RADIOLOGIE Abteilung Strahlentherapie und Spezielle Onkologie Direktor: Prof. Dr. med. Johann Hinrich Karstens Forschungsprofil Die Abteilung für Strahlentherapie und spezielle Onkologie betreibt mit den entsprechenden Kooperationspartnern im wesentlichen vier wissenschaftliche Schwerpunkte: Grundlagen-orientierte Forschung auf dem Gebiet der molekulargenetischen Aspekte der Strahlentherapie des Mammakarzinoms Genetische Grundlagen für die Vorhersage von Strahlennebenwirkungen mit Aufbau einer Normal- und Tumorgewebebank Optimierungen der Brachytherapie, und zwar der alleinigen Brachytherapie wie auch der intraoperativen und perioperativen Brachytherapie Hochpräzisionsstrahlentherapie als stereotaktisch geführte Radiotherapie, einzeitig oder als fraktionierte Serienbehandlung Forschungsprojekte Optimierung der Brachytherapie als alleinige, intraoperative oder perioperative Strahlentherapie Bei der Brachytherapie wird eine radioaktive Quelle direkt in einen Tumor oder in dessen unmittelbare Nähe gebracht. Als Isotope werden ß- oder ?-Strahler verwendet, die permanent oder temporär eingesetzt werden. Die Bestrahlungsplanung dieser Methode konnte in den vergangenen 5 Jahren erheblich verbessert werden („Quantensprung“ durch Fortschritte der Planungsrechner). In unserer Abteilung werden verschiedene Verfahren der Brachytherapie (high dose rate-Brachytherapie, low dose rate Brachytherapie) seit 2001 zunehmend in den verschiedensten Indikationsgebieten durchgeführt. Die interstitielle Brachytherapie bei HNOTumoren wird meist in Verbindung mit einer perkutanen Bestrahlung einschließlich einer simultanen Chemotherapie durchgeführt. Die operative Implantation der Brachytherapiekatheter erfolgt gemeinsam durch einen Strahlentherapeuten, einen Medizinphysiker und den jeweiligen Fachabteilungen (Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde). Zur Bestrahlungsplanung stehen zwei dreidimensionale Planungssysteme zur Verfügung, als deren Planungsgrundlage CT-, MRT- oder Ultraschalldatensätze dienen können. Fünfzehn Patienten wurden mit einer optimierten Form der Brachytherapie entweder als Rezidivtherapie oder im Rahmen eines organerhaltenden Konzeptes mit der Brachytherapie behandelt. Bei Sarkomen kann durch intraoperative Kathetereinlage im Bereiche einer R1- oder R2Resektion gezielt eine quasi intraoperative Bestrahlung durchgeführt werden und damit eine Verbesserung der lokalen Kontrolle erreicht werden. Dies trifft auch auf die Behandlung von MHH Forschungsbericht 2004 343 RADIOLOGIE Kindern zu, da mittels Brachytherapie begrenzte Volumina unter optimaler Normalgewebsschonung bestrahlt werden können. Hier findet eine Kooperation mit der Klinik für Unfallchirurgie und der Klinik für Plastische und Wiederherstellungschirurgie statt. Ein weiteres innovatives Indikationsgebiet ist die intraluminale Brachytherapie im Bronchialsystem zur Re-Stenoseprophylaxe nach Lungentransplantation. Bei den bisher in Zusammenarbeit mit der Abteilung Pneumologie behandelten 24 Patienten konnte eine wesentliche Verbesserung der lokalen Kontrolle und somit der Lebensqualität mit deutlich reduzierten bronchoskopischen Interventionsraten erreicht werden. In Bezug auf die interstitielle low dose rate-Strahlentherapie der Prostata wurden in Zusammenarbeit mit der Urologischen Klinik 280 Patienten behandelt. Auch wenn von der Amerikanischen Gesellschaft für Urologie die Brachytherapie im lokal begrenzten „low risk“Stadium (pT1a