Wien, am 11. November 2002 Regenbogenforellen – Expertise mit besonderer Berücksichtigung der Situation im Alpenrheingebiet zwischen Sargans und Bodensee M. Jungwirth Frage 1: Ist es grundsätzlich möglich, eine interspezifische Konkurrenz bei Salmoniden – insbesondere bei Bachforellen (BF) und Regenbogenforellen (RBF) – aufgrund von klaren, wissenschaftlichen Kriterien und entsprechend geplanten Felduntersuchungen nachzuweisen oder auszuschließen? Wenn ja, welche negativen Auswirkungen zeigen sich für die BF? Antwort: Grundsätzlich ist der Nachweis/ Ausschluss interspezifischer Konkurrenz bei Salmoniden anhand klarer, wissenschaftlicher Kriterien möglich. Quantifizierbare Ergebnisse über das Ausmaß zwischen einzelnen Arten bzw. deren Altersstadien lassen sich meines Erachtens jedoch wesentlich leichter in abgeschlossenen Systemen (z. B. Experimente in Seitenarmkanälen) und/ oder Experimenten in kleinen gut überschaubaren Gewässern erzielen. Bei komplexen Systemen wie dem Bodensee/ Alpenrhein/ Binnenkanalsystem ist überwiegend nur mit Hilfe ausgewählter Indizien (wie im Rahmen der Studie A. Peter) zu argumentieren. Quantifizierbar hier Konkurrenz hinsichtlich einzelner Kriterien zu belegen ist dabei meines Erachtens nur sehr beschränkt bzw. bezüglich weniger Aspekte möglich. Nischenüberlappung einzelner Arten/ Altersstadien lässt sich vielfach recht gut im Rahmen von Freilanduntersuchungen feststellen. Übertragbarkeit der dabei gewonnenen Ergebnisse ist freilich nicht immer ohne weiteres von Gewässer zu Gewässer (bzw. Gewässertyp) und Population zu Population möglich. Vergleichsweise geringe Nischenüberlappung in natürlichen Gewässern mit vielfältiger Habitatausstattung kann offensichtlich in monotonen Gewässern zu wesentlich stärkerer Überlappung führen. Nischenüberlappung sagt im konkreten Fall noch nichts über die effektive Konkurrenz aus, da diese etwa auch sehr stark dichteabhängig ist (Nischenüberlappung macht Konkurrenz übrigens überhaupt erst möglich). Auch die Frage, inwieweit eine Art bereits regionsspezifisch am „Limit“ ist bzw. unter Umständen diesbezüglich schon suboptimale Bedingungen vorliegen, spielt eine große Rolle. Dadurch kann, wie im konkreten Fall, unter Umständen eine Konkurrenz der BF durch die RBF wesentlich stärker zum Tragen kommen. Eine interspezifische Konkurrenz zwischen der BF und RBF anhand klarer, wissenschaftlich fundierter Kriterien im Rahmen entsprechend geplanter Felduntersuchungen im Alpenrheinsystem nachzuweisen oder auszuschließen wird somit überwiegend nur anhand von Indizien möglich sein. Die hydromorphologischen und zusätzlich offensichtlich ökotoxikologischen Rahmenbedingungen erschweren diesbezügliche Beweisführungen jedoch sehr stark. Eine Quantifizierung des Konkurrenzausmaßes (z. B. im Vergleich zur ökomorphologischen Ausstattung) anhand von Freilanduntersuchungen halte ich für nicht machbar. 1 Literaturbefunde zur Konkurrenz bei Salmoniden liegen vor, sind zu einem guten Teil aber auch sehr widersprüchlich. Insbesondere für die Konkurrenz BF/ RBF fehlen solche Befunde weitgehend (vgl. Literatur im Kapitel 4 vorliegender Expertise). Die aus Österreich vorliegenden Analysen (Punkt 3. und 4.) zeigen, dass es auch in gut strukturierten Gewässern wie der Mur zu einer Nischenüberlappung juveniler BF/ RBF kommt, und in Falle von Äsche/ RBF auch in den Adultstadien besteht (Punkt 3.). Aus angeführten Argumenten ergibt sich nicht zuletzt, dass es noch leichter möglich ist Konkurrenz zu belegen, als den eindeutigen Beleg dafür zu liefern, dass Besatz (im konkreten Fall mit RBF) keine Konkurrenz bewirken wird. 2 Frage 2: Gilt a) eine Überlappung der ökologischen Nischen von zwei Arten oder b) eine gemeinsame Nutzung einer Ressource bereits als hinreichender Hinweis, dass eine Konkurrenzsituation angenommen werden muss (insbesondere bei Berücksichtigung von langen Zeiträumen)? Antwort: Die Überlappung der ökologischen Nischen zweier Arten (a) oder gemeinsame Nutzung einer Ressource (b) sind ein Hinweis auf potentielle Konkurrenz, aber in keiner Weise auch Beleg, dass diese Konkurrenz auch tatsächlich stattfindet. Nischenüberlappung macht Konkurrenz überhaupt erst möglich. Wie schon unter Frage 1 aufgezeigt, hängt es hier unter anderem von der Verfügbarkeit der jeweiligen Nischen bzw. von der Dichte der betroffenen Art/ Stadien ab, inwieweit sich Konkurrenz ergibt. Bei hoher Dichte und limitierter Ressource (Nischenangebot) ist anzunehmen, dass vor allem jene Arten in der Konkurrenz unterliegen, die sich bereits hinsichtlich anderer Rahmenbedingungen in einer suboptimalen Situation befinden (z. B. Bachforelle temperaturbedingt in den unteren Binnenkanalabschnitten). Im Extremfall kann Konkurrenz unter solchen Rahmenbedingungen zum völligen Verschwinden einer Art führen. Umgekehrt dürfte, wie viele der aus Österreich aufgezeigten Fließgewässer zeigen, in einer hohen Anzahl von Fließgewässern mit guter Habitatausstattung und grundsätzlich optimalen Bedingungen für beide Arten auch bei stärkerer oder teilweiser Nischenüberlappung nur minimale Konkurrenz bestehen. In so einem Fall dürfen freilich keine dichteabhängigen Limitierungen stattfinden, bzw. müssen für beide betroffene Arten in allen Lebensstadien