Max Blatter, dipl. El.-Ing. ETH Im Weingarten 1 CH-5620 Bremgarten Switzerland Phone: E-Mail: +41 (0)56 535 00 21 [email protected] www.energie-atlas.ch Was leistet ein Kubikmeter elektrische Energietechnik? Die Entwicklungsdynamik der Energietechnologie im Vergleich zur Informatik Informatik einerseits und Energietechnik andererseits könnten in ihrer Entwicklungsdynamik kaum gegensätzlicher sein: explosive Eigendynamik auf der einen Seite, kontinuierliches Voranschreiten auf der anderen Seite. Der Artikel beleuchtet die dafür hauptverantwortlichen maßgebenden Kenngrößen – die Informationsdichte zum einen, die Energie- und Leistungsdichte zum anderen – anhand einiger wichtiger Komponenten. Dabei zeigt sich, dass die physikalischen Rahmenbedingungen in den beiden Fällen wesentlich verschieden sind. Vor über 15 Jahren gab es eine angeregte Diskussion zwischen mir und einer Persönlichkeit, die sich sehr engagiert für die Energiewende einsetzte. Als naturwissenschaftlich gebildeter Akademiker, aber nicht Energiefachmann, argumentierte er etwa so: Schau, welch rasante Entwicklung es in der Informationstechnologie gibt. PC, Handy und all das. Da muss es doch auch möglich sein, innert 20 Jahren die Energieversorgung auf „erneuerbar“ umzubauen! Er hatte recht, was die Entwicklung der Informationstechnologie betrifft. Ich gab und gebe ihm auch recht, dass die „100% erneuerbare Energieversorgung“ ein erstrebenswertes und erreichbares Ziel ist. Aber nicht innert 20 Jahren, hierin irrte er und irrt wahrscheinlich noch heute. Weshalb? In diesem Artikel will ich objektiv untermauern, was ich ihm damals intuitiv zu vermitteln suchte: dass der Energietechnologie aufgrund physikalischer Gesetze weit engere Grenzen gesetzt sind als der Informationstechnologie. Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Entwicklung der Informationstechnologie: die perfekte Welle Die Entwicklung der Informationstechnologie im letzten halben Jahrhundert war in der Tat eindrücklich. Das soll hier am Beispiel der Informationsdichte aufgezeigt werden, die bei Computer-Arbeitsspeichern erreicht wird. ≈1 mm Anfang der 1970er-Jahre war der Arbeitsspeicher („Random Access Memory“ RAM) von Groß-Computern als Magnetkernspeicher aufgebaut (Abbildung 1). So besaß damals der Computer im Rechenzentrum des Kantons Baselland, eine IBM 360-30, einen Kernspeicher mit einer Kapazität von 48 Kilobyte, die später auf 64 Kilobyte erweitert wurde. Er hatte wohl etwa die Größe eines Getränke-Sixpacks. – Demgegenüber hat der Arbeitsspeicher des PC, an dem gerade diese Zeilen geschrieben werden, eine Kapazität von (heute schon wieder bescheiden anmutenden) 4 Gigabyte, die problemlos in Form von Silizium-Chips (Abbildung 2) auf kleinen Steckkarten Platz finden. ≈1 mm In Zahlen stellt sich das wie folgt dar (1 Byte = 8 bit): 1965 – Magnetkernspeicher: ca. 1 bit/mm³ 2015 – Dynamischer RAM-Speicher: ca. 600 Mbit/mm³ Welche physikalischen Gesetzmäßigkeiten ermöglichten diese rasante Entwicklung? Das Zauberwort hieß Miniaturisierung. Diese stieß beim Magnetkernspeicher rasch ≈1 mm an ihre Grenzen. Es brauchte aber nur einen einzigen Technologiesprung, nämlich den Übergang auf Halbleiterspeicher: Bei diesen war es möglich, immer feinere Abbildung 1 Prinzip eines Magnetkernspeichers Strukturen auf den Silizium-Chip zu bringen und so immer mehr Bits auf immer kleinerer Fläche unterzubringen. Textseite 2 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 15.10.2015 Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? 15.10.2015 Man hätte sich bei dieser Entwicklung manches Hindernis vorstellen können – aber die physikalischen Gesetze waren auf der Seite der Entwicklungsingenieurinnen und –ingenieure: Speicherelement Um die Speicherelemente zu betreiben, brauchen diese eine gewisse elekt- Speicherelement rische Leistung: Fällt durch die Miniaturisierung nicht immer mehr Verlustwärme auf immer kleinerem Raum an, die letztlich nicht mehr abgeführt werden kann? Speicherelement Nein: Je kleiner ein einzelnes Speicherelement (Bit) ist, mit umso kleinerer Speicherelement Speicherelement Leistung wird es betrieben. Das gleicht sich aus! Aber wird dann nicht die Störanfälligkeit immer größer? Schließlich gibt es Speicherelement überall elektromagnetische Felder: technische Felder durch die öffentliche Speicherelement Stromversorgung, Funksignale u.a.; aber auch kosmische Strahlung, natürliche Radioaktivität und vieles mehr: Wenn die Information mit immer kleiSpeicherelement neren Energiemengen gespeichert wird, beginnen doch die Störfelder zu dominieren? Speicherelement Speicherelement auch weniger Störenergie auf. Der Störabstand (Verhältnis von Nutzenergie zu Störenergie) bleibt gleich! 