Prozessmodellierung

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Handreichungen für die betriebliche Praxis
Prozessmodellierung
Wer ist in meinem Unternehmen für das Einholen von Angeboten verantwortlich? Wer für das Auslösen von Bestellungen? Wie erfolgt die Wartung unserer Betriebsmittel? Was genau macht eigentlich
unsere Personalabteilung?
Prozesse spielen in jedem Unternehmen eine zentrale Rolle: Sie schaffen Transparenz, zeigen Verantwortlichkeiten, erleichtern das Einarbeiten von neuen Mitarbeitern, ermöglichen die Verkürzung
von Auftrags- und Durchlaufzeiten u.v.m. Vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen
(KMU), in denen ein Mitarbeiter häufig mehrere Funktionen gleichzeitig besetzt, kann die Modellierung der Geschäfts- und Arbeitsprozesse erste Potenziale zur Verbesserung der Ablauforganisation
aufzeigen.
Mit der vorliegenden „Handreichung für die betriebliche Praxis“ werden neben begrifflichen Grundlagen die verschiedenen Methoden sowie die wesentlichen Vorteile der Prozessaufnahme und -modellierung beschrieben. Sie vermittelt das notwendige Grundwissen, wie Abläufe im Unternehmen
erfasst und dargestellt werden können.
Prozesse in Unternehmen –
Sinn und Zweck von Prozessmodellierung
In jedem Unternehmen fallen unterschiedliche Aufgaben an, von der Buchhaltung über den Einkauf,
die Logistik oder Montage bis hin zur Personalabteilung und Warenwirtschaft. Die zur Erfüllung dieser Aufgabe durchzuführenden Vorgänge werden als Arbeitsprozesse bezeichnet.
Ein Prozess ist eine Folge von Tätigkeiten, die einen zeitlichen Beginn und ein Ende haben. Ergebnis eines Prozesses kann sowohl ein Produkt,
ein Werkstoff oder ein Dokument als auch eine
Information, Dienstleistung oder Ähnliches sein.
Ein (Arbeits)Prozessmodell ist eine abstrakte –
und gleichzeitig formalisierte Abbildung – von
Entscheidungen und Tätigkeiten innerhalb eines
Arbeitssystems.
Mit der Aufnahme und Darstellung von Arbeitsprozessen, d. h. mit einer Prozessmodellierung,
sind viele Vorteile verbunden:
• Kenntnis des aktuellen IST-Standes
• Schaffen von Transparenz und einem
einheit­lichen Verständnis unter den
Mitarbeitern
• Grundlage für die Reorganisation von
Abläufen
• Optimierung der Durchlaufzeiten
• Aufdecken von Fehlern
• Erleichterung des Wissensaustauschs
• Reduzierung der Prozesskosten
• Aufdecken von Schwachstellen im Prozess
• einfache und schnelle Einarbeitung von
neuen Mitarbeitern
• Verbesserung der Prozessqualität und
Prozess­sicherheit
• Erstellung von präzisen Arbeitsanweisungen
Nicht zuletzt sind im Qualitätsmanagement Prozessmodelle eine Voraussetzung für eine Zertifizierung
z. B. nach DIN EN ISO 9001.
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Modellierungssprachen
Prozesse können mit Hilfe von Modellierungssprachen visualisiert werden. Wie in der gesprochenen
Sprache, so unterliegen auch die Modellierungssprachen Regeln, welche Strukturen vorgeben und
gemeinsames Verständnis ermöglichen.
Aus unterschiedlichen Bereichen (z. B. dem Projektmanagement, der Softwareentwicklung oder Wirtschaftsinformatik) haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Modellierungssprachen entwickelt und
etabliert. Obwohl jede Modellierungssprache ihre eigenen Symbole verwendet und einer eigenen Grammatik, der sogenannten Syntax, folgt, bieten alle Modellierungssprachen im Kern die gleiche Funktionalität (vgl. Abbildung 1).
DIN 66001
K3
Die DIN 66001 entstand als Darstellungsmethode zur Visualisierung von logischen Programmablaufplänen und wird heute zur Darstellung von
Geschäfts- und Arbeitsprozessen genutzt.
