Schulreise - Der Bundesrat admin.ch

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Der Bundesrat auf der „Schulreise“
Ein geschichtswissenschaftlicher Blick auf den alljährlichen Ausflug der schweizerischen Landesregierung und dessen Bezug zur politischen Kultur der Schweiz.
Lizentiatsarbeit, eingereicht bei der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg (CH) im Fach Zeitgeschichte bei Prof.
Urs Altermatt
Michael Brupbacher
von Wädenswil (ZH)
Juli 2006
1
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Einleitung
4
5
2.1.1. Einleitende Bemerkungen
2.1.2. Regierungssystem der Schweiz
2.1.3. Politische Kultur
2.1.4. Positionierung, Begriffsklärung, Forschungsstand
2.1.5. Fragestellung
5
6
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13
16
3. Hauptteil
18
3.1. Vorläufertraditionen, Paralleltraditionen
3.1.1. Verschiedene Ausflüge in der Zwischenkriegszeit
3.1.1.1. Ausflug an die Fête des Vignerons im Jahre 1927
3.1.1.2. Ausflug anlässlich des Eidgenössischen Schützenfestes 1934 in Freiburg
3.1.1.3. Ausflug an die Landsgemeinde Appenzell Ausserrhoden 1938
3.1.2. Ministerkonferenzausflug
3.1.2.1. Frühphase der Ministerkonferenz: 1887-1938
3.1.2.2. Ministerkonferenzausflüge der Nachkriegszeit
3.1.3. Wahlfeiern im Heimatkanton
3.1.4. Weihnachtsessen (Altjahrsessen) und andere bundesrätliche Zusammenkünfte
3.2. Der Bundesratsausflug auf der Suche nach seiner Form
3.2.1. Die sechs Bundesratsausflüge zwischen 1950 und 1960
3.2.2. Die Frage nach dem Initiator
3.3. Der Bundesratsausflug im „modernen Sinne“
3.3.1. Geographische Aspekte unter besonderer Berücksichtigung der
Bundespräsidentenregel
3.3.2. Zeitliche Aspekte
3.3.3. Beteiligung, Absenzen
3.3.4. Verkehrsmittel
3.3.5. Ausflugsprogramm
3.3.5.1. Kontaktnahmen
3.3.5.2. Mahlzeiten
3.3.5.3. Wandern, sportliche Aktivitäten, Tourismus
3.3.5.4. Spiele, Singen
3.3.5.5. Besuch von religiösen Institutionen
3.3.5.6. Firmenbesuche
3.3.5.7. Armee, Polizei, Grenzwacht:
3.3.5.8. Landwirtschaft
3.3.5.9. Kultur
3.3.5.10. Bildungsinstitutionen
3.3.5.11. Soziale Institutionen
3.3.6. Motive der Programmgestaltung
3.3.7. Bundesratsausflug und Politik
3.3.8. Kosten, Finanzierung
3.3.9. Der Bundesratsausflug - ein Medienereignis
3.3.10. Verdankung
3.4. Längsschnitt
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84
86
4. Die Bedeutung des Bundesratsausfluges in Bezug auf die politische
Kultur der Schweiz
90
2
4.1. Untersuchungsthema Kollegialität: Die innerkollegiale Funktion des
Bundesratsausfluges
90
4.2. Untersuchungsthema Föderalismus/Kleinräumigkeit:
96
4.2.1. Die Verwurzelung des Bundespräsidenten im kleinräumigen Heimatgemeinwesen 96
4.2.2. Die Beziehung Teilstaat-Gesamtstaat im föderalistischen System der Schweiz 107
4.3. Untersuchungsthema Direkte Demokratie: Die Regierung und das Volk
111
4.4. Untersuchungsthema Konkordanz/Konsens: Der Bundesratsausflug als
Beitrag zur Schaffung einer nationalen Identität
115
5. Synthese
120
5.1.1. Ausblick des Verfassers
126
6. Anhang
129
6.1. Bilder der Ministerkonferenzausflüge und Bundesratsausflüge
129
Bild 1: 19. September 1903, an Bord des Dampfschiffs Helvetia auf dem Neuenburgersee:
Bild 2: 4. September 1937, Schlegwegbad/Oberdiessbach (BE):
Bild 3: 8. Juli 1970, Kronberg (AI):
Bild 4: 1. Juli 1974, Kanton Zürich:
Bild 5: 2. Juli 1979, Kanton Zug:
Bild 6: 29. Juni 1990, Kanton Appenzell Innerrhoden:
Bild 7: 1. Juli 2004, Freiburg:
Bild 8: 30. Juni 2005, Mont Soleil (BE):
6.2. Zusammenstellung Bundesratsausflüge
Tabelle 1: Chronologische Auflistung der Bundesratsausflüge
129
130
131
131
132
132
133
133
134
134
7. Bibliographie
135
7.1. Quellen
7.1.1. ungedruckte Quellen
7.1.2. gedruckte Quellen
7.2. Literatur
7.2.1. Nachschlagewerke
7.2.2. Literatur zum Thema Bundesrat und Bundesräte
7.2.3. sonstige Literatur
135
135
135
136
136
136
148
8. Curriculum Vitae
150
3
1. Vorwort
Ich möchte mich bedanken bei meinen Eltern, die mir mit ihre Unterstützung den Abschluss meiner Studien ermöglichten. Ganz herzlich möchte ich mich bei Herrn Professor Altermatt bedanken, durch dessen Hinweis ich auf das, in dieser Arbeit zu behandelnde Thema gestossen bin. Weiter möchte ich mich bei Frau lic. phil. Franziska
Metzger, für die organisatorische Koordination im Zusammenhang mit dieser Arbeit
herzlich bedanken. Ein Dankeschön auch an meiner Schwester Joëlle, die mir mit ihren
Informatikkenntnissen eine Hilfe war. Nicht unterlassen möchte ich es zudem, all den
Bibliotheks- und Archivmitarbeitenden zu danken, die mir im Laufe meiner Arbeit zur
Hand gegangen sind. Zu guter letzt soll auch die emotionale Unterstützung, welche mir
von Freunden während der Entstehungszeit dieser Arbeit zuteil wurde, nicht unverdankt
bleiben.
4
2. Einleitung
2.1.1. Einleitende Bemerkungen
„‚Das ist eine hochpolitische Reise’ sagte Moritz Leuenberger zu einem Radiojournalisten, als er vom Schiff ‚Stadt Solothurn’ stieg. Diese Art von Kontaktaufnahme mit der
Bevölkerung gehöre zu den Ritualen der direkten Demokratie.“1
Diese zitierten Worte von Bundesrat Moritz Leuenberger anlässlich des Bundesratsausfluges 2005 sind deshalb als Einstieg für diese Thematik gewählt worden, weil in diesem kurzen Statement mehrere Aussagen gemacht werden, die für die weitere Analyse
des Themas einleitende Anhaltspunkte liefern. Bundesrat Leuenberger sagt, dass es sich
beim Bundesratsausflug um eine politisch relevante Handlung handelt und stellt den
Bundesratsausflug in direkten Zusammenhang mit der direkten Demokratie, einer Institution, die in weiten Kreisen als tragende Säulen des schweizerischen Selbstverständnisses betrachtet wird. Durch den Begriff „Kontaktnahme“ wird das Verhältnis zwischen
Regierung und Bevölkerung angeschnitten. Weiter wird der rituelle Charakter des Bundesratsausfluges erwähnt, und schlussendlich wird durch die Erwähnung des Radiojournalisten darauf hingewiesen, dass der medialen Verbreitung des Bundesratsausfluges
heutzutage eine grosse Bedeutung zukommt. So sind es die Bilder der alljährlichen
Bundesratsausflüge, die für weite Teile der Bevölkerung prägenden Eindrücke des Bundesratskollegiums darstellen. Selten sonst berichten derart viele, auch der politischen
Berichterstattung fernstehende, Medien über das bundesrätliche Siebnerkollegium. Selten sonst kann man die Schweizer Magistraten von einer derart privaten Seite sehen.
Bilder und Episoden von Bundesratsausflügen bieten Gesprächstoff. Über Jahre hinweg
prägen sie das Bild mit, das sich die Öffentlichkeit von der Landesregierung macht, sei
es vom Kollegium als Ganzes oder von einzelnen Bundesräten. Dankbar nimmt die
schweizerische Öffentlichkeit die Möglichkeit wahr, die Landesregierung fernab der
„öden“ Tagespolitik, in lockerem Rahmen, präsentiert zu bekommen. So ist der Bundesratsausflug heute eine durch alle politischen Kreise positiv bewertete Tradition sowie
ein fester Bestandteil des politischen Kalenders. Bezeichnungen wie „Bundesratsreisli“
oder „Schulreise“ zeugen zudem davon, dass dem alljährlich kurz vor der politischen
Sommerpause stattfindenden, zweitägigen Ausflug in den Heimatkanton des jeweiligen
Bundespräsidenten, einen festen Platz unter den politischen Traditionen unseres Landes
zugemessen wird. Umso erstaunlicher ist es, dass sich bis anhin nur wenige Forschende
mit der Entwicklung und der Bedeutung des Phänomens Bundesratsausflug auseinandergesetzt haben. Es soll daher das Ziel dieser Arbeit sein, diese Lücke aus einer wis1
In den heimatlichen Gefilden Samuel Schmids, in: Neue Zürcher Zeitung, 1. Juli 2005.
5
senschaftlichen Perspektive zu schliessen. Neben einer detaillierten Beschreibung des
Phänomens Bundesratsausflug, wird auch die Einbettung in die politische Kultur der
Schweiz vorgenommen.
2.1.2. Regierungssystem der Schweiz
Um auf den alljährlichen Ausflug des Bundesrates ausführlicher eingehen zu können,
bedarf es einiger einleitender Ausführungen zu Geschichte, Entstehung, Entwicklung
und Charakteristika des schweizerischen Regierungssystems. Hierzu soll dieses Kapitel
dienen.
Das Regierungssystem der Schweiz zeichnet sich durch eine aussergewöhnliche Konstanz aus; wie auch das politische System des schweizerischen Bundesstaates als Ganzes seit seiner Gründung durch das Inkrafttreten der ersten Bundesverfassung, 1848,
von einer äusserst grossen Konstanz geprägt ist. Der aus sieben Mitgliedern zusammengesetzte Bundesrat, Vertreter der Exekutivgewalt im Bundesstaat, besteht in dieser
Form somit seit bald 160 Jahren. Die Organisation und die Struktur dieses Kollegiums
haben sich in dieser Zeit nur wenig gewandelt. Noch immer wird die Schweiz heute
grösstenteils mit den Strukturen regiert, die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt worden sind. Im Gegensatz dazu haben sich die Aufgaben der Landesregierung in dieser
Zeitspanne stark verändert, denn die Staatsaufgaben nahmen massiv zu, und damit einhergehen erfolgte eine Vergrösserung der Bundesverwaltung. Auch heute noch sehen
sich die Mitglieder des Bundesrates in ihrer zweigeteilten Funktion sowohl als Teil einer Kollegialbehörde als auch als Vorsteher eines Departements. Das heisst, sie sind ein
Teil der Exekutive wie und oberste Behörden der Verwaltung zugleich. Dieses Zusammenfallen des Kollegialprinzips mit dem Departementalprinzip2 ist ein wichtiges
Merkmal des schweizerischen Regierungssystems und stellt heutzutage eine nicht zu
unterschätzende Belastung für das einzelne Bundesratsmitglied dar. Eine entlastende
Funktion nimmt hierbei die Bundeskanzlei ein. Diese Stabstelle, die durch den Bundeskanzler und zwei Vizekanzler geleitet wird, hat seit den späten 1960er Jahren3, eine
Aufwertung erfahren und unterstützt und koordiniert die Arbeit des Bundesrates.
