Mathematik für Diplomer Analysis II Somersemester 2007 Version 27.07.08 Prof. Dr. Jörn Steuding Mathematisches Institut Universität Würzburg Germany Ein neues Semester ein neuer Versuch. Hier die Weiterführung des Alten. Für alle, die wie ich nicht mehr ihre eigene Schrift lesen können oder eben nur ein saubere Skript möchten. Das Skript wird regelmässig von mir aktualisiert, es lohnt sich also hin un wieder ma nachzuschaun. Wir benden uns in Version s.o. (Immer das aktuelle Datum). Fertig sind Kapitel 1-4 und 10-12. Kapitel 5-9 stehen nur die Sätze. Hoe ich konnte euch mit dem letzten un kann euch mit dem aktuellen Skript für Analysis II weiterhelfen. Ich wünsche euch allen viel Spass damit. Kenny Bei Fehler inhaltlicher als auch formaler Art, schreib in den Blog http://studium.fstyle.de oder sende eine Mail an: [email protected] (c)2007 Kenny 2 Inhaltsverzeichnis 1 Metrische Räume 4 2 Konvergente Punktfolgen 12 3 Kompaktheit 15 4 Stetige Abbildungen 19 5 Anwendungen: Polynome und Fixpunkte 26 6 Kurven im Rn 27 7 Dierenzierbare Abbildungen 28 8 Gradient und höhere Ableitungen 29 9 Gleichmässige Konvergenz und Funktionenfolgen 30 10 Potenzreihen 31 11 Taylor - Approximation 37 12 Extrema von Funktionen mehrerer Veränderlicher 41 3 1 Metrische Räume Sei X eine Menge. Eine Metrik d auf X ist eine Abbildung d : X×X → R, (x, y) 7→ d(x, y) mit • d(x, y) = 0 ⇔ x = y • d(x, y) = d(y, x)∀x, y (Symmetrie) • d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z)∀x, y, z (4-Ungleichung) Eine Metrik ist nicht-negativ: d(x, y) ≥ 0 ∀ x, y ∈ X , denn: mit der Dreiecksungleichung gilt für z = x: 0 = d(x, x) ≤ d(x, y) + d(y, x) = 2d(x, y). Ist d eine Metrik, so heisen das Paar (X, d) ein metrischer Raum; wir schreiben oft kurz X für (X, d). Beispiele: (i) Die Menge R (bzw C) ist ein metrischer Raum vermöe der Metrik d(x, y) :=| x − y | Standard-Absolut-Betrag fr x, y ∈ R (bzw. C). (ii) Eine beliebige Menge X ist ein metrischer Raum mit der trivialen Metrik 0 x=y d(x, y) = 1 x 6= y (iii) Mit (X, d) ist auch (Y, d) ein metrischer Raum fr jede Teilmenge Y ⊂ X . Die wichtigsten Beispiele metrischer Räume sind die euklidischen Räume Rn , die man folgendermasen erklärt: Sei V ein Vektorraum ber dem Körper K = R oder C. Eine Norm auf V ist eine Abbildung k.k : V → R, x 7→ kxk mit • kxk = 0 ⇔ x = 0 • kλxk = |λ| · kxk ∀x ∈ V, λ ∈ K • kx + yk ≤ kxk + kyk ∀x, y ∈ V . 4 Wiederum impliziert dies kxk ≥ 0 ∀ x ∈ V . (mittels y = −x) Ein normierter Vektorraum ist ein Paar (V, k.k) bestehend aus einem Vektorraum V und einer Norm k.k auf V ; oft kurz V statt (V, k.k). Satz . Sei (V, k.k) ein normierter Vektorraum. Dann wird durch d(x, y) := kx − yk fr x, y ∈ V eine Metrik auf V erklärt und (V, d) ist ein metrischer Raum. 1.1. Beweis folgt unmittelbar aus den Dentionen. Ist V ein euklidischer Vektorraum, d.h. ein Ve Zurück zu den euklidischen Pn Räumen: Das 'kanonische Skalarprodukt' auf dem Rn ist deniert durch hx, yi := j=1 xj yj fr y1 x1 .. .. x = . , y = . ∈ Rn . yn xn 1 P p n 2 2 Dann ist kxk := hx, xi = eine Norm auf Rn , die sogenannte euklidische Norm. j=1 xj Die Eigenschaften (i) und (ii) ergeben sich unmittelbar; die 4-Ungleichung (iii) folt aus der Cauchy-Schwartzschen Ungleichung: ktorraum mit einer symmetrischen, positiv deniten Bilinearform hx, yi (Skalarprodukt, p Inneres Produkt, vgl. Lineare Algebra II), so ist kxk := hx, yi eine Norm auf V . Satz Für (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung). . 2 P n n n P P beliebige a1 , ..., an , b1 , ..., bn ∈ C gilt: aj bj ≤ |aj |2 · |bj |2 j=1 j=1 j=1 1.2 (vgl. Aufgabe 1.2: P ∼ R ) Beweis: P P P Sei A = |aj |2 , B = |bj |2 und C = aj bj . Ist B = 0, so folgt b1 = ... = bn = 0 und die Behauptung folgt. OBdA sei also B > 0. Dann n n P P |Baj − Cbj |2 = (Baj − Cbj )(Baj − Cbj ) = j=1 B 2 j=1 n P aj aj − BC P aj bj − BC P aj bj + |C|2 P bj bj = j=1 B 2 A − B |C|2 = B(A − |C|2 ). Also 0 ≤ AB − |C|2 bzw. |C|2 ≤ AB . n Zurück zu den euklidischen Pn Räumen: Das 'kanonische Skalarprodukt' auf dem R ist deniert durch hx, yi := j=1 xj yj für x1 y1 x = ... , y = ... ∈ Rn . xn yn 5 P 1 p n 2 2 hx, xi = x eine Norm auf Rn , die sogenannte euklidische Norm. j=1 j Die Eigenschaften (i) und (ii) ergeben sich unmittelbar; die 4-Ungleichung (iii) folt aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung: kx + yk2 = < x+y, x+y > = < x, y > +2 < x, y > + < y, y > ≤ kxk2 +2 kxk·kyk+kyk2 Dann ist kxk := Biliniarität + Symmetrie denn: < x, y > ≤ kxk · kyk ⇔ n P !2 ≤ xj yj n P ! 12 x2j j=1 j=1 n P ! 12 yj2 . j=1 Also: kx + yk2 ≤ (kxk + kyk)2 ← das ist (iii). p (iv) Nach Satz 1.1 (5 ist also d(x, y) = kx − yk = (x1 − y1 )2 + · · · + (xn − yn )2 eine Metrik auf Rn und Rn also ein metrischer Raum; d(x, y) ist der 'euklidische Abstand' der Punkte x, y ∈ Rn (v) Die Maximums-Norm x1 |x| := max {|x1 | , · · · , |xn |} fr x = ... ∈ Rn xn ist eine Norm auf dem Rn (klar!); es gilt |x| ≤ kxk ≤ √ n |x| ∀x ∈ Rn . Tutorium! (vi) Sei X eine beliebige Menge. Dann ist die Menge B(X) aller beschränkten, reellwertigen Funktionen auf X einen Vektorraum und kf kx := sup {|f (x)| : x ∈ X} induziert eine Norm auf B(X), die Supremums-Norm. Tutorium! (vii) Sei [a, b] ⊂ R. Dann bilden die stetigen Funktionen f : [a, b] → R einen VektorRb 1 raum C[a, b] und fuer jedes feste p ≥ 1 deniert kf kp = ( | f (x) |p dx) p eine a Norm auf C[a, b], die sogenannte p-Norm (dies folgt leicht aus unseren Kenntnissen aus der Ana I). Übung! Die 'Topologie' beschäftigt sich mit den Eigenschaften geometrischer Objekte unter stetigen Deformationen und wurde durch Eulers 'Analysis situs' begründet. Das Königsberger Brückenproblem fragt beispielsweise nach einem Spaziergang ueber alle Brücken von Königsberg, ohne dass man ueber eine zweimal geht... Hier geht es mehr um die 'qualitativen' Abstände, denn um die 'quantitativen'. 6 Wir denieren einige topologische Grundbegrie. Sei (X, d) ein metrischer Raum, a ∈ X , falls ein Punkt und r > 0. Dann heisst Br (a) := {x ∈ X | d(a, x) < r} (vom engl. ball) die oene Kugel mit Mittelpunkt a und Radius r (bzgl. der Metrik d). Eine Teilmenge U ⊂ X ist eine Umgebung von a ∈ X , falls es ein ε > 0 gibt, so dass Bε (a) eine Umgebung von a, die sogenannte ε-Umgebung von a. Satz (Hausdorsches Trennungsaxiom). . Zu je zwei verschiedenen Punkten x, y eines metrischen bungen U von x und V von y mit U ∩ V = ∅ 1.3 Raumes (X, d) gibt es Umge- Beweis: Sei ε := 31 d(x, y). Dann ist ε > 0 (denn x 6= y ) und U := Bε (x) und V := Bε (y) haben leeren Schnitt: Angenommen, z ∈ U ∩ V , dann 3ε = d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) < ε + ε, Widerspruch. Sei (X, d) ein metrischer Raum und E ⊂ X . Ein Punkt a ∈ X ist ein Häufungspunkt von E , wenn in jeder Umgebung von a ein b ∈ E mit b 6= a liegt; ist a ∈ E und a kein Häufungspunkt, so ist a ein isolierter Punkt von E . E heisst abgeschlossen, wenn jeder Häufungspunkt von E in E liegt. Ein Punkt a ∈ E ist ein innerer Punkt von E , wenn es eine Umgebung U ⊂ E gibt. E heisst oen, wenn jeder Punkt von E ein innerer Punkt von E ist. E heisst dicht in X , wenn jeder Punkt von X ein Häufungspunkt von E oder ein Punkt von E ist. Beispiele (i) Q liegt dicht in R. (ii) Oene Intervalle (a, b) ⊂ R sind oen, denn für jedes x ∈ (a, b) gilt: Bε (x) ⊂ (a, b) mit ε = min{| a − x |, | x − b |}; (a, b) ist jedoch nicht abgeschlossen, da a ein Häufungspunkt ist, der nicht in (a, b) liegt. (iii) Abgeschlossene Intervalle [a, b] sind abgeschlossen, aber nicht oen. !Hier: (a, b), [a, b] 6= ∅, R dh. a, b ∈ R mit a < b (iv) Oene Kugeln sind oen, denn zu Br (a) ⊂ X und x ∈ Br (a) ist ε := r−d(x, a) > 0 und mit der N − U ngleichung folgt: Bε (x) ⊂ Bε (a). Wichtig! Kugeln im R1 sind Intervalle, Kugeln im R2 sind das Innere von Kreisen, usw. Im Rn hängt der Begri der oene Menge nicht davon ab, ob man die euklidische Norm oder die Maximum-Norm zugrunde legt (siehe Bsp. (v) ): 7 Mit Bε (a) := {x ∈ Rn | kx − ak < ε} , Bε0 (a) := {x ∈ Rn || x − a |< ε} gilt B 0√ε (a) ⊂ Bε (a) ⊂ Bε0 (a). n im R2 ein Quadrat im und um den Kreis. Jede oene Menge bzgl. der einen Norm ist auch bzgl. der anderen oen. Satz 1.4. . Sei (x, d) ein metrischer Raum und E ⊂ X . Ist a ∈ E ein Häufungspunkt von E , so enthält jede Umgebung von a unendlich viele Punkt von E . Insbesondere enthält eine endliche Punktmenge keine Häufungspunkte. Beweis: Dieser folgt (indirekt) unmittelbar aus den Denitionen. Das Komplement einer Menge E ⊂ X ist die Menge aller x ∈ X\E und wird mit E c bezeichnet. Satz 1.5 (Lemma). . Sei {Ej } eine S (endliche oder T unendliche) Familie von Mengen Ej . Dann gilt: ( Ej )c = ( Ejc ). j j Beweis: SeienSL und R die linke \ rechte Seite der zu beweisenden Gleichung. Ist x ∈ L, so gilt Ej bzw. x 6∈ Ej ∀ j . Also x ∈ Ejc ∀ j . und damit x ∈ R, d.h. L ⊂ R. Die x 6∈ j Implikation R ⊂ L zeigt man analog. Damit gelingen nun fundamentale Aussagen über abgeschlossene bzw. oene Mengen: Satz 1.6. . Sei X ein metrischer Raum. Dann gelten: (i) E ⊂ X ist oen ⇐⇒ E c ist abgeschlossen. (ii) F ⊂ X ist abgeschlossen ⇐⇒ F c ist oen. (iii) ∅ und X sind sowohl oen als auch abgeschlossen. (iv) Für jede Familie E = {Ej } von oenen Mengen ist ist E endlich, so ist n T j=1 Ej oen. 8 clopen S j Ej oen; (v) Für jede Familie F = {Fk } von abgeschlossenen Mengen ist ist F endlich, so ist n S k=1 T k Fk abgeschlossen; Fk abgeschlossen. Vorsicht! Unendliche Durchschnitte oener Mengen sind nicht unbedingt oen, wie folgendes Beispiel zeigt. ∞ T (− n1 , 1 + n1 ) = [0, 1] n=1 Analog können unendliche Vereinigungen abgeschlossener Mengen oen sein. Tutorium!. Beweis: (i) Angenommen E c ist abgeschlossen und x ∈ E beliebig. Dann ist x 6∈ E c und kein Häufungspunkt von E c . Also gibt es eine Umgebung U von x, so dass E c ∩ U = ∅. Damit ist U ⊂ E , d.h. x ist ein innerer Punkt von E und E oen. Ist E oen und x ein Häufungspunkt von E c , dann liegt in jeder Umgebung von x ein Punkt von E c . Also ist x kein innerer Punkt von E . Da E oen ist, ist x ∈ E c und somit E c abgeschlossen. Das beweist Aussage (i), (ii) folgt aus (i) durch Übergang zum Komplement F = Ec (iii) Der gesamte Raum X ist oen, da X Umgebung jedes Punktes x ∈ X ist. Die (iv) leere Menge ∅ ist oen, da es kein x ∈ ∅ gibt mit Bε (x) ⊂ ∅. Die Abgeschlossenheit dieser Mengen folgt über X c = ∅ aus (i) und (ii). S Sei E := Ej und x ∈ E . Dann ist x ∈ Ej ∀ j . Da x ein innerer Punkt von Ej j ist, ist x auchTein innerer Punkt von E und E damit oen. Sei nun ξ := Ej . ∀ x ∈ ξ gibt es Umgebungen Uj = Brj (x) mit Radien rj , so j dass UJ ⊂ Ej . Sei nun U = Br (x) mit r = min {r1 , ..., rn }, dann ist U ⊂ Ej und insbesondere U ⊂ ξ . Also ist ξ oen. Aussage (v) folgt aus vermöge Lemma 1.4 (Seite 8) gemäss S (iv) T c c ( Fk ) = ( Fk ) durch Komplementbildung. k abgeschlossen k oen nach (ii) Der metrische Raum Rn ist also gleichzeitig oen und abgeschlossen. Ein Intervall [a, b) mit a < b im R weder noch. Was ist R ⊂ R2 Ist X ein metrischer Raum und E ⊂ X sowie E 0 die Menge aller Häufungspunkte von E in X , so heissen E := E ∪ E 0 die abgeschlossene Hülle von E . Ein Punkt x ∈ X heissen Randpunkt von E , wenn in jeder Umgebung von x sowohl ein Punkt von E als auch von X\E liegt. Die Menge aller Randpunkte von E heissen Rand von E und wird mit ∂E bezeichnet. Mit E ◦ := E\∂E wird das Innere von E notiert. Es gilt: E = E ∪ ∂E . 9 Beispiel: (v) [a, b] = [a, b]◦ ∪ ∂ [] = (a, b) ∪ {a, b} (vi) ∂Q = R und Q◦ = ∅ (Q ist dicht in R) (vii) Im Rn ist der Rand der Einheitskugel B = {x ∈ Rn : kxk ≤ 1} die Einheitssphäre S n−1 = ∂B = {x ∈ Rn : kxk = 1} Satz 1.7. . Sei X ein metrischer Raum und E ⊂ X . Dann gilt 1. E\∂E ist oen 2. E = E ∪ ∂E ist abgeschlossen 3. ∂E ist abgeschlossen 4. E = E ⇔ E ist abgeschlossen 5. Für jede abgeschlossene Menge F ⊂ X mit E ⊂ F gilt E ⊂ F Insbesondere ist E die kleinste abgeschlossene Teilmenge von X , die E enthält. Beweis (i) Zu beliebigem a ∈ E\∂E gibt es ε > 0, so dass B (a) ∩ (X\E) = ∅ (ansonsten a ∈ ∂E ). Ebenson Bε (a) ∩ ∂E = ∅. Denn wäre y ∈ Bε (a) ∩ ∂E , so läge, da y ∈ ∂E und ∈ Bε (a), eine Umgebung von y ist, in Bε (a) ein Punkt von X\E , . Also Bε (a) ⊂ E\∂E und damit ist a ein innerer Punkt und somit ist E\∂E oen. (ii) Die Identität E(:= E ∪ E 0 ) = E ∪ ∂E ist klar. Angenommen, a ∈ X\E , also a 6∈ E und a ist kein Häufungspunkt von E. Damit besitzt a eine Umgebung, die E nicht schneidet. Also ist das Komplement von E in X oen und daher E abgeschlossen. (iii) Es ist ∂E = (E ∪ ∂E)\(E\∂E), d.h. X\∂E = (X\ (E ∪ ∂E)) ∪ (E\∂E) ist oen | {z } | {z } abgeschlossen (ii) | {z oen oen(i) } nach dem bereits Bewiesenen. Also ist ∂E abgeschlossen (nach Satz 1.6) (iv) Gilt E = E , so ist E nach (ii) abgeschlossen. Ist umgekehrt E abgeschlossen, so ist per Denition E 0 ⊂ E und daher E = E (v) Ist F abgeschlossen und F ⊃ E , dann gilt F ⊃ F 0 . Insbesondere folgt F ⊃ E ∪E 0 = E. 10 Hat man keine Metrik zur Verfgung, so kann man auf den oenen Mengen aufbauend noch mehr abstrahieren: Ist X eine Menge, dann heisst eine Menge τ von Teilmengen von X eine Topologie auf X , wenn • ∅, X ∈ τ • U, V ∈ τ ⇒ U ∩ V ∈ τ • Uj ∈ τ für j ∈ J (beliebige Indexmenge) ⇒ S Uj ∈ τ j∈J Ein topologischer Raum ist ein Paar (X, τ ), bestehend aus einer Menge X und einer Topologie τ auf X . Eine Teilmenge U ⊂ X heisst 'oen', wenn U ∈ τ und 'abgeschlossen', wenn das Komplement U c oen ist. Nach Satz 1.6 ist ein metrischer Raum in natrlicher Weise auch ein topologischer Raum. Topologische Räume, in denen sich je zwei verschiedene Punkte gemäss Satz 1.3 durch oene Mengen trennen lassen, heissen hausdorsch. Jeder metrische Raum ist also insbesondere hausdorsch. Jetzt ein topologischer (!) Beweis für die Existenz unendlich vieler Primzahlen (nach Fürstenberg, ca 1955): Die arithmetischen Progressionen Na,b := {a + bm : m ∈ Z} für a ∈ Z, b ∈ N bilden eine 'Basis' für Z, d.h. • a ∈ Z ⇒ a ∈ Na,1 • a ∈ Na1 ,b1 ∩ Na2 ,b2 = Na,b1 ∩ Na,b2 = Na,kgV[b1 ,b2 ] Jede dadurch erzeugte Topologie {Na,b : a ∈ Z, b ∈ N} ist jede nichtleere oene Menge unendlich. Wegen [ Na+j,b ) Na,b = Z\ ( 1≤j<b | {z oen } ist jedes Na,b auch abgeschlossen. Jede ganze Zahl 6= ±1 ist durch mindestens eine Primzahl teilbar, also gilt [ Z\ {±1} = N0,P P Primzahl Angenommen, es gäbe nur endlich viele Primzahlen, so wäre die rechte Seite eine endliche Vereinigung abgeschlossener Mengen, also abgeschlossen. Dann wäre {−1, +1} eine endliche nichtleere oene Menge, . 11 2 Konvergente Punktfolgen Wir verallgemeinern den Folgenbegri aus Ana-I. Sei (X, d) ein metrischer Raum und (Xk ) eine Folge von Punkten aus X . Dann heisst diese Folge (Xk ) konvergent gegen a ∈ X , in Zeichen limk→∞ xk = a, falls zu jedem ε > 0 ein N ∈ N existiert mit d(xk , a) < ε ∀ k ≥ N (siehe Ana-I: |xk − a| ≤ ε), d.h. fr alle ε > 0 sind alle Folgeglieder mit hinreichend grossem Index in einer ε-Umgebung von a enthalten bzgl der Metrik d. Die Konvergenz von Punktfolgen im X = Rn lässt sich auf die Konvergenz von Folgen reeller Zahlen zurckführen: Satz 2.1. . xk1 . Sei (xk ) eine Folge in Rn , xk = .. ∈ Rn . Dann konvergiert (xk ) genau dann gegen xkn a1 .. a = . ∈ Rn , wenn an lim xkj = aj ∀j = 1..n k→∞ Beweis: Angenommen, lim xk = a. Zu gegebenem ε > 0 gibt es dann ein N ∈ N mit k→∞ =d(xk ,a) < ε ∀ k ≥ N . Damit kxk − ak | {z } fr den eukl. RaumRn |xkj − aj | ≤ kxk − ak < ε∀j = 1..n, k ≥ N Dies impliziert limk→∞ xkj = aj . Gilt umgekehrt limk→∞ xkj = aj fr j = 1..n, so gibt es zu vorgegebenm ε > 0 ein Nj mit |xkj | < √εn ∀k ≥ Nj . P 1 P 2 12 n 2 2 n √ε Fr alle k ≥ N := max {N1 , . . . , Nn } folgt kxk − ak = < = j=1 |xk − aj | j=1 n ε. Also limk→∞ xk = a. Folgenkonvergenz charakterisiert abgeschlossene Mengen: Satz 2.2. . Sei X ein metrischer Raum. Eine Teilmenge E ⊂ X ist genau dann abgeschlossen, wenn gilt: Ist (xk ) eine in X konvergente Folge von Punkten xk ∈ E , so liegt der Grenzwert a = limk→∞ xk in E. 12 Beweis: Nach Satz 1.7 ist E genau dann abgeschlossen, wenn E = E , d.h., wenn alle Häufungspunkte von E in E selbst liegen. Ist also E abgeschlossen, dann