, zurückgegriffen werden muss. Bei mehreren geeigneten Auskoppelorten zur TE-Messung sollen ferner die Vorteile bezüglich Messempfindlichkeit und Ortungsgenauigkeit, sowie die technische Realisierbarkeit einer synchronen Mehrstellenmessung unter Einsatz eines neuartigen digitalen TE-Messsystems und neuartiger Auswerteverfahren untersucht werden. Hierbei sollen im Besonderen der Einfluss des zur klassischen Messung veränderten Beobachtungspunktes und die damit einhergehenden Unterschiede in der systematischen TE-Fehlerortberechnung durch Echometrie und Laufzeitauswertung herausgestellt werden. Zusätzlich zu Rechnersimulationen und Messungen an Modellkabelanlagen sollen die zu erarbeitenden sensorischen Konzepte und Verfahren vor allem auch bezüglich ihrer VorOrt-Tauglichkeit an Hochspannungs-Kabelanlagen untersucht und erprobt werden. Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen 5 3 Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen 3.1 Aufbau und Eigenschaften VPE-isolierter Kabel VPE-isolierte Hochspannungskabel werden als Einleiterkabel ausgeführt und können ihrem Aufbau nach als lang gestreckte zylindrische Kondensatoren mit Leiter und metallischem Mantel als Elektroden und der VPE-Isolierschicht als Dielektrikum angesehen werden. Der Strom führende Innenleiter wird in verschiedenen Kombinationen als ein- oder mehrdrähtiger Massiv-, Hohl- oder Segmentleiter gefertigt. Als Leiterglättung wird auf dem verseilten Leiter eine innere feldglättende Leitschicht extrudiert, die aus Polyethylen mit Ruß- oder Grafitbeimengungen besteht. Zudem wird als Aderabschirmung zur Erzielung eines radialsymmetrischen elektrischen Feldes auf die Isolierung eine ebenfalls leitfähige Umhüllung (äußere Leitschicht) extrudiert. Zur Vermeidung von Hohlräumen, Grenzflächen und auch Verschmutzungen zwischen den Schichten werden innere Leitschicht, Isolierung und äußere Leitschicht in einem einzigen Arbeitsgang durch Dreifachextrusion zeitgleich aufgebracht. Die anschließende Bewickelung mit leitfähigen Bändern stellt sicher, dass bei Wärmeausdehnung die Kupferdrähte des Schirmes nicht in die Leitschicht gedrückt werden können. Quellfähige Fließe oder Pulver gewährleisten zudem eine Längswasserdichtigkeit im Schirmbereich. Ein geschlossener MetallSchichtenmantel dient als Diffusionssperre und bewirkt eine sichere Querwasserdichtigkeit. Ein Kunststoff-Außenmantel aus Polyethylen oder PVC sorgt für einen abschließenden mechanischen Schutz. Abbildung 2 zeigt den typischen Aufbau eines 110-kV-VPE-Kabels in längs- und querwasserdichter Ausführung. Abbildung 2: Aufbau eines VPE-isolierten Hochspannungskabels [Kiw85] 6 Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen Die Isolation eines VPE-isolierten Hochspannungskabels ist empfindlich gegenüber der Einwirkung von Teilentladungen und bezogen auf das Langzeitverhalten (Alterung) das am schwierigsten zu kalkulierende Element eines Kabels. Abbildung 3 zeigt mikroskopische Aufnahmen von durch TE-Aktivität an Nadelspitzen entstandenen „Electrical Trees“, die den isolierenden Feststoff zersetzen und letztlich zum Ausfall des Kabels führen [Pes98] [Kuh97]. a) bush-like-tree b) tree-like-tree Abbildung 3: “Electrical Tree” in Polyethylen Durch empfindliche TE-Messungen beim Kabelhersteller in gut geschirmten Laboren wird bereits vor der Auslieferung der Teillängen gewährleistet, dass neu gefertigte VPE-Kabel TE-frei sind. Diese Werksmessungen ersetzen jedoch nicht die TE-Messung vor Ort, welche letztlich das Gesamtsystem Kabelanlage einschließlich der Garnituren und vor allem auch der Montagearbeiten beurteilen kann. 3.2 Aufbau und Eigenschaften von Garnituren Neben den Endverschlüssen sind vor allem die Muffen wichtige Aufbauelemente von Energiekabelanlagen und sollen daher näher beschrieben werden. Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen 7 3.2.1 Verbindungsmuffen VPE-isolierte Hochspannungskabel können heute in sehr großen Längen produziert werden, jedoch limitieren die durch die Transportbedingungen (Fahrzeugprofile, Brückenprofile) gegebenen Maximalabmessungen und die Gewichte einer Kabeltrommel die maximal handhabbare Länge auf etwa 1000 Meter. Daher werden für die Installation einer längeren Kabelstrecke immer entsprechende Verbindungselemente, sog. Muffen, benötigt. Neben der Verbindung zwischen zwei gleichartigen Kabeln (Verbindungsmuffe, s. Abbildung 4 a) gibt es weitere Anwendungsfälle für Muffen. Hierzu gehört z. B. die Verbindung von Kabel unterschiedlicher Bauarten (Übergangsmuffen). In Verbindung mit den verschiedenen Dielektrika und unterschiedlichen konstruktiven Varianten ergibt sich damit eine Vielzahl von Bauarten, die durch die Funktion und das verwendete Material bestimmt werden. Die grundlegenden Bestandteile, Leiterverbindung, Isolation und Feldsteuerelemente, sind jedoch in jeder Muffe zu finden. Als Beispiel zeigt Abbildung 4 den Querschnitt einer vorgefertigten Aufschiebemuffe für Kunststoffkabel. Kabelgarnituren stellen bei der TE-Fehler-Überprüfung von Hochspannungs- Kabelsystemen einen Schwerpunkt dar, da an ihnen die Mehrzahl aller Fehler auftreten. Denn im Gegensatz zu Kabeln, welche noch im Werk nach der Fertigstellung auf eventuelle Fehler geprüft werden, erfolgt die Muffenmontage vor Ort auf der Baustelle, so dass die Montagequalität auch erst vor Ort mittels Spannungsprüfung und TE-Messung überprüft werden kann. 3.2.2 Schirm-Trennmuffen Für das Crossbonding (s. Kapitel 3.3) werden spezielle Muffen (Trennmuffen) verwendet, bei denen die Kabelschirme beider Kabelseiten leitfähig herausgeführt werden. Dabei ergibt sich eine Unterbrechung in der äußeren feldglättenden Schicht, die durch die spezielle Konstruktion ausgeglichen wird. Der Querschnitt einer solchen Trennmuffe ist schematisch in Abbildung 4 b) dargestellt. 8 a) Verbindungsmuffe Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen b) Muffe mit Schirmtrennstelle Abbildung 4: Schnittbild vorgefertigter Aufschiebemuffen für Kunststoff-Hochspannungskabel Nach Aussage eines großen deutschen Herstellers und Montagedienstleisters für Hochspannungsgarnituren werden Schirmtrennmuffen mit wachsender Häufigkeit auch als Verbindungsmuffen eingesetzt. Die beiden Kabelschirme werden dazu wieder über dem Muffenkörper miteinander verbunden, so dass die Schirmtrennung aufgehoben ist. Ein Schrumpfschlauch oder ein spezielles Muffengehäuse versiegeln und schützen das Gesamtsystem der Muffenkonstruktion nach außen hin. Der Vorteil für den Dienstleister liegt dabei in der Reduzierung seines Produktspektrums und den daraus resultierenden Einsparungen für Entwicklungs- und Typprüfungen. Dieser Aspekt kann für die Vor-Ort-TE-Messtechnik von Interesse sein, sofern die externe Schirmverbindung für eine TE-Messung bei der Inbetriebnahme noch kurzzeitig zugänglich bleibt. Durch die Einbringung eines Hochfrequenztransformators in die Schirmverbindung kann so auch an einer sensorlosen Muffe empfindlich ausgekoppelt werden (s. Kapitel 6.6). Die endgültige Versiegelung der Muffe bzw. das Verschließen der Muffengrube kann dabei nachträglich erfolgen. 3.3 Cross-Bonding-Betrieb Neben den Leiterverlusten, die im Normalbetrieb den größten Teil der leitungsgebundenen Verluste ausmachen, gibt es weitere stromabhängige Verluste in einer Kabelanlage. Die größte Bedeutung haben hier die axialen Induktionsströme [Arn29] [Sch61]. Der in einer Phase fließende Laststrom erzeugt ein magnetisches Feld, welches im eigenen Kabelmantel (oder Drahtschirm) und in den Mänteln der parallel liegenden Phasen eine Spannung Ui induziert (s. Abbildung 5). Diese Spannung ist dabei direkt proportional zur Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen 9 Größe des verursachenden Leiterstromes und zur Länge des Kabels und kann in der Praxis bei 50 V/km⋅kA bis 120 V/km⋅kA liegen [Kiw85]. Da die bei größeren Längen auftretenden Schirmspannungen somit eine Gefahr für Personen und Geräte darstellen [DIN0100], werden entsprechende Kabelanlagen zur Vermeidung von unzulässig hohen Berührspannungen beidseitig geerdet. Dabei entsteht mit dem als Rückleiter fungierenden Erdboden eine geschlossene Leiterschleife, die zum Fließen von Ausgleichsströmen führt und damit erhebliche Stromwärmeverluste verursacht. Diese können im Extremfall die Größenordnung der Leiterverluste annehmen. Abbildung 5: Mantelspannungsinduktion durch das Magnetfeld in der Nachbarphase [nach Pes98] Um diese Induktionsstromverluste zu vermeiden, wird bei längeren Kabelstrecken das sog. Crossbonding durchgeführt. Dabei werden die Kabelstrecken in der Regel in drei bzw. Vielfache von drei jeweils möglichst gleich lange Abschnitte unterteilt und die Mäntel der drei Phasen zyklisch ausgekreuzt (s. Abbildung 6). Die nun in die einzelnen Schleifen induzierten Spannungen addieren sich im Idealfall auf der Länge zwischen den Erdungspunkten zu Null, so dass trotz starrer Erdung der Schirme an den Enden kein Induktionsstrom auf den Kabelmänteln fließt. Abbildung 6: Auskreuzen der Kabelschirme, schematische Darstellung 10 Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen Neben dieser klassischen Art des Crossbonding sind weitere Auskreuzmethoden mit Vorteilen bei den im Fehlerfall zu erwartenden transienten Überspannungen möglich [Che05]. Beim modifizierten Crossbonding [ANS575] wird die Kabelstrecke nicht in drei gleiche Teilstücke mit zwei Crossbonding-Muffen aufgeteilt, sondern in vier Kabelsektionen mit drei Crossbonding-Muffen, wobei hier zwei der vier Teillängen zusammen genauso lang sind, wie die jeweiligen übrigen Segmente (s. Abbildung 7). Abbildung 7: Modifiziertes CB Typ 1 nach ANSI/IEEE Std. 575, mit L1 + L2 = L Optimale Kompensationsergebnisse werden beim Crossbonding mit Transposition der Leiter (s. Abbildung 8) erzielt [Bro73]. Dieses Verfahren ist jedoch u. a. wegen des hohen Installationsaufwandes und der thermischen Probleme an den Überkreuzungsstellen der Kabel (Bildung von Hotspots) nicht üblich. Abbildung 8: Crossbonding mit Transposition der Leiter Anmerkung: Eine IEC-Norm zum Crossbonding entsprechend der zitierten ANSI/IEEENorm ist zurzeit nicht vorgesehen. Für den europäischen Raum existieren lediglich Empfehlungen der CIGRE [Ele81], [Ele90], sowie eine Arbeitsgruppe „Special bonding of HV cables“ [Ele05]. Zur Verbindung der in der Muffe unterbrochenen Kabelschirme mit der Crossbonding-Box (s. auch Abbildung 57 auf Seite 68) kommen neben einfachen (Zweidraht-) Leitungen Grundlagen zu Aufbau und Betrieb von Energiekabelanlagen auch spezielle Mittelspannungskabel (s. Abbildung 11 9) zum Einsatz. Diese Mittelspannungskabel unterscheiden sich von den gängigen Verteilungskabeln der Energieversorgung durch einen deutlich vergrößerten Schirmquerschnitt. Im symmetrischen dreiphasigen Betrieb ist der Schirm von Energiekabeln nicht vom Laststrom durchflossen und dient lediglich zum Führen von Fehlerströmen und zum Schutz bei mechanischen Beanspruchungen. Bei den Crossbonding-Kabeln muss der Schirm (wie auch der Leiter) jedoch betriebsmäßig den Crossbonding-Strom tragen können und ist daher als zweilagiger Drahtschirm größeren Querschnittes ausgelegt. Aus Stabilitätsgründen sind diese zwei Lagen im Gegenschlag gewickelt. Abbildung 9: Schematischer Aufbau eines CB-Zuleitungskabels 1: Innerer Leiter, 2: Innere LS, 3: VPE-Isolierung, 4: Äußere LS, 5: Äußerer Leiter, 6: Polster, 7: PE-Außenmantel, 8: Extrudierte leitfähige Hülle 12 Stand der Technik bei der TE-Messung 4 Stand der Technik bei der TE-Messung 4.1 TE-Messsysteme Um TE-Impulse messen und beurteilen zu können, müssen diese aus dem Prüfling ausgekoppelt und einem geeigneten Auswertesystem zur Signalaufbereitung, Signalverarbeitung und zur Visualisierung bzw. Datensicherung zugeführt werden. Auf dem Markt sind zu diesem Zweck verschiedene TE-Messsysteme unterschiedlicher Hersteller verfügbar, die in der Regel einkanalige TE-Messungen in z. T. vordefinierten festen Frequenzbändern erlauben. Diese Messsysteme sind jedoch überwiegend für den Prüffeldeinsatz optimiert und ermöglichen u. A. keine ausreichende Flexibilität, um z. B. unter Vor-Ort-Bedingungen temporär auftretenden frequenzstarren Störern durch Variation der Messfrequenz oder Messbandbreite geeignet ausweichen zu können. Empfindliche TE-Messungen vor Ort sind damit in der Regel nicht möglich. Ebenso sind diese Systeme für zeitgleiche TE-Messungen an verschiedenen Auskoppelstellen ungeeignet, da bei ihnen i. A. lediglich ein einzelner Messkanal zur Verfügung steht, der Teilentladungen an mehreren Messstellen nur zeitlich nacheinander (unter Verwendung eines Messumstellers) erfassen kann. Bei langen Hochspannungs-Kabelstrecken z. B. ist jedoch gerade eine synchrone TE-Messung aller unter Prüfspannung stehender Garnituren zur Reduzierung der Messzeit, aber vor allem auch zur Minimierung des Risikos eines sonst nicht zu beobachtenden ungewollten Ausfalles dringend notwendig. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit bestand die Möglichkeit, ein neuartiges digitales Mehrstellen-TE-Messsystem bereits im Prototyp-Stadium mit zu erproben, an der Fortentwicklung z. B. der Auswertverfahren mitzuarbeiten und die Eigenschaften des fertig gestellten Gerätes schließlich vor Ort zu untersuchen. Dieses Messsystem erlaubt einen nahezu freien Zugriff auf alle Frequenzparameter und damit eine optimale Anpassung an die gestörte Vor-Ort-Umgebung. Durch ein modulares Systemkonzept mit mehreren synchron arbeitenden autonomen TE-Erfassungseinheiten ist zudem die neue Möglichkeiten bietende zeitgleiche Mehrstellen-TE-Messung möglich (s. Kapitel 8). Dieses Messsystem wird in Kapitel 5.1 detailliert beschrieben. Die oben angesprochenen konventionellen TE-Messsysteme kamen daher im Rahmen dieser Arbeit nicht zum Einsatz und werden an dieser Stelle nicht näher betrachtet. Ihre ausführliche Beschreibung kann der Literatur entnommen werden [Hae04] [PDS04] [LDI05]. Stand der Technik bei der TE-Messung 13 Unabhängig vom verwendeten TE-Messsystem kommt der Auskopplung der TE-Impulse aus dem Prüfling eine entscheidende Rolle zu. Zu diesem Zweck sind verschiedene sensorische Konzepte bzw. Messverfahren etabliert, die z. T. bereits für bestimmte Betriebsmittel optimiert bzw. spezialisiert sind (z. B. integrierte kapazitive Sensoren zur TE-Messung an Muffen). Im Folgenden soll daher ein Überblick über die gängigen Auskoppelverfahren an Hochspannungs-Kabelanlagen gegeben werden. 4.2 Konventionelle TE-Auskopplung Nach der IEC 60270 (High-voltage test techniques – Partial discharge measurement) erfolgt die Messung von Teilentladungen am Kabelende. Die Auskopplung der TE-Impulse erfolgt dabei über eine Messimpedanz Zmi (Auskoppelvierpol CD), die den durch den lokalen Isolationszusammenbruch im Prüfling verursachten impulsartigen Nachladestrom [Cri89] des parallel zum Prüfling angeschlossenen Koppelkondensators CK in ein ladungsäquivalentes Spannungssignal konvertiert. Dieses Spannungssignal wird dann von einem TE-Messsystem erfasst und verarbeitet. 4.2.1 Messkreise Mehrere Arten der Verschaltung von Prüfling (Ca), Koppelkondensator (Ck) und Messimpedanz (Zmi, CD) sind möglich [IEC 60270]. Abbildung 10 zeigt den Messaufbau bei geerdetem Koppelkondensator CK. Abbildung 10: Messaufbau bei geerdetem Koppelkondensator CK (Sperrimpedanz Z, Prüfling Ca, Messimpedanz Zmi, Auskoppeleinheit CD, Messleitung CC, Messinstrument MI) In diesem Fall liegt der Prüfling mit der Messimpedanz Zmi in Serie, was bei Prüflingen mit kleinem Kapazitätswert zu einer guten Messempfindlichkeit führt. Bei einem Durchschlag des Prüflings liegt allerdings die volle Prüfspannung an der Messimpedanz Zmi an, so dass 14 Stand der Technik bei der TE-Messung die nachgelagerte Messtechnik durch entsprechende Überspannungsschutzeinrichtungen abgesichert werden sollte. Da bei den meisten Hochspannungsprüflingen eine isolierte Aufstellung oder eine Auftrennung der Erdverbindung nicht möglich ist, muss die Messimpedanz Zmi in der Regel in den Erdzweig des Koppelkondensators CK eingebracht werden. Hierzu muss dieser isoliert aufgestellt werden, die Erdverbindung des Prüflings bleibt bestehen. Abbildung 11 zeigt diese Anschlussvariante. Abbildung 11: TE-Aufbau mit Prüfling auf Erdpotenzial Die erreichbare Empfindlichkeit bei beiden genannten Varianten der TE-Messung wird dabei in großem Maße von der Größe des verfügbaren Koppelkondensators CK, bzw. durch das Verhältnis von CK zur Prüflingskapazität Ca bestimmt. Die messbare Ladung qm eines TE-Impulses berechnet sich dabei aus der scheinbaren Ladung nach Gleichung 1. qm = q s ⋅ Ck Ck + Ca Abbildung 12 verdeutlich den Zusammenhang grafisch. Gleichung 1 Stand der Technik bei der TE-Messung 15 1,0 qm /q s 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 0,001 0,01 0,1 1 10 100 1000 Ck / Ca Abbildung 12: Einfluss von Koppelkondensator CK und Kapazität des Prüflings Ca auf qm Kabelanlagen stellen aufgrund ihrer großen Länge eine enorme kapazitive Last dar (z. B. 400-kV-VPE-Diagonale Berlin: ca. 11,5 km, ca. 2,2 µF; London 400-kV-VPE: 20 km, 4,4 µF; Augsburg 110-kV-VPE: ca. 3,8 km, ca. 700 nF). Mit den gängigen verfügbaren Kapazitätswerten von vor-Ort-tauglichen Koppelkondensatoren für die geforderten Spannungsebenen würde sich dadurch zwangsläufig eine erhebliche Reduzierung der Messempfindlichkeit ergeben. Eine TE-Messung mit Koppelkondensator ist damit nicht sinnvoll. Als Alternative ist bei einphasigen TE-Messungen an Kabelanlagen die Verwendung einer Nachbarphase (oder beider Nachbarphasen, vgl. [Pla03]) als Koppelkondensator möglich. An dieser Stelle wird die Forderung nach TE-Freiheit des Koppelkondensators zu Gunsten einer deutlich erhöhten Messempfindlichkeit aufgegeben. Bei auftretenden TE-Signalen kann durch den Vergleich der Messergebnisse aller drei Phasen jedoch eindeutig geklärt werden, welche der Phasen TE-behaftet ist. Eine weitere Variation bei der zeitgleichen Messung von zwei Phasen eines Kabelsystems ist die Auskopplung von TE-Signalen über eine Brückenschaltung (s. Abbildung 13), die ein hohes Maß an Gleichtaktunterdrückung ermöglicht. 16 Stand der Technik bei der TE-Messung Abbildung 13: Brückenschaltung aus zwei gleichartigen Prüfobjekten bzw. Kabeln Dieses Messprinzip basiert auf der Annahme, dass die messbaren Signale von auftretenden TE-Fehlern aus dem Prüfling zeitlich nicht zu Impulsen aus der als Koppelkondensator fungierenden Nachbarphase korreliert sind, wo hingegen Störimpulse (hauptsächlich an den Kabelenden eingekoppelte Koronastörer von parallelen unter Spannung stehenden Systemen) durch beide an der Messung beteiligte Phasen laufen und zeitgleich (und polaritätsgleich) am Messort auftreten. Durch die Verwendung eines Ferritübertragers bei der TE-Auskopplung können diese Gleichtaktstörer wirkungsvoll unterdrückt werden. Bei diesem Messverfahren wird vorausgesetzt, dass die Prüfspannungsquelle vor Ort ausreichend Leistung für mehrere Phasen bereitstellen kann. 4.2.2 Messimpedanz Die Messimpedanz ist in der Regel als passiver analoger Bandpassfilter aufgebaut. Tiefe Frequenzanteile, vornehmlich der Bereich in der Nähe der Prüf- bzw. Betriebsfrequenz, werden zum Schutz der angeschlossenen Messtechnik hochgradig unterdrückt. In einem breiten ungedämpften Bereich (<1 MHz) erfolgt dann die Auskopplung der TE-Impulse. In diesem Auskoppelbereich können zusätzlich fest integrierte weitere Filter (Bandsperren) vorgesehen sein, die bekannte schmalbandige frequenzstarre Störer, vornehmlich amplitudenmodulierte Rundfunksender, unterdrücken. Hier ist darauf zu achten, dass sich durch die Reduzierung des nutzbaren Frequenzspektrums folglich auch die auskoppelbare Energie des TE-Impulses reduziert. Bei mobilen TE-Messsystemen ist zudem davon auszugehen, dass durch regionale Unterschiede bei den terrestrischen Sendefrequenzen fest implementierte Bandsperren nicht sinnvoll sind. Hier kann die Unterdrückung dieser Störer durch programmierbare Filter auf der Softwareseite des TE-Messsystems, z. B. durch adaptive Filteralgorithmen, erfolgen. Stand der Technik bei der TE-Messung 17 Ein weiterer Zweck der Bandpassfilterung in der Messimpedanz ist eine Quasiintegration des Messsignals im Zeitbereich zur Ermittlung der Impulsladung. Dabei berechnet sich nach Fourier die spektrale Energie eines beliebigen Stromimpulses nach Gleichung 2: +∞ F ( jω ) = ∫ i (t ) ⋅ e − jωt ⋅ dt Gleichung 2 −∞ Bekanntlich ist das Stromintegral über die Zeit die gesuchte Impulsladung q (s. Gleichung 3). +∞ q = ∫ i (t ) ⋅ dt o Gleichung 3 0 Rechnerisch entspricht also der spektrale Signalanteil bei Gleichspannung (f = 0 Hz) dem gesuchten Ladungswert q. Da jedoch, wie oben beschrieben, Frequenzen im Bereich der Prüfspannung (und darunter) bei der Auskopplung unterdrückt werden, steht dieser Frequenzanteil zur weiteren Auswertung nicht zur Verfügung. Unter der Annahme, dass der Verlauf des Frequenzspektrums bis hin zu einer charakteristischen Grenzfrequenz fG nahezu konstant verläuft, ist eine korrekte Ladungsbestimmung auch durch eine Bandpassmessung im Bereich dieser konstanten Amplitude des Frequenzspektrums eines TE-Impulses oberhalb von 0 Hz möglich. Die schmalbandige Bandpassmessung ermöglicht zudem bei Kenntnis des aktuellen Störspektrums der Umgebung die gezielte Auswahl eines Frequenzbereiches zur TE-Messung, der weitgehend frei von frequenzstarren Störern ist. 4.3 Nichtkonventionelle Feldkopplung Wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, führt die klassische Auskopplung von TEImpulsen an den Kabelenden mittels Koppelkondensator und Messimpedanz oft nicht zu den geforderten Messempfindlichkeiten von einigen Picocoulomb (pC). Eine Alternative zu dieser klassischen galvanischen Auskopplung stellt die TE-Detektion mittels Feldkopplung dar. Bei diesem Verfahren werden durch geeignete Feldsensoren die von TE-Impulsen 18 Stand der Technik bei der TE-Messung erzeugten elektrischen und magnetischen Feldkomponenten erfasst und in messbare Spannungssignale umgewandelt [Tia02] [Pla02] [Wie03b]. Feldsensoren arbeiten im Allgemeinen in einem Frequenzbereich oberhalb von 1 MHz und sind daher nicht IEC-konform. Zudem gelten sie als im klassischen Sinne nicht kalibrierbar (Ausgangssignal in mV statt in pC). Durch eine Vielzahl von erfolgreichen Messungen, gerade auch unter gestörten Vor-Ort-Bedingungen, konnten sich diese Sensoren jedoch bereits bewähren. In kommenden Normen bzw. Normanpassungen werden Feldsensoren und deren Kalibrierung [Wan05] daher Berücksichtigung finden, jedoch noch nicht in der aktuellen Neugestaltung der IEC 60060-3 zur Normierung der Vor-Ort-Prüf- und Messtechnik [IEC60060]. Des Weiteren ist es im Prüfbetrieb für Hochspannungskabelanlagen üblich, dass Absprachen zwischen Kunde und Prüfern gültige Normen ergänzen bzw. ersetzen [Küc05]. Der Einsatz von Feldsensoren ist bereits heute üblich und in vielen Fällen die einzig sinnvolle Methode zur Signalerfassung bei TEMessungen ausgedehnter Kabelanlagen. Als sinnvoller Einbauort für Feldsensoren ist der Bereich um die Kabelgarnituren zu nennen. Zum einen kann der Feldsensor bei der Garniturenmontage vor Ort mit geringem zusätzlichem Arbeitsaufwand implementiert werden. Oft ist sogar die Integration von Feldsensoren in Garnituren schon bei deren Herstellung im Werk möglich, so dass vor Ort keine zusätzlichen Arbeitsschritte notwendig werden. Zum anderen ist der Sensor mit seiner Anbringung in direkter Nähe zur Garnitur nahe der potenziellen TE-Fehlstelle platziert, da das Hochspannungskabel (VPE) schon im Kabelwerk auf TE-Freiheit untersucht worden ist, so dass in der Regel nur Komponenten, die vor Ort montiert werden (Muffen und Endverschlüsse), als TE-Fehlstellen in Frage kommen. Ein weiterer positiver Effekt bei der TE-Auskopplung mittels Feldsensoren ist die störunterdrückende Wirkung des Prüflings selbst [Bog92]. Aufgrund der großen Kabelkapazität wirkt der Prüfling als Tiefpassfilter und dämpft damit im relevanten Frequenzbereich größer 1 MHz externe Störimpulse soweit, dass diese von den Feldsensoren im Bereich der Muffen nur noch mit stark reduzierter Amplitude erfasst werden können. Der Überwachungsbereich der Feldsensoren kann so auf die nahe Umgebung der Garnituren beschränkt werden. Stand der Technik bei der TE-Messung 19 4.3.1 Kapazitive Sensoren Die Erfassung der elektrischen Feldkomponente eines TE-Impulses erfolgt durch kapazitive Sensoren [Hei03], [Pla02]. Dabei kann die Sensorelektrode als leitfähiger Streifen in Form eines Zylindermantels um die Kabelader realisiert werden (CCS, Coaxial Cable Sensor, s. Abbildung 14). Die Sensorelektrode wirkt dabei zusammen mit dem äußeren Kabelschirm als Kapazität. Es entsteht ein kapazitiver Spannungsteiler aus Kabel und Sensor, der die Auskopplung von impulsartigen Signalen aus dem Energiekabel bzw. der Garnitur ermöglicht [Hen96] [Che00]. Diese Ausführungsart des kapazitiven Sensors muss vor Ort montiert werden. Infolgedessen müssen auch der geöffnete Kabelschirm und der schützende Kabelmantel nach der Sensormontage wieder hergestellt und deren ordnungsgemäßer Zustand nachgewiesen werden. Als zusätzliche Schwachstelle ist auch die Messleitung zu nennen, die das Sensorpotenzial zur Messung aus dem Kabel nach außen führt. Diese durchstößt zwangsläufig den Kabelmantel und muss daher gegen möglichen Wassereintritt ausreichend geschützt werden. Konstruktiv ausgereifter sind kapazitive Feldsensoren, die schon bei der Herstellung der Garnituren direkt in diese implementiert wurden. Hier können die vorhandenen feldsteuernden Deflektoren als kapazitive Sensorfläche genutzt werden [Gro99]. Dabei wird der halbleitende und damit frequenzabhängige Charakter des Deflektorwerkstoffes ausgenutzt. Während der Deflektor für die betriebsfrequenten Felder die feldsteuernde Funktion innerhalb der Muffenkonstruktion übernimmt, können durch TE verursachte hochfrequente Felder an diesem über einen Shuntwiderstand zur messtechnischen Erfassung abgegriffen werden. a) Koaxialer Kabelsensor (CCS) Abbildung 14: Ausführungsformen kapazitiver Sensoren b) Deflektor als Sensorelektrode (schematisch) 20 Stand der Technik bei der TE-Messung Da in den meisten Fällen lediglich ein einzelner kapazitiver Sensor je Muffe realisiert wird, ist eine genaue Ortung eines TE-Fehlers durch Laufzeitauswertungen innerhalb der Muffe nicht möglich. Eine cm-genaue Fehlerortung ist auch aufgrund der auf ca. 20 MHz limitierten oberen Grenzfrequenz des Sensors selbst bei zwei Sensoren nur sehr eingeschränkt möglich. Da jedoch bei Hoch- und Höchstspannungskabeln davon ausgegangen werden kann, dass TE-Fehler lediglich in den erst vor Ort montierten Muffen und Endverschlüssen auftreten, ist unter Verwendung des in Kapitel 5.1 beschriebenen synchronen Mehrstellen-TE-Messsystems eine eindeutige Zuordnung von TE-Signalen zur jeweiligen fehlerbehafteten Garnitur mit einer, in Kapitel 8.1.3 vorgestellten, an allen Muffen gleichzeitigen, hochpräzisen Messung der Absolutzeit der TE-Signale möglich. Bei dem für kapazitive Sensoren typischen Frequenzbereich von ca. 2 MHz bis 20 MHz werden hochfrequente Impulse bei ihrer Ausbreitung im Kabel bereits so stark gedämpft, dass die Abnahme der Impulsamplituten vom Entstehungs- zum Messort sowie die Impulsverformung [Ben05] i. A. eine klare Unterscheidung des Impulsursprungs ermöglichen (s. Abbildung 15). Abbildung 15: Signaldämpfung in Abhängigkeit vom Messort (schematisch) So können z. B. auch Koronastörer eindeutig von TE aus der Muffe unterschieden werden. Unabhängig davon ermöglicht die hochpräzise Erfassung der Absolutzeit die Feststellung der Richtung der Impulsausbreitung und damit ebenfalls eine sichere Unterscheidung des Impulsursprungs. Aus den oben genannten Gründen ist es jedoch nicht möglich, den kapazitiven Sensor durch eine Einspeisung einer Referenzladung am zugänglichen Kabelende vor Ort zu Stand der Technik bei der TE-Messung 21 kalibrieren [Azc05]. Der Kalibrierimpuls müsste das Kabel mehrere 100 Meter bis hin zum Sensor in der ersten Muffe durchlaufen und wäre dort stark gedämpft. Die für eine quantitative TE-Auswertung erforderliche Kalibrierung muss deshalb an einer zusätzlich aufgebauten Muffe mit kurzen Kabeln im Labor stattfinden. Die Empfindlichkeit des Sensors ist dabei ausschließlich vom System Kabel-Muffe abhängig (z. B. Geometrie, Leitfähigkeit der Leitschicht). Bei zwei vorhandenen baugleichen Sensoren an einer Muffe ist zudem eine Kreuzkalibrierung denkbar [Wan05]. Hier fungiert einer der Sensoren als Kondensator zur Einspeisung des Kalibriersignals, während der andere Sensor als Auskoppelkondensator dient. Nach Gleichung 4 entspricht aufgrund der Symmetrie der Sensoren der halbe Wert der ermittelten Koppeldämpfung dem Dämpfungswert X eines einzelnen Sensors. 2 ⋅ X [dB] = 20 ⋅ log U in U out Gleichung 4 Auch auftretende Signalverluste durch Teilreflexionen innerhalb der Muffenkonstruktion müssen dabei berücksichtigt werden. 4.3.2 Richtkopplersensoren Ein Richtkoppler ist ein aus der Nachrichtentechnik bekanntes Bauelement [Mei86], mit dem sich vor- und rücklaufende Signale getrennt auskoppeln lassen. Das Koppelverhalten von Richtkopplersensoren beruht auf einer Überlagerung von induktiver und kapazitiver Kopplung. Dadurch können Richtkopplersensoren in einem weiten Bereich abgestimmt werden, d.h., es wird das Verhältnis von induktiver und kapazitiver Kopplung eingestellt. Bei einem idealen Richtkoppler sind induktive und kapazitive Kopplung exakt gleich groß. Abbildung 16 zeigt das Prinzip der konstruktiven und destruktiven Signalüberlagerung. 