bis pT2c) als kurative Behandlung äquieffektiv im Vergleich zur Radikaloperation beurteilt wird, besteht in Deutschland noch ein gewisser Meinungsdissens bezüglich dieser Methode. Gemeinsam mit der Urologischen Klinik der MHH wird diese spezielle Technik kontinuierlich weiter entwickelt. Diese Technik beruht auf einer Beladung der Nadeln anfänglich in der Peripherie und später auch im Zentrum der Prostata. Des weiteren beruht die Methode auf einer Real-Time-Implantation mittels Planung am bipolaren Ultraschall, basierend auf dem Einbringen von Einzelseeds, die nicht als Kette eingebracht werden. Auf die traditionellen Gebiete der Afterloadingtherapie (gynäkologisches Afterloading, Ösophagus etc.) wird an dieser Stelle nicht eingegangen. R. Baumann, A. Warszawski, J.H. Karstens; S. Machtens und U. Jonas (Urologische Klinik) Weitere Forschungsprojekte Genetische Grundlagen für die Vorhersage von Strahlennebenwirkungen mit Aufbau einer Normal- und Tumorgewebebank mit klinischen Daten (GENEPI-Projekt). Das Ansprechen von Tumoren als auch die Ausprägung von Strahleneffekten und Nebenwirkungen an gesunden Normalgeweben kann bei der Bestrahlung von Patienten individuell stark variieren. Dies beruht zumindest teilweise auf genetischen Unterschieden in Reparaturenzymen. In enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Gesellschaft für Radioonkologie (ESTRO) wurde ein interdisziplinäres Projekt initiiert. Ziel ist die Etablierung von prospektiven Parametern zur Beurteilung des individuellen Risikos für Tumoransprechen und Strahlennebenwirkungen. Projektverantwortlich: M. Bremer, A. Meyer, B. Wieland, T. Dörk Funktionelle Charakterisierung von ATM-Mutationen. Das ATM Gen gilt als ein für zelluläre Strahlensensibilität und Brustkrebs disponierendes Gen mit relativ niedriger Penetranz. Nach Identifizierung zahlreicher Mutationen und Varianten des ATM Gens ist es Gegenstand dieses Projektes, die Rolle der AT-Heterozygotie bei 344 MHH Forschungsbericht 2004 RADIOLOGIE der Prädisposition für ein Mammakarzinom und die die Sensibilität gegenüber ionisierenden Strahlen funktionell zu untersuchen und mit dem Krankheitsverlauf und möglichen Strahlennebenwirkungen abzugleichen. Projektverantwortlich: B. Wieland, R. Waltes, M. Bremer, T. Dörk; Förderung: DFG. Prospektiv randomisierte, doppelblinde Multizenter-Studie zur Wirksamkeit und Verträglichkeit einer lokalen Therapie der strahlenbedingten Ösophagitis mit Aluminiumhydroxid plus Magnesiumhydroxid plus Oxetacain (Tepilta® Suspension) versus Magaldrat 800 mg Suspension. Die strahlenbedingte Ösophagitis ist eine relevante dosislimitierende Akutnebenwirkung bei Strahlentherapie im Thorax- sowie im unteren Kopf-Hals-Bereich. Durch den Einsatz von Tepilta Suspension beim Auftreten einer strahlenbedingten Ösophagitis erfährt der Patient eine rasche lokale Schmerzlinderung und eine Säurebindung zugleich, so dass die ohnehin geschädigte Ösophagusschleimhaut nicht noch zusätzlich durch einen eventuellen Reflux gereizt wird. Die etwa einjährige Rekrutierungsphase (n = 160 Patienten) wurde im Dezember 2004 abgeschlossen. Projektverantwortlich: F. Bruns, L. Malaimare in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Münster; Förderung Industrie ATM Genvarianten und klinische Strahlensensibilität bei Patienten mit frühem Prostatakarzinom nach Brachytherapie mit I-125-Seeds. Es soll die Prävalenz und mögliche klinische Bedeutung für das Vorliegen bestimmter ATMGenvarianten