ausreichend und ganzjährig alle Ressourcen verfügbar sein. 3 Frage 3: Kennen Sie persönlich einen Fall, indem im Feld eine eindeutige Konkurrenzsituation zwischen zwei Salmonidenarten festgestellt wurde (publizierter oder nicht publizierter Fall)? Wenn ja, wo und aufgrund welcher Kriterien wurde die Konkurrenzsituation festgestellt und welche waren die Auswirkungen auf die BF? Wenn ja, dokumentieren Sie die Verhältnisse der BF- und RBF Population (Population selbst erhaltend?, abiotische Bedingungen natürlich?, u. s. w.). Antwort: Trotz vergleichsweise guter Kenntnis der zahlreichen Fließgewässer Österreichs mit BF und RBF Koexistenz, ist mir kein einziger Fall bekannt, indem eindeutige Konkurrenz zwischen diesen beiden Arten festgestellt/ belegt wurde. Die unter Punkt 3. „Nischenüberlappung zwischen RBF und heimischen Fischarten“ aufgezeigten Befunde zeigen, dass in der Mur (Kaufmann et al., 1991) potentielle Konkurrenz bei Juvenilen von BF, Äsche und RBF besteht, bei Adulten hingegen eher nur zwischen Äsche und RBF (Oktobersituation). Hinweise auf eine eindeutige Konkurrenzsituation sind meines Wissens jedoch auch dort nicht gegeben. Die im Anschluss an das Murbeispiel aufgezeigten Literaturbefunde von RBF und BF Populationen in Neuseeländischen Gewässern (ursprünglich dort beide nicht natürlich vorkommend) belegen deutlich Konkurrenzphänomene bezüglich der Laichplatznutzung bzw. in bezug auf die Überlaichung der BF - Laichgruben durch RBF. Unter den dort gegebenen Rahmenbedingungen sind die Ergebnisse jedoch meines Erachtens nur eingeschränkt auf mitteleuropäische Verhältnisse übertragbar. Dasselbe gilt für eine Arbeit aus Schweden, deren Ergebnisse ebenfalls im oben erwähnten Kapitel dargestellt sind. Das einzige aus Österreich derzeit laut Fischdatenbank bekannte Beispiel, bei dem die RBF zufolge extrem starker natürlicher Vermehrung und ausgesprochen hoher Bestände in den letzten Jahren (1990 bis 2001) so hohe Bestände entwickelt, dass daraus eine potentielle Gefährdung von BF und eventuell Huchen abgeleitet werden könnte, ist die Obere Mur (Kapitel 4.3.2). Es liegen jedoch von diesem Fluss keine einschlägigen Untersuchungen in Hinblick auf eine konkrete Konkurrenzsituation vor, sodass hier auch keine Indizienkette als Argument/ Beleg für reale existierende Konkurrenz aufgebaut werden kann. Das unter 4.2.3 aufgezeigte Beispiel zeigt freilich zugleich, dass unter Umständen langfristig Anpassungen der RBF stattfinden könnten, die über massiv ansteigende Bestände eine erhebliche Konkurrenz für autochthone Arten (BF, SF, Äsche, Huchen) bedeuten würden. 4 Frage 4: Sind regelmäßige Einsätze von RBF in hydrologisch offene Gewässersysteme mit dem Vorsorgeprinzip kompatibel? Im Rahmen des Fragenkataloges seitens des BUWAL übermittelte Definition des Vorsorgeprinzips: Das Vorsorgeprinzip besagt, dass jede Einwirkung, die (allein oder zusammen mit anderen Einwirkungen) schädlich oder lästig wirken könnte, wenn immer möglich auf ein Minimum beschränkt werden muss. Im Sinne des Sprichwortes „Vorbeugen ist besser als heilen“, sollen mögliche Belastungen durch überlegte Vorsorge verhindert werden. In Fällen, in denen wissenschaftliche Gewissheit über Ausmaß und Folgen einer Gefährdung von Umwelt und Mensch, als auch ein politischer Konsens über das Bestehen einer Umweltbedrohung fehlen, greift das Vorsorgeprinzip als Grundlage präventiven Handelns ein (BUWAL – Pressemitteilung vom 27. 6. 2001, Definition gemäß internationaler Konventionen). Antwort: Bei strikter Auslegung sind regelmäßige Einsätze in offenen Gewässersystemen mit dem Vorsorgeprinzip kaum kompatibel (Begründung siehe unten). Wird rigide ausgelegt („jede Einwirkung muss, wenn immer möglich auf ein Minimum beschränkt werden“) muss auf regelmäßigen RBF Besatz nicht zuletzt deshalb verzichtet werden, weil das Bodensee/ Alpenrhein/ Binnenkanalsystem als ein hydrologisch besonders offenes System (Abwanderung der eingesetzten RBF ist möglich) anzusehen ist. Im Begriff „hydrologische Offenheit“ ist dabei implizit enthalten, dass es hier aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen (zahlreiche offene Verbindungen innerhalb des sehr komplexen Systems, die frei bewanderbar sind) praktisch unmöglich ist, die Fische bei den Wanderungen voll zu kontrollieren. „Reversibilität“ im Sinne leichter und vollständiger Elimination der RBF ist hier somit nicht als gegeben zu beurteilen. Eine weitere wichtige Frage stellt sich im konkreten Fall aber auch hinsichtlich der „Beurteilung“ der RBF, die einerseits der Neozoendefinition gemäß eindeutig als Exote mit zumindest gewissem Risiko für die heimische Fauna anzusehen ist, andererseits aber in weiten Kreisen der Bevölkerung bereits als eingebürgerte Art und damit als Bestandteil der heimischen Fischfauna angesehen wird (als heimisch gelten vielfach auch verwilderte oder durch menschlichen Einfluss eingebürgerte Tiere einer Art, wenn sich diese in freier Natur über mehrere Generationen als Population erhalten hat). Meines Erachtens geht es bei der Vorsorge hier nicht nur um die Frage der Konkurrenz mit der BF in den derzeitigen Beständen, sondern auch um künftige Entwicklungen auf verschiedenen zeitlichen Ebenen. Würden beispielsweise regelmäßige Einsätze von RBF im praktisch BF - leeren Rheintaler Binnenkanal der künftigen Reetablierung einer ausgewogenen BF Population im hydromorphologisch und ökotoxikologisch revitalisiertem Gewässersystem entgegen stehen? Meiner Meinung nach handelt es sich beim Alpenrheinsystem einerseits wegen seiner Komplexität und hohen Vernetzung (Konnektivität), andererseits aber auch wegen des BF und insbesondere Seeforellenbestandes um ein besonders sensibles System, bei dem Fragen nach dem Vorsorgeprinzip, der Biodiversität (Frage 5) und Nachhaltigkeit (Frage 6) besonders kritisch beurteilt werden müssen. In diesem Sinne bedarf die Beantwortung, ob künftig regelmäßig Einsätze von RBF getätigt werden dürfen/ sollen besonders eingehender Diskussion. 