Ein wichtiges Charakteristikum des Bundesrates ist, dass es sich bei der schweizerischen Regierung um eine in ihrer Regierungstätigkeit dem Kollegialprinzip4 verpflichte2
Artikel 177 Bundesverfassung (BV).
Im Anschluss an die sogenannte Mirage-Affäre, kam es zu eigentlichen Verwaltungs- und Regierungsreformen, die im „Hongeler-Bericht“ 1967 ihren Niederschlag fanden und eine Aufwertung der Bundeskanzlei
herbeiführte.
4
Artikel 177 Absatz 1 BV führt das Kollegialitätsprinzip nur sehr schwach aus, er hält dazu bloss fest: „Der
Bundesrat entscheidet als Kollegium.“
3
6
te Gruppe handelt. Dies stellt eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die
Mitglieder des Bundesrates dar.
Das Kollegium zeichnet sich seit seiner ersten Konstituierung 1848 unter anderem
durch seine Mehrsprachigkeit aus. Die französischsprachige Schweiz war während der
ganzen Zeit seit 1848 mit mindestens einem Vertreter im Bundesrat präsent. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine Zweiervertretung aus dem frankophonen Landesteil eingespielt. Durch die Vertreter der italienischen Schweiz gewinnt die Mehrsprachigkeit des
Kollegiums eine weitere Dimension. Während 76 der vergangenen 148 Jahre, das heisst
während annähernd der Hälfte der Zeit, war auch ein italienischsprachiges Mitglied Teil
des Bundesratskollegiums.5
Mit der Wahl Elisabeth Kopps in den Bundesrat 1984 hat das Kollegium auch bezüglich
dem Geschlecht seiner Mitglieder eine Erweiterung erfahren. Zwar hat sich nach dem
Ausscheiden Kopps im Januar 1989 bis zur Wahl von Ruth Dreifuss 1993 wiederum eine Periode mit einem reinen Männergremium eingestellt, aber seit 1993 ist wieder permanent mindestens ein Sitz in der Regierung mit eine Frau besetzt.
Die Frage, nach der Konfession seiner Mitglieder hatte für die Zusammensetzung des
Bundesrates lange Zeit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. In der bis 1891 alleine
aus Mitgliedern der freisinnigen Partienfamilie zusammengesetzten Landesregierung
wurde darauf geschaut, das katholische Element im Kollegium zu berücksichtigen. Da
es sich bei den liberalen Katholiken jedoch meistens um sogenannte „Taufscheinkatholiken“ handelte, fühlten sich die Vertreter des katholischen Milieus durch diese Magistraten kaum vertreten. Die Verhärtung der interkonfessionellen Beziehung im Laufe des
Kulturkampfes führte insbesondere von Seiten der Katholiken zum Gefühl des Nichtvertretenseins in der Landesregierung. Mit dem Eintritt der Katholisch-Konservativen in
den Bundesrat ab 1891 lag es dann zum grössten Teil an dieser Partei, Bundesräte römisch-katholischen Glaubens zu stellen.6 In den letzten Jahrzehnten ist die Frage nach
der Konfessionszugehörigkeit bei der Wahl von Bundesräten etwas in den Hintergrund
gerückt. Dies, angesichts einer allgemeinen Entkrampfung zwischen den Konfessionsgruppen, von welcher auch die Aufhebung der sogenannten Religionsartikel in der
Bundesverfassung von 1973 zeugt.7 Mit der Wahl von Ruth Dreifuss im Jahre 1993 zog
erstmals eine Angehörige der jüdischen Bevölkerung der Schweiz in die Landesregierung ein.
5
Die italienischsprachige Schweiz stellte bis zum heutigen Zeitpunkt (2006) sieben Bundesräte. Es waren
dies: Stefano Franscini 1848-1857, Giovanni Battista Pioda 1857-1864, Giuseppe Motta 1912-1940, Enrico
Celio 1940-1950, Giuseppe Lepori 1955-1959, Nello Celio 1967-1973, Flavio Cotti 1987-1999.
6
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 62-65.
7
Geschichte der Schweiz und der Schweizer, 911.
7
Ein markantes Merkmal des schweizerischen Bundesrates ist seine hohe personelle
Kontinuität. Die Amtsdauer der einzelnen Mitglieder ist im internationalen Vergleich
überaus hoch. Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass Amtsperioden von um die zehn Jahre die Regel sind, solche von unter fünf Jahren dagegen ungewöhnlich. Auch Amtsperioden von zwanzig Jahren und mehr stellen keine Seltenheit dar. So amtete beispielsweise der Berner Freisinnige Carl Schenk von 1864 bis zu seinem Unfalltod 1895 während
31 Jahren als Bundesrat und ging als derjenige Bundesrat in die Geschichte ein, der am
längsten Mitglied der schweizerischen Landesregierung war. Diese hohen Amtsdauern
kommen aus mannigfaltigen Gründen zustande. Zum einen ist die Wiederwahl durch
die Vereinigte Bundesversammlung bei den jeweils nach der Neukonstituierung des
Parlaments stattfindenden Bestätigungswahlen bis heute die Regel geblieben.8 Zum anderen wird auch in Abstimmungsniederlagen kein Misstrauensvotum gegenüber dem für
das Geschäft verantwortlichen Departementvorsteher gesehen, so dass auch dies nicht
als Grund angesehen wird, um zurückzutreten. In der Regel treten Bundesräte aus freien
Stücken zurück und meist sind es persönlichen Gründe, die dazu führen.
Von der Bundesstaatsgründung 1848 bis zur Wahl des Katholisch-Konservativen Josef
Zemp 1891 wurde der Bundesrat ausschliesslich aus Vertretern der freisinnigen Parteifamilie gebildet. Die allmähliche Integration der verschiedenen sozialen Milieus in die
Regierung, die nach den Katholisch-Konservativen, ab 1929 die Bauernpartei und ab
1943 auch der Sozialdemokraten, im Bundesrat Einsitz nehmen liess, führte zum so genannten Konkordanzsystem. Diese Form der Regierungsbildung, unter Miteinbezug aller massgebenden politischen Gruppierungen des Landes, fand seinen Ausdruck in dem
zwischen 1959 und 2003 unter dem Begriff, „Zauberformel“, bekannt gewordenen, proportionalen Partizipieren der vier grossen Parteien in der Regierung.9
Die sogenannte Kantonsklausel10 sorgte bis zu ihrer Eliminierung aus der Verfassung,
1999, dafür, dass pro Kanton bloss ein Bundesrat in der Landesregierung Einsitz nehmen konnte. Seit der Wahl Christoph Blochers im Dezember 2003 befinden sich zusammen mit Moritz Leuenberger erstmals zwei Bundesratsmitglieder aus dem selben
Kanton, in diesem Falle dem Kanton Zürich, in der Schweizer Landesregierung.
Die Stellung des vom Parlament für ein Jahr gewählten Bundespräsidenten hat sich im
Laufe der Zeit zu dessen Ungunsten gewandelt. In den ersten Jahrzehnten des Bundes8
Bei Bestätigungswahlen nicht wiedergewählt wurden die Bundesräte Ulrich Ochsenbein im Jahre 1854,
Jean- Jaques Challet-Venel 1872 sowie Bundesrätin Ruth Metzler-Arnold im Jahre 2003.
9
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 46-51.
10
Die Kantonsklausel wurde im Jahre 1999 in einer Volksabstimmung abgeschafft und durch den Verfassungsartikel 170 Absatz 2 ersetzt, der vorschreibt, es sei „darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind.“
8
staates verkörperte der Bundespräsident noch so etwas wie die Rolle eines Schweizer
„Schattenkönigs.“11 Ein höheres Ansehen und Gewicht innerhalb des Kollegiums waren
ihm eigen, denn nur Bundesräte mit grossem Rückhalt im Parlament wurden in dieses
Amt gewählt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlor der Bundespräsident diese hervorgehobene Stellung, und mit der Einführung der Anciennitätsregel wurde die Wahl
zum Bundespräsident unumstritten. Bereits im Jahre 1913 wurde die Stellung des Bundespräsidenten mit der Formulierung „primus inter pares“ bezeichnet. Diese beschreibt
treffend, welch schwache Position diesem Amt, das weder einem eigentlichen Regierungschef, noch einem Staatsoberhaupt nahe kommt, zukommt.
Zusammenfassend lässt sich das kollegiale Regierungssystem des Bundesrates mit den
Worten des Politologen Wolf Linder beschreiben: „Die Exekutive als Kollegialbehörde
kann als gesamtschweizerische Einrichtung gesehen werden, der typische Elemente der
politischen Kultur zugeschrieben werden: die Abneigung gegen dominierende Machtpositionen von Einzelpersonen, und das Vertrauen in die gegenseitige Kontrolle gewählter Regierungsmitglieder in kollektiven Leitungsorganen.“12 Mit diesem Zitat, welches die Institution der schweizerischen Exekutivbehörde in Beziehung setzt mit dem
Begriff der politischen Kultur, soll hiermit zum nächsten Unterkapitel übergeleitet werden. Dieses widmet sich dem Versuch, den Begriff der politischen Kultur einzuordnen.
2.1.3. Politische Kultur
Der Begriff politische Kultur wird heutzutage, sehr häufig, und allzu oft, in unreflektierter Weise verwendet. So wird der Begriff politische Kultur allzu oft als wertender Begriff benutzt und dies meist im Sinne eines Beklagen von fehlender Kultur in den politischen Auseinandersetzungen. Von dieser wertenden Verwendung des Begriffs soll in
dieser Arbeit explizit abgesehen werden. Im deutschen Sprachraum ist der Begriff der
politischen Kultur seit Ende der 1970er Jahre13 anzutreffen, wobei Kreis meint: „...
das damit bezeichnete hat es freilich schon vorher und gewiss auch ausserhalb des republikanischen Kleinstaates gegeben. In früheren Jahren ist von Bürgersinn, civisme,
politischer Bildung, politischer Ethik oder gar von politischer Tugend die Rede gewesen.“14
Es waren die beiden amerikanischen Politologen Gabriel A. Almond und Sidney Verba,
die mit ihrer 1963 erschienenen Studie „The Civic Culture“ zur Forschung des politi11
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 26.
Linder, Schweizerische Demokratie, 224.
13
Seitz, politische Kultur, 19.
14
Kreis, Handbuch Volkskultur, 901f.
12
9
schen Kulturbegriffs einen Pionierbeitrag leisteten. Von einem systemtheoretischen Ansatz aus nahmen sie anhand einer empirischen Studie in fünf verschiedenen Ländern,
eine Typisierung von verschiedenen politischen Kulturen vor. Diese Arbeit gilt bis heute als Referenzwerk zum Thema politische Kultur, dies trotz der Kritik von jüngeren
Autoren, welche sagen, die Studie von Almond und Verba habe die fragwürdige Tendenz, den Begriff politische Kultur mit demjenigen der demokratischer Kultur gleichzusetzen.15 In der Folge haben sich verschiedene Disziplinen aus ihrer jeweiligen Perspektive mit dem Begriff der politischen Kultur befasst, sei es die Philosophie, Sozialpsychologie, Anthropologie, Politologie, das Staatsrecht, die Ethnologie, Soziologie oder
Geschichte. Trotz dieser relativ weiten Forschungstätigkeit und der regen Verwendung
des Begriffs in Medien und Öffentlichkeit, weist Kreis darauf hin, dass der Begriff bis
heute nicht den Status eines wissenschaftlich geklärten Terminus aufweise.16
Es soll nun anhand der Beiträge einiger Autoren versucht werden, den Begriff politische
Kultur einzuordnen. Als Einstieg dazu dient eine prägnante Definition von Wolf Linder:
„Unter politischer Kultur kann die Gesamtheit der Werthaltungen, Einstellungen und im
weiteren Sinne auch die Verhaltensbereitschaft der Bürgerschaft zur Politik und zu ihrem politischen System verstanden werden. Politische Kultur ist damit ein offenes und
beschreibendes Konzept, das geeignet ist, allgemeine und besondere Züge eines Landes
zu erfassen.“17 Linder bleibt in seiner Definition relativ unbestimmt, er spricht von einem offenen und beschreibenden Konzept und lässt so dem Begriff relativ viel Raum.