ist auch der Grenzwert jeder konvergenten Folge von Punkten (als Häufungspunkt) enthalten in E . Ist E nicht abgeschlossen, so gibt es einen Häufungspunkt a von E , der nicht in E liegt. Zu diesem Häufungspunkt a gibt es dann aber per Denition in jeder Umgebung von a ein b ∈ E . Dies deniert eine Folge von Punkten xk ∈ E mit lim xk = a 6∈ E . k→∞ (wie bereits in Ana I:) Folgenkonvergenzkriterium ohne Kenntnis des Grenzwerts: Sei (X, d) ein metrischer Raum. EiEin metrischer Raum heisst vollständig, wenn in ihm jede Cauchy-Folge konvergiert. Ein vollständig normierter Vektorraum heisst Banach-Raum. ne Folge (xk ) von Punkten in X heisst Cauchy-Folge, falls zu jedem ε > 0 ein N ∈ N existiert, so dass d(xk , xm ) < ε ∀ k, m > N . Jede konvergente Folge in einem metrischen Raum ist eine Cauchy-Folge: ist lim xk = a, k→∞ dann gibt es zu jedem ε > 0 ein N mit d(xk , a) < 2ε ∀k ≥ N . Die Dreiecksungleichung liefert: d(xk , xm ) ≤ d(xk , a) + d(a, xm ) < 2ε + 2ε = ε. Wichtig ist die Umkehrung dieser Aussage: Ein metrischer Raum heisst vollständig, wenn in ihm jede Cauchy-Folge konvergiert. Ein vollständig normierter Vektorraum heisst Banach-Raum. Satz . Im R konvergiert jede Cauchy-Folge. 2.3. n Beweis: xk1 Sei (xk ) mit xk = ... ∈ Rn eine Cauchy-Folge im Rn . Wegen |xkj − xmj | ≤ xkn kxk − xm k ist fr jedes j = 1...n die Folge (xkj )k eine Cauchy-Folge in R, die aufgrund der Vollständigkeit von R (Kap. 6, Ana I) konvergiert. Mit Satz 2.1 folgt die Konvergenz von (xk ) im Rn . Sei (X, d) ein metrischer Raum. Für eine Teilmenge A ⊂ X ist der Diameter (Durchmesser) deniert durch diam(A) = sup {d(x, y) : x, y ∈ A} A heisst beschränkt, falls diam(A) < ∞. Damit ist A genau dann beschränkt, wenn A in einer hinreichend grossen Kugel enthalten ist, d.h. wenn es a ∈ X und r > 0, so dass A ⊂ Br (a) (← hier gilt: diam(Br (a)) = 2r) Nun eine Verallgemeinerung des Prinzips der Intervallschachtelung (Ana I, Kap. 6): 13 Satz . Sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum und A0 ⊃ A1 ⊃ A2 ⊃ . . . eine absteigende Folge abgeschlossener Mengen Ak ⊂ X, Ak 6= ∅, mit lim diam(Ak ) = 0. k→∞ Dann gibt es genau einen Punkt a ∈ X , der in allen Ak liegt. d.h. x∈ 2.4 T (Schachtelungsprinzip). Ak k Beweis: Oensichtlich kann es nicht mehr als einen solchen Punkt geben. Zur Existenz: zu jedem k ∈ N wählen wir ein xk ∈ Ak . Wegen d(xk , xm ) ≤ diam(AN ) ∀ k, m ≥ N ist (xk ) eine Cauchy-Folge (da diam(Ak ) −→ 0) und konvergiert aufgrund der Vollstänk→∞ digkeit von X gegen einen Punkt a ∈ X . Nun gilt xm ∈ Ak ∀ m ≥ k nach Voraussetzung (Am ⊂ Ak ) und wegen der Abschlossenheit der Ak nach Satz 2.2 folgt a ∈ Ak ∀ k . Eine Teilmenge E eines metrischen Raumes X heisst vollkommen, wenn E abgeschlossen ist und jeder Punkt von E ein Häufungspunkt ist, d.h. E 0 = E . Beispiele: X ist vollkommen, Q ⊂ R jedoch nicht. Wir konstruieren nun eine vollkommene in R, die kein Intervall enthält. Seien 1 2Menge 1 2 I0 = [0, 1] und I1 = I0 \( 3 , 3 ) = 0, 3 ∪ 3 , 1 . Nun entfernen wir (wie bei 2I01)ausden Intervallen 8 von I1 die jeweiligen 'mittleren Drittel'; 1 2 7 es entsteht I2 = 0, 9 ∪ 9 , 3 ∪ 3 , 9 ∪ 9 , 1 Wenn wir dieses Verfahren fortsetzen, erhalten wir eine Folge von beschränkten und abgeschlossenen (also kompakten ) Mengen In mit • I0 ⊃ I1 ⊃ I2 ⊃ I3 ⊃ . . . • In ist die Vereinigung von 2n Intervallen der L?ge Die Menge C := T 1 n 3 = 3−n . In ist die Cantor-Menge. n∈N Nach Satz 1.6 (v) ist C abgeschlossen und sowieso beschränkt (also kompakt). Ferner ist C nach dem Schachtelungsprinzip (Satz 2.4) nicht-leer. 3k+1 3k+2 Kein Intervall der Form 3m , 3m für k, m ∈ N besitzt einen gemeinsamen Punkt mit C . Auch enthält C kein Intervall (a, b), denn 3−m < b−a für hinreichend grosses m. Ferner 6 enthält C nur Häufungspunkte (denn zu jedem a ∈ C existiert eine Folge von 'Endpunkten' xk von Intervallen in Ik , und wegen lim xk = P a). Also ist C vollkommen. −n C ist überabzählbar und besteht genau aus den Zahlen a = ∞ mit an ∈ {0, 2}. n=1 an 3 14 3 Kompaktheit Die Eigenschaft einer Menge, 'oen' zu ( sein, hängt von dem Raum ab, in dem sie eingeoen im R, aber bettet ist; z.B. ist das Intervall (a, b) nicht oen im R2 Robuster und für die Analysis von fundamentaler Bedeutung ist der Begri der 'Kompaktheit': Sei X ein metrischer Raum und K ⊂ X eine Teilmenge. Eine oene Überdeckung von K istSeine Familie {Uj }j∈J von oenen Teilmengen Uj ⊂ X , so dass K ⊂ Uj ; j∈J hierbei ist J eine endliche oder unendliche Indexmenge. K heisst kompakt, wenn jede(!) oene Üerdeckung {Uj } von K eine endliche Teilberdeckung enthält, d.h. es gibt endlich viele Indizes j1 , . . . , jm ∈ J mit K ⊂ Uj1 ∪ · · · ∪ Ujm Vorsicht! Jede Menge K ⊂ X besitzt eine endliche, oene Überdeckung - etwa X selbst. Hier wird jedoch gefordert, dass eine beliebig vorgegebene oene Überdeckung stets eine endliche Teilberdeckung enthält! In Einklang mit unserer Denition von kompakten Mengen in R aus Analysis I gilt: Satz 3.1 (Heine-Borel (1821-81, 1871-1956 respektive)). . Eine Teilmenge K ⊂ Rn ist genau dann kompakt, wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist. Äquivalent hierzu ist, dass jede unendliche Teilmenge von K einen Häufungspunkt in K besitzt (ohne Beweis). darf(sollte) benutzt werden für Aufgabe 2.1 Der aufwendige Beweis von Satz 3.1 benötigt einige Vorarbeiten: Satz 3.2 (Lemma). . Es seien aj , bj ∈ R mit aj ≤ bj fr j = 1..n. Dann ist der Quader Q = {(x1 , . . . , xn ) ∈ Rn : aj ≤ xj ≤ bj } abgeschlossen und kompakt im Rn . 15 Beweis: (vgl mit dem Beweis zu Satz 7.1, Ana I) Die Abgeschlossenheit folgt unmittelbar aus der Tatsache, dass mit den [aj , bj ] auch deren kartesisches Produkt abgeschlossen ist. Zur Kompaktheit: Sei {Uj } eine oene Überdeckung von Q. Angenommen, Q lässt sich nicht durch endliche viele Ujk überdecken. Wir konstruieren induktiv eine Folge von abgeschlossenen Teilquadern Q0 ⊃ Q1 ⊃ Q2 ⊃ . . . mit folgenden Eigenschaften: 1. Qm kann nicht durch endlich viele Ujk berdeckt werden. 2. diam(Qm ) = 2−m diam(Q) Sei Q0 = Q und Qm = I1 × · · · × In bereits konstruiert, wobei die Ij abgeschlossene Intervalle in R sind. Wir zerlegen jedes Ij in zwei abgeschlossene Intervalle halber Länge: (1) (2) (s ,...,s ) (s ) (s ) Ij = Ij ∪ Ij und setzen für sj ∈ {1, 2} : Qm1 n = I1 1 × · · · × In n . S (s ,...,s ) (s ,...,s ) Qm1 n = Qm . Damit erhalten wir 2n Quader Qmy n mit s1 ,...,sn Da Qm nach Voraussetzung nicht von endlich vielen Ujk überdeckt werden kann, gibt (s ,...,s ) es also mindestens einen der Quader Qm1 n , der auch nicht von endlich vielen Ujk überdeckt werden kann; dieser sei Qm+1 . Es gilt dann diam(Qm+1 ) = 21 diam(Qm ) = (ii) · 2 diam(Q) = 2 diam(Q) und Qm+1 erfüllt (i) und (ii), was die Induktion abschliesst. T Nach dem Schachtelungsprinzip (Satz 2.4) gibt es einen Punkt a ∈ Qm . Da {Uj } eine 1 2 −m −m−1 m Überdeckung von Q ist, folgt a ∈ Uj0 für mindestens einen Index j0 . Mit der Oenheit der Uj existiert dann ein ε > 0, so dass Bε (a) ⊂ Uj0 . Ist nun m so gross dass diam(Qm ) < ε (siehe (ii)), so folgt wegen a ∈ Qm nun Qm ⊂ Bε (a) ⊂ Uj0 im Widerspruch zu (i). Damit ist das Lemma bewiesen. Satz 3.3. . Jede kompakte Teilmenge K eines metrisches Raumes (X, d) ist beschränkt und abgeschlossen. 16 Beweis: OBdA S K 6= ∅ und a ∈ K . Da jeder Punkt x ∈ X endlichen Abstand von a hat, ist Bn (a) = X . Damit ist {Bn (a)} eine oene Überdeckung von K . Da K nach n∈N Voraussetzung kompakt ist, gibt es endlich viele Indizes n1 , . . . , nk mit K ⊂ k S Bn (a). j=1 Für N := max {n1 , . . . , n2 } folgt K ⊂ BN (a). Damit ist K beschränkt. Es verbleibt die Abgeschlossenheit zu zeigen, bzw. dass X\K oenist. Sei y ∈ X\K beliebig. Für n ∈ N betrachte Un := x ∈ X : d(x, y) > n1 . Oensichtlich ∞ S ist Un oen und Un = X\ {y} ⊃ K . Mit der Kompaktheit von K gibt es also wiederum n=1 endlich viele n1 , . . . , nk ∈ N mit K ⊂ Un1 ∪ · · · ∪ Unk . Für N = max {n1 , . . . , nk } gilt B 1 (y) ⊂ X\K . Also ist X\K oen und K abgeschlossen. N Satz . Sei X ein metrischer Raum, Y ⊂ X kompakt und K ⊂ Y eine abgeschlossene Teilmenge. Dann ist auch K kompakt. 