Implementierbare Geometrie am Ellipsoid Thomas Fuhrmann [email protected] September 9, 2012 Inhalt I Einführung & grundlegende Bemerkungen I rationale Parametrisierung von Kegelschnitten I Großellipsen & geodätische Kurven I rationale Parametrisierung von Geraden I Schnitt von zwei Geraden I abschließende Bemerkungen & Ausblick Einführung Sphärische Geometrie gehört, aufgrund ihrer zahlreichen Anwendungen in Astronomie und Navigation, zu den ältesten Zweigen der Mathematik. Über lange Zeit galt die Sphäre als beste Näherung für die Erdgestalt, anstelle der Sphäre wird heute oftmals ein Ellipsoid verwendet. Aber wie löst man geometrische Probleme auf dem Ellipsoid? Gibt es einen praktikablen Zugang? Grundlegende Bemerkungen I keine Verwendung von Axiomen I keine unendlichen Mengen I keine reellen Zahlen/transzendentale Funktionen I keine Grenzwerte I konsistente Theorie I klare & präzise Definitionen I implementierbare Formeln I rationale Zahlen als Modell für das Kontinuum [Wildberger, http://www.youtube.com/course?list= EC5A714C94D40392AB&feature=plcp] Rationale Parametrisierung des Kreises e(t) t O Figure: Stereographische Projektion vom Punkt O 1 − t2 2t e(t) ≡ , 2 1 + t 1 + t2 ,t ist eine rationale Zahl Rationale Parametrisierung der Ellipse Die Idee der rationalen Parametrisierung ist auch für Ellipsen anwendbar: " # a b2 − t 2 2b 2 t e(t) ≡ , b2 + t 2 b2 + t 2 Das Problem, dass das Projektionszentrum O durch diese Parametrisierung nicht erfasst wird, kann durch eine projektive rationale Parametrisierung umgangen werden: e(t : u) ≡ u 2 − t 2 : 2tu : u 2 + t 2 t : u = x : 1 =⇒ e(x : 1) = [1 − x 2 : 2x : 1 + x 2 ] t : u = 1 : 0 =⇒ e(1 : 0) = [−1 : 0 : 1] Rationale Parametrisierung des Ellipsoids In Analogie zum Kreis wird das Ellipsoid durch stereografische Projektion rational parametrisiert: " # b a2 − t 2 − u 2 2a2 t 2a2 u e(t, u) ≡ 2 , , a + t 2 + u 2 a2 + t 2 + u 2 a2 + t 2 + u 2 Auch hier kann man wieder durch Übergang auf projektive Koordinaten das Problem mit dem Projektionszentrum lösen. Sphärische / Elliptische Geometrie A B O C Figure: Sphärisches Dreieck {A,B,C} Großellipsen und geodätische Kurven Ein analoges Konzept zur euklidischen Gerade für gekrümmte Flächen ist die Geodäte. Die maximale Differenz zwischen der geodätischen Distanz s und der Distanz entlang einer Großellipse D ist (Bowring, 1972): D −s < e 4s 5 96R 4 Großellipsen & Geraden Eine Ebene π im euklidischen Raum durch das Zentrum O ≡ [0, 0, 0] ist durch eine Proportion von drei rationalen Zahlen bestimmt: π ≡ hd : e : f i Der Schnitt dieser Ebene mit dem Ellipsoid ist eine Großellipse. Diese Großellipsen werden als die Geraden auf dem Ellipsoid definiert. Daraus folgt die Inzidenzbedingung: der Punkt P ≡ [x, y , z] = e(t, u) ist inzident mit der Geraden l ≡ AB durch die Punkte A ≡ [x1 , y1 , z1 ] und B ≡ [x2 , y2 , z2 ] genau dann wenn: (y1 z2 − y2 z1 )x + (x2 z1 − x1 z2 )y + (x1 y2 − x2 y1 )z = 0 Rationale Parametrisierung von Geraden Der Schnitt einer Ebene durch das Zentrum O mit dem Ellipsoid beschreibt eine Ellipse. Aufgrund dieser Beobachtung und der rationalen Parametrisierung von Ellipsen ergibt sich die Parametrisierung von Geraden. X = (1 − h)A + hB B P A O A Rationale Parametrisierung von Geraden Gegeben sind zwei nicht zueinander konjugierte Punkte A ≡ e(r , s) und B ≡ e(t, u), die Parametrisierung der Geraden l ≡ AB ergibt sich aus: X = (1 − h)A + hB −→ P = A + λAX = (λ(2 − h) − 1) A + λhB und der Bedingung, dass P inzident mit dem Ellipsoid sein soll: 0 = cλ2 + dλ c ≡ a4 + a2 (1 − h)2 (r 2 + s 2 + t 2 + u 2 ) + 2a2 (2 − h)h(rt + su) + (r 2 + s 2 )(t 2 + u 2 ) d ≡ −(a4 + a2 (1 − h)(r 2 + s 2 + t 2 + u 2 ) + 2a2 h(rt + su) + (r 2 + s 2 )(t 2 + u 2 )). Rationale Parametrisierung von Geraden Die quadratische Gleichung in λ hat zwei Lösungen, λ = 0 und λ= −d . c Die Lösung λ = 0 entspricht dem Punkt A = −A, dieser Punkt ist also nicht durch die Parametrisierung erfasst. Wieder kann auf projektive Koordinaten übergegangen werden, um das Projektionszentrum mitzuerfassen. Rationale Parametrisierung von Geraden Die Gerade l ≡ hd : e : f i wird parametrisiert durch zwei Punkte auf der Geraden d 6= 0 : e 6= 0 : f 6= 0 : A = λ[f , 0, −d] A = λ[0, f , −e] A = λ[f , 0, −d] B = µ[e, −d, 0] 1 λ= q 2 f2 + db2 a2 B = µ[e, −d, 0] 1 λ= q 2 f2 + be 2 a2 B = µ[0, f , −e] 1 λ= q 2 f2 + db2 a2 µ= √ e2 a + d2 µ= √ e2 a + d2 µ= q 1 f2 a2 + e2 b2 Schnitt von zwei Geraden Der Schnitt {P, P} zweier verschiedener Geraden durch die Punkte A und B, bzw. C und D ist {P, P} = {±λ[x, y , z]} (x, y , z) = (A × B) × (C × D) 1 . λ= q 2 y2 x z2 + a2 + b 2 a2 Abschließende Bemerkungen & zukünftige Arbeiten Algebraische Methoden haben viele Vorteile gegenüber differentialgeometrischen Ansätzen I konistente und genaue Berechnungen I einfach zu implementierende Formeln I Großellipsen weichen nur geringfügig von Geodäten ab Alternative Möglichkeiten einer metrischen Struktur auf dem Ellipsoid müssen untersucht werden. Der bekannte Ansatz zur Berechnung elliptischer Bogenlängen ist eine Möglichkeit, wenn auch rechnerisch eher aufwendig und nur approximativ lösbar. Aufgrund der nicht konstanten Krümmung der Ellipsen scheint derzeit keine einfachere Lösung in Sicht.