Sich mit jemandem orientieren. Begriffliche Vorüberlegungen zu ei

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Sich mit jemandem orientieren. Begriffliche Vorüberlegungen zu einer allgemeinen Theorie der Beratung
Ulrich Papenkort
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Verwendung des Wortes „Beratung“
Wortfamilie von „Beratung“
Synonyma und Übersetzungen für das Wort „Beratung“
Wortverknüpfungen mit und Wortfeld von „Beratung“
Form des Wortes „Beratung“
Bedeutungen von „Beratung“
Beratung: miteinander reden
Beratung: sich mit jemandem beraten
Beratung: mit jemandem erwägen und abwägen
Beratung: suchen und zeigen
Themen der Beratung
Anlass der Beratung
Ziel der Beratung
Beteiligte der Beratung
Beratung: sich mit jemandem orientieren
Schluss
Literatur
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„Was ist eigentlich Beratung?“ (Engel/Nestmann/Sickendiek 2007, 34) Mit dieser
Frage nach dem Begriff der Beratung wird das erste und bisher einzige Handbuch
der Beratung eröffnet (Nestmann/Engel/Sickendiek 2007b). Die Antwort wird zur
Hälfte gegeben, nämlich mit der Nennung des Oberbegriffs bzw. der nächsthöheren
Gattung (genus proximum): Beratung sei eine „Kommunikationsform“ (Engel/Nestmann/Sickendiek 2007, 34). Es wird betont, dass diese Art von Kommunikation sehr häufig und sowohl in privaten als auch in beruflichen Zusammenhängen
vorkomme. Beruflich sei Beratung einerseits ein eigenständiges Feld, andererseits
als „Querschnittsmethode“ (a.a.O.) Teil anderer Berufsfelder. Die Herausgeber resümieren: „Die Breite des Begriffs, insbesondere seine Verortung im Professionellen,
Semiprofessionellen aber auch im alltäglich Unprofessionellen, macht ihn schwierigG“ Und sie folgern: Angesichts dessen „verbietet es sich nahezu im Singular über
Beratung zu sprechen“ (a.a.O.). Damit verzichten sie auf die zweite Hälfte der Antwort, mit der ein besonderer Unterschied (differentia specifica) zu anderen Kommunikationen zu markieren und die für eine Beratung charakteristische Art der Kommunikation herauszustellen wäre. Sie schließen sich damit den in Psychologie und Soziologie, Pädagogik und Sozialarbeitswissenschaft häufig vertretenen Positionen an,
die Beratung als „Sammelbegriff, der neben Beratung auch Aufklärung, Information
und ergänzende psychosoziale Hilfe bis hin zu therapeutischer Unterstützung inkludiert“, oder als „kleine Psychotherapie“ verstehen (Dewe/Schwarz 2001, 46f.).
Die folgenden Überlegungen gelten ungeachtet der im Handbuch ausgesprochenen
Warnung trotzdem und vollständig der Frage nach dem Begriff der Beratung. Damit
setze ich voraus, dass man über Beratung auch im Singular sprechen kann. Den gesuchten Begriff verstehe ich dabei als erstes und kleinstes Element einer Theorie der
Beratung. Meine Reflexionen zum Begriff sind somit Vorüberlegungen zu einer ent1
sprechenden Theorie. Dabei denke ich an eine Theorie, die erstens allgemein und
zweitens im engeren Sinne theoretisch ist.
Ein Begriff der Beratung muss für eine allgemeine Theorie der Beratung so umfassend formuliert werden, dass er sämtliche Themen einschließen kann, um derentwillen Beratung stattfindet: alphabetisch von der Anlage- bis zur Zuchtberatung. Er
muss sich weiterhin über alle Formen der Beratung erstrecken können. Der gesuchte
allgemeine Begriff der Beratung sollte drittens von spezifischen disziplinären Perspektiven absehen bzw. verschiedene relevante Wissenschaften, insbesondere Psychologie und Soziologie, Philosophie und Linguistik1 einbeziehen. Der lebensweltliche Begriff der Beratung ist dabei ebenfalls, als Medium der Interdisziplinarität, ganz
bewusst zu berücksichtigten. Die Vermittlung zwischen lebensweltlicher und wissenschaftlicher Perspektive leistet vornehmlich die Philosophie.
Eine für alle Formen der Beratung geltende allgemeine Theorie der Beratung liegt
bisher, soweit mir bekannt ist, nicht vor. „Zwar gibt es eine riesige Literatur über spezielle BeratungszweigeG, aber was Ratgeben überhaupt ist, darüber läßt uns die G
Literatur im Stich.“ (Hennis 2000, 161). Wenn Beratung „im Singular“ doch einmal
thematisiert wird, ist offenbar nur von der transitiven Beratung (vgl. 8) angesichts von
Problemen (vgl. 11) die Rede (z.B. zuerst Hruschka 1969, dann Dietrich 1983, zuletzt
Schiersmann/Thiel 2012), nicht von Beratung allgemein.
Da die gesuchte Theorie nicht nur allgemein, sondern auch theoretisch verfasst sein
soll, muss der Begriff der Beratung unter Ausschluss von moralischen, technischen
oder anderen praktischen Erwägungen entwickelt werden. Es geht um Beratung an
sich, nicht um die gute oder schlechte, richtige oder falsche Beratung. Ein moralisch
anfechtbares Setting wie z.B. die Zwangsberatung (vgl. Kettner 1998, Nestmann
2012) oder eine fachlich fragwürdige Beratung wie z.B. der unerbetene Rat sind und
bleiben in theoretischer Perspektive immer noch Beratungen, wenn auch möglicherweise schlechte bzw. falsche.
Da Begriffe, wenn auch nicht fest, an Wörter gekoppelt sind, beginne ich meine begrifflichen Vorüberlegungen zu einer allgemeinen Theorie der Beratung auf der
sprachlichen Ebene und da selbstverständlich mit dem Wort „Beratung“ (1) - im Zusammenhang mit anderen Wörtern (2-4), in seiner Form (5) und mit seinem Sinn (6).
Die nächsten Abschnitte sind dann dem Begriff gewidmet. Nach der Identifikation des
Oberbegriffs der Kommunikation (7) wird der Beratungsprozess formal (8) und inhaltlich (9-10) in seiner Besonderheit gefasst und nach verschiedene Aspekten von
Kommunikation differenziert (11-14). Es folgt der begriffliche Vorschlag, Beratung als
Orientierungskommunikation zu verstehen (15). Der Beitrag wird mit einem Resümee
beschlossen (16).
1 Verwendung des Wortes „Beratung“
Das Wort „Beratung“ ist zunächst ein gebräuchlicher Ausdruck der Gemein- und
Normalsprache, sei sie mehr hoch- oder mehr umgangssprachlich verfasst. Er wird
schon vor jeder Fachsprache und anderen Sondersprachen (all-) gemein verwendet
1
Ökonomie und Politikwissenschaft, Pädagogik und Sozialarbeitswissenschaft sind hier nur am Rande von Interesse, da sie entweder praktisch und nicht theoretisch motiviert sind und/oder psychologische bzw. soziologische
Erkenntnisse verarbeiten.
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und ist im Unterschied zu künstlichen Wortprägungen ein normaler, soll heißen gewachsener Ausdruck. Aus der Gemeinsprache heraus ist er aber inzwischen auch in
insbesondere wissenschaftliche Fachsprachen eingesickert und wird dort meist
ebenfalls normalsprachlich gebraucht, selten explizit eingeführt bzw. nominal definiert.
Eine Online-Recherche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek, bei der das
Stichwort „Beratung“ mit verschiedensten Wissenschaftsnamen verknüpft wurde (Juli
2013), zeigt die Disziplinen auf, in denen Beratung, mal mehr, mal weniger, thematisiert wird. Dabei wurden disziplinäre Substantive (z.B. „Psychologie“) und Adjektive
(z.B. „psychologisch“) eingegeben. Die Zahlen der Buchtitel, die in Abb. 1 in einer
Ordinalskala unabhängig vom Jahr der Veröffentlichung angegeben werden, ergeben
sich aus der Summe beider Zugangswege. Es werden nur die Wissenschaften aufgeführt, für die mehr als fünf Buchtitel vorliegen. Ob oder inwieweit die einzelnen Bücher tatsächlich Beratung zum Thema haben, wurde nicht geprüft. Insofern stehen
die Zahlen der Buchtitel unter Vorbehalt. Sie geben nur und nur hypothetisch grobe
Tendenzen an.
Wissenschaften
1. Psychologie
2. Betriebswirtschaftslehre
3. Pädagogik/Erziehungswissenschaft
4. Medizin
5. Sozialpädagogik
6. Ethik
7. Soziologie
8. (Wissenschaft) Soziale Arbeit
9. Philosophie
10. Psychiatrie
11. Volkswirtschaftslehre
12. Rechtswissenschaft
13. Theologie
Buchtitel
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125
118
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34
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20
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Abb. 1: Disziplinäre Perspektiven auf Beratung
Die wissenschaftliche Disziplin, in der der Begriff der Beratung die mit Abstand größte Rolle spielt, ist die Psychologie. Es folgen, auf ungefährer Augenhöhe, Betriebswirtschaftslehre, Pädagogik und Medizin. Wenn man die Sozialpädagogik zur Pädagogik, die Psychiatrie zur Medizin und die Ethik zur Philosophie rechnet, rückt die
Pädagogik auf den zweiten und die Betriebswirtschaftslehre auf den dritten Rang.
Die Philosophie landete nach der Medizin auf dem vierten Platz. Würde man die Titelnennungen in der Psychologie differenziert untersuchen, wären die entsprechenden Bücher wahrscheinlich der Pädagogischen, der Klinischen und der Arbeits- und
Organisationspsychologie zuzurechnen und würden damit Berührungspunkte zur
Pädagogik, Medizin und Betriebswirtschaftslehre aufweisen. Beratung wäre dann vor
allem ein Thema von Handlungswissenschaften, die bestimmte Praxen (pädagogisches, ökonomisches und therapeutisches Handeln) oder den normativen Aspekt
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von Praxis allgemein zum Gegenstand haben. Erstaunlich ist, dass die Perspektive
der Politologie und damit des politischen Handelns über Buchtitel nicht vertreten ist.
Die Bedeutungen des Wortes „Beratung“ in diesen wissenschaftlichen Fachsprachen
könnten nur für jede Disziplin gesondert geprüft werden. Da ich das im gegebenen
Zusammenhang nicht leisten kann, stütze ich mich, ganz im Sinne der analytischen
Philosophie, auf die ordinary language, d.h. die Normalsprache. Fachliche Abweichungen werden nur von Fall zu Fall thematisiert. Sie sind insbesondere in der Psychologie gegeben.
2 Wortfamilie von „Beratung“
Das Substantiv „Beratung“ geht über „beraten“ auf das Verb „raten“ zurück, das wiederum etymologisch von der Form „rē-“ der indogermanischen Wurzel „ar(ə)-“ abstammt. Von dieser Form sind auch „Rede“ und lateinisch „ratio“ („Ratio/n“) abgeleitet. Das Verb „raten“ ist die Wurzel einer deutschen Wortfamilie, die durch verschiedenste Wortbildungen entstanden ist.
Die häufigste und wichtigste Substantivierung von „raten“ lautet „Rat“, im Plural „Räte“. Eine kaum noch erkenntliche andere Hauptwortbildung ist „Rätsel“. Zur Wortfamilie von „raten“ gehören weitere, durch Präfixe ergänzte Verben wie „abraten, anraten,
zuraten“, aber auch „erraten, verraten“ und „geraten, missraten“. Hinzu kommen verschiedene Komposita mit dem Substantiv „Rat“ auf der einen, „Beratung“ auf der anderen Seite. Beide Hauptwörter können sowohl Grund- als auch Bestimmungswort
sein. Ein Sonderfall ist das Substantiv „Gerät“, eine Kollektivbildung zu „Rat“.
Im Folgenden werde ich neben dem substantivierten Verb „Beratung“ noch die Verben „beraten“ und „raten“ und das Substantiv „Rat“ berücksichtigen. Grammatisch ist
das Verb „raten“ das Zentrum, an das sich drei neue Wortbildungen angelagert haben: eine Substantivbildung hin zu „Rat“, eine Präfixbildung zu „beraten“ und eine
davon ausgehende weitere Substantivbildung zu „Beratung“ (vgl. Abb. 2).
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rē↑Abstammung ↑
raten
beraten
(ab-, an-, zuraten)
→ Präfixbildung →
↓Substantivbildung ↓
↓Substantivbildung ↓
Rat, plural Räte, kollektiv
Gerät; Rätsel
Beratung, Berater
↓ Zusammensetzung ↓
↓ Zusammensetzung ↓
Hausrat, Heirat, Unrat, Vorrat,
Zierrat; Bei-, Familien-, Gerichts-, Kriegs-, Sachverständigen-, Stadtrat; Amts-, Geheim-,
Hof-, Ministerial-, Ober-, Regierungsrat, Studienrat; Ratsbeschluss, -diener, -geber, -haus,
-herr, -keller, -sitzung, versammlung; Ratschlag, Ratschluss; Rätedemokratie, regierung, -republik, -staat
Berufsberatung, Steuerberatung, etc.; Beratungsgespräch, stelle, -zimmer; Beraterhonorar, vertrag
Abb. 2: Wortfamilie von „raten“
3 Synonyma und Übersetzungen für das Wort „Beratung“
„Beratung“ im Sinne von „jemanden beraten“ lässt sich nur durch deutsche Wörter
ersetzen, die von „Auskunft“ bis „Anleitung“ lediglich Facetten der Bedeutung transportieren, aber keine eigentlichen Synonyma darstellen. Für „Beratung“ im Sinne von
„sich beraten“ gibt es neben der Konnotation „Aussprache“ das Synonym „Besprechung“. „Rat“ im Sinne von „Ratschlag“ kann deskriptiv zurückhaltender durch „Hinweis“ oder „Tipp“ und präskriptiv in positiver Hinsicht durch „Empfehlung“, in negativer durch „Warnung“ ersetzt werden, neutral durch „Vorschlag“.
Übersetzungen der Wörter „beraten“, „Beratung“ und auch „Rat“ in die englische und
in romanische Sprachen verweisen auf die lateinische Sprache und die drei Verben
„consulere“, „deliberare“ und „conciliare“. „Consulere“ und das entsprechende Iterativum (Wiederholungsverb) „consultare“ bedeuten „jemanden um Rat fragen“, „jemandem Rat erteilen“ und „sich beraten“ (engl. „consult“, frz. „consulter“, span. „aconsejar, consultar“). „Deliberare“ heißt „erwägen“ und auch „sich beraten“ (engl. „deliberate“, frz. „delibérer“, span. „deliberar“). „Conciliare“ besitzt die Bedeutung von „sich
versammeln“ und gelegentlich auch von „sich beraten“ (engl. „counsel“, franz. „conseiller“). Sowohl das lateinische „deliberare“ als auch das deutsche „erwägen“ knüpfen an der Metapher der Waage (lat. „libra“) und dem Vorgang des Wiegens an, der
den Dingen wörtlich Gewicht und bildlich Wichtigkeit verleiht. Die aus der psychosozialen Beratung bekannten englischen Ausdrücke „counseling“ (USA) und „counsel5
ling“ (GB) schließen an „conciliare“ an. Auch bestimmte Fremdwörter sind lateinische
Rekonstruktionen: „Konsul(at)“ für „consulere“, „konsultieren, Konsultation“ für „consultare“, „Deliberation“ für „deliberare“ und „Konzil“ für „conciliare“.