5 Diese Frage ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die langfristige Entwicklung (mit u. U. derzeit noch überhaupt nicht absehbaren Anpassungen der RBF), wie es sich eventuell beim RBF- Bestand der oberen Mur (vgl. 4.2.3) abzeichnet, derzeit nicht eingeschätzt werden kann. 6 Frage 5: Stellen regelmäßige RBF – Einsätze in Gewässersysteme, in welchen die BF stark gefährdet ist (infolge schlechter Qualität des Lebensraumes, Krankheit usw.), eine nachhaltige Lösung dar und sind solche Einsätze mit der Rio - Konvention (Biodiversitätskonvention) kompatibel? Seitens des BUWAL mit dem Fragenkatalog übersendete Definition der Nachhaltigkeit: Eine nachhaltige Entwicklung gewährleistet, „dass die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen“ (Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, 1987). Antwort: Regelmäßige RBF – Einsätze stellen bei strikter Auslegung keine nachhaltige Lösung dar und sind mit der Biodiversitätskonvention nur sehr schwer vereinbar. Im Sinne rigider Definition der Nachhaltigkeit (siehe oben) sind regelmäßige RBF – Einsätze in das Gewässersystem aufgrund der derzeit gegebenen Gesamtsituation des BF und Seeforellen - Bestandes nicht vertretbar, da sie die Möglichkeiten „künftiger Generationen“ beeinträchtigen könnten. Wie aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen ablesbar, ist die BF derzeit im Vergleich zur früheren in einer sehr prekären Situation, wobei sich auch nur geringfügig zunehmender Konkurrenzdruck in einem weitgehenden Verschwinden (bei weiterer Abnahme der Populationsgröße aber zumindest in einer weiteren Einengung der genetischen Variabilität) äußern könnte. Nachhaltigkeit ist auch stark mit Vorsorge verbunden (vgl. Frage 4). Mögliche zusätzliche Konkurrenz durch die RBF könnte in reduzierten Möglichkeiten zur Wiederherstellung einer ausgewogenen BF – oder Seeforellenpopulation resultieren. Unter nachhaltiger fischereilicher Nutzung ist fischereiliche Bewirtschaftung zu verstehen, die primär darauf abzielt, die in einem natürlichen/ naturnahen Gewässersystem (hinsichtlich aller wichtigen natürlichen Funktionen, Prozesse und Strukturen) stattfindende Produktion behutsam abzuschöpfen. Idealerweise wird dabei rein auf Basis der natürlichen Reproduktion gewirtschaftet bzw. auf regelmäßige Besätze egal welcher Art verzichtet. In diesem Sinne ist auch „Biodiversität“ zu verstehen. Es geht um intakte/ diverse Lebensräume als Basis für artenreiche/ diverse Fischbestände mit ausgewogenen Populationen (diversen Altersaufbaues und Genpools). Einsatz von Arten, die eine andere, unter suboptimalen Bedingungen lebende Art konkurrenzieren, engen diese hinsichtlich des Lebensraumes, der Ausbildung der Population (hinsichtlich Struktur und Dichte) und damit letztlich auch hinsichtlich der genetischen Variabilität ein, was nicht mit der Biodiversitätskonvention vereinbar ist. Da im gegenständlichen System längerfristig offensichtlich auch die RBF als etablierte/ eingebürgerte Art mit natürlicher Reproduktion betrachtet (gewünscht?) wird, wäre letztendlich durch regelmäßigen Einsatz von Zuchtmaterial auch der Einfluss auf deren Genpool (– Ausstattung) zu hinterfragen. 7 Frage 6: Sind vorübergehende RBF - Einsätze in hydrologisch offene Gewässersysteme eine: a) denkbare und vernünftige Bewirtschaftungsoption? b) mit dem Nachhaltigkeitsprinzip kompatible Lösung? c) Aus der Sicht des Artenschutzes vertretbare Lösung? Antwort: Vorübergehende (Definition BUWAL temporäre RBF – Einsätze als Ersatz für einen eingebrochenen BF – Bestand; Zeitlich begrenzt, bis die autochthone BF Population wieder gesund ist) RBF – Einsätze in hydrologisch offene Gewässersysteme könnten u. U. eine denkbare Bewirtschaftungsoption sein, wenn gewisse Rahmenbedingungen eingehalten werden (siehe unten). Die „Vernünftigkeit“ solcher Bewirtschaftungsoptionen ist dabei freilich praktisch ausschließlich auf wirtschaftliche/ fischereiwirtschaftliche Gesichtspunkte reduziert argumentierbar. Gerade in Gewässersystemen mit besonders hoher „hydrologischer Offenheit“ ist besonders hohe Sensibilität bei der Beurteilung notwendig (vgl. oben). Denkbar sind vorübergehende RBF Einsätze vor allem in derzeit hydromorphologisch/ ökotoxikologisch beeinträchtigten Gewässerstrecken (z. B. Rheintaler Binnenkanal), in denen derzeit BF weitgehend fehlen. Da dabei eingebrachtes RBF Material mit Sicherheit auch zum Teil abwandert und potentiell in die schon bestehende RBF Population einkreuzt, wäre dabei auf Herkunft/ Abstammung, Wanderverhalten etc. und fischpathologisch/ parasitologische Unbedenklichkeit Wert zu legen. Unter Umständen wäre bei der Aufzucht sogar Mutterfischfang aus den bereits etablierten RBF Populationen zu erwägen. Wie schon weiter oben gezeigt, ergibt sich dabei die „Vernünftigkeit“ vor allem aus wirtschaftlichen bzw. gesellschaftspolitischen Überlegungen (Lizenzeinnahmen, Bereitstellung von zusätzlich notwendigen Fangmöglichkeiten im Zuge der Freizeitgestaltung/ Erholung etc.). Vorübergehende RBF Einsätze wären dabei jedenfalls so zu planen, dass sie u. a. hinsichtlich des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips streng in Hinblick auf das verbleibende Restrisiko überprüft werden (vgl. Fragen 4 und 5). Unterfertigter schätzt in diesem Kontext vorübergehende RBF Einsätze in Teilbereichen (z. B. des Rheintaler Binnenkanals) als weiniger bedenklich ein, als z. B. umfangreiche Einsätze von BF – oder Seeforellen Material unpassender genetischer Ausstattung/ Herkunft. In Hinblick auf die genetische Eignung/ Diversität hätten letztgenannte Einsätze mittel- bis längerfristig gesehen vermutlich wesentlich stärkere negative Folgewirkungen als vorübergehender Einsatz von RBF Material unter den oben aufgezeigten Rahmenbedingungen. Vorübergehende RBF – Einsätze scheinen aus der Sicht des Artenschutzes im konkreten Fall dann vertretbar, wenn bezüglich BF und SF (aber auch anderer autochthoner Arten) im Sinne obiger Ausführungen geplant/ überprüft wird. Bezüglich der RBF handelt es sich aus der Sicht des Artenschutzes um eine bereits länger im System etablierte, über mehrere Generationen im System reproduzierende und damit eingebürgerte Art. 8 Frage 7: Ist eine vorübergehende Lösung im Sinne der Frage 6 reversibel (BUWAL: die RBF können wieder aus den Gewässersystemen eliminiert werden, wenn später auf RBF verzichtet wird) und ist die Reversibilität auch dann gegeben, wenn die RBF sich in einem Gewässersystem natürlich fortpflanzt. Antwort: Bei dieser Frage geht es offensichtlich um die Reversibilität der durch die „vorübergehenden“ Besätze zusätzlich hervorgerufenen Auswirkungen. Unter den zuvor (Punkt 6) formulierten Rahmenbedingungen sind aus der Sicht des Unterfertigten keine relevanten Zusatzwirkungen auf die BF zu erwarten. Gewisse Auswirkungen auf die bereits bestehende RBF Population könnten sich dann ergeben, wenn auf diese Weise zusätzlich „genetisch neues Besatzmaterial“ eingebracht wird und es zu entsprechender Einkreuzung kommt. Wie sich die derzeit offensichtlich bereits etablierten „residenten“ und „seewandernden“ Populationen der RBF zukünftig entwickeln, kann meines Erachtens derzeit nicht klar prognostiziert werden. Zu – oder Abnahme der RBF Population hängen neben dem Befischungsdruck bzw. der fischereilichen Bewirtschaftung zukünftig vor allem von der Entwicklung der abiotischen Rahmenbedingungen ab. Volle Reversibilität in Form eines „Bestandsclearings“ der RBF im Gesamtsystem halte ich persönlich für unmöglich. Stärkere Beeinflussung/ Steuerung durch gezielte fischereiwirtschaftliche Maßnahmen (Brittelmaße, Schonzeiten, Entnahmen) und eventuell gezielte Fänge im Bereich der Mündungen und wichtiger Laichareale der Binnenkanäle sollten zwar nicht Reversibilität aber deutliches Management in die gewünschte Richtung möglich machen. 9 Frage 8: Gibt es im Fall Binnenkanäle und Alpenrhein genügend Hinweise, um auf eine Konkurrenzsituation zwischen BF und RBF und auf negative Auswirkungen auf die BF zu schließen? Antwort: Die im Rahmen der EAWAG Studie aufgezeigten Befunde liefern zahlreiche Indizien dafür, dass in den Binnenkanalsystemen des Alpenrheins Konkurrenz zwischen der BF und RBF besteht. Wie stark deren negative Auswirkungen sind, lässt sich jedoch im Einzelnen nicht beantworten. Wie schon in den Stellungsnahmen zu den Arbeiten von A. Peter und T. Winzeler aufgezeigt, sind die Ergebnisse, Daten und Aussagen nicht für eine Differenzierung geeignet, in welchem Ausmaß die abiotischen hydromorphologischen und ökotoxikologischen Rahmenbedingungen oder die Konkurrenz die Bestandsrückgänge der BF bewirken. Offensichtlich ist, dass zufolge der sehr monotonen Strukturausstattung und deutlich veränderten hydrologischen Bedingungen in den Binnenkanälen eine verstärkte Überlappung der ökologischen Nischen besteht. Aufgrund dieser Tatsache ist anzunehmen, dass die Konkurrenz eine stärkere Rolle als in naturbelassenen Gewässern mit hoher Variabilität der Habitatausstattung spielt. 