3.4. (d.h. Kompaktheit überträgt sich so auf abgeschlossene Teilmengen!) Beweis: Sei {Uj } eine oene S Überdeckung von K . X\K oen und (X\K) ∪ Uj = X ⊃ Y . j Da Y kompakt ist, gibt es endliche viele Indizes jk , so dass Y ⊂ (X\K) ∪ Uj1 ∪ · · · ∪ Ujn . | {z } oen Dies impliziert K ⊂ Uj1 ∪ · · · ∪ Ujn . Jetzt der Beweis von Satz 3.1 (Heine-Borel): K ⊂ Rn ⇔ K ist beschränkt und abgeschlossen. kompakt Ist K kompakt, so liefert Satz 3.3 die Beschräktheit und Abgeschlossenheit. Ist K beschränkt und abgeschlossen, so ist K in einem hinreichend grossen Quader Q enthalten, der nach Lemma 3.2 kompakt ist. Nach Satz 3.4 ist dann auch K ⊂ Y = Q kompakt. . Die Implikation '⇒' gilt in allgemeinen metrischen Räumen (Satz 3.3) Für die Rückrichtung '⇐' hingegen haben wir die Vollständigkeit des Rn bzgl. der euklidischen Norm (In Gestalt des Schachtelungsprinzips im Beweis von Lemma 3.2) benutzt; auf diese Eigenschaft kann nicht verzichtet werden. Illustration des Kompaktheitsbegries: Satz . Sei X ein metrischer Raum und (xk ) eine Punktfolge in X , die gegen den Grenzwert a ∈ X konvergiert. Dann ist A = {xk : k ∈ N} ∪ {a} kompakt. 3.5. 17 ∼ Beweis: Sei {Uj }j∈J eine oene Überdeckung von A. Wegen a ∈ A gibt es ein j ∈ J , so dass a ∈ U∼ . Da U∼ oen ist, ist U∼ eine Umgebung von a und wegen lim xk = a gibt j j j n→∞ es ein N , so dass xk ∈ U∼ ∀ k ≥ N . j Ferner xk ∈ Ujk für k < N mit gewissen jk ∈ J . Damit A ⊂ Uj1 ∪ · · · ∪ UjN −1 ∪ U∼ . j Die Aussagen ist i.A. falsch, wenn man aus A den Grenzwert entfernt, denn dieser ist ein Häufungspunkt von A, also A 6= A und somit wäre A nicht abgeschlossen. Z.B. ist A = n1 : n ∈ N ⊂ R nicht kompakt. Hier gilt lim = 0 ∈ / A. Alternativ: n→∞ 1 1 Seien U1 = 12 , 2 , Un = n+1 , n−1 für n ≥ 2. Dann ist {Un } eine oene Überdeckung 1 von A. Da A ∩ Un = n , wird A von keiner endlichen Teilüberdeckung {Un1 , . . . , Unk } überdeckt, ist also auch nicht kompakt. Eine Folge (xk ) von Punkten eines metrischen Raumes heisst beschränkt, wenn die Menge {xk } beschränkt ist. Aus Satz 3.3 und Satz 3.5 folgt sofort: Satz . Jede konvergente Folge in einem metrischen Raum ist beschränkt. 3.6 (Korollar). Als nächstes verallgemeinern wir Satz 7.1 aus Ana I: Satz 3.7 (Bolzano-Weierstrass). . Sei K eine kompakte Teilmenge eines metrischen Raumes X und (xn )n eine Punktefolge in K . Dann gibt es eine konvergente Teilfolge (xnj )j mit Grenzwert a := lim xnj ∈ K . j→∞ Beweis: Angenommen, keine Teilfolge konvergiert in K . Dann besitzt jeder Punkt a ∈ K eine oene Umgebung Ua , in der nur endlich viele Folgeglieder xn liegen (denn lägen in jeder Umgebung von einem a unendlich viele Folgeglieder, so könnte man aus diesen eine gegen a konvergierende S Teilfolge konstruieren). Es gilt K ⊂ Ua . Da K kompakt ist, gibt es endlich viele Punkte a1 , . . . , am ∈ K , mit a∈K K ⊂ Ua1 ∪ · · · ∪ Uam . Damit lägen aber nur endlich viele Folgeglieder xn in K , . Als einfache Konsequenz ergibt sich: Satz . Jede beschränkte Folge im Rn besitzt eine konvergente Teilfolge. 3.8 (Korollar). Beweis: Eine jede beschränkte Folge ist in einem hinreichend grossen abgeschlossenen Quader enthalten. Mit Lemma 3.2 und dem Satz 3.7 folgt die Behauptung. Tatsächlich sind die Sätze 3.1 (Heine-Borel) und 3.7 (Bolzano-Weierstrass) äquivalent. 18 4 Stetige Abbildungen Seien X und Y metrische Räume und f : X → Y eine Abbildung (d.h. jedem x ∈ X wird eindeutig ein y ∈ Y mit f (x) = y zugeordnet). Dann heisst f stetig im Punkt a ∈ X , falls lim f (x) = f (a), d.h. wenn für jede(!) Folge x→a (xn )n von Punkten xn ∈ X mit lim xn = a gilt: limn→∞ f (xn ) = f (limn→a xn ) = f (a) x→∞ f heisst stetig auf X , falls f stetig in jedem a ∈ X ist. leichte Verallgemeinerung des Stetigkeitsbegries in R aus Ana I. Viele Aussagen über stetige Funktionen über R übertragen sich unmittelbar, z.B.: • Sind X, Y, Z metrische Räume und f : X → Y, g : Y → Z Abbildungen, so dass f stetig in a ∈ X und g stetig in b = f (a) ∈ Y , dann ist auch g ◦ f : X → Z stetig in a (mit dem selben Beweis wie für X, Y ⊂ R). • Ist X ein metrischer Raum und seien f, g : X → R stetig. Dann sind auch f + g , f · g und fg : X → R stetig, wobei für fg noch g 6= 0 vorauszusetzen ist. (Beweise wörtlich wie in Ana I) Ein alternativer Beweis der zweiten Aussagen gelingt mit Satz 4.1. . Die folgenden Abbildungen sind stetig: (i) add : R × R → R, (x, y) 7→ x + y (ii) mult : R × R → R, (x, y) 7→ x · y (iii) quot : R × R\ {0} → R, (x, y) 7→ x y n Eine Abbildung f : X → Rn mit Werten in R wird durch n Komponentenabbildungen f1 (x) .. fj : X → R gegeben, wobei f (x) = . ∀ x ∈ X . fn (x) Dann ist f nach Satz 2.1 genau dann stetig in a ∈ X , wenn alle Komponenten fj (x) stetig sind in a ∈ X . Klar: mit f und g : X → R ist auch (f, g) : X → R×R stetig und beispielsweise mit der Stetigkeit von add folgt (nach Satz 4.1) die Stetigkeit von f + g = add ◦ (f, g) : X → R Beweis: (i) Ist ((xk ), (yk )) eine Folge in R × R mit lim ((xk ), (yk )) = (x, y), dann gilt nach Satz k→∞ 2.1, dass lim xk = x und lim yk = y . Also folgt lim (xk , yk ) = lim (xk + yk ) = x + y k→∞ k→∞ k→∞ mit den Rechenregeln für konvergente Folgen aus Ana I. Die Behauptungen (ii) und (iii) ergeben sich analog. 19 k→∞ Damit ergibt sich die Stetigkeit von Polynomen. Ein Monom vom Grad d auf dem Rn ist eine Abbildung der Form (x1 , . . . , xn ) 7→ xd11 ·...·xdnn , wobei die dj nicht-negative ganze Zahlen mit d1 +· · ·+dn = d sind. Ein Polynom P : Rn → R vom Grad deg(P ) ≤ d ist eine Linearkombination von Monomen vom Grad ≤ dP , d.h. P (x1 , ..., xn ) = cd1 ... dn xd11 · ... · xdnn , wobei die Koezienten cd1 ... dn reell sind. d1 +...+dn ≤d x1 Mit der Stetigkeit der Koordinatenfunktionen (Projektion) ... → xj xn und der Stetigkeit konstanter Funktionen ergibt sich durch widerholtes Anwenden von Satz 4.1 die Stetigkeit der Polynome auf Rn . Allgemeiner als Satz 9.5 aus Ana I: Satz (ε − δ -Kriterium). . Seien (X, dx ) und (Y, dy ) metrische Räume und f : X → Y eine Abbildung. Dann ist f genau dann statig in a ∈ X , wenn gilt: Zu jedem ε > 0 existiert ein δ > 0, so dass dy (f (x), f (a)) < ε ∀ x ∈ X mit dx (x, a) < δ . 4.2 Beweis: Angenommen, f ist stetig in a, also lim f (x) = f (a), aber das ε-δ -Kriterium ist nicht x→a erfüllt. Dann gibt es ε > 0, so dass für jedes δ > 0 ein x ∈ X existiert mit dX (x, a) < δ , aber dY (f (xn ), f (a)) ≥ ε. Insbesondere ergibt sich für δ = n1 ein xn ∈ X mit dX (xn , a) < n1 , aber dY (f (x), f (a)) ≥ ε. Daraus folgt lim xn = a und lim f (xn ) 6= f (a), zur Stetigkeit von f in a. n→∞ n→∞ Umkehrung: Angenommen, das ε-δ -Kriterium gilt und (xn ) ist eine Folge in X mit lim xn = a. Zu vorgebenem ε > 0 gibt es dann ein δ > 0, so dass dX (x, a) < δ ⇒ n→∞ dY (f (x), f (a)) < ε speziell für x = xn gibt es wegen der Konvergenz gegen a ein N mit dX (xn , a) < δ ∀ n ≥ N . Also folgt dY (f (xa ), f (a)) < ε für eben diese n. Damit ergibt sich lim f (xn ) = f (a), d.h. f ist stetig in a. n→∞ 20 Ein triviales (aber wichtiges) Beispiel: Ist (X, a) ein metrischer Raum und x0 ∈ X beliebig, dann ist d(., x0 ) : X → R, x 7→ d(x, x0 ) stetig, denn: Für a ∈ X beliebig gilt |d(a, x0 ) − d(x, x0 )| ≤ d(a, x) und dies ist < ε ∀ x mit d(a, x) < ε N (hier konnten wir δ = ε wählen und Satz 4.2 anwenden). Ein weiteres wichtiges Beispiel liefern die linearen Abbildungen A : X → Y zwischen Vektorräumen, d.h. A(x + y) = A(x) + A(y), A(λX) = λA(x)∀x, y ∈ X und alle Skalare λ(∈ R oder C bei uns). Hier gilt: Satz . Seien X und Y normierte Vektorräume (über R oder C) und A : X → Y linear. Dann ist A genau dann stetig, wenn es eine Konstante c ≥ 0 gibt, so dass kA(x)k ≤ c kxk ∀ x ∈ X . 4.3. Norm auf Y Norm auf X (⇔ A ist beschränkt) Beweis: Zunächst nehmen wir an, dass A stetig im Nullpunkt. Zu ε = 1 gibt es dann nach Satz 4.2 ein δ > 0 mit kA(z)k < 1 ∀ z ∈ X, kzk < δ Sei c := 2δ und x ∈ X\ {0} beliebig, sowie λ := (c kxk)−1 (∈ R) und z := λx. 1 1 Dann gilt kzk = |λ| · kxk = c kxk · kxk = |c| = 2δ < δ und somit kA(z)k < 1. 