Detaillierter äussert sich Werner Seitz, der folgende Aspekte der politischen Kultur zusammengestellt hat: Er hält fest, dass es sich bei der politischer Kultur, um die grundlegenden Vorstellungen, Wertungen, Handlungsmöglichkeiten die Politik betreffend handelt, die aber als solche keine empirische Tatsache darstellt, und dass sie somit weder
direkt sicht- noch messbar ist. Weiter meint Seitz, dass politische Kultur etwas geschichtlich Gewachsenes ist, in dem sich kollektiv verarbeitete Erfahrungen früherer
Generationen niederschlagen. Weiter geht er davon aus, dass das einzelne Individuum
in die politische Kultur eines Kollektivs hineinsozialisiert wird, und diese in der Regel
als „selbstverständlich“ und „natürlich“ erlebt. Politische Kultur wird innerhalb einer
Gruppe immer wieder thematisiert, aktualisiert und auch erneuert. Politische Kultur ist
demnach wandelbar, wobei solche Veränderungen sich meist über eine lange Zeitperiode erstrecken. Die politische Kultur findet, laut Seitz, ihren Niederschlag in politischen
Institutionen und in den so genannten politischen Artefakten. „... in diesen ist die poli15
dahingehend äussert sich beispielsweise auch Kreis.
Kreis, Handbuch Volkskultur, 901f.
17
Linder, Handbuch Schweizer Politik, 16.
16
10
tische Kultur gewissermassen ‚veräusserlicht’ bzw. ‚vergegenständlicht’. Zu solchen
politischen Artefakten zählen etwa Gebäude und Denkmäler, politische Rituale und Mythen, Symbole und Ideensysteme oder politische Texte und Schriften. Die politischen
Institutionen und die sogenannten politischen Artefakte sind aus dem politischen Prozess hervorgegangen, sie können Ausdruck der politischen Kultur sein und können auch
der Vermittlung der politischen Kultur dienlich sein.“18
Es sind diese, von Seitz19 erwähnten, sich manifestierenden Artefakte der politischen
Kultur, die im Zusammenhang mit dem Phänomen Bundesratsausflug in dieser Arbeit
weiter untersucht werden sollen. Denn, wie sich der deutsche Politologe Thomas Meyer
zur Fassbarmachung der politischen Kultur äussert, sei diese „... immer nur indirekt zu
erschliessen. Erst in der systematischen Interpretation von regelmässigen Handlungsweisen, Symbolen und Ereignissen, Kommunikationsformen und Konflikten lässt sich
die politische Kultur des jeweiligen Gemeinwesens erkennen.“20
In diesem Zusammenhang kann auch der in der Wissenschaft verwendete Begriff der
politischen Ästhetik einen interessanten Beitrag leisten, um die Thematik weiter auszuführen. Meyer meint zum Begriff der politischen Ästhetik: „Der politische Raum wird
in der gegenwärtigen Mediengesellschaft in ausschlaggebendem Masse durch ästhetische Inszenierungen geprägt, die vorbedacht, professionell kalkuliert und in erster Linie
auf gewünschte Wirkung beim Publikum berechnet sind und zwar den neuen technologischen Möglichkeiten gemäss ganz unabhängig davon, worauf sich die jeweilige Inszenierung auf der Ebene der Herstellung des eigentlichen politischen Produkts tatsächlich bezieht.“21 Speziell totalitäre Systeme, wie der Nationalsozialismus oder der Kommunismus unter Stalin, haben sich der gezielten Perfektionierung der politischen Ästhetik bedient, um bei den Bevölkerungsmassen bleibende Wirkung erzielen zu können.
Insbesondere im Zusammenhang mit der Verbreitung durch Bildmedien wie Illustrierten und Fernsehen ist die politische Ästhetik von Bedeutung.
Trotz den oben aufgeführten Beiträgen verschiedener Autoren ist es unmöglich, eine
abschliessende Definition des Begriffs politische Kultur zu geben. Die dargestellten
Ausführungen können lediglich einen Rahmen schaffen, der aufzeigt, worum es sich bei
diesem Begriff handelt und in welcher Form er im weiteren Verlauf dieser Untersuchung verwendet werden soll. Im weiteren Verlauf der Untersuchung soll insbesondere
der Begriff des politischen Artefaktes als Leitschnur dienen.
18
Seitz, politische Kultur, 271f.
Seitz, Politische Kultur, 269-274.
20
Meyer, Was ist Politik?, 193f.
21
Meyer, Was ist Politik?, 215.
19
11
Zur Frage nach der politischen Kultur der Schweiz im Speziellen meint Kreis: „... gibt
es die stark verbreitete Vorstellung, dass die Schweiz eine eigene politische Kultur habe, und dass diese von ethisch hohem Niveau sei, dass sie sich darum von den politischen Kulturen anderer Gesellschaften abhebe und für die eigene Gesellschaft eine tägliche verpflichtende Vorgabe sei.“22 Weiter meint er auch: „Die politische Kultur der
Schweiz ist vorab eine Kultur der Vielfalt, aber auch eine Kultur der Einheit.“23 In diesen beiden Zitaten stösst man somit auf die Elemente der Eigenart sowie der Vielfalt in
der Einheit.
Bei diesem Versuch, die Grundzüge der politischen Kultur der Schweiz herauszuarbeiten, bietet sich ein Seitenblick auf eine Dissertation von Daniela Rosmus24 an, die sich
mit dem Thema der vom Bundesrat für ausländische Staatsoberhäupter abgehaltenen
Staatsempfänge beschäftigt. Es kann zwischen der Arbeit von Rosmus und dem hier behandelten Bundesratsausflugsthema eine gewisse Verwandtschaft konstatiert werden,
denn auch bei der Tradition der Staatsbesuche handelt es sich um eines dieser oben erwähnten Artefakte der politischen Kultur. Dieser Vergleich bietet sich auch insofern an,
als es sich bei beiden Traditionen, derjenigen der Staatsbesuche und derjenigen der
Bundesratsausflüge, um eine Darstellung handelt, bei der die Regierung der Öffentlichkeit, teilweise mit Hilfe der Medien, ein Bild vermittelt, über das, was die schweizerische Regierung und das schweizerische Wesen, ausmachen.25 Die Frage nach dem Wesen der Schweiz, die sehr eng mit der Frage der Identität zusammenhängt, hat Rosmus
prägnant zusammengefasst: „Nüchternheit, demokratischer Pragmatismus, Egalitätsprinzip, die Abneigung gegen Prunk und Pomp, dafür aber eine Vorliebe für Schlichtheit und Sparsamkeit sowie die schier unüberwindbare Distanz zu jeglichen Ausdrucksformen monarchischer Herkunft - dies alles sind Grundwerte, die zum staatlichen Leben
der Schweiz gehören.“26 Die Thematik der Staatsbesuche, wie sie bei Rosmus bearbeitet
wurde, unterscheidet sich insofern vom hier zu behandelnden Thema Bundesratsausflug, als dass Staatsbesuche, auch die Komponente der Selbstdarstellung gegen aussen,
das heisst gegenüber dem Ausland, beinhaltet, während die Selbstdarstellung im Rahmen des Bundesratsausflugs grösstenteils eine gegen innen gerichtete ist. Weitgehend
unbestrittene und von den meisten Autoren erwähnte Bestandteile der politischen Kultur
der Schweiz sind die folgenden: Föderalismus, Kleinräumigkeit, Konkordanz, Konsens,
Kollegialitätssystem, Milizsystem, Neutralität. Hans-Peter Meier-Dallach erwähnt zu22
Kreis, Handbuch Volkskultur, 901.
Kreis, Handbuch Volkskultur, 902.
24
Daniela Rosmus, Die Schweiz als Bühne. Staatsbesuche und politische Kultur 1848-1990, Zürich 1994.
25
Rosmus, Die Schweiz als Bühne, 192.
26
Rosmus, Die Schweiz als Bühne, Umschlagtext.
23
12
dem: „Die typisch schweizerische Verträglichkeit – oder Symbiose von Modernität und
Traditionalität.“27
Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit werden die Prinzipien der politischen Kultur der
Schweiz in vier Untersuchungsthemen unterteilt, damit sie im weiteren Verlauf der Arbeit zur Deutung des Phänomens Bundesratsausflug herangezogen werden können. Es
soll sich dabei um die folgenden Untersuchungsthemen handeln:
-Kollegialität
-Föderalismus/Kleinräumigkeit
-Direkte Demokratie
-Konkordanz/Konsens
2.1.4. Positionierung, Begriffsklärung, Forschungsstand
Das Phänomen Bundesratsausflug ist, wie schon erwähnt, ein durch die Geschichtswissenschaft noch kaum erfasstes Thema. Dementsprechend schwierig ist es, das Thema
innerhalb der Bundesratsforschung zu lokalisieren. Der Stand der Bundesratsforschung
präsentiert sich wie folgt:
Es ist eine relativ grosse Zahl von staatsrechtlichen Werken vorhanden, die sich mit der
Organisation der schweizerischen Exekutive und ihrem Zusammenspiel mit den anderen
eidgenössischen Institutionen befassen. Erwähnt werden müssen in diesem Zusammenhang die Autoren Jakob Dubs, Carl Hilty, Johannes Dürsteler, François Aubert, Kurt
Eichenberger, Peter Saladin, Thomas Fleiner und René Rhinow. Auch aus politologischer und soziologischer Sicht war und ist der Bundesrat ein Thema, hiervon zeugen
Publikationen der Autoren Leonhard Neidhart, Alois Riklin, Raimund E. Germann, Ulrich Klöti, Wolf Linder, Roger Blum oder Hanspeter Kriesi. Von Seiten der Historiker,
war der Bundesrat Thema bei Erich Gruner, Hermann Böschenstein und Arthur Fritz
Reber. Biographische Übersichtswerke gibt es von Friedrich Volmar, Gottfried Heer,
Eugen Teucher und Arnold Fisch. Den Charakter eines geschichtswissenschaftlichen
Referenzwerkes hat heute das 1991 von Urs Altermatt herausgegebenen biographische
Lexikon mit dem Titel die Schweizer Bundesräte.28
Zum Thema Bundesratsausflug gibt es bis anhin lediglich einen längeren Beitrag. Es
handelt sich dabei um einen Zeitungsartikel in der Genfer Tageszeitung Le Temps, geschrieben von deren Bundeshauskorrespondent Thierry Meyer. Unter dem Titel „Le bol
d’air rituel du Conseil fédéral“ nahm dieser im Vorfeld des Bundesratsausfluges 2005
27
28
Meier-Dallach, die Schweiz, 34.
Detailliertere Angaben zu den verschiedenen Werken finden sich in der Bibliographie.
13
einen Rückblick auf die Entstehung und Entwicklung dieser Tradition vor.29 Auf den
Artikel von Thierry Meyer wird im Laufe dieser Untersuchung noch detaillierter eingegangen werden. Daneben finden sich in volkskundlichen Beiträgen meist im Zusammenhang mit den Festtraditionen kurze Verweise auf die Institution Bundesratsausflug.30
Der zeitliche Rahmen dieser Untersuchung soll folgendermassen eingegrenzt werden:
Da der Bundesrat als Regierungsbehörde seit der Bundesstaatsgründung 1848 besteht,
soll grundsätzlich auch die Zeitspanne von 1848 bis in die unmittelbare Gegenwart als
Untersuchungszeitraum definiert werden. Der Zeitrahmen soll insbesondere deshalb so
weit gefasst werden, damit Vorläufertraditionen des Bundesratsausflugs, die in frühen
Phasen des Bundesstaates stattfanden, in dieser Arbeit mitberücksichtigt werden können.
