14 Zentrales Nervensystem (ZNS) Das Diencephalon 379 ✔ ✔ nur einige wenige, basal liegende Strukturen des Diencephalons erkennbar. Diese gehören ausnahmslos zum Hypothalamus: Chiasma opticum, Corpora mammillaria, Tuber cinereum, Infundibulum und Hypophyse. Anhaltspunkt für die Grenze zum Telencephalon ist das Foramen interventriculare, kaudal wird das Diencephalon durch die Colliculi superiores und die Pedunculi cerebri des Mesencephalons begrenzt. Check-up 14.3.3 Der Epithalamus Wiederholen Sie anhand der Seitansicht des Großhirns die wichtigsten Rindenfelder. Machen Sie sich klar, welche Ausfälle bei einer Schädigung einzelner Bereiche jeweils zu erwarten sind. Rekapitulieren Sie nochmals die Basalganglien und verdeutlichen Sie sich deren Topographie. Es kann hilfreich sein, wenn Sie hierzu eine Skizze anfertigen. Der Epithalamus befindet sich oberhalb des Thalamus, leicht nach hinten versetzt. Folgende Strukturen werden zum Epithalamus gezählt: Corpus pineale Habenulae Commissura epithalamica (posterior). 14.3 Das Diencephalon Lerncoach Berücksichtigen Sie beim Lesen, dass sich das Zwischenhirn in vier funktionell weitgehend voneinander unabhängige Einheiten unterteilen lässt. Lernen Sie diese jeweils einzeln. Achten Sie besonders auf die Funktionen von Thalamus und Hypothalamus, diese werden häufig geprüft. Das Corpus pineale Das Corpus pineale (Epiphyse, Glandula pinealis, Zirbeldrüse) liegt am Hinterrand des 3. Ventrikels, unmittelbar über bzw. vor dem Tectum (Lamina quadrigemina, s. S. 387). Es handelt sich um ein zapfenförmiges, unpaares Organ, das mit seinen endokrinologisch-sekretorischen Neuronen die Fähigkeit zur Melatoninproduktion besitzt. Dieses Hormon wirkt zirkadian, d. h. es steuert den Aktivitätsgrad des Körpers in Abhängigkeit von der Tageszeit („Innere Uhr“). Hierfür steht das Corpus pineale in engem funktionellem Kontakt mit dem Ncl. suprachiasmaticus des Hypothalamus (s. S. 384). Klinischer Bezug 14.3.1 Der Überblick und die Funktion Das Diencephalon (Zwischenhirn) liegt zwischen dem Telencephalon und dem Mesencephalon und umgibt den 3. Ventrikel (s. S. 427). Es gewährleistet elementare Funktionen des ZNS. Wahrnehmungsprozesse werden modifiziert (Thalamus), Kreislauf, Temperatur, Atmung und Stoffwechsel werden reguliert (Hypothalamus) und auch Teile der sogenannten „Inneren Uhr“ sind im Zwischenhirn lokalisiert (Epithalamus). Das Diencephalon lässt sich in vier Einheiten unterteilen. Dabei bezieht man sich auf die in der Größe dominierende Struktur: den Thalamus. Oberhalb des Thalamus befindet sich der Epithalamus, unterhalb des Thalamus der Subthalamus und medial am tiefsten liegt der Hypothalamus. 14.3.2 Die Topographie Das Zwischenhirn wird praktisch vollständig von Strukturen des Telencephalons umgeben. Dies hängt mit der relativ starken Größenzunahme des Telencephalons im Rahmen der ZNS-Entwicklung zusammen. Entsprechend sind am unpräparierten Hirn Das Corpus pineale weist nach der Pubertät vereinzelt Kalkareale auf, diese Kalkherde sind auf Röntgenaufnahmen des Schädels oft gut erkennbar und können der Orientierung dienen. Die Habenulae Die Habenulae befinden sich an der Stelle, wo sich die Striae medullares thalami beider Seiten zügelartig vereinen. Sie beinhalten die Nuclei habenulares (Zügelkerne), die an der Vermittlung von Geruchsempfindungen aus dem Riechhirn beteiligt sind. Die olfaktorischen Afferenzen der Ncll. septales gelangen über die Stria medullaris (Faserstruktur, die vom Hypothalamus am Thalamus vorbei zum Epithalamus verläuft) zu den Habenulakernen. Die efferenten Bahnen ziehen in das Mittelhirn. Die Commissura epithalamica (posterior) Die Commissura epithalamica ist eigentlich eine „unechte“, kleine Kommissurenbahn, in ihr kreuzen Faserzüge des Tectum (Lamina quadrigemina), der Formatio reticularis und der Area praetectalis (v. a. 14 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. nix, Gyrus cinguli, Gyrus parahippocampalis, Hypothalamus, Epithalamus und Teile des Thalamus. Der Fornix ist Teil des limbischen Systems und verbindet den Hippocampus mit dem Hypothalamus. Er hat als informationsleitendes Faserbündel entscheidende Bedeutung im Papez-Neuronenkreis (s. S. 423). Der Fornix besteht von hinten nach vorne aus einer Crus fornicis, einer Commissura fornicis, einem Corpus fornicis und einer Columna fornicis. 