Die Modellierungssprache K3 – benannt nach
den Anfangsbuchstaben der wesentlichen Bestandteile Koordination, Kooperation und Kommunikation – ist eine am Institut für Arbeitswissenschaft der RWTH Aachen (IAW) entwickelte
Modellierungssprache. Der Vorteil dieser Methode gegenüber den anderen Modellierungssprachen liegt insbesondere darin, dass auch nicht
ganz eindeutige Abläufe und Abfolgen von Tätigkeiten gut erfasst und dargestellt werden können.
Ausführliche Informationen zur Anwendung von
K3 als Modellierungsmethode finden sich in einer
eigenständigen Veröffentlichung in der Reihe der
„Handreichungen für die betriebliche Praxis“.
BPMN (Business Process
Model and Notation)
Ausgehend von einer Initiative von IBM® wurde
zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Entwicklung
einer standardisierten Modellierungssprache zur
Darstellung von Geschäftsprozessen eingeleitet.
eEPK (erweiterte ereignis­gesteuerte
Prozesskette)
Kennzeichnend für die
eEPK-Methode ist der
Wechsel zwischen Ereignissen (Beschreibung eines eingetretenen Zustandes) und
Funktionen (Beschreibung von Aufgaben
und Aktionen).
Mitarbeiter
Vorarbeiter
Meister
Vorschlag
aufschreiben
Formular
ausfüllen
Formular
ausfüllen
Vorschlag
diskutieren
Vorschlag
diskutieren
Vorschlag
[nein]
Feedbackgespräch
führen
Feedbackgespräch
führen
umsetzbar?
[ja]
Vorschlag
einsteuern
Abbildung 1: Darstellung eines Arbeitsprozesses mit K3 (oben links),
DIN 66001 (unten links) und eEPK (rechts).
Prozessmodellierung
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Akteure, Aktivitäten und Flussprinzipien
Unabhängig vom im Einzelfall ausgewählten Prozess gibt es Elemente, die sich in vielen Prozessen
wiederfinden. Zu diesen Elementen gehören Akteure, Aktivitäten, Dokumente und der Kontrollfluss,
der den Prozessablauf abbildet.
Akteure
An Prozessen und Abläufen sind in der Regel
mehr als eine Person beteiligt. Es ist daher notwendig, die involvierten Akteure zu identifizieren.
Die Abbildung eines Akteurs ist in jeder Modellierungssprache unterschiedlich. In vielen Modellierungssprachen werden alle Akteure, die an einem
Prozess beteiligt sind, nebeneinander aufgeführt.
Sequenz von
Aktivitäten
Nebenläufige
bzw.
simultane
Aktivitäten
Alternative
Aktivitäten
1
Hierbei wird jedem Akteur eine sog. eigene Swimlane (Deutsch: Schwimmbahn) zugewiesen. Die
zu einem Akteur gehörenden Aktivitäten werden
alle innerhalb dieser Bahn abgebildet.
: Aktivität
...
2
: Entscheidung
1.1
...
1.n
2.1
...
2.m
1
: Simultanität bzw. Synchronisation
: Vorgänger-Nachfolger-Beziehung
n+1
Ja
1
2
...
n
2
...
m
n+1
?
Nein
Abbildung 2: Flussprinzipien der Prozessmodellierung
Aktivitäten
Kontrollfluss
Unter Aktivitäten werden in der Prozessmodellierung die Tätigkeiten und Arbeitsschritte gefasst,
die im Rahmen des Prozesses anfallen. Damit
Aktivitäten möglichst präzise die tatsächlichen
Handlungen beschreiben, ist es empfehlenswert,
diese als Kombination von Nomen und Verb zu
benennen, beispielsweise: „Platine stanzen“,
„Spezifikation erstellen“, „Qualität prüfen“.
Ausgehend vom Startpunkt des Prozesses gibt
der Kontrollfluss an, in welcher Reihenfolge die
Tätigkeiten auszuführen sind. Der Prozessablauf
wird so durch den Kontrollfluss festgelegt. In bestimmten Fällen, z. B. im Fall von Entscheidungen
oder der parallelen Ausführung von Aktivitäten,
kann sich der Kontrollfluss teilen. Die wichtigsten
sachlogischen Verknüpfungen zeigt Abbildung 2.