Daneben verweisen die englische und die romanischen Sprachen im Sinne von „besprechen, erörtern“ und mit der Teilbedeutung von „sich beraten“ (engl. „discus“, frz.
„discuter“, span. „discutir“; „Diskussion“) auch auf das lateinische „discutere“ (wörtlich
eine Sache, übertragen ein Thema „auseinanderlegen“).
Im Englischen ist zusätzlich „advise“ gebräuchlich, dessen Herkunft sich aber nur bis
zum französischen „aviser“ („überlegen“ u.a.) zurückverfolgen lässt. Das könnte, um
das Präfix „a-“ ergänzt, vom lat. „visere“, einem Iterativum zu „videre“ abstammen.
Schon „videre“ meint nicht nur wörtlich „(an-)schauen“, sondern auch bildlich übertragen „überlegen, erwägen, bedenken“. In den anderen germanischen Sprachen, abgesehen vom Englischen, sind Wörter für „beraten“ mit dem deutschen „(be-)raten“
verwandt.
Während die lateinischen Verben für „beraten“ in der englischen und den romanischen Sprachen nach wie vor präsent sind, haben die Verben der altgriechischen als
der zweiten antiken Sprache nur im Neugriechischen ihre Spuren hinterlassen:
„βουλεύειν/bouleúein“ („bei sich überlegen, sich beraten; einen Entschluss bei sich
fassen, beschließen“; neugr. „διαβουλεύεσται/diabouleúestai“) und
„συµβουλεύειν/symbouleúein“ („jemanden beraten“; neugr.
„συµβουλεύειν/symbouleúein“) (vgl. Buchheim/Kersting 1992, 29f.).2
Zusammen decken die lateinischen und altgriechischen, d.h. die antiken Verben drei
Bedeutungen ab: das (individuelle) Erwägen, das (kollektive und reflexive) SichBeraten und das (transitive) Jemanden-Beraten. Mitunter, hier aber abgegrenzt, ist
auch das Beschließen mitgemeint. Es zeigt sich, dass schon bzw. gerade die antiken
Verben des Beratens ein semantisches Feld von drei Bedeutungen eröffnen, das in
der weiteren Begriffsanalyse seine Bestätigung finden wird. Dass und wie die drei
Bedeutungen zusammenhängen, wird dort Thema sein.
4 Wortverknüpfungen mit und Wortfeld von „Beratung“
Insbesondere das Verbalsubstantiv „Rat“ ist nicht nur in paradigmatisch-vertikaler
Hinsicht durch Synonyma und Übersetzungen ersetzbar, sondern auch unter syntagmatisch-horizontalem Aspekt mit anderen Wörtern regelmäßig verknüpfbar. Zu
diesen Verbindungen gehören erstens die Kollokationen zwischen dem Substantiv
„Rat“ und verschiedensten (meist) Verben: „Rat“ in der Bedeutung von Ratschlag in
„Rat einholen, sich Rat holen, Rat suchen, um Rat bitten, Rat erbitten, um Rat fragen
- Rat halten, mit sich zu Rate gehen - Rat geben, erteilen, wissen - auf einen Rat
hören, einen Rat befolgen, einen Rat missachten, einen Rat in den Wind schlagen“,
„Rat“ in der Bedeutung von Ratsversammlung in „jemanden in den Rat wählen, berufen“.
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Die sprachlich vergleichende Analyse bezieht sich nur auf die in Europa gesprochenen Sprachen. Selbst für
diesen überschaubaren geographischen Raum bleiben Sprachfamilien und einzelne Sprachen unberücksichtigt:
die slawische als neben der romanischen und der germanischen dritte indoeuropäische Sprachfamilie sowie einzelne indoeuropäische (Albanisch, Baltisch, Keltisch) und nicht indoeuropäische Sprachen (Baskisch, Finnisch,
Ungarisch).
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In syntagmatisch-horizontaler Hinsicht sind zweitens die Redewendungen von Interesse. So fließt das Substantiv „Rat“, durch den Reim zugespitzt, in die rhetorische
Stilfigur „Rat und Tat“ ein. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Hendiadyoin, in dem zwei Wörter verschiedener, aber ähnlicher Bedeutung, mit „und“ zu einer
Gesamtbedeutung, hier „mit jeglicher Form von Hilfe“ verschmolzen werden. Während die beiden Substantive im Hendyadioin zu Paarwörtern werden, betonen (alte)
Sprichwörter ihre Verschiedenheit: „Auf Rath weile, zur That eile. Je mehr da berathen, je dümmer die Thaten. Beizeit halt Rath, denn nach der That kommt er zu
spat.“ Oder, mit einem anderen zweiten Verb: „Berathe langsam und vollziehe
schnell“. In der Redewendung „Kommt Zeit, kommt Rat“ werden nicht Rat und Tat,
sondern Rat und Zeit miteinander in Beziehung gesetzt: Rat benötigt genügend Zeit,
und ausreichend Zeit kann Rat zur Folge haben.
Für die weitere begriffliche Analyse ist darauf zu achten, der sprachlichen Nähe der
Beratung („Rat“) zur Handlung (“Tat“) eine gewisse begriffliche Distanz entgegenzusetzen.
5 Form des Wortes „Beratung“
In grammatischer Hinsicht ist „Beratung“ wie auch „Berater“ ein Verbalsubstantiv.
Das zugrundeliegende Tätigkeitswort lautet „beraten“, das wiederum durch den Zusatz des Präfix „be-“ aus „raten“ gebildet worden ist. Syntaktisch betrachtet ist das
Verb „beraten“, auf das das Substantiv „Beratung“ zurückgeht, als Prädikat im Kontext von Sätzen ein persönliches, relatives und teilreflexives Verb. Sein Subjekt ist
immer eine Person oder Gruppe von Personen (= persönlich) und es ist stets mit einem oder mit mehreren Objekten verbunden (= relativ), seien es Personen oder Sachen. Die Relation zu den Objekten kann, wenn es Personen sind, auch rückbezüglich bzw. reflexiv sein (= teilreflexiv).
Drei Satzgefüge sind möglich (vgl. Abb. 3). Transitiv gebraucht wird „beraten“ obligatorisch mit einem persönlichen Akkusativobjekt und fakultativ mit einem sächlichen
Präpositionalobjekt verknüpft: „Jemand berät jemanden (bei, in etwas)“. Subjekt wie
Akkusativobjekt können im Singular oder im Plural stehen, woraus sich vier Kombinationsmöglichkeiten ergeben: Eines berät eines oder mehrere oder mehrere beraten
eines oder mehrere. Wenn das Verb „beraten“ reflexiv verwendet wird, ist das Akkusativobjekt ein Reflexivpronomen und verweist als solches auf das Subjekt. Ein Präpositionalobjekt kann fakultativ hinzugefügt werden: „Jemand berät sich (über etwas)“. Der Jemand ist dann für gewöhnlich eine Gruppe von Personen, keine einzelne Person: „Sie beraten sich (über etwas)“ oder, gleichbedeutend, aber transitiv formuliert: „sie beraten etwas“. Das dritte und letzte Satzgefüge um das Prädikat „beraten“ besteht aus einem Subjekt im Singular oder Plural, einem Reflexivpronomen als
persönlichem Akkusativobjekt, einem persönlichen Präpositionalobjekt und, wieder
fakultativ, einem sächlichen Präpositionalobjekt. Da das persönliche Präpositionalobjekt im Dativ steht, kann man von einem „intransitiven“ Wortgebrauch sprechen: „Jemand berät sich mit jemandem (über etwas)“; oder, semantisch gleich, aber grammatisch verschieden: „Jemand berät etwas mit jemandem“.
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Subjekt
Prädikat
Jemand
berät
Jemand
berät
Jemand
berät
Jemand
Jemand
berät
berät
persönliches sächliches persönliches
sächliches
AkkusativAkkusativ- Präpositional- Präpositionalobjekt
objekt
objekt
objekt
Rat geben (transitiv „beraten“)
jemanden
(bei, in etwas)
Rat holen (intransitiv „beraten“)
sich
mit jeman(über etwas)
dem
etwas
mit jemandem
Rat halten (reflexiv „beraten“)
sich
(über etwas)
etwas
Abb. 3: grammatische Formen von „beraten“
In der Fachliteratur wird immer wieder einmal erwähnt, dass Beratung „transitiv als
‚jemanden beraten’ und reflexiv als ‚sich beraten’“ (Engel/Nestmann/Sickendiek
2007, 34; vgl. auch Dewe/Schwarz 2011, 57) verstanden werden kann: „Die Ausdrücke 'Rat' und 'Beratung' können intransitiv [genauer: reflexiv; der Verf.] gebraucht
werden, dann hält man Rat, berät, beratschlagt man, was zu tun ist, mit seinesgleichen und unter gleichen Voraussetzungen - die Gremiensituation. 'Rat' und 'Beratung' können aber auch transitiv gebraucht werden, dann gibt man anderen, die darum bitten, einen Rat, berät man sie, um ihnen zu helfen. G Im Griechischen werden
beide Bedeutungen glücklich als bouleúin und symboúleuin unterschieden.“ (Stegmaier 1993, 16f.) Insgesamt gewinnt man aber den Eindruck, dass letztlich die transitive Verwendung des Wortes „Beratung“ im Vordergrund steht. Der reflexive Sprachgebrauch gerät fachwissenschaftlich selten, der intransitive Sprachgebrauch offenbar
nie in den Blick. Da letzterer aber den transitiven und den reflexiven einschließt und
damit keine grammatisch vorgeprägte Bedeutung ausschließt, ist gerade er begrifflich relevant.
6 Bedeutungen von „Beratung“
Die ursprüngliche Bedeutung des heutigen Verbs „raten“, das auf das althochdeutsche „ratan“ und das mittelhochdeutsche „raten“ zurückgeht, ist etwa „(sich etwas
geistig) zurechtlegen, überlegen, abwägen, erwägen, (aus-)sinnen“. Daraus entstanden „raten“ im Sinne von „bevorraten“ („versorgen, vorsorgen“, vgl. „ge-, missraten“),
„erraten“ („deuten, auflösen, weissagen“, vgl. „verraten“) und „beraten“ („vorschlagen,
empfehlen“, vgl. „ab-, an-, zuraten“). Man könnte zur Verdeutlichung auf die aus dem
Verb „raten“ gebildeten Substantivbildungen „Rätsel“ und „Rat“ und die Kollektivbildung „Gerät“ aus dem Substantiv „Rat“ zurückgreifen und für die drei abgeleiteten
Bedeutungen synonym von „Rätsel lösen“, „mit Gerät versorgen“ und „Rat vorschlagen“ sprechen. Die ursprüngliche Bedeutung des Erwägens war noch eng und zugespitzt mit der des Entscheidens und Beschließens, der abgeleitete Sinn des Beratens
mit dem des Anweisens verknüpft.
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Von den vier miteinander zusammenhängenden Bedeutungen haben sich bis heute
nur die von „erraten“ und „beraten“ erhalten. Der Sinn von „überlegen“ ist verlorengegangen bzw. in die anderen Bedeutungen eingegangen, der von „bevorraten“ in
Substantivbildungen wie „Gerät, Hausrat, Vorrat“ aufgehoben.
In das aus „raten“ gebildete Verbalsubstantiv „Rat“ sind die Bedeutungen „bevorraten“ und „beraten“ eingeflossen. „Rat“ meinte zunächst die Dinge, ökonomisch gesprochen die Konsumgüter des täglichen Bedarfs: Verbrauchsgüter wie vor allem
Lebensmittel (vgl. „Vorrat“) und Gebrauchsgüter wie Möbel (vgl. „Hausrat“) und
Werkzeuge (vgl. „Gerät“), aber auch lediglich schmückende Güter oder Teile von Gütern (vgl. „Zierrat“). Diese Bedeutung ist inzwischen verlorengegangen bzw. nur noch
in seiner Negation „Unrat“ erhalten. Weiterhin stand und steht „Rat“ für die Voraussetzung (vgl. „Rat wissen“) und das Ergebnis des Beratens (vgl. „Ratschlag“). Letzteres konnte auch den imperativen Charakter einer Anweisung oder Belehrung annehmen. Der dingliche (Haus-/Vor-)Rat und der sprachliche Rat(-schlag) stehen für
zwei wesentliche Formen der Hilfe und Förderung: die Sach- und Geldleistungen und
die persönlichen Dienstleistungen. So scheint die erste und allgemeinste Bedeutung
von „Rat“ insgesamt Hilfe und Förderung gewesen zu sein, im Zusammenhang der
persönlichen Dienstleistungen einschließlich der tätigen und der anweisend oder belehrend zugespitzten (Für-) Sorge.
„Raten“ im Sinne von „beraten“ scheint sich aus einem noch undifferenzierten Sinn
„helfen und fördern“ nacheinander durch drei Differenzierungen herausgeschält zu
haben: erst wurden die Sachleistungen (Dinge statt Worte und Taten), dann die tätigen Dienstleistungen (Taten statt Worte) und schließlich die paternalistisch verschärften Worte (Anweisungen statt Vorschläge) ausgegrenzt.3
Eine dritte und in sich vielfältige Bedeutung von „Rat“ ist heute fast nur noch in Komposita greifbar oder verlorengegangen: eine sich beratende und institutionalisierte
Gruppe von Menschen, ein Ausschuss, Gremium, Komitee, eine Kommission (vgl.
„Ratsversammlung“), auch als Mitglied einer solchen Gruppe (z.B. „Ratsmitglied“)
bzw. überhaupt eine beratende Person (vgl. „Ratgeber“), sogar, inzwischen verlorengegangen, als zum Beraten erforderliche Eigenschaft einer Person.
Die Bedeutung des Erratens des Verbs „raten“ blieb in substantivierter Form zwar
nicht in „Rat“, aber in „Rätsel“ erhalten: der Denkaufgabe, als Denksportaufgabe sogar als Freizeitbeschäftigung.
Das Verb „beraten“ hatte früher auch noch die Bedeutung des Bevorratens, ist heute
aber nur noch in der des Beratens gebräuchlich: jemandem vorschlagen, empfehlen,
nahelegen, was er tun oder lassen kann. Durch das Präfix „be-“ führt es grammatisch
zu einer Zielgerichtetheit, die in „raten“ noch nicht angelegt ist: aus dem intransitiven
Verb „raten“ mit Dativobjekt wird ein transitives Verb „beraten“ mit Akkusativobjekt
und der zusätzlichen Möglichkeit einer reflexiven Verwendung („sich beraten“).