380 Das Diencephalon 14 Zentrales Nervensystem (ZNS) 14.3.4 Der Thalamus Die Gestalt Der Thalamus ist ein großer, ovaler, in beiden Hemisphären jeweils einmal vorkommender Kern des Diencephalons. Er projiziert sich jeweils, wenn man das Telencephalon und Diencephalon der Länge nach betrachtet, auf das mittlere Drittel. Die Lage des Thalamus im ZNS ist in Abb. 14.8 auf S. 376 dargestellt. Der Thalamus ist kein homogener Kern, sondern eine in sich geschlossene Ansammlung verschiedener Kerne. Diese haben eigene Namen, unterschiedliche Funktionen und lassen sich im Schnitt voneinander abgrenzen. Zwischen den beiden Thalami liegt der dritte Ventrikel, die laterale Begrenzung des dritten Ventrikels erfolgt also durch die beiden Thalamuskerne. Diese beiden liegen so dicht beieinander, dass sie sich in einem Punkt berühren und den dritten Ventrikel dabei unterbrechen (Adhesio interthalamica). MERKE Die Adhesio interthalamica stellt nur einen Berührungspunkt dar, hier werden keine Fasern bzw. Informationen ausgetauscht. 14 Lateral wird der Thalamus durch die Capsula interna begrenzt. Die vielen Faserbahnen, die sich zwischen Kortex und Thalamus erstrecken, werden als Radiatio thalami bezeichnet, sie verlaufen durch die Capsula interna und machen dort einen wesentlichen Anteil aus. Als stärkere Bündel kann man die Radiatio anterior thalami (syn. Pedunculus thalami anterior, vorderer Thalamusstiel, zum Frontallappen), die Radiatio centralis thalami (syn. Pedunculus thalami superior, oberer Thalamusstiel, zum Parietallappen), die Radiatio posterior thalami (syn. Pedunculus thalami posterior, hinterer Thalamusstiel, zum Okzipitallappen) und die Radiatio inferior thalami (syn. Pedunculus thalami inferior, unterer Thalamusstiel, zum Temporallappen) abgrenzen. Die Sinnesfunktion Man unterscheidet innerhalb des Thalamus prinzipiell zwei Kerngruppen: Die spezifischen Thalamuskerne sind eng mit dem Cortex cerebri verbunden (Palliothalamus). Die unspezifischen Thalamuskerne sind v. a. mit Kerngebieten im Zwischenhirn und Hirnstamm verbunden (Truncothalamus). Alle Informationen, die wahrgenommen werden, müssen durch einen Teil des Thalamus – den Palliothalamus (s. u.) – hindurch, daher auch der Name „Tor zum Bewusstsein“. Es handelt sich hierbei z. B. um Schmerz-, Temperatur-, Berührungs-, Druck-, Vibrations-, Geschmacks-, Hör- und Sehinformationen. Diese Informationen werden im Thalamus verschaltet und an das zugehörige Kortexareal weitergeleitet. MERKE Eine Ausnahme stellen nur die Riechempfindungen dar, sie erreichen den Riechkortex ohne den Thalamus zu passieren. Dem Thalamus schreibt man in diesem Zusammenhang eine Filterfunktion zu: offensichtlich ist es möglich, auf thalamischer Ebene die Weiterleitung von peripheren Sinnesreizen zu fördern bzw. zu unterdrücken. Auf diese Weise soll die Fokussierung auf bestimmte Reize möglich sein bzw. eine kortikale Reizüberflutung unterbunden werden. Die spezifischen Thalamuskerne (Palliothalamus) Die spezifischen Thalamuskerne projizieren mit ihren Fasern direkt in definierte Kortexbereiche. Von dort empfangen sie gegenläufige Faserbahnen. So ist jedem spezifischen Kern ein bestimmter Kortexbereich bzw. Bereich des Hirnmantels (Pallium) zugeordnet. Daher der Name: Palliothalamus. Die palliothalamische Anbindung an den Kortex ist von immenser funktioneller Bedeutung. Dies wird durch die Tatsache klar, dass eine Zerstörung der Axone im Rindengebiet zu einer retrograden Degeneration der entsprechenden Thalamuskerne führt. Alle peripheren Sinnesinformationen (z. B. Schmerz-, Temperatur-, Hör- und Sehinformationen) werden im Palliothalamus verschaltet, also von einem Neuron auf ein anderes umgeschaltet. Dieses letztere Neuron verläuft vom Palliothalamus zur Großhirnrinde (Kortex), wo es endet. MERKE Im Palliothalamus werden Sinnesinformationen auf das letzte Neuron umgeschaltet, bevor sie den Cortex cerebri erreichen. Der Ncl. medialis Der Ncl. medialis nimmt den medialsten Teil des Thalamus ein. Er berührt den Ncl. medialis des gegenüberliegenden Thalamus und bildet auf diese Weise die Adhesio interthalamica. Er besitzt gegenläufige Fasern zum Frontallappen. Der Ncl. anterior Der Ncl. anterior strahlt mit seinen efferenten Fasern in den oberhalb des Balkens liegenden Gyrus cinguli aus, von dort erhält er auch afferente Fasern. Diese Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. optische Reflexe) zur Gegenseite. Es werden Mittelhirnkerne und keine Rindenabschnitte verbunden. 14 Zentrales Nervensystem (ZNS) Das Diencephalon 381 kortikale Anbindung des Ncl. anterior stellt eine wichtige funktionelle Verbindung des Papez-Neuronenkreises dar (s. S. 423). efferent mit dem Kleinhirn, dem Hirnstamm und mit anderen thalamischen Kernen verbunden ist. Es projiziert auf Rindenabschnitte des Parietal- und Temporallappens. Die ventrale Kerne Der Metathalamus Unter dem Begriff Metathalamus werden das Corpus geniculatum laterale und Corpus geniculatum mediale zusammengefasst. Das Corpus geniculatum laterale ist ein Teil der Sehbahn (s. S. 415), in dem gekreuzte und ungekreuzte Fasern des Tractus opticus verschaltet werden, um von dort über die Sehstrahlung (Radiatio optica) die Area striata zu erreichen. Das Corpus geniculatum laterale ist (wie auch die Sehbahn insgesamt) somatotopisch aufgebaut. Das Corpus geniculatum mediale stellt die vorletzte Station der Hörbahn dar. Hier werden die akustischen Informationen auf das letzte Neuron umgeschaltet bevor sie die Hörrinde über die Hörstrahlung (Radiatio acustica) erreichen (s. S. 417). Die unspezifischen Thalamuskerne Die unspezifischen Thalamuskerne (Truncothalamus) tauschen Informationen mit dem Hirnstamm, Zwischenhirnkernen und dem Striatum aus. Im Gegensatz zum Palliothalamus sind sie rindenunabhängig. Der größte Kern des Truncothalamus ist der Ncl. centromedianus. Er ist funktionell mit dem ARAS-System der Formatio reticularis verbunden (s. S. 391). 14.3.5 Der Subthalamus Das Pulvinar Das Pulvinar nimmt das kaudale Drittel des Thalamus ein und besteht aus mehreren Kernen (dorsale oder hintere Gruppe). Man nimmt an, dass das Pulvinar Der Subthalamus liegt zwischen dem Thalamus und dem Hypothalamus. Die wichtigste Struktur des Subthalamus ist der Ncl. subthalamicus. Ursprünglich wurde das Globus pallidus auch zum Subthalamus ge- Tab. 14.1 Spezifische Thalamuskerne Kern Efferenzen Funktion Ncl. medialis präfrontaler Kortex Verarbeitung psychischer Vorgänge, des sozialen Verhaltens und der Persönlichkeit Ncl. anterior Gyrus cinguli Teil des limbischen Systems (Teil des PapezNeuronenkreises, s. S. 423) Ncl. ventralis anterior prämotorischer Kortex Verarbeitung von Bewegungsentwürfen Abstimmung mit dem prämotorischen Kortex Ncl. ventralis lateralis motorischer Kortex motorische Informationen des Kleinhirns werden zum motorischen Kortex weitergeleitet Ncl. ventralis posterior sensibler Kortex Umschaltstation und Filterung sensibler Faserbahnen Pulvinar Parietal- und Temporallappen keine genaue Funktion bekannt, gilt als Integrationskern des Palliothalamus