schwächen stärk

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OFF TRAINING
SCHWÄCHEN
Mit herkömmlichen Fitnesstests lassen sich Dysbalancen
nur schwer bestimmen. Der
Functional Movement Screen hingegen analysiert objektiv Schwachstellen im Bewegungsablauf.
Von Oliver Schmidtlein
J
ede Kette ist nur so stark wie ihr
schwächstes Glied. Wenn eine Körperregion beeinträchtigt ist, können andere Muskeln das nur oberflächlich kompensieren. Das geschieht oft auf Kosten
der korrekten und symmetrischen Ausführung komplexer
Bewegungen. Dysbalancen oder neue Verletzungen sind
die Folge.
Professionelle Fitnesstrainer und Physiotherapeuten
beobachten immer wieder, dass viele Trainierende zwar
hoch motiviert und intensiv Sport treiben, aber aufgrund
von Asymmetrien, Ausweichbewegungen und Schwachstellen im Bewegungsapparat ineffektive und auf Dauer
potenziell schädliche Bewegungsmuster annehmen.
Bei herkömmlichen Fitnesstests, die einzelne Muskelpartien oder Gelenke isoliert untersuchen, sind Fehler im Ablauf
von komplexen Bewegungsmustern nur schwer zu erkennen.
Kraft und Beweglichkeit einzelner Körperpartien können
durchaus im gesunden Bereich liegen, und dennoch kann der
Bewegungsablauf ineffizient oder asymmetrisch sein.
Selbst bei hoch trainierten Leistungssportlern, die unter
professioneller Betreuung trainieren, sind diese Schwächen
und die daraus resultierenden Kompensationsbewegungen verbreitet. Deshalb arbeitete auch Jürgen Klinsmann
bei der Vorbereitung der deutschen Nationalmannschaft
auf die WM 2006 mit einem Testverfahren, das nicht nur
quantitative, sondern auch wertvolle qualitative Erkenntnisse über funktionelle Bewegungen liefert: dem Functional
Movement Screen (FMS). Jogi Löw hat dieses bewerte Sys-
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tem weiter geführt. Der Test ermöglicht, Bewegungsmuster
mithilfe des FMS-Test-Kits durch einen Fitnesstrainer oder
nach objektiven Kriterien zu analysieren und Veränderun-
Physiotherapeuten durchgeführt werden. Trainingserfolge
gen zu dokumentieren. Auf Basis der Messwerte können
werden durch wiederholtes Testen sichtbar und lassen sich
Fitnesstrainer und Physiotherapeuten ein individuelles Trai-
genau dokumentieren.
ningsprogramm für jeden einzelnen Trainierenden entwi-
Der FMS hat sich in Studien zur Inter-Tester-Reliabilität
ckeln, das spezifisch auf solche Schwachstellen eingeht und
als sehr zuverlässig erwiesen – die Testergebnisse werden,
sie schnell verbessern kann.
im Gegensatz zu vielen anderen Testmethoden, durch den
Der FMS wurde von dem amerikanischen Physiothera-
Testleiter nur sehr gering beeinflusst und bieten dadurch
peuten und Rehabilitationsexperten Gray Cook entwickelt.
größtmögliche Objektivität.
Während seiner Zusammenarbeit mit Profisportlern aus
Der Test besteht aus sieben Übungen, mit denen grund-
Basketball, Football, Hockey und anderen Sportarten erar-
legende Bewegungsmuster überprüft werden, die jeder
beitete er für jeden Athleten eigene „corrective exercises“
Sportler beherrschen sollte, denn sie bilden die Grundlage
auf Basis der FMS-Testergebnisse. Dieses Functional-Mo-
für fast alle komplexen Aktivitäten. Für jede Übung wer-
vement-Übungsprogramm integriert sowohl sportartspe-
den Punkte vergeben: Führt der Sportler die Bewegung ge-
zifische als auch individuelle Bewegungsmuster. Auf diese
nau wie in der Testbeschreibung aus, erhält er drei Punkte.
Weise kann jeder Sportler seine Bewegungsabläufe harmo-
Wird die Bewegung mit Ausweichbewegungen ausgeführt,
nisieren, denn nicht jedes Fitnessprogramm ist für jeden
gibt es zwei Punkte. Kann der Sportler die Bewegung nicht
Athleten geeignet. Individuelles, korrektives Training auf
wie beschrieben ausführen, bekommt er einen Punkt. Hat er
der Basis des FMS kann langfristig nicht nur die Leistung
Schmerzen bei der Testausführung, wird die Übung mit null
des Sportlers erhöhen, sondern beugt auch Verletzungen
Punkten bewertet. Während des Tests korrigiert der Trainer
vor. Dies konnten wissenschaftliche Studien nachweisen.
oder Physiotherapeut die Testperson nicht, sondern erteilt
In den USA wurde das Verletzungsrisiko von so verschie-
lediglich die in der Richtlinie vorgegebenen Anweisungen.
denen Gruppen wie Feuerwehrleuten und professionellen
Und das sind die Übungen für den Functional Movement
Footballspielern auf Basis von deren FMS-Testergebnissen
Screen:
prognostiziert, und tatsächlich erwies sich der Functional
1. Tiefe Kniebeuge (Deep Squat): Bei der Tie-
Movement Screen als zuverlässiger Indikator für die Verlet-
fen Kniebeuge wird die beidseitige symmetrische Mo-
zungsanfälligkeit. Das Verletzungsrisiko der Footballspieler
bilität der Knie-, Hüft- und Sprunggelenke ermittelt. Der
und krankheitsbedingte Fehltage der Feuerwehrleute konn-
über und leicht hinter dem Kopf gehaltene Stab dient dazu,
ten dann durch Intervention und gezielten Übungsprogram-
die bilaterale Beweglichkeit von Schultern und Brustwir-
me nachweisbar gesenkt werden.