1 Aufgrund der Linearität von A ist A(z) = A(λx) = λA(x) = c kxk A(x) und damit kA(x)k = c kxk · kA(z)k < c kxk. <1 (Wir haben hier nur die Stetigkeit in x = 0 benutzt!) Angenommen, es gibt c ≥ 0 mit kA(x)k ≤ c kxk ∀ x ∈ X . Dann gilt mit der Linearität von A : kA(x) − A(x0 )k = kA(x − x0 )k ≤ c kx − x0 k. Mit dem ε − δ -Kriterium (Satz 4.2) folgt daraus sofort die Stetigkeit von A. Aus dem Beweis folgt sofort: Eine lineare Abbildung A : X → Y ist bereits dann stetig auf ganz X , wenn A im Nullpunkt stetig ist. 21 Beispiele: (i) Die auf dem Intervall [a, b] ⊂ R reellwertigen, stetigen Funktionen f bilden einen Vektorraum C[a, b], normiert mit der Supremumsnorm (siehe Bsp 1. (vi), (vii)) kf k = sup {|f (x)| : x ∈ [a, b]} Die Integralabbildung, deniert durch I : C[a, b] → R, f 7→ I(f ) = Rb f (x)dx, ist a nach Satz 15.3 aus Ana I linear(!). Auf Grund der Abschätzung (Ana I Kap 15) |I(f )| ≤ (b − a) kf k ∀ f ∈ C[a, b] ist I nach Satz 4.3 stetig. (ii) Nun sei C 0 [0, 1] ⊂ C[0, 1] der Untervektorraum aller streng dierenzierbaren Funktionen mit der Supremumsnorm und D : C 0 [0, 1] → C[0, 1], f 7→ Df := f 0 die durch die Dierentation denierte lineare Abbildung. Für die Monome fn : x 7→ xn ∈ C 0 [0, 1] gilt: kfn k = 1 und kDfn k = n. =nfn−1 Da es aber keine Konstante c mit kDf nk ≤ c kfn k ∀ n ∈ N gibt, ist der 'Dierentialoperator' D nicht stetig auf C 0 [0, 1]. Sind X und Y normierte Vektorräume und A : X → Y eine stetige lineare Abbildung, so istdie Norm von A deniert durch kAk = sup kA(x)k Werte der Norm auf Y | x ∈ X mit kxk Norm auf X ≤1 Satz 4.3 impliziert kAk < ∞ und kA(x)k ≤ kAk · kxk ∀ x ∈ X . a Insbesondere folgt A( kxk ≤ kAk ∀ x 6= 0. Man sieht leicht, dass die Menge aller stetigen linearen Abbildungen A : X → Y einen Vektorraum bilden und A 7→ kAk eine Norm bildet. (iii) Von besonderem Interesse sind lineare Abbildungen zwischen euklidischen Räumen A : Rn → Rm . Jede solche ist stetig! In der Linearen Algebra lernt man, dass jede lineare Abbildung A durch eine m × n Matrix (aij ) 1≤i≤m mit aij ∈ R 1≤j≤n (bzgl. der kanonischen√Basis) gegen ist. Für die Norm ndet man max |aij | ≤ kAk ≤ mnmax |aij | denn: sei x und y gegeben mit i,j i,j trivial y = Ax und kxk ≤ 1. Dann gilt für die Komponenten von y : n P aij xj (i = 1, ..., m). Mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung (Satz 1.2) folgt yi = j=1 n X |yi | = aij xj √ ≤ ≤ n max|aij | j=1 bzw. kyk = m X i=1 n X ≤ √ ≤ mn max|aij | 22 a2ij j=1 ! 21 yi2 ! 21 n X ! 21 x2j j=1 =kxk≤1 m X i=1 ! 21 n max a2ij Nun ein Stetigkeitskriterium, das unabhängig von den zugrundeliegenden Metriken ist(!): Satz . Seien X, Y metrische Räume und f : X → Y eine Abbildung. Dann ist f genau dann auf ganz X stetig, wenn das Urbild f −1 (V ) jeder oenen Menge V ⊂ Y oen in X ist. 4.4. Beweis: Das ε − δ -Kriterium (Satz 4.2) impliziert: Zu jeder Umgebung V von f(a) existiert eine Umgebung U von a mit f(U) ⊂ V. (folgt unmittelbar aus der Denition von 'Umgebung') f ist stetig in a ∈ X ⇐⇒ Angenommen f ist stetig und V ⊂ Y oen. Sei a ∈ f −1 (V ) beliebig. Da V Umgebung von f (a) ∈ V ist, existiert nach obigem eine Umgebung U von a mit f (U ) ⊂ V . Also U ⊂ f −1 (V ) und damit ist f −1 (V ) eine Umgebung von a und somit oen. Gilt umgekehrt, dass das Urbild jeder oenen Menge oen ist und ist a ∈ X beliebig, dann gibt es zu jeder Umgebung V von f (a) eine oene Menge V1 mit f (a) ∈ V1 ⊂ V . Dann ist U := f −1 (V1 ) oen und wegen a ∈ U ist U eine Umgebung von a mit f (U ) ⊂ V . Also ist f stetig. Der Übergang zu den Komplementen der oenen Mengen liefert äquivalente zu Satz 4.4: f : X → Y ist stetig ⇐⇒ Das Urbild jeder abgeschl. Menge ist abgeschlossen Beispielsweise sind bei einer stetigen Funktion f : R → R ( {x ∈ R | f (x) < c} oen, für jedes feste c ∈ R ist {x ∈ R | f (x) = c} abgeschlossen Stetige Funktionen 'transportieren' die Kompaktheitseigenschaften: Satz . Seien X, Y metrische Räume und f : X → Y stetig. Ist K ⊂ X kompakt, so auch f (K) ⊂ Y . 4.5. Beweis: Es sei {Uj } eine oene Überdeckung von f (K).SNach Satz 4.4 S sind die Mengen −1 Vj := f (Uj ) oen in X und wegen f (K) ⊂ Uj gilt K ⊂ Vj . Da K kompakt ist, j j existieren endlich viele Indizes j1 , ..., jk , so dass K ⊂ Vj1 ∪ ... ∪ Vjk und damit auch f (K) ⊂ Uj1 ∪ ... ∪ Ujk . 23 Satz . Sei X ein kompakter(!) metrischer Raum und f : X → R stetig. Dann ist f beschränkt und nimmt Maximum und Minimum an, d.h. es gibt ξ, η ∈ X mit 4.6. f (ξ) = sup {f (x) | x ∈ X} , f (η) = inf {f (x) | x ∈ X} . Beweis: Nach Satz 4.5 ist A := f (X) ⊂ R kompakt und somit nach dem Satz (3.1) von HeineBorel beschränkt und abgeschlossen. Insbesondere sind sup(A) und inf(A) endlich und es gibt Folgen (ξk )k und (ηk )k mit lim f (ξk ) = sup(A) und ηk = inf(A). k→∞ k→∞ Mit der Abgeschlossenheit von A folgt via Satz 2.2, dass diese Grenzwerte in A liegen. Zum Beispiel ist die Distanzfunktion x 7→ dist(x, A) := inf {d(x, a) | a ∈ A} einer Teilmenge A eines metrischen Raumes (X, d) stetig auf X und nimmt für x ∈ K mit kompakten K ⊂ X und K ∩ A 6= ∅ ein positives Minimum an, sofern A abgeschlossen ist. Dies gilt i.a. nicht mehr, wenn K zwar abgeschlossen, aber unbeschränkt ist: K = {(x, y) ∈ R2 | xy = 0} A = {(x, y) ∈ R2 | xy = 1} abgeschlossen, aber unbeschränkt K ∩ A 6= ∅, dist(K, A) := inf {dist(x, A) | x ∈ K} = 0. A Hyperbell; K X-Achse 24 Wir wiederholen einen weiteren Begri aus der Analysis I: Seien (X, d), (Y, d) metrische Räume. Eine Abbildung f : X → Y heisst gleichmässig stetig, wenn zu jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert mit: dY (f (x), f (x)) < ε ∀ x, x ∈ X mit dX (x, x) < δ . Klar: eine gleichmässig stetige Abbildung ist insbesondere stetig (Satz 4.2). Die Umkehrung gilt für kompakte Mengen: Satz . Seien X, Y metrische Räume und X kompakt. Dann ist jede stetige Abbildung f : X → Y gleichmässig stetig. 4.7. Beweis: Sei ε > 0 gegeben und d bezeichne die Metrik auf Y . Dann gibt es zu jedem x ∈ X ein δ(x) > 0 mit ε (∗)d(f (x), S f (x)) < 2 ∀ x ∈ Bδ(x) (x) Wegen B δ(x) (x) = X ergibt sich zusammen mit der Kompaktheit von X die Existenz x∈X 2 endlich vieler Pukte x1 , ..., xk ∈ X , so dass B δ(x) (x1 ) ∪ ... ∪ B δ(x) (xk ) = X . 2 2 o n δ(x1 ) δ(xk ) Sei nun δ := min , ..., 2 . Dann gibt es für zwei beliebige Punkte x, x ∈ X mit 2 Abstand dX (x, x) < δ ein j ∈ {1, ..., k} mit x ∈ B δ(x) (xj ) bzw. x ∈ B δ(x) (x). 2 2 Mit (∗) folgt d(f (xj ), f (x)) < 2ε , d(f (xj ), f (x)) < 2ε , also d(f (x), f (x)) ≤ d(f (x), f (xj )) + d(f (xj ), f (x)) < ε. <ε Dieser Satz ist eine weitgehende Verallgemeinerung derselben Aussage für stetige Funktionen auf kompakten Intervallen. (Satz 9.6 aus Ana I) 25 5 Anwendungen: Polynome und Fixpunkte Bereits in Analysis I (Kapitel 13) hatten wir ohne beweis bemerkt: Satz 5.1 (Fundamentalsatz der Algebra). . Über C besitzt jedes nicht-konstante Polynom eine Nullstelle Den ersten Beweis gab Gauss 1799 in seiner Dissertation. Beweis: (nach Argand 1814) Sei also n ∈ N und P (z) = an z n + ... + a1 z + a0 mit aj ∈ C, an 6= 0. Dann ist die Funktion z 7→ |P (z)| nicht konstant (n ≥ 1), reell-wertig und stetig. Ferner ist |P (z)| nicht-negativ (klar!), besitzt also ein Inmum µ ≥ 0. Wegen |P (z)| ≥ 12 |an | |z|n für |z| → ∞ folgt mit dem Satz 4.6 sogar die Existenz eines R > 0, so dass |P (z)| sein Inmum µ auf der kompakten Menge K := {z ∈ C | |z| ≤ R} annimmt, d.h. es gibt ein ξ ∈ K mit |P (ξ)| = µ ≤ |P (z)| ∀ z ∈ C. Angenommen, µ 6= 0 (d.h. µ > 0 und P hat keine Nullstelle in C). Dann ist f (z) := P 1(ξ) · P (z + ξ) ein Polynom vom Grad n mit f (0) = 1 und |f (z)| ≥ 1 ∀ z ∈ C. Somit gilt f (z) = bn z n + ... + bm z m + 1 mit bj ∈ C, bm 6= 0 für ein 1 ≤ m ≤ n. Jetzt benutzen wir die Polarkoordinatendarstellung z = reiφ (siehe Ana I, Satz 14.6). iβ . Dann gilt bm eiφm = |bm | ei(β+φm) = − |bm | bzw. Zu φ = π−β m bmiφ= |bm | e sei nun f (re ) ≤ 1 + bm (reiφ )m + ... + bn (reiφ )n =|1−|bm |rm | |bm | + rm+1 |bm+1 | =|bn |rn rn |bn | ≤1−r + ... + = 1 − rm (|bm | − r |bm+1 | − ... − rn−m |bn |). Dies ist aber < 1 für hinreichend kleines r im Widerspruch zu |f (z)| ≥ 1. Also gilt µ = 0. m Durch sukzessives Abspalten von Linearfaktoren gewinnt man für ein komplexes PolydegP Q nom die Faktorisierung P (z) = c (z − zj ), wobei c eine von P abhängige Konstante j=1 ist und die zj die Nullstellen von P bezeichnen. Über C zerfällt ein nicht-konstantes Polynom also in Linearfaktoren und besitzt genau degP viele Nullstellen (entsprechend ihrer Vielfachheit gezählt). Eine weiter wichtige Anwendung der bisherigen Theorie ergibt sich im Zusammenhang mit dem Begri der kontrahierenden Abbildung: Ist (X, d) ein metrischer Raum und f : X → X eine Abbildung, so dass d(f (x), f (y)) ≤ cd(x, y) ∀ x, y ∈ X mit einer Zahl c < 1 gilt, dann nennt man f eine Kontraktion (von X in X ). Satz . Ist (X, d) ein vollständiger metricher Raum und f : X → X eine Kontraktion, so besitzt f genau einen Fixpunkt, d.h. es gibt genau ein x∗ ∈ X mit f (x∗ ) = x∗ 5.2 (Banachscher Fixpunktsatz). 