Corpus geniculatum laterale Sehrinde (Area striata) Teil der Sehbahn (s. S. 415) Corpus geniculatum mediale Hörrinde Teil der Hörbahn (s. S. 416) 14 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Zu den ventralen Kernen zählen der Ncl. ventralis anterior, Ncl. ventralis lateralis und Ncl. ventralis posterior. Ihrer Lage entsprechend (von anterior nach posterior) projizieren diese Kerne in den Cortex cerebri: Der Ncl. ventralis anterior besitzt gegenläufige Faserverbindungen zum prämotorischen Kortex. Der Ncl. ventralis lateralis ist funktionell eng mit dem motorischen Kortex verbunden. Die Bahnen verlaufen dabei in einer somatotopischen Gliederung, so wie der eigentliche motorische Kortex auch somatotopisch aufgebaut ist (s. S. 373). Der Ncl. ventralis lateralis erhält afferente Fasern vor allem aus dem Cerebellum. Der Ncl. ventralis posterior besitzt efferente und afferente Verbindungen zum sensiblen Kortex des Telecephalons. Im Ncl. ventralis posterior werden die gekreuzten sensiblen Faserbahnen auf das letzte Neuron verschaltet. Letztlich laufen alle sensiblen Informationen in diesem Kern zusammen. Die sensiblen Informationen umfassen dabei die der Extremitäten und des Rumpfes (Tractus spinothalamicus anterior und lateralis = Lemniscus spinalis; Fasciculus gracilis und cuneatus = Lemniscus medialis) genauso wie die von Gesicht und Kopf (Tractus trigeminothalamicus = Lemniscus trigeminalis, s. S. 418). 382 Das Diencephalon 14 Zentrales Nervensystem (ZNS) Abb. 14.10 Spezifische Thalamuskerne und ihre Rindenprojektion. gegenüberliegender Thalamus Ncl. anterior Ncl. ventralis anterior Ncl. mediales Ncl. ventralis lateralis a prämotorischer Kortex Pulvinar Corpus geniculatum laterale motorischer Kortex sensibler Kortex präfrontaler Kortex primäre Sehrinde primäre Hörrinde b 14 prämotorischer Kortex motorischer Kortex sensibler Kortex präfrontaler Kortex Gyrus cinguli Corpus callosum primäre Sehrinde c zählt. Allerdings wurde das Globus pallidus im Verlauf der Entwicklung durch die Capsula interna immer weiter nach lateral verdrängt, so dass man es heute zum Telencephalon zählt. Der Ncl. subthalamicus Der ventromedial des Pallidum liegende Ncl. subthalamicus wird zu den Basalganglien gezählt (s. S. 375) und hat in erster Linie eine Funktion bei motorischen Verschaltungen. Er ist afferent und efferent mit dem ipsilateralen Pallidum verknüpft und hat in Bezug auf das Pallidum in erster Linie eine motorisch hemmende Funktion. Klinischer Bezug Ballismus: Bei Schädigung des Ncl. subthalamicus entfällt dessen hemmende Wirkung auf das Pallidum und es kommt zum Auftreten hyperkinetischer Symptome (ballistisches Syndrom, Ballismus). Die Patienten zeigen plötzlich ausfahrende „ballistische“ Bewegungen einer Extremitätenseite (Hemiballismus). Da die motorische Endstrecken in ihrem Verlauf kreuzen, zeigen sich die Symptome kontralateral zur geschädigten Seite. 14.3.6 Der Hypothalamus Der Hypothalamus bildet den Boden des Zwischenhirns und ist als einziger Teil des Zwischenhirns am unpräparierten Gehirn mit folgenden Strukturen sichtbar: Corpora mammillaria, Tuber cinereum, Infundibulum, Hypophyse. Eingefasst wird er vom Chiasma opticum und dem Tractus opticus. Diese Strukturen befinden sich alle basal. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Corpus geniculatum mediale Ncl. ventralis posterior 14 Zentrales Nervensystem (ZNS) Das Diencephalon 383 Die Funktion Der Hypothalamus ist Steuerzentrum für vegetative Funktionen und spielt eine wichtige Rolle im neuroendokrinen System. Offensichtlich umfasst er mit seinen Kerngebieten eine Vielzahl verschiedener regulatorischer Funktionen, die zunächst im Überblick dargestellt werden sollen. Es finden sich Regulationszentren für: vegetative Funktionen (Sympathikus versus Parasympathikus, vgl. S. 363) hypothalamisch-hypophysäres Hormonsystem Atmung, Kreislauf, Wasser- und Elektrolythaushalt Stoffwechsel Körpertemperatur Nahrungsaufnahme und Reproduktionsverhalten Schlaf- und Wachrhythmus. Entsprechend führen pathologische Prozesse (z. B. Tumoren) im hypothalamischen Kerngebiet unter Umständen zu entsprechenden Veränderungen (z. B. sexuelle Frühreife, Fettsucht, Störungen des Hormonsystems). Die Gestalt Der Hypothalamus besteht in erster Linie aus Kerngebieten, die in Teilen über eine funktionelle Verknüpfung mit der Hypophyse sowohl neural (Neurosekretion) als auch humoral (Pfortadersystem) in Verbindung stehen. Man kann einen markarmen und einen markreichen Hypothalamus unterscheiden: Commissura anterior markarmer Hypothalamus: Ncl. supraopticus, Ncl. paraventricularis, Ncll. tuberales, Ncl. suprachiasmaticus, Ncl. preopticus markreicher Hypothalamus: Ncll. mammillares. Weiterhin gibt es die Unterteilung in eine vordere, mittlere und hintere Kerngruppe (Abb. 14.11): vordere Kerngruppe: Ncl. supraopticus, Ncl. paraventricularis, Ncl. suprachiasmaticus, Ncl. preopticus mittlere Kerngruppe: Ncll. tuberales hintere Kerngruppe: Ncll. mammillares. Die vordere Kerngruppe Der Ncl. supraopticus Der Name dieses Kerns lässt sich auf seine Lage unmittelbar über dem N. opticus zurückführen. Der Ncl. supraopticus ist ein neuroendokriner Kern, d. h. in enger Anbindung an den Hypophysenhinterlappen schüttet er das Hormon Vasopressin (Adiuretin, ADH) aus. Zu einem geringen Anteil produziert der Ncl. supraopticus auch Oxytocin. Mit ihren Axonen ziehen die Neurone des Ncl. supraopticus bis in den Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse, s. S. 385). Über diese Fortsätze wird das Vasopressin durch den Hypophysenstiel (Infundibulum) bis in den Hypophysenhinterlappen transportiert, dort zunächst gespeichert, bei Bedarf freigesetzt und ins Blut abgegeben. ADH bewirkt eine vermehrte Rückresorption von Wasser am Sammelrohr der Niere zudem erhöht es den Blutdruck durch Vasopression (Name!). MERKE Eine Zelle des Ncl. supraopticus kann jeweils nur ADH oder Oxytozin synthetisieren. Das gilt auch für den Ncl. paraventricularis. Adhaesio interthalamica Plexus choroideus Thalamus Commissura posterior Ncl. paraventricularis Ncl. praeopticus Epiphyse Ncl.supraopticus Chiasma opticum Ncl. infundibularis Adenohypophyse Ncll. tuberales Neurohypophyse Corpus mamillare (Ncl. mamillaris) Lamina tecti Pons Abb. 14.11 Hypothalamische Kerngruppen in der Seitansicht. 14 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tuber cinereum, Infundibulum, Chiasma opticum bilden zudem den Boden des dritten Ventrikels und dessen vordere (Lamina terminalis) bzw. untere seitliche Begrenzung (verschiedene Kerne). 384 Das Diencephalon 14 Zentrales Nervensystem (ZNS) unteren Anteils des dritten Ventrikels, also paraventrikulär. Er produziert in erster Linie Oxytocin und nur in geringen Konzentrationen Vasopressin (ADH). Genau wie der Ncl. supraopticus sendet der Ncl. paraventricularis seine Axone bis in die Neurohypophyse, wo das dort zunächst gespeicherte Oxytocin bei Bedarf freigesetzt wird. Oxytocin steigert die Kontraktilität des Uterus und löst eine Kontraktion der Myoepithelien der Brustdrüse aus, außerdem fördert es das Bindungsverhalten („Treuehormon“). Der Ncl. suprachiasmaticus Der Ncl. suprachiasmaticus liegt unmittelbar über dem Chiasma opticum. Er hat eine wichtige Rolle bei der Regulation des zirkadianen Rhythmus (u. a. Schlaf-Wach-Rhythmus). Optische Afferenzen erhält der Ncl. suprachiasmaticus direkt über retino-hypothalamische Faserbahnen. Der Ncl. preopticus Der Ncl. preopticus reguliert die Körpertemperatur, das Sexualverhalten und die Ausschüttung gonadotroper Hormone in der Hypophyse (bei Mann und Frau unterschiedlich