22 Stand der Technik bei der TE-Messung Abbildung 16: Funktionsprinzip des RKS Ein Signal auf Leitung 1 (in Abbildung 16 dargestellt durch den gerichteten Strompfeil I, grün) hat auf Leitung 2 sowohl eine gleichtaktförmige induktive Koppelkomponente (IM, blau), wie auch eine gegentaktförmige kapazitive Koppelkomponente (IC, rot) zur Folge, die sich jeweils an den beiden Messwiderständen überlagern und zu den beschriebenen Ausgangssignalen führen [Ret99]. Der Richtkopplersensor zeichnet sich durch eine eindeutige Anzeige der Impulsherkunftsrichtung aus. Ein auf den Richtkopplersensor treffendes Signal ist jeweils an der der Herkunftsrichtung zugewandten Seite der Richtkopplerausgänge (Koppelpfad) messbar (konstruktive Superposition der induktiven und kapazitiven Signalkomponente), während am anderen Ausgang (Sperrpfad) idealer Weise kein Ausgangssignal erscheint (destruktive Superposition). Bei idealen Richtkopplern kommt es zu einer vollständigen Auslöschung der Signale im Sperrpfad. In der Praxis erreichen reale Richtkopplersensoren ein Koppelverhältnis (Signalverhältnis Sperrpfad zu Koppelpfad) in der Größenordnung 1:10. Bis hinunter zu einem Signalverhältnis von 1:2 ist eine gesicherte Aussage über die Herkunftsrichtung der TE-Signale jedoch meist unproblematisch. Die Richtkopplersensoren werden üblicherweise innerhalb des Muffengehäuses direkt auf die hiervon nicht beeinflusste äußere Leitschicht des Kabels montiert. Abbildung 17 zeigt die Ausführungsvariante einer Muffe in Aufschiebetechnik mit zwei Richtkopplersensoren. Alternativ ist auch eine Montage außerhalb des Muffengehäuses möglich, was vor allem bei der Nachrüstung von TE-Sensoren vorteilhaft ist. Stand der Technik bei der TE-Messung 23 Abbildung 17: 400-kV-Aufschiebemuffe mit Richtkopplersensoren innerhalb des Muffengehäuses Durch logische Verknüpfung der vier Ausgangssignale der beiden Richtkopplersensoren an einer Muffe ist eine eindeutige Klassifizierung der Signale in „von links kommend“, „von rechts kommend“ und „TE aus der Muffe“ möglich [Pom97]. Für maximale Entscheidungssicherheit, d. h. großes Richtverhältnis, sollte der Richtkopplersensor für jedes Kabel einmalig in seiner Geometrie speziell abgeglichen werden, da die mechanischen und elektrischen Eigenschaften des Kabels, z. B. die Dicke der Isolierung und die Leitfähigkeit der Leitschichten, in das Richtverhältnis eingehen [Hei01]. 4.3.2.1 Induktive Richtkopplersensoren Bei induktiv abgestimmten Richtkopplersensoren überwiegt induktive Kopplung [Hei03b]. Die Impulslaufrichtung wird beim induktiv abgestimmten Richtkoppler im Gegensatz zum bisher betrachteten Richtkopplersensor über die Polarität der Ausgangssignale zweier Sensoren bestimmt. Externe Störungen werden mit entgegengesetzter Polarität ausgekoppelt. Signale mit dem Entstehungsort zwischen den beiden Sensoren, z. B. TE aus der Muffe, werden dagegen mit gleicher Polarität ausgekoppelt und sind somit eindeutig erkennbar (s. Abbildung 18). 24 Stand der Technik bei der TE-Messung a) TE aus der Muffe b) Externer Störimpuls Abbildung 18: Ausgangssignale induktiv abgestimmter Richtkopplersensoren Die Funktionsweise der induktiv abgestimmten Richtkopplersensoren leitet sich aus dem Grundprinzip eines Richtkopplers ab, bei dem die kapazitive Kopplung fehlt. Der Sensor und der Innenleiter des Hochspannungskabels bilden ein System von zwei verkoppelten Leitungen, die eine gemeinsame Induktivität MK besitzen. Der induktiv abgestimmte Richtkopplersensor hat nur ein Ausgangssignal pro Sensor. Der bei den Richtkopplersensoren notwendige zweite Ausgang entfällt, da er eine redundante Information enthält. Zur Überwachung einer Muffe wird je ein Sensor links und rechts der Muffe montiert. Besonders vorteilhaft an induktiven Richtkopplersensoren ist, dass sie im Gegensatz zu „normalen“ Richtkopplersensoren nicht für jedes Kabel in ihrer Geometrie speziell abgestimmt werden müssen, und dass die Auswerteelektronik nur zwei Signale an einer Muffe auswerten muss. Zudem kann die erforderliche Bandbreite der Auswerteelektronik – abhängig von der geforderten Empfindlichkeit, die bei voller Bandbreite wie bei Richtkopplern ist – deutlich reduziert werden, ohne dass die Entscheidungssicherheit über die TE-Herkunft, d.h. TE aus der Muffe oder von extern, beeinflusst wird. Demgegenüber steht der für die praktische Anwendung in vielen Fällen vertretbare Nachteil, dass mit dem induktiven Richtkopplersensor die Herkunftsrichtung von externen Störsignalen nicht mehr differenziert werden kann. Stand der Technik bei der TE-Messung 25 4.3.3 Induktive Sensoren Induktive Sensoren nutzen die magnetische Feldkomponente eines TE-Impulses [Xin04] und können außen über dem Mantel des Energiekabels montiert werden. Durch geeignete Schirmmaßnahmen ist dabei sicherzustellen, dass keine elektrischen Feldkomponenten das Messsignal überlagern. Eine verbreitete Ausführungsform eines induktiven Sensors ist die Rogowskispule. die aufgrund ihrer regelmäßigen geometrischen Eigenschaften und der Abschirmung gegenüber den elektrischen Feldkomponenten zur Auskopplung von TEImpulsen an Energiekabeln vorteilhaft ist [Rog12] [Koh85] [Ber87] [Sch94]. Kurzschluss Leiter Schirmunterbrechung Messanschluss Abbildung 19: Prinzip Rogowskispule [Wie05] Rogowskispulen zeichnen sich durch eine große Messbandbreite und durch einen breiten linearen Übertragungsbereich aus [Ray00]. Aufgrund der Verwendung von ausgedehnten Leitungselementen als Sekundärwicklung des zusammen mit dem Hauptstrompfad entstehenden Transformators müssen bei der Verwendung dieser Sensoren jedoch u. U. Wanderwelleneffekte berücksichtigt werden [Bel85]. 4.4 Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass nach dem aktuellen Stand der Technik eine Vielzahl von unterschiedlichen Sensoren zur TE-Auskopplung verfügbar ist, die in Kombination mit speziellen Messverfahren und konventionellen TE-Messsystemen für kommerzielle Messaufgaben eingesetzt werden können. Diese Sensoren und Verfahren decken dabei aber nicht alle denkbaren und auftretenden Einsatzfelder in ausreichender Weise ab, so dass oft bzw. für spezielle Messsituationen die hohe geforderte 26 Stand der Technik bei der TE-Messung Messempfindlichkeit vor Ort nicht erreicht werden kann. So sind zwar z. B. in Muffen integrierte Feldsensoren (kapazitive Sensoren oder Richtkopplersensoren) optimal zur empfindlichen TE-Auskopplung und Beurteilung dieser Garnituren geeignet. Fehlen jedoch diese Sensoren (bei älteren Kabelanlagen oder bewusstem Verzicht bei der Planung), ist eine Nachrüstung oft nicht möglich oder zu aufwändig. Sensorlose Muffen, aber auch verschiedene Arten von Kabeleinführungs-Endverschlüssen, sind somit nach aktuellem Stand der Technik nicht ausreichend empfindlich auf ihre TE-Freiheit hin zu untersuchen. Hier müssen daher neue und alternative Auskoppelverfahren und Sensoren bzw. neuartige Messtechniken (Mehrstellen-TE-Messung) zum Einsatz kommen, deren Eignung zur empfindlichen TE-Auskopplung und TE-Messung im Folgenden (s. Kapitel 6: Neue Auskoppelverfahren und Sensoren) detailliert beschrieben wird. Versuchstechnik zur TE-Messung 27 5 Versuchstechnik zur TE-Messung 5.1 Beschreibung des verwendeten TE-Messsystems Für die Durchführung der TE-Messungen wurde ein neuartiges digitales Mehrstellen-TEMesssystem verwendet, welches dem systemkundigen Benutzer den Zugriff auf eine Vielzahl von Programmparametern und gespeicherten Daten erlaubt und somit auch weiterführende und über den Standardbetrieb hinausgehende wissenschaftliche Untersuchungen ermöglicht. Im Rahmen dieser Arbeit bestand die Möglichkeit, bereits am Prototyp dieses Gerätes die Eignung und Möglichkeiten der digitalen Messdatenerfassung und komplexen Nachbereitung zu erproben und z. B. an der Entwicklung neuer Auswerteverfahren mitzuarbeiten. Aufgrund der in dieser Arbeit durchgeführten TEMessungen konnte das Messsystem zudem entscheidend verbessert werden, z. B. bei der Systemgenauigkeit der Absolutzeiterfassung von TE-Impulsen. Somit kann z. B. eine hochpräzise TE-Fehlerortung an Hochspannungskabeln auch mit räumlich verteilter Sensorik durchgeführt werden. Abbildung 20: Komponenten des digitalen Mehrstellen-TE-Messsystems MPD 540 (v.l.n.r.: TE-Erfassungseinheit, Akku zum potenzialfreien Betrieb, LWL zur potenzialfreien Kommunikation, USBController, Notebook) Das PC-gestützte System (Fa. mtronix, aktuelles System: MPD 540 [Mtr04], s. Abbildung 20) besteht aus i. A. mehreren autonom arbeitenden, batteriebetriebenen Erfassungseinheiten, die die messbaren elektrischen Signale (Teilentladungen und Prüfspannung) erfassen, vorverarbeiten und zur potenzialfreien Übertragung optisch umsetzen. Alle Erfassungseinheiten arbeiten dabei streng synchron, was eine Nutzung 28 Versuchstechnik zur TE-Messung dieses Systems (im Gegensatz zu Multiplex-Systemen) für eine streng synchrone Mehrstellen-TE-Messung qualifiziert. Die Einbindung dieser Messsysteme in ein neuartiges komplexes Mehrstellen-Messverfahren ist auch Gegenstand dieser Arbeit und wird u. a. in Kapitel 8 (TE-Ortung durch verteilte Sensorik) beschrieben. Die TE-Signale werden mit einer Abtastrate von 64 MS/s und einer Quantisierung von 14 Bit digitalisiert. Durch die nahezu freie Wahl eines Filterbandes (digitaler Bandpass) kann zur TE-Messung ein spektraler Bereich gewählt werden, der unter den jeweils auch veränderlichen Vor-Ort-Bedingungen den günstigsten Signal-Rausch-Abstand (SNR) und die beste Messempfindlichkeit erzielt. Unabhängig vom Signalpfad durch das Messfilter wird zur visuellen Unterstützung zyklisch wiederholt eine Fourieranalyse (FFT) der Eingangssignale mit der vollen zur Verfügung stehenden analogen Bandbreite von 20 MHz durchgeführt und dargestellt (s. Abbildung 21). Abbildung 21: Blockschaltbild einer Erfassungseinheit des MPD 540 Nach einer Signalübertragung über LWL übernimmt ein USB-Controller am Messrechner die notwendige optisch-elektrische Umsetzung der gewonnenen Daten. Die OnlineVisualisierung der TE-Daten erfolgt für alle verwendeten Erfassungseinheiten am PC in Form von phasenaufgelösten Häufigkeitsdiagrammen der Impulsladung (q-H-φ-Diagramm, im Folgenden als „Fingerprint“ bezeichnet). Des Weiteren besteht die Möglichkeit, einzelne TE-Impulse oszillografisch darzustellen und zu vermessen. Speziell für die Fehlerortung in Energiekabeln steht zusätzlich ein auf Reflektografie basierendes Auswerteverfahren zur Verfügung. Zur weiteren Störunterdrückung ist eine Ausblendung von Störsignalen durch Software- und Hardware-Gating möglich. Versuchstechnik zur TE-Messung 29 Die Prüfspannung kann für jede Erfassungseinheit separat aufgezeichnet und in ihren Momentanwerten oszillografisch dargestellt werden. Die Digitalisierung mit 24 Bit bei 100 kS/s ist dabei entschieden hochwertiger als bei vergleichbaren verfügbaren Messsystemen [LDI05] [PDS04] [Hae04] und ermöglicht so die Erfassung kleinster Schwankungen im Prüfspannungsverlauf, die bei verschiedenen Verfahren der PulsSequenz-Analyse (z. B. Δ U- oder Δ φ-Methode) einen signifikanten Einfluss haben können [Lap00]. Für eine Protokollierung des Messverlaufes in Form einer Trendkurve sind zusätzlich der Effektivwert der Prüfspannung und der TE-Pegel über der Zeit grafisch aufgetragen. Unabhängig von der Visualisierung können alle gewonnenen Messdaten in Form eines Daten-Streams digital gespeichert werden. Diese Stream-Datei beinhaltet den vollständigen Datentransfer aller Erfassungseinheiten zum Messrechner und liefert so ein vollständiges Abbild der gesamten Messung. Die Stream-Daten können für eine OfflineAnalyse (Replay-Modus) jederzeit wieder dem Messrechner zugeführt werden, um gegebenenfalls den Schwerpunkt der Auswertung durch eine Variation der einstellbaren Parameter zu verändern. Die Möglichkeit der Konvertierung des systemeigenen StreamFormates in offene Datenformate (MatLab, ASCII) ermöglicht speziell dem wissenschaftlichen Anwender beliebige Freiheitsgrade in der weiterführenden OfflineAnalyse. An dieser Stelle sei beispielhaft die 3PARD-Visualisierung [Pla02b] genannt, die für die im Folgenden beschriebenen Messungen im Rahmen dieser Arbeit (s. auch Kapitel 5.3.2) vom Autor realisiert worden ist und in folgenden Programmversionen als Online-Darstellung implementiert werden soll (Stand: Juni 2005). Weitere speziell auf das MPD 540 abgestimmte Zusatzkomponenten sind der Systemkalibrator MPD 501 und die auf 20 MHz Bandbreite optimierten Messimpedanzen (Auskoppelvierpole) mit optionalen analogen Bandsperren für starke lokale Rundfunksender. Zu Beginn dieser Arbeit kam auch das Vorgängermodell MPD 520 zum Einsatz, welches dem Institut als Prototyp zur Verfügung stand und prinzipiell eine vergleichbare Funktionalität zum MPD 540 besitzt. 5.2 Synchronitätstest der TE-Erfassungseinheiten Im Rahmen der Vorbereitung zu einem Großprojekt mit einer synchronen TE-Messung an 22 Garnituren einer Hochspannungskabelanlage wurde am Institut "Prüffeld für elektrische 30 Hochleistungstechnik" GmbH Versuchstechnik zur TE-Messung (IPH-Berlin) erstmals ein Systemleistungstest mit 25 synchron arbeitenden Messstationen vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich um die größte Anzahl jemals synchron messender autonomer Stationen dieses Typs. Ziel dieses Systemleistungstests war zum einen auf Seiten der Hardware der generelle Nachweis der Funktionsfähigkeit der entstehenden Messkette, hierbei insbesondere der Nachweis der gleichzeitigen Impulserfassung aller Messstationen. Zum anderen sollte auf Seiten der Software die sinnvolle visuelle Einbindung und Darstellung der Messergebnisse der einzelnen Messstationen sowie die Übersicht über die Gesamtheit der Messdaten verifiziert werden. Zu diesem Zweck wurden 25 Messstationen über das optische Kommunikationssystem miteinander vernetzt und mit einem Messrechner verbunden. Abbildung 22 zeigt den Testaufbau der Messtechnik. Abbildung 22: 25 Messstationen beim Systemleistungstest Anmerkung: Abbildung 22 zeigt nicht alle der beteiligten Stationen. Einige der 25 Stationen sind fest in einem räumlich ausgelagerten Prüfaufbau integriert, jedoch über LWL in die Messkette implementiert. Mittels eines Kalibratorimpulses wurde über kurze koaxiale elektrische Verbindungen in mehrere Messstationen zeitgleich ein Testsignal eingespeist. Abbildung 23 zeigt den resultierenden Zeiterfassungsfehler exemplarisch für vier Messstationen der Messkette. Versuchstechnik zur TE-Messung 31 2,50 Station 2 2,00 Station 7 Zeiterfassungsfehler [ns] 1,50 Station 9 Station 18 1,00 0,50 0,00 -0,50 -1,00 -1,50 -2,00 -2,50 Messwert Abbildung 23: Zeiterfassungsfehler einzelner Messstationen bezogen auf Station 1 Der messtechnisch ermittelte durchschnittlich maximal auftretende Zeiterfassungsfehler beträgt ca. 2 ns und liegt damit im Bereich der Herstellerangaben [Mtr04]. Zusätzliche Systemkomponenten mit Einfluss auf die Absolutzeiterfassung, wie z. B. die zur optischen Kommunikation benötigten Lichtwellenleiter, werden dabei durch interne Kalibriervorgänge berücksichtigt und kompensiert. Bei dem ermittelten Zeitfehler von maximal 2 ns handelt es sich um einen systeminternen Zeittakt in der Messhardware, der nicht weiter kompensiert werden kann. Für den Anwendungsbereich der TE-Fehlerortung an Energiekabelanlagen ergibt sich so eine theoretisch maximale Ortungsgenauigkeit von ca. 0,3 m (bei vc = 150 m/µs). Bei TE-Messungen vor Ort wurde bei der Verwendung eines MPD 540 eine praktische Ortungsgenauigkeit von ca. 5 Metern erreicht [Kum05], die damit immer noch weit über denen vergleichbarer Messsysteme liegt. Die nachgewiesene nahezu synchrone TE-Erfassung aller beteiligten autonomen Messstationen unterstreicht zusätzlich die Eignung des verwendeten Messsystems zur Mehrstellen-TE-Messung mit verteilter Sensorik (s. Kapitel 8: TE-Ortung durch verteilte Sensorik). Im Gegensatz zu anderen Mehrkanal-TE-Messsystemen (z. B. [Hae04b]) ist so eine präzise TEFehlerortung durch Laufzeitmessungen benachbarter TE-Erfassungseinheiten möglich. 32 Versuchstechnik zur TE-Messung 5.3 Beschreibung der Software 5.3.1 Bediensoftware Ein wesentlicher Bestandteil des TE-Messsystems MPD 540 ist der Messrechner mit der zugehörigen Betriebs- und Verarbeitungssoftware. Diese übernimmt die Parametrierung der autonomen Messstationen und bestimmt damit maßgeblich das Verhalten des gesamten Messsystems. Als Online-Analysetools stehen die oben beschriebenen phasenaufgelösten Häufigkeitsdiagramme, Oszillogramme der Einzelimpulse und Frequenzspektren für jede Messstation zur Verfügung. TE-Ereignisse können als Wertepaare von Absolutzeit und Impulsladung im MatLab-Format exportiert werden, ebenso der Zeitverlauf der anliegenden Prüfspannung. 5.3.2 Ergänzende Softwaretools zur komplexen Nachbereitung Für eine umfangreiche Offline-Analyse können, basierend auf den Export-Daten, beliebige Auswertealgorithmen zur Anwendung kommen (z. B. [Cav03] [Che01]). Als Grundlage für eine möglichst umfassende Analyse von TE-Daten wurde im Rahmen dieser Arbeit bereits für das Basismodell MPD 520 (Vorgängermodell des aktuellen MPD 540) ein Analyse-Tool in der Entwicklungsumgebung Visual-Basic erstellt, in welchem eine Vielzahl von bekannten Visualisierungsmöglichkeiten implementiert ist und das zudem in seiner Funktionalität beliebig erweitert werden kann. Das vom Autor entwickelte Programm stellt dabei auf der Benutzeroberfläche drei Grafikfenster zur Verfügung, die vom Anwender beliebig genutzt werden können. Zum einen kann eine bestimmte Art der Visualisierung auf drei verschiedene Messstationen zur Anwendung kommen. Dies ist z. B. sinnvoll, um räumlich getrennte Messorte (z. B. Muffen der Phasen L1, L2, L3) miteinander zu vergleichen. Zum anderen können aber auch verschiedene Analysearten für einen einzigen Messort verglichen werden, was die eindeutige Klassifizierung eines einzelnen TE-Fehlers mit mehreren mathematischen Ansätzen erlaubt. Besonders zu erwähnen sind hier die Möglichkeiten der Impulssequenz-Analyse. Bei dieser Art der Auswertung werden aufeinander folgende TE-Impulse miteinander in Beziehung gebracht und visualisiert [Hoo97]. Dieser Ansatz ist eine Grundlage für computergestützte Expertensysteme, die viele Analyseverfahren koppeln, um Fehlertypen zu klassifizieren. Abbildung 24 zeigt einen Ausschnitt der Benutzeroberfläche des Analyseprogramms und beispielhaft verschiedene TE-Muster eines einzelnen TE-Fehlers in der gängigen Versuchstechnik zur TE-Messung 33 Fingerprint-Darstellung (links), in der ΔU/ΔU+1 -Darstellung (mittig) und in der m/m+1 Darstellung (rechts) [Lap00]. Abbildung 24: Anwendung verschiedener Algorithmen der Impulssequenzanalyse auf den selben Satz von TE-Messdaten Als weitere Zusatzfunktionen beinhaltet das Programm die 3PARD-Auswertung [Pla02b] in der klassischen Form (Auswertung der Amplitudenverhältnisse von drei Impulsen), sowie die 3PARD-ähnliche Vektoraddition von drei zeitgleichen TE-Signalen. Zusätzlich zur Auswertung von drei zeitgleichen Impulsen ist hier auch die Berücksichtigung von nur zwei zeitgleichen Impulsen realisiert worden. Diese Art der Auswertung nutzt auch Impulstripel, bei denen einer der drei zur klassischen 3PARD-Darstellung erforderlichen TE-Impulse nicht mehr aus dem Rauschen zu separieren ist und demnach nicht mehr für eine 3PARDAnalyse zur Verfügung steht. Die so entstehenden Cluster liefern damit in einer stark gestörten Messumgebung gegenüber der klassischen 3PARD-Auswertung einen erheblichen Informationsgewinn. Als grafische Darstellungsart wurden farbkodierte Balken zwischen den Phasenbezeichnungen im Sterndiagramm gewählt, die eine intuitive Einordnung in das bestehende 3PARD-Diagramm gewährleisten. 34 Versuchstechnik zur TE-Messung Abbildung 25: 3PARD-Visualisierung mit Zusatzfunktionen Abbildung 25 zeigt anhand einer nicht näher beschriebenen Beispielmessung, dass in diesem Fall nur 48 % aller aufgezeichneten Impulse als Tripel in die 3PARD-Analyse eingehen, also in allen drei Phasen messbar sind. Zusätzlich gibt es mit einem Anteil von 17 % der verbleibenden tripelbereinigten Messdaten weitere Impulspaare der Phasen S und T, die nicht in 3PARD visualisiert werden können, sondern die mit ihrer Häufigkeitsverteilung als gesonderter Streifen unterhalb des 3PARD-Diagramms dargestellt sind. Ebenfalls wurde eine Fehlerortung für TE-Fehler auf Energiekabeln, basierend auf Laufzeitmessung von Reflexionen, programmiert. Diese Option wurde jedoch nicht perfektioniert, da sie mittlerweile in der kommerziellen Software der Fa. mtronix implementiert ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit dem digitalen Mehrstellen-TE-Messsystem der Fa. mtronix ein sehr gut geeignetes Werkzeug zur TE-Messung entwickelt worden ist, welches zusätzlich zur implementierten Grundfunktionalität eine komplexe Nachbearbeitung der Datensätze durch die Bereitstellung der gewonnenen Messdaten in Standardformaten ermöglicht. Im Rahmen dieser Arbeit wurden speziell für die verwendeten Systeme Algorithmen zur nachträglichen Störunterdrückung und zur vielfältigen Visualisierung der Messdaten entwickelt, die neuartige Ansätze bei TE-Messund Auswerteverfahren ermöglichen. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 35 6 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 6.1 Energiekabel als Koppelkondensator Bei Kabelanlagen mit zugänglichen Freiluftendverschlüssen kann anstelle eines externen Koppelkondensators eine zusätzliche parallele Kabelphase als Koppelkapazität zur TEAuskopplung verwendet werden. 6.1.1 Verwendung einer Phase als Koppelkondensator CK Die Auswirkungen des konstruktiv bedingten ungünstigen Größenverhältnisses von Prüflingskapazität und Koppelkondensator wurden bereits in Kapitel 4.2 beschrieben. Als Alternative zu einem konventionellen Koppelkondensator ist daher prinzipiell die Verwendung einer parallelen Nachbarphase möglich. Aufgrund der nahezu identischen Eigenschaften zweier Phasen eines Systems sind Koppelkondensator und Prüflingskapazität gleich groß und längenunabhängig. Nachteilig hierbei ist die für die zusätzlich hinzugewonnene Kapazität erforderliche Ladeleistung, die die Prüfspannungsquelle vor Ort in Form von zusätzlicher Blindleistung bereitstellen muss. Hieraus ergibt sich für die Praxis eine Reduzierung der prüfbaren Kabellängen. An dieser Stelle wird wie schon beschrieben die Forderung nach TE-Freiheit des Koppelkondensators zugunsten einer deutlich erhöhten Messempfindlichkeit aufgegeben. Bei auftretenden TE-Signalen kann durch den Vergleich der Messergebnisse aller drei Phasen jedoch eindeutig geklärt werden, welche der Phasen TE-behaftet ist. 6.1.2 Synchrone Mehrstellenmessung an allen drei Phasen Als logische Weiterführung der Verwendung einer einzelnen Nachbarphase als Koppelkondensator ist die zeitgleiche TE-Messung an allen drei Phasen eines Systems ohne zusätzlichen Koppelkondensator möglich. Neben der zeitgleichen Messung aller drei Einzelphasen ist dabei vor allem die dreiphasige Brückentechnik mit zweifach verkoppelter Auskopplung im Erdzweig zu nennen (s. auch Abbildung 26). Nach [Pla03] werden dabei die Leiter der drei Energiekabel miteinander verbunden und mit Prüfspannung beaufschlagt. Die Auskopplung der TE-Impulse erfolgt induktiv mit drei Transformatoren an den zugänglichen Erdverbindungen der Kabelendverschlüsse. HF- 36 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Abbildung 26: Prinzip der dreiphasigen Brückenauskopplung im Erdzweig Dabei werden die Erdverbindungen zweier Phasen gegensinnig durch jeweils einen Ringkern gezogen, so dass sich die Impulse von Gleichtaktstörern im magnetischen Kern des HF-Transformators gegenseitig eliminieren. Dagegen werden TE-Impulse, die ihren Ursprung in einer der Phasen haben, als sog. Gegentaktimpulse ausgekoppelt und messbar gemacht. Als geeignetes Auswertetool steht die 3PARD-Visualisierung zur Verfügung, die eine Phasenzuordnung der einzelnen TE-Impulse übernimmt und eine selektive Rücktransformation einzelner TE-Quellen in ein gewohntes Fingerprint-Bild ermöglicht. Da eine TE-Erfassungseinheit des Messsystems mit jeweils zwei Phasen der Kabelstrecke verknüpft ist, liegen die entstehenden Cluster einer Phase nicht auf den drei Hauptachsen des Diagramms, sondern in den Bereichen zwischen den Achsen. Eine Kalibrierung an allen drei Phasen stellt dabei sicher, dass die Zuordnung der Segmente zu den Phasen fehlerfrei erfolgt. Zur Erprobung dieses Verfahrens wurden im Rahmen einer Spannungsprüfung experimentelle TE-Messungen an einer VPE-isolierten 110-kV-Kabelanlage von ca. 1080 Metern Länge innerhalb Berlins durchgeführt. Abbildung 27 fasst die Ergebnisse mehrerer Kalibrier- und Messzyklen als Fingerprint und innerhalb einer 3PARDDarstellung zusammen. Abbildung 27 a) zeigt einen in gestörter Umgebung aufgezeichneten Fingerprint mit einem künstlichen Koronastörer am Endverschluss der Phase U bei 30 kV Prüfspannung. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 37 TE-Fehler Thyristor- / IGBT-Impulse a) Fingerprint mit verschiedenen Impulsquellen b) 3PARD-Separierung aller Impulsquellen Abbildung 27: Auswertung der Versuchsmessung Die Fingerprint-Darstellung in Abbildung 27 a) verdeutlicht, dass sich bei TE-Messungen vor Ort mehrere Signale aus verschiedenen Quellen überlagern können. Neben einem zur Resonanzprüfspannungsfrequenz von ca. 37,3 Hz nicht korrelierten breiten Rauschband (resultierend aus schwebenden 50 Hz-Koronastörern der Umgebung) sind die vier symmetrischen Störimpulse der Thyristorsteuerung der Prüfspannungsquelle als senkrechte blaue Linien zu erkennen. Aufgrund ihrer hohen Amplitude sind die aus den Impulsladungen resultierenden Diagrammpunkte im gewählten Maßstab der Darstellung nicht mehr zu sehen, bzw. am äußersten oberen Rand der Grafik aufgetragen. Die künstliche TE-Fehlstelle hingegen ist mit einer sehr großen Häufigkeit als phasenstarres Cluster konstanter Amplitude auszumachen. In der 3PARD-Darstellung lassen sich diese Impulsquellen gut unterscheiden. In Abbildung 27 b) fallen die regelmäßig auftretenden Thyristorstörimpulse aufgrund ihrer nahezu gleich großen Amplitude auf einen Punkt (gelb) nahe dem Ursprung zusammen. Im gleichen Bereich, jedoch mit einer größeren Streubandbreite, sind die Störimpulse des Grundrauschens zu erkennen. Diese Impulse im Bereich des Diagrammursprungs repräsentieren somit Störer, die mit keiner einzelnen Phase des Systems vorzugsweise verknüpft sind und somit nicht auf TE aus der Kabelanlage schließen lassen. Deutlich außerhalb des Zentrums ist im zur Phase U gehörenden Drittel des Diagramms eine Punktewolke zu erkennen, die die künstliche TE-Fehlstelle (Draht-TE) symbolisiert. 38 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Weiterhin zeigt die Darstellung eng begrenzte Cluster der im Vorfeld durchgeführten Kalibrationseinspeisungen (200 pC) EU, EV, und EW in den entsprechenden Dritteln des Diagramms. Die breitere Streuung des Clusters mit der Beschriftung EW 10pC resultiert aus einer Kalibriermessung mit reduzierter Impulsladung und dem damit verbundenen reduzierten Signal-Rausch-Abstand (SNR). Durch diese Versuchsmessungen konnte gezeigt werden, dass eine empfindliche TEMessung auch ohne externen Koppelkondensator möglich ist. Die drei Kabelphasen können dabei gegenseitig als Koppelkondensator fungieren und Gleichtaktstörer wirkungsvoll unterdrücken. Durch die gleichzeitige Messung aller drei Phasen konnte die 3PARD-Technik zur Auswertung eingesetzt werden, welche eine Impulsseparation nach verschiedenen TE-Quellen ermöglicht, so dass eine effektive Rauschunterdrückung möglich wurde. Eine abschließende TE-Messung bei 160 kV Prüfspannung bestätigte die TE-Freiheit der Kabelanlage bei einer Messempfindlichkeit von < 2 pC. 6.2 Richtkopplersensoren für GIL / GIS-Kabeleinführungen Richtkopplersensoren auf VPE-isolierten Hochspannungskabeln entsprechen dem Stand der Technik und ermöglichen hervorragende Messempfindlichkeiten mit inhärenter Störunterdrückung. In gasisolierten Schaltanlagen (GIS) kommen zur TE-Messung hingegen meist kapazitive UHF-Sensoren zum Einsatz, die ohne Richtungserkennung TESignale auskoppeln. Die Signalauswertung erfolgt dabei meist im Frequenzbereich, so dass eine Laufzeitanalyse von Einzelimpulsen und zugehörigen Reflexionen nicht möglich ist. Die TE-Überwachbarkeit einzelner GIS-Aufbauelemente ist damit jedoch ausreichend gegeben. Das System wird als Komplettlösung von einem großen deutschen Schaltanlagenhersteller für seine Anlagen kommerziell angeboten [Hüc98] [Sie05]. Schwachpunkt dieser Messsysteme ist allerdings der Bereich der Kabeleinführung (s. Abbildung 30), also die Schnittstelle zwischen den Betriebsmitteln Kabel und GIS. Hier kann mit gängiger Technik nicht zwischen TE aus der GIS-Anlage bzw. TE aus dem Einführungsendverschluss unterschieden werden. Eine Unterscheidung ist jedoch von großem Interesse für den Betreiber der Gesamtanlage, da die Komponenten Kabel bzw. GIS in der Regel von verschiedenen Herstellern stammen und daher eine eindeutige Zuständigkeit für eventuelle Nachbesserungen oder Garantieansprüche bei auftretenden TE-Fehlern gewährleistet sein muss. Zur Behebung dieses Überwachungsdefizits wurde die Richtkopplertechnik auf gasisolierte Betriebsmittel (GIS / GIL) übertragen [Hei03c]. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 39 In einem Versuchsaufbau (s. Abbildung 28) aus verschiedenen 245-kV-GIS-Elementen wurden zwei Richtkopplersensoren (RKS) in Winkelbausteine montiert. RKS1 RKS2 Abbildung 28: Versuchsaufbau zum Sensortest in GIS/GIL An verschiedenen Stellen innerhalb des Gasraumes wurden künstliche TE-Fehlstellen angebracht, die bei Überschreitung der TE-Einsetzspannung zu Ausgangssignalen an den Richtkopplersensoren und an einem kapazitiven Referenzsensor führten. Abbildung 29 zeigt die erfassten Messsignale bei TE-Aktivität einer künstlichen Fehlstelle zwischen beiden Sensoren. a) TE-Fehler zwischen den Sensoren Abbildung 29: Ausgangssignale der RKS b) Vergleichsmessung RKS – UHF-Sensor 40 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Die Interpretation der Oszillogramme erfolgt analog zur Auswertung von TE-Messungen mit Richtkopplersensoren der Kabeltechnik und ist in Kapitel 4.3.2 beschrieben. Der TEFehlerort zwischen den beiden Sensoren konnte erkannt und zentimetergenau bestimmt werden. Abbildung 29 b) verdeutlicht, dass die Ausgangssignale der GIS-RKS in ihrer Amplitude und Kurvenform mit den Spannungssignalen der kapazitiven UHF-Sensoren gut übereinstimmen. Dieser Effekt gewährleistet eine Abwärtskompatibilität der fortschrittlicheren Richtkopplersensorik, da unter Verlust der Richtungsselektivität eine Einbindung in das bestehende TE-Messsystem der GIS-Anlage des Projektpartners auf einfachste Art möglich war [Sie05]. Für weiterführende Untersuchungen speziell an gasisolierten Einführungsendverschlüssen wurden die GIS-Richtkopplersensoren an einer 110-kV-Versuchsanlage des Institutes, bestehend aus GIS-Elementen und gasisolierter Kabeleinführung mit steckbarer Kabelverbindung, montiert und auch hier erfolgreich getestet (s. Abbildung 30). a) Kabeleinführung 110-kV-Anlage b) Schnittbild, schematisch Abbildung 30: Richtkopplersensor in GIS Eine eindeutige Zuordnung der TE-Fehlerquellen ist durch die kombinierte Verwendung von Richtkopplersensoren auf dem Kabel und im GIS-Anlagenteil möglich. 6.3 HF-Transformatoren zur TE-Auskopplung Hochfrequenztransformatoren (HF-Trafos) basieren auf dem Prinzip der in Kapitel 4.3.3 beschriebenen induktiven Sensoren und bilden zusammen mit dem primären Leiter ein geeignetes Auskoppelsystem für TE-Impulse. Ihre Übertragungseigenschaften werden u. a. durch die Wahl des Kernmaterials (Ferrits) und durch ihre Bauform beeinflusst. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 41 6.3.1 Ferrite Ferrite sind ferrimagnetische keramische Werkstoffe (Oxide), deren magnetische Eigenschaften ähnlich denen ferromagnetischer Metalle sind. Wegen ihrer geringen elektrischen Leitfähigkeit sind Ummagnetisierungsverluste infolge von Wirbelströmen zu vernachlässigen, was besonders bei Anwendungen der Hochfrequenztechnik von Bedeutung ist. Die Wahl der Ausgangsmaterialien und der Herstellungsprozess legen dabei die späteren Materialeigenschaften fest [Gor54] [Fer04]. In HF-Transformatoren konzentrieren Ferritkerne das magnetische Feld und ermöglichen so eine starke Kopplung von Primär- und Sekundärspule, sowie geringe Streuverluste. Aufgrund ihrer Anfälligkeit gegenüber mechanischen Belastungen sollten die Ferrite speziell bei Messungen vor Ort ausreichend vor Fremdeinwirkung geschützt sein. 6.3.2 Stromimpuls-Transformatoren (kommerziell) Verschiedene Hersteller von TE-Messtechnik bieten Stromimpuls-Transformatoren (radio frequency current transformers, RFCT) zur induktiven Auskopplung von TE-Signalen an [PDS04b] [Pul00]. Diese sind meist für die TE-Messsysteme der eigenen Produktlinie optimiert und daher in ihrer Funktion für experimentelle Forschungsanwendungen ungeeignet. Abbildung 31 zeigt zwei kommerziell erhältliche Sensoren. a) Geschlossene Ausführung (Ø 15 mm) b) Klappbare Ausführung (Ø 100 mm) Abbildung 31: Kommerziell erhältliche Stromwandler (Quelle: PD-Systems Produktbroschüre) Starre Sensoren (geschlossene Ringkerne) sind dabei in der Regel auf ihre elektrischen Übertragungseigenschaften hin optimiert, während offene Sensoren (Klappferrite) für die Handhabbarkeit und Anbringung vor Ort (unterbrechungsfreie Montage oder OnlineMessungen) von Vorteil sind [Li04]. 42 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 6.3.3 HF-Transformatoren für variablen Einsatz Für experimentelle Untersuchungen mit variablen und wechselnden Randbedingungen sind einfach aufgebaute HF-Transformatoren mit zweiteiligem Ferritkern von Vorteil. Abbildung 32 zeigt den für die TE-Messungen hauptsächlich verwendeten Typ, bestehend aus abgeschirmter Sekundärwicklung und Ferrit [Tri05]. a) Aufbau Sensor b) Vergossener Sensor für Vor-Ort-Anwendungen Abbildung 32: Klappferrit (Doppel-U Profil) Zur Ermittlung eines optimalen Übertragungsverhaltens wurde die Windungszahl N2 der messseitigen Sekundärwicklung in mehreren Versuchsreihen variiert [Tan05]. Dazu wurden nach Abbildung 33 mit einem TE-Kalibrator Testimpulse in eine Kurzschlussschleife eingespeist und diese im Zeit- und Frequenzbereich mit dem digitalen TE-Messsystem MPD 540 vermessen. Ferrit Erfassungseinheit MPD 540 Abbildung 33: Testaufbau zur Untersuchung der Übertragungseigenschaften des HF-Trafos Abbildung 34 zeigt die auskoppelbare Impulsladung bei variabler Windungszahl N2. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 43 Abbildung 34: Einfluss von N2 auf die Ausgangsamplitude Die erreichbare Ausgangsspannung am HF-Transformator ist für die Windungszahl N2 = 2 maximal. Bei einer weiteren Erhöhung der Windungszahl wird die Signalamplitude am Ausgang geringer, der Amplitudengang wird jedoch über die Frequenz linearer (s. dazu Abbildung 49). Mit Hinblick auf Amplitude und Breitbandigkeit wurde für weitere Untersuchungen die Windungszahl auf N2 = 3 festgesetzt. Bei TE-Auskopplung in Erdverbindungen ist zu erwarten, dass bei anliegender Prüfspannung ein betriebsfrequenter Strom (kapazitiver Ladestrom des Kabels oder Laststrom) fließt und den Ferritkern in den Sättigungsbereich bringen kann. Durch die Einbringung eines definierten Luftspaltes zwischen die Grenzflächen der Ferrithälften können Sättigungseffekte vermieden werden. Abbildung 35 a) zeigt den Einfluss von überlagerten Lastströmen auf die auskoppelbare Amplitude von TE-Impulsen bei veränderter Luftspaltbreite d. 44 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 0 ms Ladung [nC] 5,0 4,8 d [µm] = 0 4,6 d [µm] = 250 4,4 d [µm] = 414 10 ms 20 ms Prüfspannung 4,2 Rauschband 4,0 3,8 3,6 3,4 3,2 3,0 0 20 40 60 80 Sättigungsstrom [A] a) Einfluss der Luftspaltbreite b) Moduliertes Rauschband Abbildung 35: Einfluss der Sättigung auf die TE-Auskopplung, N2 = 3 Bei steigender Luftspaltbreite d sinkt der Einfluss des Sättigungsstromes auf den auskoppelbaren Ladungswert. Bei einer Luftspaltbreite von d = 414 µm kann ein Einfluss des Laststromes praktisch nicht mehr nachgewiesen werden. Generell ist jedoch die Messempfindlichkeit bei zeitgleich fließendem Laststrom geringer als im unbelasteten Fall [s. auch Khe98], so dass die Luftspaltbreite bei bekanntem zu erwartendem Sättigungsstrom entsprechend minimal dimensioniert werden sollte. Ein deutliches Kriterium für Ferritkerne in Sättigung und damit für eventuell daraus resultierende Messfehler sind betriebsfrequent modulierte TE-Muster (s. Abbildungsteil b). Auch in diesem Fall sollte der Luftspalt vergrößert werden. 6.4 Induktive TE-Auskopplung an Endverschlüssen vor Ort Zur Beurteilung der Praxistauglichkeit der induktiven Sensoren zur TE-Auskopplung in der Erdverbindung bzw. Kabelschirmanlenkung von Endverschlüssen wurden Messungen vor Ort in gestörter Umgebung vorgenommen. 6.4.1 TE-Messung an 110-kV-Transformator-Einführungsendverschluss Bei einem 112-MVA-Maschinentransformator in einem Heizkraftwerk wurden bei Isolierölanalysen auffällige Gaskonzentrationen festgestellt. Mit Hilfe einer TE-Messung sollte festgestellt werden, ob innere Entladungen im Transformator Ursache dieser Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 45 Veränderungen sind. Zur Auskopplung der TE-Signale wurden HF-Transformatoren um die Erdverbindungen der 110-kV-Kabeleinführung an den Transformator- Einführungsendverschlüssen montiert. Abbildung 36 zeigt die Auskoppeleinheiten zur synchronen dreiphasigen TE-Messung. a) Überblick 110-kV-Transformator-Einspeisung b) HF-Trafo an Schirmverbindung (Kreis), zusätzliche kap. Ausk. mit Messimpedanz (links) Abbildung 36: TE-Auskopplung an Schirmerde des Kabelendverschlusses Bei anliegender Wechselspannung (hochspannungsseitige Erregung, Transformator im Leerlauf) konnten keine TE aus dem Transformator detektiert werden. Einzelne erfasste Störimpulse von maximal 10 pC Impulsladung auf den drei Messkanälen und das akquirierte Grundrauschen von < 2 pC werden in der 3PARD-Analyse als symmetrische Störer ohne Phasenbezug dargestellt und sind damit nicht relevant. 46 a) Fingerprint Neue Auskoppelverfahren und Sensoren b) 3PARD Abbildung 37: Ergebnisse der TE-Messung Die TE-Messung gab somit keinen Aufschluss über die veränderten Gaswerte im Isolieröl, konnte jedoch innere Teilentladungen (bei Leerlauf) mit großer Sicherheit ausschließen. Durch die messtechnische Erfassung einzelner Störer und der z. B. durch das Zuschalten des Prüflings entstandenen Störimpulse konnte jedoch gezeigt werden, dass die TEAuskopplung durch HF-Transformatoren in diesem Fall erfolgreich war. Hervorzuheben ist die erreichte Messempfindlichkeit von < 2 pC, die durch alternative Auskoppelverfahren, wie z. B. die TE-Auskopplung durch Koppelkondensatoren am anderen Kabelende, nicht hätte erreicht werden können. Eine TE-Erfassungssensorik im Transformator selbst stand nicht zur Verfügung. 6.4.2 TE-Messung an 220-kV-GIS-Einführungsendverschluss Im Auftrag eines spanischen Energieversorgungsunternehmens wurden sechs gasisolierte Einführungsendverschlüsse in einem neu errichteten Umspannwerk auf TE-Freiheit untersucht. Zur Anbindung einer neuen Schaltanlage des betreffenden Umspannwerkes an das bestehende 220-kV-Netz wurde eine 220-kV-VPE-Kabelstrecke (Länge ca. 9 km) aufgetrennt und durch die neu errichtete Schaltanlage in zwei ca. 4,5 km lange Segmente unterteilt. Die ehemals durchverbundene Kabelstrecke einschließlich aller Muffen und der GIS-Einführungsendverschlüsse an den beiden ehemaligen fernen Kabelenden wurde bereits vor der Auftrennung erfolgreich auf TE-Freiheit untersucht. Die TE-Auskopplung an den neu errichteten Einführungsendverschlüssen erfolgte mittels der beschriebenen induktiven Sensoren (HF-Transformatoren) an einer Erdverbindung der Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 47 Schaltanlage bzw. an der Schirmverbindung von Energiekabel und Schaltanlage. Zusätzliche Erdverbindungen wurden, soweit möglich, zur Optimierung des TESignalweges für die Dauer der TE-Messung aufgetrennt (s. Abbildung 38). Abbildung 38: HF-Transformator (gelbe Markierung) zur induktiven TE-Auskopplung an der Verbindung von Kabelschirm und GIS Zur Verbesserung des Grundstörpegels am Messort erfolgte die Einspeisung der Resonanzprüfspannung vom fernen Kabelende, so dass die positiven Filtereigenschaften der ca. 4,5 km langen Kabelstrecke (Tiefpass-Charakter) voll genutzt werden konnten. Durch ein Ausweichen auf höhere Mittenfrequenzen bei der TE-Messung war somit eine TE-freie Hochspannungskontaktierung am Standort der Resonanztestanlage nicht notwendig. Aufgrund der gegebenen örtlichen Umstände (ca. 35 Meter Hochspannungszuleitung vom Resonanztestsystem zur GIS-Testeinführung, mehrfach provisorisch abgestützt, s. Abbildung 39) wäre der Aufwand für die Beseitigung aller aufbaubedingter TE-Quellen unverhältnismäßig hoch bzw. nicht möglich gewesen. 48 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Abbildung 39: Einspeisung der Resonanzspannung über provisorische Zuleitung Auf Wunsch des Kunden wurde die TE-Messung bei einer Prüfspannungshöhe von 1,5 U0 unabhängig von der nachfolgenden Spannungsprüfung (1,4 U0, 60 Minuten) durchgeführt. Eine kurzzeitige Vorbeanspruchung (1,75 U0, 10 Sekunden) sollte gewährleisten, dass auch mögliche TE-Fehler mit höherer TE-Einsetzspannung initiiert werden. Bei den TE-Messungen konnten bei allen sechs Messzyklen im Bereich tieferer Messfrequenzen ähnliche phasenstarre Muster detektiert werden (s. Abbildung 40). Abbildung 40: Phasenstarre TE-Muster bei fc = 1,4 MHz Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 49 Bei den aufgezeichneten Mustern handelt es sich jedoch nicht um Teilentladungen aus den zu untersuchenden Kabeleinführungsendverschlüssen der Schaltanlage, sondern um externe Störimpulse bzw. aufbaubedingte TE vom fernen Kabelende. Die vier scharf abgegrenzten senkrechten Muster (s. auch vier kleine grüne Markierungen) sind keine Teilentladungsimpulse, sondern resultieren aus internen Schaltvorgängen der Resonanzprüfspannungserzeugung (IGBT-Schaltzeitpunkte) und sind für diesen Typ von Resonanzanlage (Fa. highvolt) allgemein bekannt. Der größere rot markierte Bereich in Abbildung 40 zeigt hingegen ein typisches TE-Muster, welches seinen Ursprung jedoch nicht in Entladungsprozessen innerhalb des zu untersuchenden Schaltanlagenteils hat, sondern aus dem stark TE-behafteten Hochspannungsaufbau am Ort der Resonanzprüfspannungserzeugung resultiert (starke akustisch wahrnehmbare äußere Teilentladungen). Eine zeitgleich parallel durchgeführte TE-Messung (TE-Messsystem LDS-6 der Fa. LDIC, Messfrequenz < 1 MHz, IEC-konform) am Standort der Resonanzanlage führte zu einem ähnlichen TE-Muster (s. Abbildung 41). Abbildung 41: Fingerprint der TE-Messung am Standort der Resonanzanlage, Messsystem LDS-6 Zur endgültigen Absicherung der Vermutung über den TE-Fehlerort (aufbaubedingte TE am Standort der Resonanzanlage) wurde die Mittenfrequenz der TE-Messung am Standort der zu untersuchenden Schaltanlage variiert. Abbildung 42 zeigt das zu beobachtende TE-Muster bei ansteigender Messfrequenz. 50 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren fc = 1,4 MHz fc = 3,0 MHz fc = 5,0 MHz fc = 7,8 MHz Abbildung 42: TE-Muster mit sinkender Amplitude bei steigender Messfrequenz Wie durch die roten Markierungen verdeutlicht, sinkt der zu beobachtende TELadungspegel an der Messposition nahe der zu untersuchenden Einführungsendverschlüsse bei steigender Messfrequenz kontinuierlich ab. Dieser Effekt basiert auf der Signaldämpfung des Hochspannungskabels, welche die hochfrequenten Signalanteile der TE-Impulse am ca. 4,5 km entfernten Standort der Resonanzanlage auf ihrem Weg bis zum Auskoppelort stark vermindert, so dass diese ab einer Messfrequenz von ca. 5 MHz nicht mehr nachweisbar sind. Für TE-Impulse aus der direkt benachbarten Schaltanlage wäre die Tiefpasswirkung des Energiekabels dagegen nicht wirksam, eine Verminderung der messbaren TE-Ladung wäre demnach bei der TE-Messung mit höheren Messfrequenzen nicht in diesem Maße zu beobachten. Durch die Beobachtung der TE-Amplitudenunterschiede bei variabler Messfrequenz an einem einzelnen Auskoppelort konnte somit die TE-Freiheit der GIS- Einführungsendverschlüsse für alle sechs zu untersuchenden Phasen nachgewiesen werden. Der durch die induktive Signalauskopplung mit HF-Transformatoren vor Ort erreichte Grundstörpegel von maximal 5 pC (bester erreichter Wert: 3,6 pC) stellte für die Messempfindlichkeit einen erheblichen Vorteil gegenüber der klassischen TE-Messung mit Koppelkondensator am Kabelende dar. Die beschriebene parallel durchgeführte TEAuskopplung am fernen Kabelende (Standort der Resonanztestanlage mit integriertem TE-Messsystem, IEC-konforme TE-Messung mit Koppelkondensator) lieferte bei einem Grundstörpegel von ca. 200 pC keine für den Kunden zufrieden stellende Empfindlichkeit und keine erfolgreiche Störunterdrückung. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 51 6.4.3 TE-Messung an 10-kV-Mittelspannungskabel Im Rahmen einer Messkampagne eines deutschen Netzbetreibers zur Beurteilung verschiedener Diagnosedienstleister wurden in Zusammenarbeit mit dem IPH-Berlin TEMessungen an mehreren Mittelspannungskabelstrecken durchgeführt. Die Kabel wurden dabei mit 50 Hz-Resonanzspannung beaufschlagt, die TE-Auskopplung für den kommerziellen Teil der TE-Messung sollte mit einem Koppelkondensator erfolgen. Zur Vor-Ort-Erprobung der HF-Transformatoren zur induktiven TE-Auskopplung wurden zeitgleich zur Koppelkondensatormessung TE-Impulse an der Erdverbindung der FreiluftKabelendverschlüsse gemessen. Abbildung 43 zeigt den Messaufbau. a) Überblick Aufbau Messtechnik mit zusätzlichem Koppelkondensator b) HF-Trafos an den Kabelendverschlüssen Abbildung 43: TE-Auskopplung an Schirmerde des Kabelendverschlusses Durch die TE-Auskopplung mit HF-Transformatoren konnte eine Messempfindlichkeit von < 2 pC erreicht werden. Abbildung 44 zeigt eine Fingerprint-Darstellung der gemessenen Teilentladungen. 52 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Abbildung 44: Fingerprint Kabelfehler Schon unterhalb der 1,5-fachen Betriebsspannung konnten in diesem Fall TE-Aktivitäten auf der Kabelstrecke nachgewiesen werden. Zur Vermeidung eines Ausfalles der Kabelstrecke wurde die Messung an dieser Stelle auf Wunsch des Betreibers abgebrochen, so dass keine genauere Analyse vorgenommen werden konnte. 6.5 HF-Transformatoren zur TE-Auskopplung auf Potenzial Bei der induktiven TE-Auskopplung im Erdzweig kann es zu einem erhöhten Grundstörpegel kommen, da Störer aus der näheren Umgebung über die gemeinsame Erdverbindung galvanisch Hochspannungselektrode einkoppeln vermeidet können. diesen Eine TE-Auskopplung Störeinfluss, stellt an jedoch der erhöhte Anforderungen an die Messtechnik. Sowohl die Energieversorgung der Messtechnik als auch die Datenkommunikation bzw. Messwertübermittlung müssen dabei potenzialfrei erfolgen. An einer 110-kV-Versuchsanlage an der TU-Berlin (s. Kapitel 6.6.2) wurde im Rahmen einer Sensor-Vergleichsuntersuchung ein HF-Transformator um die Prüfspannungszuleitung am Freiluft-Endverschluss montiert. Über eine breitbandige Signalweiche (Powersplitter, HF-tauglich) wurde das Ausgangssignal dabei reflexionsfrei auf zwei verschiedene optische Übertragungssysteme (breitbandig analog und TEMessstation des MPD 540) verteilt, so dass zum einen eine direkte Zeitbereichsmessung möglich war, zum anderen aber auch eine standardisierte Einbindung in das beschriebene digitale TE-Messsystem. HF-Transformator, Übertragungstechnik und potenzialfreie Stromversorgung wurden dabei gegenüber dem äußeren elektrischen Feld bei anliegender Hochspannung mit Toroiden abgeschirmt, so dass eine empfindliche TE- Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 53 Messung ohne störende Koronaentladungen vom zusätzlichen Aufbau bis 200 kVeff Prüfspannungshöhe bei 50 Hz möglich war. Abbildung 45 zeigt, dass im Frequenzbereich von 6,5 MHz bis 13 MHz die Empfindlichkeit des HF-Transformators auf Potenzial größer ist als die Empfindlichkeit der zusätzlich montierten induktiven Sensoren an der Erdverbindung des Endverschlusses oder an der externen Schirmverbindung der Crossbonding-Muffe in einigen Metern Entfernung. 10000,0 Ladung [pC] 1000,0 100,0 10,0 Ferrit Hochspannung Ferrit Erdverbindung 1,0 Ferrit Muffe 0,1 15 14 13 12 11 10 00 .0 00 .0 00 .0 00 .0 00 .0 00 .0 0 00 9. 0 00 8. 0 00 7. 0 00 6. 0 00 5. Frequenz [kHz] Abbildung 45: Frequenzgang Ferritsensoren Unter Berücksichtigung des in direkter Nähe zum Endverschluss montierten Richtkopplersensors auf dem Energiekabel kann mit dem induktiven Sensor auf Potenzial eine selektive Überwachung des Freiluftendverschlusses realisiert werden. Bei Beachtung der Richtungsabhängigkeit der Ferritauskopplung (Wickelsinn der Sekundärspule) kann durch Polaritätsvergleich der Ausgangssignale von HF-Transformator und Richtkopplersensor die Impulsquelle eindeutig bestimmt werden. Abbildung 46 zeigt die Oszillogramme der Sensorsignale (RKS: schwarze obere Kurve, HF-Tafo: grüne, untere Kurve) bei Einspeisung von Testimpulsen auf der Freiluftseite bzw. am Steuerelement des Endverschlusses ohne anliegende Prüfspannung. 54 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren a) Polarität unterschiedlich: Impuls von außen b) Polarität gleich: Impuls aus Endverschluss Abbildung 46: Richtungserkennung durch Polaritätsvergleich Bei anliegender Hochspannung konnten ab einer Prüfspannungshöhe von 106 kVeff bei 0,1 Hz Entladungen detektiert werden. Abbildung 47: TE-Impuls aus der Prüfspannungsquelle Durch die Auswertung der Impulspolaritäten der Signalverläufe am Richtkopplersensor (schwarze obere Kurve in Abbildung 47, bzw. redundante grüne mittlere Kurve) und am Hochfrequenz-Transformator (rote untere Kurve in Abbildung 47) konnte die experimentelle VLF-Prüfanlage als TE-Quelle identifiziert werden (Koronaentladungen an unzureichend geschirmter Verschraubung). Durch den HF-Transformator auf Potenzial konnte so eine erfolgreiche TE-Messung realisiert werden. Zusätzlich ist die TE-Auskopplung auf Potenzial in Kombination mit einer Polaritätsermittlung durch einen kabelseitigen Richtkopplersensor geeignet, eine gezielte Überprüfung des Endverschlussbereiches von Energiekabelanlagen vorzunehmen, so Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 55 dass diese sensorische Überwachungslücke nun als geschlossen betrachtet werden kann. Zusammen mit den bereits vorgestellten Richtkopplersensoren für GIS/GIL (s. Kapitel 6.2) ist damit der Kabelendverschluss sowohl in Freiluftausführung wie auch als gasisolierter Einführungsendverschluss in GIS-Anlagen durch eine TE-Messung selektiv und eindeutig überwachbar. 6.6 Induktive TE-Auskopplung an Trennmuffen Bei modernen VPE-Kabelanlagen sind innere TE-Quellen neben den Endverschlüssen größtenteils auf den Bereich der Muffen beschränkt. Um diese hochfrequenten TE-Signale empfindlich messen zu können, ist es jedoch unter Umständen nicht möglich, konventionelle Auskoppeltechniken an Hochfrequenz-Übertragungseigenschaften den eines Kabelenden anzuwenden, Hochspannungskabels da zu die einer Verbreiterung und amplitudenmäßigen Abschwächung der TE-Impulse führen [Bog96]. Eine Unterscheidung des TE-Signals vom Grundstörpegel kann damit schon nach mehreren hundert durchlaufenen Metern nicht mehr möglich sein. Die Auskopplung der TE-Impulse sollte demnach möglichst in direkter Nähe zu ihrem potenziellen Entstehungsort erfolgen, hier also im Bereich der vor Ort montierten Muffen. Wie schon in Kapitel 4.3 beschrieben, gibt es zu diesem Zweck mehrere geeignete Sensoren [Pla02], die jedoch oft schon bei der Muffenmontage installiert werden müssen [Hei98]. Eine nachträgliche Installation ist hierbei extrem aufwändig. Eine kostengünstige und praktische Alternative bietet daher die induktive Auskopplung von TE-Signalen im Stromzweig der Schirmverbindungsstelle einer Trennmuffe mittels eines Ferritübertragers. Der Ferrit wirkt zusammen mit der Schirmverbindung und einer Messleitung als Transformator. Das so gewonnene Signal kann dann auf einen Auskoppelvierpol gegeben oder auch direkt weiterverarbeitet werden. 6.6.1 Modellmessungen an einer Trennmuffe Zur messtechnischen Erprobung der TE-Auskopplung am externen Schirmverbinder einer Trennmuffe wurde ein Prüfaufbau für Hochfrequenzmessungen konzipiert. 56 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 6.6.1.1 Versuchsaufbau Ein 110-kV-Muffenprüfling, bestehend aus einem Muffenkörper in Aufschiebetechnik und kurzen 110-kV-VPE-Kabeln zu beiden Seiten, wurde so mit metallischer Folie umwickelt, dass die Hochfrequenzeigenschaften einer Schirmtrennmuffe ausreichend nachgebildet werden konnten. Die beiden Kabelschirme wurden, entsprechend der Konstruktion von Trennmuffen, über eine externe Schirmverbindung miteinander galvanisch verbunden. Diese externe Schirmverbindung wurde dabei durch einen Ferritkern geführt (entspricht einer primären Windungszahl von n = 1). Die weitere Auskopplung erfolgte über Messimpedanzen. Die Messungen im Frequenzbereich erfolgten mit einem Spektrumanalysator, die Messungen im Zeitbereich mit einem TE-Kalibrator und einem breitbandigen digitalen Speicheroszilloskop. Die Testimpulse des TE-Kalibrators wurden koaxial in ein Ende des Energiekabels eingespeist. Das Ende des Energiekabels auf der anderen Seite der Muffe wurde dabei mit dem Wellenwiderstand (ca. 30 Ω) reflexionsfrei abgeschlossen. 6.6.1.2 Einfluss der verwendeten Auskoppelvierpole auf die Messung Zur Untersuchung des Einflusses der verwendeten Komponenten wurden die Messungen mit zwei verschiedenen Auskoppelvierpolen (AK4P) durchgeführt. Der erste untersuchte Vierpol (AK-4-Pol 1, Fa. Haefely) zeigt ein einfaches Bandpassverhalten mit einem Übertragungsmaximum von ca. - 8 dB Dämpfung bei einer Frequenz von 1 MHz. Der zweite Vierpol (AK-4-Pol 2, Fa. mtronix) zeigt ein nahezu lineares Übertragungsverhalten über einen breiten Frequenzbereich. Zur Abschwächung von lokalen Rundfunkstörern im Mittelwellenbereich wurden in diesen Vierpol Bandsperren mit Mittenfrequenzen von 693 kHz (Sender „Stimme Russlands“, 250 kW, Berlin Zehlendorf) und 990 kHz (Sender „DLR“, 100 kW, Berlin Britz) realisiert. Abbildung 48 zeigt die Frequenzgänge beider Vierpole im Vergleich. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 57 Frequenz [Hz] 1,0E+04 0 1,0E+05 1,0E+06 1,0E+07 1,0E+08 1,0E+09 Dämpfung [dB] -10 -20 -30 -40 AK-4-Pol 1 -50 AK-4-Pol 2 -60 Abbildung 48: Frequenzgänge der verwendeten Auskoppelvierpole Aufgrund der besseren Übertragungseigenschaften wurde für die weiteren Messungen die Messimpedanz der Fa. mtronix verwendet. 6.6.1.3 Einfluss der Windungszahl auf den Frequenzgang im Versuchsaufbau Wie schon in Kapitel 6.3.3 für den einfachen Kalibrationskreis beschrieben, wurde auch für den Versuchsaufbau mit Muffe und Messimpedanz der Einfluss der sekundärseitigen Windungszahl des Hochfrequenz-Transformators untersucht. Exemplarisch wurden Messungen mit ein, zwei und drei Windungen auf der Sekundärseite durchgeführt. Abbildung 49 Windungszahlen. zeigt die gemessenen Frequenzgänge bei den verschiedenen 58 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 1,0E+04 0 1,0E+05 1,0E+06 Frequenz [Hz] 1,0E+08 1,0E+07 Dämpfung [dB] -10 -20 -30 3 Windungen 2 Windungen 1 Windung -40 Abbildung 49: Frequenzgang Auskopplung bei verschiedenen Windungszahlen auf Ferrit Wie auch schon bei den einfachen Kalibrationsmessungen ohne Prüfling (s. Kapitel 6.3.3) zeigen die dargestellten Frequenzgänge für den komplexeren Aufbau mit Muffe und Messimpedanz, dass eine Vergrößerung der Windungszahl oberhalb einer Frequenz von ca. 100 kHz zu einer größeren Dämpfung des auszukoppelnden Signals führt. Positiv zu bewerten ist jedoch der Gewinn an Messbandbreite. Der Bereich mit linearem Übertragungsverhalten wird größer. Im Gegensatz dazu liefert der Ferrit unterhalb einer Messfrequenz von 60 kHz mit größer werdender sekundärer Windungszahl mehr Signal. Bei einer Messfrequenz von 10 MHz ist für alle sekundärseitigen Windungszahlen ein aufbaubedingter Resonanzeinbruch im Spektrum zu erkennen. Oberhalb dieser Frequenz dominiert die parasitäre kapazitive Überkopplung der ungeschirmten Leitungen, so dass für diesen Versuchsaufbau eine Betrachtung von Frequenzanteilen oberhalb dieser Grenzfrequenz nicht sinnvoll erscheint. Für die weiteren Messungen mit diesem Ferrittyp wurden für die Sekundärspule zwei Windungen gewählt. 6.6.1.4 Einfluss parasitärer Elemente Der zu messende TE-Impuls läuft nicht ausschließlich über die galvanische Verbindung des externen Schirmverbinders der Trennmuffe, sondern zum Teil auch kapazitiv über die Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 59 Schirmtrennstelle innerhalb der Muffenkonstruktion selbst und damit an der TE-Erfassung vorbei. Dieser kapazitive Anteil ist dabei abhängig vom inneren Aufbau der Muffe, insbesondere von der Art und Ausführung der Schirmtrennstelle selbst. Zur Untersuchung des Einflusses der Schirmtrennstelle innerhalb der Muffenkonstruktion wurden im Versuchsaufbau verschiedenartige Trennstellen nachgebildet. Abbildung 50 zeigt dabei den am Auskoppelvierpol zu messenden Frequenzgang bei sich in der Muffe überlappenden Schirmen mit großer parasitärer Kapazität im Vergleich zu einer Anordnung mit kleiner parasitärer Kapazität, realisiert durch einen Abstand der Kabelschirme von 10 cm. 1,0E+05 0 1,0E+06 1,0E+07 Frequenz [Hz] 1,0E+08 Dämpfung [dB] -10 Abstand ca. 10cm zwischen den Schirmen -20 -30 Papier-Alu-Wickel über der Trennstelle -40 Abbildung 50: Frequenzgang der Auskopplung, Einfluss der parasitären Überkopplung Ein nennenswerter Einfluss der parasitären kapazitiven Überkopplung ist erst ab einer Frequenz von ca. 10 MHz zu erkennen. Oberhalb dieser Grenzfrequenz kann ein größerer Anteil des TE-Signals über die größere Koppelkapazität der sich überlappenden Kabelschirme abfließen und steht so nicht mehr am Ferrit zur Verfügung. Im linearen Übertragungsbereich mit geringster Dämpfung ist jedoch kein signifikanter Einfluss der Muffenkonstruktion und damit des Muffentyps auf das Nutzsignal zu erkennen. 6.6.1.5 Messung von TE-Impulsen im Zeitbereich Zur Unterstützung der bisher gewonnenen Ergebnisse im Frequenzbereich wurden Messungen im Zeitbereich durchgeführt. Ein koaxial eingespeister Testimpuls mit 60 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren definierter Impulsladung soll dabei am Messausgang des Auskoppelvierpols detektiert werden. Abbildung 51 zeigt die gemessenen Signale bei 5 pC bzw. 1 pC eingespeister Impulsladung. 3,5 3 2,5 U [mV] 2 1,5 1 0,5 0 -0,5 -1 -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 50 60 t [ns] a) 5 pC, Echtzeitdarstellung b) 1 pC, mit Mittelwertbildung Abbildung 51: Signal am Auskoppelvierpol bei koaxialer Einspeisung Die Einspeisung des Kalibratorsignals erfolgte koaxial in ca. 2 m Entfernung zur Auskoppelstelle direkt in das abgesetzte 110-kV-Kabel. Von einer Dämpfung des Signals durch das VPE-Kabel kann damit aufgrund der geringen Länge nicht ausgegangen werden. Der Testimpuls konnte bis zu einem Ladungswert von 1 pC deutlich vom Störband separiert und damit durch eine einfache Mittelwertbildung rauschbereinigt dargestellt werden. Ohne Mittelwertbildung, die bei Vor-Ort-Messungen wegen des stochastischen Auftretens von TE-Impulsen nicht immer möglich ist, ist der Testimpuls noch bei einer Ladung von 5 pC deutlich zu erkennen. 6.6.1.6 Zusammenfassung zur Modellmessung Es konnte gezeigt werden, dass eine Auskopplung von TE-Signalen in der externen Erdverbindung einer Trennmuffe durch einen Hochfrequenztransformator möglich ist und zu sehr guten Ergebnissen führt. In Laborversuchen konnte ohne aufwändige Filterung der Signale eine Messempfindlichkeit von 1 pC nachgewiesen werden. Es ist anzunehmen, dass dieser Wert bei Vor-Ort-Messungen mit gestörter Umgebung nur mit aufwändiger digitaler Filterung zu erreichen sein wird. Eine Empfindlichkeit von 5 pC scheint dagegen Neue Auskoppelverfahren und Sensoren sicher möglich und soll 61 in weiteren Laborversuchen an realen Hochspannungskabelanlagen und auch vor Ort verifiziert werden. 6.6.2 TE-Messungen an einer 110-kV-Kabelanlage mit Trennmuffe Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur Untersuchung des Teilentladungsverhaltens einer 110-kV-Kabelanlage bei bis zu 3,5 U0 VLF-Prüfspannung wurde an der TU-Berlin eine einphasige Kabelteststrecke mit Freiluftendverschluss, einer Trennmuffe und einem SF6-Einführungsendverschluss mit zugehörigem SF6-Schaltanlagengehäuse aufgebaut (s. Abbildung 52). Abbildung 52: 110-kV-Versuchstrecke mit TE-Sensoren, schematischer Aufbau Zur TE-Auskopplung wurden eine Vielzahl von verschiedenen Sensoren zur TE-Messung an allen Anlagenteilen montiert, wie z. B. die Richtkopplersensoren AB und CD auf dem VPE-Kabel neben der Muffe und die GIS-Richtkopplersensoren WX und YZ innerhalb des SF6-Anlagenteils der Versuchsstrecke. Die externe Schirmverbindung der Trennmuffe wurde dabei, wie auch schon bei den vorangegangenen Versuchsreihen, durch einen Ferritkern geführt (Sensor 2 in Abbildung 52) und zusammen mit einer Sekundärwicklung als Hochfrequenztransformator zur induktiven TE-Auskopplung genutzt. Die TE-Messungen wurden mit dem digitalen Mehrstellen-TE-Messsystem der Fa. mtronix durchgeführt. Abbildung 53 zeigt den an der externen Schirmtrennstelle gemessenen Kalibrationsimpuls von 50 pC und das Rauschband mit einem Grundstörpegel von unter 2 pC, sowie den Fingerprint der durchgeführten 30-minütigen TE-Messung bei 160 kV VLF-Prüfspannung. 62 a) Kalibratorsignal 50 pC Neue Auskoppelverfahren und Sensoren b) Fingerprint TE-Fehler aus VLF-Anlage bei 0,1 Hz @ 160 kV Abbildung 53: TE-Signale bei Auskopplung an der externen Schirmverbindung Mit Hilfe der TE-Auskopplung an der externen Schirmverbindung der Trennmuffe konnte eine erfolgreiche TE-Messung an der 110-kV-Versuchsanlage durchgeführt werden. Dabei konnten die TE-Signale über den HF-Transformator empfindlich ausgekoppelt und detektiert werden. Mittels der zusätzlich montierten Richtkopplersensoren an der Muffe und anhand der in Kapitel 6.5 beschriebenen Untersuchungen konnte als TE-Quelle eindeutig die experimentelle VLF-Anlage zur Prüfspannungserzeugung identifiziert werden. Die Trennmuffe ist damit TE-frei. 6.6.3 TE-Auskopplung an Trennmuffen vor Ort Zur Verifizierung der im Labor gewonnenen Daten wurden TE-Messungen vor Ort an realen Trennmuffen mittels Hochfrequenztransformatoren am externen Schirmverbinder durchgeführt. Im Rahmen einer Wechselspannungsprüfung nach einem Muffenfehler an einer 110-kV-VPE-Kabelanlage der Stadtwerke Augsburg sollten während der 30minütigen Prüfdauer zeitgleich TE-Messungen durchgeführt werden. Abbildung 54 zeigt den Aufbau der Prüfspannungserzeugung und den Anschluss an den Prüfling. