WirtschaftsWoche online 2014-03-11 10:39:24

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WirtschaftsWoche online 2014-03-11 10:39:24
Staatsanleihen
Spanien und Italien als sichere Häfen
Rendite und Sicherheit - danach suchen Investoren in der Krim-Krise.
Fündig werden sie ausgerechnet in Spanien und Italien, sagt
Fondsmanager Lutz Röhmeyer im Interview mit WirtschaftsWoche
Online.
WirtschaftsWoche: Herr Röhmeyer, mit ihrem Rentenfonds
"Weltzins-INVEST" haben Sie neben vielen Schwellenländern auch in
der Ukraine investiert. Machen Sie sich Sorgen um diese Anleihen?
Röhmeyer: Unsere Bestände in ukrainischen Anleihen sind sehr
gering, sie liegen bei gut einem Prozent des Gesamtdepots. Von daher
mache ich mir keine Sorgen.
Was macht Sie so sicher?
Der ukrainische Aktien- und Anleihemarkt ist winzig und seit Ausbruch
der Krim-Krise wird dort ohnehin schon auf Stressniveau gehandelt.
Und trotzdem handeln ukrainische Staatsanleihen, die in wenigen
Monaten zurückgezahlt werden müssen, bei einem Kurs von etwa 90.
Wenn der Markt damit rechnen würde, dass diese ausfallen, läge der
Kurs bei 30.
Aber der Ukraine fehlt Geld, um ihre Schulden zu bedienen.
Das ist richtig, die Ukraine hat Liquiditätsprobleme. Sie wird kurzfristig
Hilfe benötigen, um Schulden zu bedienen. Das bedeutet aber nicht,
dass das Land vor einer Staatspleite steht. Die Markterwartung ist,
dass einige Anleihen in ihrer Laufzeit verlängert werden. Aber
niemand rechnet damit, dass Anleihen ausfallen.
Woher soll diese Hilfe kommen?
Die Ukraine muss in diesem Jahr vor allem Geld zurückzahlen, das ihr
der IWF gegeben hatte, um die Auswirkungen der Finanzkrise 2008 zu
bewältigen. Wir könnten also eine Aufschiebung der Zahlungen an
den IWF sehen. Das könnte die Situation schon stark entschärfen.
Bleibt die russische Besetzung der Krim-Insel.
Diese ist für den russischen Markt sehr bedeutend, aber weniger für
die ukrainische Wirtschaft. Wir haben ja am 3. März gesehen, dass der
russische Aktienmarkt um zehn Prozent abgesackt ist, nachdem
russische Truppen die Insel besetzt haben. Einige Kommentatoren
haben geschrieben, Putin habe sich damit selbst geschadet. Auf dem
russischen Markt haben Investoren viel mehr Geld verloren als in der
Ukraine.
Dementsprechend schnell hat der russische Präsident die Situation am
vergangenen Dienstag ja auch beruhigt. Sind die Turbulenzen an den
Märkten ausgestanden?
Dass sich der russische Anleihemarkt beruhigt, halten wir für sehr
wahrscheinlich. Selbst wenn es zum Worst Case - einem Krieg mit der
Ukraine - kommen sollte, wird Russland seine Staatsschulden
bedienen können. Die Folgewirkungen, die die Krim-Krise ausgelöst
hat, sind aber noch aktuell.
Und zwar?
Russische Aktien stehen unter Druck, der Markt ist sehr volatil und
nervös. Und auch die Investoren in der Eurozone suchen jetzt sichere
Häfen, während am Schwarzen Meer aufgerüstet wird.
Also sehen wir erneut einen Run auf deutsche Staatsanleihen.
Natürlich, die Rendite liegt derzeit bei 1,67 Prozent für zehnjährige
Bundesanleihen. Die Investoren schauen aber nach
renditeträchtigeren Optionen und meinen, in Südeuropa fündig zu
werden.
Spanien und Italien gelten als sichere Häfen?
Aus Sicht des Marktes: Ja! Innerhalb weniger Minuten gehen
spanische Anleihen weg. Die Renditen lagen in der vergangenen
Woche bei zwischenzeitlich 3,35 Prozent, dem niedrigsten Wert seit
2006.