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Pesendorfer unterscheidet etymologisch insgesamt zehn Bedeutungen von “Rat“ und „raten“ und sieht vom „rat
als gesamtbegriff für alles, was ein geschlechtsoberhaupt an leiblicher fürsorge, nahrung und schutz den von ihm
anhängigen geschlechtsgenossen schuldet“ bis zum „raten“ als „rechnen, meinen, dafürhalten, vermuten“ eine
„innere Logik“ von einer gänzlich asymmetrischen zu einer fast schon symmetrischen (transitiven) Beratung
(Pesendorfer 2006, 22f.).
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Das Verbalsubstantiv und -abstraktum „Beratung“ hat wie heute „beraten“ zwei Bedeutungen: „jemanden beraten“ und „sich beraten“. Durch die Substantivierung erhalten die beiden Vorgänge die zusätzliche Bedeutung einer zeitlich und örtlich begrenzten Beratungseinheit. Gemeint ist eine entsprechende Sitzung, zu der man geht
und wo man eine gewisse Zeit verbleibt. Für die reflexive Beratung stehen Synonyme
wie „Konferenz, Konzil, Meeting, Parteitag, Versammlung“ etc. Als Verbalabstraktum
bringt „Beratung“ gegenüber dem schon abstrakten und nur durch konkrete Verben
zu operationalisierenden Verb „beraten“ einen weiteren Abstraktionsschritt mit sich.
Der Vorgang des Beratens wird entzeitlicht: „Beratung“ bedeutet mehr eine Situation
als einen Prozess.
„raten“
überlegen, (ab-, er-)wägen
bevorraten: (mit
Gerät) versorgen
erraten: (Rätsel)
lösen
beraten: (Rat) vorschlagen
„Rat“
Haus-, Vorrat
-
Rat wissen, Ratschlag
Ratsversammlung
(Ratsmitglied)
„beraten, Beratung“
jemanden beraten,
sich mit jemandem
beraten
sich beraten
Abb. 4: Bedeutungen von „raten“
Das Wort „Beratung“ bedeutet und bezeichnet also alles in allem eine Situation (vgl.
„Rat/-sversammlung“), in der in einem Gespräch (vgl. „Rede“) mögliche Antworten
(vgl. „Rat/-schläge“) auf Fragen (vgl. „Rätsel“) überlegt bzw. erwogen (vgl. „raten“)
werden. Diese Situation ist in zwei grundsätzlichen Varianten gegeben. Bei der dreistelligen besteht sie aus zwei personalen Elementen und einem sachlichen Element:
dem Beratendem, dem Ratsuchendem und einer bestimmten Ratlosigkeit. Dabei sind
personale Elemente sind nicht mit Personen identisch, da auch mehrere Personen
für ein personales Element stehen können. Wenn die Situation vom Beratendem aus
betrachtet wird, steht der Aspekt des Rat-Gebens („jemanden beraten“) im Vordergrund. Aus der Perspektive des Ratsuchenden wird die Ansicht des Rat-Holens
(„sich mit jemandem beraten“) betont. Wo Beratender und Ratsuchender Teile einer
Gruppe als eines Subjekts und nicht zwei Subjekte sind, geht es um das reflexive
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Rat-Halten („sich beraten“). Diese zweite grundsätzliche Variante ist zweistellig und
kommt neben dem sachlichen mit nur einem personalen Element aus. Von den lateinischen Verben trifft „consulere/consultare“ (vgl. „Konsultation“) mehr die dreistellige,
„conciliare“ (vgl. „Konzil“) mehr die zweistellige Beratungssituation.
Prozessual steht die Ratlosigkeit am Anfang, der Rat am gewünschten sowie, im Falle des Gelingens, tatsächlichen Ende der Beratung. Der Rat als Resultat des (Be-)
Ratens kann etymologisch gegen den Rat im ursprünglichen Sinne von Vorrat und
syntagmatisch gegen die Tat abgegrenzt werden, d.h. gegen Geld- und Sachleistungen auf der einen und tätige Dienstleistungen, seien sie personen- oder sachbezogen, auf der anderen Seite. Der Rat als Ratschlag ist im Unterschied zum Vorrat eine
Dienstleistung und im Unterschied zur Tat eine kommunikative Dienstleistung.
Für die begriffliche Analyse, die jetzt folgt, werden die ursprüngliche Bedeutung des
Verbs „raten“, nämlich „überlegen, erwägen“ und die zwei Bedeutungen des Verbs
„beraten“ und des abgeleiteten Verbalsubstantivs „Beratung“, nämlich „sich“ und „jemanden beraten“, eine zentrale Rolle spielen.
7 Beratung: miteinander reden
Welche Merkmale lassen sich für beide Beratungssituationen, die des „SichBeratens“ und die des „Jemanden-Beratens“, identifizieren? Was ist ihr Oberbegriff,
die nächsthöhere Gattung (genus proximum)? Zunächst ist festzuhalten, dass es sich
in Beratungen um soziale bzw. interpersonale Situationen handelt. Es sind, genauer
gesagt, Situationen der Interaktion und Kommunikation4: wechselseitige, d.h. interaktive Kommunikationen und symbolische, d.h. kommunikative Interaktionen. Da die
verbale Kommunikation in Beratungen nicht nur im Vordergrund steht, sondern unverzichtbar ist, sind mündliche oder schriftliche Wortwechsel gemeint, insbesondere
mündliche bzw. Gespräche (vgl. Fürst 1993). Es sind mindestens zwei Personen beteiligt, der Ratsuchende und der Beratende5, und es wird über etwas vis á vis oder
fernmündlich gesprochen, offline oder online geschrieben. Die etymologische Verwandtschaft mit „Rede(n)“ und die sprichwörtliche Differenz von „Rat und Tat“ zeugen von diesem kommunikativen Zusammenhang (vgl. Bollnow 1977, 79).
Damit werden sowohl mediale Ratgeber in Form z.B. von Büchern oder Sendungen
als auch tätige Hilfen aus dem Beratungsbegriff ausgeschlossen. Die ersten sind
nicht interaktive Kommunikationen, die zweiten nicht (nur) kommunikative Interaktionen. Während die Ausgrenzung der medialen Ratgeber nur prima facie bzw. unter
Vorbehalt gilt, ist die Trennung von Beratung und tätiger Hilfe für den Begriff konstitutiv. „Beratung kann eben nur raten und nicht für das beratene System handeln“ (Zech
2004, 203). Sie ist keine „Stellvertretungs-Interaktion“ (Pohlmann/Zillmann 2006, 35).
4
Unter Interaktion und Kommunikation verstehe ich zwei eigenständige Begriffe mit einer gemeinsamen
Schnittmenge. Damit schließe ich die beiden anderen Optionen, Interaktion systemtheoretisch nur als wechselseitige „Kommunikation unter Anwesenden“ (Kieserling 1999) oder Sinne einer bekannten soziologischen
Handlungstheorie Kommunikation nur als symbolische Interaktion zu verstehen, aus.
5
Zur Terminologie: Statt „Ratsuchender“ wären auch die Bezeichnungen „Beratener“, „Ratnehmer“ oder
„Klient“ möglich. Die ersten beiden Alternativen fallen zu passiv aus. „Klient“ wiederum ist einerseits zu unspezifisch, weil nicht nur Zusammenhänge der Beratung, sondern auch der Betreuung, Vertretung etc. gemeint sind.
Andererseits ist das Wort insofern zu spezifisch, als es nur in formalisierten Zusammenhängen verwendet wird.
Statt „Beratender“ wäre auch die Bezeichnung „Ratgeber“ denkbar. Diese Alternative ist irreführend, weil nur
transitiv oder auch als Buchgattung zu denken.
11
Beratung ist also, wie eingangs aus dem „Handbuch der Beratung“ zitiert, eine
„Kommunikationform“ (Engel/Nestmann/Sickendiek 2007a, 34). Sie ist „Mitteilung“,
wie das lateinische Substantiv „communicatio“ meist übersetzt wird. Die Präpositionen „co“ und „mit“ betonen die Gemeinsamkeit der Situation. Um die Art der Kommunikation sowohl interaktiv als auch verbal auszuzeichnen, ist der Ausdruck „miteinander reden“ (Schulz von Thun 1981), zumal er die etymologische Verwandtschaft von
„raten“ und „reden“ aufweist, angemessener. Interessanterweise hat das lateinische
Verb „communicare“ auch die Bedeutung „sich beraten, besprechen“, sodass Kommunikation sprachlich gesehen unter gewissen Bedingungen schon per se Beratung
ist.
Beratungen sind alltäglich meist in andere Kommunikationen eingelassen. Sie können aber auch gesondert auftreten oder sogar verabredet werden. Die alltäglichen
Situationen nennen Sickendiek, Engel und Nestmann (2008, 23) „informelle“, die gesonderten „halbformalisierte“ und die zusätzlich verabredeten „formalisierte“ Beratungen. Von den jeweiligen Beratenden aus gesehen werden die informellen Beratungen von „Nicht-Professionellen“, die halbformalisierten von fachlich, aber nicht
prozedural ausgewiesenen „Para-Professionellen“ und die formalisierten von mindestens prozedural kompetenten „Professionellen“ (Giesecke/Käpplinger/Otto 2007, 33)
erbracht. In den halbformalisierten Beratungen können auch nicht-professionelle
Peers auf den Plan treten, die sich nicht durch ihre fachliche, sondern ihre biographische Expertise und ihre soziale Nähe zum Ratsuchenden auszeichnen. Und formelle
Beratungen können auch in und durch Selbsthilfegruppen statt durch Professionelle
erfolgen.
Auch wenn Kommunikationen, in denen beraten wird, überall und jederzeit stattfinden können und das Beraten nur ein Moment unter anderen bleiben kann, so wird
unter Beratung aber aufgrund der grammatischen Form des Worts in der Regel mindestens eine gesonderte, meist eine verabredete Kommunikation verstanden. Nach
den interaktiven, medial definierten Kommunikationsformen werden prinzipiell drei
Beratungsformate praktiziert: die mündliche Präsenzberatung (gleiche Zeit, gleicher
Ort), die fernmündliche Telefonberatung (gleiche Zeit, verschiedene Orte) und die
schriftliche Onlineberatung per E-Mail und Forum (verschiedene Zeiten, verschiedene Orte), per Chat fast schon zeitgleich (vgl. Büsch 2013).
Da Beratung als Kommunikationssituation zu deklarieren ist, kann das von dem Psychologen Friedemann Schulz von Thun konstruierte kommunikationspyschologische
„Situationsmodell“ (1998, 13ff./306ff.) helfen, relevante Fragen an die Beratungssituation zu stellen. Nach dem Modell sind es die Fragen nach den Beteiligten (Wer) und
Themen (Was), nach dem Anlass (Warum) und Ziel (Wozu) einer Kommunikation.
Da ihre Form (Welche) in dem Modell keine Rolle spielt, ist sie für den Fall der Beratung zu ergänzen. Mit ihr möchte ich beginnen, da sie unmittelbar mit der Tätigkeit
bzw. den Tätigkeiten des Beratens zusammenhängt und somit den Kern des Beratungsbegriffs bzw. den besonderen Unterschied (differentia specifica) zu anderen
Kommunikationssituationen ausmacht.
12
8 Beratung: sich mit jemandem beraten
Eine Beratung ist als Interaktion und Kommunikation eine Situation, an der mindestens zwei Personen und stets zwei Rollen beteiligt sind: die des Beratenden und die
des Ratsuchenden. Das gilt für beide Beratungsformen, die ich ab hier im Anschluss
an die grammatisch möglichen Formen des „Sich-Beratens“ und „JemandenBeratens“ (vgl. 5) und einen Sprachgebrauch in der Beratungstheorie (vgl. z.B. Engel/Nestmann/Sickendiek 2007, 34; Dewe/Schwarz 2011, 57) als „reflexive“ und
„transitive Beratung“ bezeichne. Ein nähere Ausdeutung dieses Unterschieds folgt
später (vgl. 14). In der reflexiven Beratung wechseln die Rollen zwischen den Personen, indem jeder mal berät und um Rat fragt, während sie in der transitiven Beratung
an Personen gekoppelt bleiben.
Allerdings ist die Terminologie von reflexiver und transitiver Beratung, wenn auch gut
nachvollziehbar, so doch ein wenig irreführend. Die Sprache suggeriert, dass der Fall
des gemeinsamen Sich-Beratens auch de facto reflexiv und der des JemandenBeratens auch real transitiv verfasst ist. Dieser Eindruck täuscht jedoch unter der
Voraussetzung der Interaktion, d.h. einer aktiven Beteiligung beider Personen. Dass
sie im Fall des Sich-Beratens gegeben ist, liegt auf der Hand. Die sprachlich transitive Fassung im Fall des Jemanden-Beratens kann aber nur die eine Hälfte der Wahrheit sein bzw. sich nur auf die beratende Person beziehen. Ihr muss auf Seiten des
Ratsuchenden ein aktives Pendant entsprechen, wenn der nicht auf einen bloßen
Ratnehmer reduziert werden soll.
Die Aktivität des Ratsuchenden ist, so meine These, wie bei der reflexiven Beratung
ein reflexives Sich-Beraten - mit dem Unterschied, dass dies nur intrapersonal für
sich und nicht interpersonal mit anderen erfolgt. Dazu passt die Redewendung „mit
sich zu Rate gehen“ (vgl. 4). Transitive Beratungen sind so gesehen Interaktionen
aus einem intrapersonalen Sich-Beraten und einem interpersonalen JemandenBeraten. Das Sich-Beraten bezieht sich direkt auf Anlass und Thema der Beratung,
das Jemanden-Beraten nur indirekt bzw. direkt auf das Sich-Beraten. Die transitive
Beratung „geschieht nicht dadurch, dass der Berater ein Klientensystem berät, sondern dadurch, dass das installierte Beratungssystem auf der Basis der Informationen
des Beratersystems sich selbst berät. (G) Jede Intervention erfolgt deshalb nicht als
Einwirkung von außen, sondern letztendlich als Selbsteinwirkung des Systems auf
sich selbst.“ (Zech 2004, 205) Mit anderen Worten: „Was vom Berater erwartet wird,
ist die Kompetenz, zu sehen, was der Beratene nicht sieht. Er ist G als Beobachter
zweiter G Ordnung gefragt, als jemand, der einen anderen beim Beobachten beobachtetG (Fuchs 1994, 18). Beratung ist, so gesehen, ein „Dirigieren der Selbstbeobachtung“ (Blanke/Uhlhorn 2011).