32 nm Falsch gedacht: Durch die Miniaturisierung nimmt jedes Speicherelement Speicherelement Speicherelement 32 nm Abbildung 2 Dynamic Random Access Memory in 32-Nanometer-Technologie: Aufsicht auf das Silizium-Substrat Textseite 3 Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Informationstechnologie: Fazit 15.10.2015 angenommenes Limit Die Entwicklerinnen und Entwickler konnten gleichsam auf der perfekten Welle sur- 1 Tbit/mm³ fen: Gelang es ihnen, den Silizium-Chip immer noch feiner zu strukturieren (was allerdings schon eine bewundernswerte Leistung war und ist), fiel ihnen alles andere wie von selbst in den Schoß. So konnte die Informationsdichte innert 50 Jahren um ginnen erst heute allmählich am Horizont aufzutauchen. 1 Gbit/mm³ Informationsdichte beinahe 9 Zehnerpotenzen gesteigert werden (Grafik 1). Physikalische Grenzen be- Dynamischer RAM‐Speicher auf Si‐Basis 1 Mbit/mm³ 1 kbit/mm³ 1 bit/mm³ Magnetkernspeicher 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 2050 Jahr Grafik 1 Entwicklung der Informationsdichte von Computer-Arbeitsspeichern Zu Grunde liegende Daten: Magnetkernspeicher siehe Abbildung 1; Quellen: [Q1], [Q1a], [Q2a]. RAM-Speicher auf Si-Basis siehe Abbildung 2, Dicke Si-Substrat 0.8 mm; Quellen: [Q2b], [Q2c], [Q2d], [Q3a]. Angenommenes physikalisches Limit: 50x50x50 Si-Atome pro bit (dies würde eine 3-dimensionale Strukturierung des Chips bedingen); Quelle bezüglich Abstand der Atome im Kristallgitter: [Q2e] Textseite 4 Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Elektrische Energie am richtigen Ort: Leitungen 15.10.2015 0.12 0.11 Die Aufgabe von Leitungen ist es, elektrische Energie möglichst effizient von A nach 0.10 B zu übertragen. Die dazu verwendeten Materialien werden vor allem nach zwei phy- 0.09 sikalischen Eigenschaften ausgewählt: hohe elektrische Leitfähigkeit (um die Übertragungsverluste klein zu halten) geringe Dichte (vor allem bei Freileitungen wichtig, um die Gewichtskräfte auf die tragenden Isolatoren und in den durchhängenden Leitern selbst klein zu halten) R' in Ω/km 0.08 0.07 0.06 0.05 0.04 Hinzu kommen Kriterien wie mechanische Zugfestigkeit und natürlich die Kosten. 0.03 Bezüglich Leitfähigkeit (bei Umgebungstemperatur!) weiß man, dass man die höchs- 0.02 ten Werte bei reinen Metallen findet; die Top-4 sind in dieser Rangfolge: Silber Ag, 0.01 Kupfer Cu, Gold Au, Aluminium Al. Silber und Gold kommen für den Leitungsbau 0.00 Al 500 mm² wegen ihrer Kostspieligkeit und der zu geringen mechanischen Festigkeit nicht in Betracht (zudem leitet Silber nur wenig besser als Kupfer). Es bleiben also Kupfer und Aluminium. Grafik 2 zeigt den Widerstandsbelag (umgekehrt proportional zur Leitfähigkeit) eines Grafik 2 Cu querschnittgleich mit Al Cu massengleich mit Al Widerstandsbelag der Leitungen in Abhängigkeit des Leitermaterials Leiters aus Aluminium im Vergleich zu einem solchen aus Kupfer. Dabei wurde der Querschnitt des Al-Leiters mit 500 mm² angenommen; für eine Zweidrahtleitung von 1 km Länge bräuchte es dann gerade 1 m³ Aluminium. Beim Kupferleiter wurde einmal gleicher Querschnitt (also auch gleiches Materialvolumen pro Kilometer Leitungslänge) angenommen, einmal gleiche Masse. Die Grafik zeigt, dass bei gleicher Masse der Kupferleiter bezüglich Widerstandsbelag dem Leiter aus Aluminium sogar unterlegen ist. Deshalb und weil Aluminium auch kostengünstiger ist, werden für die Übertragungsleitungen auf der höchsten Netzebene fast ausschließlich Al-Leiter verwendet. In Grafik 2 ist aber auch angedeutet, dass es eine weitere Kategorie von Leitern gibt: die Supraleiter. Durch einen quantenphysikalischen Vorgang, der noch nicht in allen Details verstanden wird, gibt es Materialien, deren elektrischer Widerstand bei genügend tiefer Temperatur exakt gleich Null (!) wird. Textseite 5 Supraleiter Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? 15.10.2015 Wie Grafik 3 zeigt, hat man die Supraleitung zunächst ebenfalls an reinen Metallen entdeckt, die annähernd auf die Temperatur von flüssigem Helium gekühlt werden 25°C Umgebungstemperatur der Temperatur von flüssigem Stickstoff supraleitend werden (Nobelpreis der am damaligen IBM Zurich Research Laboratory arbeitenden Forscher Alex Müller und Georg Bednorz im Jahre 1987). Extrapoliert man die Entwicklung der kritischen Temperatur (die Temperatur, unterhalb der Supraleitung eintritt, auch Sprungtemperatur genannt), so könnte man vielleicht demnächst Materialien entdecken, die bei normaler Umgebungstemperatur supraleitend wären. Allerdings geben die heute verfügbaren Theorien wenig Hinweise, bei welcher Art von Materialien man suchen sollte; aus heutiger Sicht wäre eine sol- kritische Temperatur Tc in K mussten. Seit den 1980er-Jahren kennt man keramische Materialien, die bereits bei 100 HgBa₂Ca₂Cu₃O₈ YBa₂Cu₃O₇ Flüssiger Stickstoff Flüssiger Wasserstoff Nb₃Ge Nb 10 Hg Flüssiges Helium che Entdeckung weitgehend Zufall. Es ist nicht einmal sicher, ob Supraleitung bei Raumtemperatur überhaupt theoretisch möglich ist. 1 1900 Grafik 3 1925 1950 Jahr 1975 Sprungtemperatur der Supraleiter nach dem Zeitpunkt ihrer Entdeckung Datenquellen: [3], [Q4] Textseite 6 2000 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 2025 Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Schon mit den aktuell verfügbaren Keramikmaterialien sind aber supraleitende Ener- 15.10.2015 