Das Untersuchungsobjekt Bundesratsausflug hat eine interne Dimension, die sich auf
das Regierungskollegium beschränkt, und auch eine externe, nationale, die gesamte
schweizerische Gesellschaft miteinbeziehende Dimension. Es kann und soll in dieser
Arbeit nicht das Ziel sein, Ereignissen oder Begebenheiten nachzugehen, die sich im
zwischenmenschlichen Bereich, innerhalb der bundesrätlichen Ausflugsgesellschaft,
abgespielt haben. Es kann nicht Zweck dieser Untersuchung sein, bundesrätliche Interna
aufzudecken. Episodenhaftes soll deswegen nur insofern mitberücksichtigt werden,
wenn diese auf offiziellem Wege an die Öffentlichkeit gelangt sind, und zudem nur
dann, wenn sie etwas zum Untersuchungsgegentand dieser Arbeit beitragen. Dank der
Berichterstattung in den verschiedensten Medien wurde der Bundesratsausflug in den
letzen Jahren zu einem Medienereignis, das den grössten Teil der medienkonsumierenden Bevölkerung erreicht. Medienberichte, insbesondere aus Tageszeitungen, werden in
dieser Arbeit auch Teil des Quellenmateriales sein. Die Absicht ist es jedoch nicht, eine
Medienanalyse vorzunehmen.
An dieser Stelle sollen im Hinblick auf den Hauptteil der Arbeit einige Begriffe im vorneherein geklärt werden. So soll in dieser Arbeit grundsätzlich der Begriff Bundesratsausflug für das zu besprechende „Phänomen“ verwendet werde. Der Begriff Bundesratsreise, welcher auch von der Bundeskanzlei verwendet wird,31 soll insbesondere
deswegen vermieden werden, um eine klare terminologische Abgrenzung zu machen
gegenüber den geschäftlichen Reisen der Bundesräte, die sie in ihrer Funktion als Exe29
Thierry Meyer, Le bol d’air rituel du Conseil fédéral, in: Le Temps, 30 Juni 2005.
Kreis, Handbuch Volkskultur, Bd. 2, 917.
31
Die Terminologie wurde von Seiten der Bundeskanzlei uneinheitlich gehandhabt, seit dem Jahr 2000, wird
von Bundesratsreise gesprochen, davor war der Begriff Bundesratsausflug in Gebrauch.
30
14
kutivmitglieder tätigen. Ebenfalls nicht Teil dieser Untersuchung sollen die sogenannten
bundesrätlichen Retraiten32 sein, bei denen sich das Bundesratskollegium jeweils für ein
paar Tage an einen Ort zurückzieht, um sich dort eingehend der Erörterung eines politischen Themas zu widmen.
In Bezug auf das geographische Ziel des Bundesratsausfluges ist regelmässig von der
Regel die Rede, die besagt, dass der Heimatkanton des Bundespräsidenten Ziel des Ausfluges zu sein habe. Diese Regel, die übrigens nirgends schriftlich festgehalten ist, hat
somit den Charakter einer Usanz. In dieser Arbeit soll diese Regel von nun an unter
dem Begriff „Bundespräsidentenregel“ behandelt werden. Bei der mehrfachen Präsidentschaft eines Bundespräsidenten hat sich zudem eingebürgert, dass neben dem Heimatkanton auch noch weitere Kantone besucht werden können. Diese Differenzierung
der Bundespräsidentenregel soll fortan unter dem Begriff „erweiterte Bundespräsidentenregel“ behandelt werden. Auf diese, für das Verständnis der Institution Bundesratsausflug wichtigen Regel wird selbstverständlich noch eingehender eingegangen
werden.
Weiter wird eine grobe Periodisierung vorgenommen und in diesem Zusammenhang
neben einer Vorläuferperiode und einer Periode, in der sich die Form des Bundesratsausfluges herausbildet, vom „Bundesratsausflug im modernen Sinne“ gesprochen.
Dabei handelt es sich um die Bundesratsausflüge aus der Periode von 1961 bis in die
Gegenwart. Diese Definition, auf dessen Begründung im Laufe der Arbeit noch eingehender eingegangen wird, wurde gemäss den folgenden, seit dem Jahre 1961 kontinuierlich erfüllten Kriterien aufgestellt: Durchführung im Jahresrhythmus, zweitägige Dauer
des Bundesratsausfluges, erkennbare Einhaltung der Bundespräsidentenregel sowie eine
Kontinuität der thematischen Ausflugsprogrammgestaltung.
In dieser Arbeit wird in Bezug auf die Kantone der Begriff eines kulturell-geographisch
Raumes verwendet werden. Es soll damit angedeutet werden, dass es sich bei den Kantonen, den Teilstaaten des Bundesstaates Schweiz, nicht bloss um verwaltungstechnische Einheiten und auch nicht bloss um rein geographisch-räumliche Gebiete handelt,
sondern um historisch gewachsene Gebietskörperschaften mit eigener Identität, kulturellen Eigenheiten und einer, zum Teil sehr langen Tradition, eigener Staatlichkeit.
32
Eine solche Klausursitzung, auch Retraite genannt, fand beispielsweise am 22./23. Mai 2002 im Kloster Ittingen im Kanton Thurgau statt. (Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 8. Mai 2002).
15
2.1.5. Fragestellung
Diese Arbeit soll in zwei Teile unterteilt werden, die sich jeweils einer unterschiedlichen Vorgehensweise annehmen werden, wobei der erste Teil als Grundlage für den
zweiten Teil fungieren soll. Der erste, vom Umfang her der grössere Teil soll ein beschreibender Teil sein. Anhand von Quellenmaterial soll es dort darum gehen, das bisher kaum bearbeitete Phänomen Bundesratsausflug empirisch aufzuarbeiten. Dabei sollen in erster Linie die Fragen nach der Entstehung, den Erscheinungsformen, Abläufen
und Ausgestaltungsformen des Bundesratsausfluges im Vordergrund stehen. Dieser erste, beschreibende Teil soll in vier grössere Kapitel unterteilt werden. Dabei sollen in einem ersten Kapitel Vorläufer- und Paralleltraditionen vorgestellt werden sowie auf die
Frage eingegangen werden, in welchem Umfeld sich dieses Phänomen entwickelt hat.
Im zweiten Kapitel steht die Phase der Herausbildung der Form des Bundesratsausfluges in den 1950er Jahren, im Vordergrund. Dort wird es unter anderem um die Frage
nach dem Initiator der Bundesratsausflugstradition gehen. Das dritte und ausgedehnteste
Kapitel wird sich verschiedenen Aspekten des Bundesratsausfluges im modernen Sinne
widmen. In diesem Kapitel soll insbesondere der Ablauf und die Programmgestaltung
analysiert werden. Das vierte Kapitel wird eine Art Zwischensynthese sein und dabei
einen Längsschnitt dieses ersten, beschreibenden Teils vornehmen. Dadurch soll ein
Bogen von den Vorläufertraditionen bis in die Gegenwart gezogen sowie Veränderungen und Kontinuitäten, aufgezeigt werden können.
Der zweite Teil der Arbeit, soll ein deutender Teil sein, der aufbauend auf den Erkenntnissen des ersten Teils, die Bedeutung des Phänomens Bundesratsausflug in Bezug auf
die politische Kultur der Schweiz beleuchten soll. Dabei wird davon ausgegangen, dass
es sich beim Phänomen Bundesratsausflug um ein so genanntes Artefakt der politischen
Kultur handelt. Dieser deutende Teil ist in Unterkapitel gegliedert, die sich jeweils einem der folgenden, oben zusammengestellten Untersuchungsthemen der politischen
Kultur der Schweiz widmen: Kollegialität, Kleinräumigkeit/Föderalismus, Direkte Demokratie, Konkordanz/Konsens. So wird es in diesem deutenden Teil darum gehen,
aufzuzeigen, in welcher Art die Prinzipen der politischen Kultur der Schweiz, die in den
vier Untersuchungsthemen gruppiert wurden, in der Tradition des Bundesratsausflugs
zur Geltung kommen. Die Frage stellt sich: Wie manifestieren sich diese Prinzipien im
Bundesratsausflug, und in welcher Form reproduziert die bundesrätliche Ausflugstradition diese wiederum?
Zum Schluss soll aus dem beschreibenden ersten Teil und dem deutenden zweiten Teil
der Arbeit ein Synthesekapitel heraus gearbeitet werden, welches auch einen kleinen
16
Ausblick beinhalten wird auf mögliche zukünftigen Entwicklungen im Regierungssystem und deren Auswirkungen auf die Bundesratsausflugstradition. Im Anhang werden
eine chronologische Zusammenstellung aller Bundesratsausflüge sowie einige Bilder
die Erkenntnisse dieser Arbeit ergänzen.
17
3. Hauptteil
3.1. Vorläufertraditionen, Paralleltraditionen
In diesem Kapitel soll es darum gehen, Ausflugs- und Begegnungstraditionen vorzustellen, die in einem gewissen thematischen Bezug zur Tradition des Bundesratsausfluges
stehen. Dabei handelt es sich sowohl um Anlässe, die sich zeitlich vor der Bundesratsausflugstradition abspielten, also eine Vorläuferfunktion einnehmen, also auch solche, die in der gleichen Zeitspanne eine Paralleltradition darstellen, welche in einem
thematischen Zusammenhang mit den Bundesratsausflügen stehen. Dieses Kapitel soll
insbesondere aufzeigen, dass sich die Tradition Bundesratsausflug nicht unabhängig
entwickelt hat, sondern dass Ähnlichkeiten, Verbindungen und Entwicklungslinien zu
anderen Phänomenen bestanden. Die, in diesem Kapitel aufgezeigten Phänomene werden im zweiten Hauptteil, der sich der Deutung in Bezug auf die politische Kultur widmet, in die Interpretation einfliessen.