Die Betonung des intrapersonalen reflexiven Sich-Beratens innerhalb der transitiven
Beratung könnte nun zu zwei Fehlschlüssen verleiten: dass das reflexive Beraten in
diesem Zusammenhang in ausgeprägter Weise erfolgen muss oder sich im Gegenteil
erübrigt. Beides ist nicht der Fall. Im Falle der (transitiven) „einfachen Beratung“, die
Otto-Friedrich Bollnow von der „eigentlichen“ (Bollnow 1977, 80) und Martin Schmiel
als „Rat- oder Auskunftserteilung“ vom „Beraten“ (Schmiel 1972, 40) unterscheidet,
bleibt das Sich-Beraten residual und gleicht die transitive Beratung einem bloßen
Ratgeben. Entweder ist das reflexive Moment der Beratung aufgrund einer vergleichsweise geringen Komplexität des Beratungsanlasses oder seine Artikulation
aufgrund einer hochgradig selbstgesteuerten Reflexivität kaum notwendig. Thomas
13
Macho spricht hier von einer „pragmatischen“ Beratung. Oder es ist aufgrund eines
wie auch immer bedingten hohen Aufforderungscharakters des Rats wie z.B. in der
von Macho sogenannten „charismatischen“ Beratung kaum möglich. Hier überzeugen die Ratgeber bloß „durch ihre Kenntnisse und Erfahrungen“, dort „durch ihre
Weisheit und Präsenz, durch ihre suggestive Gewißheit, den richtigen Weg zu kennen“ (Macho 1999, 22) - und möglicherweise die „Hybris einer archimedischen Position des ‚Besserwissenden‘“ (Zech 2004, 201). Die Beratung reduziert sich in beiden
Fällen auf ein Ratgeben: auf einen pragmatischen oder charismatischen Ratschlag,
im pragmatischen Fall auch „Tipp“ oder „Hinweis“ genannt.
Die „eigentliche“ Beratung dagegen, die ich lieber neutral „komplex“ nennen möchte,
schließt als „ergebnisoffener Vorgang“ (Luckner 2008, 156) eine innere und äußere
Beteiligung des Ratsuchenden und „eine mehr oder minder ausführliche Begründung
des schließlich gegebenen Ratschlags ein“ (Bollnow 1977, 80). Da die einfache und
die komplexe Beratung „fließend ineinander übergehen können“, wird der Ratschlag
zum Grenzfall, der mal noch innerhalb, mal schon außerhalb der Beratung liegen
kann. Eindeutig außerhalb liegen die Fälle, in denen Ratschläge nicht nur „einfach“,
d.h. unbegründet erteilt werden, sondern dazu noch aufgedrängt oder fast schon
„strenge, alternativlose Weisungen von G befehlendem Charakter“ (Krämer 1992,
344) darstellen.
Der zweite mögliche Fehlschluss neben dem, dass das Sich-Beraten immer deutlich
in Erscheinung treten muss, besteht umgekehrt in der Annahme, man könne die
Asymmetrie der Situation aufzuheben und einer „Verkürzung von Beratung auf eine
ausschließlich moderierende Rolle“ (Zech 2004, 201) das Wort reden. Aber auch hier
sind, wie zur einfachen Beratung hin, die Grenzen fließend. Transitive Beratung kann
durchaus und muss immer wieder auch non-direktiv „in empathischer Anteilnahme“
oder sokratisch „auf mäeutischem Wege (durch indirektes Zusichselbstbringen)“
(Krämer 1992, 344) erfolgen. Damit wird die Beratung aber noch nicht symmetrisch.
Die Asymmetrie, die für die transitive im Unterschied zur reflexiven Beratung kennzeichnend ist, darf nicht aufgehoben, sondern muss auch anders verstanden werden:
formal statt inhaltlich. „Jene fundamentale Asymmetrie im Kommunikationsspiel der
Beratung ist G nicht einfach durch die Relation Wissensfülle/Wissensdefizit bestimmt. Sie ist G durch die Differenz der Beobachtungspositionen gegeben.“ (Fuchs
1994, 18f.) Anders gesagt: „Der Berater wäre ein schlechter Berater, wenn er nur
mehr wüsste als der Ratsuchende. Und Beratung wäre eine schlechte Beratung,
wenn sie nur darin bestünde, diese Wissensdifferenz auszugleichen.“ (Zech 2004,
205) Komplexe Beratungen können mehr inhaltlich und direktiv oder mehr formal und
non-direktiv (vgl. z.B. Kohl/Winkelmann) gestaltet werden, grundsätzlich oder in einzelnen Phasen des Gesprächs.
Zurück zu den beiden Hauptformen der Beratung, der reflexiven und der transitiven.
Reflexive Beratungen lassen sich als transitive, und zwar als wechselseitig transitive
beschreiben. Transitive Beratungen wiederum beinhalten zwar reflexive Anteile, lassen sich aber nicht mit ihnen allein definieren. Den Grund sehe ich darin, dass die
transitive Beratung genetisch von der reflexiven abgeleitet ist. Anders gesagt: Erst
war die reflexive Beratung, die transitive kam später. Damit die grammatische Form
nicht schon den Inhalt präjudiziert, sollte man die reflexive Ausdrucksweise von der
reflexiven und die transitive Sprachform von der transitiven Beratungsform entkoppeln. Als Alternative böte sich der intransitive Sprachgebrauch an, der die beiden
14
anderen grammatischen Varianten umschließt: „sich mit jemandem beraten“. Reflexiv
berät man sich „gemeinsam mit jemandem“, transitiv „mit Hilfe von jemandem“.
Die Aktivität, die in beiden Formen und auch der intransitiven Formulierung von Beratung vorkommt, ist das intrapersonale Sich-Beraten: das Mit-sich-zu-Rate-Gehen. Es
wird in der reflexiven Beratung zum interpersonalen Sich-Beraten dialogisch gesteigert oder ist selbst dessen intrapersonal verlagerte monologische Binnenform. In der
stets interpersonalen transitiven Beratung wird es durch das Jemanden-Beraten unterstützt. Um die Form der Kommunikation, die „Beratung“ genannt wird, zu identifizieren, kann man mit dem intrapersonalen Sich-Beraten beginnen6. Andersherum: In
Beratungen wird etwas getan, was Menschen ansonsten auch intrapersonal tun.
Damit erfolgt ein Perspektivenwechsel von der Mikrosoziologie bzw. Sozialpsychologie zur Allgemeinen Psychologie, speziell zur Denkpsychologie.
9 Beratung: mit jemandem erwägen und abwägen
Was tut ein Menschen, wenn er sich berät? Er überlegt - und zwar in und mit praktischen, nicht in theoretischen Überlegungen. „Während diese den Sinn haben herauszufinden, was der Fall ist oder wie sich etwas verhält, haben jene den Sinn, unser Entscheiden, Handeln und Leben zu steuern und zu überprüfen.“ Auch wenn
praktische Überlegungen auf theoretische angewiesen bleiben, „haben sie jedoch ein
deutlich andere Funktion als diese“ (Steinfath 2001, 14f.)
Die etymologische Verwandtschaft von „raten“ mit dem lateinischen „ratio“, was meist
mit „Verstand“ übersetzt wird, stützt diese Deutung als (praktisches) Überlegen. Und
bereits Aristoteles bemerkte die Identität von „mit sich zu Rate gehen“ und „überlegen“ (Nikomachische Ethik VI 1139a 16). Sie war schon durch das griechische Verb
„βουλεύειν/bouleúein“ nahegelegt und zeigte sich später im lateinischen „deliberare“.
Otto Willmann stellte in seiner Reinterpretation der aristotelischen Psychologie umgekehrt fest: „G beim Überlegen, wie es der Einzelne vollzieht, findet ein Beraten, sei
es schweigend oder im Selbstgespräche G statt“ (Willmann 1913, 126). Die ursprüngliche Bedeutung des deutschen Verbs „raten“ (vgl. 6) deutet in diese Richtung.
Eine Alternative zum Verb „überlegen“ ist „(er-, ab-) wägen“. So übersetzt man im
übrigen wörtlich „deliberare“, eine der einschlägigen lateinischen Vokabeln für Beratung, sowohl mit „erwägen“ als auch mit „sich beraten“. Dem deutschen „wägen“ wie
dem lateinischen „deliberare“ liegt das Bild der Waage zugrunde. Das Sich-Beraten
als Wägen zu verstehen würde anders oder zumindest mehr als das Überlegen erstens das gedankliche Spielen mit Optionen betonen, die „Suchprozesse der Seele“
(Jüttemann 2008) herausheben. Zweitens würde es die emotionalen Aspekte des
Vorgangs einschließen. Nicht von ungefähr liegt auch dem deutschen Wort „Wichtigkeit“ die genannte Metapher zugrunde. Und Wichtigkeit bzw. Relevanz wird insbesondere emotional bemerkt. Drittens verweist „erwägen“ als relationales Verb im Unterschied zu „überlegen“ immer schon auf einen Gegenstand. Der Satz „Ich überlege“
kann für sich bestehen, „ich erwäge“ jedoch nicht. Aus diesen drei Gründen ziehe ich
das Verb „(er-, ab-) wägen“ dem „überlegen“ vor.
6
Man kann mit ihr anfangen, muss es aber nicht. Alternativ wäre ein Beginn mit der interpersonalen reflexiven
Beratung möglich. Für welchen Beginn man sich entscheidet, ist eine letztlich anthropologische Frage: Steht das
Ich des intrapersonalen oder das Wir des interpersonalen Sich-Beratens am Anfang. Meine eigene Entscheidung
für das Ich ist noch nicht abschließend, sondern vorerst nur pragmatisch begründet.
15
In beiden Fällen ist aber ein Denken gemeint, dass man analog zum „Nachdenken“
als „Vordenken“ bezeichnen könnte, das Sigmund Freud „Probehandeln“, der Gestaltpsychologe Max Wertheimer zuerst „produktives Denken“ (1945/1957) genannt
hat und das auch als kognitives Lösen von Problemen bekannt ist. Entsprechend
definiert die Psychologin Erna Hruschka in der wohl ersten deutschen Theorie der
transitiven Beratung diese als „Hilfe beim Lösen konkreter Probleme“ (Hruschka
1969, 18) und greift dazu auf die gestalttheoretische Tradition der Denk- und Motivationspsychologie zurück.
Das (Er-, Ab-) Wägen ist, psychologisch gesehen, eine Phase von Handlungen, wobei ich das aktive Unterlassen und Zulassen in das Handeln im weiten Sinne einschließen möchte. Dazu rechne ich ebenfalls das Sprechen im Sinne von Sprechhandlungen. Auszuschließen sind einerseits das reizgesteuertes (Reflex-)Verhalten
und das automatisierte bzw. „gewohnheitsmäßige Handeln“, durch die sich ein Erwägen erübrigt, andererseits das impulsive „Handeln ohne Absicht“ (Steinfath 2001, 3741) oder das gehetzte unter Zeitdruck, durch die es unmöglich wird. Handlungen im
hier gemeinten Sinne implizieren eine gewisse Komplexität und Neuheit der Situation
und Zeit zum Nachdenken.
Handlungen werden, zeitlich gesehen, immer wieder in die drei Phasen der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eingeteilt. Das (Er-, Ab-) Wägen geschieht in
der Handlungsvorbereitung, zwischen „Motivation und Handeln“ (Heckhausen 1989).
Diese erste Handlungsphase wird von einem Entscheiden bzw. Wählen abgeschlossen. Die entsprechende Zäsur hat der Motivationspsychologe Heinz Heckhausen
nach dem italienischen Grenzfluss zwischen Gallien und Italien, den Cäsar mit seinem Heer 49 v.Chr. überschritt und damit einen Bürgerkrieg auslöste, im Sinne eines
point of no return „Rubikon“ genannt. Im „Rubikon-Modell der Handlungsphasen“
(Heckhausen 1989, 203) besteht die Handlungsvorbereitung aus dem „Wünschen“,
„Wägen“ und „Wählen“ (vgl. Heckhausen 1987, 3f.). Das (Er-, Ab-) Wägen ist das
Mittelglied der ersten Handlungsphase. In der philosophischen Anthropologie Wilhelm Kamlahs: „Im Überlegen wird das Begehren angehalten und das Entscheiden
vorbereitet“ (Kamlah 1973, 70). Wünschen (Begehren) und Wägen (Überlegen) bereiten das Wählen (Entscheiden), alle drei das Handeln vor. Das (Er-, Ab-) Wägen
ist, so gesehen, Entscheidungsvorbereitung.7
Der Rat ist nicht nur, wie die Systemtheoretiker Peter Fuchs und Enrico Mahler zentral betonen, von der Tat (Fuchs/Mahler 2000, 349), sondern auch schon, was seinerzeit der Erziehungswissenschaftler Otto Friedrich Bollnow besonders herausgestrichen hat (Bollnow 1977, 80ff.), von der Entscheidung zu trennen. Er bleibt aber auf
das Entscheiden und dann auf das Handeln bezogen. Das Wägen als Entscheidungsvorbereitung besteht, wenn es vollständig ist, aus den beiden Phasen des Erwägens und Abwägens. Im Erwägen werden Optionen gesucht und gefunden. Ist es
nur eine Option, wird im Abwägen zwischen einem Ja und einem Nein abgewogen.
Sind es mehrere, d.h. Alternativen, werden sie im Abwägen untereinander verglichen
und bewertet. Den beiden Fällen entspricht ein doppelter Sinn von Wahl. „Einmal
meinen wir Entscheidungen, die zwischen verschiedenen Optionen stattfinden (‚Ich
habe mich für meine Familie und gegen eine Karriere entschieden’), ein andermal
7
Aus Gründen, die ich hier nicht weiter erläutern kann, rechne ich auch das Planen als mittelbezogenes Überlegen zum Wägen. Im Rubikon-Modell wird das Wägen als nur zielbezogenes Überlegen verstanden und das Planen nicht vor, sondern nach das Entscheiden platziert. Hier sind „Abwägen und Planen“ (Gollwitzer 1991) zwei
verschiedene Handlungsphasen.
16
meinen wir einen Entschluss für etwas (‚Ich habe mich dafür entschieden, das heißt
mich dazu entschlossen, mich meiner Familie zu widmen’).“ (Luckner 2007, 30) Die
beiden Momente des Wägens vor der Wahl hat Thomas von Aquin im Kontext der
Klugkeit „deliberare“ (erwägen) und „iudicare (de inventis)“ [(über das Gefundene)
urteilen] genannt (Luckner 2008, 159). Im Kontext der Denkpsychologie entspricht
das Erwägen dem „divergenten“ (Joy Paul Guilford) bzw. „lateralen“ (Edward de Bono), das Abwägen dem „konvergenten“ bzw. „vertikalen“ produktiven Denken.
Wenn man das individuelle Sich-Beraten, auch (fremd-) sprachlich unterstützt, als
Wägen deuten kann, steht seiner Übertragung auf die soziale Situation der Beratung
nichts im Wege. Dann zeigt sich, „dass als Kern der Beratung ein auf mehrere Schultern verteilter, gleichsam verdoppelter und in Gesprächsform externalisierter Reflexionsprozess bestimmt werden kann“ (Kraft 2009, 47; vgl. auch Schmitz/Bude/Otto
1989, 140). Beratung hieße dann: mit jemandem erwägen und abwägen, und zwar
gemeinsam mit jemandem (reflexive Beratung) oder mit Hilfe von jemandem (transitive Beratung).