N2 flüssig, Rücklauf giekabel konstruiert worden, die mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden (Abbildung 3). Da diese Kabel keine ohmschen Verluste aufweisen, kann man mit hohen Stromstärken und dafür niedrigeren Spannungen arbeiten. So wurde in Essen eine 1 km N2 flüssig lange Pilotstrecke in Betrieb genommen, bei der ein supraleitendes 10-Kilovolt-Kabel Vorlauf eine Leistung von 40 MVA überträgt, wofür in konventioneller Technologie ein 110Kilovolt-Kabel eingesetzt werden müsste [Q6]. Das Aushub-Volumen konnte dadurch von 720 m³ auf 280 m³ pro km Kabellänge, also auf weniger als 40% reduziert wer- Supraleiter L1 den [Q5]. Dielektrikum In Anbetracht des Kühlaufwandes dürften supraleitende Kabel heutiger Bauart auf den Einsatz in Agglomerationen beschränkt bleiben, wo jeglicher Platz knapp ist. Für Supraleiter L2 lange Übertragungsleitungen sind sie kaum geeignet. Dielektrikum Supraleiter L3 Vakuum-Wärmedämmung Neutralleiter Abbildung 3 Aufbau eines supraleitenden Drehstrom-Mittelspannungskabels In Anlehnung an [Q5] Textseite 7 Dielektrikum Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Allerdings können auch konventionelle Kabel und Freileitungen besser ausgenützt 15.10.2015 1000 werden. Dies ist insbesondere durch die Verwendung von Gleichspannung statt (HGÜ) wird seit längerer Zeit in speziellen Fällen als Alternative zur konventionellen Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung (HDÜ) angewendet (z.B. Seekabel zwischen dem europäischen Kontinent und Großbritannien respektive Skandinavien). Da mit der heute verfügbaren Leistungselektronik die Umwandlung von Drehstrom in Gleichstrom und umgekehrt effizient und kostengünstig möglich ist, wird sich die HGÜ-Technologie wohl für Übertragungsleitungen auf der Höchstspannungs-Ebene mehr und mehr durchsetzen. In Anbetracht des zunehmenden politischen Widerstandes gegen neue Freileitungs-Trassen kann so zum einen die Übertragungskapazität bestehender Leitungen gesteigert werden (Grafik 4); zum andern ermöglicht die übertragbare Leistung respektive Scheinleistung in MW respektive MVA Wechselspannung möglich. Sogenannte Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung 500 HGÜ-Technik auch eine Verkabelung über lange Strecken (was mit Wechselspannung aus technischen Gründen nicht wirtschaftlich möglich ist). 0 HDÜ Grafik 4 Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung HGÜ versus Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung HDÜ Zu Grunde liegende Daten siehe Tabelle 1 Textseite 8 HGÜ Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? 15.10.2015 Abbildung 4 zeigt, wie eine übliche Höchstspannungsleitung mit 6 Leitern an einem Mast entweder als Doppel-HDÜ-Leitung mit zwei Drehstrom-Systemen oder aber als Dreifach-HGÜ-Leitung mit drei bipolaren Gleichstrom-Systemen genutzt werden kann. Die angenommenen technischen Daten sind in Tabelle 1 aufgelistet. Getreu dem Titel dieses Essays sind sie so gewählt, dass L1 L1 L− HGÜ I L+ Leiterseile.) Unter dieser Annahme zeigt Grafik 4 die Übertragungskapazität der Leitung in den beiden Betriebsarten; die übertragbare Leistung ist bei der HGÜ um gut L2 40% höher als bei der HDÜ. L3 Abbildung 4 Drehstromsystem II benötigt wird. (Hinzu kommen 0.24 m³ Stahl für den mechanisch tragenden Kern der Drehstromsystem I pro Kilometer Leitungslänge für alle sechs Leiterseile zusammen 1 m³ Aluminium L2 L3 L− L− HGÜ II L+ HGÜ III Nutzung der gleichen Leitung entweder als Doppelleitung für Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung HDÜ (links) oder als Dreifachleitung für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung HGÜ (rechts) Textseite 9 Abbildungen, Grafiken, Tabellen L+ Max Blatter Energie-Übertragungsleitungen: Fazit Die HGÜ-Technologie ermöglicht es, mit einem Materialaufwand von rund 1 m³ Aluminium für die Leiterseile rund 1 GW Leistung über eine Strecke von 1 km zu übertragen. Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? 15.10.2015 Übertragungsleitung Vorgegebene Daten Isolator‐Bemessungsspannung (Leiter gegen Erdpotential) Û B,L‐0 = 310 kV ℓ = 1 km Bemessungsstrom (Dauerbelastbarkeit) IB = 520 A Aluminium‐Querschnitt A Al = 172 mm² Stahl‐Querschnitt A st = 40 mm² Aluminium‐Volumen V Al = 6∙ℓ∙A Al = 1.03 m³ Stahl‐Volumen V st = 6∙ℓ∙A st = 0.24 m³ Leitungslänge Mit der Nutzung von Supraleitern erreicht man zwar eine weitere Reduzierung des Volumenbedarfs bei gleicher übertragbarer Leistung, bewegt sich dabei aber trotz eines immensen Technologiesprungs immer noch in der gleichen Größenordnung. Leitertyp: 172‐Al1/40‐St1A 2 x 3‐Phasen‐Wechselspannung Betriebsspannung der Leitung (Dreieckspannung) UN = √3∙(Û B,L‐0 /√2) = 380 kV Bemessungsleistung (Dauerbelastbarkeit) SB = 2∙√3∙U N ∙I B = 684 MVA ±U DC = Û B,L‐0 = 310 kV PB = 3∙2∙U DC ∙I B = 967 MW 3 x bipolare Gleichspannung Betriebsspannung der Leitung (bipolare Gleichspannung) Bemessungsleistung (Dauerbelastbarkeit) Tabelle 1 Daten einer Höchstspannungsleitung mit 6 Leitern als Doppel-Dreiphasenleitung oder als Dreifach-Gleichstromleitung