10 Frage 9: Wenn aufgrund vorliegender Daten keine eindeutigen Aussagen Konkurrenzsituation möglich sind: welche zusätzlichen Untersuchungen Erhebungen schlagen Sie vor, um eine klare Antwort zu erhalten? zur und Antwort: Wie schon weiter oben auch aufgezeigt, ist es schwierig, in offenen Gewässersystemen hoher Komplexität (wie im konkreten Fall), großflächige Untersuchungen vorzunehmen, die aufgrund quantifizierbarer Kriterien zu eindeutigen Aussagen führen. Nichts desto trotz scheinen zusätzliche Untersuchungen zielführend, die die bisher vorliegenden Indizien stützen (siehe Vorschläge unten). Verschiedene Fragen sollten sich auch aus gezielten Untersuchungen in künstlichen Systemen beantworten lassen. Revitalisierungsmaßnahmen mit entsprechenden Folgeuntersuchungen (Monitoring) liefern vielfach die klarsten Ergebnisse und Antworten zu diesem Fragenkomplex. Hiezu einige Gedanken: Einem regelmäßigen Monitoring sollten in Zukunft jedenfalls die Mündungsbereiche sowie die Laichplätze der Binnenkanalsysteme unterzogen werden. Damit wäre auch mittelfristig die Entwicklung des RBF (und z. T. BF und Seeforellen Bestandes) dokumentierbar. Langzeitmonitoring erscheint unverzichtbar. Defizite hinsichtlich der Interpretierbarkeit des Brutaufkommens ergeben sich nicht zuletzt deswegen, weil bisher keine Driftversuche durchgeführt wurden. Meines Erachtens wäre es unter dem Gesichtspunkt, dass neben der residenten offensichtlich/ eventuell auch eine seewandernde Form der RBF vorliegt, und zugleich auch ein zum Teil nicht unwesentlicher Äschenbestand gegeben ist, ein wichtiges Anliegen, Brut - bzw. Larvendriftversuche anzustellen. In Hinblick auf die aktuell in Einzelkompartimenten vorliegenden BF- , sowie die SF- aber auch etablierten RBF- Bestände (resident/ seewandernd) wären dringend genetische Untersuchungen erforderlich. Ein weiterer wesentlicher Aspekt erscheint mir, die Jung- und Adultfischhabitate tauchend zu unterschiedlichen Jahreszeiten unmittelbar in strukturreichen, monotonen und rückgebauten Abschnitten zu untersuchen. Dabei könnten neben Nischenüberlappung unter Umständen auch direkte Interaktionen zwischen den Arten/ Altersstadien festgestellt werden. Klare Analysen der Populationsdynamik von BF, SF und RBF sind eine Grundvoraussetzung, künftig Bewirtschaftungsfragen fundiert beantworten zu können. Ein wesentlicher und bisher noch recht offener Punkt ist die Frage, inwieweit es im Herbst zur Zeit der BF Laichzeit wirklich zu direkter Konkurrenz um Laichplätze und Superimposition kommt. Die Erstellung eines umfassenden und zielführenden Untersuchungsdesigns/ Konzeptes muss einem inderdisziplimären Team anvertraut werden. Wesentlich ist es auch, dass bei der Erstellung des künftigen Versuchsdesigns in transdisziplinärer Form die vor Ort betroffenen Fischer, Fischereivereine und mit Fischereifragen befassten Institutionen integriert werden. Es geht in Zukunft verstärkt um „gemeinsame, für alle nachvollziehbare und damit offene“ Untersuchungsprogramme, damit 11 letztlich dem schon derzeit offensichtlich „von beiden Seiten“ als prioritär akzeptiertem Ziel der Sanierung des Gewässerlebensraumes gemeinsam zum Durchbruch verholfen wird. 12 Frage 10: Wie beurteilen Sie die Eignung von Binnenkanälen und Alpenrhein aufgrund der vorliegenden abiotischen Faktoren (Struktur, Gefälle, Abflussregime, Wasserqualität, etc.) als BF – und RBF Gewässer sowie als Gewässer für andere Fischarten a) im heutigen Zustand, b) für den Fall, dass nur punktuell Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt werden können, c) für den Fall, dass eine umfassende Sanierung der Gewässer in qualitativer und ökomorphologischer Hinsicht durchführbar ist? Antwort: Ad 10 a) Im heutigen Zustand handelt es sich nach allen Unterlagen und eigenen Erfahrungen um schwer gestörte Systeme, wobei die Binnenkanäle z. T. „Hybridgewässer“ darstellen, in denen einzelne Faktoren nicht dem natürlichen Typus der früheren Zubringersysteme entsprechend zusammen passen. Beim Alpenrhein steht speziell die hydrologische Störung Schwellbetrieb im Vordergrund. Diese Rahmenbedingungen eignen sich daher derzeit besser für anpassungsfähige Opportunisten wie die RBF. Die früher in großer Vielfalt separat in den Alpenrhein mündenden Zubringer mit sehr unterschiedlichen hydromorphologischen Bedingungen sind heute großteils hinsichtlich ihrer typspezifischen Verhältnisse gravierend verändert und in ihren Unterläufen über die künstlich geschaffenen Binnenkanalsysteme mit dem Alpenrhein verbunden. Der „Hybridcharakter“ ergibt sich daraus, dass Struktur, Gefälle, Abfluss - und Geschieberegime im heutigen Zustand untereinander und/ oder mit dem Temperaturregime vielfach nicht zusammen passen. Die Wasserqualität ist vor allem hinsichtlich der ökotoxikologischen Situation, speziell im Werdenberger Binnenkanal, aber auch im Längsverlauf des Liechtensteiner Binnenkanals von oben nach unten zunehmend, sehr bedenklich, was sich in entsprechenden Organschäden (vor allem betreffend Niere und Leber) der Fische äußert (vgl. Punkt 5.3). Im Alpenrhein selbst ist neben regulierungsbedingt monotoner Ausprägung ab der Mittelwasseranschlagslinie aufwärts völliges Fehlen lateraler Konnektivität und vor allem sehr starker Schwalleinfluss gegeben (hohe Amplituden und Frequenz, plötzlicher Sunk etc.). Einschlägige Erfahrungen von anderen Gewässern ähnlicher Situation zeigen, dass in solchen Gewässern nur noch opportunistische Arten halbwegs ausreichende Bedingungen zur Aufrechterhaltung ihrer Populationen/ Bestände vorfinden. Unter den Salmoniden zählt zu derartigen Opportunisten zweifelsohne die RBF, die daher in vielen solchen Gewässerabschnitten noch Reproduktion und vergleichsweise hohe Bestände aufweist. In Hinblick auf die Wiederherstellung eines artenreichen, den typspezifischen Verhältnissen entsprechenden Fischbestandes, bedarf es dringend einer umfangreichen Sanierung der hydromorphologischen und ökotoxikologisch relevanten Lebensraumverhältnisse. Ad 