3.1.1. Verschiedene Ausflüge in der Zwischenkriegszeit
3.1.1.1. Ausflug an die Fête des Vignerons im Jahre 1927
Aus dem Jahre 1927 ist ein zweitägiger Ausflug des Gesamtbundesrates in den Kanton
Waadt dokumentiert. Anlass dieses Ausfluges war in erster Linie der Besuch der Freilufttheateraufführung anlässlich des alle Vierteljahrhundert stattfindenden Winzerfestes,
der Fête des Vignerons, in Vevey am 1. August 1927. Am Sonntag, 31. Juli 1927 fuhr
der Gesamtbundesrat, sprich Bundespräsident Giuseppe Motta, Bundesrat Edmund
Schulthess, Bundesrat Ernest Chuard, Bundesrat Jean-Marie Musy, Bundesrat Heinrich
Häberlin, Bundesrat Robert Haab und Bundesrat Karl Scheurer per Eisenbahn nach
Lausanne. Scheurer der Junggeselle, war der einzige ohne weibliche Begleitung, alle
anderen wurden von ihren Gemahlinnen begleitet. In Lausanne-Ouchy traf sich der
Bundesrat bei einem Mittagessen mit der Waadtländer Regierung, wobei dieser Anlass
gleichzeitig auch der Feier des 70. Geburtstags des Waadtländer Bundesrates Ernest
Chuard gewidmet war. Am Nachmittag fuhr die bundesrätliche Reisegesellschaft per
Schiff weiter nach Vevey, wo ein Empfang beim dortigen Gemeindepräsidenten stattfand. Aus den Tagebucheintragungen von Bundesrat Scheurer erfährt man, dass die
Bundesräte und ihre Gemahlinnen die Nacht als Gäste von Privatleuten verbrachten,
Scheurer meinte dazu: „Meine Quartiergeber, die Familie de Blonay, nehmen mich da-
18
bei in Empfang und führen mich auf ihr Schloss, wo ich einen ganz netten Abend verlebe und es schliesslich besser geht, als ich befürchtet hatte.“33
Am Montag 1. August besuchte der Gesamtbundesrat die Freiluftvorführung des Winzerfestes. Danach wurde zum Bankett geladen, an dem Bundespräsident Giuseppe Motta aus Anlass des Nationalfeiertages eine Rede hielt. Scheurer beendet seine persönlichen Eintragungen über diesen zweitägigen Ausflug folgendermassen: „In Bern kommen wir um neun Uhr an und sitzen noch auf dem Bahnhof zusammen. Der Schaffiser,
den wir dort trinken, darf den Vergleich mit dem Waadtländer wohl aushalten, namentlich bei dem grossen Durst und der grossen Hitze.“34
Dieser Ausflug an das Winzerfest in Vevey ist in der Tradition zu sehen, wonach der
Bundesrat kulturelle Veranstaltungen von nationaler oder zumindest überregionaler Bedeutung regelmässig durch eine bundesrätlich Delegation beehrte. So wurden beispielsweise auch die Theatervorstellungen des Théâtre du Jôrat, eines Theaters in Mézièrs nahe Moudon, in den Jahren 193535 und 1937 prominent durch den Bundesrat besucht. Die Theatervorstellung von 1937 brachte sechs Bundesräte samt Gemahlinnen ins
Waadtland.36
3.1.1.2. Ausflug anlässlich des Eidgenössischen Schützenfestes 1934 in Freiburg
In der Zwischenkriegszeit ist es üblich, dass Veranstaltungen wie Feste, Jubiläumsfeiern
oder Theateraufführungen, die vom Gesamtbundesrat besucht werden, mit einem kleinen Ausflug erweitert werden. Ein Beispiel hierfür ist das Eidgenössische Schützenfest
1934 in Freiburg. Traditionell beehrte der Bundesrat das Eidgenössische Schützenfest
mit der Anwesenheit des Gesamtkollegiums. So auch im Jahre 1934, wo einzig Bundesrat Hermann Obrecht nicht an den Feierlichkeiten teilnehmen konnte. Im Anschluss an
den Umzug und die Festlichkeiten zum offiziellen Tag des Eidgenössischen Schützenfestes lud der Regierungsrat des Kantons Freiburg die Gäste, unter ihnen der Bundesrat
in corpore, auf eine kurze Exkursion ins Greyerzerland ein. Neben dem Bundesrat waren dabei: Vertreter der eidgenössischen Räte und des Bundesgerichtes, hohe Beamte,
Militärs, Diplomaten, ausländische Gesandte, Vertreter des Klerus sowie Vertreter des
Kantons und der Stadt Freiburg. Mit mehreren Autobussen fuhren die illustren Teilnehmer durch das Greyerzerland und hielten schliesslich im Ort Greyerz, von wo aus
33
Böschenstein, Tagebücher Scheurer, 221.
Böschenstein, Tagebücher Scheurer, 222.
35
La représentation de Tell au Théâtre du Jôrat, in: Gazette de Lausanne, 27. Mai 1935.
36
Bundesarchiv, E 1 (-), Akzession -/9001, Bd. 102, Aktenzeichen 595, Brief der Bundeskanzlei an Gaston
Bridel, Präsident Théâtre du Jôrat, betreffend Anwesenheit Bundesräte bei der Aufführung vom 29. Mai
1937.
34
19
eine kurze Wanderung bis zum Schloss unternommen wurde. Dort nahm die Ausflugsgesellschaft einen Imbiss ein, bei dem Trachtenmädchen folkloristische Darbietungen
boten.37 Abends, wieder in Freiburg, wurde den Ehrengästen mit der Darbietung des
Festspiels „Mon pays“ auch noch ein szenischer Programmpunkt geboten.38
Die eidgenössischen Feste, sei es dasjenige der Schützen, Sänger oder Turner, die ihre
Wurzeln allesamt im 19. Jahrhundert hatten und viel zur Etablierung des Nationalgefühls im liberal dominierten Bundesstaates beitrugen, waren auch in der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts wichtige nationale Festanlässe von grosser landesweiter Ausstrahlung. Dementsprechend ist auch die Präsenz der Landesregierung zu verstehen.
3.1.1.3. Ausflug an die Landsgemeinde Appenzell Ausserrhoden 1938
Aus dem Jahre 1938 ist ein zweitägiger Ausflug des Gesamtbundesrates in die Ostschweiz dokumentiert. Der damalige Bundespräsident Johannes Baumann führte dabei
seine Regierungskollegen an die Landsgemeinde von Appenzell Ausserrhoden, die in
jenem Jahr in Trogen39 stattfand. Mit von der Partie an diesem Samstag und Sonntag
23./24. April 1938 waren mit Ausnahme des an diesem Anlass verhinderten Bundesrat
Hermann Obrecht alle damaligen Bundesräte, namentlich: Bundespräsident Johannes
Baumann, Bundesrat Philipp Etter, Bundesrat Rudolf Minger, Bundesrat Giuseppe Motta, Bundesrat Marcel Pilet-Golaz, Bundesrat Albert Meyer sowie Bundeskanzler
Georges Bovet und Vizekanzler Oskar Leimgruber.40 Alle genannten Herren befanden
sich dabei in Begleitung ihrer Gemahlinnen, mit Ausnahme des Wittwers Albert Meyer,
der sich zu diesem Anlass von seiner ledigen Schwester begleiten liess.
Dieser Ausflug lief folgendermassen ab: Am frühen Nachmittag des Samstag 23. April
1938 besammelte sich die Reisegesellschaft in mehreren Limousinen vor dem Bundeshaus West, nachdem die Bundesräte und Bundeskanzler mit ihren Begleiterinnen jeweils an ihrer Wohnadressen von den Limousinen abgeholt worden waren. Im Konvoi
fuhr dann die bundesrätliche Reisegesellschaft in Richtung Ostschweiz. In Zürich wurde
eine kurze Rast zur Einnahme des Vier-Uhr-Tees eingeschaltet. Am frühen Abend wurde in Herisau zuerst das kantonale Regierungsgebäude besichtigt, anschliessend wurde
im Hotel Storchen das von Bundespräsident Johannes Baumann offerierte Abendessen
eingenommen. Die Reisegesellschaft fuhr am selben Abend noch weiter in die Stadt
St.Gallen, wo sich laut Neuer Zürcher Zeitung (NZZ) „... eine vieltausenköpfige Zu37
La journée officielle du Tir fédéral, in: La Liberté, 27. Juli 1934.
Eidgenössisches Schützenfest in Freiburg, in: Neue Zürcher Zeitung, 27. Juli 1934.
39
Die Landsgemeinde im Kanton Appenzell Ausserrhoden findet in den Jahren mit gerader Jahreszahl in
Trogen, in denjenigen mit ungerader Jahrezahl in Hundwil statt.
40
Zwischen 1934 und 1967 gab es neben dem Bundeskanzler jeweils nur einen Vizekanzler.
38
20
schauermenge ...“41 eingefunden habe, um der schweizerischen Landesregierung einen
herzlichen Empfang zu bereiten. Und diese Menge stimmte, nachdem Bundespräsident
Johannes Baumann eine kurzen Ansprache im Namen des Gesamtbundesrates gehalten
hatte, „... jubelnd in das Hoch auf die Eidgenossenschaft ein und sang die Vaterlandshymne und den Schweizerpsalm.“42 Im Hotel Hecht traf der Bundesrat zudem kurz mit
Regierungsvertretern des Kantons St. Gallen sowie dem Stadtammann der Stadt zusammen. Mit Ausnahme von Bundesrat Minger und dessen Gattin, die bei persönlichen
Bekannten in Heiden nächtigten, verbrachte die bundesrätliche Reisegesellschaft die
Nacht im Hotel Hecht in St. Gallen.43
Am Sonntag, 24. April 1938 fuhr der Gesamtbundesrat, nachdem in St. Gallen noch
kurz die Stiftsbibliothek besichtigt worden war, nach Trogen. Dort angekommen, trennten sich die Bundesratsgattinnen von ihren Männern und verfolgten die Landsgemeinde
als Gäste der einheimischen Mundartdichterin Berta Straub-Pfenninger. Die Bundesräte,
der Bundeskanzler und der Vizekanzler verfolgten derweilen den Ablauf der Landsgemeinde vom Rathaus aus. Am frühen Nachmittag, nach einem Mittagessen in Trogen,
verliess die bundesrätliche Reisegesellschaft mit ihrem Limousinenkonvoi Trogen in
Richtung Bern, wo sie am Abend eintraf.
Von Interesse ist insbesondere die kurze Rede, die Bundespräsident Johannes Baumann
am Anschluss der Landsgemeinde, die er als Bürger des Standes Appenzell Ausserrhoden, mit dem Degen bekleidet, im sogenannten Ring zugebracht hatte, vor den Bürgern
seines Heimatkantones hielt. Baumann stellte unter anderem fest, dass die Tradition der
Landsgemeinde „... nicht ein Schaustück, sondern die ehrwürdige Trägerin der obersten Gewalt, eine ernste demokratische Handlung des Volkes als obersten Souverän“44
sei. Neben dieser Würdigung der direktdemokratischen Institution Landsgemeinde
sprach Bundespräsident Baumann auch von den aussenpolitischen Entwicklungen und
der aus der Kriegsgefahr entstandenen, eindrücklichen Einigkeit des Schweizer Volkes.
Weiter führt Baumann in seiner Rede aus „... wie die Begriffe Freiheit, Einigkeit und
Unabhängigkeit neu und stark in uns lebendig geworden sind, und dass wir uns wieder
aufs neue bewusst geworden sind, dass wir gegebenenfalls mit den Waffen in der Hand
uns verteidigen müssen, auch wenn wir allein stehen.“45
41
Landsgemeinde in Trogen, in Neue Zürcher Zeitung, Montag 25. April 1938.
Landsgemeinde in Trogen, in Neue Zürcher Zeitung, Montag 25. April 1938.
43
Bundesarchiv, E 1 (-), Akzession -/9001, Bd. 102, Aktenzeichen 595, Programm Besuch Landsgemeinde
A. Rh. 23./24. April 1938.
44
Landsgemeinde in Trogen, in: Neue Zürcher Zeitung, Montag 25. April 1938.
45
Landsgemeinde in Trogen, in: Neue Zürcher Zeitung, Montag 25. April 1938.
42
21
Die Wahl der Landsgemeinde von Appenzell Ausserrhoden als Ziel eines gesamtbundesrätlichen Ausflugs und insbesondere die Rede des Bundespräsidenten mit dem Appell an die patriotischen Gefühle, an die nationalen Einigkeit und die Besinnung auf die
direktdemokratischen Institutionen ist vor allem vor dem Hintergrund der geistigen
Landesverteidigung zu betrachten. Anhand der Landsgemeinde von Ausserrhoden wird
ein Bild eines kleinräumigen, autonomen, ländlichen Gemeinwesens dargestellt, dessen
Bürger mit Degen bewaffnet in demokratischer Gesinnung zusammenstehen. Ein Bild,
das auch der Gesamtschweiz als Vorbild dienen sollte.
Über die in diesem Kapitel dargestellten Ausflüge in der Zwischenkriegszeit lässt sich
kurz zusammengefasst sagen: Die Ausflüge, die der Bundesrat in dieser Zeit unternahm,
hatten immer einen klaren Hauptprogrammpunkt. Das heisst, es gab immer einen zentralen Grund, sei es der Besuch des Winzerfestes, des offiziellen Tages am Eidgenössischen Schützenfest oder der Landsgemeinde in Appenzell Ausserrhoden. Der Ausflug
an sich war somit nie Selbstzweck. Es bildete sich auch keine regelmässige Tradition
von Ausflügen aus. Sie wurden angesetzt, wenn sich ein Anlass dazu bot. Interessant ist
die Tatsache, dass die Gattinnen der Bundesräte bei den Ausflügen ins Waadtland 1927
und in die Ostschweiz 1938 ganz selbstverständlich Teil der Reisegesellschaft waren.