10 Beratung: suchen und zeigen
Erwägen und Abwägen sind Begriffe, die für beide Rollen einer Beratung unabhängig
davon gelten, ob die Rollen wie in transitiven Beratungen mit Personen verbunden
sind oder wie in reflexiven Beratungen zwischen Personen wechseln. Beide eng zusammenhängenden Begriffe verweisen auf mentale Prozesse, die während einer
Beratung bei allen beteiligten Personen und für beide Rollen virulent sind. Sie vertreten eine psychologische Perspektive des „innerlichen Tuns“ (Weber 1921/1985b,
542), wie Max Weber gesagt hätte. Da Beratung, wie erwähnt (vgl. 7), Kommunikation ist, muss noch die soziologische Perspektive des „äußeren Tuns“ (a.a.O.) hinzukommen. In der Terminologie des Soziologen Niklas Luhmann: Die beiden „Bewusstsein“ müssen in „Kommunikation“ treten können. Was tun also der Ratsucher und der
Berater, wenn sie miteinander kommunizieren?
Wenn Beratung verbale Kommunikation ist, stellt sich die Frage nach den entsprechenden Handlungen als eine nach Sprechhandlungen im Sinne der philosophisch
begründeten (John L. Austin, John Searle), dann auch linguistisch und soziologisch
ausgearbeiteten Sprechakttheorie. Dazu liegen linguistische (z.B. Wunderlich 1976,
1981, Nothdurft 1994, Kallmeyer 2000) und soziologische (z.B. Schmitz/Bude/Otto
1989, Enoch 2011) Gesprächs- bzw. Konversationsanalysen vor, die Beratung als
eine Sequenz von Sprechakten auffassen, die im Wechsel von Ratsuchendem und
Beratendem vonstatten gehen. Kommunikativ gesehen sind dabei nicht die einzelne
Sprechakte relevant, sondern die Dialoge von jeweils zwei aufeinander bezogenen
Sprechakten (vgl. Weigand 1989). Beratungskommunikationen sind somit, genau
genommen, Sequenzen von Sprechaktdialogen.
An dieser Stelle ist von Interesse, welche der dialogischen Sequenzen für ein Beratungsgespräch unverzichtbar und damit zentral kennzeichnend sind. Was in der
Sprechakttheorie wohl fast immer gegeben sein muss, um noch von einer Beratung
sprechen zu können, ist die Wechselrede von Frage(n) des Ratsuchers und Rat(en)
des Beraters in der zeitlichen Mitte eines Beratungsschemas. Dewe und Schwarz
sprechen vom „Nachfragen des Handlungsvorschlags“ und der „Formulierung des
17
Handlungsvorschlags“ (Dewe/Schwarz 2011, 86). Hier werden zwei besondere
Sprechakte realisiert.
Nach der Sprechakttaxonomie der Germanistin Edda Weigand ist die Äußerung des
Ratsuchenden eine Frage bzw. ein „explorativer“ Sprechakt: ein Um-Rat-Fragen. Erfragt wird ein Wissen, in diesem Fall kein Wissen um des Wissens (Was ist?), sondern ein Wissen um des Handelns willen (Was tun?). Der Linguist Dieter Wunderlich
siedelt den Rat als Antwort zwischen Repräsentativa und Direktiva an (Wunderlich
1976b, 175-178). Mit den Direktiva bzw. Aufforderungen und dem Wortfeld von „Anordnung“ („An-/Ordnung, An-/Weisung, Befehl, Forderung, Gebot/Verbot“), „Ermahnung“ (auch positiv „Ermunterung, Ermutigung“), „Bitte“ und „Appell“ (Buchka 1998,
241) hätte das Beraten gemein, dass es sich ebenfalls auf eine zukünftige Handlung
beziehen und mit einem Aufforderungssatz ausgedrückt werden können: „Machen
Sie mal wieder Urlaub!“. Der Rat als Aufforderung könnte aber auch in einen Aussagesatz [„Ich (an Ihrer Stelle, wenn ich Sie wäre) würde mal wieder Urlaub machen],
Fragesatz („Sollten Sie nicht mal wieder Urlaub machen?“) oder Ausrufesatz („Sie
sollten mal wieder Urlaub machen!“) eingekleidet sein (vgl. Buchka 1998, 238ff.). Im
Unterschied zu den Aufforderungen seien Ratschläge jedoch schon erfolgreich,
„wenn sie in den Handlungsentschlüssen des Adressaten berücksichtigt werden,
während eine Aufforderung nur erfolgreich ist, wenn sie befolgt wirdG“ (Wunderlich
1976b, 149) Mit den Repräsentativa bzw. Feststellungen hat das Beraten gemein,
dass es sich auf einen bestehenden Sachverhalt bezieht und auch mit einem Aussagesatz ausgedrückt werden kann. Der entsprechende Sachverhalt ist aber, selbst
beim Ratschlag im Sinne Weigands, ein konditionaler Zusammenhang zwischen einer Handlung und deren Folge: „Wenn jemand Urlaub macht, dann kann er sich erholen.“ Und im Unterschied zur Feststellung ist ein Rat erst erfolgreich, wenn die
Folgen des Konditionalzusammenhangs erwünscht oder befürchtet werden, während
eine Feststellung schon erfolgreich ist, wenn sie zur Kenntnis genommen wird.
Solche sprechakttheoretischen Kennzeichnungen sind anhand von erstens transitiven und zweitens einfachen Beratungskommunikationen gewonnen worden. Es stellt
sich die Frage, ob der Dialog von Fragen und Raten auch für reflexive und komplexe
Beratungen gültig ist. Wenn man die reflexive Beratung als transitive Beratung mit
ständig wechselnden Rollen versteht, stehen auch hier Frage und Rat im Zentrum.
Für komplexe Beratungen spielen auch andere Dialogsequenzen eine tragende Rolle. Dem Frage-Rat-Dialog ist hier immer ein eine dialogische Sprechaktsequenz vorgeschaltet, in der der Ratsuchende in einer „Problempräsentation“ sein Anliegen benennt und beschreibt und der Beratende zur „Entwicklung einer Problemsicht“ (Kallmeyer 1985, 91) sein Verständnis des Anliegens sichert. Dewe und Schwarz differenzieren hier zwei Sequenzen und sprechen von der „autonomen Darstellung“ (Ratsuchender) und dem „Nachfragen“ (Beratender) in der ersten, von „Nachfragen und
Kommentaren bezüglich der Deutungen“ (Ratsuchender) und von „Deutungen des in
den Aussagen des Klienten dargestellten Materials“ (Beratender) (Dewe/Schwarz
2011, 86).
Diese Sequenz bzw. diese beiden Sequenzen, die nicht mehr so einfach bestimmten
Sprechakttypen zuzuordnen sind, können in der einfachen Beratung fehlen. Umgekehrt kann in der komplexen Beratung der Dialog aus Frage und Rat fehlen und sich
das Gespräch in einem Dialog aus „Problempräsentation“ und „Problemsicht“ erschöpfen kann. Der Beratung muss dann nicht eine formulierbare Frage zugrundeliegen und sie muss auch nicht in einem Rat gipfeln. Zusätzlich muss die Reaktion des
18
Ratsuchenden auf die Präsentation des Anliegens nicht nur aus (rück-) fragenden
„Prozeduren der Verständnissicherung“ (Wunderlich 1976a, 351) bestehen, sondern
kann auch ein dem Selbstverständnis des Ratsuchers dienendes non-direktives aktives Zuhören und spiegelndes Zureden oder ein direktives steuerndes Nachfragen
beinhalten.
Will man die Akte von Ratsuchendem und Beratendem nicht nur im engeren Sinne
als Sprechakte kennzeichnen, sondern interaktiv weiter ansetzen, sind das Suchen
auf Seiten des Ratsuchenden und das Zeigen auf Seiten des Beratenden hilfreiche
Begriffe. Sie binden die entsprechenden Interaktionen nicht an bestimmte Sprechakte und passen auch zu komplexen Beratungen, in denen der Dialog aus Frage und
Rat im Einzelfall entfallen kann. Das Suchen, das „Rat-Suchen“, ist dabei als Bemühen zu verstehen, durch Prozesse des Überlegens und Erwägens (Funke 2008; vgl.
9) auf neue bzw. andere Ideen zu kommen. So bezeichnet der Psychologie Gerd
Jüttemann das Erwägen treffend als „Suchprozess der Seele“ (Jüttemann 2008). Das
ungefähre Synonym „Hinweis“ für „Rat“ eröffnet die Möglichkeit, die Tätigkeit des Beratens analog als „hinweisen“ zu bezeichnen. Solche Hinweise können auch implizit
gegeben sein oder sich indirekt ergeben. Ich ziehe jedoch aus zwei Gründen vor, von
„(auf-) zeigen“ statt von „(hin-) weisen“ zu sprechen. Erstens transportiert die Wortfamilie um „weisen“ neben passenden Bedeutungen (auf-, hin-, verweisen) auch
auszuschließende Bedeutungen der Aufforderung (anweisen) und Unterrichtung (ein, unterweisen). Zweitens ist „das Phänomen Zeigen G zu einem viel beachteten Objekt wissenschaftlicher Aufmerksamkeit geworden, und dies in durchaus verschiedenen Disziplinen: Verhaltenswissenschaftler, Philosophen, Evolutionsbiologen, Pädagogen, Bildwissenschaftler und Anthropologen beschäftigen sich explizit mit den verschiedenen Spielarten des Zeigens“ (Wiesing 2013, 9; vgl. auch Berg/Gumbrecht
2010, Boehm/Engenhofer/Spies 2010). Während die reflexive Beratung noch ohne
ein Zeigen als gemeinsames Suchen (und Wägen, vgl. 9) verstanden werden kann,
kommt die transitive Beratung nicht ohne ein Zeigen aus. Sie erschöpft sich aber
auch nicht im Zeigen, sondern ist vielmehr als Wechselspiel von Suchen und Zeigen
zu sehen.
11 Themen der Beratung
Bisher habe ich Beratung als Mit-jemandem-(Er-, Ab-)Wägen, verteilt auf die beteiligten Rollen mit Einschränkung als (Er-) Fragen und (Be-) Raten, allgemeiner als Suchen und Zeigen beschrieben. Es fehlt noch das Thema. Die Bestimmung bleibt
sonst noch unvollständig und zu unspezifisch. Was wird erwogen, was gesucht - was
erfragt oder geraten, gesucht oder gezeigt ? Schon das Verb „beraten“ hat syntaktisch nicht nur ein persönliches (Akkusativ- oder Präpositional-) Objekt, sondern auch
ein sächliches: Es wird immer etwas (Akkusativobjekt) oder über, bei, in etwas (Präpositionalobjekt) beraten (vgl. Abb. 3).
Auf den ersten Blick ist das Spektrum möglicher Beratungsthemen von A bis Z, von
der Anlageberatung bis zur Zuchtberatung, so breit, dass eine Auflistung sinnlos erscheinen muss. Auch wenn man sich auf die formelle, personenbezogene und öffentliche Beratung beschränkt und eine entsprechende Liste nach Themenfeldern sortiert, z.B. der Rechts- und Verbraucherberatung, der Bildungs- und Berufsberatung,
der Erziehungs- und Familienberatung und der Gesundheits- und Lebensberatung,
19
bleiben die Beratungsthemen unübersichtlich. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es immer um Handlungen geht: bestimmte Handlungen wie z.B. die Erziehung, Handlungen auf bestimmte Inhalte wie z.B. den Beruf bezogen oder ein
Netz von Handlungen, als das man das Leben verstehen kann. Und geht es um die
Haltungen im Hintergrund dieser Handlungen.
Es wird primär über Handlungen und Haltungen beraten – und übrigens auch entschieden. Die Themen von A bis Z sind im Hinblick auf eine Definition der Beratung
sekundär. Die Themen unterscheiden sich, da Beratung auch kurz als Entscheidungsvorbereitung definiert werden kann, nicht von denen der Entscheidung. Beraten und entschieden wird erstens über Handlungen. Ausgeschlossen ist, in der Terminologie Max Webers (Weber 1921/1985b, 542), das bloße „(Sich-)Verhalten“.
Handeln ist im Unterschied dazu mit einem „subjektivem Sinn“ verbunden, anders
gesagt intendiert, anders betrachtet „unterlassbar“ (Hartmann 1996, 73). Eingeschlossen sind, wiederum mit den Worten Webers, das „Unterlassen“ und „Dulden“
(Weber 1921/1985b, 542). Hinzu kommen ebenfalls, von ihm nicht explizit bedacht,
Sprechhandlungen. Wenn sich z.B. ein Gericht zurückzieht, berät es (sich über) einen Urteilsspruch. Wenn ein Forschungsteam empirische Ergebnisse bespricht, berät es (sich über) Thesen. Das sind nur zwei markante Beispiele für das Thema
Sprechen. Zu ergänzen wäre es noch um das Schreiben. Wenn z.B. ein Parlament in
sogenannten „Lesungen“ einen Gesetzentwurf diskutiert, berät es sich über Gesetze,
d.h. schriftlich gefasste Rechtsnormen. Wenn ich im Folgenden nur noch vom „Handeln“ spreche, ist das Sprechen und Schreiben stets mitgemeint.
Desweiteren kann existentiell über das eigene Selbst bzw. persönliche Sein, über
das „Selbstsein“ beraten und entschieden werden: über die Frage „Wie sein?“ statt
„Was tun?“ (vgl. Luckner 2007). Hier steht eine innere Haltung, nicht eine äußere
Handlung im Vordergrund. So wird z.B. in der Ethik, die das Gute von Menschen
thematisiert, eine Ethik des Seins bzw. der Tugenden von einer deontologischen des
Handelns und einer teleologischen seiner Folgen unterschieden.
„Das Feld der Praxis lässt sich G [für personenbezogene Beratungen] skalieren, wobei am einen Ende der Skala die Einzelhandlung, am anderen Ende die bestimmte
Konfigurationseinheit der Lebensform steht.“ (Luckner 2007) Das gleiche gilt für die
einzelnen Haltungen bis hin zu breit angelegten Lebenseinstellungen. Nach dem
„Umfang des Regelungsbereichs“, der „zeitlichen Reichweite“ und dem „subjektiven
Gewicht“ lassen sich thematisch ganz grob personenbezogen zwei Beratungsarten
unterscheiden, die ich für Handlungen, bedingt auch Haltungen, „Fachberatung“, für
das Leben und die darauf bezogenen Einstellungen „Lebensberatung“ nennen möchte (vgl. z.B. Kraft 2009, 47). Die Beratungstheoretikerin Erna Hruschka spricht von
„sachinhaltlich bedingten“ und „person-zentrierten Problemen“ (Hruschka 1969,
72/80). Während sich die Fachberatung eher kurzfristig auf begrenzte und oft nicht
so (ge-) wichtige Themen bezieht, widmet sich die Lebensberatung den Handlungen
und Haltungen, „die besonders langfristig, umfassend und gewichtig sind“ (Steinfath
2001, 298). Die Unterscheidung zwischen Fach- und Lebensberatung lässt sich
überkreuz mit der Differenz von Ratschlag und Beratung (vgl. 9) kombinieren. Die
Fachberatung tendiert zwar mehr zur einfachen und die Lebensberatung mehr zur
komplexen Beratung. Diese Tendenzen sind aber nicht zwingend. Eine Fachberatung kann, wenn sie mehr prozess- als ergebnisorientiert und eher non-direktiv erfolgt, komplex sein. Und eine Lebensberatung kann, falls sie wie bei „charismatischen Ratschlägen (vgl. 9) thematisch eher von Parteilichkeit als von Neutralität und
20
direktiv geprägt ist, einfach ausfallen. Die neutrale Lebensberatung deckt sich zu einem großen Teil mit der sog. „psychosozialen Beratung“ zu „Themen der persönlichen Lebensführung“ (Großmaß 2006, 486). Sie wird oft als „counselling“ von der
„guidance“ genannten komplexen Fachberatung unterschieden (vgl. Nestmann
2007).