ausgeprägt). Die mittlere Kerngruppe Ncll. tuberales 14 Die Ncll. tuberales liegen im Tuber cinereum und sind der Produktionsort für Releasinghormone. Diese erreichen über das hypothalamo-hypophysiäre System die Hypophyse und steuern dort die Hormonproduktion und -sekretion des Hypophysenvorderlappens (Adenohypophyse). Die hintere Kerngruppe Ncll. mammillares Die in ihrer Form charakteristischen Ncll. mammillares liegen in den Corpora mammillaria. Diese sind am unpräparierten Gehirn basal, hinter dem Chiasma opticum als paarige, runde Gebilde zu erkennen. Die Kerne stehen über verschiedene Fasciculi bzw. Tractus mit anderen Kernen in Verbindung: Über den Fornix erhalten die Corpora mammillaria Informationen aus dem Hippocampus. Der Fasciculus mammillothalamicus (Vicq d'Azyr) stellt die Verbindung zum Ncl. anterior des Thalamus her (s. S. 423). Fasciculus longitudinalis posterior Der Fasciculus longitudinalis posterior (Schütz-Bündel, s. S. 391) gilt als wichtigste afferente und efferente Faserverbindung des Hypothalamus zum Hirnstamm. Über diese Bahn können sich die vegetativen Kerne des Hypothalamus mit den vegetativen Zentren in Hirnstamm und Rückenmark austauschen und diese kontrollieren. 14.3.7 Die Hypophyse Die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) befindet sich direkt unterhalb des Hypothalamus, mit dem sie in enger funktioneller Verbindung steht. Sie liegt in der Fossa hypophysialis der Sella turcica, einer knöchernen Mulde des Os sphenoidale (s. S. 79). Aufgehängt ist sie am Infundibulum (Hypophysenstiel). Zwischen Hypothalamus und Hypophyse erstreckt sich eine dünne Faserplatte der Dura mater (s. S. 424), das Diaphragma sellae. Direkt anterokranial der Hypophyse befindet sich das Chiasma opticum, lateral liegt der Sinus cavernosus (s. S. 433). Die Nähe der Hypophyse zum Chiasma opticum hat klinische Bedeutung, da es hier im Rahmen raumfordernder Prozesse zur Komprimierung des Chiasma opticum mit entsprechenden Gesichtsfeldausfällen kommen kann (s. S. 416). Die Hypophyse wird in den Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse) und den etwas kleineren Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse) unterteilt. Die Adenohypophyse Die Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen) entsteht embryologisch durch die Ausstülpung der Rathke-Tasche und ist daher kein eigentlicher Anteil des ZNS, sondern hat sich dem ZNS lediglich angelagert. Gemäß ihrer Herkunft enthält die Adenohypophyse kein Nervengewebe, sondern Drüsenepithelien. MERKE Die Adenohypophyse ist eine endokrine Drüse. Die Adenohypophyse besteht aus einer Pars distalis, Pars tuberalis und Pars intermedia, die an die Neurohypophyse angrenzt. Die endokrinen Zellen lassen sich histologisch in drei Gruppen einteilen: azidophile Zellen: rote Anfärbung • mammotrope Zellen (Prolaktin) • somatotrope Zellen (STH) basophile Zellen: dunkelblau-violette Anfärbung • kortikotrope Zellen (ACTH) • thyreotrope Zellen (TSH) • gonadotrope Zellen (FSH, LH) chromophobe Zellen: wenig anfärbbar, entsprechen vermutlich „erschöpften“ endokrinen Zellen und Stammzellen. Die Hormone verlassen über ein spezielles Venengeflecht die Adenohypophyse und erreichen die peri- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Der Ncl. paraventricularis Der Ncl. paraventricularis befindet sich seitlich des Commissura anterior Ncl. paraventricularis Ncl. supraopticus Chiasma opticum Infundibulum Parsintermedia Adenohypophyse kann ein Prolaktinom (40 %), STH-Zell-Adenom (20 %) oder ein ACTH-Zell-Adenom auftreten. Sehr selten können auch TSH- und Gonadotropin- (FSH/LH) produzierende Zellen betroffen sein. Durch den Druck des sich ausbreitenden Hypophysenadenoms auf das unmittelbar benachbarte Chiasma opticum kann es zu Einschränkungen des Gesichtsfeldes kommen (Scheuklappenphänomen, s. S. 416). Außerdem treten je nach Tumor verschiedene endokrinologische Störungen auf. In Abhängigkeit von Tumorart und -größe kommen verschieden Therapieformen in Betracht. Ein intraselläres Adenom kann z. B. mit einer mikroinvasiven transphenoidalen Tumorresektion (durch den Sinus sphenoidalis und dessen Hinterwand zur Sella) behandelt werden. Neurohypophyse Die Neurohypophyse Abb. 14.12 Kerne und Axonverlauf in der Hypophyse. pheren Organe. Glandotrope Hormone stimulieren in nachgeschalteten peripheren Hormondrüsen die Ausschüttung effektorischer Hormone (z. B. bewirkt TSH an der Schilddrüse die Ausschüttung von fT3 und fT4). Effektorhormone wirken hingegen direkt auf periphere Organe ohne Zwischenschaltung einer Drüse (z. B. Prolaktin). Glandotrope Hormone und Effektorhormone stehen unter der Regulation von Releasing- und InhibitingHormonen des Hypothalamus. Diese werden vor allem in Kernen (Ncll. tuberales, ventromedialis, dorsomedialis, infundibularis = arcuatus) nahe dem Tuber cinereum gebildet (Abb. 14.12). Über den Tractus hypothalamohypophysealis erreichen die Hormone das Infundibulum und gelangen über ein eigenes Pfortadersystem in die Adenohypophyse (tuberoinfundibuläres System). MERKE Die Ausschüttung der Hormone der Adenohypophyse erfolgt unter dem Einfluss von ReleasingHormonen (to release = freisetzen), eine Hemmung der Ausschüttung durch Inhibiting-Hormone (to inhibit = hemmen). Releasing-Hormone und Inhibiting-Hormone werden im Hypothalamus gebildet. Klinischer Bezug Hypophysenadenome: Ein relativ häufiger gutartiger Tumor der Adenohypophyse ist das Hypophysenadenom. Man unterscheidet endokrin inaktive von endokrin aktiven Tumoren. Je nachdem welche endokrinen Zellen der Adenohypophyse betroffen sind, Die Neurohypophyse ist eine Ausstülpung des basalen Zwischenhirns, sie stellt somit einen originären Hirnteil dar. In der Neurohypophyse enden die Axone des Ncl. supraopticus und des Ncl. paraventricularis (Abb. 14.12). MERKE Die Neurohypophyse enthält keine Nervenzellperikaryen. Sowohl der Ncl. supraopticus als auch der Ncl. paraventricularis schicken ihre Axone über das Infundibulum direkt bis in die Neurohypophyse (Neurosekretion). Das vom Ncl. supraopticus gebildete ADH (bzw. Oxytocin vom Ncl. paraventricularis) wird in den Hypophysenhinterlappen transportiert und bei Bedarf wie Transmitter ausgeschüttet, aber ins Blut abgegeben. Klinischer Bezug Diabetes insipidus: Beim Diabetes insipidus kommt es zu einem absoluten oder relativen Mangel an antidiuretischem Hormon (ADH). Ursache kann eine Schädigung des Ncl. supraopticus oder der Hypophyse sein (zentraler Diabetes insipidus) oder ein fehlendes Ansprechen der Nieren auf ADH (renaler Diabetes insipidus). Es kommt zu Störungen der renalen Wasserrückresorption, die Patienten scheiden bis 20 Liter unkonzentrierten Urin pro Tag aus (Polyurie) und müssen dies durch ständige Flüssigkeitsaufnahme kompensieren (Polydipsie). Die Therapie erfolgt nach Möglichkeit kausal, z. B. durch Entfernung eines Hypophysentumors. Symptomatisch kann beim zentralen Diabetes insipidus Desmopressin, ein Vasopressinanalogon, verabreicht werden. 14 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 14 Zentrales Nervensystem (ZNS) Das Diencephalon 385 Die Gefäßversorgung 14.4.1 Der Überblick und die Funktion Die A. hypophysialis superior versorgt als Ast der A. carotis interna Teile des Hypothalamus und das Infundibulum. Dem Arteriolensystem im Infundibulum schließt sich ein erstes venöses Netz (primäres Kapillargebiet) an, das die Aufgabe hat, die an dieser Stelle ausgeschütteten Releasing- und Inhibitinghormone aufzunehmen, sodass diese in Richtung Adenohypophyse weitertransportiert werden können. Dem venösen Netz im Infundibulum schließt sich dann ein zweites