Dokumente
Dokumente (auch Informationsobjekte genannt)
können das Ergebnis einer Aktivität sein (z. B. ein
Angebot) oder den benötigten Input für eine Aktivität (z. B. eine Anfrage eines Kunden) abbilden.
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Vorbereitung der Prozessaufnahme
Bevor die Prozessaufnahme im Unternehmen beginnen kann, sind zunächst einige Vorbereitungen
zu treffen, sodass die Modellierung des Prozesses schnell und korrekt abläuft. Eine Reihe von WFragen bietet dabei eine konkrete Orientierung.
• Warum soll ein Prozess aufgenommen
und modelliert werden?
• Wer ist für den Prozess verantwortlich
und wer wirkt mit?
• Welcher Prozess wird
modelliert?
• Wen muss man über die Prozessaufnahme
informieren?
• Wie detailliert soll der Prozess
aufgenommen werden?
• Wann und wo soll die Prozessaufnahme
stattfinden?
Prozessaufnahme und Prozessmodellierung
Nachdem die Vorbereitungen für die Prozessaufnahme abgeschlossen sind, kann die eigentliche
Prozessaufnahme und Modellierung durchgeführt werden. Hierbei können unterschiedliche Vorgehen sinnvoll sein und Hilfsmittel eingesetzt werden.
Prozessaufnahme und Prozessmodellierung unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass
während der Aufnahme der Ablauf des Prozesses
von den Akteuren erfragt wird, während die Modellierung die (visuelle) Aufbereitung des Prozesses zur Dokumentation und weiteren Verwendung
beinhaltet.
Abbildung 3: Abbildung einer Prozessmodellierung
Für die Prozessaufnahme kann auf unterschiedliche Methoden (oder einer Kombination daraus)
zurückgegriffen werden, bspw. Dokumentenanalyse, Beobachtung oder Interviews. Damit die Gesprächspartner bei der Prozessmodellierung ein
einheitliches Verständnis vom Thema bzw. vom
Prozess entwickeln, ist es sinnvoll, dass der Prozessverlauf gleichzeitig skizziert wird. Hierfür sind
verschiedene Möglichkeiten denkbar: ob Flipchart
und Post-It‘s®, Whiteboard mit entsprechenden
Stiften und Magneten oder konventionell mit Papier, Bleistift und Radiergummi. Wichtig ist, dass
Änderungen schnell und leicht während der Prozessaufnahme, also während des Gespräches,
möglich sind. Ein entsprechendes Beispiel zeigt
Abbildung 3.
Prozessmodellierung
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Checkliste
Nachfolgende Checkliste fasst die wichtigsten Punkte der Prozessaufnahme und Prozessmodellierung, also der Visualisierung des Prozesses, chronologisch zusammen. Durch Abhaken der Checkliste kann sichergestellt werden, dass bei der Durchführung der Prozessaufnahme alle Beteiligten und
Elemente berücksichtigt werden
Nr.
Beschreibung
1. Einstieg in die
Prozessaufnahme
Vorgehen
•Bereitlegen von benötigten Materialien (FlipChart, Stifte, Post-Ist® etc.)
•Begrüßung der Mitarbeiter
•Dank für die Mitarbeit
•Grund für die Prozessaufnahme nennen
•Vorgehen und Ablauf beschreiben
2. Prozessabgrenzung •Ist die Prozessabgrenzung nach Meinung der Mitarbeiter richtig?
hinterfragen
•Abweichungen notieren
3. Prozess aufnehmen •Verantwortlichkeiten erfragen: Wer führt welche Tätigkeiten aus?
•Zugehörige Organisationseinheit notieren
•Akteure entsprechend der gewählten Methode visualisieren
•Tätigkeiten erfragen: Welche Tätigkeiten müssen ausgeführt werden?
•Jede Tätigkeit als eigenständige Aktivität dokumentieren
•Aktivität im Prozessmodell platzieren und Vorgänger/Nachfolger Beziehung prüfen
•Zeitlichen und logischen Ablauf erfragen: In welcher Reihenfolge werden Tätigkeiten ausgeführt?
•Kontrollfluss im Prozessmodell ergänzen
4. Prozessaufnahme •Alle Aktivitäten notiert?
überprüfen
•Verantwortlichkeiten eindeutig zugeteilt?