genutzt (wie in Abbildung 4 dargestellt) Textseite 10 Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Elektrische Energie mit der richtigen Spannung: Transformatoren mittlere magnetische Weglänge ℓm Auf dem Weg vom Kraftwerk zur Steckdose wird die elektrische Energie mehrfach Wicklungs- zu minimieren. Dies geschieht nach dem Prinzip des Transformators: Der eingangsseitig ankommende elektrische Strom durchfließt die sogenannte Primärwicklung; dadurch entsteht im Magnetkern des Transformators ein magnetischer Fluss; seine zeitliche Änderung induziert in der Sekundärwicklung wiederum eine elektrische querschnitt Aw auf verschiedene Spannungsebenen transformiert, um die Verluste in den Leitungen Spannung. Die Höhe der ausgangsseitigen Spannung wird näherungsweise durch das Windungszahl-Verhältnis von Primär- und Sekundärwicklung bestimmt. Wesentliche Bestandteile des Transformators sind somit: die Wicklungen Sie müssen aus einem Material bestehen, das eine möglichst gute elektrische Leitfähigkeit aufweist. Auch bei Transformatoren wird, wie bei den Leitungen, Kupfer oder Aluminium verwendet. Magnetkernquerschnitt Am Wichtigste Kenngröße ist dabei, mit der Leitfähigkeit zusammenhängend, mittlere Windungslänge ℓw die zulässige Stromdichte J in A/m², die von den Wicklungen ohne übermäßige Erwärmung verkraftet wird. der Magnetkern Seine Aufgabe ist es, den magnetischen Fluss so zu führen, dass er möglichst vollständig von beiden Wicklungen umschlossen wird. Dazu braucht es Materialien mit genügend hoher „Leitfähigkeit“ für Magnetfelder (sogenannte Permeabilität). Dies sind die sogenannten ferromagnetischen Materialien (von lateinisch ferrum = Eisen). Die für die Leistungsfähigkeit des Transformators maßgebende Kenngröße des Magnetkerns ist die maximale magnetische Flussdichte Bmax in Vs/m², bis zu der das Material seine hohe Permeabilität beibehält. 1m Abbildung 5 Geometrie eines Einphasen-Manteltransformators Oben Aufriss: Vorderansicht des Magnetkerns, mit aufgeschnittener Wicklung Unten Grundriss: Stirnansicht der Wicklung, mit aufgeschnittenem Magnetkern Textseite 11 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 15.10.2015 Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? 15.10.2015 Die Leistung, die der Transformator übertragen kann, lässt sich mit Hilfe der folgenden Formel berechnen (siehe z.B. [6]): ∙ √ ∙ : : ∙ ∙ ∙ übertragbare Scheinleistung in VA Betriebsfrequenz in Hz : Eisenquerschnitt in m² (unter Berücksichtigung des Füllfaktors, s. Tabelle 2) : maximale magnetische Flussdichte im Eisen, in Vs/m² : Kupferquerschnitt in m² (unter Berücksichtigung des Füllfaktors, s. Tabelle 2) : zulässige Stromdichte (Effektivwert) im Kupfer, in A/m² Economy of Scale – speziell bei Transformatoren: Die Formel zeigt, dass die übertragbare Scheinleistung proportional zum Produkt zweier Querschnittsflächen ist Tabelle 2 (AFe∙ACu). Wird also ein gegebener Transformator maßstäblich vergrößert, nimmt sei- Geometrische Daten eines Einphasen-Manteltransformators nach Abbildung 5 ne Leistungsfähigkeit proportional zur vierten Potenz des Maßstabsfaktors zu – oder anders ausgedrückt: proportional zum Bauvolumen hoch 4/3 (also überproportional zum Bauvolumen). Grundsätzlich ist die Materialausnutzung somit bei größeren Transformator-Einheiten besser als bei kleineren; dieser Vorteil kann allerdings zunichte gemacht werden, wenn der größere Transformator dafür häufig nur im TeillastBereich betrieben wird. Bei gegebener geometrischer Form und Größe kann die Leistungsfähigkeit eines Transformators gemäß obenstehender Formel gesteigert werden durch: Erhöhen der Betriebsfrequenz f Tatsächlich wäre dies ein gangbarer Weg für die Zukunft (siehe unten) – und wird übrigens in Flugzeug-Bordnetzen angewandt, wo die übliche Fre- Tabelle 3 Elektrische Daten des Einphasen-Manteltransformators nach Abbildung 5 und Tabelle 2 quenz nicht 50 Hz, sondern 400 Hz beträgt. Quellen für die zugrunde gelegten Daten: Erhöhen der magnetischen Flussdichte Bmax Nicht kornorientiertes Fe-Si-Elektroblech [Q8] Maßgebend für die maximale Flussdichte im Betrieb ist die sogenannte Sättigungs-Flussdichte, oberhalb der die magnetische Polarisation des Materials Kornorientiertes Fe-Si-Elektroblech [Q7] Nanokristalline Fe-Legierung [Q9] (dieses Material ist aktuell aber nur in wesentlich kleineren Dimensionen lieferbar als hier betrachtet) Stromdichte in den Cu-Wicklungen [Q16] Textseite 12 Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? nicht mehr weiter zunehmen kann. Zudem muss das Material eine Ummag- 10'000 netisierung mit der gewünschten Betriebsfrequenz ohne zu große Verluste 25'000 Hz den werden, ist anzunehmen, dass mit den in Tabelle 3 angegebenen Werten die physikalischen Limiten weitgehend ausgeschöpft sind. Erhöhen der Stromdichte J Die zulässige Stromdichte in den Wicklungen wird bestimmt durch die Verlustwärme, die infolge der beschränkten Leitfähigkeit des Leitermaterials entsteht und ohne unzulässig starke Erhitzung der Wicklung abgeführt werden muss. Durch