10 b) Für den Fall, dass nur punktuell Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt werden können, gilt es Prioritäten festzulegen. An erster Stelle stehen Maßnahmen, die wieder Wanderungen wieder ermöglichen (niveaugleiche Anbindung von Zubringerbächen und Kanälen an den Alpenrhein, etc.) sowie Maßnahmen zur Wiederherstellung/ Verbesserung der hydrologischen Verhältnisse (speziell Dämpfung des Schwellbetriebes im Alpenrhein; Verbesserung der Abflussverhältnisse in den 13 Binnenkanalsystemen, z. B. durch Anhebung der Rheinsohle und damit in Verbindung Erhöhung des Grundwasserspiegels und der Abflussverhältnisse). In Hinblick auf Gewässerstruktur/ Habitatausstattung wären punktuelle Renaturierungsmaßnahmen nur ein sehr geringer Teilerfolg. Diesbezüglich geht es viel mehr darum, mittel bis langfristig möglichst durchgehende und damit flächige Restrukturierungen herbeizuführen, die sich an den ursprünglichen typspezifischen Verhältnissen des Gewässersystems orientieren sollten. Sowohl in der Arbeit A. Peters als auch T. Winzelers sind diesbezüglich sehr zielführende/ zukunftsorientierte Konzepte und Ideen zu finden. In Hinblick auf die EUWasserrahmenrichtlinie ist zu fordern, dass zumindest ein guter ökologischer Zustand unter Betrachtung des gesamten Flusssystems (flussgebietsbezogenes Management) herbeigeführt wird. Ad 10 c) Für den Fall, dass eine umfassende Sanierung der Gewässer in qualitativer und ökomorphologischer Hinsicht durchführbar ist, empfiehlt sich sowohl die unter 10 b) angesprochene Prioritätenreihung als auch sämtliche in weiterer Folge genannten Aspekte in einem entsprechenden Gesamtkonzept zu vereinen und einer Realisierung zuzuführen. Besonders wichtig ist es dabei transdisziplinäres Vorgehen unter Berücksichtigung und Einbindung aller vor Ort Betroffenen. 14 Frage 11: Stellen Revitalisierungsmaßnahmen im Fall Binnenkanäle und Alpenrhein eine vernünftige und nachvollziehbare Alternative zu RBF – Einsätzen dar? Wenn ja, wie schätzen Sie den Erfolg solcher Maßnahmen ein? Antwort: Revitalisierungsmaßnahmen stellen sowohl im Falle der Binnenkanäle als auch des Alpenrheins mittel – und langfristig die einzige vernünftige und nachvollziehbare Alternative zu RBF – Einsätzen dar. Bei leitbildkonformer Vorgansweise unter Beachtung der typspezifischen Verhältnisse des Alpenrheinsystems (inklusive hydrologischer Restaurierungsmaßnahmen in den oberen Teilen des Einzugsgebietes) sollte es selbst bei zum Teil einschränkenden Rahmenbedingungen durchaus möglich sein, eine artenreiche Fischfauna und speziell selbstreproduzierende Bach – und Seeforellen - Bestände wieder herzustellen. Unter Revitalisierungsmaßnahmen wird in diesem Kontext selbstverständlich verstanden, dass auch sämtliche toxikologisch relevanten Inhaltsstoffe, die derzeit offensichtlich großflächig zu Organschädigungen der Fische führen, in den Griff bekommen werden. Speziell gilt es dabei aber auch, neben der Morphologie die hydrologischen Defizite hinsichtlich Abfluss – und Geschiebedynamik sowie Schwellbetrieb soweit in den Griff zu bekommen, dass damit zumindest die Basis für eine „gute ökologische Funktionsfähigkeit“ wieder hergestellt wird. Bei Realisierung umfassender Revitalisierungsmaßnahmen ist eindeutig zu erwarten, das sich wesentliche Änderungen/ Verbesserungen ergeben, wie dies in zahlreichen Monitoringprogrammen im Rahmen von Revitalisierungsprojekten Österreichischer Flüsse belegt werden konnte. Im Sinne des „heavily modified“ Ansatzes“ der EU – Wasserrahmenrichtlinie wäre für den Fall der Binnenkanäle als neu geschaffene Gewässersysteme ein gutes ökologisches Potential anzustreben, dass sich letztlich ebenfalls am sehr guten Zustand eines vergleichbaren Gewässertyps orientiert. Entsprechend abgestimmte Leitbilder für die Binnenkanäle würden meines Erachtens dazu führen, dass sich in den oberen Binnenkanalabschnitten (stark von den Zubringern geprägt) wieder BF – Bestände etablieren, in den mittleren und unteren Abschnitten hingegen v. a. Äschenbestände. Unterfertigtem sind sowohl die diesbezügliche internationale Literatur als speziell die Ergebnisse zahlreicher österreichischer Revitalisierungsprojekte gut bekannt (vgl. dazu auch Jungwirth et al, 2002) Die oben aufgezeigten Einschätzungen basieren auf entsprechenden Daten/ Ergebnissen. 15 Frage 12: Sind Sie der Meinung, dass in casu bei einem Einsatz von RBF in Binnenkanäle oder Alpenrhein das Vorsorgeprinzip eingehalten oder verletzt wird (vgl. Frage 4)? Antwort: Wie schon unter Frage 4 dargestellt, sind regelmäßige Einsätze von RBF in hydrologisch offene Gewässersysteme mit dem Vorsorgeprinzip nicht kompatibel. Dies heißt jedoch nicht unbedingt, dass vereinzelt/ vorübergehend in bestimmten Bereichen eingebrachter Besatz in jedem Fall das Vorsorgeprinzip verletzt. Im System ist derzeit offensichtlich schon eine recht vitale RBF Population etabliert, wobei vermutlich neben einer residenten auch eine seewandernde Linie (Subpopulation) vorliegt. Die bisherige Datenlage lässt meines Erachtens nicht zu, klare Aussagen dazu zu machen. Werden zusätzliche Einsätze mit primär residenten Fischen zur zeitweiligen Erhöhung des Bestandes und damit der Fangmöglichkeit beispielsweise im Rheintal - Binnenkanal durchgeführt, dann wird damit meines Erachtens nicht unbedingt gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen (aufgrund des Fehlens von BF in diesem Kanalabschnitt ist keine zusätzliche Konkurrenzsituation zu befürchten, Auswirkungen auf die schon bestehende RBF Population/ Linien sind kaum zu erwarten). Wichtig wäre es jedenfalls, bei etwaigen zeitlich und räumlich beschränkten Einsätzen darauf zu achten, dass damit keine zusätzlichen Erschwernisse für das künftige „Wiedererfangen“ der BF –, Seeforellen - Bestände oder anderer Arten (Äsche und diverse Kleinfischarten) entstehen. Derartige Abschätzungen/ Abwägungen hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. 