Aus der Tatsache, dass Bundesrat Meyer sich bei der Reise 1938 von seiner ledige
Schwester begleiten liess, könnte geschlossen werden, dass die Anwesenheit einer
Begleiterin ein gesellschaftlich erwünschtes Bild darstellte. Das informelle Zusammentreffen mit den Kantonsregierungen anlässlich von Ausflügen lässt sich anhand der dargestellten Reisen gut belegen. Der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten wurde in dieser Epoche noch eher wenig Bedeutung beigemessen. So fanden die Besichtigungen der
Stiftsbibliothek 1938 und des Schlosses Greyerz 1934 mehr im Vorbeigehen statt. Auffallend ist, dass die Anlässe, welche der Bundesrat in der Zwischenkriegszeit in corpore
besuchte, meist einen stark patriotischen Hintergrund hatten und dieser durch die Anwesenheit der Landesregierung bewusst verstärkt wurde. Der Besuch des Winzerfestes
am 1. August, des Eidgenössischen Schützenfestes sowie der Landsgemeinde zeugen
von der Art und Weise, in der Werte wie Wehrhaftigkeit, Brauchtum, Demokratie und
Patriotismus zu dieser Zeit in den Vordergrund gerückt wurden.
3.1.2. Ministerkonferenzausflug
Die Ministerkonferenz, gelegentlich auch als Konferenz der schweizerischen Gesandten
im Ausland bezeichnet und in der Gegenwart unter dem Namen Botschafterkonferenz
22
bekannt, ist ein Anlass, der erstmals 188746 durchgeführt wurde, und der mit Ausnahme
der Weltkriegsjahre 1914-1918 und 1939-194447 alljährlich stattgefunden hat. Diese
vom Vorsteher des Politischen Departements48 einberufene Konferenz vereinigte jeweils den Grossteil der Schweizer Botschafter zu einer Zusammenkunft im Bundeshaus.
Die Konferenz diente dem Informationsaustausch der Chefdiplomaten untereinander
und dem Kontakt des Departementvorstehers mit den Gesandten. Die Konferenz findet
bis heute immer im Spätsommer, meistens im September, statt. Dieser Termin rührt daher, dass sich in früheren Jahren die Gesandten während den Sommermonaten nicht auf
ihren Posten, sondern meist im Urlaub in ihrer Heimat befanden, so dass die Ministerkonferenz am Ende dieser Sommerpause angesetzt wurde, als sich die Diplomaten ohnehin in der Schweiz befanden. Bestandteil dieser Konferenz ist seit jeher ein der Geselligkeit gewidmeter Ausflug mit dazugehörigem Mittagessen. Es ist dieser Ministerkonferenzausflug, dem in dieser Untersuchung die grösste Aufmerksamkeit zuteil kommen
soll, weil es dieser ist, der über das Ausflugsverhalten des Bundesrates Erkenntnisse liefern kann.
3.1.2.1. Frühphase der Ministerkonferenz: 1887-1938
Es war Bundesrat Numa Droz, der im Jahre 1887 zum ersten Mal eine Ministerkonferenz in Bern einberief. Droz war der erste Bundesrat, der das Politische Departement
länger als nur während seinem Amtsjahr als Bundespräsident betreute.49 Dieses längerfristige Verbleiben eines Bundesrates im Politischen Departement wurde unter dem
Begriff „System Droz“ bekannt und brachte der schweizerischen Aussenpolitik erstmals
eine gewisse Kontinuität. Vor der Regelung des System Droz, hatte die Koppelung der
Bundespräsidentschaft mit der Leitung des Politischen Departements und die damit verbundene jährliche Rotation der Departemente jede kontinuierliche Aussenpolitik des
Bundes verunmöglicht. Die aussenpolitischen Leistungen Droz’ wurden weit herum gerühmt und anerkannt.50 Die Einführung der Ministerkonferenz ist ein Bestandteil der
unter dem Begriff System Droz im Politischen Departement und in der Diplomatie un46
Widmer, Schweizer Aussenpolitik,154.
Bereits am 14./15. September 1945 fand wieder eine Ministerkonferenz statt.
48
Das heute (2006) und seit 1979 unter der Bezeichnung Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bekannte Departement, wurde in der Zeit von 1848 bis 1888 und 1896 bis 1979 Politisches Departement genannt. In der kurzen Periode von 1888 bis 1896, wurde es als, Departement des Äusseren, bezeichnet.
49
Die Usanz sah es vor, dass bis zur Einführung des „System Droz“ die Führung des Politischen Departements jedes Jahr an den Bundespräsidenten überging. Diese Koppelung von Präsidentschaft und Politischem
Departement wurde nach dem Rücktritt von Droz’ Nachfolger Lachenal wieder eingeführt und blieb bis zum
Ersten Weltkrieg in Kraft.
50
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 218-223.
47
23
ternommenen strukturellen Neurungen. Wobei die Ministerkonferenz und der dazugehörende Ausflug auch nach der Rückkehr zu einem rotierenden Aussenministerium weiter jährlich abgehalten wurden.51
Die Ministerkonferenz und insbesondere der dazugehörende Ausflug fand in den ersten
Jahren seiner Durchführung nur wenig Resonanz in der Presse, die Öffentlichkeit schien
kaum davon Notiz zu nehmen. Einer der wenigen Zeitungsartikel über den Ministerkonferenzausflug findet sich in der Genfer Zeitung Le Temps vom 1. September 1894:
„Aujourd’hui jeudi a eu lieu, sous la présidence de M. Lachenal, chef du département
des affaires étrangères, la conférence annuelle des représentants diplomatique de la
Suisse à l’étranger. Etaient présents: MM. Lardy, ministre à Paris, Roth à Berlin, Bourcart à Londres et Claparède à Vienne. Le poste de Washington est vacant, le ministre à
Buenos-Ayres est resté à son poste. Après la conférence, des landaus ont conduit les
membres du Conseil fédéral et les ministres en campagne où a lieu le dîner. On choisit
toujours quelque localité éloignée de la ligne ferrée, quelque village ayant sa vieille auberge de l’Ours, où l’on commande un dîner rusitque, selon l’antique menu ordonné à la
bernoise: truites de ruisseau, jambon de l’Emmenthal, poulets indigènes, etc. Cette année, c’est à Schwarzenburg, au pied des montagnes de Guggisberg, que le dîner était
commandé.»52 Wie der Journalist aus der französischen Schweiz in seinem leicht ironisch gefärbten Artikel beschreibt, führte der kurze Ausflug in den ersten Jahren jeweils
zu einem Gasthof in der ländlichen Umgebung der Stadt Bern. So führten in den Jahren
1889-1894 die Ausflüge beispielsweise zu Gasthöfen in Münsingen, Laupen,
Wichtrach, Grosshöchstetten, Oberburg und wie oben erwähnt Schwarzenburg. Diese in
einem Umkreis von maximal zwanzig Kilometer von Bern entfernten Ortschaften wurden meist per Pferdekutsche erreicht. Obenstehender Artikel weist auf das Merkmal hin,
dass der zentrale Anlass des Ausfluges das Mittagessen sei, und dass die dafür aufgesuchten Lokalitäten meist einen ländlich-bäuerlichen Charakter aufwiesen. Über den
zeitlichen Ablauf des geschäftlichen Teils der Konferenz und den Ausflug liefert folgendes Zitat einen Anhaltspunkt: „Nous avons l’honneur de vous informer que nous
avons l’inteniton de fixer sur mardi 22 Septembre, à 9 heures du matin la Conférence
annuelle des Chefs de nos missions diplomatiques à l’Etranger. Celle-ci aura lieu dans
le Cabinet de la Présidence. La Conférence sera suivi, comme d’usage, d’une promenade à laquelle prendront part MM les Conseillers fédéraux présents à Berne.»53 Wie im
51
Altermatt Claude, Diplomatie professionell, 172.
Suisse, in: Le Temps, 1. September 1894.
53
Bundesarchiv, E 2001 (A), Akzession -/9001, Aktenzeichen 80, Einladungsschreiben für Ministerkonferenz von Politischem Departement an die Minister vom 22. August 1896.
52
24
aufgeführten Zitat aus dem Jahre 1896 ersichtlich, nahm die eigentliche Konferenz wohl
zeitlich bloss eine untergeordnete Stellung ein. So wird erwähnt, dass ab 9 Uhr in den
Räumlichkeiten des Bundespräsidenten getagt wurde, aber die Gesellschaft sich schon
für das Mittagessen in Münsingen eingefunden hatte. Daraus ist ersichtlich, dass dem
geselligen Teil der Veranstaltung wohl eine gerade so grosse Bedeutung zugemessen
wurde, wie den rein geschäftlichen Unterredungen, welche wohl relativ schnell abgehandelt wurden. Es ist jedoch anzunehmen, dass auch während dem Ausflug ein Gedankenaustausch, Geschäftliches betreffend, zwischen den Ministern und den Bundesräten stattgefunden haben dürfte. Es darf sogar angenommen werden, dass die Gespräche
mit den Ministern anlässlich des Ausfluges für die nicht im Politischen Departement tätigen Bundesräte eine nicht unerhebliche Informationsquelle zur politischen Situation
im Ausland darstellten. Im Jahre 1903 führte der Ministerkonferenzausflug die Magistraten und Diplomaten erstmals über die Grenzen des Kantons Bern hinaus, nach Auvernier an den Neuenburgersee. Dieser Ausflug gestaltete sich insofern speziell, als neben
der Eisenbahn auch ein Dampfschiff zum Einsatz kam, und die Reisegesellschaft sich
im Laufe des Tages somit zwei verschiedenen Verkehrsmitteln bediente. Die Neue Zürcher Zeitung berichtete wie folgt über den besagten Ausflug: „Gelegentlich des Diners,
das der Bundesrat alljährlich den schweizerischen Gesandten im Auslande gibt und das
diesmal am letzten Samstag in Auvernier stattfand, wurde unsern Magistraten in StBlaise durch die Gemeindebehörden ein kleiner Empfang bereitet, wobei die ausgesuchtesten Produkte der dortigen Rebberge kredenzt wurden. Dass auch am Diner im ‚Hotel
zum Fisch’ in Auvernier die besten Marken der ‚Tisane neuchâteloise’ serviert wurden,
ist wohl selbstverständlich. Ein Besuch der kantonalen Weinbauschule in Auvernier
konnte die hohe Gesellschaft ebenfalls von den Vorzüglichkeiten der Neuenburger
Weine überzeugen.“54 Im obigen Artikel wird angedeutet, dass dem Genuss von alkoholischen Getränken, in diesem Fall von Wein, an solchen Anlässen eine relativ grosse
Bedeutung zugekommen sein dürfte. Ebenfalls erwähnt wird, dass neben dem zentralen
Programmpunkt Mittagessen beim dargestellten Ausflug von 1903 auch noch andere
Programmpunkte absolviert wurden, wie der kurze Empfang durch die Behörden der
Gemeinde St-Blaise sowie der Besuch einer Weinbauschule zeigen.
Bedingt durch die kontinuierlich verbesserten Verkehrsverbindungen vergrösserte sich
der Radius der Ziele des Ministerkonferenzausfluges vor dem Ersten Weltkrieg stetig,
und Ausflüge ins weiter entfernte Berner Oberland oder an ausserhalb des Kantons Bern
gelegen Orte wurden fast zur Regel. Der Einsatz der Eisenbahn als Transportmittel er54
Neuenburg, in: Neue Zürcher Zeitung, 23. September 1903.