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 63 a) Aufbau Resonanzanlage mit Baueinsatzkabel b) Ankopplung Prüfspannung an SF6-Anlage Abbildung 54: Anschluss der Prüfspannung vor Ort Die Prüfspannung wurde mit einer Resonanzanlage erzeugt und über ein Baueinsatzkabel mit der SF6-Anlage verbunden. Mangels Verfügbarkeit von drei geeigneten SF6-Adaptern konnten die Spannungsprüfung und die TE-Messung nur einphasig durchgeführt werden. Aufgrund der großen Kabellänge von ca. 3830 Metern konnte dabei eine TE-Auskopplung am Kabelende nicht Erfolg versprechend realisiert werden. Auch an den bestehenden Verbindungsmuffen waren keine Sensoren zur TE-Auskopplung verfügbar. In Abstimmung mit dem Muffenhersteller und dem Betreiber der Kabelstrecke konnte jedoch erreicht werden, dass eine der zwei Reparaturmuffen je Phase als Trennmuffe mit extern zugänglicher Schirmverbindung realisiert wurde. Diese externe Schirmverbindung wurde in Anlehnung an die erfolgreichen Laborversuche zur TE-Auskopplung mittels Hochfrequenztransformatoren verwendet. Die in direkter Nähe der Muffen platzierten TEErfassungseinheiten waren potenzialfrei über Lichtwellenleiter mit einem Messrechner außerhalb des Muffenbauwerks verbunden. 6.6.3.1 Kalibrierung der TE-Messung In einem ersten Arbeitsschritt wurden die unbeschrifteten Trennmuffen bezüglich ihrer Phasenzugehörigkeit identifiziert. Der verwendete Kalibrationsimpuls war im tieffrequenten Messbereich eindeutig oberhalb des Rauschbandes zu erkennen. Aufgrund der großen Entfernung von ca. 2 km zum Messort konnte der Kalibrierimpuls jedoch nur stark gedämpft erfasst werden. Eine Kalibrierung des Messsystems lieferte bei einer eingespeisten Impulsladung von 10 nC einen nicht realistischen Grundstörpegel von 3 nC, was einem Koppelfaktor von ca. k = 7500 entspricht. Gestützt durch die Ergebnisse der 64 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren vorbereitenden Messungen im Labor wurde der Koppelfaktor der Messtechnik daher manuell auf einen Wert von k = 4 festgesetzt. Der daraus resultierende Grundstörpegel von ca. 3 pC deckte sich dabei mit den Erwartungen. Als ein weiterer Grund für die stark gedämpfte Erfassung des Kalibrationsimpulses können die schlechten Einkoppelbedingungen für externe Signale in die zu prüfende Kabelanlage bis hin zum Auskoppelort an der Muffe genannt werden. Dabei muss ein an der zugänglichen Freiluftseite der Resonanzanlage eingespeister Testimpuls über den großvolumigen Hochspannungsaufbau in das koaxiale Baueinsatzkabel einkoppeln, welches die Verbindung zum Prüfling herstellt. Hier entstehen aufgrund der mangelnden Anpassung des Wellenwiderstandes Reflexionsverluste, die das Richtung Prüfling laufende Signal mindern. Auch der Übergang vom Baueinsatzkabel in die SF6-Anlage ist signaltechnisch verlustbehaftet, so dass letztlich das in den Prüfling einkoppelnde Signal nur einem Bruchteil des Ausgangssignals entspricht. Zur Visualisierung des Problems der Signaleinkopplung in ein Kabelsystem dient Abbildung 55. Q la n g [p C] 3500 Q ku rz [p C] 3000 Q ko a x [p C] 2500 2000 1500 1000 500 0 0 Ladung [pC ] an S c hirm v erbindung 4000 80 70 60 50 40 30 20 10 00 00 00 00 00 00 00 00 M es s frequenz [k H z ] Abbildung 55: Messbare Ladung am HF-Trafo bei verschiedenen Einkoppelbedingungen In einem Modellversuch an der TU-Berlin wurde an der bereits beschriebenen 110-kVVersuchsanlage ein Kalibrationsimpuls von 10 nC am Freiluftendverschluss eingespeist. Abbildung 55 zeigt die durch induktive Signalauskopplung an der externen Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 65 Schirmverbindung gemessenen Ladungswerte bei verschiedenen Einspeiseverfahren. Beim Anschluss des Kalibrators durch lange Messleitungen, wie es zwangsläufig auch bei der angesprochenen Vor-Ort-Messung der Fall war, konnten lediglich einige hundert Picocoulomb detektiert werden. Beim Anschluss des Kalibrators mit kürzest möglichen Messleitungen oder gar koaxial (Abschirmung des Freiluftendverschlusses) wird die messbare Ladung mit bis zu annähernd 4 nC bei unveränderter Einspeisehöhe erheblich größer. Bei der Vor-Ort-Messung Signaleinkopplung auch wiederum durch den wird bei die Annahme TE-Messungen vor einer Ort ungünstigen obligatorischen „Drahtversuch“ (künstliche Referenzfehlstelle „Spitze auf Hochspannung“) unterstützt. Bei diesem Referenzversuch Hochspannungspotenzial erzeugt oberhalb ein nicht seiner abgeschirmter TE-Einsetzspannung Draht auf hörbare Koronaentladungen im negativen Maximum der Prüfwechselspannung, welche dann durch die TE-Messtechnik phasenrichtig erfasst werden müssen. In diesem Fall konnten jedoch am ca. 2 km entfernten Messort keine TE-Impulse detektiert werden, was wiederum für die bereits beschriebenen ungünstigen Einkoppelbedingungen spricht. Abgesehen von der beschriebenen Problematik bei der Kalibrierung von außen sind diese ungünstigen Einkoppelbedingungen von externen Impulsen für eine erfolgreiche TEMessung jedoch eindeutig von Vorteil, da sie eine natürliche Unterdrückung von externen Störimpulsen gewährleisten, welche die TE-Messung ungünstig beeinflussen würden. In der Praxis kann das Problem der Kalibration durch die Verwendung eines zweiten Sensors an derselben Muffe gelöst werden (Kreuzkalibration). Da es sich bei den Sensoren um ein passives reziprokes System handelt, können über die HFTransformatoren nicht nur Signale erfasst, sondern auch eingespeist werden. Bei zwei verwendeten Sensoren ist jedoch die doppelte Koppeldämpfung wirksam. Diese muss in der Berechnung des Koppelfaktors dementsprechend berücksichtigt werden. 6.6.3.2 Durchführung und Ergebnisse der TE-Messung Während der jeweils 30-minütigen Prüfdauer wurden TE-Messungen in verschiedenen Frequenzbereichen und Messbandbreiten durchgeführt. Dabei sollte über eine an der externen Schirmverbindung parallel zur TE-Erfassung angebrachte Stromzange der kapazitive Ladestrom des Kabels (ca. 33 A) gemessen werden, über den dann die Phaseninformation der Prüfwechselspannung rekonstruiert werden sollte, welche zur Erstellung von phasenstarren TE-Fingerprints benötigt wird. Aufgrund der beidseitigen 66 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Schirmerdung der Kabelanlage und der nahezu exakt in der Mitte der Kabelstrecke liegenden Messposition konnte jedoch kein ausreichend großer Ladestrom gemessen werden. Die Auftrennung der messfernen Erdverbindung des Kabelschirms war konstruktiv bedingt nicht möglich, so dass der Ladestrom letztlich nicht als Phasenreferenz für die TE-Messung herangezogen werden konnte. Bei tieffrequenten TE-Messungen (Messfrequenz 500 kHz, Bandbreite 100 kHz) konnten jedoch die starken Störimpulse des Frequenzumrichters der Resonanzanlage detektiert werden. Die Phasenposition der Schaltimpulse der leistungselektronischen Komponenten in der Prüfspannungserzeugung ist aufgrund der langjährigen Betriebserfahrung mit der Resonanzanlage bekannt und kann zur Konstruktion der phasenaufgelösten TE-Muster herangezogen werden. Abbildung 56 zeigt die phasenaufgelösten Muster der TE-Messungen aller drei Phasen bei 160 kV Prüfspannung. Abbildung 56: Fingerprints, sequenziell durchgeführte einphasigen TE-Messungen bei 160 kV Prüfspannung, fc = 500 kHz, fbw = 100 kHz Außer den bekannten phasenstarren Störimpulsen der Resonanzanlage sind keine TEImpulse aus der Kabelanlage oberhalb des Grundstörpegels von ca. 3 pC zu erkennen. Dies gilt auch für in anderen Frequenzbereichen durchgeführte TE-Messungen während der Prüfzeit. Da die Thyristorimpulse der Resonanzanlage für höhere Messfrequenzen aufgrund der Kabeldämpfung nicht mehr nachweisbar waren, konnten für diese Fälle aus den aufgezeichneten Messdaten aufgrund der fehlenden Phasenreferenz keine Fingerprints erzeugt werden. Eine Beobachtung der Messdaten während anliegender Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 67 Prüfspannung und auch die spätere Offline-Auswertung der digitalen Aufzeichnungen lieferten jedoch keine Hinweise auf eine TE-Aktivität der Kabelanlage. Die Kabelanlage gilt damit nach bestandener Wechselspannungsprüfung auch als TE-frei. Mit diesen Messungen konnte gezeigt werden, dass das Verfahren der induktiven TEAuskopplung an der externen Erdverbindung von Trennmuffen auch unter Vor-OrtBedingungen erfolgreich anzuwenden ist. 6.7 Induktive TE-Auskopplung an Crossbonding-Muffen Die prinzipielle Nutzbarkeit von Schirmtrennstellen zur TE-Auskopplung und -Messung konnte im Labor und auch vor Ort dargelegt werden. Da die Verfügbarkeit von externen Schirmverbindungen bei Trennmuffen einer Phase eher gering ist, soll das Verfahren auch auf seine Anwendbarkeit bei crossbonding-bedingten Schirmtrennstellen untersucht werden. Bei Crossbonding-Muffen liegen Schirmtrennstellen ähnlich der bereits untersuchten Trennstellen bei einphasigen Trennmuffen vor. Unterschiede sind jedoch durch die Verwendung von Crossbonding-Zuleitungen und Crossbonding-Auskreuzkästen (CB-Box) zu erwarten. Durch die Schirmauskreuzung ist zudem eine gegenseitige Beeinflussung durch die Verkopplung der Phasen gegeben, weshalb die TE-Messung synchron dreiphasig durchgeführt werden sollte. Die systemtheoretische Beschreibung der TE-Impulsausbreitung im Crossbonding-System kann nach dem aus der Hochfrequenztechnik bekannten Modell der verlustbehafteten gekoppelten Leitungen (Mehrleitersysteme) beschrieben werden [Mei86]. Einerseits sind die drei koaxialen Energiekabel bzw. die drei koaxialen Crossbonding-Kabel durch Koppelkapazität und Koppelinduktivität für hochfrequente Vorgänge miteinander verkoppelt, andererseits entstehen durch die Schirmunterbrechung an den CrossbondingMuffen und die damit verbundene lokale Aufhebung des Koaxialsystems Störstellen, an denen die elektromagnetischen Wellen das Kabelsystem verlassen können (s. Abbildung 57, markierte Kästen). Hier entstehen weitere Ausbreitungspfade, bei denen sich Signalanteile zwischen den äußeren Schirmen der energietechnischen Komponenten untereinander, aber auch zwischen Schirmen und umgebenem leitfähigem Erdreich ausbreiten können, wie z. B. nach der Vertauschung von Schirm und Innenleiter innerhalb der Crossbonding-Box. Aufgrund der allgemein gültigen Reziprozität sind über diese Koppelpfade auch zusätzliche Störeinkopplungen möglich, die empfindliche TEMessungen ggf. negativ beeinflussen können. 68 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren CB-Box CB-Zuleitungen L1 L2 L3 Abbildung 57: Übersichtsskizze CB-Komponenten. Markierung: Unterbrechungen im Koaxialsystem Eine exakte Bestimmung aller auftretenden Eigenwellen und damit eine vollständige signaltheoretische Beschreibung ist jedoch in starkem Maße von den geometrischen und elektrischen Eigenschaften und Randbedingungen der beteiligten Komponenten abhängig und wird daher an dieser Stelle nicht näher untersucht. Für einige einfache Randbedingungen (z. B. Mehrleitersystem über leitender Ebene) existieren in der Literatur geschlossene Lösungen. Für eine reale energietechnische Kabelanlage ist dagegen eine geschlossene analytische Berechnung nicht sinnvoll, da eine Vielzahl von Parametern nicht bekannt und auch nicht zu ermitteln ist, da Details über die genaue Verlegung z. B. der Crossbonding-Kabel für den Anlagenbetreiber nicht von Interesse und daher nicht ausreichend dokumentiert sind. Aus diesem Grunde ist selbst eine numerische Rechnersimulation nicht immer sinnvoll, da zu viele unbekannte Einflussgrößen die Modellbildung und damit zwangsläufig auch die Simulationsergebnisse negativ beeinflussen. Zu empfehlen sind daher ausführliche vorbereitende Messungen bzw. eine Kalibration am realen Messobjekt selbst. Die so gewonnenen Daten sind direkt auf ihre Plausibilität hin zu beurteilen und liefern so einen ersten Eindruck über die messtechnischen Besonderheiten (z. B. ungünstige Frequenzbereiche für die TE-Messung aufgrund auftretender Resonanzen). Zusammen mit den aufgezeichneten Messdaten Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 69 kann so in einer genauen Offline-Analyse eine gesicherte Auswertung vorgenommen bzw. eine gesicherte Aussage über das TE-Verhalten des Prüflings getroffen werden. Wie auch schon bei den in Kapitel 6.6 beschriebenen Messungen an Schirmtrennstellen wird die TE-Auskopplung an Crossbonding-Stellen induktiv durchgeführt. Im Gegensatz zur Signalauskopplung über in den Schirm- bzw. Erdzweig eingeschleifte Messimpedanzen [Min01] [Min02] erfolgt hier kein Eingriff in sicherheitsrelevante Komponenten der Kabelanlage, da die aufklappbaren Hochfrequenz-Transformatoren ohne Auftrennung der Schirmverbindung an den entsprechenden Leitungen montiert werden können. Zur eingehenden Untersuchung der induktiven TE-Auskopplung an Crossbonding-Stellen wurden vorbereitende Modelluntersuchungen und Messungen im Labor und vor Ort durchgeführt. 6.7.1 Messtechnische Erprobung an Modellanlagen Aufgrund des durch die Deregulierung und Liberalisierung der Strommärkte stark gestiegenen Kosten- und Zeitdrucks der EVU, der sich auch auf die Hersteller von Kabelsystemen auswirkt, Hochspannungskabelanlagen Freischaltungen für Höchstspannungsebene sind zu umfangreiche Forschungszwecken experimentelle aus Messungen Messungen Kostengründen kaum stehen (Verlust mehr in von der an realen durchzuführen. Hoch- und Durchleitungsentgelten, mangelnde (n-1)-Verfügbarkeit, Probleme mit der Einhaltung des Spannungsbandes) nicht zur Diskussion, Messungen vor der erstmaligen Inbetriebnahme einer CrossbondingKabelanlage sind wegen der zeitkritischen Fertigstellung und Übergabe der Anlage oft nur sehr eingeschränkt möglich. Ebenso sind u. U. zeitaufwändigere Messungen zu Forschungszwecken mit umfangreicher Parametervariation bei den selten gewordenen planmäßigen Freischaltungen, wie etwa bei periodisch anfallenden Korrosionsschutzmessungen, vom Netzbetreiber nicht gerne gesehen, da auch hier die schnellstmögliche Wiederzuschaltung Priorität hat. 6.7.1.1 Konstruktion einer Modellanlage Zur messtechnischen Bestätigung der im Vorfeld gewonnenen Simulationsdaten sind daher zunächst Modellanlagen erstellt worden, an denen mit vor-Ort-tauglichen Sensoren und kommerziell verfügbaren TE-Messsystemen einführende Messungen durchgeführt werden konnten. Hierbei wurden sowohl die Modellnachbildung der dreiphasigen 70 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Kabelanlage, als auch die Modellanordnung der Auskreuzkästen in mehreren Stufen verfeinert und angepasst. Ausgangspunkt für die Modellbildung ist die funktionelle Reduzierung eines Crossbonding-Kabelsystems auf die für die TE-Auskopplung an Crossbonding-Stellen wesentlichen Elemente. Diese sind zum einen die Energiekabel selbst, zum anderen die Crossbonding-Muffen, die Crossbonding-Verbindungskabel und die Crossbonding-Station (CB-Box) zur Auskreuzung der Schirmpotenziale (s. Abbildung 58). Crossbonding-Station Verbindungskabel Trennmuffen Abbildung 58: Wesentliche Elemente einer Crossbonding-Kabelanlage 6.7.1.1.1 Konzeption der Modellanlage Um ein möglichst vielseitig und universell einsetzbares Modell zu erstellen, wurde ein dreiphasiger Aufbau (s. Abbildung 59) mit vier Kabelsegmenten (Kabel 1 bis Kabel 4) und drei crossbonding-fähigen Muffengruppen (MG1 bis MG3) und den zugehörigen Auskreuzkästen (CB-Box) konzipiert. A L1 Kabel1 K1 MG1 M1 Kabel2 K2 MG2 M2 Kabel3 K3 MG3 M3 Kabel4 K4 E L2 L3 M1 CB-Box CB-Box M2 CB-Box CB-Box M3 CB-Box CB-Box Abbildung 59: Schematische Darstellung der vollständigen Crossbonding-Modellanlage Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 71 Zur eindeutigen und systematischen Bezeichnung der einzelnen Elemente des Modells zeigt Abbildung 60 den Aufbau einer einzelnen Muffengruppe im Detail. K1-1 K2-1 M1-1 K1-2 K2-2 M1-2 K1-3 K2-3 M1-3 C1-2 C1-1 C1-3 CB1 Abbildung 60: Schematische Darstellung einer Muffengruppe mit Aufbauelementen An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass bewusst drei mögliche Crossbonding-Stellen vorgesehen worden sind, da neben dem klassischen und theoretisch optimalen Crossbonding mit zwei Muffengruppen und drei gleichlangen Kabelsegmenten auch weitere Verschaltungsmöglichkeiten in der Praxis vorkommen und ihre Berechtigung haben. So ist z. B. beim modifizierten Crossbonding nach Typ 1 [ANS575] eine Aufteilung der Gesamtlänge in vier Kabelteilstücke mit drei Crossbonding-Muffen beschrieben (s. Abbildung 7), wobei das erste und das vierte Teilstück die halbe Länge der mittleren beiden Segmente aufweisen sollen. Obwohl sich damit insgesamt betrachtet die induzierten Spannungen der einzelnen Kabelsegmente auf den Schirm ebenso kompensieren wie beim klassischen Crossbonding, ergeben sich für die maximal zu erwartenden transienten Überspannungen an den Schirmtrennstellen niedrigere Werte, so dass die notwendigen Überspannungsableiter bei Schaltvorgängen und im Fehlerfall weniger belastet werden. Ein weiterer Vorteil der mehrsegmentigen Modellanordnung ist die variable Gestaltungsmöglichkeit der Teillängen zwischen den Muffen und zu den Kabelenden hin. Da die Forderung nach symmetrischen Teilstücken beim stromlosen Betrieb der Modellanlage nicht berücksichtigt werden muss, können so Konfigurationen erstellt werden, die ausschließlich für die HF-Signalausbreitung der TE-Impulse von Interesse sind. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, eine oder mehrere der Crossbonding-Muffen auf einfache Weise zu Durchgangsmuffen mit linear kontaktiertem umzukonfigurieren und die drei Phasen völlig voneinander zu entkoppeln. Schirm 72 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 6.7.1.1.2 Aufbauelemente der Modellanlage Für eine erste messtechnische Näherung wurde aus koaxialen Messleitungen (RG 58, BNC-konfektioniert, 50 Ω Wellenwiderstand) eine Modellanlage konzipiert. Der Aufbau zeichnet sich durch seine Einfachheit und durch ein hohes Maß an Flexibilität aus, da durch die Verwendung von standardmäßigen und robusten BNC-Verbindern eine modulare Bauweise möglich wurde, die Konfigurationsänderungen und Erweiterungen auf einfache Art und Kabelsegmente Weise zulässt. (Energiekabel und Aufbauelemente dieses 50 Ω-Modells Crossbonding-Verbindungskabel), sind Muffen und Auskreuzkästen. Die Kabelsegmente wurden durch Messleitungen verschiedener Länge realisiert. Ein Kriterium für die Längenwahl der nachgebildeten Energiekabel war, in Anlehnung an laufzeitbedingten konstruktiven die realen Längenverhältnisse, Überlagerungen Maßnahmen zur von die Vermeidung Originalimpulsen Impulstrennung und wurden von störenden Reflexionen. zudem Neben schmale Kalibrationsimpulse von wenigen Nanosekunden Pulsbreite verwendet. Abbildung 61 zeigt den Zeitverlauf der Ausgangsspannungen der verwendeten Kalibratoren. a) CAL2A, Fa. Power Diagnostix b) RH-LCD2, TU-Berlin Abbildung 61: Kalibratoren mit kurzer Pulsbreite Beim Muffenmodell wurden sowohl die Schirmtrennung als auch die (aufgrund der zum Kabel veränderten Geometrie) unvermeidliche Änderung des Wellenwiderstandes durch einen Serienwiderstand in der Leiterverbindung nachgebildet. Abbildung 62 zeigt den als Referenz gemessenen Verlauf des Wellenwiderstandes einer 110-kV-Muffe (einschließlich Hochspannungskabel und Messleitung) für VPE-isolierte Hochspannungskabel in Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Aufschiebetechnik und 73 verdeutlicht die Notwendigkeit eines zusätzlichen 1,0 TDR-intern Messleitung 110-kV-Kabel CB-Muffe A B C D Fehlanpassung 0,9 0,8 CBTrennstelle: ca. 125 Ω Spannung am TDR [V] 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 U (TDR) 0,1 Messleitung RG58: 50 Ω 0,0 Z 110-kV-Kabel: ca. 33 Ω -0,1 200 190 180 170 160 150 140 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 -10 -20 Wellenwiderstand [Ω] Widerstandselementes in der Modellmuffe. Zeit bzw. Länge Abbildung 62: Gemessener Wellenwiderstand an einer 110-kV-Modellmuffe Der über die Länge des Versuchsaufbaus gemessene Wellenwiderstand startet bei Z = 0 Ω (systeminterner Wert innerhalb des TDR-Messgerätes, Bereich A), steigt dann für den Bereich der flexiblen Messleitung (RG 58) auf 50 Ω an (Bereich B) und sinkt wieder auf ca. 30 Ω im Bereich des Hochspannungskabels ab (Bereich C). Im Bereich des Muffenkörpers steigt der Wellenwiderstand dann bis auf ca. 125 Ω an (Bereich D) und erreicht damit seinen lokalen Maximalwert innerhalb der Muffelänge. Der weitere Verlauf ist durch Reflexionen und Fehlanpassung geprägt und daher nicht weiter zu berücksichtigen. Der ankommende und der abgehende Kabelschirm sind beim BNC-Modell durch einen seitlich angebrachten gemeinsamen BNC-Verbinder für die weitere elektrische Kontaktierung zugänglich. Die bewusst gewählte Asymmetrie des Muffenmodells (BNCAnschluss der Schirmpotenziale nicht mittig) stellt dabei sicher, dass ankommender und abgehender Kabelschirm auf systematische Weise verwechslungssicher behandelt werden können. 74 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Durch eine BNC-Kurzschlusskappe kann dabei die Schirmtrennung aufgehoben werden. In der Praxis ist die Möglichkeit der linearen Schirmverbindung z. B. für einphasige Spannungsprüfungen oder für Korrosionsschutzmessungen notwendig. Daher ist es auch üblich, die Schirmauskreuzungen nicht in direkter Nähe der Muffen durchzuführen, sondern in ausgelagerten, meist ebenerdig zugänglichen Crossbonding-Stationen. An dieser Stelle ist auch der Zugang zu den zur Begrenzung von Überspannungen durch Wanderwellen notwendigen Ableitern zu nennen [Tra98] [Yam00] [Wan03], auf die jedoch nicht weiter eingegangen werden soll. Für den Betrieb als Crossbonding-Muffe können die Schirmsegmente mit denen der Nachbarmuffe ausgekreuzt werden. Hierzu werden die drei Crossbonding-Muffen mit drei weiteren (in Relation zu den Nachbildungen der Energiekabel) kurzen koaxialen Messleitungen mit der Auskreuzbox verbunden, in der dann die zyklische Auskreuzung der Schirmpotenziale realisiert ist. Abbildung 63 zeigt das Auskreuzschema der verwendeten Modell-Auskreuzboxen. L1 L2 L3 Abbildung 63: Auskreuzschema des CB-Box-Modells Als eine weitere Variante des Crossbonding-Modells wurden Mittelspannungskabel zur Nachbildung der Energiekabelsegmente verwendet. Die Verwendung von dreifach extrudierten VPE-Mittelspannungskabeln mit Schichtenmantel kommt dabei den realen VPE-Hochspannungskabeln in Bezug auf Signaldämpfung durch den Einfluss der Leitschichten und in Bezug auf die Schirmung durch den geschlossenen koaxialen Metallschirm sehr nahe. Durch die Konfektionierung der Mittelspannungs-Kabelenden mit BNC-Steckverbindern bleibt eine problemlose Kontaktierung aller anderen Modellelemente gewährleistet. Auf die Verwendung von entsprechenden Hochspannungskabeln als optimale (weil reale) Modellelemente musste aufgrund der extrem hohen Kosten und der schwierigen Handhabbarkeit verzichtet werden. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 75 Das verwendete BNC-Modell der Auskreuzbox ermöglicht die direkte Messung von Spannungsverläufen mittels Tastköpfen an allen BNC-Kontakten und auch innerhalb der Muffen. Für die realitätsnähere Signalauskopplung mittels induktiver Sensoren wurde eine größere Auskreuzbox aufgebaut, die einerseits kompatibel zum bestehenden BNC-Modell der gesamten Kabelanlage ist, andererseits aber auch dem Aufbau und den geometrischen Abmessungen einer realen Crossbonding-Box entspricht. Abbildung 64 zeigt die zur induktiven Auskopplung konstruierte Crossbonding-Box neben einer realen Crossbonding-Box einer 245-kV-VPE-Kabelanlage. a) Modell der CB-Box zur induktiven TE-Auskopplung b) CB-Box einer 245-kV-VPE-Kabelanlage der Fa. Nexans Abbildung 64: Ansicht CB-Box In ihrer endgültigen und vollständigen Konfiguration ergibt sich für die dreiphasig aufgebaute Crossbonding-Modellanlage eine Gesamtlänge von ca. 65 Meter pro Phase mit zugänglichen Messstellen und Einspeisemöglichkeiten für Testimpulse an den jeweiligen Kabelenden und an jeder der drei Muffengruppen. 6.7.1.1.3 Messungen an der Modellanordnung Um das Verhalten des komplexen Gesamtsystems besser analysieren zu können, wurden in einem ersten Schritt die Einzelkomponenten des Modells vermessen. Hier ist von besonderem Interesse, die Ausbreitung eines TE-Impulses von der fehlerbehafteten Phase über die Crossbonding-Muffe mit angeschlossenem Crossbonding-Kabel bis hin zur 76 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Crossbonding-Box, dem Ort der TE-Auskopplung, zu verstehen. Die Betrachtungen sollen dabei zum einen Aufschlüsse über die generelle Durchführbarkeit solcher Messungen liefern, zum anderen eine Abschätzung der zu erwartenden Messempfindlichkeit ermöglichen. 6.7.1.1.4 Transmissionsverhalten der Modellmuffen Ein potenzieller TE-Fehler in einer der Crossbonding-Muffen breitet sich über alle drei möglichen Ausbreitungskanäle aus, sowohl nach links und rechts entlang des Energiekabels, als auch entlang des Crossbonding-Kabels in Richtung der Auskreuzbox. Der Einfluss der Auskreuzbox wird im späteren Verlauf ausführlich behandelt. Als simulierte TE-Quelle wurde ein TE-Kalibrator verwendet. Der Kalibrator wird dabei über eine 2 Meter lange Messleitung an einen der Muffeneingänge angeschlossen, was für die zu erwartende TE-Ausbreitung einem TE-Fehler innerhalb der Muffen entspricht, da der dämpfende Einfluss der verwendeten Messleitungen zu vernachlässigen ist. Ein digitales Speicheroszilloskop mit terminierten Eingängen erfasst die Signale (s. Abbildung 65). Oszilloskop feste kurze Verbindung Kalibrator CAL2A C1-1 2m Koax-Leitungen K1-1 K2-1 150Ω Muffe Abbildung 65: Messung der TE-Signalausbreitung am Muffenmodell, alle Messleitungen 2m Abbildung 66 zeigt die gemessenen Signalverläufe an den drei BNC-Anschlüssen des Muffenmodells. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 77 K1-1 K2-1 C1-1 Abbildung 66: Gemessene Signalverläufe am Muffenmodell Der Amplitude des anfänglich eingespeisten Impulses von 3 V stehen am Ausgang der Muffe nur noch ca. 0,8 V entgegen, am Crossbonding-Abgang können noch ca. -0,5 V gemessen werden. Abbildung 66 zeigt in einer zeitlich zusammenhängenden Darstellung alle zu messenden Impulse. Zusätzlich zu den beiden zeitgleich gemessenen Impulsen am Crossbonding-Abgang und am Ausgang der Muffe ist hier auf Kanal A neben dem Ursprungsimpuls die Reflexion vom Muffeneingang mit ca. 1 V Spannungsamplitude zu erkennen (s. Markierung). Diese drei Spannungswerte legen dabei nahe, dass es einen weiteren Spannungsfall im Gesamtsystem der Modellmuffe geben muss (Spannungsmasche = 0). Hier fällt eine zusätzliche nicht gemessene Spannung über dem ohmschen Längswiderstand im Durchgangszweig der Muffe ab, der zur Nachbildung des Wellenwiderstandsprunges eingebracht worden ist. Unter Berücksichtigung des elektrischen Ersatzschaltbildes nach Abbildung 67 können die gemessenen Signalamplituden näher analysiert werden. 78 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Z = 50 Ω R = 150 Ω K2-1 C1-1 Z = 50 Ω Z = 50 Ω K1-1 Abbildung 67: Ersatzschaltbild des Muffenmodells Der an K2-1 (Kanal B in Abbildung 66) gemessene Spannungswert von ca. 0,8 V deutet unter Berücksichtigung des Spannungsteilers aus den Wellenwiderständen der abgehenden Leitungen und dem ohmschen Längswiderstand darauf hin, dass die von K1-1 in die Modellmuffe hineinlaufende Spannungswelle eine Amplitude von ca. UK1-1,e = 4 V hat. Gleichzeitig ergibt sich am Ende der Leitung K1-1 für die Spannung ein Reflexionsfaktor von ru = 0,67, so dass die dort wieder zurücklaufende Spannungswelle einen Wert von ca. UK1-1,r = 2,68 V besitzt. Diese auf der Leitung K1-1 zurücklaufende Welle wird am 50 Ω-Eingang des Oszilloskops erneut gemessen. Am Eingangswiderstand des Oszilloskops liegt jedoch zusätzlich der Innenwiderstand des dort angeschlossenen Kalibrators parallel. Bei einem Innenwiderstand von Ri = 30 Ω ergibt sich so der gemessene Spannungswert von ca. 1 V auf Kanal B, sowie ein negativer Reflexionsfaktor für weitere Teilreflexionen (negativer Peak im weiteren Verlauf des Graphen K1-1 in Abbildung 66). Generell muss bei der Betrachtung der Amplituden am Messaufbau jedoch beachtet werden, dass aufgrund der frequenzabhängigen Reflexionsstellen an den Wellenwiderstandsdiskontinuitäten Dispersionseffekte auftreten können, die zu einer Impulsverschleifung und damit auch zu einer Reduzierung der jeweiligen Spannungspeaks führen. Ein direkter und exakter Vergleich der Signalamplituden (Signalmaxima) aller auftretenden Impulse wird dadurch erheblich erschwert. Frequenzverhalten des Muffenmodells Zur Aufnahme der Übertragungseigenschaften im Frequenzbereich wurden am Muffenmodell Messungen mit einem Spektrum-Analyser durchgeführt. Es wurde zum einen der Durchgang vom Eingang (K1-1) zum Ausgang (K2-1) und zum anderen der Durchgang vom Eingang (K1-1) zum Abgang (C1-1) gemessen. Dabei wurde der jeweils Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 79 freie Anschluss im Leerlauf, mit einem 50 Ω Abschlusswiderstand oder mit einem Kurzschluss betrieben, um alle möglichen Anschlusskonfigurationsvariationen abzudecken. Muffenausgang und Crossbonding-Abgang zeigten dabei vergleichbare Frequenzgänge, ebenso wie die Abschlüsse der jeweils freien BNC-Anschlüsse mit 50 Ω und mit 0 Ω (Kurzschluss). In Abbildung 68 sind die Messergebnisse für den Muffenausgang dargestellt. a) Leerlauf an CB-Abgang (offenes Ende) b) Kurzschluss an CB-Abgang (0 Ω und 50 Ω) Abbildung 68: Frequenzgang am Muffenausgang (10 dB bis -40 dB bei 5 dB/Div, 10 kHz bis 500 MHz bei 50 MHz/Div) Da im Leerlauffall keine leitende ohmsche Verbindung besteht und eine Ausbreitung an der Schirmtrennstelle nur über die Kapazität der angeschlossenen Leitung möglich ist, sind hier die tiefen Frequenzen stark gedämpft (s. Abbildung 68 a). Im Kurzschlussfall und bei 50 Ω-Abschluss des jeweils freien BNC-Anschlusses besteht eine leitende ohmsche Verbindung im Signalweg, durch die auch tieferfrequente Anteile ungedämpft passieren können (s. Abbildung 68 a). Für höhere Frequenzen begrenzen wiederum die Längsinduktivitäten des Aufbaus die Transmission in Richtung Muffenausgang. Überlegungen zur Signalpolarität im Muffenmodell Am Beispiel der elektrischen Feldkomponente eines TE-Signals sollen die zu erwartenden Ausgangspolaritäten am Crossbonding-Abgang und an den Muffenausgängen schematisch anhand der Muffengeometrie verdeutlicht werden. Der Zusammenhang von Polarität und Laufrichtung des TE-Signals kann einerseits bei bekannter Signalpolarität zur 80 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren TE-Fehlerortung herangezogen werden, andererseits kann über im Einzelfall bekannte Ausbreitungsrichtungen von reflektierten Signalkomponenten die Polaritätsinformation als Plausibilitätskriterium herangezogen werden. Die Impulspolarität eines TE-Signals ändert sich beim Durchlauf durch die CrossbondingMuffe von Muffeneingang zu Muffenausgang nicht. Ein einlaufender positiver Impuls wird auch als positiver Impuls aus der Muffe herauslaufen (s. Abbildung 69 a), E-Feld-Pfeile zeigen von Plus nach Minus). C1-1 K1-1 C1-1 E K1-2 a) Einspeisung in K1-1 E K1-1 K1-2 b) Einspeisung in K1-2 Abbildung 69: Ausbreitung des elektrischen Feldes in der Muffe, E-Feld im Außenraum vernachlässigt Die zu messende Polarität am Crossbonding-Abgang C1-1 ist dabei negativ. Läuft der positive Ausgangsimpuls von der anderen Seite in die Muffe hinein, so wird er sie ebenfalls als positiver Impuls verlassen (s. Abbildung 69 b). Die zu messende Polarität am Crossbonding-Abgang ist damit auch positiv. Hier ist bereits zu erkennen, dass die zu messende Polarität am Crossbonding-Abgang die Information über die Ausbreitungsrichtung des TE-Impulses beinhaltet. Grundvoraussetzung ist hierfür allerdings die Kenntnis der ursprünglichen TE-Polarität und eine eindeutige Zuordbarkeit des linksseitigen und rechtsseitigen Schirmpotenzials an der Messstelle. An späterer Stelle wird diese Problematik weitergehend vertieft bzw. bei Messungen als Plausibilitätskriterium genutzt. Der letzte verbliebene Fall ist das Einlaufen eines hier positiven TE-Impulses von Seiten der Crossbonding-Zuleitung in die Muffe hinein (s. Abbildung 70). An den Ausgängen der Muffe sind dann herauslaufende Impulse mit gegensätzlichem Vorzeichen zu beobachten. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 81 C1-1 E K1-1 K1-2 Abbildung 70: Ausbreitung des elektrischen Feldes in der Muffe bei Einspeisung in C1-1, E-Feld im Außenraum vernachlässigt Dieser Fall tritt immer dann auf, wenn sich der ursprüngliche TE-Impuls aus der fehlerbehafteten Muffe über die zugehörige Crossbonding-Leitung in die CrossbondingBox hinein ausgebreitet hat und von dort aus über die beiden anderen CrossbondingLeitungen auf die Nachbarphasen verteilt wird. Dieser Ausbreitungsfall beschreibt damit die Verkopplung der drei Phasen über das Crossbonding-System und wird bei der Diskussion der Crossbonding-Box näher untersucht. Transmissions- und Reflexionsverhalten der Auskreuzkästen In Anlehnung an die Untersuchungen zum Muffenmodell wurde auch die CrossbondingBox messtechnisch untersucht. Zur Bestimmung des Reflexionsverhaltens für in die Crossbonding-Box einlaufende TE-Impulse wurde die Sprungantwort eines CrossbondingEinganges (C1-1) bei abgeschlossenen Ausgängen (C2-1, C3-1) aufgezeichnet (s. Abbildung 71). C1-1 C2-1 TDR 50Ω C3-1 50Ω CB-Box Abbildung 71: TDR-Messungen an der CB-Box, schematischer Messaufbau 82 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Abbildung 72 zeigt die reflektierte Spannungswelle. Für Untersuchungen mittels Rechnersimulationen wurden zunächst Simulationsmodelle in PSpice entwickelt. Abbildung 72 zeigt ebenfalls die gute Übereinstimmung von Messung und Simulation. U ≈ 110 Ω 0,83 m; ≈ 83 Ω 0,558 m; ≈ 185 Ω ca.1,39 m; ≈ 130 Ω t a) Reflexionsverhalten der CB-Box b) Simuliertes Reflexionsverhalten Abbildung 72: Reflexionsmessung Die einlaufende Spannungswelle wird aufgrund mangelnder Anpassung teilweise reflektiert. Der in die Crossbonding-Box einlaufende Anteil teilt sich dabei nahezu symmetrisch auf die beiden verbleibenden Abgänge auf. Abbildung 73 verdeutlicht dieses Verhalten anhand der E-Feld-Komponente des einlaufenden Signals. ΙΙΙ E C1-1 Ι 1 2E ΙΙ C2-1 1 2 E C3-1 Abbildung 73: E-Feldverlauf innerhalb der CB-Box (schematisch) , E-Feld im Außenraum vernachlässigt Um das Ausbreitungsverhalten von TE-Impulsen innerhalb der Crossbonding-Box und an deren Abgängen messtechnisch zu erfassen, wurde ein Testimpuls nach Abbildung 74 a) in die Crossbonding-Box eingespeist. Abbildung Signalverläufe der drei Crossbonding-Abgänge. 74 b) zeigt die gemessenen Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 83 Oszilloskop feste kurze Verbindung Kalibrator CAL2A C3-1 C2-1 2m Koax-Leitungen C1-1 CB-Box a) Versuchsaufbau b) Signalverlauf am CB-Boxmodell Abbildung 74: Messung der TE-Signalausbreitung am CB-Box-Modell Als Ursprungsphase des Signals ist die erste Crossbonding-Zuleitung (bei einer TEMessung damit Phase L1) eindeutig zu identifizieren. Auf Kanal 1 tritt das Signal mit der größten Amplitude auf, die Maxima der Kanäle 2 und 3 fallen deutlich geringer aus. Bei angenommener Symmetrie im Aufbau ergibt sich als zusätzliches Kriterium für die zu messenden Signale, dass der Spitzenwert in der fehlerbehafteten Phase genau doppelt so groß ist wie die Amplituden in einer der beiden TE-freien Phasen. Die Impuls-Spitzenwerte der nicht TE-behafteten Phasen müssen damit gleich groß sein und gegenüber der Fehlerphase eine entgegengesetzte Polarität aufweisen. Der allgemeingültige Zusammenhang U1+U2+U3 = 0 lässt sich dabei anhand der bereits angeführten Abbildung 73 (E-Feld in CB-Box) verdeutlichen, in der die drei ankommenden CrossbondingVerbindungskabel im Inneren der Crossbonding-Box eine geschlossene Spannungsmasche darstellen. Frequenzverhalten des Crossbonding-Box-Modells Wie auch bei den Untersuchungen am Muffenmodell wurden spektrale Transmissionsmessungen durchgeführt. Dabei wurde das Referenzsignal in den 84 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Anschluss C1-1 der Crossbonding-Box eingespeist und in zwei Messzyklen zum einen am Ausgang C2-1 (Signalweg 1 2), zum anderen am Ausgang C3-1 abgegriffen (Signalweg 1 3). Der verbleibende freie Abgang wurde dabei jeweils leer laufend betrieben, mit 50 Ω abgeschlossen oder kurzgeschlossen. Abbildung 75 zeigt die resultierenden Frequenzgänge bei 50 Ω-Abschluss des jeweils freien Crossbonding-Abganges mit ca. 5 dB bis -10 dB Signaldämpfung. a) Transmission CB-Anschluss 1 nach 2 b) Transmission CB-Anschluss 1 nach 3 Abbildung 75: Frequenzgänge der CB-Box (10 dB bis -45 dB bei 5 dB/Div, 10 kHz bis 500 MHz bei 50 MHz/Div) Die gute Übereinstimmung beider Graphen belegt, dass sich einlaufende TE-Impulse nahezu symmetrisch auf beide Crossbonding-Abgänge aufteilen, so dass ein TE-Signal mit Ursprung auf Phase L1 schließlich auch auf den Phasen L2 und L3 detektierbar ist. Wie auch schon bei den Messungen am Muffenmodell ist zu erkennen, dass bei einer bestehenden galvanischen Verbindung (hier 50 Ω) am jeweils dritten Abgang der Crossbonding-Box auch tieffrequente Signalanteile gut passieren können, was eine potenzielle phasenübergreifende TE-Ausbreitung über die Crossbonding-Box begünstigt. Für höhere Frequenzen werden wiederum parasitäre Induktivitäten wirksam und begrenzen die Ausbreitung diese spektralen Anteile. Um Messfehler zu vermeiden, muss für alle Messungen die gemeinsame und nicht trennbare Signalmasse an den Anschlüssen des Messgerätes beachtet werden. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 85 6.7.1.2 Messungen an der vollständigen Modellanlage Da im Wesentlichen die gewollte Überkopplung von TE-Impulsen an den CrossbondingStellen untersucht werden soll, wurde in einem ersten Versuch sichergestellt, dass eine parasitäre Überkopplung über die gesamte Ausdehnung der parallel liegenden Kabellängen zu vernachlässigen ist. Abbildung 76 zeigt das Oszillogramm der Spannungen aller drei Phasen bei Einspeisung eines Testimpulses auf Phase L1 für das BNC-Modell und für die Modellanordnung mit Mittelspannungskabeln ohne Crossbonding. a) Messung am BNC-Modell b) Messung am Mittelspannungs-Kabelmodell Abbildung 76: Signalverläufe der entkoppelten Phasen L1, L2 und L3 bei TE-Einspeisung auf L1 Bei keiner der Modellanordnungen konnte dabei messtechnisch eine nennenswerte parasitäre Überkopplung nachgewiesen werden, so dass alle messbaren Effekte auf den Crossbonding-Einfluss zurückzuführen sind. 6.7.2 TE-Auskopplung an den Crossbonding-Zuleitungen Wie bereits beschrieben, koppelt ein TE-Impuls an der Schirmtrennstelle einer Crossbonding-Muffe auch auf die Crossbonding-Verbindungsleitung über und erreicht die Crossbonding-Box. Überwacht man nun synchron alle drei Crossbonding-Zuleitungen der drei Phasen einer Muffengruppe, so kann sowohl für einen Einzelimpuls, aber vor allem auch im Rahmen einer statistischen Auswertung von vielen tausend TE-Impulsen, die fehlerbehaftete Phase (bzw. Muffe) identifiziert werden. Eine sinnvolle Auswertung ist damit nicht mehr durch die Betrachtung von einzelnen Oszillogrammen möglich, sondern wurde mittels eines digitalen Mehrstellen-TE-Messsystems durchgeführt und mit 3PARD 86 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren visualisiert. Abbildung 77 a) zeigt die 3PARD-Darstellung für den künstlichen TE-Fehler innerhalb der Crossbonding-Muffengruppe auf Phase L1. L1 L2 L2 L3 a) TE-Fehler auf L1 L3 b) TE-Fehler auf L2 c) TE-Fehler auf L3 Abbildung 77: TE-Fehler auf den Phasen L1, L2, L3 der gemessenen Muffengruppe Die maximale Anhäufung der Punkte liegt nahezu auf der senkrechten Hauptachse L1 des Diagramms a) und beschreibt somit diese Phase als TE-Quelle. Dabei repräsentiert der innere Kreis des Diagramms mit dem Radius r = 1 nach den Konstruktionsregeln der 3PARD-Darstellung diejenigen Impulstripel, bei denen der Impuls mit der dominierenden gemessenen Ladung (hier der Impuls auf L1) doppelt so groß ist wie die beiden übrigen Impulse. Impulstripel mit gleichen Ladungsamplituden werden dementsprechend ohne Vorzugsrichtung in der Mitte des Diagramms eingetragen. Die Abbildungsteile b) und c) zeigen die 3PARD-Darstellungen von künstlichen TEFehlstellen in den Crossbonding-Muffen der Phasen L2 bzw. L3. Auch hier liegen die Schwerpunkte der Punktewolken auf den Achsen der jeweilig zugehörigen Fehlerphasen und nahezu auf den inneren Kreisen mit dem Radius r = 1. Auffällig ist bei allen drei Diagrammen, dass neben den dominierenden Clustern auf den Achsen zusätzliche sichelförmige Bereiche mit reduzierter Häufigkeit zu erkennen sind. Diese charakteristische Struktur entsteht durch nicht vollständig unterdrücktes Rauschen und durch stochastisch auftretende Störimpulse auf den Messleitungen, die zwar annähernd zufällig auftreten, beim Einlaufen in das Crossbonding-System aber aufgrund der bereits angeführten Spannungsmasche mit der Bedingung U1+U2+U3= 0 systematisch in die Diagrammkonstruktion eingehen. Wie zu erkennen ist, sind mit der 3PARD-Darstellung TE-Fehler eindeutig der betroffenen Phase zuzuordnen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der TE-Fehler in der Nähe Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 87 des Messortes auftritt, also innerhalb der zu der Crossbonding-Box (=Messort) gehörenden Muffen. In diesem Fall durchläuft der TE-Impuls keine nennenswerten dämpfenden Kabellängen, sondern lediglich eine Crossbonding-Muffengruppe mit den zugehörigen Crossbonding-Verbindungskabeln und hat damit, wie schon beschrieben, auf seiner ursprünglichen Phase die größte Amplitude. Auch für höhere Messfrequenzen ist aufgrund der relativ kurzen Signalwege die Dämpfung nicht relevant. Für Messungen vor Ort ist dieser Fall (TE-Fehler innerhalb der Muffe oder in relativer Nähe rechts oder links der Muffe) zwingend anzunehmen, da ein TE-Impuls, der zwei oder gar drei Crossbonding-Muffengruppen durchläuft, aufgrund der starken Dämpfung (mindestens eine komplette Kabelteillänge zwischen Fehlerort und Messort, Reflexionsverluste an den Muffen) am Messort nur noch schwer nachweisbar ist. Ungeachtet dieser Überlegung wurde im Modellaufbau das mehrfache Durchlaufen von Crossbonding-Stellen untersucht und in Tabelle 1 als Übersichtsdarstellung zusammengefasst. Die Zeilen 3 und 4 der Tabelle zeigen die 3PARD-Darstellung von TESignalen, die inklusive des Messortes zwei Crossbonding-Muffengruppen durchlaufen haben. Hier scheint zwar die Ursprungsphase des Fehlers dominant (größte Amplitude auf der Fehlerphase), die Richtung der Abweichung der Punktewolke in der 3PARDDarstellung ist jedoch abhängig von der Herkunftsrichtung des Fehlerimpulses und führt damit zu nicht eindeutigen Clusterpositionen (Fehler auf L1 von rechts ähnlich Fehler auf L3 von links). Dieses Verhalten resultiert aus dem asymmetrischen Aufbau der modellierten Crossbonding-Muffen, sowie aus der Verwendung eines ohmschen Längswiderstandes in der Leiterverbindung der Muffe und ist damit lediglich für die Modellanordnung relevant. Bei einer realen Kabelanlage hat der durchlaufende Impuls immer auf seiner Ursprungsphase die größte Amplitude, so dass das mehrfache Durchlaufen von Crossbonding-Stellen nicht wesentlich zu einer Veränderung der Amplitudenverhältnisse führt und die 3PARD-Darstellung damit immer auf der fehlerbehafteten Phase dominant ist. Nachfolgend beschriebene Messungen an realen Kabelanlagen (Kapitel 6.7.3.1) bestätigen dies. Bei der Modellanordnung wird der Ursprungsimpuls auf der fehlerbehafteten Phase beim Durchlauf durch die Muffe durch den Längswiderstand stark gedämpft. Seine Amplitude reduziert sich und wird mit den Amplituden auf den entsprechenden Nachbarphasen vergleichbar. Dabei wird von links kommend der auf L1 unterbrochene Schirm auf der Phase L2 rechtsseitig fortgesetzt, bei von rechts kommenden Impulsen jedoch auf der Phase L3 weiter nach links. Daher weichen auch die Clusterpositionen in der 3PARD-Darstellung jeweils in diese Richtungen 88 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren ab. Zeile 3 der Tabelle zeigt eine Verschiebung des Clusters hin zu L3 (nach rechts), da der unterbrochene Schirm von L1 auf der Phase L3 fortgesetzt wird. Zeile 4 der Tabelle zeigt eine Verschiebung des Clusters hin zu L2 (nach links), da der unterbrochene Schirm von Phase L1 auf Phase L2 fortgesetzt wird. Für TE-Einspeisungen auf L2 bzw. L3 gilt entsprechendes. Die Zeilen 5 und 6 der Tabellen zeigen die 3PARD-Darstellungen eines TE-Fehlers mit dreifacher Auskreuzung. Tendenziell ist eine Verschiebung der Cluster zum Ursprung hin zu verzeichnen. In der Modellanordnung gleichen sich die Amplituden auf allen Phasen durch die mehrfachen Auskreuzungen an. 3x CB (von rechts) ra=2, fc= 5.0MHz, bw=300kHz TE-Fehler auf Lx von rechts auf die Muffe zulaufend, unterwegs 3x Auskreuzung, dritte Auskreuzung am Messort selbst 3x CB (von links) ra=2, fc= 8.1MHz, bw=300kHz TE-Fehler auf Lx von links auf die Muffe zulaufend, unterwegs 3x Auskreuzung, dritte Auskreuzung am Messort selbst TE-Fehler auf Lx von rechts auf die Muffe zulaufend, erste Auskreuzung am Messort selbst ra=2, fc=20.0MHz, bw=1000kHz 1x CB (von rechts) Fehler auf L3 TE-Fehler auf Lx von links auf die Muffe zulaufend, erste Auskreuzung am Messort selbst ra=2, fc=7.7MHz, bw=300kHz 1x CB (von links) Fehler auf L2 TE-Fehler auf Lx von rechts auf die Muffe zulaufend, unterwegs 2x Auskreuzung, zweite Auskreuzung am Messort selbst ra=4, fc=5.0MHz, bw=300kHz 2x CB (von rechts) Fehler auf L1 TE-Fehler auf Lx von links auf die Muffe zulaufend, unterwegs 2x Auskreuzung, zweite Auskreuzung am Messort selbst ra=5, fc=5.8MHz, bw=300kHz 2x CB (von links) Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 89 Erläuterung Tabelle 1: Zusammenfassung der 3PARD-Auswertung an der CB-Modellanlage (ra=Maßstabsfaktor) 90 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 6.7.3 TE-Auskopplung an Crossbonding-Auskreuzkästen 6.7.3.1 Kalibriermessung an einer 245-kV Kabelanlage Vor der Inbetriebnahmeprüfung einer VPE-isolierten 245-kV-Kabelstrecke in Bad Schwartau (Schleswig-Holstein) bestand die Möglichkeit, Messungen zur Impulsausbreitung an der fertig montierten Kabelanlage durchzuführen. Dabei wurden an den Freiluftendverschlüssen der Kabelstrecke Testimpulse mit 2 nC Impulsladung eingespeist. Abbildung 78 zeigt den Anschluss des Kalibrators am Kabelende der Phase L1 und verdeutlicht die Größenverhältnisse. Eine induktionsarme oder gar koaxiale Einspeisung war nicht möglich. Abbildung 78: Anschluss des Kalibrators am Freiluftendverschluss Eine Kabelphase besteht aus neun Teillängen, jeweils durch acht Muffen miteinander verbunden. Die Muffengruppen 3 und 6 ermöglichen dabei ein Auskreuzen der Kabelschirme in externen Crossbonding-Boxen, die übrigen Muffen der Gruppen 1, 2, 4, 5, 7 und 8 sind als Durchgangsmuffen ausgelegt. Abbildung 79 zeigt die Muffen bzw. Muffengruben. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren a) Montage der Durchgangsmuffen in Muffengrube 91 b) Externe CB-Box über geschlossener Muffengrube Abbildung 79: Muffenbereich der Durchgangsmuffen bzw. CB-Muffen Abbildung 80 zeigt eine geöffnete Crossbonding-Box mit den rot ummantelten Crossbonding-Brücken, sowie die installierte TE-Messtechnik. Ableiter zum Schutz vor transienten Überspannungen waren zu diesem Zeitpunkt nicht montiert. a) Schirmauskreuzung durch CB-Brücken b) Installierte TE-Messtechnik mit HF-Trafos, TEErfassungseinheiten, Akkus und LWL Abbildung 80: Geöffnete CB-Box Zur Auskopplung der eingespeisten Signale wurden drei Hochfrequenztransformatoren an den Crossbonding-Brücken der Kabelschirme montiert. Da eine einzelne Schirmbrücke die Kabelschirme zweier Phasen verbindet, kann der dort montierte TE-Sensor somit Impulse aus beiden beteiligten Phasen detektieren, diese jedoch nicht eindeutig einer der beiden Phasen zuordnen. Durch die synchrone Betrachtung der Signale aller drei TE-Sensoren ist 92 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren die Eindeutigkeit jedoch wieder gewährleistet. Bedingt durch diese zwangsläufige Verkopplung von zwei Phasen an einem Auskoppelort repräsentiert der Messkanal 1 des angeschlossenen TE-Messsystems nicht Phase L1 der Kabelanlage, sondern die Phasen L1 und L2, verknüpft über ihre gemeinsame Schirmverbindung. Kanal 2 überwacht die Phasen L2 und L3, Kanal 3 wiederum die Phasen L3 und L1. Zur Untersuchung des frequenzabhängigen Ausbreitungsverhaltens der Testimpulse wurden dabei TE- Messungen bei 0,5 MHz, 1 MHz, 2 MHz und bei 10 MHz an beiden CrossbondingMuffengruppen der Kabelanlage durchgeführt. 6.7.3.1.1 Auskopplung an Muffengruppe 3 In einem ersten Messzyklus wurden die Testimpulse an der vom Einspeiseort aus betrachtet ersten Crossbonding-Muffengruppe (MG3) ausgekoppelt. Die Testimpulse durchlaufen bis zum Auskoppelort drei Kabelteillängen und werden zusätzlich zur dadurch resultierenden Kabeldämpfung an zwei Verbindungsmuffen durch Reflexionsvorgänge in ihrer Amplitude reduziert. Je nach konstruktiver Ausführung der Crossbonding-Stelle innerhalb der Muffe (asymmetrische CB-Zuleitung, z. B. Schirmtrennung direkt am Anfang des Muffenkörpers) kann die Crossbonding-Muffe der Muffengruppe 3 als zusätzliche Reflexionsstelle angesehen werden. Einspeisung in Phase L1 Abbildung 81 zeigt die gemessenen Amplituden (Mittelwerte aller Impulse) an den drei Sensoren der Crossbonding-Box bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L1 in Abhängigkeit der Messfrequenz. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 93 600 L1-L2 L2-L3 500 L3-L1 Ladung [pC] 400 300 200 100 0 100 1000 10000 Messfrequenz [kHz] Abbildung 81: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L1 (2 nC) Bei allen untersuchten Mittenfrequenzen ist die Dominanz der Amplituden auf den Crossbonding-Brücken der Phasen L1-L2 und L3-L1 deutlich erkennbar. Diese Crossbonding-Brücken verbinden den Kabelschirm der Phase L1 mit den Nachbarphasen und führen somit Anteile des Testimpulses. Die Amplituden der beiden zu L1 gehörenden Messkanäle sind dabei nahezu gleich groß. Leichte Unterschiede lassen sich, außer durch die asymmetrische Crossbonding-Box, auch durch den nicht vollständig symmetrischen Aufbau der dreiphasigen Kabelstrecke begründen. Aus geometrischen Gründen treten immer Unterschiede z. B. in den Erdkapazitäten bzw. Gegenkapazitäten auf, die auf die gemeinsamen Koppelimpedanzen Einfluss haben. Ein weiterer Grund für die zu beobachtende Unsymmetrie ist der Aufbau der Crossbonding-Muffe, bzw. die Art der Kontaktierung des von den Kabelschirmen zur Crossbonding-Box führenden Crossbonding-Verbindungskabels. Hier ist von Bedeutung, welches der beiden getrennten Schirmsegmente auf dem Innenleiter des Crossbonding-Verbindungsleiters, und welches auf dem äußeren Leiter des Crossbonding-Verbindungskabels fortgeführt wird. Zur näheren Betrachtung der Unsymmetrien und in Hinblick auf eine zukünftige direkte Implementierung in die Online-Messsoftware des MPD 540 wurde eine 3PARDVisualisierung durchgeführt und deren Informationsgewinn für den Benutzer bewertet. 94 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Abbildung 82 zeigt die entstehenden Grafiken bei den untersuchten Mittenfrequenzen der TE-Messung. Aufgrund der bereits dargelegten Verknüpfung von jeweils zwei Phasen zu einer TE-Erfassungseinheit liegen die einzelnen Phasen der Kabelanlage nicht auf den Achsen des Diagramms, sondern auf den Winkelhalbierenden der zwischen den Achsen liegenden Segmente. L1 L1-2 L1 L2 L2-3 L1 L1 L1-3 L3 0,5 MHz, ra = 2 1 MHz, ra = 1 2 MHz, ra = 0,3 10 MHz, ra = 1 Abbildung 82: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG3 (Einspeisung L1) Der ebenfalls in Abbildung 82 angegebene Radius des äußeren Kreises ra entspricht dabei dem nach den Berechnungsvorschriften zur 3PARD-Erstellung ermittelten skalaren Wert des Amplitudenverhältnisses [Pla02]. Bei allen berechneten 3PARD-Darstellungen liegt die entstehende Punktewolke im zur Phase L1 gehörenden Drittel des Diagramms. Dabei liefern die Messungen mit den Mittenfrequenzen von 0,5 MHz, 1 MHz und 10 MHz vergleichbare Cluster, obwohl sich die Absolutwerte der Impulsladungen erheblich voneinander unterscheiden. Diese Tatsache ist besonders dann von Vorteil, wenn in einer der Muffen ein TE-Fehler auftritt, der TEImpulse unterschiedlicher Amplituden erzeugt (z. B. Oberflächenentladung). Durch die Betrachtung von Amplitudenverhältnissen, wie es in der 3PARD-Analyse der Fall ist, werden diese Unterschiede kompensiert. Auch bei Mehrfachfehlern innerhalb derselben Muffe, die TE-Impulse unterschiedlicher Frequenzcharakteristik zur Folge haben können (z. B. verschiedene Impulssteilheiten), werden diese TE-Impulse auf direkt nebeneinander liegende Bereiche im 3PARD-Diagramm abgebildet. Minimale verbleibende Unterschiede sorgen dabei jedoch weiterhin für eine mögliche Auftrennung in verschiedene Cluster. Die 3PARD-Darstellung bei 2 MHz Messfrequenz zeigt eine deutliche Abweichung zu den anderen Diagrammen bezüglich des Abstandes der Punktewolke vom Mittelpunkt. Mit einem äußeren Radius von ra = 0,3 ist die Skalierung der Darstellung dabei auf einen Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 95 Bereich in direkter Nähe zum Diagrammursprung optimiert. Obwohl hier die Amplituden der drei Impulse nur eine geringere Abweichung voneinander aufweisen, ist die Eingliederung in das zur Phase L1 gehörende Diagrammsegment immer noch eindeutig. Bei zusätzlich auftretenden Impulsquellen kann die Nähe des beschriebenen Clusters zum Nullpunkt jedoch zu einer Überdeckung mit Punktewolken von symmetrischen Störern (z. B. auch Grundrauschen) führen. Die zu beobachtende Frequenzabhängigkeit in beiden Visualisierungsarten führt zu der Schlussfolgerung, dass es für eine in der Regel unbekannte (d. h. nicht vorher durch zeitaufwändige Kalibriervorgänge vermessene) Kabelanlage keine einzelne ideale Messfrequenz gibt. Zur Erlangung einer größtmöglichen Aussagesicherheit ist eine TEMessung daher immer unter Variation der Messfrequenzen vorzunehmen, um konstruktionsbedingte ungünstige Messfrequenzen durch nachträglichen Vergleich der Messdaten zu erkennen und diese dann gezielt nicht zu verwenden. Eine rechnerische Bestimmung dieser ungünstigen Frequenzen im Voraus ist aufgrund des komplexen Gesamtsystems aus Crossbonding-Muffe, Crossbonding-Zuleitung und Auskreuzbox nicht möglich, da z. B. aufgrund von Montagearbeiten durch Fremdfirmen (Outsourcing) lediglich die für den sicheren Betrieb der Kabelanlage relevanten Randbedingungen, nicht aber messtechnisch relevante Details (z. B. die exakte Länge der CB-Zuleitung) bekannt sind. Unterschiede, wenn auch nicht signifikant, konnten so auch bei den Betrachtungen der Testimpulseinspeisungen in die Phasen L2 und L3 festgestellt werden. Einspeisung in Phase L2 Abbildung 83 zeigt die gemessenen Amplituden an den drei Sensoren der CrossbondingBox bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L2 in Abhängigkeit der Messfrequenz. 96 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 600 L1-L2 L2-L3 500 L3-L1 Ladung [pC] 400 300 200 100 0 100 1000 10000 Messfrequenz [kHz] Abbildung 83: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L2 (2 nC) Bei allen untersuchten Mittenfrequenzen ist eine Dominanz der Amplituden auf den Crossbonding-Brücken der Phasen L1-L2 und L2-L3 erkennbar (bei 10 MHz Mittenfrequenz dabei weniger stark ausgeprägt). Diese Crossbonding-Brücken verbinden den Kabelschirm der Phase L2 mit den Nachbarphasen und führen somit Anteile des Testimpulses. L1 L2 L2 L2 L2 L3 0,5 MHz, ra = 2 1 MHz, ra = 1 2 MHz, ra = 0,2 Abbildung 84: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG3 10 MHz, ra = 1 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 97 In der 3PARD-Darstellung ist, wie auch schon bei der Betrachtung der Phase L1, eine eindeutige Korrelation zur Ursprungsphase der Testimpulse zu erkennen. Auch hier ist die Messfrequenz 2 MHz für eine 3PARD-Auswertung weniger geeignet. Einspeisung in Phase L3 Abbildung 85 zeigt die gemessenen Amplituden an den drei Sensoren der CrossbondingBox bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L3 in Abhängigkeit der Messfrequenz. 600 L1-L2 500 L2-L3 L3-L1 Ladung [pC] 400 300 200 100 0 100 1000 10000 Messfrequenz [kHz] Abbildung 85: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L3 (2 nC) Bei den Messungen mit den Mittenfrequenzen von 500 kHz und 1 MHz ist die Dominanz der Amplituden auf den Crossbonding-Brücken der Phasen L2-L3 und L3-L1 deutlich erkennbar. Diese Crossbonding-Brücken verbinden den Kabelschirm der Phase L3 mit den Nachbarphasen und führen somit Anteile des Testimpulses. Die Messungen bei Mittenfrequenzen von 2 MHz bzw. 10 MHz lassen die Zusammenhänge lediglich erahnen, liefern jedoch in der gewählten Darstellungsform keine eindeutigen Ergebnisse. In der 3PARD-Darstellung wird diese Einschätzung weiter unterstützt. 98 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren L2 L1 L3 0,5 MHz, ra = 1 L3 L3 L3 1 MHz, ra = 1 2 MHz, ra = 0,2 10 MHz, ra = 0,4 Abbildung 86: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG3 Der Abstand der Punktewolken zum Ursprung des Diagramms bei den Messfrequenzen von 2 MHz bzw. 10 MHz ist sehr gering (keine ausgeprägte Dominanz), so dass bei weiteren symmetrischen Störimpulsen eine Verdeckung erfolgen kann. Die erstellten Diagramme für 500 kHz und für 1 MHz Mittenfrequenz liefern eindeutige Ergebnisse. Zusammenfassung zur Auskopplung an Muffengruppe 3 Die Messungen an der ersten Crossbonding-Muffengruppe haben gezeigt, dass durch die induktive Signalauskopplung an den Schirmbrücken innerhalb der Crossbonding-Box eine TE-Messung mit zusätzlicher Erkennung der fehlerbehafteten Kabelphase durch eine synchrone Auskopplung realisiert werden kann. Es wird dabei vorausgesetzt, dass die Messfrequenzen während der Messzeit variiert werden, so dass eventuell ungünstige, im Vorfeld nicht bekannte Messbereiche in der Nachbearbeitung der Messung erkannt und mögliche daraus resultierende Fehlinterpretationen durch redundante Aufzeichnungen kompensiert werden können. Über die erhebliche Distanz von drei Kabelteillängen und nach Durchlauf durch zwei Muffengruppen konnten die am Freiluftendverschluss signaltechnisch nicht optimal eingespeisten Testimpulse detektiert und gemessen werden, so dass für realistische TE-Fehlerorte innerhalb der Muffen deutlich bessere Messergebnisse und erhöhte Empfindlichkeiten zu erwarten sind, besonders für die Frequenzbereiche oberhalb von 2 MHz. Für diesen Fall werden äußere Störer wirkungsvoll unterdrückt und lediglich messnahe TE-Ereignisse in die Auswertung aufgenommen. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 99 6.7.3.1.2 Auskopplung an Muffengruppe 6 In einem zweiten Messzyklus wurden die Testimpulse an der vom Einspeiseort aus betrachtet zweiten Crossbonding-Muffengruppe (MG6) ausgekoppelt. Diese Messungen geben weiteren Aufschluss über die zusätzliche Signaldämpfung der TE-Impulse, die nun bis zur Auskopplung die doppelte Kabelstrecke durchlaufen müssen und an drei weiteren Muffen durch Reflexionsvorgänge abgeschwächt werden. Einspeisung in Phase L1 Abbildung 87 zeigt die gemessenen Amplituden (Mittelwerte aller Impulse) an den drei Sensoren der Crossbonding-Box bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L1 in Abhängigkeit der Messfrequenz. 600 L1-L2 500 L2-L3 L3-L1 Ladung [pC] 400 300 200 100 0 100 1000 10000 Messfrequenz [kHz] Abbildung 87: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L1 (2 nC) Bei allen untersuchten Mittenfrequenzen ist die Dominanz der Amplituden auf den Crossbonding-Brücken der Phasen L1-L2 und L3-L1 deutlich erkennbar. Die Messungen bei 10 MHz Mittenfrequenz haben dabei jedoch aufgrund der großen Distanz zwischen Signalquelle und Auskoppelort eine geringere Aussagekraft, sind aber zur systematischen Vergleichbarkeit zu den Vormessungen auch im weiteren Verlauf konsequent durchgeführt 100 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren worden. Abbildung 88 zeigt die entstehenden 3PARD-Grafiken bei den untersuchten Mittenfrequenzen der TE-Messung. Auch stellt sich die Messung bei einer Mittenfrequenz von 10 MHz durch ihren relativ breiten Streubereich der Punktewolke als weniger geeignet dar. L2 L1 L3 0,5 MHz, ra = 1 1 MHz, ra = 2 2 MHz, ra = 1 10 MHz, ra = 2 Abbildung 88: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG6 Einspeisung in Phase L2 Abbildung 89 zeigt die gemessenen Amplituden an den drei Sensoren der CrossbondingBox bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L2 in Abhängigkeit der Messfrequenz. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 101 600 L1-L2 500 L2-L3 L3-L1 Ladung [pC] 400 300 200 100 0 100 1000 10000 Messfrequenz [kHz] Abbildung 89: Ausgekoppelte Ladung an MG6 bei Kalibrator-Einspeisung in L2 (2 nC) Das Diagramm zeigt ebenso wie die 3PARD-Darstellung eindeutige Ergebnisse für die Messungen bei 500 kHz, 1 MHz und 2 MHz. L2 L1 L3 0,5 MHz, ra = 1 1 MHz, ra = 1 2 MHz, ra = 0,2 10 MHz, ra = 2 Abbildung 90: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG6 Einspeisung in Phase L3 Abbildung 91 zeigt die gemessenen Amplituden an den drei Sensoren der CrossbondingBox bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L3 in Abhängigkeit der Messfrequenz. 