Der Einfachheit halber bleibe ich bei den Handlungen und Haltungen und vernachlässige die Breite des Lebens in Lebensweise und Lebenseinstellung. In Beratungen
werden nicht Handlungen und Haltungen an sich, sondern konkrete, nicht vergangene oder gegenwärtige, sondern zukünftige Handlungen und Haltungen thematisiert.
„Handeln kann sich nur dort vollziehen [und Haltung sich nur dort verändern; der
Verf.], wo die Dinge auch anders sein können, wo sich, mit anderen Worten, die Zukunft gestalten läßt. Dem (zeitlichen) Modus der Zukunft entspricht die (logische)
Modalität der Möglichkeit. (G) Die Welt der Handelnden ist eine Welt der Möglichkeiten, denn die Zukunft ist nicht festgelegt, während sich die Vergangenheit als Welt
der Faktizität nicht mehr ändern lässtG (G) Ohne Zukunft kann nichts Neues entstehenG Entscheiden kann man sich nur in einer Welt, die nicht vorherbestimmt ist.“
(Herzog 2002, 154) Diese Verknüpfung der Zeit der Zukunft mit der Modalität der
Möglichkeit übernimmt Walter Herzog, von dem dieses Zitat stammt, von dem Philosophen Georg Picht (Picht 1980). Zu ergänzen wären der zeitliche Modus der Zukunft und der logische der Möglichkeit sprachlich durch grammatischen Modus des
Konjunktivs, genauer des Konjunktivs II, auch „coniunctivus irrealis“ genannt. Jede
Beratung ist eine „Tätigkeit im Konjunktiv“ (Herzog 2008, 213).
In Beratungen werden, so meine These, Möglichkeiten thematisiert, und zwar Handlungs- und Haltungsmöglichkeiten. Im Erwägen werden Möglichkeiten im theoretischen Sinne erwogen: was in der Vorstellung sein könnte, was denkbar ist. Der Konjunktiv der Beratung verlangt Phantasie, ganz neutral, aber auch empathisch. Diese
theoretischen oder Denk-Möglichkeiten werden auch „Optionen“, bei mehreren „Alternativen“ genannt, während man die praktischen, auf Realisierbarkeit bezogenen
Möglichkeiten als „Potentiale“ bezeichnen kann. Die erwogenen Optionen werden
neben ihrer Wünschbarkeit auf ihre personale, sachliche (Können) und soziale Realisierbarkeit (Dürfen) hin abgewogen. Das Erwägen und Abwägen von Optionen hat im
Unterschied zum Ernst der Entscheidung immer etwas Spielerisches. In der gemeinsamen Reflexion wird ein Spiel-Raum der Möglichkeiten eröffnet. Über die Zukunft
nachzudenken bedeutet gedanklich Möglichkeiten durchzuspielen und, zwischen Indikativ und Imperativ, im Modus des Konjunktivs zu sprechen. Die Möglichkeiten
können von der gegenwärtigen Wirklichkeit zeitlich mehr oder minder weit entfernt
liegen und im Vergleich sachlich mehr oder minder wahrscheinlich sein.
Handlungen werden „nach Zweck, Mitteln und Nebenfolgen orientiert“ (Weber
1921/1985, 566), aber auch nach äußeren und inneren Randbedingungen. Nebenfolgen und Randbedingungen können bei Entscheidungen nur berücksichtigt, aber
nicht gewählt werden. Sie sind gleichwohl Thema von Beratungen. Die können sich
sogar in einer Folgenabschätzung oder einer Situationsklärung erschöpfen, wenn die
erwartbaren zukünftigen Nebenfolgen oder die gegenwärtigen Randbedingungen so
unklar und damit klärungsbedürftig sind, dass noch kein Gedanke an Handlungen
und Entscheidungen zu Zwecken oder Mitteln verschwendet werden kann. Der
Zweck bzw. das Ziel als erwünschte (Haupt-) Folge kann auch in der Handlung selbst
bestehen. Solche „Selbstzweckhandlungen“ (Hartmann 1996, 79) – der Weg ist das
Ziel - werden um ihrer selbst willen ausgeführt. Zweckhandlungen wurden von Aristo21
teles „Poiesis“, von Max Weber „zweckrational“ und von Martin Heidegger „Bewirken“
genannt, die Selbstzweckhandlungen „Praxis“, „wertrational“ und „Vollbringen“. Die
angezielten Zwecke und Ziele erfordern entsprechende Mittel und Wege. Dabei kann
jeder Zweck seinerseits ein Mittel zu einem weiteren darstellen. Zum Zeitpunkt der
Erwägung von Handlungsmöglichkeiten können unter Nebenfolgen nur erwartbare,
nicht die tatsächlichen Folgen bzw. Wirkungen gemeint sein. Solche Nebenfolgen
können sowohl erwünscht als auch unerwünscht sein. Zuletzt haben Handlungen
nicht nur Folgen, sondern unterliegen auch aktuellen Bedingungen: Motiven als inneren, Situationen als äußeren Bedingungen. Mögliche Handlungen zu erwägen bedeutet also mögliche Zwecke und Mittel, Nebenfolgen und Rahmendbedingungen zu
bedenken. Dabei sollten Zwecke und Mittel nicht, wie im Rubikon-Modell, auf zwei
Handlungsphasen verteilt werden: das Abwägen der Zwecke vor und das Planen der
Mittel nach dem Rubikon einer Entscheidung. Dazu hängen sie zu eng zusammen.
In „praktischen Überlegungen“ (Steinfath 2001, 14f.) und ihnen gewidmeten Beratungen werden also vor dem Hintergrund gegebener innerer und äußerer Randbedingungen antizipierend mögliche Zwecke, Mittel und Nebenfolgen reflektiert. Unklar
können alle oder einzelne dieser Handlungsaspekte sein. So hat der Psychologe
Dietrich Dörner auf Probleme bezogen eine Typologie entwickelt, bei der einzelne
Aspekte zu erwägen sind: mal die Zwecke (dialektische Probleme), mal die Mittel
(Syntheseprobleme) und mal die Kombination von Mitteln (Interpolationsprobleme)
sind. Diese Typologie ist für Beratungen aus zwei Gründen unvollständig. Zum einen
sind nicht nur einzelne Zwecke oder Mittel zu suchen und zu erwägen, später zu
wählen, sondern es ist auch zwischen mehreren gefundenen Zwecken oder Mitteln
abzuwägen und einer bzw. eines auszuwählen. Dementsprechend können für Beratungen neben den drei von Dörner identifizierten weitere Zweck-Mittel-Probleme
identifiziert werden (Hruschka 1969; Kluck 1984, 18f.; ). Zum anderen ist in Beratungen oft genug ein einzelnes Problem selbst oder im Verbund mit anderen Problemen
unklar (Kluck 1984, 17ff.). Dann wären noch die Handlungsaspekte der Nebenfolgen
zu ergänzen, womit die Zahl der Beratungsgesichtspunkte weiter zunehmen würde.
In welcher Reihenfolge die genannten Handlungsaspekte zu thematisieren sind, ist
wohl nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall entscheidbar. Schon innerhalb des
meistdiskutierten Handlungsmodells des zweckrationalen Handelns sind die „Stationen der Handlungsorganisation“ (Dörner 1989, 67) nicht so eindeutig aufzureihen,
wie es sich aufzudrängen scheint. Neben der handlungsorientierten Logik der Reflexionsfolge von Zwecken, Bedingungen und Mitteln ist mindestens auch eine lageorientierte Logik von Bedingungen, Mitteln und Zwecken denkbar, worauf der Soziologe
Hans Joas in seiner Kritik herkömmlicher Handlungstheorien verwiesen hat (Joas
1996). Bereits 1935 hat der Gestaltpsychologe Karl Duncker „zwei fundamentale
Suchprozesse G gegenüber gestellt: die am gegebenen Zustand orientierte Situationsanalyse, von der aus man vorwärtsgerichtet sucht, und die am geforderten Zielzustand orientierte Zielanalyse, von der aus eine rückwärtsgerichtete Suche starten
kann.“ (Funke 2008, 74) Der Soziologe Dirk Baecker hat im Vergleich zwischen
westeuropäischem und ostasiatischem Denken zwei Handlungskonzepte identifiziert,
die diesen beiden Logiken entsprechen: „Das teleologische Modell misst das Handeln an den Zielen, die es sich setzt, mit entsprechend großen Chancen, ein Situationspotential zu übersehen, das sich für alternative Ziele und alternative Handlungen
hätte nutzen lassen. Das situative Modell schaut von vorneherein auf die Situation
und ihr Potential und lässt sich nur daran messen, ob Chancen, der Situation eine
andere Wendung zu geben, gesehen wurden oder nicht. (G) Das teleologische Mo22
dell hält die Situation latent, in der es zu verschiedenen Zielsetzungen kommt. Es
zieht die Aufmerksamkeit von der Gegenwart ab und richtet sie auf eine Zukunft, in
der es bestimmte Ziele zu erreichen giltG Das situative Modell hingegen hält die
Zielsetzungen latent.“ (Baecker 2008, 32f.)
Die Haltungen, das zweite Thema von Beratung, richten sich nicht nach Zwecken
und Mitteln, sondern nach Idealen aus. „In Idealen G manifestiert sich, wie bzw. wer
(oder was für eine Person) wir sein wollen. Man könnte sie deswegen auch als von
uns geschätzte und positiv bewertete ‚Seinsweisen’ oder ‚Weisen zu sein’ bezeichnen.“ (Steinfath 2001, 313)
Themen der Beratung, so habe ich gesagt, sind Handlungen und Haltungen, personenbezogen letztendlich das ganze Leben und die Einstellung zum Leben. Für den
Fall der komplexen Beratung, die nach der Unterscheidung von Bollnow „begründet“
(vgl. 9) erfolgt, fehlen noch die Gründe als Thema. Da sie sich ihrerseits auf die
Handlungen und Haltungen als direkte Themen beziehen, sind sie eine Art von Metathema.
Gründe sind in der Phase des Abwägens gefragt. Sie geben an, warum eine einzelne
Handlung bzw. Haltung oder welche von mehreren Handlungen bzw. Haltungen gewählt werden könnte. Auf die Mittel und Wege bezogen werden Gründe technologisch reflektiert. Hier werden „instrumentelle Entscheidungen“ (Bieri 2005, 54f.) vorbereitet. Für die Zwecke und Ziele von Handlungen, aber auch für Haltungsideale, ist
die Ethik die maßgebliche Disziplin. Sie kann zunächst auf den (individuellen) Umgang mit sich selbst bezogen sein. Diese auf das Selbst bezogene (Individual-) Ethik
wird seit einiger Zeit Philosophie der „Lebenskunst“ (Höffe 2009) genannt. Sie hilft,
„substantielle Entscheidungen“ (Bieri 2005, 61f.) zu Zielen und Idealen vorzubereiten. Der Philosoph Andreas Luckner nennt letztere „existenzielle Entscheidungen“
(Luckner 2007, 14). Ethik kann sich aber auch, und das ist seit Kant die vorherrschende Ansicht, auf den (sozialen) Umgang mit anderen richten: als Philosophie der
„Moral“ (Höffe 2009). Der Philosoph Jürgen Habermas (1991) spricht in anderer
Terminologie vom „technischen“ (Mittel von Handlungen), „ethischen“ (Zwecke von
Handlungen) und „moralischen“ (soziale Handlungen) „Gebrauch der praktischen
Vernunft“. Immanuel Kant, auf den er sich implizit bezieht, unterschied „die technischen Imperativen oder Regeln der Geschicklichkeit, die pragmatischen [bei Habermans „ethischen“; der Verf.] Imperative oder Ratschläge der Klugheit und die moralischen Imperative bzw. Gebote der Moral“ (Luckner 2008, 10).
Die ethischen Begründungen müssten allerdings erweitert werden. Im normativen
Kontext sozialen Handelns spielen neben Fragen der Moral auch Fragen von Recht
und Sitte eine maßgebliche Rolle und damit juristische und soziokulturelle Gründe.
Auch die schwer zuzuordnenden Phänomene von Anstand und Takt (vgl. Scheer
2008) wären zu berücksichtigen. Im evaluativen Kontext selbstbezogenen Handelns
wären lebenskunstphilosophische um ästhetische Begründungen zu ergänzen. Das
wäre wichtig, wenn man Geschmacksurteile nicht nur auf „Gegenstände bezieht –
auf Artefakte (Kunst) wie auf natürlich gegebene (Naturästhetik) -“ (Birnbacher 2003,
52), dann noch auf Tanz und Theater, sondern auch auf (kunstfreie) Handlungen.
Dann könnte man z.B. auch Antworten auf Fragen des (Lebens-) Stils begründen.
23
12 Anlass der Beratung
Anlass jeglicher Beratung ist, noch ganz allgemein gesprochen, ein Anliegen in bzw.
zu einer (für relevant erachteten) Angelegenheit. Das Anliegen ist ein Veränderungswunsch. Die Veränderung gilt der Angelegenheit.
Das Anliegen kann jemand am Herzen liegen, der dazu einen Rat sucht (ersuchte
Beratung). Dieser Fall kommt in Situationen transitiver und reflexiver Beratung vor.
Beim reflexiven Beraten wird der Rat gegenseitig gesucht. Nur in transitiven Beratungssituationen sind noch weitere Varianten geläufig, wer jeweils ein Anliegen hegt
und dementsprechend die Initiative ergreift. Das Anliegen kann auch jemanden bewegen, der ungefragt einen Rat erteilen möchte (ungebetene Beratung). Schließlich
kann es stellvertretend für jemanden einen Dritten motivieren, diesen Jemand zu
veranlassen, einen Rat zu suchen (geforderte Beratung), oder jemand anderen, diesem einen Rat zu erteilen (beauftragte Beratung). Wenn die Aufforderung, einen Rat
zu suchen bzw. eine Beratung aufzusuchen, durch eine gesetzliche oder andere
Norm legitimierbar ist, kann die Veranlassung zum Zwang gesteigert sein (erzwungene Beratung).