"Die Situation in der Ukraine betrifft Privatanleger zunächst nicht"
Wenn sich die Krisenländer wieder günstig am Kapitalmarkt
finanzieren können, hat die Krim-Krise dann unsere Eurokrise gelöst?
So kann man das nicht sagen. Die Abnehmer der spanischen Anleihen
sitzen vor allem in Ländern wie Deutschland und Frankreich. Wir
müssen uns vor Augen halten, dass in den vergangenen drei Jahren
niemand spanische Anleihen kaufen wollte. Aber zurzeit dominiert die
Suche nach Rendite das Geschehen. Dass die Probleme in der
Eurozone weiterhin ungelöst sind, scheint unter den aktuellen
Bedingungen niemanden zu interessieren. Und weil kurze Laufzeiten
kaum noch attraktive Renditen bieten, selbst in Spanien, lassen sich
Investoren sogar auf langfristige Papiere ein.
Also ist die nächste Krise vorprogrammiert.
Viele unerfahrene Anleger steigen derzeit ein. Sollte sich die
Stimmung in Südeuropa wieder eintrüben, verkaufen diese Investoren
ihre Anleihen vielleicht in zwei Jahren wieder mit Verlust, wie sie dies
bereits während der letzten Eurokrise getan haben. Spanische und
italienische Banken dagegen sind ihre Bestände losgeworden und
haben gute Gewinne gemacht.
Was bedeutet das für Privatanleger?
Privatanleger sind von den Entwicklungen in der Ukraine erst einmal
nicht direkt betroffen. Solange es zu keinem Krieg kommt, in dem
Russland die Ukraine vollständig verwüstet, gibt es keinen Anlass,
Bewertungen der eigenen Aktien zu korrigieren. Und dieser Fall ist
meiner Ansicht nach unwahrscheinlich, denn Russland hat viel in der
Ukraine investiert, etwa in die Gasinfrastruktur. Es dürfte also
niemand ein Interesse an einer Eskalation der Lage haben, die dann
auch Privatanleger treffen könnte.
Und wenn sich die Situation doch noch verschärft?
Der Bankier Rothschild hat im 19. Jahrhundert formuliert: "Kaufen,
wenn die Kanonen donnern". Auch wenn es zynisch klingt: Sollte es in
der Ukraine tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen
kommen, könnten Privatanleger vermutlich günstig an den Märkten
einsteigen. Ansonsten dominieren die EU-Themen den Markt aktuell
viel stärker als Entwicklungen in der Ukraine.
Sie meinen die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den
Leitzins unverändert bei 0,25 Prozent zu belassen.
Diese Entscheidung ist für den Eurokurs viel wichtiger als die Ukraine.
Schwellenländer wie Russland rücken in den Hintergrund, wenn wir
uns den schwachen Dollar im Vergleich zum Euro ansehen. Das ist es,
was in Europa gerade Märkte bewegt.
Aber für Spekulanten sollte es doch Möglichkeiten geben?
Natürlich, wer die entsprechende Expertise mitbringt, sollte ein Auge
auf die ukrainische Währung, die Hrywnja, werfen. Nur weil sich die
Lage mit Russland etwas beruhigt hat, sind die grundlegenden
Probleme in der Ukraine nicht gelöst. Die Währung hat sich trotzdem
stabilisiert, ist meiner Ansicht nach stark überbewertet. Will die
Ukraine ihre Wirtschaft aber in Schwung bringen, braucht sie eine
schwache Währung, der Kurs muss abwerten.
Also auch für Sie ein Signal, die Positionen in ihrem SchwellenländerFonds anzupassen?
Nein, unsere Strategie bleibt trotz der politischen Entwicklungen
unverändert. So dramatisch die Situation in der Ukraine ist - es gibt
weltweit immer wieder Situationen mit ähnlich starkem Einfluss auf
die Währungsmärkte. So hat beispielsweise Uganda ein Gesetz
verabschiedet, das Homosexuelle kriminalisiert. Dies setzt die lokale
Währung vehement unter Druck, die sich zuletzt weltweit am
stärksten entwickelt hatte. Als Fondsmanager erlebe ich mit der
Finanz- und Eurokrise derzeit mehrere Jahrhundertprobleme
gleichzeitig. Die Ukraine ist da nur ein Krisenherd von vielen.
Herr Röhmeyer, herzlichen Dank für das Interview.
Kirsch, Sebastian
11. März 2014
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