102 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 600 L1-L2 L2-L3 L3-L1 500 Ladung [pC] 400 300 200 100 0 100 1000 10000 Messfrequenz [kHz] Abbildung 91: Ausgekoppelte Ladung an MG6 bei Kalibrator-Einspeisung in L3 (2 nC) Hier sind die Messungen bei den Mittenfrequenzen von 2 MHz und 10 MHz als kritisch anzusehen, da die entstehenden Punktewolken einen zu geringen Abstand vom Koordinatenursprung oder eine große Streuung aufweisen. L2 L1 L3 0,5 MHz, ra = 2 1 MHz, ra = 1 2 MHz, ra = 0,4 10 MHz, ra = 1 Abbildung 92: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG6 Zusammenfassung zur Auskopplung an Muffengruppe 6 Auch bei den Messungen an der Muffengruppe 6 konnten die Testimpulse erkannt werden. Eine eindeutige Phasenzuordnung war durch den Vergleich verschiedener Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 103 Messfrequenzen weiterhin möglich. Der große Abstand von Signalquelle zu Messort führte dabei jedoch zu einer reduzierten Messempfindlichkeit (ca. 10 % Amplitudenverlust bei 500 kHz, über 50 % Verlust bei 2 MHz, ca. 95 % Verlust bei 10 MHz) und zu einer verringerten Aussagesicherheit, was für reale TE-Messungen in der Praxis aufgrund der konstruierten Situation jedoch nicht von Relevanz ist. 6.7.3.1.3 Auskopplung an Muffengruppe 6 bei linearer Schirmverbindung In einem weiteren Messzyklus wurden die Testimpulse wiederum an der vom Einspeiseort aus betrachtet zweiten Crossbonding-Muffengruppe (MG6) ausgekoppelt, wobei am Messort die Auskreuzung der Kabelschirme, wie bei einer Spannungsprüfung üblich, aufgehoben wurde. Die Kabelschirme wurden innerhalb der Crossbonding-Box linear durchverbunden, so dass bei der synchronen dreiphasigen Messung jede TEErfassungseinheit nicht mehr phasenübergreifend arbeitet, sondern direkt die Impulse einer einzelnen Kabelphase aufzeichnet. Die Crossbonding-Auskreuzung an Muffengruppe 3 blieb dagegen unverändert bestehen. Abbildung 93 zeigt die gemessenen Amplituden (Mittelwerte aller Impulse) an den drei Sensoren der Crossbonding-Box bei Einspeisung der Kalibratorimpulse auf Phase L1 in Abhängigkeit der Messfrequenz. 800 L1 700 L2 L3 Ladung [pC] 600 500 400 300 200 100 0 100 1000 Messfrequenz [kHz] Abbildung 93: Ausgekoppelte Ladung an MG3 bei Kalibrator-Einspeisung in L1 (2 nC) 10000 104 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Wie zu erwarten war, ist die größte Signalamplitude an dem zur Phase L1 gehörenden Messkanal zu verzeichnen. Lediglich eine geringe Signalüberkopplung durch das Auskreuzen der Kabelschirme an Muffengruppe 3 bzw. durch unvermeidliche Koppelimpedanzen ist festzustellen. Aufgrund der erheblichen Amplitudenunterschiede zeigen sich in Abbildung 94 bei den entstehenden 3PARD-Grafiken weit außerhalb des Diagrammursprungs liegende Punktewolken (ra > 3). Im Gegensatz zu allen bisherigen Messungen sind die Messkanäle des TE-Messsystems nun direkt mit den Kabelphasen verknüpft, da am Auskoppelort kein Crossbonding vorliegt. Die Punktewolken liegen damit auf den Diagrammachsen. L1 L2 L3 0,5 MHz, ra = 5 1 MHz, ra = 5 2 MHz, ra = 13 10 MHz, ra = 3 Abbildung 94: 3PARD-Darstellung der gemessenen TE-Signale an MG6 ohne CB bei Einsp. In L1 Da bei der direkten linearen Schirmverbindung im Vergleich zu den phasenübergreifenden Crossbonding-Auskopplungen eine höhere Signalamplitude messbar ist und zusätzlich aufgrund der Quasi-Entkopplung der Phasen der Amplitudenabstand zu den Nachbarphasen L2 bzw. L3 größer ist, liegt selbst die durch Streuung verbreiterte Punktewolke der 10 MHz-Messung mit deutlichem Abstand vom Koordinatenursprung auf der zu L1 gehörenden Diagrammachse und kann zu Auswertezwecken herangezogen werden. In der 3PARD-Darstellung bei 2 MHz Messfrequenz ist die Punktewolke lediglich klein und undeutlich zu erkennen, was jedoch auf den extrem großen und für die Auswertung sehr guten Amplitudenverhältniswert von ra = 13 zurückzuführen ist. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 105 Zusammenfassung zur Auskopplung an Crossbonding-Brücken Es ist klar festzuhalten, dass die Auskopplung innerhalb der Crossbonding-Box bei linearen Schirmverbindungen, wie sie z. B. bei einphasig durchgeführten Spannungsprüfungen der Fall sind, zu den besten Ergebnissen führt. Zum einen ist durch die direkte Zuordnung einer TE-Messstation zu einer einzelnen, nahezu entkoppelten Phase eine intuitive Auswertung der Messergebnisse möglich, zum anderen ist die TEAmplitude aufgrund der nahezu vollständig koaxialen Impulsausbreitung im CrossbondingZuleitungssystem größer als bei phasenübergreifender Überkopplung. Für kombinierte Spannungsprüfungen und TE-Messungen ist daher die lineare Schirmverbindung vorzuziehen. Aber auch bei der Anwendung der induktiven Signalauskopplung zur OnlineTE-Messung an einer sich im Betrieb befindenden Crossbonding-Kabelanlage kann unter Beachtung der oben beschriebenen Ergebnisse ein empfindliches TE-Monitoring realisiert werden. 6.7.3.1.4 TE-Auskopplung an der Crossbonding-Zuleitung vor der CB-Box In seltenen Fällen kommt es vor, dass die Crossbonding-Box nach der ersten Inbetriebnahme der Kabelanlage nicht mehr zugänglich ist oder dass diese auf Wunsch des Betreibers nicht geöffnet werden darf. Bei zugänglichem Crossbonding- Verbindungskabel besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit einer TE-Messung mittels HFTransformator. Zur Untersuchung der in diesem Fall maximal zu erreichenden Empfindlichkeit wurde eine Messung bei Einspeisung eines Testimpulses von 2 nC in Phase L3 mit drei Sensoren durchgeführt. Sensor 1 im Mittelpunkt der Betrachtung wurde außen um die Crossbonding-Zuleitung der zur Phase L3 gehörenden Muffe angebracht. Die Sensoren 2 und 3 wurden zur Ermittlung von Vergleichswerten wie auch bei den vorangegangenen Messungen an den Crossbonding-Brücken L2-L3 und L3-L1 befestigt. Abbildung 95 zeigt die hierbei zu messenden Ladungswerte der drei Sensoren. 106 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 600 L3 Zuleitung L2-L3 L3-L1 500 Ladung [pC] 400 300 200 100 0 100 1000 10000 Messfrequenz [kHz] Abbildung 95: TE-Auskopplung an CB-Zuleitungskabel außerhalb der CB-Box, Phase L3 Die Messergebnisse belegen, dass eine TE-Messung mit HF-Transformatoren an der Crossbonding-Zuleitung außerhalb der Crossbonding-Box nicht empfindlich realisiert werden kann. Im Vergleich zur TE-Auskopplung an den Crossbonding-Brücken innerhalb der Auskreuzbox ist die Signalamplitude um den Faktor zwei bis drei reduziert. Berücksichtigt man dabei den Aufbau der verwendeten Crossbonding-Zuleitungskabel (s. Kapitel 3.3), wird ersichtlich, dass die magnetische Feldkomponente eines TE-Impulses durch den doppellagigen und gegensinnig gewickelten Kabelschirm nur stark gedämpft auskoppelbar ist. Lediglich sehr hochfrequente Signalanteile können durch Lücken im Schirm nach außen greifen. Diese hochfrequenten Signalanteile waren jedoch bei den Kalibriermessungen vor Ort bis zum Auskoppelort nicht ausreichend ausbreitungsfähig, so dass ein messtechnischer Nachweis nicht erbracht werden konnte. Bei potenziellen TEFehlern innerhalb der Crossbonding-Muffengruppe kann eine hochfrequente Messung an der Crossbonding-Zuleitung jedoch bei ausreichend großen Ladungspegeln u. U. erfolgreich sein. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 107 6.7.3.2 Vor-Ort-TE-Messungen an Hochspannungskabelanlagen Zur messtechnischen Erprobung der TE-Auskopplung an Crossbonding-Anlagen unter Vor-Ort-Bedingungen wurden in Zusammenarbeit mit dem IPH-Berlin experimentelle Untersuchungen im Rahmen von Spannungsprüfungen und auch kommerziellen TEMessungen durchgeführt. 6.7.3.2.1 TE-Messung an einer 400-kV-Kabelanlage mit Muffenkammer An einer ca. 10 km langen 400-kV-Ölkabelstrecke wurden bei routinemäßigen Gas-in-ÖlAnalysen des Isolieröles erhöhte Wasserstoffkonzentrationen festgestellt. Anhand einer TE-Messung an den Garnituren sollte daher festgestellt werden, ob eventuell Teilentladungen in der Kabelanlage die beobachtete Wasserstoffbildung verursachten. Da die Kabelenden der Anlage nicht zugänglich waren und in den Garnituren keine speziellen TE-Sensoren implementiert waren, konnte die TE-Auskopplung nur an den CrossbondingVerbindungen innerhalb der begehbaren Muffengrube vorgenommen werden. Zu diesem Zweck wurden drei HF-Transformatoren zur induktiven Signalauskopplung an den sich in direkter Nähe zu den Muffen befindenden Crossbonding-Verbindungskabeln angebracht (s. Abbildung 96). Histogramme gefilterte TE-Signale Abbildung 96: HF-Trafo an einer CB-Verbindung Abbildung 97: Fingerprint-Darstellung des Kalibrierimpulses Abbildung 97 zeigt die Ergebnisse der Kalibrierung bei einer eingespeisten Impulsladung von 10 pC. 108 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Die Kalibratorimpulse zeichnen sich in der Histogrammdarstellung (Fingerprint) deutlich in Form von zwei eng begrenzten Punktewolken ab. Das rot dargestellte Spannungssignal in der Mitte des Oszillogramms zeigt dabei das aufgezeichnete Messsignal nach Durchlaufen der Eingangsverstärker des Messsystems, jedoch vor der implementierten digitalen Filterung. Damit ist diese Darstellungsform nicht ausschlaggebend für die Ermittlung der Messempfindlichkeit bzw. des Grundstörpegels. Hierfür kann die blaue Darstellung am unteren Rand des Oszillogramms herangezogen werden, die die Impulserkennung und Filterung des digitalen TE-Messsystems berücksichtigt. Die Messempfindlichkeit für die gewählte Messfrequenz von 4 MHz kann bei freigeschalteter und geerdeter Kabelstrecke mit < 2 pC angegeben werden und ist demnach für eine empfindliche TE-Messung ausreichend. Die TE-Messung konnte hier jedoch nur ohne die Verwendung einer spannungsvariablen und TE-freien (bzw. gefilterten) Prüfspannungsquelle erfolgen, so dass nach Zuschaltung der Netzspannung auf die Kabelanlage mit einer Reduzierung der Empfindlichkeit durch die Einkopplung von netzfrequenten Störern aus der Umgebung der beteiligten Umspannwerke zu rechnen war. Während der gesamten Messdauer konnten dabei keine TE aus den Garnituren festgestellt werden. Es konnten jedoch TE-Aktivitäten von benachbarten Betriebsmitteln und Koronaentladungen von Freiluftkomponenten messtechnisch erfasst werden, die durch die galvanische Leiterkopplung (Kabelanlage im Netzbetrieb) und durch gemeinsame Erdverbindungen bis zum Messort an den Crossbonding-Muffen nachweisbar waren. Abbildung 98 zeigt die Fingerprints der aufgezeichneten TE-Ereignisse, die an den Schirmauskreuzungen K1-K2, K2-K3 und K1K3 der Crossbonding-Muffe durch induktive Signalauskopplung bei beidseitiger Zuschaltung der Kabelstrecke unter Last erfasst worden sind. Aufgrund einer fehlerhaften Prüfspannungserfassung am Messort ist die absolute Phasenposition der aufgezeichneten TE-Muster unbekannt, sie kann jedoch anhand der sinusförmigen Cluster erahnt werden. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 109 Abbildung 98: Fingerprint-Darstellung (0° - 360°), Messung an den drei Schirmauskreuzungen Durch die Variation der Schaltzustände in beiden beteiligten Umspannwerken (z. B. einseitige Speisung) konnte nachgewiesen werden, dass der Ursprung der TE-Impulse nicht auf der Kabelstrecke oder in den Garnituren lag. Die Möglichkeit einer empfindlichen TE-Messung durch Auskopplung an den Crossbonding-Verbindungen konnte jedoch davon unabhängig durch die erfolgreiche Aufzeichnung von TE-Mustern demonstriert werden. 6.7.3.2.2 TE-Messung an einer 220-kV-Kabelanlage mit externer Schirmauskreuzung Wenige Tage nach der Inbetriebnahme einer VPE-isolierten 220-kV-Kabelanlage im Stadtgebiet von Kairo traten trotz bestandener Spannungsprüfungen wiederholt Muffenfehler auf, die zum Durchschlag und damit zum Ausfall der Kabelanlage führten. Die Demontage der zerstörten Muffen ließ auf Montagefehler schließen und lieferte Anzeichen für vorangegangene innere TE-Aktivität. Nach der erneuten Instandsetzung der Kabelanlage sollte eine Spannungsprüfung mit paralleler TE-Messung durchgeführt werden, um die Montagequalität der Garnituren zu beurteilen. 110 In Neue Auskoppelverfahren und Sensoren enger Zusammenarbeit mit dem Muffenhersteller wurden vorbereitende Labormessungen durchgeführt, um die zu erwartende Empfindlichkeit der TE-Messung mit induktiver Signalauskopplung an den Crossbonding-Verbindungen innerhalb der Crossbonding-Box zu ermitteln. An einer kompakten Versuchsanlage (s. Abbildung 99) bestehend aus Kabelkurzstücken, Wasserendverschlüssen und einer Crossbonding-Muffe des in Kairo eingesetzten Typs, konnte im Werk des Herstellers zudem eine IEC-konforme Kalibrierung der induktiven Sensoren durch eine zusätzliche TE-Auskopplung an einem Koppelkondensator vorgenommen werden. Die Dämpfung des Hochspannungskabels konnte dabei aufgrund der kurzen verwendeten Längen und der niedrigen Messfrequenz von < 1 MHz vernachlässigt werden. a) Versuchsaufbau mit Messtechnik (schematisch) b) Induktive Auskopplung in CB-Box Abbildung 99: Laboraufbau zur Kalibrierung der induktiven Sensoren an 220-kV-VPE-Kabelmuffen Bei Variation der Mittenfrequenz des digitalen TE-Messsystems wurden die Ausgangssignale des vorher kalibrierten induktiven TE-Sensors mit den Ladungswerten der Testimpulseinspeisung auch für den nicht IEC-konformen Frequenzbereich verglichen, da die TE-Messungen vor Ort aufgrund der zu erwartenden geringeren Störbeeinflussung in diesem höheren Frequenzbereich durchgeführt werden sollten. Die messtechnisch ermittelte Frequenzabhängigkeit des Versuchsaufbaus für Frequenzen oberhalb von 1,5 MHz zeigt Abbildung 100 am Beispiel der auskoppelbaren Amplituden an den Crossbonding-Verbindungen M1 und M2 innerhalb der Crossbonding-Box. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 111 250 5 M1 200 4 M2 M2 / M1 3 100 2 50 1 Q [pC] Ratio M2/M1 150 0 0 1,5 2,5 3,5 4,5 5,5 6,5 7,5 8,5 f [MHz] Abbildung 100: Frequenzabhängigkeit der TE-Auskopplung Unter Berücksichtigung des bekannten, relativ flach verlaufenden Frequenzganges des induktiven Sensors im betrachteten Frequenzbereich kann davon ausgegangen werden, dass der Versuchsaufbau selbst einen erheblichen Einfluss auf die zu messenden Amplituden bei der Signalauskopplung darstellt und ursächlich für die Frequenzabhängigkeit und auch für die unterschiedlichen Messwerte der beiden Sensoren (s. Verhältnis M2 zu M1 in Abbildung 100) verantwortlich ist. So fällt die bei ca. 2,5 MHz zu erkennende erste Überhöhung im Graphen von M2 mit der λ/4-Resonanz der 15 Meter langen Crossbonding-Zuleitung zwischen Muffe und Auskreuzbox zusammen (bei angenommenen 150 m/µs Impulsausbreitungsgeschwindigkeit). Ebenso kann die zweite Überhöhung der Messkurven bei ca. 5,8 MHz und bei ca. 6,35 MHz den ca. 6 Meter und ca. 5,9 Meter langen Kabelteilstücken zwischen Muffe und Endverschlüssen zugeordnet werden. Es wurde daher beschlossen, auch bei der Vor-Ort-Messung trotz der großen Kabellängen und der damit verbundenen Impulsdämpfung vom Freiluftendverschluss bis zum Messort (Muffe) eine Testsignaleinspeisung mit 2000 pC am zugänglichen nahen Kabelende vorzunehmen und die Frequenzabhängigkeit der Gesamtanordnung erneut zu betrachten. Abbildung 101 zeigt den entsprechenden Aufbau für die Vor-Ort-Kalibrierung schematisch. 112 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Abbildung 101: Vor-Ort-Kalibrierung der Auskopplung Die in einer Entfernung von 500 Metern aufgezeichneten Ladungsamplituden an Muffengruppe 8 sind in Abbildung 102 in Abhängigkeit der Mittenfrequenz des TEMesssystems für die drei Phasen (blue, yellow, red) dargestellt. 2000 1800 1600 M 8 b lu e M 8 y e llo w M 8 re d 1400 Q [pC] 1200 1000 800 600 400 200 0 3 4 5 6 f [M H z ] Abbildung 102: Frequenzabhängigkeit der Ausgangssignale vor Ort 7 8 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 113 Im Frequenzbereich um ca. 3 MHz ist die maximale Amplitude für alle drei TE-Sensoren zu erzielen. Auch in diesem Fall stimmt die optimale Messfrequenz mit der zugehörigen λ/4-Resonanz der ca. 12 Meter langen Crossbonding-Zuleitungen von Muffengruppe 8 überein. Die minimalen Differenzen bei der Position der Maxima zwischen den Messwerten der drei Phasen können dabei auf die verschiedenen CrossbondingZuleitungslängen aufgrund versetzter Muffenpositionen innerhalb der Muffengrube zurückgeführt werden. Dabei kamen für die Crossbonding-Muffen aller Muffengruppen und Phasen nach Angaben des Muffenherstellers und Verantwortlichen der ordnungsgemäßen Errichtung der Crossbonding-Anlagen Zuleitungslängen von 8 Metern bis 24 Metern zum Einsatz. Aufgrund der Untersuchungen zur Frequenzabhängigkeit wurde für die durchzuführenden TE-Messungen eine Mittenfrequenz von 4 MHz gewählt. Für diese Messfrequenz ist eine nahezu einheitliche Bewertung des Ladungspegels für alle drei Phasen bzw. für alle drei Crossbonding-Brücken gewährleistet. Die Wahl einer Messfrequenz oberhalb der beobachteten Maxima Störunterdrückung wurde äußerer auch hinsichtlich Fremdeinflüsse der durch zu die erwartenden besseren Signaldämpfung des Hochspannungskabels begründet. Zur Reduzierung des zeitlichen und gerätetechnischen Messaufwandes (verfügbare Anzahl von TE-Erfassungseinheiten und ausreichend langen LWL-Verbindungen) wurde beschlossen, jeweils drei der 8 Muffengruppen des Kabelsystems synchron zu messen und dann nach Abschluss eines Messzyklus die gesamte Messtechnik um eine oder zwei Muffenpositionen Mehrfachmessungen vorzurücken. mancher Die Muffen daraus sollten als resultierenden redundante eventuellen Information die Messsicherheit vergrößern. Dabei wurde die durch Kontrollmessungen bestätigte Annahme zu Grunde gelegt, dass TE-Fehler einer einzelnen Muffe an allen CrossbondingVerbindungen der zugehörigen Auskreuzbox und Muffengruppe phasenübergreifend detektiert werden können. Daher wurde lediglich ein einzelner induktiver Sensor um eine der Verbindungsbrücken innerhalb der Auskreuzbox montiert (s. Abbildung 99 b), welcher nachweislich ausreichend sensitiv für TE-Fehler aller drei Phasen ist. Es wurde vereinbart, bei ersten Anzeichen von TE an einer Muffengruppe die laufende TE-Messung zu unterbrechen, um die Sensoren aller Schirmbrücken zu montieren und dann mit erhöhter Messempfindlichkeit bei allen Phasen fortzufahren. Für diesen Fall kann auch eine lineare Verbindung der Crossbonding-Brücken innerhalb der Auskreuzbox (nur bei einseitiger 114 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Speisung, ohne Lastfluss) und damit eine vollständige Entkopplung der drei Phasen zur Steigerung der Aussagekraft der TE-Messung vorgenommen werden. Die TE-Erfassungseinheiten der räumlich 500 Meter weit auseinander liegenden benachbarten Muffengruppen der Kabelanlage wurden durch spezielle LWL (stahlummantelt, Militärstandard) miteinander optisch verbunden und durch das digitale Mehrstellenmesssystem (PC) synchronisiert (s. Abbildung 103). Abbildung 103: Messstrategie bei Vor-Ort-Messung Bei auftretenden TE-Signalen kann so durch die Berücksichtigung der ausbreitungsbedingten Amplitudenabnahme von einer Muffengruppe zur nächsten eine Fehlerortung vorgenommen werden. Eine Fehlerortung durch Laufzeitanalyse war zum Zeitpunkt der Messungen nicht möglich, da aufgrund der neuartigen Erfassungshardware die notwendige Synchronisation der einzelnen TE-Erfassungseinheiten mit der erforderlichen Genauigkeit im µs-Bereich bei LWL-Verbindungen über einige hundert Meter noch nicht fehlerfrei implementiert war. Abbildung 104 zeigt eine der beteiligten potenzialfrei arbeitenden Erfassungseinheiten und die Anbindung der Muffengrube über Lichtwellenleiter. Neue Auskoppelverfahren und Sensoren a) TE-Erfassungseinheit mit Messimpedanz und Akku 115 b) LWL-Verbindung zur potenzialfreien Kommunikation Abbildung 104: LWL-Verbindung der Erfassungseinheiten Abbildung 105 zeigt tabellarisch die Zusammenfassung der aufgezeichneten Fingerprints aller 8 Muffengruppen. 116 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren MG8 MG4 MG7 MG3 MG6 MG2 MG5 MG1 Abbildung 105: Fingerprints (0° - 360°) der 8 CB-Muffen Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 117 An den Messpositionen der Muffengruppen MG8 und MG7 wurden TE-Pegel von ca. 15 pC bzw. 10 pC detektiert. Die erkennbare Abnahme des Pegels von MG8 hin zu MG7 deutet darauf hin, dass es sich dabei um einen externen TE-Störer handelt, der von TE-behafteten Komponenten im speisenden Umspannwerk einkoppelt. Ab der Messposition MG6 ist dieser Störer aufgrund des größer werdenden Abstandes und der daraus resultierenden Kabeldämpfung oberhalb der Messempfindlichkeit von < 10 pC nicht mehr messbar. Bei beidseitiger Speisung der Kabelstrecke ist von der anderen Kabelseite betrachtet ebenfalls über die Distanz von zwei Muffengruppen bis hin zur Messposition MG2 der störende Einfluss des zweiten Umspannwerkes messbar, hier ohne erkennbare TE-Muster durch die Anhebung des allgemeinen Rauschbandes auf ca. 20 pC. An diesen beiden Muffengruppen wurden daher ergänzende Messungen bei 1,6 MHz bzw. 1,7 MHz Messfrequenz durchgeführt, die ohne Anzeichen von TE-Aktivität eine Empfindlichkeit von < 10 pC erreichten. Durch die Variation der Schaltzustände (linksseitige, rechtsseitige, beidseitige Speisung) konnte die Quelle der aufgezeichneten TE-Impulse eindeutig mit TE-behafteten Komponenten in den Umspannwerken in Zusammenhang gebracht werden. Die montierten Crossbonding-Muffen wurden daher als TE-frei eingestuft und sind seit der erneuten Inbetriebnahme im Anschluss an die TE-Messung fehlerfrei in Betrieb. Eine empfindliche TE-Auskopplung an den Crossbonding-Verbindungen der Kabelanlage durch induktive Sensoren konnte durch diese Vor-Ort-Messung erfolgreich demonstriert werden. 6.7.3.2.3 TE-Messung an einer 132-kV-Kabelanlage mit externer Schirmauskreuzung In Zusammenarbeit mit dem IPH-Berlin wurden im Rahmen einer ResonanzWechselspannungsprüfung (49,4 Hz) TE-Messungen an einer 132-kV-VPE-Kabelanlage im südwest-europäischen Raum durchgeführt. Die als Doppelsystem ausgeführte Kabelstrecke hat eine Gesamtlänge von 3185 Metern und ist durch zwei CrossbondingMuffen nach 1100 Metern und nach 2200 Metern in drei ungefähr gleich lange Teilsegmente unterteilt. Im letzten Teilsegment ist eine zusätzliche Durchgangsmuffe bei 2652 Metern montiert. Der Anschluss der Prüfspannungsquelle erfolgte an den Freiluftendverschlüssen der Masteinführung der Kabelstrecke. Die Auskopplung der TEImpulse erfolgte bei verschiedenen Messfrequenzen (2,56 MHz, 6 MHz, 7 MHz) induktiv mit HF-Transformatoren an der externen Crossbonding-Verbindung der Muffengruppe 1 (CB joint 1), wobei aufgrund der einphasigen Spannungsprüfung die Schirmverbindung 118 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren linear wieder hergestellt worden war. Abbildung 106 zeigt den schematischen Aufbau der Kabelstrecke, Abbildung 107 zeigt die Realisierung der TE-Auskopplung innerhalb der Crossbonding-Box mit den durchverbundenen Kabelschirmen. Abbildung 106: Schema der Kabelanlage 3 4 1 2 5 Abbildung 107: TE-Signalauskopplung in der Crossbonding-Box 1: TE-Erfassungseinheit, 2: Akku, 3: HF-Trafo, 4: Prüfspannungssynchronisation, 5: LWL zum Messrechner Bei den durchgeführten TE-Messungen an der Crossbonding-Muffe 1 wurden fünf der sechs Phasen des Doppelsystems trotz TE-Aktivität als TE-frei eingestuft. Die detektierten TE-Impulse dieser Phasen ließen aufgrund ihrer festgestellten Phasenlage auf externe Störer (Koronaentladungen an den Hochspannungszuleitungen und an Aufbauelementen des Kabelmastes) schließen. Eine Variation der Mittenfrequenz des digitalen TEMesssystems konnte diesen Sachverhalt bestätigen. Mit ansteigender Messfrequenz nahm die an der Muffengruppe 1 detektierte messbare Ladung ab. Diese frequenzabhängige Abnahme der TE-Amplitude lässt den Schluss zu, dass die detektierten Impulse eine lange Wegstrecke von ihrem Ursprungsort bis zum Messort Neue Auskoppelverfahren und Sensoren 119 zurückgelegt haben, da sich die hochfrequenten Signalanteile der TE-Impulse aufgrund der mit zunehmender Kabellänge wirksameren Kabeldämpfung stärker reduzieren als tieferfrequente Signalanteile. Ein TE-Fehler in direkter Nähe zum Messort ist damit auszuschließen. Abbildung 108 a) zeigt die aufgezeichneten Fingerprints des externen Koronastörers auf Phase „blue“ des zweiten Kabelsystems und die Abnahme der Amplitude mit steigender Messfrequenz. a) Externer Störer, Ladungsabnahme b) Interner TE-Fehler, keine Ladungsabnahme Abbildung 108: Einfluss der Messfrequenz auf die Ladungswerte 120 Neue Auskoppelverfahren und Sensoren Die TE-Messung der sechsten Phase (System 2, Phase „red“) ergab einen internen TEFehler mit Ladungswerten im Nanocoulomb-Bereich. Die Variation der Messfrequenz ergab dabei nahezu konstante Ladungsamplituden (s. Abbildung 108 b). Die verschiedenen Frequenzanteile der TE-Impulse konnten nahezu ungedämpft erfasst werden, was darauf schließen lässt, dass keine nennenswerte Ausbreitung entlang der Kabelstrecke stattgefunden hat. Die Nähe des vermuteten TE-Fehlers zum Messort (Muffe CB1) in Kombination mit den gemessenen hohen Ladungswerten bei lediglich 1,4facher Nennspannung führt zu der Annahme, dass es sich um einen Gleitentladungsfehler innerhalb der Muffe CB1 handelt, der den Weiterbetrieb der Kabelanlage gefährden kann. Dem Betreiber der Kabelanlage wurde daraufhin empfohlen, die Muffe zu bergen bzw. zu öffnen und damit die Ergebnisse der TE-Messung zu bestätigen. Auf Wunsch des Betreibers der Kabelanlage wurde zusätzlich zur implementierten TEMesstechnik über einen externen Koppelkondensator (8 nF) am Kabelende ausgekoppelt und mit einem weiteren kommerziellen TE-Messsystem (ICMcompact) im IEC-konformen Frequenzbereich von < 1 MHz gemessen. Aufgrund der enormen geometrischen Ausmaße der Hochspannungsverbindungen zur Kontaktierung von Prüfspannungsquelle und Koppelkondensator mit der Masteinführung konnte hier aber nur ein ungünstig hoher Grundstörpegel erreicht werden, der eventuell auftretende ladungsschwache TE-Impulse aus der Kabelanlage überlagern würde. Die Entladungen im nC-Bereich konnten hingegen sicher detektiert werden. Ähnliche Fingerprint-Darstellungen für diesen Fehlertyp bestätigten zudem die Messergebnisse der empfindlicheren TE-Auskopplung durch HFTransformatoren an den Crossbonding-Verbindungen. TE-Ortung durch Echometrie 121 7 TE-Ortung durch Echometrie In vorangegangenen Kapiteln dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass TE-Impulse an Crossbonding-Verbindungen empfindlich ausgekoppelt werden können. Zur genaueren TE-Analyse konnten mit den so gewonnenen Informationen Fingerprints und 3PARDDarstellungen generiert werden, die auf die Art des TE-Fehlers und dessen Ursprung schließen ließen. Im Folgenden soll darüber hinaus auf die Möglichkeiten der TE-Ortung durch Echometrie eingegangen werden, die, unabhängig vom Fehlertyp, eine genaue Lokalisierung des Fehlerortes in Kabelanlagen durch die Betrachtung einzelner TEImpulse und deren Reflexionen ermöglicht, sofern diese durch die HF- Dämpfungseigenschaften des Kabels aus dem Grundrauschen separierbar sind. Das Verfahren der Echometrie ist für Messungen an den Kabelenden bereits seit langem etabliert. Für die Auskopplung der TE-Signale an den Muffen einer Kabelanlage jedoch müssen spezielle Betrachtungen angestellt werden. 7.1 Grundlagen der TE-Fehlerortung auf Energiekabelanlagen Aufgrund der Wanderwelleneigenschaften von elektromagnetischen Impulsen auf Leitungen breiten sich TE-Signale zu beiden Seiten der Fehlerstelle mit der materialabhängigen Ausbreitungsgeschwindigkeit vTE aus. An Diskontinuitäten des Wellenwiderstandes erfolgen dabei Reflexionen bzw. Transmissionen. Neben den Verbindungsmuffen (und auch neben besonderen Kabelfehlern mit Einfluss auf die Kabelgeometrie oder Querleitfähigkeit) stellen hauptsächlich die hochfrequenzmäßig leer laufenden Kabelenden eine solche Diskontinuität dar. Hier erfolgt eine Totalreflexion des Impulses, der somit seine Ausbreitungsrichtung umkehrt und zurück durch das Kabel läuft. Diese Reflexionsvorgänge wiederholen sich in der Theorie unendlich oft. In der Praxis ist nach einigen wenigen Reflexionsvorgängen der Impuls soweit gedämpft oder aufgrund der Dispersion in seiner maximalen Amplitude soweit reduziert, dass dieser aus dem Grundrauschen nicht mehr zu selektieren ist. Bei der klassischen TE-Messung erfolgt eine Auskopplung der Impulse an einem der meist zugänglichen Kabelenden (über einen Koppelkondensator). Bei einer Messung im Zeitbereich werden dabei der Originalimpuls und seine Reflexionen erfasst. Der zeitliche Abstand dieser gemessenen Impulse ist aufgrund der als konstant angenommen 122 TE-Ortung durch Echometrie Ausbreitungsgeschwindigkeit vTE auf dem Energiekabel direkt in eine Entfernungsangabe umzurechnen. So ergibt nach Gleichung 5 die Zeitdifferenz Δt des ersten Impulspaares (Originalimpuls und erste Reflexion) den potenziellen Fehlerort lFehler, gemessen vom messfernen Ende der Kabelstrecke. lFehler = vTE ⋅ Δt 2 Gleichung 5 Für die Fehlerentfernung gemessen vom Standort des Messsystems ergibt sich dann unter Berücksichtigung der Kabellänge L nach Gleichung 6 ein entsprechender Fehlerort. ⎛v ⎞ lFehler = L − ⎜ TE ⋅ Δt ⎟ ⎝ 2 ⎠ Gleichung 6 Durch die Berücksichtigung vieler TE-Impulse ergibt sich so ein statistisch abgesicherter Bereich (bei Mehrfachfehlern mehrere Bereiche) mit einer erhöhten Fehlerwahrscheinlichkeit [Kre93]. Da Reflexionsvorgänge an allen Diskontinuitäten des Wellenwiderstandes und nicht nur an den Kabelenden auftreten, überlagern sich im Reflektogramm zusätzlich Teilreflexionen von Verbindungsmuffen, die eine eindeutige Auswertung der entstehenden Graphen erschweren können. Bei Mischkabelstrecken mit Kabelsegmenten verschiedenen Wellenwiderstandes treten ähnliche Effekte auf. Bei TE-Pegeln geringer Amplitude sind diese Einflüsse meist zu vernachlässigen. Bei der Kalibration hingegen können diese Effekte sogar hilfreich sein, da bei der Verwendung eines amplitudenstarken Kalibrationssignals ein Muffenplan der zu untersuchenden Kabelstrecke messtechnisch erstellt werden kann. Die Kenntnis der Muffenpositionen ermöglicht unter Einbeziehung existierender Pläne der Netzbetreiber eine Konzentration auf diese Stellen als potenzielle TE-Fehlstellen. In der Praxis unterscheidet sich die Dokumentationsqualität der Kabelnetzbetreiber erheblich voneinander, so dass im Extremfall die Muffenpositionen vor der Messung nicht bekannt sind und durch eine Echometrie bestimmt werden sollten. Abbildung 109 zeigt Reflektogramme eines TE-Fehlers und die Ergebnisse der Muffenbestimmung durch Kalibration. TE-Ortung durch Echometrie a) TDR eines TE-Fehlers 123 b) Reflexionen durch Muffen bei Kalibration Abbildung 109: Typische Reflektogramme Es ist deutlich zu erkennen, dass die Amplituden des TE-Signals und der aufgezeichneten Reflexionen eines einzelnen TE-Fehlers in erster Näherung exponentiell abnehmen (s. Abbildung 109 a). Bei Teilreflexionen durch Stoßstellen sind die Signalamplituden hingegen deutlich geringer (s. Abbildung 109 b) und werden zeitlich in ihrer Amplitude nur solange kleiner, bis wiederum eine Totalreflexion vom Kabelende auftritt. Diese Totalreflexion (falls messbar) kann dabei als Kontrollkriterium (Messzeit entspricht doppelter Kabellänge) für eine fehlerfreie Messung herangezogen werden. 