die Verwendung von Kupfer ist das physikalische Limit bezüglich Leitfähigkeit praktisch ausgeschöpft (von der Supraleitung abgesehen). Die Ausgestaltung der Kühlung erlaubt einen gewissen Spielraum, doch kann übertragbare Scheinleistung in MVA zulassen, was zusätzliche Kompromisse im Design des Werkstoffs erfordert. Da die Mechanismen des Ferromagnetismus theoretisch sehr gut verstan- 15.10.2015 1'000 1'000 Hz 100 50 Hz 10 Kornorientiertes Fe‐Si‐Elektroblech der in Tabelle 3 angegebene Wert etwa als das wirtschaftliche Optimum gel- Nicht kornorientiertes Fe‐Si‐Elektroblech Nanokrostalline Fe‐Legierung ten. Will man mit gleich viel Eisen und Kupfer mehr Leistung übertragen können, bietet sich dazu eigentlich nur die Erhöhung der Betriebsfrequenz an. Grafik 5 zeigt im Vergleich die übertragbare Leistung dreier Transformatoren, die geometrisch identisch sind (Abbildung 5 und Tabelle 2), aber für verschiedene Betriebsfrequenzen ausge- Grafik 5 Transformatoren mit verschiedenen Kernmaterialien und verschiedener Betriebsfrequenz Zu Grunde liegende Daten siehe Abbildung 5, Tabelle 2 und Tabelle 3 Beachte: Nanokristalline Fe-Legierungen sind aktuell nur in wesentlich kleineren Dimensionen lieferbar als hier betrachtet legt und mit den jeweils dafür geeigneten Magnetkernmaterialien bestückt sind. (Dabei ist zu beachten, dass das für 25‘000 Hz geeignete nanokristalline Material aktuell gar nicht in den benötigten Abmessungen lieferbar ist; insofern ist diese Variante im betrachteten Leistungsbereich derzeit noch rein fiktiv.) Die zu Grunde gelegte Geometrie ist auch wieder mit Blick auf die Fragestellung dieses Essays gewählt worden, sodass der Materialaufwand 1 m³ Kupfer und 0.39 m³ Eisen umfasst. Textseite 13 Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Mit höherer Betriebsfrequenz nimmt die Leistungsfähigkeit des Transformators etwa im selben Verhältnis zu – nicht ganz, da die für höhere Frequenzen geeigneten ferromagnetischen Materialien eine etwas kleinere Sättigungsflussdichte aufweisen. Und die Supraleitung? Es sind Prototypen von supraleitenden Transformatoren gebaut worden; darauf basierend gibt es eine an der Universität Southampton durchgeführte Design-Studie für einen 240-MVA-Transformator [Q17]. Danach wurde gegenüber einem leistungsgleichen konventionellen Transformator eine Kostenersparnis von 36% nachgewiesen. Diese rührt hauptsächlich von den wegfallenden ohmschen Verlusten in der konventionellen Kupferwicklung her, wodurch die Mehrkosten für den Supraleiter und die Kühlung mehr als aufgewogen werden. Dennoch: Einen wirklichen Durchbruch würden wohl auch hier erst Materialien bringen, die bei normaler Umgebungstemperatur supraleitend wären. Leistungs-Transformatoren: Fazit Ein Materialaufwand von rund 1 m³ Kupfer und 0.4 m³ Eisen ermöglicht bei 50 Hz das Übertragen einer Leistung (Scheinleistung) von etwa 20 MVA. Durch Erhöhen der Betriebsfrequenz lässt sich das Leistungsvermögen bei gleichem Materialaufwand annähernd proportional steigern. Eine Frequenz von 25‘000 Hz bietet bei Leistungen im kVA-Bereich keine Probleme und sollte auch für Großtransformatoren erreichbar sein. Wie bei den Leitungen ist der Einsatz von Supraleitern eine Option; mit den heute verfügbaren Materialien bleibt aber die erreichbare Leistungssteigerung innerhalb der gleichen Größenordnung. Textseite 14 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 15.10.2015 Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? G wieder zurück. Sollen Transformatoren bei 25‘000 Hz betrieben werden, so muss 50- A auf der K Rückseite Hz-Wechselspannung in 25‘000-Hz-Wechselspannung umgewandelt werden. Beide Male braucht es leistungselektronische Wandler: Gleich- und Wechselrichter im ersten Fall; Frequenzumrichter im zweiten Fall. Zentrales Bauteil solcher Wandler sind elektronische Schaltventile, wobei nach heuti- 4.2 mm E E E G Dicke 0.22 mm E E E E E C auf der gem Stand der Technik vor allem zwei Bauarten zum Einsatz gelangen: E Chip12.6 mm Hertz-Dreiphasen-Wechselspannung in Gleichspannung umgewandelt werden und 4.2 mm Elektrische Energie in der richtigen Form: Leistungselektronik Soll bei Leitungen die HGÜ-Technik genutzt werden, so muss die Elektrizität von 50- 15.10.2015 ChipRückseite der Thyristor Bei ihm handelt es sich um ein Bauelement mit drei Anschlüssen (Elektro- 13.4 mm den): Anode, Kathode, Gate. Er wirkt wie ein Schalter, der einen Stromfluss von der Anode zur Kathode ermöglichen oder unterbinden kann (Ein/Aus- Dicke Funktion). Eingeschaltet (gezündet) wird der Thyristor durch einen kurzen 0.19 mm Stromimpuls am Gate; ausschalten (löschen) kann er nur von selbst, wenn der durch ihn fließende Strom in seinem zeitlichen Verlauf den Wert Null annimmt. Schaltelemente auf Silizium-Halbleiterbasis (Chip ohne Gehäuse) Links: Central Semiconductor, Thyristor, Typ CPS 165, nach [Q14] Der Thyristor ist somit in seiner Funktion an die 50-Hertz-Netzfrequenz ge- Schaltleistung 600 V x 35 A, Elektrodenbezeichnungen: A Anode, K Kathode, G Gate bunden. Abbildung 