Im Regelfall hat man nur den Fall der ersuchten Beratung im Blick. Entsprechend
spreche ich von der Rolle des „Ratsuchenden“. Die zu beratende Sache ist in allen
Fällen für gewöhnlich eine eigene Angelegenheit. Sie kann aber immer auch, insbesondere bei der ersuchten Beratung, eine fremde oder eine allgemeine Angelegenheit sein. Die Beratung erfolgt dann stellvertretend. So kann jemand für jemand anderen eine Beratung aufsuchen oder sich eine Gruppe im Interesse einer Allgemeinheit gegenseitig beraten.
Das Anliegen gilt einer gegenwärtigen oder zukünftigen Angelegenheit. In der Literatur zur Beratung steht zumeist eine gegenwärtige und unerwünschte Situation im
Vordergrund, d.h. ein Problem. Der Wunsch besteht darin, die problematische Situation zu beseitigen. So sehen Christiane Schiersmann und Heinz-Ulrich Thiel Beratung in ihrer allgemeinen Beratungstheorie als „Hilfe zum Lösen einer subjektiv bedeutsamen, zumeist komplexen Problemsituation“. In dieser Bestimmung hätten „die
meisten Beratungsansätze und –definitionen einen gemeinsamen Nenner“ (Schiersmann/Thiel 2012, 92). Wenn das Problem aktuell oder prinzipiell nicht lösbar ist, besteht zumindest noch das Anliegen der Problemverminderung. Sobald die unerwünschte Angelegenheit noch in der Zukunft liegt und eine problematische Situation
verhindert werden soll, verschiebt sich das Anliegen von der Korrektur zur Prävention. Beratung wird in beiden Fällen als Hilfe im Sinne einer Nothilfe verstanden: als
Hilfe zur Problembewältigung oder zumindest Problemverminderung und zur Problemvermeidung. Im Kontext der Medizin sind die Ansätze allseits als Therapie, Palliation und Prophylaxe bekannt.
Diese Anliegen, die sich auf unerwünschte Situationen bzw. Probleme beziehen,
müssen aber um erwünschte Angelegenheiten bzw. Entwicklungswünsche ergänzt
werden. Die nenne ich, weil sie im Unterschied zu Problemen eröffnen, nicht einschränken, „Potentiale“. Somit setze ich neben die Problem- zusätzlich eine Potentialorientierung. Ich spreche dabei bewusst nicht von einer „Ressourcenorientierung“
(vgl. Nestmann/Werner 2012), weil die immer noch problemorientiert gemeint sein
kann und dazu lediglich an Schutz- statt an Risikofaktoren ansetzt. Wenn die erwünschten Angelegenheiten in der Gegenwart liegen, besteht der Wunsch mindes24
tens in deren Erhaltung, oft aber auch in deren Verbesserung, zusammen in ihrer
Förderung (Promotion). Wenn es sich um zukünftige Situationen handelt, müssen sie
entsprechend erst herbeigeführt werden (Produktion).
Die hier entwickelte Einteilung von vier grundsätzlichen Beratungsanliegen ähnelt in
drei Punkten der Vierteilung des Beratungstheoretikers Frank Nestmann (2008, 79)
in die Funktionen der „Bewältigungshilfe“ (Korrektur), „Prävention“ und „Entwicklungsförderung“ (Promotion). Seine vierte Funktion, „Informationsbalance und Entscheidungsmanagement“, scheint mir quer zu den drei anderen Funktionen zu liegen.
Die bisher genannten Anliegen sind notwendige, aber noch keine hinreichenden Anlässe der Beratung. Ohne diese Anliegen gäbe es keine Beratung. Sie sind aber
noch nicht für Beratung kennzeichnend. Denn alle vier Anliegen sind mehr oder minder in allen Formen nicht nur kommunikativer Hilfe gegeben. Beratung als „Hilfe zum
Lösen einer subjektiv bedeutsamen, zumeist komplexen Problemsituation“ (Schiersmann/Thiel 2012, 92) zu verstehen, ist nicht nur wegen der Beschränkung auf Probleme, sondern auch wegen der fehlenden Spezifikation für die Beratungssituation
noch unzureichend. Während andere „Hilfen durch Kommunikation“ durch ein bestimmtes Anliegen gekennzeichnet sind, z.B. (Psycho-) Therapie durch das der Korrektur, evtl. noch der Prävention, oder (Aus- und Weiter-) Bildung durch das der Produktion, auch der Promotion, kann Beratung umgekehrt bei allen Anliegen und entsprechenden Hilfen eine Rolle spielen. Nur deshalb „durchzieht Beratung als ‚Querschnittsmethode’ G nahezu sämtliche Berufsfelder und all anderen Hilfe- und Informationsformen“ (Engel/Sieckendiek 2005, 164; z.B. Eichhorn/Schneider 2013, Kohlgraf 2013). Sie bezieht sich nur auf die entscheidungs- und handlungsvorbereitenden, nicht auf alle Phasen (Schiersmann/Thiel 2012, 95) des Problemlösens.
Spezifisch für Beratung ist ein bestimmtes Problem in Bezug auf diese ersten Phasen und die verschiedensten Anliegen und Themen: das Problem der Orientierungslosigkeit bzw. Desorientierung, das von leichter Unklarheit über gänzliche Unübersichtlichkeit bis zu schwerer Verwirrung reichen kann. Nichts anderes ist gemeint,
wenn man von „Ratlosigkeit“ spricht. Die Orientierungslosigkeit darf aber nicht aufgrund von Krankheiten, Unfällen, toxischen Einwirkungen oder Behinderungen entstanden sein. Georg Dietrich, der eine allgemeine Beratungspsychologie vorgelegt
hat, schreibt entsprechend: „Die Menschen, die in Beratung kommen, sind zumeist in
irgendeiner Weise desorientiert“ (Dietrich 1983, 2; vgl. auch Hruschka 1969, 62ff.).
Der Ratsuchende „kennt sich nicht mehr aus“ (Stegmaier 1993, 19). Beratung ist in
diesem Sinne gemeinsame Orientierung bzw. Klärung. Und Andreas Luckner formuliert in einem anderen Zusammenhang umgekehrt: „Die Form der Abwägung und
Aufdeckung von Möglichkeiten, wie einer Situation von Desorientierung beizukommen ist, G will ich G’Beratung’ nennen“ (Luckner 2005a, 228). Und er unterscheidet,
an den Themen von Beratung ansetzend (vgl. 11), eine „Desorientierung aufgrund
von Unerfahrenheit“ in Wegen (Luckner 2005b, 11), von „Unsicherheit“ über Ziele
(13) und von „Uneigentlichkeit“ (18) bezüglich eigener Ideale.
Das Orientierungsbedürfnis liegt quer zu den vier bisher unterschiedenen Anliegen.
Desorientierung als Beratungsanlass ist in Bezug auf gegenwärtige und zukünftige
Probleme und Potentiale gegeben. Dem individuellen Orientierungsbedürfnis entspricht, zumindest in den westlichen Kulturen der heutigen Zeit der (Post-) Moderne,
ein kollektiver Orientierungsbedarf. Unsere heutige pluralistische Gesellschaft ist
25
nach dem Soziologen Ralf Dahrendorf (1979, 50) durch ein verschobenes Verhältnis
von Kür und Pflicht charakterisiert. Die „Optionen“, d.h. die realen oder auch fiktiven
Wahlmöglichkeiten und mit ihnen die Wahlzwänge haben zugenommen, die „Ligaturen“, d.h. die Bindungsmöglichkeiten und –notwendigkeiten abgenommen. „Was tun,
ist die Gretchenfrage der ModerneG“ (Gross 1994, 393) Wir leben in einer „Multioptionsgesellschaft“ (a.a.O.). Mit der Vervielfachung der Optionen entsteht und wächst
der Orientierungs- und damit auch der Beratungsbedarf. „Ratlosigkeit ist keine der
geläufigen Epochen-Formeln, lässt sich aber unschwer als gemeinsamer Nenner der
unterschiedlichsten Beobachtungen der Moderne ermitteln.“ (Helmstetter 1999, 147)
Desorientierung muss zu Beginn oder im Verlauf der Beratung von der betroffenen
Person oder Gruppe artikuliert werden, um kommunikabel zu sein. Die Artikulation
hat die Form der Frage, d.h. einer Äußerung, mit der eine Antwort zur Beseitigung
einer Unklarheit, Unsicherheit, eines Nichtwissens, allgemein eines kognitiven Defizits herausgefordert wird. Fragen heißt Wissenwollen. „Die Frage der Beratung lautet
schlicht: ‚Was tun?‘“ (Macho 1999, 16) Diese Frage muss zudem das Personalpronomen „ich“ oder „wir“ enthalten (können). Allgemein formuliert lautet die „praktische
Grundfrage“ (Steinfath 2001, 15; vgl. Weber 1919/1985a, 598): „Was sollte ich tun,
was sollten wir tun?“. Umfassender: „Wie sollte ich, wie sollten wir leben (arbeiten,
lieben, etc.)?“ Zu ergänzen wäre die haltungsbezogene Frage „Wer sollte, wer sollten
wir sein?“. Die Handlungsfrage könnte nach den Unterthemen der Beratung (vgl. 11)
in die Fragen „Was ist?“ (Situation), „Was könnte wie sein?“ (Mittel), „Was sollte
sein?“ (Ziel) und „Was würde sein?“ (Nebenfolgen) differenziert werden, die Haltungsfrage in „Wer bin ich?“, „Wer könnte ich wie sein?“, „Wer sollte ich sein?“ und
„Wer würde ich sein?“.
13 Ziel der Beratung
Die Antwort auf die Frage, wozu bzw. woraufhin beraten wird, ist auf den ersten Blick
schon sprachlich vorgegeben. Angezieltes Resultat der Beratung ist ein Rat. Wird er
für etwas erteilt, ist er eine Empfehlung. In dem Fall, dass man sich mit dem Rat gegen etwas ausspricht, ist es eine Warnung. Ebenso liegt es auf der Hand, dass ein
Rat keine Weisung darstellt und sauber von ihr zu trennen ist. Dazwischen lag schon
in der patristischen Theologie der Spätantike eine klar gezogene Grenze zwischen
„consilia“ (Ratschlägen) und „praecepta“ (Weisungen) (Buchheim/Kersting 1992, 34).
Im Falle der reflexiven Beratung entspringt der Rat dem gemeinsamen Überlegen.
Die Beteiligten erteilen sich ihn gewissermaßen selbst. Aber auch in der transitiven
Beratung ist der Rat nicht einfach eine „entscheidungsverbessernde, problemorientierte, kommunikative Vorgabe“ (Krämer 1992, 344) des Beratenden. Auch hier kann
sich der Ratsuchende selbst be-raten, während ihn der Beratende nur im Prozess
des Suchens unterstützt. Auf den zweiten Blick muss nicht jede Beratung in einem
Rat gipfeln, auch nicht in einen reflexiv gewonnenem. In einzelnen Fällen kann noch
kein oder soll überhaupt kein Rat gegeben oder gefunden werden. In diesen Fällen
ist aber als Zielminimum eine Orientierung im Sinne eines Orientiertseins anzusetzen. Dieses Ziel korrespondiert dann mit dem Anlass der Orientierungslosigkeit und
dem Prozess des Sich-Orientierens (vgl. 15). Während der Rat als Ziel fast nur für
einfache Beratungen geeignet ist, passt die Orientierung auch für komplexe und damit für alle Beratungen.
26
14 Beteiligte der Beratung
Jedes Beratungsgeschehen verteilt sich auf mindestens zwei Personen und immer
auf zwei Rollen: den Ratsuchenden und den Beratenden. Diese Rollen sind immer
an Personen gebunden, aber nicht zwingend (a) an immer dieselben Personen, (b)
an einzelne Personen.
(a) Der gesuchte Beratungsbegriff soll entgegen den fachwissenschaftlich üblichen
Bestimmungen auch für Beratungssituationen gelten, „wo nicht der eine Mensch den
andern G berät, sondern wo Menschen sich zusammen beraten, d.h. wo sie im
wechselseitigen Gespräch miteinander Rat halten“ (Bollnow 1977, 81). Ich habe die
erste Situation des Jemanden-Beratens „transitive“, die zweite des Sich-Beratens
„reflexive Beratung“ genannt. Beide Beratungssituationen können auch zugleich gegeben sein, wenn z.B. in einer und für eine reflexive Beratung Dritte, dann transitiv
Beratende konsultiert werden.
Der zentrale Unterschied zwischen der transitiven und reflexiven Beratung liegt in der
Betroffenheit. Im Falle der transitiven Beratung ist nur ein Teil der beteiligten Personen vom Anlass und Ziel der Beratung, von der gesuchten Entscheidung und Handlung tangiert, im Falle der reflexiven Beratung sind es alle. Hier sind alle Beteiligten
Betroffene, dort ein Teil Beobachter. Die Rollen des Ratsuchenden und des Beratenden werden reflexiv auf alle beteiligten Personen verteilt und wechselweise wahrgenommen werden. In der transitiven Beratung dagegen ist die Rollenverteilung an bestimmte Personen gebunden, die entweder Ratsuchende bzw. Betroffene oder Beratende bzw. Beobachter sind.
Die Beziehung zwischen Ratsuchendem und Beratendem ist transitiv gesehen
asymmetrisch, reflexiv betrachtet symmetrisch.8 Die Asymmetrie der transitiven Beratung ist in direktiven Beratungskonzepten inhaltlicher, in non-direktiven formaler Natur. Sowohl in der transitiven als auch der reflexiven Beratung gibt es die Fälle indirekter Betroffenheit. Hier ist keiner der Beteiligten direkt tangiert, sondern jemand
Drittes. In der transitiven Beratung ersucht dann der Ratsucher stellvertretend für
jemanden Rat, der sich z.B. nicht darum kümmern kann oder will. Wenn die Betroffenheit in der reflexiven Beratung verschoben ist, besprechen sich alle Beteiligten im
Interesse, mitunter auch im Namen einer, mehrerer oder vieler anderer Personen.
(b) Während die reflexive Beratung immer Fragen von mindestens zwei Personen
bzw. einer Gruppe9 gilt, kann sich die transitive Beratung sowohl auf Fragen einzelner Personen als auch von Gruppen im weiten Sinne beziehen. In diesem Verständnis ist die reflexive Beratung zugleich eine kollektive Beratung, während die transitive
Beratung in einer individuellen und einer kollektiven Variante vorkommt. Natürlich
kann nicht nur die Rolle des Ratsuchenden, sondern auch die des Beratenden mehrfach besetzt sein. Im klassischen Fall eines einzelnen Machthabers mit mehreren
Beratern ist sogar nur die Rolle des Beratenden mehrfach besetzt. Hier soll aber, für
8
Wenn Beratung als Hilfe, und zwar als „Hilfe durch Kommunikation“ (Göppner 1984) verstanden wird, genauer als „Hilfe zur Selbsthilfe“ (Schiersmann/Thiel 2012, 73) statt als „Stellvertretungs-Interaktion“ (Pohlmann
2006, 35), gilt diese Kennzeichnung eigentlich nur für die transitive Beratung. Da Hilfe gleich welcher Art eine
Asymmetrie voraussetzt, kann die reflexive Beratung und damit auch Beratung allgemein nicht als Form des
Helfens aufgefasst werden.