26 6 Kurven im Rn Die Länge von γ ist λ(γ) = supλ(γ, Z). Z Ist λ(γ) < ∞, so heisst γ rektizierbar. Satz 6.1. . Rb Ist γ : I = [a, b] → Rn stetig dierenzierbar, so ist γ rektizierbar und λ(γ) = kγ 0 (t)k dt. a 27 7 Dierenzierbare Abbildungen Satz 7.1. . Sei f : U → Rm in x ∈ U ⊂ Rn (total) dierenzierbar, dann ist f auch stetig in x. Satz . Sei U ⊂ R oen und f : U → Rm in x ∈ U (total) dierenzierbar mit 7.2. n f (x + h) = f (x) + Ah + r(h), r(h) = o(khk) Dann sind alle Komponenten fi : U → R (i = 1, ..., m) von f partiell dierenzierbar in ∂fi x mit (Dj fi )(x) = ( ∂x =)aij , wobei A = (aij ). j Satz 7.3. . Sei U ⊂ R oen und f : U → Rm . Besitzt f in x ∈ U lauter stetig (!) partielle Ableitungen Dj fi (x), so ist f in x (total) dierenzierbar. n Jetzt zur Dierentaion zusammengesetzter Ableitungen: Satz 7.4 (Kettenregel). . Seien U ⊂ Rn und V ⊂ Rm oen und f : U → Rm , g : V → Rk Abbildungen mit f (U ) ⊂ V . Die Abbildung f sei in x ∈ U und g in y := f (x) diernzierbar. Dann ist auch g ◦ f : U → Rk im Punkt x dierenzierbar und für ihr Dierential gilt: D(g ◦ f )(x) = (Dg)(f (x)) · Df (x). Satz 7.5 (Schrankensatz). . Sei U → Rn oen und konvex (d.h. mit ξ, ψ ∈ U ist auch deren Verbindungsstrecke ganz in U enthalten) sowie f : U → Rm dierenzierbar mit kDf (x)k ≤ M ∀x ∈ U für ein M ∈ R. Dann gilt kf (ξ) − f (ψ)k ≤ M kξ − ψk ∀ξ, ψ ∈ U . 28 8 Gradient und höhere Ableitungen Für den Nachweis dieser Behauptung denieren wir die Richtungsableitung von f in x ∈ U in Richtung ν durch Dν f (x) := f (x + tv) − f (x) d f (x + tv) = lim , t→0 dt t wobei ν ∈ Rn ein Vektor mit kνk = 1 und x + tv ∈ U für alle hinreichend kleinen t. Satz . Sei U ⊂ R oen und f : U → R dierenzierbar. Dann gilt für jedes x ∈ U und x ∈ Rn mit kνk = 1 8.1. n Dν f (x) = hν, grad f (x)i Ist grad f (x) 6= 0, dann ist der Winkel Θ zwischen den Vektoren ν und grad f (x) deniert durch: hν, grad f (x)i = kgrad f (x)k · cos Θ und damit ist tatsächlich die Richtungsableitung Dν f (x) maximal, wenn ν und grad f (x) dieselbe Richtung haben (cos Θ = 1). Satz 8.2. Satz 8.3 . Sei U ⊂ R oen und f : U → R partiell dierenzierbar. Besitzt f in x ∈ U ein lokales Extremum, so gilt: grad f (x) = 0. n (Schwarz). . Sei U → R oen und f : U → R zweimal stetig partiell dierenzierbar. Dann gilt ∀ a ∈ U, 1 ≤ i, j ≤ n : Di Dj f (a) = Dj Di f (a). n 29 9 Gleichmässige Konvergenz und Funktionenfolgen Satz 9.1. . Sei K ⊂ Rn und fn : K → R eine Folge stetiger Funktion, die gleichmässig gegen eine Funktion f : K → R konvergiere. Dann ist auch f stetig. Satz 9.2. . Sei fn : [a, b] → R für n ∈ N stetig. Konvergiert die Folge (fn )n auf [a, b] gleichmässig gegen eine Funktion f : [a, b] → R, so gilt: Z Z Z b b f (x)dx (= a b lim fn (x)dx ) = lim n→∞ a fn (x)dx . a Satz 9.3. . Für n ∈ N sei fn : [a, b] → R stetig dierenzierbar. Die Folge (fn )n konvergiere punktweise gegen eine Funktion f : [a, b] → R und die Folge der Ableitungen (fn0 )n konvergiere gleichmässig. Dann ist f dierenzierbar und es gilt: f 0 (x) = lim fn0 (x) ∀ x ∈ [a, b]. n→∞ Satz . ∞ P Es seien fn : K → C für n ∈ N Funktionen und es gelte: kfn k < ∞. Dann konvergiert 9.4 die Reihe (Weierstrasssches Konvergenzkriterium). ∞ P n=1 n=1 fn absolut und gleichmässig auf K gegen eine Funktion f , wobei f (x) = ∞ X n=1 30 fn (x) . 10 Potenzreihen Sei (an )n eine Folge komplexer Zahlen und a, z ∈ C. Dann heisst die Reihe ∞ X an (z − a)n n=0 Potzenreihe mit den Koezienten an und Entwicklungspunkt a. Für welche z ist diese Potenzreihe konvergent? Satz . ∞ P Die Potenzreihe F (z) = an (z − a)n mit an , a ∈ C konvergiere für ein z0 ∈ C\ {a}. n=0 Dann konvergiert F (z) absolut und gleichmässig auf jeder Kreisscheibe Br (a) = {z ∈ C | |z − a| ≤ r} mit festem 0 < r < |z0 − a|. 10.1. Beweis: Wir setzten fn (z) = an (z−a)n , so dass also F = ∞ P fn (als Funktionenreihe im Sinne des P vorigen Kapitels betrachtet werden kann). Aus der Konvergenz von F (z0 ) = fn (z0 ) ergibt sich die Existenz einer positiven reellen Zahl M mit |fn (z0 )| ≤ M ∀ n ∈ N0 . Dann gilt ∀ z ∈ Br (a) z − a n z−a n n n ∈ (0, 1). |fn (a)| = |an (z − a) | = |an (z0 − a) | · ≤ M · Θ mit Θ := z0 − a z0 − a n=0 Also kfn kBr (a) ≤ M · Θn und somit konvergiert ∞ P n=0 kfn kBr (a) nach dem Majorantenkri- terium (im Vergleich mit der Geometrischen Reihe). Mit Satz 9.4 (Seite 30) folgt die absolute und gleichmässige Konvergenz. zu einer solchen Potenzreihe heisst ( % := sup |z − a| | ∞ X ) an (z − a) konvergiert n n=0 Konvergenzradius; wir unterscheiden drei Fälle: Konvergenz genau für z = a ∞ P an (z − a)n konvergiert gleichmässig ∗ 0 < % < ∞ : f (z) = ∗ %=0⇔ n=0 ∗ %=∞: auf jeder kompakten Teilmenge von B% (a) uneingeschränkte Konvergenz Klar ist: Falls % < ∞ und |z − a| > %, so divergiert die Potenzreihe ∞ P n=1 31 an (z − a)n . Auf dem Konvergenzkreis ∂B% (a) = {z ∈ C | |z − a| = %} kann sowohl Divergenz als auch Konvergenz vorliegen: Beispiel (i) ∞ P n=1 ∞ P n=1 1 n zn n divergiert, hat Konvergenzradius % = 1 (s.u.); ∞ P n=1 (−1)n n konvergiert (später). Wie berechnet man den Konvergenzradius? an Falls an = 0 für alle hinreichend grossen n gilt und der Grenzwert % = lim an+1 n→∞ existiert, so ist % der gesuchte Konvergenzradius; dies folgt unmittelbar aus dem Quotientenkriterium (Satz 8.5, Ana I). Alternativ gilt Satz . p Sei (an )n eine Folge von komplexen Zahlen. Dann ist % = (lim sup n |an |)−1 10.2 (Hadamard). der Konvergenzradius der Potenzreihe ∞ P n=0 n→∞ an (z − a)n . Wobei a ∈ C beliebig. Beweis: OBdA sei a = 0 (sonst z 7→ z + a). Zur Denition von %: %= ∞ 0 p 0 ⇔ lim sup n |an | = . ∞ n→∞ Sei z ∈ C mit |z| < % sowie r ∈ R mit |z| < r < %. Für Θ = |z| gilt dann 0 < Θ < 1 und r p 1 1 n lim sup |an | = % < r . n→∞ p Insbesondere gilt n |an | ≤ r bzw. |an | ≤ r1n für alle hinreichend grossen n; damit aber n für diese auch |an z n | ≤ |z| = Θn und mit dem Majorantenkriterium (Satz 8.4, Ana r P I) folgt im Vergleich mit der geometrischen Reihe ( |Θ| < 1 ) die Konvergenz von an z n . p |z| n Sei jetzt |z| > %, dann ist lim sup |an | = % > 1 und es existieren unendlich viele n→∞ P Indezies n mit |an z n | > 1. Also divergiert an z n für solche z . Beispiel (ii) ∞ P 2 z n = 1 + z + z 4 + z 9 + ... hat Konvergenzradius 1. n=0 Jetzt untersuchen wir Potzenreihen f (z) = ∞ P n=0 an (z − a)n als Funktionen von z . Im Fall der (gleichmässigen) Konvergenz (siehe Satz 10.1) folgt mit Satz 9.1, dass f (z) stetig ist. Tatsächlich gilt jedoch 32 Satz 10.3. . ∞ P Es sei f (z) = an (z − a)n eine Potzenreihe mit Konvergenzradius % > 0. Dann ist die n=0 Funktion f : (a − %, a + %) → C beliebig oft(!) dierenzierbar; die Ableitung erhält man duch 'gliedweise Dierentation' f (k) (z) = ∞ X n(n − 1) · ... · (n − k + 1)an (z − a)n−k n=k und die abgeleiteten Reihen haben deselben Konvergenzradius % wie f (z). Insbesondere gilt dann: an = 1 (n) f (a) n! ∀ n ∈ N0 . Beweis: Es genügt die Aussage für k = 1 zu beweisen (der Rest folgt per Induktion). Die Potenzreihe ∞ X nan (z − a)n−1 = a1 + 2a2 (z − a) + 3a3 (z − a)2 + ... n=0 besitzt nach Satz 10.2 den Konvergenzradius p p (lim sup n |(n + 1)an+1 |)−1 = (lim sup n |an |)−1 = % √ n n→∞ n→∞ denn: n + 1 = log(n + 1)) → exp(0) = 1 ist also gleichmässig konvergent für z ∈ B% (a). Gliedweise Dierentation: m m P P f 0 (z) = ( lim a( z − a)n )0 = lim ( a( z − a)n )0 = lim m P m→∞ n=1 exp( n1 m→∞ n=0 na( z − a)n−1 = =(an (z−a)n )0 ∞ P m→∞ n=0 na( z − a)n−1 n=1 ist gerechtfertigt nach Satz 9.3. ∞ P Beispiel: (iii) Die geometrische Reihe z n hat Konvergenzradius % = 1, ebenso wie n=0 ∞ 0 ∞ P P 1 0 1 nz n−1 = z n = ( z−1 ) = (z−1) 2. n=1 n=0 Diese wichtige Eigenschaft, dass eine Potzenreihe im Inneren ihres Konvergenzbereiches (a − %, a + %) sogar beliebig oft dierenzierbar ist, wird im folgenden Kapitel näher untersucht werden. Hier noch ein 33 Korollar (Identitätssatz) Sind zwei Potenzreihen f (z) = ∞ P ∞ P an (z − a)n und g(z) = n=0 bn (z − a)n mit positivem n=0 Konvergenzradius % als Funktionen identisch, d.h. f (z) = g(z) ∀ z ∈ B% (a), so gilt an = bn ∀ n ∈ N0 . Beweis: Nach Satz 10.3 gilt: an = 1 (n) f (a) n! = 1 (n) g n! = bn . Eine Potzenreihendarstellung (zu einem festen Entwicklungspunkt) ist also eindeutig! Die Idee des 'Koezientenvergleichs' erlaubt eine Vielzahl von Anwendungen: Beispiel (iv) Die Fibonacci-Zahlen (vgl. Ana I) sind rekursiv gegeben durch F0 = 0, F1 = 1, Fn+1 = Fn + Fn−1 (n ∈ N) Die zugehörige 'erzeugende Funktion' ist die formale Potenzreihe: F (z) = ∞ X Fn z n . n=0 Is diese konvergent für ein z 6= 0? Wir berechnen F (z) wie folgt: ∞ P Fn+1 z n+1 · 1 z 1 = Fn z n + Fn−1 z n−1 z ⇒ (F (z) − z) z =F (z) + F (z) · z , also z 1 1 1 F (z) = 1−z−z − 1+gz (goldner Schnitt) 2 = G+g 1−Gz n=1 ↑ vermöge der Faktorisierung: 1−z−z 2 =(1−Gz)(1+gz),wobeiG:= √ 5+1 , 2 1 g:= G = √ 5−1 2 Mit dieser 'Partialbruchzerlegung' kommt nun F (z) = √1 5 ↑ √ G+g= mit Hilfe der unendlichen geometrischen Reihe; die Reihen rechts konvergieren für |z| < G1 = g bzw. tätssatz: ∞ ∞ P P F (z) = (Gn + (−g)n )z n mit |z| < g Fn z n = √15 n=0 1 g ∞ ∞ P P (Gz)n + (−gz)n n=0 n=0 1 = 1−Gz 5 1 = 1+gz = G, also folgt mit dem Identi- n=0 und insbesondere die Binetsche Formel: 1 1 Fn = √ (Gn + (−g)n ) v √ 5 5 √ 5+1 2 ! . (Diese Methode funktioniert sehr schön bei allgemeinen Dierenzengleichungen!) Beispiel (v) Sei c 6= 0 eine Konstante; gesucht sind Lösungen der 'Dierentialgleichung' y 0 = c · y, 34 d.h. dierenzierbare Funktionen y(z) mit y 0 (z) = c · y(z). Wir machen einen 'Potenzreihenansatz': ∞ X y(z) = an z n ; n=0 (im Falle eines positiven Konvergenzradius ist y(z) dierenzierbar und) gliedweise Differentiation gibt: ∞ X 0 y (z) = nan z n−1 n=1 und für eine Lösung der Dierentialgleichung y 0 = cy liefert ein Koezietenvergleich n an−2 (Identitätssatz) nan = can−1 n ∈ N0 bzw. an = c an−1 = c2 n(n−1) = ... = cn an!0 = cn! y(0). n ∞ P (cz)n Also y(z) = y(0) = y(0) exp(cz) n! n=0 Exponentialreihe Man überlegt sich leicht, dass man hier y(0) durch irgendeine Konstante ersetzen darf und immer noch y 0 = cy erfüllt ist (tatsächlich gibt dies sämtliche Lösungen dieser DGL; in Ana IV werden Dierentialgleichungen weiter thematisiert...) Wir schliessen unser Studium von Potenzreihen mit Satz∞ 10.4 (Abelscher Grenzwertsatz). . Sei P n=0 an eine konvergente Reihe reeller Zahlen, so konvergiert die Potenzreihe f (z) := ∞ P n=0 an z n gleichmässig auf dem Intervall [0, 1], stellt dort also insbesondere eine stetige Funktion dar, d.h. es gilt ∞ P an = lim f (z) z%1 n=0 z→−1 . linksseitiger GW Der Abelsche Grenzwertsatz erlaubt oft Aussagen über das Verhalten von Potenzreihen auf dem Rand der Konvergenzscheibe. 35 Beweis: Nach Satz 10.1 konvergiert die Reihe für alle z mit |z| < 1, also nach Voraussetzung ∞ P auch für alle z ∈ [0, 1]. Es verbleibt zu zeigen, dass der Reihenrest Ek (z) := an z n n=k mit k ∈ N0 für k → ∞ gleichmässig auf [0, 1] gegen Null konvergiert. Sei ek := Ek (1) = ∞ P an , dann ist n=k en − en−1 = −an und lim en = 0. n→∞ Da die Folge der en beschränkt ist, konvergiert nach dem Majoranten∞ P kriterium (Satz 8.4, Ana I) en z n fà 41 r |z| < 1. Nun ist n=0 l P n s.o. an z = − n=k ek−1 z k − l P en z n + n=k l−1 P l P en−1 z n = −el z l − n=k l−1 P l−1 P en z n + ek−1 z k + n=k en z n+1 = −el z l + n=k en z n (1 − z). n=k Mit l → ∞ ergibt sich für beliebiges z ∈ [0, 1] l−1 P Ek (z) = − − lim el z l + ek−1 z k − en z n (1 − z). l→∞ =0 n=k Sei nun ε > 0 beliebig vorgegeben und N ∈ N so gross, dass |en | < Dann folgt ∀ k > N und alle z ∈ [0, 1] ε 2 ∀ n ≥ N. ∞ ε εX n ε ε z (1 − z) ≤ + = ε |Ek (z)| < + 2 2 n=k 2 2 | {z } ≤ ∞ P n=0 1 z n = 1−z ; =0 f. z=0 Anwendungen des Abelschen Grenzwertsatzes folgen im nächsten Kapitel. 36 11 Taylor - Approximation Nach Einstein beträgt E = mc2 die Gesamtenergie eines Teilchens der Masse m, wobei c die Lichtgeschwindigkeit ist. Die Masse m ist dabei von der Geschwindigkeit v des Teilchens abhängig; nämlich: m = √ m0 v 2 , wobei m0 die Ruhemasse bezeichnet. Die 1−( c ) Ruheenergie ist demnach E0 := m0 c2 . Die kinetische Energie istdeniert als Ekin = E − E0 und wegen v < c gilt Ekin = m0 c2 √ 1 v 2 − 1 ; 1−( c ) Es gilt die Asymptotik Ekin v 1 m v2. ← 2 0 erste Näherung In viele Anwendungen sind Approximationen durch Polynome 'handlicher' im Umgang (als Potenzreihen). Im Folgenden sei I ⊂ R ein Intervall, bestehend aus mehr als einem Punkt. Satz (Taylorsche Formel). . Sei f : I → R eine (k + 1)-mal stetig dierenzierbare Dann gilt für alle x ∈ I f (x) = Tk (x) + Rk (x), wobei 11.1 Funktion (k ∈ N0 ) und a ∈ I . x Z k X f (m) (a) 1 m Tk (x) := (x − a) , Rk (x) := (x − t)k f (k+1) (t)dt. m! k! m=0 a Hier heisst Tk das Taylor-Polynom vom Grad k und Rk das Restglied (Approximationsfehler) von f im Entwicklungspunkt a. Der Beweis ist eine Übung der wichtigsten Integralsätze zu Funktionen einer Veränderlichen: Beweis: per Induktion nach k k = 0: Die zu beweisende Formel: f (x) = f (a) + der Dierential- und Integralrechnung (Ana I). Rx f 0 (t)dt ist genau der Hauptsatz 16.2 a k-1 7→ k: Nach Induktionsvoraussetzung gilt Rk−1 (x) = Rx 1 (x − t)k−1 f (k) (t)dt. (k − 1)! a Mit partieller Integration ist dies Rx (x − t)k−1 (k+1) (x − t)k (k) x f (k) (a) =− f (t)|t=a + f (t)dt = (x − a)k + Rk (x). k! k! k! a Korollar: Sei f : I → R eine (k + 1)−mal dierenzierbare Funktion mit f (k+1) (x) = 0 ∀ x ∈ I . Dann ist f ein Polynom vom Grad degf ≤ k . Eine oft vorteilhaftere Darstellung des Restgliedes: 37 Satz (Restglied nach Lagrange). . Sei fI → R eine (k + 1)−mal stetig dierenzierbar Funktion es ein ξ zwischen a und x, so dass für alle x ∈ I f (k+1) (ξ) f (x) = Tk (x) + Rk (x) mit Rk (x) = (x − a)k+1 (k + 1)! 11.2 sowie a, x ∈ I . Dann gibt Beweis: Nach dem Mittelwertsatz 15.5 der Integralrechnung (Ana I) existiert ein solches ξ mit Rk (x) = f (k+1) Zx (ξ) (x − t)k f (k+1) (ξ) dt = (x − a)k+1 . k! (k + 1)! a Dies liefert für k−mal(!) stetig dierenzierbare f unter Verwendung des Landau-Symbols (klein-'oh') die Darstellung f (x) = Tk (x) + o(|x − a|k ). Dies verallgemeinert die lineare Approximierbarkeit dierenzierbarer Funktionen (siehe Satz 11.1, Ana I). Beispiel (i) √ √ f : (−1, 1) → R, x 7→ f (x) = 1 + x = 1 + ( 1 + x)0 |x=0 x + o(x2 ) = 1 + x 2 + o(x2 ) Ist f : I → R beliebing oft dierenzierbar und a ∈ I , so heisst T∞ (x) := ∞ X f (n) (a) n! n=0 (x − a)n die Taylor-Reihe von f mit Entwicklungspunkt a. Diese unendliche Reihe konvergiert nicht notwendig für x 6= a; selbst wenn die Taylor-Reihe von f konvergiert, dann nicht notwendig gegen f : ( exp(− x12 für x 6= 0 Beispiel (ii): f : R → R, f (x) = 0 für x = 0. Wir zeigen, dass f beliebig oft dierenzierbar ist mit f (n) (0) = 0 ∀ n ∈ N, so dass also die Taylor-Reihe von f um den Nullpunkt a = 0 identisch verschwindet: T∞ (x) ≡ 0. Hierzu zeigen wir zuerst: ( fn ( x1 ) exp(− x12 ) falls x 6= 0, (n) Behauptung : Es gibt Polynome Pn , so dass f (x) = 0 falls x = 0 denn: dies folgt per Induktion nach n; es gilt dabei Pn+1 (t) = −Pn0 (t)t2 + 2Pn (t)t3 , P0 (t) ≡ 1. Damit folgt für x = 0 =0 z }| { Pn ( x1 exp(− x12 f (n) (x) − f (n) (0) lim = lim = 1lim rPn (r) exp(−r2 ) = 0 . x→∞ x→∞ ↑ x x r= x →±∞ nach Kap. 10, Bsp. (i), AnaI 38 Also ergibt sich für dieses f tatsächlich T∞ (x) ≡ 0, d.h. die Restglieder Rn (x) konvergieren für n → ∞ nicht gegen Null (f ist ja 6= Nullfunktion T∞ (x)). Viele wichtige Funktionen lassen sich jedoch durch ihre (konvergente) Taylor-Reihe darstellen: ∞ xn P Beispiel (iii): Die Exponential-Reihe exp(x) = n=0 n! ist identisch mit der Taylor-Reihe von exp(x) zum Entwicklungspunkt a = 0, denn exp(0) (0) = exp(0) = 1. Für einen beliebigen Entwicklungspunkt ndet man mit der Funktionalgleichung exp(x) = exp(a) exp(x − a) = ∞ X exp(a) n=0 n! (x − a)n . Dies ist kein Wunder, denn: Satz . ∞ P Sei a ∈ R und f (x) = an (x − a)n eine Potenzreihen mit positivem Konvergenzradius n=0 % ∈ (0, ∞]. Dann ist die Taylor-Reihe von f : (a − %, a + %) → R mit Entwicklungspunkt a indentisch mit dieser Potenzreihe. 