belsäule zu überprüfen. Ausführung: Die Testperson
Der Functional Movement Screen als Diagnoseinstru-
macht eine Tiefe Kniebeuge und hält den Stab dabei die
ment ist die Voraussetzung für einen individuellen Trai-
ganze Zeit über dem Kopf. Sollte es der Testperson nicht
ningsplan. Er ist für gesunde Sportler geeignet, die nicht
möglich sein, die Fersen am Boden zu halten, kann ein
unter aktuellen Verletzungen oder Schmerzen leiden – in
Brett unter die Fersen gelegt werden. Der Trainer achtet
diesem Fall ist eine gezielte Diagnostik durch einen Arzt
besonders darauf, dass weder Füße noch Knie nach innen
erforderlich. Der Test kann überall ohne großen Aufwand
oder außen kippen, sondern übereinander bleiben.
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2. Hürdenschritt (Hurdle Step): Der Hürden-
weglichkeit der Muskulatur an Hüften, Oberschenkelrück-
schritt kontrolliert die beidseitige Mobilität der Hüft-,
seiten und Waden. Becken und Rumpf sollen möglichst
Knie- und Sprunggelenke. Ausführung: Die Testperson
stabil bleiben. Ausführung: Ein Brett liegt unter den
macht einen Schritt über ein Seil knapp unter Kniehöhe
Kniekehlen, die Arme seitlich neben dem Körper. Eine
und hält dabei einen Stab im Nacken mit beiden Händen
Messlatte wird auf Höhe des mittleren Oberschenkels
fest. Hüfte und Becken sollen stabil bleiben, die Beine
senkrecht aufgestellt. Der Sportler hebt ein Bein möglichst
nicht zur Seite ausweichen. Der Oberkörper bleibt aufrecht
hoch, während das andere auf dem Boden bleibt. Das Knie
und stabil und wird nicht nach vorne, hinten oder zur Seite
des liegenden Beins bleibt in Kontakt mit dem Brett; die
gelehnt.
Hüften sollten keine Kompensationsbewegungen ausfüh-
3. Gerader Ausfallschritt (Inline Lunge):
ren, sondern stabil bleiben.
Mit dem Geraden Ausfallschritt testet man die bilaterale
6. Rumpfstabilitätsliegestütz (Trunk Sta-
Beweglichkeit und Stabilität der unteren Extremitäten in
bility Push-up): Beim Rumpfstabilitätsliegestütz wird
Verbindung mit der Kontrolle des Rumpfes zur Erhaltung
die Stabilität der Wirbelsäule und Körpermitte während des
des Gleichgewichts. Ausführung: Während des Geraden
Liegestützes beurteilt, weniger die Kraft des Oberkörpers.
Ausfallschritts bleibt die Stange in Kontakt mit dem Hinter-
Ausführung: Der Sportler beginnt in der Bauchlage, die
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kopf, der Brustwirbelsäule und dem Kreuzbein. Beim Aus-
Arme seitlich angewinkelt. Bei Männern zeigen die Dau-
fallschritt berührt das hintere Knie die vordere Ferse. Beide
men auf Stirnhöhe nach innen, bei Frauen auf Kinnhöhe.
Fersen und Knie bleiben in einer Linie, der Oberkörper ist
Der ganze Körper sollte beim Hochdrücken stabil bleiben
aufrecht und weicht nicht nach vorne, hinten oder zu den
und nicht durchhängen. Brust und Taille heben gleichzeitig
Seiten aus.
vom Boden ab. Die Füße schieben nicht nach vorn, die Hän-
4. Schulter-Beweglichkeitstest (Shoulder
de wandern nicht nach hinten, was die Übung erleichtern
Mobility): Mithilfe des Schulter-Beweglichkeitstests
würde.
wird die Mobilität beider Schultern überprüft. Ein Arm
7. Rotationsstabilitätstest (Rotational Sta-
führt eine Innenrotation mit Adduktion, der andere eine
bility): Mithilfe des Rotationsstabilitätstests wird die
Außenrotation mit Abduktion aus. Ausführung: Zuerst
mehrdimensionale Stabilität des Rumpfes getestet. Der
wird die Entfernung der Handgelenkfalte zur Fingerspitze
Oberkörper muss das Gleichgewicht halten, während Arme
des Mittelfingers als Referenzwert gemessen. Dann ballt
und Beine eine komplexe Bewegung ausführen. Ausfüh-
der Sportler seine Hände zu Fäusten (Daumen innen) und
rung: Die Testperson nimmt den Vierfüßlerstand ein,
bringt einen Arm von oben, den anderen von unten an die
streckt dann Arm und Bein auf einer Seite möglichst weit
Wirbelsäule möglichst nah zusammen. Gemessen wird die
aus und bringt Ellbogen und Knie anschließend zusammen.
Entfernung der Fäuste in Relation zum Referenzwert. Die
Ein Brett wird parallel zur Wirbelsäule zwischen Händen
Wirbelsäule bleibt senkrecht und stabil. Beide Schultern
und Knien positioniert; Arm und Bein bleiben über dem
können eine sehr unterschiedliche Beweglichkeit aufwei-
Brett. Hüften und Schultern bleiben stabil, weichen nicht
sen – ein guter Hinweis auf Probleme in der Schulter- und
seitlich aus.
Schlüsselbeinregion.
5. Aktives Beinanheben (Active Straight
Mehr Infos zum FMS finden Sie unter:
Leg Raise): Das Aktive Beinanheben ermittelt die Be-
www.perform-better.de/FMS
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