16 Frage 13: Welche Bewirtschaftungsmaßnahmen (BF, RBF , Äschen, andere Fischarten) schlagen Sie für den Fall vor, dass: a) Binnenkanäle und Alpenrhein in wassergütemäßiger und ökomorphologischer Hinsicht weitgehend saniert werden können, b) Binnenkanäle und Alpenrhein zwar in wassergütemäßiger nicht aber in ökomorphologischer Hinsicht saniert werden können, c) Binnenkanäle und Alpenrhein zwar in ökomorphologischer, nicht aber in wassergütmäßiger Hinsicht saniert werden können, d) Binnenkanäle und Alpenrhein weder in wassergütemäßiger noch in ökomorphologischer Hinsicht saniert werden können. Antwort: Ad 13 a) In diesem Falle ist primär darauf zu achten, dass bezüglich der Genetik/ Herkunft optimale Bestände autochthoner Arten auf Basis natürlicher Reproduktion erhalten/ wieder aufgebaut werden. Oberstes Ziel sollte es in so einem Fall sein, die heimischen Arten BF, Seeforelle und Äsche sowie diverse Cypriniden und Kleinfischarten zu fördern/ erhalten. Sollten ursprünglich vorkommende Arten nicht mehr vorhanden sein, wären sie unter Umständen aus anderen Teilen des Bodenseeeinzugsgebietes wieder anzusiedeln (Wiedereinbringung durch Initialbesatz). Arten wie z.B. BF und Seeforelle wären durch entsprechende Schonvorschriften (Brittelmaße, Schonzeiten etc.) zu fördern. Nur im Falle, dass sich dies als notwendig herausstellt, wäre auch Stützbesatz (aus adäquaten Zuchtanstalten: Elterntierhaltung in ausreichender Zahl und mit Herkunft aus dem Alpenrheingebiet) zu erwägen. Die RBF sollte nicht durch zusätzliche Maßnahmen gefördert, sondern nur als eingebürgerte Art akzeptiert werden. Als Maxime gilt: Die beste fischereiliche Bewirtschaftungsmaßnahme ist die Investition in die Erhaltung/ Wiederherstellung intakter Lebensraumverhältnisse. Ad 13 b) Diese Szenario ist für mich nicht vorstellbar, da es mittelfristig im Alpenrheingebiet auch in Hinblick auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie selbstverständlich zu hydromorphologischen Verbesserungen kommen muss. Es wird sich in diesem Kontext lediglich die Frage stellen, hydromorphologische Verbesserungen welchen Ausmaßes realisiert werden können. Welches Ausmaß auch immer möglich sein wird, die Maßnahmen haben sich an den ursprünglichen typspezifischen Verhältnissen bzw. im Falle der Binnenkanäle am natürlichen ökologischen Potential vergleichbaren Gewässertyps zu orientieren. Ad 13 c) In Hinblick auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie ist anzustreben, Verbesserungen höchstmöglichen Ausmaßes der ökomorphologischen Verhältnisse herbei zu führen. Dieser Grundsatz gilt unabhängig von der Machbarkeit der wassergütemäßigen Sanierung. Ökomorphologische Verbesserungen, die zu einer Verbesserung der Fischbestände entsprechend dem guten ökologischen Zustand/ dem guten ökologischen Potential führen, sind eine klare Zielsetzung im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie und damit letztlich sicherlich auch für die Schweiz und Liechtenstein relevant. Diese Verbesserungen müssen meines Erachtens unabhängig vom wassergütemäßigen Zustand angestrebt werden, bei dem es ja nur eine Frage ist, wie lange es dauert, bis der „ökotoxikologische Hintergrund“ aufgeklärt wird. In meinen Augen ist es eine völlig klare gesellschaftspolitische Zielsetzung, 17 die wassergütemäßige Sanierung hinsichtlich Ökotoxikologie so rasch wie möglich herbeizuführen. Ad 13 d) BF und Seeforelle sind in jenen Bereichen, wo noch halbwegs ausreichende Reproduktions-/ und Lebensraumverhältnisse vorliegen, durch alle zur Verfügung stehenden Schutz – und Bewirtschaftungsmaßnahmen zu fördern. Etwaige zeitmäßig oder auf gewisse Bereiche beschränkte Besatzmaßnahmen mit RBF hätten sich vorrangig daran zu orientieren, dass es dadurch nicht zu einer (potentiell) verstärkten Konkurrenz für BF und Seeforelle kommt. Vergleichsweise wenig wurde in diesem Zusammenhang über eine mögliche Forcierung der Äsche diskutiert, die freilich in bezug auf die ökologischen Nischen in einzelnen Lebensphasen/ Altersstadien mit der RBF besonders stark überlappt (siehe Beispiele aus Österreich). 18 Frage 14: Sehen Sie alternative Bewirtschaftungsmaßnahmen (ergänzend zu Frage 13) für die Übergangszeit, bis zu einer effektiv erfolgten Sanierung von Binnenkanälen und Alpenrhein? Antwort: Eine alternative Bewirtschaftungsmaßnahme grundsätzlicher Natur erscheint unter den derzeit gegebenen Rahmenbedingungen kaum möglich. Am ehesten ist eine Forcierung der Äsche denkbar. Wie schon weiter oben aufgezeigt, ist auch unter den derzeit gegebenen Rahmenbedingungen eine Forcierung der Äsche in gewissen Bereichen (vor allem Mittel- und Unterläufe der Binnenkanäle) denkbar. Dies käme speziell den „Trockenfliegenspezialisten“ unter den Fischern zu Gute. Etwaige Alternativen/ neue Bewirtschaftungsmaßnahmen sollten jedenfalls durch ein Monitoring hinsichtlich ihres Erfolges überprüft werden. 