11.3. Beweis: Als Potenzreihe mit positivem Konvergenzradius ist f auf (a − %, a + %) nach Satz 10.3 (n) beliebig oft dierenzierbar mit an = f n!(a) für n ∈ N0 . ∞ P Also ist T∞ (x) = an (x − a)n . n=0 Weiter Beispiele sind die Reihenentwicklungen der trigonometrischen Funktionen, etwa sin(x) = ∞ X ∞ (−1)n n=0 X x2n x2k+1 , cos(x) = (−1)n (2k + 1)! (2k)! n=0 Taylor-Reihen mit Entwicklungspunkt a = 0, konvergiert ∀ ax ∈ R. Nun ein paar 'neue' Reihen: Satz 11.4 (Logarithmus-Reihe). Für −1 < x ≤ +1 ist log(1 + x) = . ∞ (−1)n−1 P xn = x − n n=1 39 x2 2 + x3 3 ± ... Beweis: Rx dt . 0 1+t ∞ P (−t)n folgt = Für |x| < 1 gilt log(1 + x) = log(1 + t)|xt=0 = Mit der geometrischen Reihe: log(1 + x) = ∞ Rx P (−t)n dt = 0 n=0 1 1+t ∞ Rx P = 1 1−(−t) n=0 ∞ P (−t)n dt = − ∞ (−1)m−1 P (−t)n+1 x |t=0 = xm m n=0 n + 1 m=1 ↑ innere Ableitung n=0 0 hierbei ist die Vertauschung von Summation und Integration wegen der gleichmässigen P n Konvergenz von (−t) auf [− |x| , |x|] nach Satz 9.2 erlaubt. Damit ist die Behauptung für |x| < 1 bewiesen und es verbleibt der Fall x = 1. Die ∞ (−1)n−1 P Reihe konvergiert nach dem Leibniz-Kriterium (Satz 8.3, Ana I), also ist n n=1 ∞ (−1)n−1 P f (x) = xn nach dem Abelschen Grenzwertsatz 10.4 eine in [0, 1] konvergente n n=1 stetige Funktion, ebenso wie log(x + 1). Da f (x) = log(x + 1) für x ∈ [0, 1) gilt, gilt die Gleichung ebenso für x = 1. Insbesondere: log 2 = 1 − 21 + 31 − 14 ± ... Ein weiters wichtiges Beispiel ist der arctan: für |x| < 1 gilt ! Z x Z x X Z x ∞ ∞ ∞ 2n+1 X X dt n 2n n 2n n x arctan(x) = = (−1) ; t dt = (−1) t dt = (−1) 2 2n + 1 0 1+t 0 0 n=0 n=0 n=0 speziell für x = 1 lieft die Abelsche Grenzwertsatz 10.4: π 1 1 1 = arctan(1) = 1 − + − ± ... 4 3 5 7 'Gott liebt die ungeraden Zahlen.' Abschliessend eine Reihe, die sowohl die geometrische Reihe verallgemeinert als auch den binomischen Lehrsatz beinhaltet: Satz . ∞ n α−k+1 Q P Sei α ∈ R und |x| < 1. Dann gilt (1 + x)α = ( αn ) xn , wobei ( αn ) = . 11.5. n=0 Beweis: über die Berechnung der Taylor-Reihe zur Übung... Die Geometrische Reihe entsteht für α = −1; für α = − 21 ergibt sich 5 3 √1 = 1 − 12 x + 83 x2 − 16 x + höhere Terme. 1+x 40 k=1 k 12 Extrema von Funktionen mehrerer Veränderlicher Ist f : U ⊂ Rn → R diernzierbar, so ndet man die lokalen Extrema von f nach Satz 8.2 unter den sogenannten kritischen Werten, d.h. den x ∈ U mit grad f (x) = 0. Allerdings ist dies kein hinreichendes Kriterium für Extrema. Hier hilft eine 'mehr-dimensionale' Taylor-Formel. Für ein n−Tupel α = (α1 , ..., αn ) ∈ N0 sei |α| := α1 + ... + αn und α! := α1 ! · ... · αn ! Ist f eine |α| − mal stetig dierenzierbare Funktion, so setzten wir Dα f := D1α1 ... Dnαn f = ∂ |α| f , wobei ... ∂xαnn ∂xα1 1 Diαi = Di ... Di ; für x = (x1 , ...xn ) ∈ Rn sei xα := xα1 1 · ... · xαnn . | {z } αi −mal Satz 12.1. . Sei U ⊂ Rn oen und f : U → R k−mal stetig dierenzierbar. Sei x ∈ U und k ∈ Rn , so dass die Strecke {x + th | 0 ≤ t ≤ 1} ganz in U liegt. Dann ist g : [0, 1] → R, t 7→ g(t) = f (x + th) k−mal stetig dierenzierbar und des gilt: g (k) (t) = P k! α (D f )(x + th)hα |α|=k α! . ↑ Hier wird ueber alle T upel α=(α1 ,...,αn )∈Nn 0 mit |α|(=α1 +...+αn )=k summiert Beweis: Zunächst zeigen wir per Induktion nach k , dass g (k) (t) = n X j1 ,...,jk =1 (Djk · ... · Dj1 h1 f )(x + th)hj1 · ... · hjk , h = ... hn 41 k=1: folg aus der Kettenregel: n X d g (t) = f (x1 + th1 , ..., xn + thn ) = Dj f (x + th)hj . dt j=1 0 k − 1 7→ k : g (k) n X d Dj ...Dj1 f (x + th)hj1 ...hjk−1 ) (t) = ( dt j ,...,j −1 k−1 1 = n X j=1 k n X Dj ( Djk−1 ...Dj1 f (x + th)hj1 ...hjk−1 )hj j1 ,...,jk −1 jk =j = n X djk ...Dj1 f (x + th)hj1 ...hjk , j1 ...jk was die Induktion abschliesst. Nun werden gleiche Indizes zusammengefasst: {j1 , ..., jk } = 1, ..., 1, 2, ..., 2, ..., n, ..., n | {z } | {z } | {z } α1 α2 αn Nach dem Satz 8.3 von Schwarz (bzw. seiner Verallgemeinerung auf höhere Ableitungen) dürfen partielle Ableitungen vertauscht werden: Djk ...Dj1 f (x + th)hj1 ...hjk = D1α1 ...Dnαn f (x + th)hα1 1 ...hαnn = Dα f (x + th)hα . k! viele k−Tupel (j1 , ..., jk ) von natürlichen Zahlen ji mit 1 ≤ ji ≤ n, bei Es gibt α1 !...α n! denen der Index v genau αv mal vorkommt (v = 1, ..., n, α1 + ... + αn = k). Also folgt: X k! k! D1α1 ...Dnαn f (x + th)hα1 1 ...hαnn = Dα f (x + th)hα . α α! 1 !...αn ! +...+α=k X g (k) (t) = α1 |α|=k Dann gelingt nun Satz (Taylor-Formel ∼ mehr-dimensional). . U ⊂ R oen, x ∈ U und h ∈ Rn , so dass {x + th | 0 ≤ t ≤ 1} ganz in U enthalten sowie f : U → R (k + 1)−mal stetig dierenzierbar. Dann existiert ein Θ ∈ [0, 1], so Sei ist, dass 12.2 n f (x + th) = X Dα f (x) X Dα f (x + Θh) hα + hα . α! α! |α|=k |α|=k+1 Man mache sich hier klar, dass dies die Taylorsche Formel aus Satz ?? bzw. 11.2 im Fall n = 1 beinhaltet! 42 Beweis: Betrachte (wie im vorangehenden Beweis) g : [0, 1] → R, t 7→ g(t) = f (x + th). Nach Satz 12.1 ist g eine (k + 1)−mal stetig dierenzierbare Funktion einer Veränderlichen(!), auf die wir die Taylorsche Formel in der Form von Satz 11.2 anwenden dürfen: k P (k+1) (Θ) g m (0) Es gibt also ein Θ ∈ [0, 1] mit g(1) = + g (k+1)! , wobei nach Satz 12.1 m! m=0 X Dα f (x) g (k+1) (Θ) g (m) (0) = hα , = m! α! (k + 1)! |α|=m X Dα f (x + Θh) hα . α! |α|=k+1 Damit ist Satz 12.2 vollständig bewiesen. Falls f nur k−mal stetig dierenzierbar ist, so gilt immerhin Korollar: Sei U ⊂ Rn oen und f : U → R k−mal stetig dierenzierbar. Dann gilt für jedes x ∈ U f (x + th) = X Dα f (x) hα + o(khkk ) für h → 0. α! |α|≤k Beweis: Da U oen ist, gibt es ein δ > 0, so dass Bδ (x) ⊂ U . Nach Satz 12.2 existiert zu jedem h ∈ Rn mit khk < δ ein Θ ∈ [0, 1] mit f (x+h) = X Dα f (x) X Dα f (a + Θh) X Dα f (x) X Dα f (a + Θh) hα + hα = hα + hα , α! α! α! α! |α|≤k−1 |α|=k |α|≤k |α|=k Dα f (x + Θh) − Dα f (x) . α! Wegen der Stetigkeit von Dα f gilt lim rα (h) = 0. Ferner ist wobei rα (h) = h→0 |hα | = |hα1 1 · ... · hαnn | ≤ khkα1 · ... · khkαn = khkk P für |α| = k und damit rα (h)hα = o(khkk ). |α|=k P Dα f (x) α h , dann ist Pm ein homogenes Polynom m−ten α! |α|=k Grades in h = (h1 , ..., hn ), d.h. es gilt Pm (λh) = λm Pm (h) für jedes λ ∈ R. Es gilt nach obigem Korollar: k X f (x + h) = Pm (h) + o(khkk ). Wir setzten Pm (h) := m=0 43 Es gilt Korollar': Sei U ⊂ Rn oen und f : U → R zweimal stetig dierenzierbar. Dann gilt für x ∈ U und hinreichend kleines h f (x + h) = f (x) + hgradf (x), hi + 21 Q(h) + o(khk2 ), wobei Q die Hesse-Form von f in x ist. Satz [Hurwitz-Kriterium] Sei q(x) = n X x1 . x = .. xn aij xi xj i,j=1 Die quadratische Form q(x) ist genau dann positiv denit, wenn für alle k = 1, ..., n gilt a11 ... a1k .. > 0. det ... . ak1 ... akk Äquivalent hierzu ist, dass alle 'Eigenwerte' von (aij ) 1≤i≤n positiv sind. (Vgl. LinA II) 1≤j≤n Satz 12.3. . Sei U ⊂ Rn oen und f : U → R zweimal stetig dierenzierbar und a ∈ U ein kritischer Punkt von f (d.h. gradf (a) = 0). Ist dann die Hesse-Form Q(h) von f in a • postitiv denit, so ist a ein striktes lokales Minimum, • negativ denit, so ist a ein striktes lokales Maximum, • indenit, so ist a kein lokales Extremum. 44