9
Den Sonderfall des Paares lasse ich außer Acht, auch wenn eine Gruppe nach Georg Simmel erst ab drei Personen gegeben ist.
27
die folgende Unterscheidung, die Singularität oder Pluralität nur der Rolle des Ratsuchenden im Vordergrund stehen.
Nach den an Beratungen beteiligten Personen lassen sich, wenn man beide bisher
getroffenen Unterscheidungen miteinander verknüpft, drei Beratungsformen unterscheiden: die reflexive, genauer reflexiv-kollektive, die transitiv-individuelle und die
transitiv-kollektive Beratung. In den beiden ersten Formen reicht es, wenn zwei Personen miteinander reden, während die letzte Form mindestens drei Personen voraussetzt: einen Beratenden (transitiv) und zwei Ratsuchende (kollektiv). Personenmehrheiten können Gruppen im engen Sinne, aber auch Organisationen oder politische Gremien sein und in privaten, beruflichen und politischen Kontexten vorkommen:
•
•
•
reflexive Beratung (Beratung in Gruppen: sich gemeinsam mit jemandem beraten): z.B. Intervision/kollegiale Beratung (beruflich), Beratung in politischen
Gremien (politisch)
transitiv-individuelle Beratung (sich individuell mit Hilfe von jemandem beraten)
o Beratung von Personen (Einzelberatung): z.B. Einzelsupervision, coaching (beruflich), Politikerberatung (politisch)
o Beratung von Personen in Gruppen (Gruppenberatung): z.B. Gruppensupervision, -coaching (beruflich)
transitiv-kollektive Beratung (sich kollektiv mit Hilfe von jemandem beraten)
o Beratung von Gruppen im engem Sinn: z.B. Paar-, Familienberatung
(privat), Teamberatung, -supervision, -coaching (beruflich)
o Beratung von Organisationen: z.B. Organisations-, Unternehmensberatung
o Beratung von politischen Gremien: z.B. Politikberatung
15 Beratung: sich mit jemandem orientieren
„Die Form der Abwägung und der Aufdeckung von Möglichkeiten, wie einer Situation
von Desorientierung beizukommen ist, um dem Bedürfnis nach Selbstorientierung
nachzukommen, kann man ‚Beratung’ nennen.“ (Luckner 2005, 228) Dieses aufschlussreiche Zitat zeigt, dass und wie Beratung einerseits mit dem Erwägen und
Abwägen, andererseits aber auch, jetzt von Interesse, mit dem Sich-Orientieren als
Alternative zum Begriff der Erwägens verknüpft werden kann. Das Sich-Orientieren
wird dann, wenn es „gemeinsam mit jemandem“ oder „mit Hilfe von jemandem“ erfolgt, zur Beratung. Andersherum: Beratung ist „(Neu-) Orientierung durch Kommunikation“ (Großmaß 2007). Das engl. Wort „guidance“, mit dem auch Beratungszusammenhänge bezeichnet werden (z.B. „vocational guidance“) und das auch und
besser mit „Orientierung“ als mit dem doppeldeutigen „Führung“ (Lenkung durch Hinweisen und Leitung durch Anweisen) übersetzt werden sollte, erinnert an den Zusammenhang von Beratung und Orientierung.
Orientierung ist nach Werner Stegmaier die „Leistung, sich in einer Situation zurechtzufinden, um Handlungsmöglichkeiten auszumachen, durch die sich die Situation
beherrschen lässt“ (Stegmaier 2008, 2). Für die Frage nach dem Begriff der Beratung
auf den Begriff der Orientierung zurückzugreifen statt mehr psychologisch das Er-
28
und Abwägen oder mehr soziologisch das Suchen und Zeigen in den Vordergrund zu
stellen, hat mehrere Vorteile.
a) Das Verbalsubstantiv „Orientierung“ kann sowohl für einen Vorgang (Orientieren) als auch für dessen Ergebnis (Orientiertsein bzw. Orientierung haben)
stehen. Seine Negation, die Desorientierung bis hin zur Orientierungslosigkeit,
vermag den Anlass der Orientierung zu markieren. Damit umschließt der Begriff Anlass, Ziel und Prozess der Beratung.
b) Alle Bedeutungen von „Orientierung“ sind für den Kontext der Beratung anschlussfähig. Die wörtliche Bedeutung des zuerst nur transitiv verwendeten
Ausdrucks galt der Ausrichtung einer Karte oder auch Kirche nach dem „Orient“, dem Aufgang der Sonne im Osten. Auf diesem ursprünglichen Sinn fußt
die Bedeutung des „Sich-oder-Etwas-Ausrichtens“, und zwar an oder nach etwas oder jemand. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts trat zuerst die
metonymisch übertragene Bedeutung des „Sich-Zurechtfindens zu Land und
zu Meer überhaupt“ (Stegmaier 2005, 24) hinzu. Gemeint war die reisebedingte Lokalisation von (Stand-, Ausgangs-, Ziel-) Orten und Wegen im Raum. Das
geographische und insgesamt räumliche Sich-Orientieren als „SichZurechtfinden“, „Übersicht“ und „Ausrichtung“ (Stegmaier 2008; 151, 177, 191)
dient der Beantwortung der Frage „Wo bin ich?“ und damit der Einortung wie
Einordnung des eigenen Standorts, der eigenen Position in einen größeren
räumlichen Zusammenhang. Sodann hilft die Orientierung bei der Lokalisation
anderer Stellen in einem weiteren Komplex, wie z.B. dem Ausgangs- und dem
Zielort der orientierungsbedürftigen Reise, und der Bestimmung des Weges dazwischen. Aus dieser räumlichen Bedeutung ergab sich bald, spätestens mit
Immanuel Kants Schrift „Was heißt: sich im Denken orientieren“ (1786, vgl.
Stegmaier 1992), metaphorisch übertragen die Bedeutung des „SichOrientierens in Leben und Denken“ (Stegmaier 2005, 24). Die dritte respektive
vierte Bedeutung des Worts „Orientierung“ ist das „Sich-oder-JemandInformieren“. Auch dieser Sinn ist für den Kontext der Beratung anschlussfähig
und verweist auf die Perspektiven der beiden beteiligten Rollen.
c) Sowohl in der räumlichen als auch in der lebenspraktischen Bedeutung des
„Sich-Zurechtfindens“ verweist der Begriff der Orientierung unmittelbar auf drei
respektive vier relevante Gesichtspunkte. Für die räumliche Bedeutung sind
die noch statischen Kategorien von Stand(-ort, -punkt), Weg und Ziel(-ort, punkt) bedeutsam. Dem Ziel als gewünschtem Ankunftsort entspricht noch der
zu erwartende. Was die raumenthoben lebenspraktische Bedeutung von „Orientierung“ betrifft, heißen die Kategorien aus Betroffenenperspektive „Situation“ („Lage, Stand, Umstände“), „Mittel“ und „Zweck“ nebst „Nebenfolgen“ (vgl.
11), aus Beobachterperspektive „Bedingungen“, „Prozesse“ und „Folgen“ an
sich.
d) Das Wort „Orientierung“ eröffnet zusätzlich eine normative Dimension bzw.
das Metathema der Gründe (vgl. 11), da es in der Bedeutung des „SichAusrichtens“ sprachlich durch eine Orientierungsinstanz ergänzt werden kann:
die „Orientierung als Halt“ (Stegmaier 2008, 226), d.h. die „Orientierung am
Guten“ (Steinfath 2001) im sachlichen und personellen Sinn, nicht nur am Osten (vgl. e). Man kann sich (mit jemandem) an etwas oder an jemandem orientieren. „Die Orientierung hält sich an Anhaltspunkte.“ (Stegmaier 2008, 237).
e) Der Begriff der Orientierung ist allgemein anschlussfähig. „’Orientierung’ ist
heute ein allgegenwärtiger Begriff ebenso im alltäglichen wie wissenschaftlichen und philosophischen Sprachgebrauch und dies in den meisten europäi29
schen Sprachen. Er wird, besonders in der Philosophie, zumeist zur Definition
anderer Begriffe gebraucht, ohne selbst definiert zu werden, und so ist ‚Orientierung’ ein Letzt- und Grundbegriff.“ (Stegmaier 2008, XV)
f) Das Wort „Orientierung“ steht auch für eine Metapher10, sogar für eine „absolute Metapher“ im Sinne des Philosophen Hans Blumenberg. Dadurch ist es
gerade in lebenspraktischer Hinsicht tauglich.
16 Schluss
Beratung ist, wie dargestellt und kurz gesagt: Orientierungskommunikation. Beratung
heißt: sich mit jemandem orientieren (vgl. 15). In diesem Prozess sind psychologisch
und beiderseits die Vorgänge des Erwägens und Abwägens (vgl. 9), soziologisch die
Handlungen des Suchens auf Seiten des Ratsuchenden, des Zeigens auf Seiten des
Beratenden inbegriffen (vgl. 10). Die Kennzeichen der Formel „sich mit jemandem
orientieren“ sind:
•
•
•
•
(sich mit jemandem orientieren) Die intransitive Formulierung „sich mit jemandem orientieren“ ist für beide Formen der Beratung, die reflexive und die transitive, offen: sich gemeinsam mit jemandem beraten (reflexiv) und sich mit Hilfe von jemandem beraten (transitiv). Die bisher vorliegenden Beratungstheorien konzentrieren sich dagegen auf die transitive Beratung.
(sich mit jemandem orientieren) Selbst innerhalb der transitiven Beratung legt
die Formel den Fokus auf die Perspektive des Ratsuchenden und sieht die
Kommunikation von seinem Standpunkt aus. Er gilt als der primäre. Im alltäglichen und oft auch fachlichen Verständnis von Beratung steht dagegen, im
professionellen Kontext durchaus nachvollziehbar, die Perspektive des Beratenden im Vordergrund. Sie gilt hier als abgeleitet bzw. sekundär.
(sich mit jemandem orientieren) Der Prozess des Beratens selbst wird als gemeinsames (Er-, Ab-) Wägen, als Suchen und Zeigen und, zugleich umfassend und kurz, als orientierende Kommunikation definiert. Viele andere Definitionen sind breiter angelegt und nicht um einen spezifischen Kern zentriert.
In Beratungen werden nicht nur Probleme erwogen, sondern auch Potentiale.
Insofern ist Beratung nicht nur ein Problemlösen. Sie ist nicht nur (Not-) Hilfe,
sondern auch Förderung, nicht nur „Hilfe für notleidende Menschen“, sondern
auch „Benefizienz“ (Wormser 1978, 98/110).
Nach dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun (vgl. 7), das Anlässe („Warum? Vorgeschichte: Geflecht der Anlässe“) und Ziele („Wozu? Ziele: Geflecht der
Ziele“), Themen („Was? Themen: inhaltliche Struktur“) und Beteiligte („Wer? Beteiligte: zwischenmenschliche und Rollenstruktur“) umfasst, lässt sich die Beratung als
Form der Kommunikation darstellen (Abb. 8). Meine Präsentation weicht insofern von
der Schulz von Thuns ab, als ich die Beteiligten auf zwei Rollen verteilt einzeichne,
womit sich um das Zentrum der Orientierungskommunikation herum ein kommunikationstheoretisches Dreieck (Sender – Empfänger – Nachricht) mit dem Thema als
Spitze ergibt. Es bleibt wie bei Schulz von Thun beim zeitlichen Strahl vom Anlass
links bis zum Ziel rechts.
10
Eine alternative, insbesondere visuelle Metapher wäre mit dem Adjektiv „klar“ gegeben. Beratung wäre in
diesem Bild Klärung im prozessualen Sinne des Klärens, bis hin zur „Aufklärung“: etwas mit jemandem (auf-)
klären; ihr Ziel Klärung im habituellen Sinne von Klarheit. Der Anlass von Beratung bestünde in einer Unklarheit (Trübung).
30
Der Vollständigkeit halber ist dieses Modell noch von der (räumlichen, zeitlichen und
sozialen) Situation, der Organisation, die für (halb-) formalisierte Beratungen relevant
ist, und zusätzlich der immer auch maßgeblichen Gesellschaft einzurahmen. Beratung variiert nach und mit diesen kontextuellen Rahmenbedingungen.
einfach
ohne
Grund
Anlass:
Desorientierung
Thema:
Handlung/
Haltung
Form:
sich 7 orientieren
→
reflexiv G mit
jemandem
gemeinsam G
→
Ziel:
Orientierung
transitiv G mit
Hilfe von jemandem G
Beteiligte(r):
Ratsuchende(r)
individ.
komplex
mit Grund
Beteiligte(r):
Beratende(r)
kollekt.
individ.
kollekt.
Situation
(Organisation)
Gesellschaft
Abb. 5: Kommunikationsmodell der Beratung
Im Vergleich zum alten Modell des „Beratungsfeldes“ von Martin Schmiel (1972, 55)
und dem neuen „Systemischen Kontextmodell der Beratung“ von Christiane
Schiersmann und Heinz-Ulrich Thiel (2012, 98) wird das eigentliche „BeratungsSystem“ (Schiersmann/Thiel 2012, 98) triadisch, nicht dyadisch gefasst: Zu den beiden Beratungsrollen des Ratsuchenden und Beratenden tritt notwendig als drittes
Kommunikationselement das Beratungsthema. Beratung reduziert sich nicht auf eine
Beziehung, auch wenn die von zentraler Bedeutung sein mag. Beratung ist, im
Rückgriff auf ein von der Psychoanalytikerin Ruth Cohn für einen anderen Zusammenhang geprägtes Wort, „themenzentrierte Interaktion“. Während der Ausschluss
des Themas bei Schiersmann und Thiel eindeutig ist, führt Schmiel außerhalb seiner
Grafik zumindest an einer Stelle textlich den „Beratungsgegenstand“ (Schmiel 1972,
52) ein. Bei den Rahmenbedingungen der Beratung lässt das Modell des Beratungsfeldes den Rahmen der Organisation, das Kontextmodell der Beratung den engeren
Rahmen der Situation vermissen.
31
Es wäre in Zukunft bzw. an anderer Stelle zu prüfen, ob und wie mit Hilfe eines Beratungsbegriffs der Orientierungskommunikation eine allgemeine Theorie der Beratung
entwickelt werden kann. Vorher sollte Beratung in einem Zwischenschritt noch von
anderen Formen der Kommunikation abgegrenzt werden, mit denen sie - im transitiven Kontext - immer wieder verglichen wird, insbesondere mit Bildung/Erziehung und
(Psycho-) Therapie (vgl. z.B. zuerst Dietrich 1983, Schmitz 1983, zuletzt Dewe/Schwartz 2011).
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