•Zeitlicher Ablauf korrekt?
5. Prozess detaillie•Hilfsmittel erfragen: Welche Werkzeuge, Software-Programme, Informationssysteren
me etc. sind für die Ausführung einer Tätigkeit notwendig?
•Hilfsmittel an den vorgesehenen Aktivitäten platzieren
•Informationsobjekte erfragen: Welche Informationen und Objekte sind für die Ausführung einer Tätigkeit erforderlich? Welche Informationen werden erzeugt? Welche
Informationen werden übermittelt?
•Informationen und Objekte notieren und visualisieren
•Verzweigungen und Varianten erfragen: Welche Varianten können bei der Reihenfolge von Tätigkeiten auftreten? Welche Bedingungen oder Entscheidungen beeinflussen die Reihenfolge von Tätigkeiten? Welche Tätigkeiten werden mehrfach
ausgeführt?
•Entscheidungen inkl. Bedingungen im Prozessmodell notieren
•Zusammenarbeit erfragen: Welche Personen sind an der gleichzeitigen Ausführung
einer Tätigkeit beteiligt? Wie kommunizieren die beteiligten Personen?
•Synchrone Zusammenarbeiten an der Ausführung von Tätigkeiten modellieren
6. Prozessaufnahme •Namen aller Aktivitäten korrekt? „Substantiv + Verb“
erneut überprüfen •Organisationseinheiten korrekt zugeordnet?
•Alle Hilfsmittel berücksichtigt?
•Alle Informationsobjekte eingeplant?
•Entscheidungen sinnvoll und vollständig beschriftet?
•Insgesamt vollständige und umfassende Beschriftung aller Elemente?
7. Prozessaufnahme •Bedanken für die Mitarbeit
abschließen
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Prozessanalysen
Ein fertiges Prozessmodell bildet die Grundlage für weiterführende Prozessanalysen. So können anhand des Modells Schwachstellen identifiziert, Verbesserungen diskutiert und Maßnahmen abgeleitet werden.
Eine weiterführende Analysemethode stellt die
Prozesssimulation dar, mit deren Hilfe Prognosen
bezüglich der Dauer und Kosten eines Prozesses
gemacht werden können. Die Simulation ist eine
hilfreiche Entscheidungsgrundlage (insbesonde-
Impressum
ISSN 2196-3371
Handreichungen für die
betriebliche Praxis
Herausgeber:
Christopher M. Schlick
Autoren:
Philipp Przybysz,
Sönke Duckwitz
Ausgabe 5: „Prozessmodellierung“
Aachen 2014
Titelbild: © Shutterstock/Peshkova
re bei Vorgängen mit Unsicherheit. Auf das Verfahren der Simulation und welche Möglichkeiten
damit verbunden sind, wird in einer separaten
Veröffentlichung innerhalb der Reihe „Handreichung für die betriebliche Praxis“ eingegangen.
Weiterführende Literatur
Diese Handreichung für die Betriebliche Praxis
thematisiert Prozessmodellierung. Die vorangegangenen Kapitel bieten das nötige Basiswissen, um erste Schritte der Prozessmodellierung
angehen zu können. Bei den Autoren kann ein
kostenloser Leitfaden zur Prozessmodellierung
mittels der K3 Methode angefragt werden. Für
weitergehende Informationen sei beispielsweise
auf folgende Werke verwiesen:
• Nielen, A., Jeske, T., Arning, K., Schlick,
C.M. (2010): Prozessmodellierungssprachen
für kleine und mittlere Unternehmen, In:
Neue Arbeits- und Lebenswelten gestalten,
56. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft
• Meyer, U.B., Creux, S.E., Weber Marin, A.K.
(2005): Grafische Methoden der Prozessanalyse – Für Design und Optimierung von Produktionssystemen.
• Best, E., Weth, M. (2005): Geschäftsprozesse optimieren – Der Praxisleitfaden für erfolgreiche Reorganisation. Wiesbaden: Gabler.
Prozessmodellierung
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www.derobino.de
ISSN 2196-3371
Philipp Przybysz
Sönke Duckwitz
Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft
der RWTH Aachen
Bergdriesch 27
52056 Aachen
PROJEKTKONSORTIUM
EUROPÄISCHE UNION
DLR
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