7.2 Besonderheiten bei der Auskopplung an Crossbonding-Stellen Bei Kabelanlagen mit SF6-isolierten Einführungsendverschlüssen ist es aufgrund der mangelnden Zugänglichkeit im Allgemeinen nicht möglich, eine TE-Auskopplung an den Kabelenden vorzunehmen. Wie bereits beschrieben, besteht jedoch bei CrossbondingKabelsystemen die Möglichkeit, TE-Signale an den Schirmtrennstellen bzw. an den Auskreuzstellen in den Crossbonding-Boxen zu erfassen und eine klassische auf Echometrie basierende Fehlerortung vorzunehmen. Aufgrund der im Vergleich zur TEErfassung an den Kabelenden zwangsläufig veränderten Beobachtungsposition ergeben sich jedoch Oszillogramme von TE-Impulsen und deren Reflexionen, die zwar eine große 124 TE-Ortung durch Echometrie Ähnlichkeit zu den bekannten Darstellungen aufweisen (und damit zu Fehlinterpretationen bezüglich des Fehlerortes führen können), jedoch u. U. völlig anders zu interpretieren sind. Neben der bereits aus der klassischen Echometrie mit Messstandort am Kabelende bekannten Zeitdifferenz Δt, die in Korrelation zum TE-Fehlerort steht, tritt bei den Messungen mit beliebigem Messort eine weitere charakteristische Zeitdifferenz auf, die über die bekannte Umrechnung mittels Impulsausbreitungsgeschwindigkeit vTE den Abstand des Messstandortes selbst zum Kabelende beschreibt, so dass eine Unterscheidung dieser beiden verschiedenartigen Zeitdifferenzen durch Indizes sinnvoll ist. ΔtFehler soll dabei die Zeitdifferenz mit Relevanz für den Fehlerort, ΔtMessort die Zeitdifferenz mit Relevanz für den Messort bezeichnen. Bei der TE-Messung an beliebiger Position ergeben sich so i. A. zwei verschiedene Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2, die anfänglich nicht direkt dem Messort oder dem Fehlerort zuzuordnen sind. Da aber in der Regel die Messposition bekannt ist, kann eine der beiden Zeitdifferenzen eindeutig als zum Standort gehörend identifiziert werden. Die andere Zeitdifferenz ist somit der gesuchte Wert für die Bestimmung des Fehlerortes, der sich nach Gleichung 7 berechnet. lFehler = vTE ⋅ Δt Fehler 2 Gleichung 7 Für die ermittelte Fehlerentfernung ist jedoch der Bezugspunkt von großer Bedeutung. Im Gegensatz zur Ortung mit Messposition an einem der Kabelenden ist der Referenzort für Entfernungsangaben nicht allein aus den bekannten Gleichungen zu ermitteln. Hier ist es vielmehr so, dass bei der Identifizierung der Beobachtungsposition durch die Zuordnung einer der beiden Zeitdifferenzen auch das entsprechende Kabelende (z. B. UW1) vermerkt werden muss, auf das sich die Zeitdifferenz ΔtMessort bezieht. Die verbleibende zweite Zeitdifferenz ΔtFehler gibt dann zwangsläufig den Abstand des Fehlerortes zum entgegengesetzten Kabelende (z. B. UW2) an. Nachfolgende Simulationen und Messungen sollen diese Zusammenhänge verdeutlichen. TE-Ortung durch Echometrie 125 7.2.1 Rechnersimulation verschiedener Beobachtungs- und Fehlerpunkte Zur Verifizierung der im Vorfeld angestellten theoretischen Überlegungen wurden Laufzeitberechnungen mit der Simulationssoftware PSpice durchgeführt. Energiekabel wurden hierbei durch ihren Wellenwiderstand und ihre zeitliche Länge (Impulslaufzeit) als verlustfreie Leitungen (Simulationselement T) nachgebildet. Zur Nachbildung des Wellenwiderstandsprunges von Verbindungsmuffen wurden ohmsche Längswiderstände zwischen die Leitungssegmente eingebracht. Die Verwendung von fünf Kabelsegmenten mit Längen von 400 ns bis 600 ns und die Verwendung von vier Verbindungsmuffen erlaubte dabei eine Beobachtung an sechs verschiedenen Positionen bei einem für alle Untersuchungen fest stehenden TE-Fehlerort an Position 3. Abbildung 110 zeigt die simulierte Schaltung. Abbildung 110: Simulationsschaltung zur TE-Ortung durch Echometrie Abbildung 111 fasst die Simulationsergebnisse grafisch zusammen. 126 TE-Ortung durch Echometrie Δt1 Δt2 Abbildung 111: Simulationsergebnisse zur TE-Ortung durch Echometrie Zur Bestimmung der Fehlerposition werden die Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 aus den Graphen 1 bis 6 der Simulationsergebnisse benötigt. In den Plots sind neben den gewünschten eingekreisten Impulsen und den Reflexionen von den Kabelenden auch kleinere Impulse zu erkennen. Diese Impulse entstehen durch die parasitären Teilreflexionen an den Verbindungsmuffen und sind somit auch bei realen Messungen zu erwarten. Durch die Wahl des Längswiderstandes in der Simulation kann die Amplitude dieser parasitären Impulse beeinflusst werden. So kann z. B. auch untersucht werden, ab welchem Widerstandswert (entsprechend dem Reflexionsfaktor der realen Muffe) eine eindeutige Zuordnung der benötigten Zeitdifferenzen Δt nicht mehr möglich ist. Tabelle 2 fasst die Ergebnisse zusammen. TE-Ortung durch Echometrie 127 Messort Δt1 [ns] Δt2 [ns] Δt1 - Bezug Δt2 - Bezug 1 2700 5000 Fehlerort - rechtes Ende Messort - linkes Ende 2 1200 2700 Messort - linkes Ende Fehlerort - rechtes Ende 3 2300 2700 Messort - linkes Ende Fehlerort - rechtes Ende 4 1700 2300 Messort - rechtes Ende Fehlerort - linkes Ende 5 800 2300 Messort - rechtes Ende Fehlerort - linkes Ende 6 2300 5000 Fehlerort - linkes Ende Messort – rechtes Ende Tabelle 2: Zusammenfassung der Simulationsergebnisse Die Beobachtung der Impulse von den Positionen 1 und 6 entspricht der klassischen Echometrie an den Kabelenden und wird im Anschluss betrachtet. Beobachtungsposition 2 beschreibt hingegen einen typischen Fall für eine TEAuskopplung in einer Muffe und soll hier näher erläutert werden. Die erste auftretende Zeitdifferenz Δt1 wird mit 1200 ns ausgemessen und entspricht damit der doppelten Kabellaufzeit ΔtMessort der bekannten Beobachtungsposition 2 zum linken Kabelende. Die zweite ausgemessenen Zeitdifferenz Δt2 entspricht mit 2700 ns somit der gesuchten doppelten Laufzeitdifferenz ΔtFehler und liefert nach Gleichung 7 die Fehlerdistanz zum rechten Kabelende. Ebenso kann für Beobachtungsposition 3 verfahren werden. Obwohl hier Messort und TEFehlerort zusammenfallen, kann nach demselben Schema zur Bestimmung der Fehlerposition vorgegangen werden. Die erste Zeitdifferenz beschreibt den Abstand des Messortes zum linken Kabelende, die zweite Zeitdifferenz beschreibt den Abstand des Fehlerortes zum rechten Kabelende. Gleiches gilt für die Beobachtungspositionen 4 und 5. Hier entspricht die gemessene erste Zeitdifferenz Δt1 der bekannten doppelten zeitlichen Entfernung des Messortes betrachtet vom rechten Kabelende. Demzufolge beschreibt die zweite Zeitdifferenz Δt2 in beiden Fällen über Gleichung 7 den Fehlerabstand vom linken Kabelende. Wie schon oben angeführt, stellen die Beobachtungspositionen 1 und 6 Sonderfälle dar, da sie der klassischen Echometrie durch Messung an den Kabelenden entsprechen. Eine Fehlerortbestimmung kann also nach den bekannten Verfahren und Formeln erfolgen. Dennoch soll zur Verdeutlichung der Allgemeingültigkeit des für beliebige 128 TE-Ortung durch Echometrie Beobachtungspositionen entwickelten Lösungsansatzes gezeigt werden, dass auch diese Sonderfälle mit der beschriebenen Betrachtung abgedeckt werden können. Bei Beobachtungsposition 1 wird mit der zweiten Zeitdifferenz von Δt2 = 5000 ns exakt die doppelte Kabellaufzeit festgestellt. Diese Zeit beinhaltet dabei keine relevante Information, beschreibt sie doch lediglich das zweifache Durchlaufen des TE-Impulses durch die Kabelanlage. Wichtig ist jedoch, dass damit die erste Zeitdifferenz Δt1 die gesuchte Längeninformation für den Fehlerort beinhalten muss. Da der Messort in diesem Fall eindeutig dem linken Ende der Kabelanlage zuzuordnen ist, bezieht sich die rechnerisch gewonnene Entfernungsangabe für den TE-Fehler auf die Distanz gemessen vom rechten Kabelende. Für die auf der Gegenseite gelegene Beobachtungsposition 6 gilt demnach dasselbe. Δt1 beinhaltet die Entfernungsinformation in Bezug auf das nun linke Kabelende. Anhand der durchgeführten Simulationen konnte gezeigt werden, dass durch die zeitliche Erfassung der ersten zwei Zeitdifferenzen des Impuls-Reflektogrammes einer TEMessung eine eindeutige Bestimmung des Fehlerortes möglich ist. Der Zeitraum bis zur Erfassung des dritten Impulses, der für die Bildung der zweiten Zeitdifferenz benötigt wird, ist dabei im Vergleich zur klassischen Echometrie an den Kabelenden nicht größer. Es muss lediglich ein Zeitfenster bis zur doppelten Kabellaufzeit zur Auswertung berücksichtigt werden. Die Qualität der Messung ist damit in Bezug auf Messempfindlichkeit und Ortungsschärfe mit der klassischen Messung vergleichbar. 7.2.2 Wichtige Sonderfälle Bei den Simulationsuntersuchungen ist aufgefallen, dass es bei gewissen symmetrischen Aufbauvariationen zu Problemen bei der eindeutigen Zuordnung der relevanten Zeitdifferenzen kommen kann. Dies gilt im Besonderen, wenn die Impulslaufzeiten vom Messort zum Kabelende und vom Fehlerort zum Kabelende annähernd gleich sind. Dieser Fall liegt in der Praxis vor, wenn z. B., wie bei einer Crossbonding-Kabelanlage üblich, Kabelsegmente annähernd gleicher Länge verwendet worden sind. Bei drei ähnlich langen Kabelteilstücken und zwei Muffen je Phase kann es vorkommen, dass sich verschieden gerichtete Impulsanteile eines TE-Fehlers durch die Symmetrien im Aufbau am Messort zeitgleich überlagern, so dass eine Separierung in die geforderten Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 nicht ohne weiteres möglich ist. Abbildung 112 zeigt den Aufbau für die Simulationsuntersuchungen zu dieser Problematik. TE-Ortung durch Echometrie 129 Abbildung 112: Simulationsschaltung zur TE-Ortung durch Echometrie Für die Teillängen der drei Kabelsegmente wurde eine Laufzeit von ca. 500 ns gewählt. Die Einzelsegmente unterscheiden sich dabei jedoch bewusst mit jeweils 10 ns um 2 %, damit die im Zeitbereich zusammenfallenden Reflexionen weiterhin unterscheidbar bleiben. Die Einspeisung des Fehlerimpulses erfolgte in Muffe 1, Beobachtungsposition war Muffe 2. Abbildung 113 zeigt den simulierten Zeitverlauf. Abbildung 113: Simulationsergebnisse zur TE-Ortung durch Echometrie, Schaltung n. Abbildung 112 Nachdem der erste Impuls deutlich zu erkennen ist, fällt bei der Betrachtung des weiteren Zeitverlaufes auf, dass die Folgeimpulse eng beieinander liegen und im ungünstigsten Fall (exakt gleiche Teillängen der Kabelsegmente) sogar aufeinander liegen oder miteinander verschmelzen können, wie z. B. auch bei unzureichender Messbandbreite. Die 130 TE-Ortung durch Echometrie Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 sind somit nahezu gleich, was jedoch die oben beschriebene systematische Fehlerortbestimmung nicht negativ beeinflusst. An dieser Stelle ist es jedoch von größter Relevanz, das Impulspaket letztlich als zwei Einzelimpulse zu erkennen und aufzulösen. Die Einbeziehung eines weiteren Impulses oder von folgenden Impulspaketen würde zu einer fehlerhaften Erfassung der Zeitdifferenz Δt2 und damit zu einer Fehlinterpretation des Messergebnisses führen. Für den Fall, dass der TE-Fehler an der Beobachtungsposition auftritt, ist eine eindeutige Unterscheidung der drei benötigten Impulse wiederum leicht möglich. Abbildung 114 zeigt das simulierte Oszillogramm für diesen Fall. Abbildung 114: Simulationsergebnisse TE-Ortung, TE-Fehler am Beobachtungspunkt Die Impulse 1, 2 und 3 haben nahezu den gleichen zeitlichen Abstand zueinander. Lediglich die parasitären Komponenten der Teilreflexionen an den Muffen, wie z. B. der zeitlich direkt vor Impuls 2 erkennbare Peak, können sich den Originalimpulsen überlagern. Aufgrund ihrer geringen Amplitude ist dies jedoch an dieser Stelle nicht von Bedeutung und beeinflusst die Fehlerortbestimmung nicht. 7.2.3 Modellmessungen an Messleitungen Zur messtechnischen Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse wurde eine erste Messreihe an einem einfachen Aufbau aus koaxialen Messleitungen (vTE = 2/3 c0) durchgeführt. Zur Nachbildung einer Crossbonding-Kabelanlage mit drei nahezu gleich TE-Ortung durch Echometrie 131 langen Teilsegmenten wurden Messleitungen mit den Teillängen L1 = 33,3 Meter, L2 = 30,8 Meter und L3 = 28 Meter durch BNC-Kupplungen zu einer Gesamtlänge von 92,1 Metern miteinander verbunden. Die Teillängen wurden dabei bewusst nicht exakt gleich lang gewählt, um, wie auch schon bei der Simulation, eventuell auftretende Überlagerungsprozesse durch Symmetrien bei diesen Modellmessungen zu vermeiden. Es wurden Messungen an allen vier möglichen Auskoppelpositionen durchgeführt. Die Einspeisung eines nachgebildeten TE-Signals erfolgte durch einen steilen Kalibrationsimpuls ebenfalls an den vier möglichen Einkoppelorten. Die Messergebnisse bestätigen die gewonnenen Simulationsergebnisse. An dieser Stelle soll dabei lediglich die bereits in der Simulation als kritischer Sonderfall bestimmte Konfiguration mit Messort in Muffe 1 und mit TE-Fehlerort in Muffe 2 näher beschrieben werden, bei der es bei gleichen Kabelteillängen zu Interpretationsschwierigkeiten bei der Auswertung der Oszillogramme kommen kann. Abbildung 115 a) zeigt das entsprechende Reflektogramm. a) Mess- und Fehlerort in verschiedenen Muffen b) Mess- und Fehlerort in Muffe 1 Abbildung 115: Reflektogramme zur Fehlerortung Die Zeitdifferenzen Δt1 = 282 ns und Δt2 = 333 ns führen über die bekannte Ausbreitungsgeschwindigkeit zu Distanzen von 28 Metern und 33 Metern, wobei letztere den bekannten Abstand vom Messort zum linken Kabelende angibt. Damit ist die Fehlerposition mit 28 Metern vom rechten Kabelende eindeutig auf die Muffenposition 2 festgelegt. Eine eindeutige Separierung der beiden Signalpeaks im Oszillogramm ist in diesem Fall möglich gewesen. 132 TE-Ortung durch Echometrie 7.2.4 Modellmessungen an der Mittelspannungs-Versuchsanlage Zur weiteren Annäherung an realitätsnahe Aufbauten wurden Messungen zur TE-Ortung an verschiedenen Beobachtungspositionen an der Mittelspannungs-Modellanlage des Institutes durchgeführt. Hier sind die zu erwartenden Ausbreitungsverhältnisse aufgrund des Wellenwiderstandes von ca. 30 Ω und der auftretenden Reflexionsstellen an den Crossbonding-Modellmuffen komplexer. Auch der in Kapitel 6.7.1 beschriebene, zum Teil polaritätsumkehrende Einfluss des Crossbonding-Muffenabganges auf die Signale am Messort ist wirksam und beeinflusst die Darstellung. Zur Nachbildung einer klassischen Crossbonding-Kabelanlage wurden drei ungefähr gleich lange verfügbare Mittelspannungs-Kabelsegmente der Längen L1 = 14 Meter, L2 = 16 Meter und L3= 16 Meter, sowie zwei Crossbonding-Modellmuffen miteinander verschaltet. Das Crossbonding wurde dabei aufgehoben (Kurzschlusskappe, bzw. lineare Verbindung in CB-Box), so dass der Versuch einphasig durchgeführt werden konnte. In einer ersten Messreihe wurde der eingespeiste Testimpuls direkt an den CrossbondingAbgängen der Muffen erfasst. Hier wird die Pulspolarität entsprechend den Vorüberlegungen in Kapitel 6.7.1 beeinflusst. In einem zweiten Messzyklus wurde, wie auch bei zukünftigen Vor-Ort-Messungen vorgesehen, an der nachgebauten Crossbonding-Box induktiv ausgekoppelt. Der beschriebene Polaritätseinfluss wird in diesem Fall durch die Richtungsabhängigkeit der induktiven Signalauskopplung kompensiert. Ein positiver Impuls in Vorwärtsrichtung wird am verwendeten HFTransformator ebenso wie ein negativer Impuls in Gegenrichtung mit demselben positiven Vorzeichen bewertet. Wie auch schon beim oben beschriebenen einfachen Kabelmodell sollen an dieser Stelle lediglich anhand des kritischen Sonderfalles mit möglicher Signalüberlagerung (Messung in MG1, TE-Fehler in MG2 bei gleichen Kabelteillängen) die Oszillogramme zur Fehlerortung exemplarisch gezeigt werden. Die Bestimmung der Fehlerposition erfolgt dabei nach bekanntem Schema. TE-Ortung durch Echometrie 133 a) Messung am CB-Abgang b) Induktive Auskopplung in CB-Box Abbildung 116: Oszillogramme der Fehlerortung Es ist zu erkennen, dass bei beiden Messvarianten die Impulsreflexionen trotz der bereits erklärten verschiedenen Polaritäten zu nahezu gleichen Zeitpunkten auftreten. Die Breite der einzelnen Impulse in Teil b der Abbildung weisen dabei deutlich auf die durch das Bandpassverhalten der HF-Transformatoren bedingte reduzierte Messbandbreite der induktiven Signalauskopplung hin. Aufgrund der geringen Kabellängen der Modellanordnung überlagern sich hier die Impulse und Reflexionen teilweise, so dass sich geringfügige Unterschiede bei der Messung der Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 ergeben, die den Messort und den Fehlerort beschreiben. Bei realen Kabelanlagen großer Länge ist das Auftreten dieser Überlagerungseffekte nicht zu erwarten, so dass das beschriebene Auskoppelverfahren auch bei TE-Messungen und Fehlerortungen vor Ort Anwendung finden kann. 7.3 TE-Fehlerortung an Hochspannungskabelanlagen vor Ort Bei der bereits in Kapitel 6.7.3.2.3 beschriebenen TE-Messung an einer 132-kV-VPEKabelanlage im südwest-europäischen Raum konnte durch die Auswertung der Fingerprints und durch die Variation der Messfrequenzen ein interner TE-Fehler am Messort selbst nachgewiesen werden. Darüber hinaus kann durch die Betrachtung von einzelnen TE-Impulsen und deren Reflexionen an den Kabelenden durch Echometrie die Fehlerposition exakt bestimmt werden. Dazu werden, wie schon oben beschrieben, die Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 der ersten drei detektierten Impulse benötigt. Abbildung 117 zeigt eine statistische 134 TE-Ortung durch Echometrie Zusammenfassung der bei der Vor-Ort-Messung aufgezeichneten Oszillogramme der Einzelimpulse mit den zugehörigen Reflexionen. Die Darstellungen sind durch einen am Institut entwickelten Algorithmus, der Plausibilitätsbetrachtungen wie Impulspolarität und Ladungsverhältnisse berücksichtigt, nach Abschluss der TE-Messungen offline erzeugt worden [Kal05]. Das benutzte Verfahren ist dadurch leistungsfähiger und weitaus weniger störanfällig als die in die Online-Messsoftware implementierte TE-Fehlerortung. t1 t2 Abbildung 117: Statistische Auswertung der Zeitdifferenzen oben: Ladung [nC] über Zeitdifferenz, unten: Häufigkeit über Zeitdifferenz Neben dem Ursprungsimpuls zum Zeitpunkt t0 (hier nicht dargestellt) sind die durch die offenen Kabelenden bedingten Reflexionsimpulse zu den Zeiten t1 und t2 zu erkennen. Zusätzlich ist in zeitlicher Nähe zu t1 eine Teilreflexion an einer Muffe messbar, die im Vergleich zur zeitlich nachfolgenden Totalreflexion vom Kabelende eine deutlich kleinere Amplitude besitzt. Für die Fehlerortbestimmung ist diese Teilreflexion nicht notwendig, kann jedoch als zusätzliches Kontrollkriterium angeführt werden. Die für die Fehlerortbestimmung benötigten Zeitdifferenzen werden zu Δt1 = 12,6 µs und Δt2 = 23,67 µs ermittelt. Bei einer messtechnisch ermittelten Ausbreitungsgeschwindigkeit von 174,6 m/µs repräsentiert die Zeitdifferenz Δt1 somit mit 2200 Metern die doppelte Entfernung des Messortes (Muffe CB1) zum linken Kabelende. Nach der zuvor beschriebenen Systematik zur Bestimmung des Fehlerortes repräsentiert somit die Zeitdifferenz Δt2 den Fehlerort, gemessen vom rechten Kabelende. Die ermittelten TE-Ortung durch Echometrie 135 Faktoren ergeben eine rechnerische Entfernung von 2066 Metern vom rechten Kabelende. Nach den Angaben des Anlagenbetreibers liegt die Muffe CB1 in einer Entfernung von 2085 Metern vom rechten Kabelende und ist somit Ursprung der TE-Impulse. Diese Annahme wird durch die schon in Kapitel 6.7.3.2.3 beschriebene Eingrenzung des TEFehlers durch Variation der Messfrequenz auf den Nahbereich des Messortes unterstützt. Der hohe gemessene TE-Pegel von mehreren Nanocoulomb Impulsladung spricht auch für einen Muffenfehler, da ein TE-Fehler im VPE-Kabel bei diesen hohen Ladungspegeln nach einstündiger Messdauer ausgeschlossen werden kann. Eine genauere Berechnung des Fehlerortes unter Einbeziehung von Messtoleranzen und Unsicherheiten bei der Impulsausbreitungsgeschwindigkeit führt zu einem Fehlerbereich von -15 Metern bis +51 Metern um die vom Anlagenbetreiber angegebene Position von Muffe CB1. Da jedoch davon ausgegangen werden kann, dass sich der TE-Fehler direkt innerhalb der Muffe befindet, weisen die ermittelten Toleranzwerte darauf hin, dass die Angaben des Kabelanlagenbetreibers zu den Längen der Kabelteilsegmente und zu den Muffenpositionen nicht exakt sind. Vielmehr scheint es so, dass die Muffe CB1 um einige zehn Meter weiter rechts liegt als angegeben, also nahezu exakt an der ermittelten Fehlerposition. Diese Vermutung wird durch die Berücksichtigung des in Abbildung 117 zum Zeitpunkt t = 11,2 µs erkennbaren und bereits angesprochenen Teilreflexionsimpulses einer weiteren Muffe unterstützt. Dieser kleinere Impuls entsteht durch die Teilreflexion des nach rechts laufenden TE-Impulses an der Muffe CB2 und fällt bei Symmetrie der Teilsegmente mit dem größeren Impuls zeitlich zusammen. Da dieser Impuls jedoch früher am Messort eintrifft als der vom linken Kabelende totalreflektierte Impuls t1, muss die durchlaufene Distanz auf dem mittleren Kabelsegment geringer sein als die Distanz auf dem ersten Teilsegment. Dies kann u. a. dann der Fall sein, wenn die Fehlerposition, und damit die Muffe CB1, um einige zehn Meter weiter rechts liegt als in der Dokumentation verzeichnet. Am Beispiel dieser Vor-Ort-TE-Messung konnte gezeigt werden, dass die in Simulation und Modellmessungen gewonnenen Erkenntnisse auch unter gestörten Messbedingungen auf Hochspannungskabelanlagen zu übertragen sind. Eine präzise TE-Fehlerortung ist neben der klassischen TE-Ortung am Kabelende somit auch an weiteren Auskoppelorten möglich, speziell an den Crossbonding-Muffen bzw. Auskreuzkästen durch die Verwendung von Hochfrequenztransformatoren zur induktiven Signalauskopplung. 136 TE-Ortung durch verteilte Sensorik 8 TE-Ortung durch verteilte Sensorik Zur Erzielung eines größtmöglichen Informationsgewinnes ist als Weiterführung der TEAuskopplung an einer einzelnen geeigneten Muffe die synchrone TE-Auskopplung an mehreren zugänglichen Auskoppelstellen einer Energiekabelanlage denkbar (s. Abbildung 118). Abbildung 118: Prinzip der synchronen Mehrstellenmessung (schematisch) Zu diesem Zweck wurden die von der Fa. mtronix hergestellten synchronen digitalen Mehrstellen-TE-Messsysteme des Institutes eingesetzt und dabei auf ihre Vor-Ort-Eignung zur hoch präzisen Absolutzeiterfassung hin untersucht. Hierzu wurde die zeitgleiche TEAuskopplung an allen 22 Garnituren pro Phase einer 400-kV-VPE-Kabelanlage erprobt, bei der ein Messsystem des Typs MPD 540 verwendet wurde, welches bei einer räumlichen Verteilung von ca. 20 km über eine optische LWL-Verbindung die synchron gewonnenen Daten der insgesamt verwendeten 24 autonomen TE-Erfassungseinheiten akquirieren kann. Besteht keine Möglichkeit einer direkten Verbindung der Erfassungseinheiten durch LWL, kann durch externe Synchronisationsmechanismen eine zeitgleiche Messung durchgeführt werden [Wie03] [Ama02] [Wie04]. Zu diesem Zweck wurden auch erste experimentelle Untersuchungen an einer ca. 10 km langen Mittelspannungskabelstrecke in Berlin durchgeführt, bei der zwei voneinander unabhängige TE-Messsysteme vom Typ MPD 540 nachträglich präzise synchronisiert werden konnten [Kum05] [Kum05b]. Für Laufzeituntersuchungen muss der geometrische Abstand der Sensoren immer in äquivalente Zeitabstände umgerechnet werden. Diese Zeitabstände sind abhängig von den frequenzabhängigen Ausbreitungsgeschwindigkeiten auf den Kabelteillängen und TE-Ortung durch verteilte Sensorik 137 nicht zwangsläufig trivial zu ermitteln. Besonders bei Mischstrecken von VPE-isolierten Kabeln mit Übergangsmuffen auf Kabel mit getränkter Papierisolierung ist diese Umrechnung problematisch und Teil eines weiteren Forschungsvorhabens am Institut. Ein TE-Fehler hinterlässt beim Durchlaufen der Kabelstrecke und damit beim Durchlaufen der einzelnen Sensoren jedoch immer eine charakteristische zeitliche Signatur, mit deren Hilfe man auf den Ursprungsort des Impulses schließen kann. Besondere Vorteile sind durch den Einsatz von verteilter Sensorik bei der Fehlerortung zu erzielen. Wenn ein TE-Fehler zwischen zwei Sensoren einer Kabelstrecke auftritt, kann seine Position durch die Auswertung der Laufzeitdifferenzen zu beiden Messstellen bestimmt werden. Als Beispiel aus der UHF-Messtechnik kann hier der Einsatz von zwei Richtkopplersensoren links und rechts einer Verbindungsmuffe angeführt werden, bei dem eine cm-genaue Feinortung des TE-Fehlers möglich ist. Im Gegensatz zur klassischen Echometrie (TDR) ist man dabei nicht auf die Erfassung von am Kabelende reflektierten Impulsen angewiesen, die insgesamt eine lange Wegstrecke auf dem dämpfenden Kabel zurücklegen müssen. Für einen TE-Fehler am messfernen Kabelende kann die zu durchlaufende Strecke bis zur Messung der zur Auswertung benötigten ersten Reflexion somit maximal die dreifache Kabellänge betragen. Die TE-Fehlerortung mit verteilter Sensorik hingegen kommt ohne die Erfassung von Reflexionen aus, da die auf einem Energiekabel nach rechts laufende und die nach links laufende Komponente eines TEFehlerimpulses direkt gemessen werden können (s. Abbildung 119). l x Messsystem 1 t0 x=l/2 - Δt1,2*v/2 Messsystem 2 t2 t1 t0 - Zeitpunkt des TE-Ereignisses t1,2 - Messzeitpunkte des TE-Ereignisses bezogen auf t0 Abbildung 119: TE-Fehlerortung durch Messung an beiden Kabelenden 138 TE-Ortung durch verteilte Sensorik Die maximal zu durchlaufende Strecke beträgt hier für den ungünstigsten Fall (je ein Sensor an beiden Kabelenden, TE-Fehler an einem der beiden Kabelenden) die einfache Kabellänge. Die TE-Messempfindlichkeit kann damit im Vergleich zur klassischen Ortung durch Echometrie wesentlich erhöht werden. 