6 Rechts: Infineon, IGBT, Typ IGC168T170S8RH, nach [Q15] der IGBT (Insulated Gate Bipolar Transistor: Bipolartransistor mit isolierter Gate-Elektrode) Schaltleistung 1700 V x 150 A, Elektrodenbezeichnungen: C Kollektor, E Emitter, G Gate Auch er besitzt drei Elektroden, die hier Kollektor, Emitter und Gate genannt werden; er wirkt wie ein Ein/Aus-Schalter zwischen Kollektor und Emitter. Anders als der Thyristor kann er durch eine Steuerspannung am Gate beliebig ein- und ausgeschaltet werden. Der IGBT ist für Schaltfrequenzen bis 100‘000 Hz geeignet. Textseite 15 Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Abbildung 6 zeigt die Abmessungen je eines typischen Thyristors und eines typischen Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? 15.10.2015 10'000 Betriebsfrequenz und Leistungsdichte eingeordnet. So wird auch hier wieder die Frage beantwortet, welche Schaltleistung mit einem Materialaufwand von 1 m³ Silizium beherrscht werden kann. Leistungselektronik: Fazit Aufgrund von Grafik 6 kann mit 1 m³ Silizium insgesamt eine Leistung von mehreren Tera-Volt-Ampere geschaltet werden. Verglichen mit der Leistungsdichte bei Transformatoren ist dies ein immenser Wert, der die Leistungsfähigkeit moderner Halbleiter auch in der Energietechnologie eindrücklich belegt. Anders als in der Informationstechnologie dürften weitere Entwicklungsschritte aber nur noch in engem Rahmen möglich sein, da sowohl die maximal mögliche Stromdichte wie auch die Spannungsfestigkeit (Durchschlagsfeldstärke) im Silizium-Kristall begrenzt sind. Schalt‐Leistungsdichte φ in GVA/m³ IGBT im mittleren Leistungsbereich. In Grafik 6 sind diese Schaltelemente bezüglich Insulated Gate Bipolar Transistor IGBT {2} Thyristor {1} 1'000 10 100 1'000 10'000 Betriebsfrequenz f in Hz Grafik 6 Kenngrößen von Halbleiter-Schaltelementen (Leistungsdichte bezogen auf den Chip ohne Gehäuse) {1} Central Semiconductor, CPS 165 [Q14] {2} Infineon IGC168T170S8RH [Q15] Textseite 16 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 100'000 Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Elektrische Energie zur richtigen Zeit: Speicher Da Erzeugung und Verbrauch elektrischer Energie zu jedem Zeitpunkt im Gleichgewicht stehen müssen, sie aber nicht a priori zeitgleich stattfinden, muss die Energie zwischengespeichert werden. Insbesondere besteht Bedarf nach: Ausgleich des jahreszeitlichen Verlaufs Jahreszeitliche Unterschiede gibt es beim Verbrauch sowie bei der Erzeugung aus Fotovoltaik, Wind, Wasserkraft. Ausgleich des tageszeitlichen Verlaufs Ein solcher ist vor allem beim Verbrauch und bei der Erzeugung aus Fotovoltaik vorherrschend, kann aber auch bei gewissen Windenergie-Standorten auftreten (Berg-Tal- und Land-Meer-Winde). Ausgleich kurzzeitiger Schwankungen Diese treten insbesondere durch Böen bei Windenergie-Anlagen auf, unter Umständen auch durch rasches Hoch- und Herunterfahren großer industrieller Verbraucher. Aktuell steht in der Schweiz durch die Stauseen eine Speicherkapazität von 8800 GWh zur Verfügung [Q18]. Setzt man dies in Beziehung zur jährlichen Elektrizitätsproduktion der Schweiz von rund 70‘000 GWh [Q18], so ergibt sich daraus, dass in den eigenen Stauseen die mittlere Elektrizitätsproduktion der Schweiz während rund 1½ Monaten gespeichert werden könnte. Allerdings stellt die Schweiz, aufgrund ihrer privilegierten Lage in den Alpen, diese Speicherkapazität als Energiedienstleistung auch dem kontinental-europäischen Netzverbund zur Verfügung. Verglichen mit der jährlichen Elektrizitätsproduktion in diesem Verbund, derzeit rund 2‘500‘000 GWh [Q19], kann in den schweizerischen Stauseen die mittlere Elektrizitätsproduktion des kontinentaleuropäischen Netzverbundes während rund 30 Stunden gespeichert werden. Textseite 17 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 15.10.2015 Max Blatter Die Schweiz kann also derzeit für den kontinental-europäischen Netzverbund einen Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? 15.10.2015 100'000 tageszeitlichen Ausgleich gewährleisten. Ein jahreszeitlicher Ausgleich ist höchstens für den Eigenbedarf ansatzweise möglich. Vor allem infolge der vermehrten Einbindung von Fotovoltaik-Anlagen in die Energieproduktion nimmt derzeit der Bedarf an Speicherkapazität zu. Grafik 7 zeigt, welche Technologien für die Deckung dieses Bedarfs aktuell zur Verfügung stehen, und ordnet sie bezüglich Speicherdauer und Energiedichte ein. Eine Speicherdauer von einem Jahr und mehr kann mit folgenden Technologien erreicht werden: Stausee – speicherbare Energie pro m³ Wasser und 100 m Fallhöhe: 1.0 MJ Energiedichte w in MJ/m³ 10'000 Methan 20 MPa, 25°C 1'000 Li‐Ion‐Akku* Blei‐Akku* 100 10 supraleitender Magnetspeicher* Schwungrad* Superkondensator* Druckluft Stauseen sind mit hohen Investitionskosten verbunden, sind dafür aber langlebige Jahrhundert-Bauwerke. Die geografischen Voraussetzungen für 1 den wirtschaftlichen und ökologisch verträglichen Bau von Stauseen sind 1 Tag aber nur an einer begrenzten Zahl von Standorten