19 Frage 15: Wie beurteilen Sie die Wirkung einer Bewirtschaftung mit RBF auf die Seeforelle, welche einerseits im Alpenrheingebiet sich fortpflanzt und andererseits die Seeforelle im Bodensee mit abgewanderten RBF zusammen lebt? Antwort: Die Bewirtschaftung der RBF hat offensichtlich auf die Seeforelle im Alpenrheingebiet derzeit weniger Einfluss als auf die BF. Das Zusammenleben der Seeforelle im Bodensee mit abgewanderten RBF lässt meines Erachtens keine größeren Probleme erwarten. Die Seeforelle ist im Alpenrheingebiet als besonders schützenswerte „Art“ anzusehen. Umfangreiche Förderungsmaßnahmen der Seeforelle während der letzten Jahre haben erfreulicherweise zu einem deutlichen Anstieg des Bestandes geführt (allein in der Wintersaison 2001/ 2002 sind rund 1000 Stück adulter Fische vom Bodensee zum KW Reichenau aufgestiegen). Da die Fische offensichtlich primär im Alpenrhein selbst und in dessen größeren Zuflüssen, nur zu einem sehr geringen Anteil jedoch in den Binnenkanälen Einwanderung und Ablaichen zeigen, ist entsprechende Nischenüberlappung und potentielle Konkurrenz mit der RBF von deutlich geringerer Relevanz als bei der BF. Sollte sich im Alpenrheingebiet während der Laichmigrationen ein Problem bei/ bzw. flussauf von Reichenau ergeben, ließe sich dieses durch gezieltes Management (z. B. Wegfang großer, ebenfalls aus dem Bodensee aufwandernder Laichfische der RBF) reduzieren. Nischenüberlappung zwischen Seeforelle und großen, in den See abgewanderten RBF (egal ob migrierend oder stationär) im Bodensee ist durchaus anzunehmen, dadurch erwachsende Konkurrenz jedoch unwahrscheinlich/ nicht von Relevanz. Es geht hier primär um den Lebensraum im Sommer bzw. die Nahrungsressource. Bei beiden Aspekten ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen keine Limitierung zu erwarten. 20 Frage 16: Wie beurteilen Sie die Gefahr einer Verbreitung der RBF in bisher nicht zugängliche (RBF freie) Bereiche des Alpenrheins in kurz- und langfristiger Sicht (neue Fischtreppe, Domat, Ems)? Antwort: Die Gefahr einer Verbreitung der RBF in bisher nicht zugängliche Bereiche des Alpenrheins ist kurz- und langfristig durch die Errichtung neuer Fischtreppen grundsätzlich gegeben. Gerade an diesen Zäsuren kann jedoch auch ein Management (Entnahme/ Elimination der RBF) erfolgen. Nicht zuletzt in Hinblick auf die ökologische Funktionsfähigkeit (EU-WRRL) hat die Konnektivität in großen Gewässersystemen einen hohen Stellenwert. Mit den speziell zum Schutz/ der Förderung der Bodensee Seeforelle errichteten Fischaufstiegshilfen im Alpenrhein und dessen Zubringern wird ein sehr wichtiger Beitrag zur fischökologischen Funktionsfähigkeit geliefert. Die bisher auch in ihrer Ausbreitung sehr vitale RBF Population des Bodensee-/ Alpenrheinsystems wird die neuen Aufstiegshilfen vermutlich annehmen, wodurch sich prinzipiell die Gefahr der weiteren Ausbreitung der RBF ergibt. Eine starke Ausbreitung/ Bestandsentwicklung in Vorder- und Hinterrhein ist jedoch aufgrund der hydromorphologischen Rahmenbedingungen meines Erachtens nicht zu erwarten. Dies kann freilich nicht Argument dafür sein, Fischaufstiegshilfen nicht zu errichten. Vielmehr ist gerade im Bereich von Fischaufstiegshilfen in den meisten Fällen sehr leicht die Möglichkeit gegeben, ungewollten Aufstieg (z. B. großer, vom Bodensee aufsteigender RBF – Laichfische) zu kontrollieren. In Hinblick auf ein solches Management empfiehlt es sich daher, bei neu zu errichtenden Aufstiegshilfen schon in der Planung entsprechende Fang/Entnahmemöglichkeiten vorzusehen. 21 Frage 17: Können Binnenkanäle und Alpenrhein als Sonderfall betrachte werden, oder sind die Beobachtungen und Schlussfolgerungen zur Situation in diesem Gebiet auf andere hydrologische Systeme der Schweiz übertragbar? Antwort: Die Beobachtungen und Schlussfolgerungen zur Situation in diesem Gebiet sind nicht bis nur sehr bedingt auf andere hydrologische Systeme der Schweiz übertragbar. So wie jedes einzelne Fließgewässer aufgrund seiner überaus komplexen Systemkomponenten, Funktionen und Prozesse ein Individuum darstellt und daher auch für größere Revitalisierungsvorhaben immer wieder ein auf die typspezifischen Bedingungen abgestimmtes Leitbild gefordert wird, handelt es sich auch beim Bodensee/Alpenrhein/ Binnenkanalsystem um ein sehr spezifisches Gewässersystem. Selbst die künstlich geschaffenen Binnenkanäle tragen in Kombination mit den anderen Kompartimenten des Systems zur erhöhten Spezifität bei. Auf diese Weise ist es zwar möglich, gewisse grundsätzliche Schlussfolgerungen auch für andere hydrologisch offene Systeme der Schweiz zu ziehen, eine direkte Übertragbarkeit ist damit jedoch nicht möglich. Gerade auch bezüglich der sehr diffizilen Nischenüberlappungs- und Konkurrenzphänomene, die vor allem indiziert, aber nur sehr schwer quantifizierend beurteilbar sind, wäre eine Übertragbarkeit der Aussagen nicht vertretbar. 22