8.1 Synchrone TE-Messung mit verteilter Sensorik An einer VPE-isolierten 400-kV-Kabelanlage mit 20 Muffen und einer Gesamtlänge von 20 km wurden im Rahmen der Inbetriebnahmeprüfung TE-Messungen an kapazitiven Sensoren der Garnituren durchgeführt. Durch teilweise redundante Aufzeichnung von Messdaten kamen dabei insgesamt bis zu 25 TE-Erfassungseinheiten zum Einsatz, so dass ein Netzwerk verteilter Sensorik entstanden ist. Durch die Auswertung der Messdaten an den verschiedenen Punkten entlang der Kabelstrecke kann eine TEFehlerortung durch Amplitudenvergleich bzw. Laufzeitvergleich erfolgen. TE-Ortung durch verteilte Sensorik 139 8.1.1 TE-Fehlerortung durch Amplitudenvergleich Abbildung 120 zeigt die an verschiedenen Orten aufgezeichneten Fingerprints einer äußeren TE-Fehlstelle am Kabelanfang (Drahtversuch, Korona, 50 kV), an denen die deutliche Abnahme der TE-Amplitude mit steigendem Abstand von der TE-Quelle festgestellt werden kann. a) Endverschluss, kapazitiver Sensor b) Muffe 1 c) Muffe 2 d) Muffe 3 e) Muffe 4 f) Muffe 5 Abbildung 120: Abnehmende Amplitude mit wachsender Entfernung von Fehlerort 140 TE-Ortung durch verteilte Sensorik Bereits nach fünf durchlaufenden Kabelteillängen von insgesamt ca. 5000 Metern sind ab Muffe 5 bei der gewählten Messfrequenz von 5 MHz keine TE-Impulse oberhalb des Rauschbandes zu erkennen. Es ist zu erwarten, dass sich für TE-Fehler innerhalb einer Muffe ein Amplitudenabfall zu beiden Seiten der fehlerbehafteten Garnitur ergibt. Durch die Variation der Messfrequenz kann dabei die Beobachtungsdistanz zu beiden Seiten eines Sensors je nach Bedarf vergrößert oder verkleinert werden. Der Amplitudenvergleich kann bei TE-Messungen mit verteilter Sensorik also zur Ermittlung des TE-Fehlerortes herangezogen werden. Dieses Verfahren stellt damit eine sinnvolle Weiterentwicklung der bereits in Kapitel 6.4.2 (TE-Messung an 220-kV-GIS-Einführungsendverschluss) beschriebenen TE-Ortung durch Amplitudenvergleich an einem einzelnen Messort dar. 8.1.2 TE-Fehlerortung durch Echometrie Das in Kapitel 7.2 vorgestellte Verfahren der Echometrie an verschiedenen Beobachtungspunkten zur Fehlerortung durch Ermittlung der ersten und der zweiten Laufzeitdifferenz kann für die durchgeführte Messung aufgrund der großen Kabellänge von 20 km nur bedingt zur Anwendung kommen. Wie schon in den FingerprintDarstellungen in Abbildung 120 zu erkennen, wird ein TE-Impuls beim Durchlauf durch die Kabelstrecke erheblich gedämpft, so dass die Totalreflexion vom fernen Ende schwer nachweisbar bzw. nicht eindeutig zeitlich zuzuordnen ist. Abbildung 121 zeigt die statistische Analyse der aufgezeichneten TE-Daten direkt am Einführungsendverschluss der Kabelanlage. TE-Ortung durch verteilte Sensorik 141 Abbildung 121: Auswertung der Zeitdifferenzen zur TE-Fehlerortung, Standort EV Das Histogramm (Achsenbezeichnung „count“) der auftretenden Zeitdifferenzen zeigt, dass die Teilreflexionen von der ersten Muffe dominieren. Bei einer angenommenen Ausbreitungsgeschwindigkeit von 169 m/µs und einer Zeitdifferenz von ca. 11 µs ergibt sich der entsprechende Abstand von ca. 1 km. In äquidistanten Abständen sind die Teilreflexionen der folgenden Muffen zu erkennen. Hier reduziert sich die Anzahl der erfassten TE-Ereignisse in der Histogramm-Darstellung, da einige der reflektierten Impulse aufgrund der geringen Amplitude von Störern bzw. Grundrauschen überlagert sind und so 142 TE-Ortung durch verteilte Sensorik nicht immer erkannt werden. Die Betrachtung der Ladungswerte (Diagramm „charge“) des jeweils ersten Impulses bzw. die Betrachtung des Verhältnisses vom ersten Impuls zur Reflexion (Diagramm „ratio“) bestätigen diese Annahme. Während die Amplitude des ersten Impulses jeweils als nahezu konstant anzusehen ist (s. waagerechte Markierung im Diagramm „charge“), steigt das Verhältnis von Ursprungsimpuls q1 zu Reflexion q2 an (s. Markierung im Diagramm „ratio“), was mit einer stetigen Abnahme der Amplitude des reflektierten Impulses gleichbedeutend ist. Ab der 13. Muffe ist keine eindeutige Zuordnung des reflektierten Impulses zum Ursprungsimpuls mehr möglich. Erst bei der Reflexion vom fernen Kabelende, bei der es sich im Gegensatz zur Teilreflexion an einer Muffe um eine Totalreflexion mit größerer Amplitude handelt, kann erneut eine Distanzbestimmung vorgenommen werden. Bei einer Zeitdifferenz von ca. 225 µs ist eine erhöhte Anzahl von detektierten Impulsen im Histogramm zu verzeichnen, die zudem mit der für den ersten Impuls bekannten konstanten Amplitude im Diagramm „charge“ korreliert. Das Kabelende kann somit messtechnisch ermittelt werden. Für TE-Fehler mit unbekanntem Ort auf der Kabelstrecke ist diese Methode jedoch aufgrund des Auftretens von mehreren eng beieinander liegenden lokalen Maxima nicht zuverlässig anwendbar. An dieser Stelle soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass in der FingerprintDarstellung schon ab der fünften Muffe kein Impuls mehr aus dem Grundrauschen separiert werden konnte. Abbildung 122 zeigt die Zeitdifferenzauswertung des künstlichen äußeren TE-Fehlers, beobachtet an Muffe 11. Diese Muffe befindet sich mit einem Abstand von ca. 9 km vom Kabelanfang ungefähr in der Mitte der Kabelanlage. TE-Ortung durch verteilte Sensorik 143 Abbildung 122: Auswertung der Zeitdifferenzen zur TE-Fehlerortung, Standort Muffe 11 Wiederum ist eine Häufigkeitsdominanz bei ca. 11 µs zu erkennen (absolutes Maximum). Diese Impulsansammlung repräsentiert in diesem Fall die beiden Teilreflexionen der Muffen 10 und 12 links und rechts des Beobachtungspunktes, die den gleichen zeitlichen Abstand zum in Muffe 11 detektierten Ursprungsimpuls (vom Kabelanfang) aufweisen. Äquidistant folgen wiederum Teilreflexionen der nächsten Muffen. Bei einer Zeitdifferenz Δt1 von ca. 107 µs (s. erste Markierung) ist eine relative Verdopplung bei den lokalen Maxima in der Häufigkeitsdarstellung zu erkennen. Diese Auffälligkeit ist auch in der Ladungsdarstellung (s. Markierung im Diagramm „charge“) zu erkennen. Eine weitere Auffälligkeit ist wie auch schon in der vorangegangenen Betrachtung bei Δt2 = 225 µs (s. zweite Markierung) durch die Totalreflexionen am Kabelende zu erklären. Nach der im Kapitel 7.2 vorgestellten Methodik zur TE-Fehlerortbestimmung bei beliebiger Beobachtungsposition ist die Zeitdifferenz Δt1 der Messposition zuzuordnen. Nach Umrechnung über die Ausbreitungsgeschwindigkeit ergibt sich eine Distanz von ca. 18 km, was der doppelten Entfernung des Messortes zum rechten Kabelende 144 TE-Ortung durch verteilte Sensorik entspricht. Damit entspricht die gemessene Zeitdifferenz Δt2 der gesuchten Fehlerposition am Kabelanfang (mit ca. 40 km der doppelte Abstand zum linken Kabelende). Die exemplarische Auswertung der Zeitdifferenzen an Messposition M11 hat gezeigt, dass das vorgestellte Verfahren zur TE-Fehlerortung an beliebigen Beobachtungspunkten auch vor Ort erfolgreich angewendet werden kann. Einschränkend muss jedoch an dieser Stelle angeführt werden, dass die eindeutige und sichere Ermittlung der benötigten Zeitdifferenzen Δt1 und Δt2 aufgrund der großen Kabellänge nicht immer möglich ist, so dass in einigen Fällen die Fehlerortung ohne weitere mathematische Nachbearbeitung der Messdaten (z. B. [Qua05] [Zha05]) nicht erfolgen kann. 8.1.3 TE-Fehlerortung durch Laufzeitvergleich zwischen benachbarten Messorten Um eine Unabhängigkeit von Reflexionen und den damit zwangsläufig verbundenen langen Laufdistanzen der TE-Impulse zu erreichen, ist eine Eingrenzung eines TE-Fehlers zwischen zwei Auskoppelorten möglich. Hier ist die Gesamtlänge der Kabelanlage nicht von Bedeutung, da lediglich eine oder mehrere Teillängen überwacht werden müssen. Durch die Bildung von Zeitdifferenzen des Ursprungsimpulses zwischen verschiedenen Messstationen (anstelle der Bildung von Zeitdifferenzen von TE-Impuls und Reflexion an einer einzelnen Messstation) kann eine Ortung zwischen den beiden Messstationen auf der Basis von relativ großen ungedämpften Signalamplituden vorgenommen werden. Zur Überwachung einer Muffe N werden dazu die TE-Laufzeitdaten der Messstationen an der Muffe N-1 und der Muffe N+1 miteinander verglichen. Dabei weisen Impulse von außerhalb des Überwachungsbereiches (also nicht aus der Muffe N kommend) eine immer konstante Laufzeitdifferenz entsprechend dem bekannten Abstand der beiden Messorte auf. Bei TE-Fehlern innerhalb des Überwachungsbereiches ist die zu ermittelnde Zeitdifferenz kleiner als der bekannte zeitliche Abstand zwischen den zwei Messorten. Ein TE-Fehler aus der exakt zwischen den Messorten liegenden Muffe N hätte dabei eine Zeitdifferenz nahe Δt = 0 zur Folge und wäre damit sicher zu detektieren. Abbildung 123 zeigt exemplarisch die Auswertung der durch den äußeren TE-Fehler verursachten Zeitdifferenzen zwischen den Messstationen der Muffen 11 und 12. TE-Ortung durch verteilte Sensorik 145 Abbildung 123: Auswertung der Zeitdifferenzen M11 zu M12 Das ausgeprägte lokale Häufigkeitsmaximum bei ca. 5 µs entspricht dabei dem zeitlichen Abstand der beiden Sensoren und deutet somit auf einen TE-Fehler außerhalb des Überwachungsbereiches hin. Wiederum sind die schwachen äquidistanten Teilreflexionen der Nachbarmuffen zu erkennen. Die Auswertung weiterer Sensorpaare führt zu gleichen Ergebnissen. Die vorzeichenrichtige Auswertung der Laufzeitdifferenzen zwischen Einführungsendverschluss und erster Muffe ergeben dabei eindeutig den bekannten Fehlerort am Kabelanfang. Es konnte gezeigt werden, dass durch die Bildung von Laufzeitdifferenzen einzelner Sensorpaare der eingeschlossene Bereich auf TE-Aktivität überwacht werden kann. Aufgrund geringer parasitärer Einflüsse und relativ großer Signalamplituden kann eine eindeutige Fehlerortung durch verteilte Sensorik erfolgreich realisiert werden. 146 TE-Ortung durch verteilte Sensorik 8.2 Zeitgleiche Messung durch nachträgliche Synchronisation Bei großen räumlichen Distanzen ist eine synchrone Einbindung von mehreren TEErfassungseinheiten durch Lichtwellenleiter in ein Gesamtsystem verteilter Sensorik oft nur mit sehr hohem Aufwand oder sogar gar nicht möglich. Es werden dazu eine Vielzahl optischer Kommunikationsfasern von jeweils mehreren hundert Metern Länge benötigt, die dann dem Verlauf der Kabelstrecke folgend miteinander verbunden werden müssen. Während diese LWL-Verbindung bei einer tunnelverlegten Kabelanlage vor äußeren Einflüssen gut geschützt ist, kann bei einer oberirdischen Verlegung eine Beschädigung der Kommunikationsverbindung während der Messdauer von z. T. mehreren Tagen nicht ausgeschlossen werden. So ist z. B. bei der in Kapitel 6.7.3.2.2 beschriebenen TEMessung in Nordafrika eine der über 500 Meter langen, durch die Innenstadt von Kairo verlegten LWL-Verbindungen im Kreuzungsbereich zweier Hauptstraßen durch einen überhohen Lastwagenaufbau von den provisorisch aufgestellten Masten gerissen und letztlich zerstört worden. Durch eine ersatzweise vorgehaltene Reservelänge konnte die Messung trotzdem erfolgreich beendet werden. Die Möglichkeit einer synchronen Zweistellen-TE-Messung mit unabhängigen Messsystemen an beiden Kabelenden ist ein im Folgenden beschriebener Ansatz zur Vergrößerung der Empfindlichkeit von TE-Messung und -Ortung bzw. der maximal überwachbaren Kabellänge. Der untersuchte Ansatz beruht darauf, eine nicht unter Prüfspannung stehende Kabelader des 3-Phasen-Systems zur Synchronisation zu nutzen und dabei mittels eines Trägersignals an beiden Kabelenden eine Zeitverankerung zweier für sich hochpräzise arbeitender, synchroner Mehrstellen-TE-Messsysteme zu erreichen. Die zu bildenden Zeit-Ladungs-Matrizen der Synchronisationskanäle unterscheiden sich nur um die bekannte Laufzeit des Trägersignals in der Synchronisationsphase, so dass die zeitlich noch nicht korrelierten Messdatensätze nachträglich auf eine gemeinsame Zeitbasis gebracht werden können. Dieses Verfahren vergrößert den für die Fehlerortung überwachbaren Bereich gegenüber der herkömmlichen Echometrie um den Faktor 2. Gleichermaßen kann dieses Verfahren auch zu einer synchronen Mehrstellen-TEMessung an mehreren Verbindungsmuffen bzw. Crossbonding-Muffen nahezu unbegrenzt erweitert werden. Wesentliche Voraussetzung für die Untersuchungen ist ein hochauflösendes synchrones Mehrstellen-TE-Messsystem, wie das bereits beschriebene MPD 540, welches eine nahezu vollständig digitale Verarbeitung der TE-Signale realisiert. TE-Ortung durch verteilte Sensorik 147 8.2.1 Synchronisation durch TTL-Signal Für erste Laboruntersuchungen zur Erzeugung einer Zeitreferenz wurden baugleiche Impulsgeber (Kal 1, Kal 2) verwendet, die mittels TTL-Signal extern triggerbar sind. Die Genauigkeit des Triggerzeitpunktes der beiden Impulsgeber ist in Abbildung 124 dargestellt. Abbildung 124: Triggerzeitpunkt zweier baugleicher, extern triggerbarer Impulsgeber Die Übertragung eines Rechtecksignals (TTL-Signals) auf einem Energiekabel führt aufgrund von Dämpfung und Dispersion zu einer Verformung der relativ steilen Flanke. Eine mögliche Abhilfemaßnahme stellt die Aufbereitung des verformten Rechtecks am Kabelende mittels Differenzspannung einer Basiskomparatorschaltung zwischen Rechtecksignal und dar, bei einstellbarer der eine positive Referenzspannung leerlaufverstärkt und am Ausgang auf 5 V begrenzt wird. Alternativ kann statt des Rechtecksignals ein Sinussignal (z. B. 10 Vpp, 0,1 Hz) auf dem Energiekabel übertragen werden, aus dem an beiden Kabelenden ein TTL-Signal zur Triggerung der Impulsgeber mittels Komparatorschaltung erzeugt wird. Grundlegender Nachteil elektronischer Schaltungen ist allerdings ein vorhandener Zeitjitter durch die Zusammenschaltung verschiedener Halbleiterbauelemente, das zudem von äußeren Einflüssen wie Temperatur und Feuchte abhängig ist. 8.2.2 Synchronisation durch Pulsinjektion Die direkte Übertragung eines Impulses über das Energiekabel als Zeitanker erfordert eine ausreichende Signalamplitude und eine möglichst wählbare Impulswiederholfrequenz 148 TE-Ortung durch verteilte Sensorik (Auswahl geeigneter Zeitfenster zur Synchronisierung). In Laboruntersuchungen wurden daher kommerziell erhältliche Impulsgeber (z. B. LDJ-5, Fa. LDIC und CAL501, Fa. mtronix) mit einer Ladung von 10 nC und einer Pulsfolge von 0,1 Hz bis 1 MHz erprobt und später vor Ort eingesetzt. 8.2.3 Versuchsstrecke zur Vor-Ort-Untersuchung Die Untersuchungen zu einer synchronen Zweistellen-TE-Messung konnten an einem 30kV-Kabel durchgeführt werden. Die Länge der Kabelstrecke betrug laut Verlegeplan etwa 9,4 km. Es handelte kunststoffisoliertem sich Kabel hierbei und um aus eine Mischstrecke, ca. 80 % die aus ca. 20 % Masse-Papier-isoliertem Kabel (Höchstädterkabel) besteht. Damit wird deutlich, dass Dämpfung und Dispersion von hochfrequenten Impulsen bei der Ausbreitung auf dem Kabel wesentlich durch die Eigenschaften der Öl-Papier-isolierten Abschnitte bestimmt werden. Darüber hinaus besitzt die Strecke eine Vielzahl an Verbindungs- bzw. Übergangsmuffen, die als Stellen mit Wellenwiderstandsänderungen ebenfalls zu Impulsveränderungen führen. Für die Untersuchungen war von großem Vorteil, dass beide Kabelenden sich in einem Umspannwerk in einer Entfernung von etwa 50 Meter befanden. Dadurch wurde ein direkter Vergleich einer synchronen Zweistellen-TE-Messung bei verschiedenen Methoden der Synchronisierung der Messdaten möglich. 8.2.4 Messverfahren 8.2.4.1 Grundgedanke der synchronen Mehrstellen-TE-Messung an Kabelanlagen Bei der Verwendung zweier autarker, aber gleichartiger Messsysteme, erfolgt eine Synchronisierung mittels eines unabhängigen exakten Zeitnormals. Exakte Synchronisation bedeutet für die Messung an Kabelanlagen eine Genauigkeit von maximal 100 ns, die etwa einer akzeptablen Ortungsgenauigkeit von 10 Metern bis 20 Metern entspricht. Dazu können Atomuhren oder das GPS verwendet werden. Atomuhren mit der geforderten Genauigkeit von etwa 100 ns sind sehr teuer und unterliegen zudem stark äußeren Einflüssen, wie Temperatur oder Magnetfeldern. Die Anwendung des GPS kann zwar die minimal gewünschte Genauigkeit der Synchronisation erzielen, erfordert aber freie Sicht auf Satelliten oder eine aufwändige Antennenkonstruktion in Nähe des zu prüfenden Betriebsmittels. Des Weiteren muss das GPS-Zeitsignal mittels geeigneter Hardware dem Messsystem bzw. der Messsoftware zugeführt werden. TE-Ortung durch verteilte Sensorik 149 In einem weiteren Ansatz wird auf die unter Prüfspannung stehende Phase einseitig ein Impuls eingespeist und als Synchronisator zweier unabhängiger Datenerfassungssysteme genutzt [Wie03] [Wie04]. Die dabei erzielte Ortungsgenauigkeit entspricht der bei Synchronisierung mittels GPS. Allerdings muss bei diesem Verfahren eine Messeinheit sowohl Synchronisationsimpuls als auch echte TE des Betriebsmittels empfindlich messen und unterscheiden können, was u. U. hohe Anforderungen an den Dynamikbereich der Digitalisierung stellen kann. 8.2.4.2 Synchronisierung mittels Trägersignal Das untersuchte neuartige Verfahren (s. Abbildung 125) zur Synchronisierung der Messsysteme basiert darauf, eine nicht unter Prüfspannung stehende Kabelader des 3Phasen-Systems als Synchronisationsphase zu nutzen. Phase 1 (Testphase) Phase 2 (Synchronisationsphase) NF (z.B. 0,1Hz) Phase 3 TTL (0...5V) oder Sinus 10Vpp tM1 tM2 lKabel qTE1 qTE2 AC (HS) AC (HS) M1_1 Messsystem 1 tM1 tM2 qSync qSync M2_1 Messsystem 2 Abbildung 125: Prinzip synchrone Mehrstellen-TE-Messung mittels Trägersignal In diese Phase wird ein Trägersignal an einem Kabelende eingespeist und erreicht das andere Kabelende entsprechend der Kabellaufzeit mit ausreichender Amplitude. Dieses Trägersignal kann ein niederfrequentes und damit auf dem Energiekabel nur gering gedämpftes Sinus- bzw. Rechtecksignal sein. Das Trägersignal löst an beiden Kabelenden periodisch je einen extern triggerbaren Impulsgeber aus. Die zwei unabhängigen Messsysteme an beiden Kabelenden ermitteln einen Datensatz mit Zeitpunkt und Ladung 150 TE-Ortung durch verteilte Sensorik der durch das Trägersignal ausgelösten Synchronisierimpulse. Diese Methode hat den Vorteil, dass eine Impulsverformung bei direkter Ausbreitung auf dem Energiekabel vermieden wird. Wird ein Synchronisierimpuls direkt über die Synchronisationsphase als Zeitanker übertragen, muss dieser eine ausreichende Amplitude besitzen, um am fernen Kabelende empfindlich gemessen werden zu können. Beeinflussungen des Synchronisationssignals, beispielsweise durch die Prüfspannung, sowie durch damit eventuell verbundene Entladungen in der Testphase, sind jedoch, je nach Art der Überkopplung, deutlich geringer als bei gleichzeitiger Nutzung der Testphase zur Synchronisierung. Gleichzeitig wird die unter Prüfspannung stehende Testphase an beiden Kabelenden mit je einer weiteren Station des synchronen Messsystems auf TE-Ereignisse überwacht. Beide Stationen eines einzelnen Messsystems haben dabei die gleiche Zeitbasis, so dass für jedes Kabelende Zeit-Ladungs-Matrizen entstehen. Die im allgemeinen unterschiedlichen Zeitbasen der beiden Messsysteme werden dadurch synchronisiert, dass ausgehend vom ersten Synchronisierimpuls und unter Berücksichtigung der bekannten Trägersignallaufzeit auf der Kabellänge die Zeit tM2 in eine Zeit tM2’ umgerechnet wird, wobei tM2’ = tM1 + lKabel/vp. Das mit einer festen Wiederholfrequenz dauerhaft in die Synchronisationsphase eingespeiste Trägersignal tritt periodisch an beiden Kabelenden bzw. Messsystemen auf, so dass aus den dadurch entstehenden Zeitfenstern eine Umrechnung der Zeitbasis tM2 in tM2’ möglich wird. Die Bestimmung der TE-Fehlerorte erfolgt dann anhand der Zeiten tM1(TE) und tM2’(TE) unter Berücksichtigung von Kabellänge und Ausbreitungsgeschwindigkeit. Ein entscheidender Vorteil dieses Verfahrens ist es, dass durch die freie Wahl der Messparameter der verschiedenen Stationen eine optimale Empfindlichkeit bei der Detektion von TE aus dem Betriebsmittel erzielt werden kann. Die nachträgliche Synchronisation der Messdaten erfolgte zum Zeitpunkt der vorbereitenden Labor- und Vor-Ort-Messungen offline durch ein in Visual-Basic programmiertes Auswertetool. Dieses Programm greift dabei auf die MatLab-kompatiblen Datensätze des digitalen TE-Messsystems zurück. Beim sequenziellen Durchlaufen aller Impulse der vier beteiligten Erfassungseinheiten werden dabei die beiden Synchronisationsspalten auf nicht zur Messung gehörende Störimpulse untersucht, die dann aus den Listen entfernt werden. Eventuell nicht aufgezeichnete Synchronisationsimpulse werden durch lineare Interpolation ergänzt. Bei Verlust von mehr TE-Ortung durch verteilte Sensorik 151 als einem Synchronisationsimpuls in Folge wird der gesamte Datensatz als unbrauchbar deklariert. Nach der oben beschriebenen Vorgehensweise werden daraufhin beide Synchronisationsspalten der getrennten Messsysteme aneinander angeglichen. Für die entstehenden Zeitfenster zwischen zwei aufeinander folgenden Synchronisationsimpulse werden lineare Interpolationsfunktionen generiert, die dann auf die entsprechenden TEMessdaten der zugehörenden Zeitfenster angewendet werden. Annäherungen mit Polynomfunktionen höheren Grades brachten an dieser Stelle keinen zusätzlichen Gewinn an Genauigkeit und wurden zugunsten kleinerer Programmrechenzeiten verworfen. Über die gesamte Messdauer wird so die Zeitgenauigkeit der TE-Daten nachträglich ausreichend konstant gehalten. Dieses aufwändige manuelle Vorgehen soll für zukünftige Messungen mit zwei getrennten Messsystemen in ein online-taugliches Verfahren umgewandelt werden. Dieses kann jedoch ausschließlich vom Hersteller des digitalen Messsystems realisiert werden und wird an dieser Stelle nicht weiter verfolgt. 8.2.4.3 Ergebnisse der Vor-Ort-Erprobung In einem Referenzversuch sollte unter Verwendung eines einzelnen Messsystems mit zwei TE-Erfassungseinheiten eine synchrone Zweistellenmessung durchgeführt werden. Dabei wurde der am Anfang (0 Meter) einer Phase des 30-kV-Kabels eingespeiste Störimpuls mit einer Ladung von 10 nC sowohl am Entstehungsort als auch am anderen Kabelende mit zwei über LWL verbundenen Stationen eines Messsystems MPD 540 detektiert. Die gleiche Zeitbasis erlaubt die sofortige Angabe des Fehlerortes aus den Messdaten, wobei in Voruntersuchungen 143 m/µs als mittlere Ausbreitungsgeschwindigkeit ermittelt worden war. Ausgehend von einem Mittelwert des daraus berechneten Fehlerortes von ca. 30 Metern vom Kabelanfang und einer Streuung der Messwerte von ca. 14 Metern beträgt die erzielte Ortungsgenauigkeit etwa 0,15 % (s. Abbildung 126). In gleicher Weise wurde bei Einspeisung desselben Störimpulses am Ende des Kabels (ca. 9,4 km) verfahren. Hierbei ergibt sich mit gleicher Rechnung eine Ortungsgenauigkeit von etwa 0,1 %. Die geringe Abweichung der berechneten Mittelwerte vom eigentlichen Fehlerort ist auf eine nicht vorhandene Kenntnis der exakten Kabellänge und damit der nicht ausreichend Ausbreitungsgeschwindigkeit zurückzuführen. verlässlichen Berechnung der 152 TE-Ortung durch verteilte Sensorik 20 Störimpuls 10nC eingespeist bei 0m 18 Störimpuls 10nC eingespeist bei ca. 9400m 16 Ladung [nC] 14 12 10 8 6 4 2 0 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000 Fehlerort [m] Abbildung 126: Messtechnisch bestimmte Fehlerorte bei synchroner Messung mit einem System 8.2.4.4 Zwei-System-Messung mit Trägersignal-Synchronisation Die Erprobung des Verfahrens der Synchronisation zweier unabhängiger Messsysteme mittels Übertragung eines Synchronisiersignals in einer nicht unter Prüfspannung stehenden Phase des Kabelsystems erfolgte gleichfalls an der bereits beschriebenen 30kV-Kabelstrecke. Der Messaufbau am nahen Kabelende ist in Abbildung 127 dargestellt. TE-Ortung durch verteilte Sensorik 153 Störsignalgeber Abbildung 127: Vor-Ort-Aufbau zur Synchronisation mittels Trägerimpuls In die Synchronisationsphase wurde ein definierter Impuls von 10 nC mit einer festen Folgefrequenz eingespeist, der von der Station 1 des Messsystems 1 (M1#1) erfasst wurde. Dieser Impuls (bzw. die entstehende Impulsfolge) wurde nach einer festen Laufzeit durch das ca. 10 km lange Kabel am anderen Kabelende von Station 1 des Messsystems 2 (M2#1) detektiert. Die auftretenden Zeitwerte wurden in eine gemeinsame Zeitbasis überführt. An eine andere Phase (Testphase) wurde zur Nachbildung eines TEFehlers ein weiterer Impulsgeber angeschlossen, der zu zufälligen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Ladungen zugeschaltet werden konnte. Dieses Störsignal wurde von den Messkanälen M1#2 bzw. M2#2 an beiden Kabelenden erfasst, zunächst aber ohne zeitliche Korrelation. Diese wurde erst nachträglich durch die mittels Synchronisationssignal bestimmte absolute Zeitbasis hergestellt. Die Auswertung der auf eine gemeinsame Zeitbasis gebrachten Messwerte des Störsignals in der Testphase zeigt Abbildung 128. 154 TE-Ortung durch verteilte Sensorik 20 18 stochastisches Störsignal bei 0m in Testphase 16 Ladung [nC] 14 12 10 8 6 4 2 0 -40 -30 -20 -10 0 10 20 30 40 Fehlerort [m] Abbildung 128: Berechnete Fehlerorte bei Einspeisung von Störimpulsen am Kabelanfang (0 m) Dabei schwanken die ermittelten Fehlerpositionen in einem Bereich von etwa 10 Meter bis 32 Meter. Bezogen auf die Kabellänge sind das lediglich 0,1 % bis 0,3 % Ungenauigkeit. 8.2.5 Fazit Durch Labor- und Vor-Ort-Untersuchungen konnte eine synchrone Zweistellen-TEMessung an Kabelanlagen mittels Synchronisierung zweier unabhängiger Messsysteme durch ein Trägersignal in einer nicht unter Prüfspannung stehenden Phase erfolgreich erprobt werden. Künstliche TE-Fehler (Kalibratorsignale eingespeist in Anfang bzw. Ende einer Kabelstrecke) konnten dabei sehr gut lokalisiert werden. Die Ortungsgenauigkeit nach Abgleich der unterschiedlichen Zeitdaten der Systeme auf eine gemeinsame Zeitbasis lag dabei in einem Genauigkeitsbereich wie bei einer synchronen ZweistellenTE-Messung mit einem einzigen Messsystem und zwei über LWL optisch kommunizierenden Messstationen. Die durchgeführten Messungen sind jedoch mit einem erheblichen gerätetechnischen und logistischen Aufwand verbunden. Hier besteht für weiterführende Untersuchungen Optimierungspotenzial. Zusammenfassung und Ausblick 155 9 Zusammenfassung und Ausblick In der vorliegenden Arbeit werden neue Auskoppelverfahren und Sensoren zur empfindlichen Vor-Ort-TE-Messung an Hochspannungs-Kabelanlagen vorgestellt, insbesondere die induktive Signalauskopplung durch Hochfrequenz-Transformatoren (RFCT) an sensorlosen Kabelanlagen in Crossbonding-Ausführung, sowie neue Möglichkeiten, die sich durch die Anwendung der digitalen synchronen TE-Messung mit verteilter Sensorik ergeben. Durch Simulationsrechnungen, Modellmessungen im Labor und durch Vor-Ort- Untersuchungen konnte erfolgreich demonstriert werden, dass auch in gestörter Umgebung sowohl empfindliche TE-Messungen mit einer Messempfindlichkeit von bis zu < 2 pC, als auch TE-Fehlerortungen zur Lokalisierung von Muffenfehlern oder Koronaentladungen an den Endverschlüssen einer Kabelanlage durch den Einsatz der induktiven Sensoren in den Crossbonding-Auskreuzkästen möglich sind. Das vorgestellte Verfahren ist dabei nicht auf die Auskopplung an phasenübergreifenden CrossbondingBrücken innerhalb der Crossbonding-Kästen begrenzt. Es ist sowohl bei linearen Schirmverbindungen innerhalb der Crossbonding-Box (wie z. B. bei einphasig durchgeführten Spannungsprüfungen), als auch bei einphasigen Trennmuffen mit externer, zugänglicher Schirmverbindung anwendbar und deckt damit ein breites Anwendungsspektrum zur TE-Auskopplung ab. In Voruntersuchungen zur induktiven TEAuskopplung an Crossbonding-Muffen sensorloser Kabelanlagen wurden zunächst TEMessungen an unterschiedlichen Arten von Kabelendverschlüssen vorgenommen, bei denen jeweils eine einzelne externe Erdverbindung zur Anbringung eines HochfrequenzTransformators zugänglich war. Sowohl bei Freiluftendverschlüssen als auch bei Kabeleinführungsendverschlüssen konnte die erreichte Messempfindlichkeit gegenüber der klassischen TE-Auskopplung am Kabelende verbessert werden. So konnten beispielsweise für die Vor-Ort-TE-Messungen an GIS-Einführungsendverschlüssen Messempfindlichkeiten bis < 4 pC erreicht werden, für die beschriebenen Messungen an Freiluftendverschlüssen und Transformator-Einführungsendverschlüssen sogar TE- Messempfindlichkeiten von < 2 pC. Durch die Wahl von speziellen Hochfrequenz-Transformatoren mit zweiteiligem Ferritkern ist vor Ort eine einfache Montage und Demontage der Sensoren meist ohne den Einsatz von zusätzlichen Werkzeugen auch während des Betriebes der Kabelanlage möglich, 156 Zusammenfassung und Ausblick wodurch sich diese spezielle Messtechnik für TE-Messungen parallel zu OfflineSpannungsprüfungen, aber gerade auch für Online-Messungen und für das OnlineMonitoring an Kabelanlagen eignet. So ist auch bei der Nachrüstung eines TE-OnlineMesssystems zur Überwachung bestehender sensorloser Kabelanlagen, hier speziell bei der Implementierung der TE-Erfassungssensorik, ein unterbrechungsfreier Betrieb sichergestellt. Die Erfassung der ausgekoppelten Sensorsignale erfolgte über ein neuartiges digitales Mehrstellen-TE-Messsystem (MPD 540, Fa. mtronix), welches in Laborversuchen und auch in der Vor-Ort-Anwendung erfolgreich auf seine Eignung überprüft und zudem aufgrund der gewonnenen Messdaten und Erfahrungen verbessert und weiterentwickelt werden konnte. Die streng synchrone Datenerfassung (Zeitfehler < 2 ns) und die hohe auflösbare Impulsfolgerate bei der Signalverarbeitung stellen dabei sicher, dass auch bei einer Vielzahl von eingebundenen Messstationen ein Maximum an relevanten Messdaten erfasst und ausgewertet werden kann. Im Gegensatz dazu kommt es bei den gängigen kommerziell erhältlichen Mehrkanal-TE-Messsystemen vor, dass durch interne Umschaltvorgänge der Messkanäle, bzw. durch das sequenzielle Abfragen von TESensoren (sog. Multiplexing) kein vollständiges Abbild der gesamten TE-Messdaten geliefert werden kann. Bei TE-Fehlern mit extrem niedriger Wiederholrate kann dies zu folgenschweren Fehlinterpretationen bei der TE-Messung führen, da die wenigen auftretenden TE-Impulse im Extremfall in Austastlücken der TE-Erfassungssensorik fallen können und damit nicht berücksichtigt werden. Die beschriebene neuartige digitale Messtechnik erlaubt, in Kombination mit dem Einsatz induktiver Hochfrequenz-Transformatoren Messungen mit räumlich Amplitudenvergleich Messfrequenzen der (z. B. verteilter zur Sensorik. auskoppelbaren unter Signalauskopplung, Ausnutzung Hier ist Impulsladungen der synchrone sowohl bei über TEeinen Variation der HF-Dämpfungseigenschaften des betreffenden Energiekabels für hochfrequente Signalanteile), als auch durch die Auswertung von Laufzeitdifferenzen an verschiedenen Messorten (an Muffen bzw. an Endverschlüssen) eine TE-Fehlerortung durchführbar. Im Besonderen ist dabei die zur klassischen TE-Auskopplung am Kabelende veränderte Beobachtungs- bzw. Messposition berücksichtigt worden. Hier konnte ein erweiterter Interpretationsansatz zur Fehlerortbestimmung durch Reflektometrie vorgestellt und in Computersimulationen, Modellmessungen und im Rahmen von Vor-Ort-TE-Messungen erfolgreich verifiziert werden. Erste experimentelle Messungen bestätigen zudem, dass die notwendige Zusammenfassung und Ausblick 157 Synchronisation der räumlich verteilten TE-Erfassungseinheiten nicht nur durch lange und mechanisch anfällige LWL-Verbindungen realisierbar ist, sondern dass alternative Verfahren, wie die Benutzung einer leerlaufenden und nicht unter Prüfspannung stehenden parallelen Kabelphase zur Synchronisation, ebenfalls Erfolg versprechende Ansätze darstellen. Bei Vor-Ort-Messungen im Rahmen dieser Forschungsarbeit konnte eine verbleibende Ortungsunsicherheit von weniger als 30 Meter bzw. < 0,3 % der Gesamtkabellänge erreicht werden, was auch der erreichbaren Genauigkeit des verwendeten digitalen Mehrstellen-TE-Messsystems bei systemintern synchronisierter LWL-Verbindung entspricht. Ein wichtiges Teilergebnis der vorliegenden Arbeit ist die Erweiterung des für eine TEMessung mit eindeutiger Fehlerortung überwachbaren Bereichs einer Energiekabelanlage auf die Endverschlüsse. Es wurden Verfahren vorgestellt, mit denen sowohl Freiluftendverschlüsse als auch gasisolierte Einführungsendverschlüsse gezielt auf TEAktivität überwacht werden können. Zu diesem Zweck wurde unter Verwendung von Richtkopplersensoren und auf Potenzial arbeitenden Hochfrequenz-Transformatoren ein Aufbau bzw. ein Messverfahren vorgestellt, welches, ähnlich der bereits erfolgreich erprobten Fehlerortbestimmung durch Richtkopplersensoren an Verbindungsmuffen von Energiekabelanlagen, eine eindeutige Ja / Nein-Aussage zur TE-Freiheit der zu überwachenden Komponente liefern kann. Eine z. T. schwierige Interpretation von TEMustern oder anderen indirekten Verfahren [Nat88] [Ben05] ist somit nicht notwendig. Durch die streng synchrone Anbindung von drei oder mehr TE-Sensoren im verwendeten TE-Messsystem ist neben den klassischen TE-Auswerteverfahren die für verkoppelte dreiphasige Systeme entwickelte 3PARD-Visualisierung einsetzbar, um auch im phasenübergreifenden Crossbonding-System die TE-Fehlerquelle eindeutig der betroffenen Phase zuordnen zu können. Durch die 3PARD-eigene Clusterbildung in der Visualisierung der gewonnenen Messdaten und durch die nachfolgende geordnete Rücktransformation in separate Fingerprint-Darstellungen ist zudem eine Unterscheidung von TE-Mehrfachfehlern im Prüfling und auch von TE-ähnlichen externen Stören möglich, die über vorhandene parasitäre Koppelpfade in den Messzweig gelangen und so eine TEDiagnose erschweren bzw. verfälschen können. Für zukünftige Forschungsarbeiten zu diesen Themengebieten besteht jedoch weiteres Entwicklungs- und Optimierungspotenzial, da es sich bei allen beschriebenen Mess- und Auswerteverfahren um z. T. experimentelle Versuchsaufbauten und um z. T. sehr einfach 158 Zusammenfassung und Ausblick realisierte Software-Tools zur digitalen Nachbehandlung der Daten handelt, die zur sinnvollen Nutzung noch in die kommerzielle TE-Messsoftware implementiert werden sollten. Anzustreben ist auch ein standardisiertes Verfahren zum Einsatz und zur allgemein akzeptierten Kalibrierung der Erfassungssensorik und Messtechnik vor Ort. Durch eine im Wesentlichen automatisierte Auswertung der gewonnenen Messdaten kann zudem eine verbesserte Vergleichbarkeit der Ergebnisse von TE-Messungen erreicht werden. Zum Nachweis der Eignung der beschriebenen Messverfahren im Hinblick auf einen möglichen Langzeiteinsatz (z. B. Online-TE-Monitoring über den Zeitraum der angestrebten Gesamtlebensdauer der energietechnischen Komponenten) ist zudem eine längerfristige Kooperation mit Kabelanlagenbetreibern und auch akkreditierten Prüfinstituten anzustreben, um durch erfolgreiche Referenzprojekte die Akzeptanz der neuartigen Techniken und Messverfahren bei zukünftigen Anwendern bzw. Nutzern zu erhöhen. 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