gegeben. Lithium-Ionen-Akkumulator – speicherbare Energie pro m³ Brutto-Volumen: Grafik 7 1 Woche 1 Monat Charakteristische Speicherdauer ΔH = 1000 m | Stausee | ΔH = 100 m 1 Jahr ∞ Kennwerte verschiedener Energiespeicher ca. 800 MJ Datenquellen: [Q2f], [Q10], [Q11], [Q12], [Q13] Im Vergleich zum Blei-Akkumulator („Autobatterie“) weist der Li-Ion-Akku Bei den mit einem Stern gekennzeichneten Energieträgern sind die eine weit geringere Selbstentladung auf, die eine Speicherdauer von weit Energiedichten brutto zu verstehen (inkl. Gehäuse), bei den übrigen netto. über einem Jahr erlaubt. Die Technologie ist als Energiespeicher für Elektrofahrzeuge etabliert und hat auch bezüglich ihrer Anwendung in ElektrizitätsVerteilnetzen das Pilotstadium bereits hinter sich gelassen. Die derzeit realisierte Speicherkapazität ist aber, verglichen mit der im Netzverbund umgesetzten Energiemenge und auch verglichen mit der Kapazität der Stauseen, noch bescheiden. Redox‐Flow‐ Batterie Redox-Flow-Batterie – speicherbare Energie pro m³ Elektrolyt: aktuell ca. 180 MJ Die Redox-Flow-Batterie ist eine Technologie, die sich noch im Pilot- und Demonstrationsstadium befindet. Wie bei den Akkumulatoren beruht die Energiespeicherung auf einem elektrochemischen Prozess. Anders als bei Textseite 18 Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? den Akkus wird die Energie aber nicht in den Elektroden gespeichert, sondern in zwei getrennt gelagerten Elektrolyten. – Die weitere Entwicklung wird wohl letztlich eine Entscheidung bringen, ob sich die Li-Ion- oder die Redox-Flow-Technologie durchsetzen wird. Methan-Erzeugung („Power-to-Gas“) – speicherbare Energie (Heizwert) pro m³ komprimiertes Methan (20 MPa, 20°C): 6500 MJ Kohlenwasserstoffe als Brennstoffe weisen eine sehr hohe Energiedichte auf. Sie können unter Einsatz von Energie auch künstlich hergestellt und so zur Energiespeicherung verwendet werden. Das sogenannte „Power-toGas“-Verfahren befindet sich im Pilot- und Demonstrationsstadium: Dabei wird zunächst durch Elektrolyse Wasser H2O in Wasserstoff H2 und Sauerstoff O2 aufgespaltet. H2 kann direkt als Brennstoff verwendet oder aber unter Verwendung von Kohlendioxid CO2 zu Methan CH4 weiterverarbeitet werden. Dieses lässt sich wie Erdgas (das zu rund 90% aus CH4 besteht) nutzen; unter anderem kann in Gaskraftwerken daraus wieder Elektrizität erzeugt werden. Vorteile des Verfahrens sind wie erwähnt die hohe Energiedichte, ferner die praktisch unbegrenzte Speicherbarkeit. Nachteilig sind die relativ schlechten Umwandlungs-Wirkungsgrade, die dazu führen, dass nur gut ein Drittel der aufgewendeten elektrischen Energie wieder zurückgewonnen werden kann [1]. – Nach Meinung des Autors sollte das ökologisch nachhaltig erzeugte Methan besser als Treibstoff für Fahrzeuge verwendet werden als zur erneuten Rückgewinnung elektrischer Energie. Bezüglich Energiedichte dürften die physikalischen Grenzen mit der Nutzung der chemischen Bindungsenergie von Brennstoffen (Methan, Wasserstoff) ausgeschöpft sein. Höhere Energiedichten existieren in der Natur einzig im nuklearen sowie im astronomischen Maßstab. Die bekannten nuklearen Prozesse (radioaktiver Zerfall, Kernspaltung, Kernfusion) laufen aber nur in einer Richtung ab und sind somit für die Energiespeicherung nicht nutzbar. Textseite 19 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 15.10.2015 Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Energiespeicher: Fazit Lithium-Ionen-Akkumulatoren mit einem gesamten Bruttovolumen von 1 m³ können eine Energiemenge von rund 800 MJ speichern; auf 20 MPa komprimiertes Methangas in einem Speicher von 1 m³ Inhalt hat einen Energieinhalt von rund 6500 MJ. Letzteres dürfte auch etwa das physikalische Limit darstellen. Textseite 20 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 15.10.2015 Max Blatter Zusammenfassung Energietechnologie: Schritt für Schritt bergan Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? Technologie Materialaufwand Nutzen EnergieÜbertragungsleitungen netto für die Leiterseile pro km Leitungslänge: übertragbare Leistung: Bezogen auf mittlere Produktionsleistung: 680 MVA 8.6% 970 MW 12.2% übertragbare Leistung: Bezogen auf mittlere Produktionsleistung: Die vorangegangen Ausführungen zeigen: Um eine bestimmte elektrische Leistung übertragen, transformieren, umwandeln zu können, muss jeweils eine bestimmte Menge Aluminium, Kupfer und Eisen, Silizium aufgewendet werden. Und um eine bestimmte Energiemenge speichern zu können, braucht es ein bestimmtes Volumen an Stauseen, Akkumulatorenbatterien, Methangasspeichern oder andern Speichermedien. Anders als bei der Informationstechnologie, lässt sich das Verhältnis des Nutzens zum Materialaufwand aufgrund physikalischer Limiten nur noch sehr beschränkt steigern. HochspannungDrehstrom 1 m³ E-Aluminium und 0.24 m³ Stahl HochspannungGleichstrom Transformatoren netto für die Wicklung 1 m³ E-Kupfer; ferner netto für den Magnetkern: Auf der anderen Seite erfordert die „Energiewende“ – das Ablösen nicht erneuerbarer durch erneuerbare Energieressourcen – zwingend gewisse Veränderungen in der des Materials wird Geld benötigt; um das Geld auf ökonomisch verkraftbare Weise 0.4 m³ kornorientiertes Fe-Si-Elektroblech 19 MVA 0.24% 25‘000 Hertz 0.4 m³ nanokristalline Fe-Legierung 4000 MVA 50% netto für den Chip: Schaltleistung: Bezogen auf mittlere Produktionsleistung: 10 cm x 10 cm x 10 cm = 0.001 m³ (!) Reinst-Silizium 5400 MVA 68% 8000 MVA 100% Brutto-Volumen: speicherbare Energie: Bezogen auf mittlere Tagesproduktion: 10 m x 10 m x 10 m = 1000 m³ (!) (Graphit, Li, Co, ...) 