Netz (sekundäres Kapillargebiet) in der Adenohypophyse an. Es „verteilt“ die aufgenommenen Releasing- und Inhibitinghormone auf die verschiedenen Zellen der Adenohypophyse. Diese Aneinanderreihung zweier venöser Netze wird als hypothalamo-hypophysiäres Pfortadersystem bezeichnet. Die Neurohypophyse ist vom hypophysären Pfortadersystem weitgehend unabhängig. Sie wird von einem Ast der A. hypophysialis inferior gespeist und besitzt ein eigenständiges Kapillargebiet. Der Hirnstamm (Truncus cerebri) erstreckt sich zwischen Diencephalon und Medulla spinalis und besteht aus drei Anteilen: Mesencephalon (Mittelhirn), Pons (Brücke) und Medulla oblongata (verlängertes Mark). Die verschiedenen Anteile des Hirnstamms werden entwicklungsgeschichtlich bedingt teilweise mit anderen Hirnteilen zusammengefasst, wobei eine neue Bezeichnung entsteht: Rhombencephalon: Metencephalon und Medulla oblongata Metencephalon: Pons und Cerebellum. Die Lage des Hirnstamms macht eine grundlegende Funktion desselben deutlich: Informationen jeglicher Art, die vom Telencephalon kommend Richtung Medulla spinalis ziehen müssen zwangsläufig durch das „Nadelöhr“ Hirnstamm hindurch. Dasselbe gilt für alle Informationen, die in gegenläufiger Richtung ziehen. Entsprechend finden sich im Hirnstamm eine Vielzahl myelinisierter Faserbahnen. Weiterhin finden sich über den ganzen Hirnstamm verteilt verschiedene Hirnnervenkerne. ✔ ✔ 14 ✔ Check-up Wiederholen Sie, aus welchen vier wesentlichen Einheiten sich das Zwischenhirn zusammensetzt. Machen Sie sich klar, welche Folgen die einseitige Zerstörung des Ncl. ventralis posterior des Thalamus hätte und wiederholen Sie die wichigsten Kerngruppen des Thalamus noch einmal. Wiederholen Sie anhand folgenden klinischen Szenarios die Hypophyse: Aufgrund einer Vergiftung kommt es bei einem Patienten zur selektiven Zerstörung aller Neurone im unteren Drittel des Infundibulums: Welche Hormonsysteme der Hypophyse wären hiervon betroffen? Welche Folgen zeigen sich beim Patienten? 14.4 Der Hirnstamm 14.4.2 Die Topographie Der Hirnstamm hat einen etagenartigen Aufbau (Abb. 14.13): Ventral (basal) liegen die vom Großhirn absteigenden Bahnen, die über den Hirnstamm das Cerebellum bzw. die Medulla spinalis erreichen. Diese vor allem motorischen Bahnen bilden auf Höhe des Mesencephalon die Crura cerebri, im Pons den Brückenfuß und in der Medulla oblongata die Pyrames (Pyramiden). Direkt hinter den absteigenden Bahnen liegt das Tegmentum (Haube), ein entwicklungsgeschichtlich alter Teil des Hirnstamms. Es ist ebenfalls in allen drei Anteilen des Hirnstamms zu finden und enthält unter anderem die Hirnnervenkerne. Dem Tegmentum schließt sich dorsal im Mesencephalon das Tectum, im Pons und in der Medulla oblongata die Rautengrube und das Cerebellum an. Lerncoach Der Hirnstamm gehört zu den kompliziertesten Bereichen des ZNS. Er wird von zahlreichen Strukturen durchzogen, deren funktionelle Bedeutung sich aus der Lage im Hirnstamm allein nicht erklärt. Zudem können einige Strukturen aufgrund ihrer sehr ähnlichen Namensgebung leicht verwechselt werden. Orientieren Sie sich zunächst an den rein anatomischen Merkmalen der verschiedenen Hirnstammanteile. Verdeutlichen Sie sich im zweiten Schritt die funktionellen Aspekte. 14.4.3 Das Mesencephalon Der Überblick Das Mesencephalon lässt sich in drei Etagen unterteilen, die im Querschnitt besonders gut zu erkennen sind (s. Abb. 14.27, S. 413): Dorsal liegt das Tectum, auch Vierhügelplatte, gebildet durch jeweils zwei Colliculi superiores und Colliculi inferiores. Direkt darunter befindet sich das Tegmentum (Haube), getrennt werden die beiden Strukturen durch den Aquaeductus mesencephali (s. S. 427). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 386 Der Hirnstamm 14 Zentrales Nervensystem (ZNS)