bei Patienten mit frühem Prostatakarzinom untersucht werden, welche eine Brachytherapie mit I-125-Seeds erhalten haben. Projektverantwortlich: A. Meyer, S. Machtens, T. Dörk, M. Bremer Stellenwert der Bestrahlung des periklavikulären Lymphabflusses bei Brustkrebspatientinnen mit limitiertem axillären Lymphknotenbefall. Projektverantwortlich: A. Samii, M. Bremer Supportive Maßnahmen in der Strahlentherapie – Stellenwert von Selen in der Behandlung des sekundären Lymphödems. Projektverantwortlich: F. Bruns Einsatz von Natriumselenit als Zusatztherapie in der Radioonkologie. Klinische PhaseIII-Studie bei der Radiotherapie gynäkologischer Tumoren. Projektverantwortlich: F. Bruns, M. Raub sowie der Arbeitskreis Trace Elements and Electrolytes in Radiation Oncology. MHH Forschungsbericht 2004 345 RADIOLOGIE Untersuchungen zur Effektivität sowie Akut- und Langzeitverträglichkeit bei definitiver kombinierter Radiochemotherapie des Analkarzinoms ohne geplante Therapieunterbrechung. Projektverantwortlich: A. Meyer, M. Bremer Qualitätssicherung in der Radioonkologie am Beispiel der multizentrischen ALL-BFM2000-Studie. Projektverantwortlich: A. Warszawski, B. Bürger, M. Schrappe, J.H. Karstens Einbringen von Patienten in eine Strahlentherapie mit Hadronen (Kohlenstoffschwerionen oder Protonen) in Kooperation mit: Universität Heidelberg, Deutsches Krebsforschungszentrum / Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt. Projektverantwortlich: J.H. Karstens, M. Bremer Untersuchungen zur Langzeitverträglichkeit der Ganzkörperbestrahlung (TBI) als Konditionierungskomponente vor Stammzelltransplantation. Projektverantwortlich: J. Gerstein, M. Bremer, B. Polivka, K.W. Sykora, B. Hertenstein. Etablierung einer allogenen Knochenmarkstransplantation zur Prävention der Graftversus-Host Reaktion mittels immunregulatorischer T-Zellen im murinen Modell. Projektverantwortlich: S. Schwarte, M. Bremer, F. Bruns sowie M.W. Hoffmann (Viszeralund Transpl.-Chir.) Subjektives Rehabilitationsbedürfnis und Fatugiesymptomatik bei postoperativ bestrahlten Mammakarzinompatienten. Projektverantwortlich: D. Isik, M. Bremer, in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Physikalische Medizin und Rehabilitation Untersuchungen zum Einfluss der Dosisverteilung und Dosisinhomogenität auf die Nebenwirkungsrate bei der permanenten Jod-Seed-Implantation der Prostata. Projektverantwortlich: R. Baumann, A. Warszawski, S. Machtens, J.H. Karstens HDR-Brachytherapie zur Prävention von Bronchialstenosen und nach Lungentransplantation. Projektverantwortlich: A. Warszawski, R. Baumann, A. Meyer, J. Niedermeyer, T. Welte, J.H. Karstens Stereotaktisch geführte Strahlentherapie (sog. Radiochirurgie) als einzeitige oder vielfach fraktionierte Radiotherapie. Projektverantwortlich: M. Bremer, F. Bruns, J.H. Karstens mit der Abteilung Neurochirurgie der MHH 346 MHH Forschungsbericht 2004 RADIOLOGIE Etablierung eines Qualitätsmanagement-Systems in der Abteilung Strahlentherapie. Projektverantwortlich: F. Bruns, B. Polivka, J.H. Karstens sowie M. Cartes (Abt. Qualitätsund Risikomanagement, MHH) Leitlinien in der Fachgesellschaft (DEGRO). Projektverantwortlich: J.H. Karstens, F. Bruns Phase-III-Studie zur präoperativen kombinierten Radiochemotherapie mit Paclitaxel/ Carboplatin bei fortgeschrittenen operablen Mundhöhlenkarzinomen (Stadium III/IV). Projektverantwortlich: A Eckardt (Abt. Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie), J.H. Karstens. Originalpublikationen Gutierrez-Enriquez S, Fernet M, Dörk T, Bremer M, Lauge A, Stoppa-Lyonnet D, Moullan N, Angele S, Hall J.: Functional consequences of ATM sequence variants for chromosomal radiosensitivity. Genes Chromosomes Cancer 2004;40:109-119. Angele S, Falconer A, Edwards SM, Dörk T, Bremer M, Moullan N, Chapot B, Muir K, Houlston R, Norman AR, Bullock S, Hope Q, Meitz J, Dearnaley D, Dowe A, Southgate C, Ardern-Jones A, Easton DF, Eeles RA, Hall J: ATM polymorphisms as risk factors for prostate cancer development. Br J Cancer 2004;91:783-787. Meyer A, John E, Dörk T, Sohn C, Karstens JH, Bremer M : Breast cancer in female carriers of ATM gene alterations: outcome of adjuvant radiotherapy. Radiother Oncol 2004;72:319-323. 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Vogl TJ, Schwarte S : Magnetresonanztomographie. In: MG Krukemeyer, W Wagner (Hrsg.): Strahlenmedizin – Ein Leitfaden für den Praktiker. Walter de Gruyter, Berlin 2004; S. 19-37. 350 Madry-Gevecke B, Polivka B, Baumann R, Grundtke H, Karstens JH: Erste Erfahrungen mit dem IMRT Phantom von CIRS Modell 002HN (Head and Neck). U. Wolf und W. Wilke (Hrsg.): Medizinische Physik 2004; 232-233. ISBN 3-925218-84-x. Polivka B, Lüpke M, Seifert H, Karstens JH: Ungenauigkeit bei der Glühkurvenaquisitation mit dem TL-Reader. U. Wolf und W. Wilke (Hrsg.): Medizinische Physik 2004; 298-299. ISBN 3-925218-84-x. Abstracts 2004 wurden 28 Abstracts publiziert. Habilitationen Bremer, M.: Mutationen in DNA-Reparaturgenen und deren Bedeutung für die Radioonkologie: Klinische und experimentelle Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung des Mammakarzinoms („Strahlentherapie“). Rades, D.: Diagnosis, Prognosis and Radiation Therapy of Central Nervous System Tumours leading to Motor Deficits („Strahlentherapie”). Diese kumulative Habil.-Schrift wurde am Universitätsklinikum HamburgEppendorf angenommen. Herr Rades war Mitarbeiter der Abteilung Strahlentherapie an der MHH. 3⁄4 der 14 Veröffentlichungen seiner Habil.-Schrift wurden in der MHH verfasst. Wissenschaftspreise Polivka, B.: Posterpreis der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik, (mit M. Lüpke, H. Seifert, J.H. Karstens). Bruns, F.: Posterpreis der European Society MHH Forschungsbericht 2004 RADIOLOGIE for Therapeutic Radiation Oncology, April 2004 (mit S. Hesselmann, U. Schäfer, O. Micke, P. Schüller, C. Palma, N. Willich). Weitere Tätigkeiten in der Forschung Karstens, JH.: Mitglied des Ausschuss „Strahlenschutz in der Medizin“ bei der Strahlenschutzkommission, die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in allen Fragen des Schutzes vor den Gefahren ionisierender und nicht-ionisierender Strahlen berät; Mitglied des Normenausschusses Radiologie / Strahlentherapie (NAR/GA5); Vorsitzender der Ärztlichen Stelle Niedersachsen / Bremen nach § 83 der Strahlenschutzverordnung (Qualitätssicherung in Kliniken und Praxen für Strahlentherapie, basierend auf Vor-OrtBegehungen); Gutachter z.B. der Deutschen Krebshilfe, stellvertretender Vorsitzender des Tumorzentrums der MHH, Vorstandsarbeit in der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (Leitlinienbeauftragter, Leiter der Arbeitsgruppe „Positionspapier“, Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Verifikation/ Dokumentation“, DEGRO-Regionalbeauftragter für Niedersachsen, Kongresspräsident des DEGRO-Kongresses 17.05. – 20.05.2007 in Hannover). MHH Forschungsbericht 2004 351