25
möglichte es, morgens eine Konferenz im Bundeshaus in Bern abzuhalten und das Mittagessen schon ausserhalb des Hauptstadtkantons einzunehmen. So führte der Ausflug
von 1905 nach Chexbres, an die Gestade des Genfersees, derjenige von 1907 nach
Giessbach im Berner Oberland und derjenige von 1911 nach Vevey. Die Ministerkonferenzausflüge vor dem ersten Weltkrieg kannten einen zentralen Programmpunkt, dabei
handelte es sich um ein ausgedehntes Mittagessen, das in einem landschaftlich schön
gelegenen Gasthof eingenommen wurde.
Bei der Einführung der Ministerkonferenz durch Bundesrat Droz im Jahre 1887 hatte
die Schweiz fünf Gesandtschaften in Wien, Paris, Rom, Berlin und Washington. 1891
kamen Gesandtschaften in London und Buenos Aires dazu. Diesen sieben wurden im
Zeitraum von 1904 bis zum Beginn des ersten Weltkrieges vier weitere hinzugefügt55.
Trägt man dieser Anzahl von Gesandten Rechnung, und geht man davon aus, dass die
meisten der Minister der Konferenz und dem Ausflug beiwohnten, so kann man in dieser Zeit von einer Ausflugsgesellschaft von 15 bis 20 Leuten ausgehen. Es handelte sich
somit um eine noch überschaubare Gruppe. Zwar kam es in dieser Zeitspanne immer
wieder vor, dass der eine oder andere Bundesrat dem Ministerkonferenzausflug fernblieb, die Anwesenheit aller sieben Bundesräte schien jedoch zumindest erwünscht und
entsprach den Gepflogenheiten. Die Zwischenkriegszeit unter dem Vorsteher des Politischen Departementes, Giuseppe Motta56, brachte hinsichtlich dem Ablauf der Ministerkonferenz und des dazugehörenden Ausfluges wenige Veränderungen. Die leichte Erhöhung der Gesandtenposten sowie der Miteinbezug von Chefbeamten dürfte die Zahl
der an den Ausfahrten Teilnehmenden ein wenig erhöht haben. So ist auf einem Gruppenbild aus dem Jahre 1937 eine Ausflugsgesellschaft von 26 Personen abgebildet.57
3.1.2.2. Ministerkonferenzausflüge der Nachkriegszeit
Ganz allgemein nahm in der Nachkriegszeit die Bedeutung der schweizerischen Aussenpolitik stark zu. Unter Bundesrat Max Petitpierre, der das Politische Departement
zwischen 1944 und 1960 führte, bestand die Aussenpolitik vor allem in der Darlegung
und Vermittlung der schweizerischen Neutralität im Ausland, die insbesondere kurz
nach dem Zweiten Weltkrieg im Ausland vielerorts nicht verstanden wurde und der
Schweiz kurzzeitig das Image eines selbstgefälligen Opportunisten verliehen hatte.58
Petitpierre legte zudem einen besonderen Wert auf den Ausbau der Schweizer Vertre55
Widmer, Schweizer Aussenpolitik, 154.
Guiseppe Motta war von 1912 bis 1940 Bundesrat, davon zwischen 1920 bis 1940 im Politischen Departement.
57
Böschenstein, Bundesrat Obrecht, 209.
58
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 432f.
56
26
tungen im Ausland zu eigentlichen Botschaften. Auch nahm unter seiner Führung die
Zahl an Diplomaten und Beamten im Politischen Departement markant zu. Mit dem
Ausbau der schweizerischen Diplomatie nahm nach dem Zweiten Weltkrieg auch die
Bedeutung der Ministerkonferenz zu. Diese wurde nach der kriegsbedingten Unterbrechung ab September 1945 wieder alljährlich durchgeführt. Die Konferenzteilnehmerliste wurde dabei weiter ausgeweitet. So nahmen am Ende der Ära Petitpierre bei der Konferenz von 1960 neben dreissig Botschaftern auch vierzehn hohe Beamte aus dem Politischen Departement teil, ein Beamter aus dem Post- und Eisenbahndepartement59,
sechs Vertreter der Handelsabteilung sowie zwei Vertreter aus dem Militärdepartement
im Range eines Korpskommandanten und eines Obersten.60 Die Ministerkonferenz dieser Epoche hatte jedes Jahr einen Themenschwerpunkt, so stand beispielsweise die Ministerkonferenz 1960 unter dem Motto „Die Schweiz, der europäische Regionalismus
und das Welthandelsproblem“61. Somit war die Ministerkonferenz in dieser Zeit, über
eine Zusammenkunft der Schweizer Botschafter hinaus, zu einer Plattform geworden,
die weiterführende Themen der Auslandsbeziehungen behandelte. Auch trat der geschäftliche Teil der Konferenz in den Vordergrund, was sich auch dadurch zeigte, dass
für die ganze Konferenz neu zwei, in gewissen Jahren bis zu drei Tage eingeplant wurden. 1950 beispielsweise dauerte die Konferenz vom 7.-9. September, wobei neu ein
ganzer Tag dem Ausflug gewidmet wurde.
„La participation d’autres membres du Conseil fédéral que le Chef du Département politique à tout ou partie de la Conférance serait naturellement un honneur pour les Ministres présents.“62 Dieses Zitat ist ein Indiz dafür, dass die Teilnahme des Gesamtbundesrates an der Ministerkonferenz und dem dazugehörenden Ausflug in den Jahren nach
dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr selbstverständlich war. So wurde die Anwesenheit
der Bundesräte an den Ministerkonferenzausflügen immer unkonstanter. Während der
Ausflug nach dem waadtländischen Grandvaux am Genfersee im Jahre 1954 immerhin
noch von fünf Bundesräten mitgemacht wurde63, wurden die Minister im Jahre 1959 nur
noch von zwei Bundesräten begleitet, dem Bundespräsidenten Paul Chaudet und dem
59
Das genannte Post- und Eisenbahndepartement trägt seit 1998 den Namen Eidgenössisches Departement
für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).
60
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzession 1967/61, Bd. 66, Aktenzeichen 22, Teilnehmerliste (vom 8. September) Ministerkonferenz 1960.
61
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzession 1967/61, Bd.66, Aktenzeichen 22, Programmpunkte Ministerkonferenz 1960.
62
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzession 1967/61, Bd. 65, Aktenzeichen 22, Brief des Vorstehers des Politischen Departments Max Petitpierre an Bundespräsident Karl Kobelt vom 18. Juli 1952.
63
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzession 1967/61, Bd. 65, Aktenzeichen 22, Teilnehmerliste Ministerkonferenzausflug 1954, teilnehmende Bundesräte: Rubattel, Petitpierre, Feldmann, Streuli, Etter.
27
Vorsteher des Politischen Departements Max Petitpierre.64 Diese Reduktion der bundesrätlichen Beteiligung am Ministerkonferenzausflug auf den Bundespräsidenten und den
Vorsteher des Politischen Departements wurde gegen Ende der 1950er Jahre immer
mehr zum Normalfall. Dabei spielte sich die Regel ein, dass es der Bundespräsident
war, der die Organisation des Ausfluges übernahm. Dies zeigt das folgende Zitat: „Nous
avons l’honneur de vous faire savoir que la Journeé des Ministres aura lieu le vendredi
10 septembre. Elle sera suivie, le samedi 11, de l’ excursion traditionelle organiseé par
le Président le la Confédération.»65 Ab 1949 hat sich zudem eingebürgert, dass der
Heimatkanton des Bundespräsidenten als Ausflugsziel gewählt wurde. Der erste sozialdemokratische Bundespräsident, Ernst Nobs, führte die Kollegen und die Minister in
diesem Jahr unter anderem nach Winterthur zur Kunstsammlung Reinhart und zu einem
Mittagessen auf das Schloss Kyburg.66 Ab dem Jahr 1949 wurde somit beim Ministerkonferenzausflug die sogenannte Bundespräsidentenregel eingehalten, die scheinbar bereits 1955 als Tradition betrachtet wurde, denn die Feuille d’avis de Neuchâtel, schrieb
damals: „La tradition veut que la conférence annuelle des ministres de Suisse à
l’étranger s’achève par une excursion dans le canton d’origine du président de la Confédéderation.“67
Die Wiederaufnahme der Ministerkonferenzen unmittelbar nach Kriegsende im September 1945 sah noch einen Ausflug in Form der Zwischenkriegszeit vor, eine halbtägliche Ausfahrt samt Mittagessen in einem Gasthof des ländlichen Berns. Die Gestaltung
der Ausflüge in den späten 1940er und den 1950er Jahren wurden jedoch umfangreicher, neu wurde ein ganzer Tag dafür eingeplant. Und war in früheren Jahren die Einnahme einer Mahlzeit der gewichtigste und hauptsächliche Programmpunkt, so wurde
neu ein ausgedehnteres Rahmenprogramm erstellt. Als Beispiel kann hier das provisorische Ausflugsprogramm aus dem Jahr 1952 dienen, welches neben einem Empfang
durch Vertreter der Regierung des Kantons St.Gallen, Besuche der Stiftsbibliothek in
der Stadt St.Gallen, des Pestalozzidorfes in Trogen im Kanton Appenzell Ausserrhoden,
der Pferdesportveranstaltung bei St.Gallen und eines Orgelkonzerts in der Kathedrale
64
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzesssion 1967/61, Bd. 66 Aktenzeichen 22, Teilnehmerliste Ministerkonferenzausflug 1959.
65
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzession 1967/61, Bd. 65, Aktenzeichen 22, Brief des eidgenössischen Politischen Departements an die Gesandten der Schweiz im Ausland vom 1. Juli 1954.
66
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzession 1967/61, Bd. 65, Aktenzeichen 22, Diverse Schriftstücke zu den Ministerkonferenzen 1945-1955.
67
Les ministres de Suisse à l’étranger en excursion dans le canton, in: Feuille d’avis de Neuchatel, 12. September 1955.
28
der Stadt vorsah. 68 Diese mit verschiedenen Programmpunkten angereicherten Ministerkonferenzsausflüge etablierten sich in den 1950er Jahren; Besichtigungen von Museen, Industriebetrieben, touristischen Attraktionen sowie das Zusammentreffen mit kantonalen und kommunalen Behörden wurden zur Regel. Die Ausflüge der Ministerkonferenz nach der Ära Petitpierre ab 1961 sollen aus dem Grunde nicht mehr eingehender
untersucht werden, weil sich in dieser Epoche die Institution des Bundesratsausfluges
im modernen Sinne bereits etabliert hat, und somit die für den Ministerkonferenzausflug
in dieser Untersuchung wichtige Vorläuferfunktion entfallen ist.
Zusammenfassend lässt sich über die Entwicklung des Ministerkonferenzausfluges Folgendes sagen: Bei den ab der dritten Austragung der Ministerkonferenz 1889 dokumentierten Ausflügen handelt es sich um die ältesten Quellen einer regelmässig vom Bundesrat in corpore unternommenen Ausflugstradition. Diese Ausflüge haben mit Ausnahme der Kriegsjahre 1914-1918 und 1939-1944 ununterbrochen stattgefunden. Ab
1949 wurde bei der Wahl des Ausflugsziel nach der sogenannten Bundespräsidentenregel vorgegangen, das heisst der Heimatkanton des amtierenden Bundespräsidenten wurde besucht. War in den Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg der Bundesrat meist vollständig anwesend, wird der Anlass in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zusehends zu einem Anlass der Verwaltung und Diplomatie, bei dem, abgesehen vom Vorsteher des
Politischen Departements, nur noch der jeweilige Bundespräsident als Organisator und
Gastgeber des Ausfluges in Erscheinung tritt. In den 1950er Jahren spielt sich mit der
zeitlichen Ausdehnung auf eine ganzen Tag eine Programmgestaltung ein, die neben der
noch immer wichtigen Mahlzeit die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten, Naturschönheiten, Museen, Industriebetrieben sowie Treffen mit kantonalen und kommunalen Behörden beinhaltet. Es bleibt zu erwähnen, dass es insbesondere die beiden Neuenburger Bundesräte Numa Droz und Max Petitpierre waren, die durch die neuen Impulse, die sie in ihrer jeweiligen Amtsperiode der Schweizer Aussenpolitik und Diplomatie verliehen, nebenbei und wohl unbewusst auch, Einfluss nahmen auf die Ausflugsgewohnheiten des Gesamtbundesrates. Die in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnisse über den Ministerkonferenzausflug lassen in ihm die wichtigste Vorläufertradition des Bundesratsauflugs sehen.