800 GJ 0.12% Leistungselektronik bereitzustellen braucht es Zeit. Im folgenden sollen einige strategische Leitsätze aufgelistet werden, wie diese He- 50 Hertz, Thyristoren rausforderung gemeistert werden kann. Dazu wird unter anderem auf Tabelle 4 ver- 25‘000 Hertz, IGBTs wiesen, in der die Materialaufwand-Nutzen-Relationen bei den verschiedenen Netz- Energiespeicher Komponenten zusammenfassend gegenübergestellt sind. generell: benötigte Energietechnik durch Einsatz von Informatik minimieren Vergleich mit gesamtem CHElektrizitätsnetz {1} 50 Hertz Struktur der Elektrizitätsnetze. Aufgrund des oben Gesagten bedeutet das einen gewissen Aufwand an den genannten Materialien; für die Beschaffung und das Verbauen 15.10.2015 Lithium-IonAkkumulatoren Die kostengünstigste Infrastruktur ist die nicht benötigte Infrastruktur! So kann die im Netz zusätzlich benötigte Speicherkapazität durch geschickte Kombination verschiedener Energieressourcen minimiert werden (z.B.: opti- Zusammenfassung der Materialaufwand-Nutzen-Relationen males Verhältnis von Fotovoltaik- und Windenergie-Anlagen [Q20]). Ferner in der Energietechnologie können bestehende Übertragungs- und Verteilnetze durch intelligentes Last- {1} Gesamte Elektrizitätsproduktion der Schweiz 2014: 69.6 TWh [Q18] management optimal ausgenutzt werden (Smart Grid, Leitsysteme mit Einbezug verbesserter Verbrauchs- und Produktionsprognosen u.ä.). Tabelle 4 Hochspannungs-Drehstrom-Übertragung durch HochspannungsGleichstrom-Übertragung ablösen daraus hergeleitete mittlere Leistung: 7.95 GW daraus hergeleitete mittlere Tagesproduktion: 686 TJ Beachte das ausgezeichnete Materialaufwand-Nutzen-Verhältnis der Leistungselektronik: IGBTs aus einem tausendstel m³ Reinst-Silizium könnten die ganze Produktionsleistung im Schweizerischen Verbundnetz schalten. Beachte das bescheidene Materialaufwand-Nutzen-Verhältnis der Energiespeicher: Es wurde im Vorangegangenen bereits aufgezeigt, dass HGÜ bei gleichem Lithium-Ion-Akkus mit einem Volumen von tausend m³ könnten gerade mal 0.12% der Materialaufwand eine um 40% höhere Leistung übertragen kann als HDÜ. Tagesproduktion im Schweizerischen Verbundnetz abpuffern. Textseite 21 Abbildungen, Grafiken, Tabellen Max Blatter Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? 50-Hertz-Transformatoren durch Transformatoren und Wandler im Kilohertz-Bereich ablösen Durch Wahl einer Betriebsfrequenz von 25 kHz kann das Nutzen-Materialaufwand-Verhältnis eines Transformators um mehr als das 200-fache gesteigert werden. Letztlich wird damit ein großer Teil des Kupfers und Eisens in den Transformatoren durch eine wesentlich kleinere Menge Silizium für die Wandler ersetzt. Die Komponenten für die 25-kHz-Technologie sind vorhanden; für den energietechnischen Leistungsbereich muss die Technik als solche noch zu Ende entwickelt werden. Weiterentwicklung der Speichertechnologien im Wettbewerb Auch wenn die benötigte Speicherkapazität minimiert wird: Es wird einen zusätzlichen Bedarf geben. Auf dem Gebiet der Energiespeicherung muss weiterhin intensive Forschung und Entwicklung betrieben werden; Grafik 7 kann bei der Wahl der prioritär zu verfolgenden Technologien helfen. Grundlagenforschung bezüglich „Normaltemperatur“-Supraleitern Vom absoluten Temperatur-Nullpunkt aus gedacht, werden die heute verfügbaren Materialien bereits als „Hochtemperatur-Supraleiter“ bezeichnet. In nüchtern-anwendungsorientierter Sprache ausgedrückt ist man vom Tiefsttemperatur-Bereich (flüssiges Helium) gerade mal bis in den Tieftemperatur-Bereich (flüssiger Stickstoff) vorgedrungen (Grafik 3). Einen Durchbruch in der Energietechnologie dürfte es wohl nur dann geben, wenn ein „Normaltemperatur“-Supraleiter (kritische Temperatur ≈25°C) entdeckt würde. Ob nun irgendwann ein solches Material entdeckt wird oder ob die Grundlagenforschung letztlich gar dessen Unmöglichkeit nachweist – die heutige Tätigkeit muss sich an den heutigen Gegebenheiten orientieren: Aktuell ist die Supraleitung eine Nischen-Technologie. Textseite 22 Abbildungen, Grafiken, Tabellen 15.10.2015 Max Blatter Literatur und spezielle Quellen [1] Max Blatter: Elektrische Energietechnik für nicht-spezialisierte Ingenieurinnen und Ingenieure Was leistet ein Kubikmeter Energietechnik? [Q2f] Wikipedia (dt.) Stichwort "Redox-Flow-Batterie" (abgerufen Juli 2015) [Q3a] Wikipedia (en.) Stichwort "32 nanometer" (abgerufen Juni 2015) [Q4] ISBN 978-3-7347-6244-4; 2. 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