68
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzession 1967/61, Bd.66, Aktenzeichen 22, Notiz des Protokollchef des Politischen Departements P. Dumont an den Bundespräsidenten Thomas Holenstein betreffend Ministerkonferenzausflug 1952.
29
3.1.3. Wahlfeiern im Heimatkanton
Sowohl die Wahl in den Bundesrat wie auch die Wahl zum Bundespräsidenten werden
im Heimatkanton des gewählten Politikers jeweils kurz nach der Wahl mit einer Feier
begangen. Durch diese Feier wird die Freude und der Stolz ausgedrückt, welche die
Kantonsbevölkerung angesichts der Wahl eines der Ihren empfindet. Die Tradition der
Wahlfeiern soll hier kurz dargestellt werden, weil sie als eine Paralleltradition zur Tradition des Bundesratsausfluges betrachtet werden kann. Dies in erster Linie deshalb,
weil sowohl die Wahlfeiern wie auch der Bundesratsauflug einen direkten Zusammenhang herstellen zwischen der Person, des zum Bundesrat oder Bundespräsidenten gewählten und deren Herkunftskanton. Es ist somit dieses Element der Beziehung vom
Politiker zu seinem Herkunftsgemeinwesens, welches es nützlich erscheinen lässt, kurz
auf diese Tradition der Wahlfeiern einzugehen.
Wahlfeiern, sei es zur Wahl in den Bundesrat, sei es zur Wahl zum Bundespräsidenten
sind eine alte Tradition. Ihre Anfänge reichen bis weit ins 19. Jahrhundert zurück. Es
handelte sich in diesen frühen Jahren meist um eine von den politischen Mitstreitern des
Gewählten organisierte Feier. So wie diejenige zur Wahl Josef Zemps, von der berichtet
wird: „Auf Sonntag den 30 Dezember hatten die Landsleute des neugewählten Bundespräsidenten eine Feier in Entlebuch veranstaltet ... die Feier gestaltete sich zu einem
hübschen, heimeligen Familienfeste, das allen Teilnehmern in guter Erinnerung bleiben
wird.69 Der, in der Regel am Wahltag oder dem Tag darauf, mit einem Extrazug aus
Bern in seinem Heimatkanton eintreffende Gewählte, wird oft schon an der Kantonsgrenze durch die kantonalen Behörden willkommen geheissen. Folkloristisch gestaltete
Umzüge im Kantonshauptort, unter Miteinbezug der Vereine und kantonalen Honorationen, begleitet von Reden und Banketten, prägen die Festivitäten.70 Bei der Feier zur
Bundespräsidentenwahl, die in der Regel im Dezember stattfindet, ist traditionsgemäss
auch der scheidende Bundespräsident des zu Ende gehenden Jahres anwesend, würdigt
den Neugewählten und übergibt im symbolisch das Amt. „Das hat Adolf Ogi für Moritz
Leuenberger natürlich auch getan ... Bundespräsident Adolf Ogi traf mit seiner Rede,
der besten des Abends, vielleicht der besten seines Präsidialjahres, mitten ins Herz seines Nachfolgers. Als Ogi von der Bühne kam, umarmten sich die ungleichen und sich
69
Winiger, Josef Zemp, 338.
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Brief von Bundeskanzlei an
Staatskanzlei Kanton Obwalden vom 28. Oktober 1963 betreffend Organisation der Bundespräsidentenfeier
für Bundespräsident L. von Moos. Enthält detaillierte Angaben über Ablauf und Formalitäten einer Bundespräsidentenfeier.
70
30
frappant ergänzenden Bundesratskollegen 39 Sekunden lang und liessen gerührt Tränen
fliessen.“71
3.1.4. Weihnachtsessen (Altjahrsessen) und andere bundesrätliche Zusammenkünfte
In Bezug auf die Geselligkeitsfunktion gilt es auch die Tradition des Weihnachtsessens,
oder Altjahrsessens, wie es in früheren Jahren genannt wurde, zu beleuchten. Auch die
Gestaltung dieses Anlasses steht, wie die Organisation des Bundesratsausfluges, in der
Verantwortung des Bundespräsidenten. Beide Traditionen ermöglichen es dem Bundespräsidenten, eine persönliche Note einfliessen zu lassen. Bundesrätin Ruth MetzlerArnold äusserte sich wie folgt zu den persönlichen Kontakten innerhalb des Kollegiums
und ihre Erfahrungen mit dem Weihnachtsessen: „Private Kontakte zwischen den Bundesräten gab es sonst kaum. Umso mehr schätzte ich neben der politischen Zusammenarbeit in den Bundesrats- und Klausursitzungen die anschliessenden informellen Kontakte. Ich freute mich regelmässig auf die ‚Schulreise’ oder das Weihnachtsessen des
Bundesrates. Nach der letzten Bundesratssitzung im Jahr lädt der Bundespräsident im
Von-Wattenwyl-Haus zum Weihnachtsessen ein, an dem in der Regel ein Spitzenkoch
aus seiner engeren Heimat die Kolleginnen und Kollegen mit ihren Partnerinnen und
Partnern kulinarisch verwöhnt. Mit dabei sind immer auch die Bundeskanzlerin und die
Vizekanzler mit ihren Partnern. Eine Überraschung bescherte uns Bundespräsident Moritz Leuenberger vor Weihnachten 2001. Auf den Tischen fanden wir nicht nur selbst
gemalte und von Hand beschriebene Menükarten vor, er stand an diesem Donnerstag
sogar selber in der Küche. Das war ein wirklich gelungener Abend.“72
Bis in die 1960er Jahre lag der Termin des besagten Mahls, bei dem es sich um ein sich
bis weit in den Nachmittag hineinziehendes Mittagessen handelte, jeweils zwischen
Weihnachten und Neujahr, jeweils Mittwochs, unmittelbar im Anschluss an die letzte
Bundesratssitzung des Jahres. Der Termin der letzten Bundesratssitzung, und damit
auch des bundesrätlichen Essens, hat sich im Laufe der Zeit terminlich nach vorne, vor
das Weihnachtsfest verschoben, weshalb es auch zum Wechsel der Bezeichnung von
Altjahrsessen zu Weihnachtsessen kam. Zeugnis eines solchen Essens aus dem Jahre
1961 liefert das folgende Einladungsschreiben:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
Nach altem Brauch, der unvergessen
Der Bundesrat - zum Fest der Fester –
71
72
Hubacher, Ogi, 21f.
Metzler-Arnold, Grissini, 268.
31
Am letzten Dienstag vor Sylvester,
umrahmt von seiner Damen Flor
und ausgerüstet mit Humor.
Man trifft sich höchst vergnügt und froh
Um 13 Uhr zum Apéro.
Die treubesorgten Ehegatten,
die werden diesmal sich gestatten,
der Gattin selber es zu sagen,
wann man sie abholt mit dem Wagen.
Herr Bundespräsident lässt bitten,
nach altem Brauch und guten Sitten,
zugleich in seiner Gattin Namen
zum Fest die Herren all’ und Damen.
Mit den besten Festtagswünschen im Auftrag von Herr und Frau Bundespräsident Wahlen
Der Vizekanzler“73
Neben dem erwähnten Weihnachts- bzw. Altjahrsessen kennt und kannte das Bundesratskollegium eine Reihe anderer Begegnungstraditionen, wie beispielsweise diejenige
der so genannten Abendschoppen, bei denen sich die amtierenden und ehemaligen Bundesräte vierteljährlich, in lockerer Atmosphäre, zum Meinungsaustausch und zur Kontaktpflege trafen. Diese Abendschoppen-Zusammenkünfte sind bis in die späten 1980er
Jahre hinein dokumentiert.74
Ebenfalls zusammen mit den Altbundesräten fanden in den 1960er Jahren einige eintägige Ausflüge statt, wie beispielsweise im Oktober 1963 der gemeinsame Besuch des
Baugeländes der im Jahr darauf stattfindenden Expo64.75 Parallel zu den Bundesratsauslügen pflegten auch die Bundesratsgattinnen und die Gattinnen der ehemaligen Bundesräte einen institutionalisierten Kontakt, zu dem auch ein unter dem Namen „Schulreise
der Bundesratsgattinnen“ bekannter Ausflug gehörte.
Abschliessend lässt sich festhalten, dass die schweizerische politische Kultur eine Vielzahl von Begegnungs-, Kontaktpflege- und Ausflugstraditionen kennt. Dies neben nationaler, auch auf kantonaler und kommunaler Ebene, in Exekutiven und Legislativen,
73
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Einladung Altjahressen datiert
18. Dezember 1961.
74
Bundesarchiv, E 1010 (C), Akzession 1996/ 219, Bd. 55, Aktenzeichen 334.1, diverse Aktenstücke zur Organisation von Abendschoppen-Zusammenkünften zwischen 1981-1988.
75
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, verschiedene Schriftstücke zum
Thema Besichtigung Gelände Expo 64 mit alt Bundesräten vom 28. Oktober 1963.
32
wie auch im Rahmen von Parteien und Fraktionen. Dies sei erwähnt, um zu zeigen, dass
sich die Tradition des Bundesratsausfluges nicht aus dem Nichts heraus entwickelt hat,
sondern in einem Umfeld, in dem kurze Reisen, Ausflüge und institutionalisierte Formen der Kontaktpflege ein fester Bestandteil darstellen.
33
3.2. Der Bundesratsausflug auf der Suche nach seiner Form
Die Jahre des Zweiten Weltkrieges brachten ein Erliegen der bundesrätlichen Ausflugstätigkeit. Jedoch bereits im September 1945 wurde die Tradition der Ministerkonferenz
mit dem dazugehörenden Ausflug, wieder aufgenommen. Wie gezeigt, entwickelte sich
dieser in den Nachkriegsjahren in Richtung eines grösseren und auch unpersönlicheren
Anlasses. Parallel dazu entwickelt sich eine neue Form von Ausflügen in kleinerem
Rahmen, das heisst bloss im Rahmen des Kollegiums unter Miteinbezug der Vertreter
der Bundeskanzlei. Es ist dies der Beginn der eigentlichen Bundesratsausflüge. Es soll
Aufgabe dieses Kapitels sein, die Anfänge dieser sich neu entwickelnden Ausflugform
zu beleuchten und aufzuzeigen, in welchem Umfeld sich diese Entwicklungen abspielten. Diese Zeitspanne, in der sich die Form des Bundesratsausfluges entwickelte, deckt
gemäss der hier vorgenommenen Definition ein Jahrzehnt ab und beinhaltet die sechs
Ausflüge der Jahren 1950, 1955, 1957, 1958, 1959 und 1960. In einem weiteren Schritt
soll in diesem Kapitel auch die Frage nach dem Initiator der Bundesratsausflugstradition
aufgegriffen werden.
3.2.1. Die sechs Bundesratsausflüge zwischen 1950 und 1960
Der erste Ausflug des Bundesrates vom 12. bis zum 14. Juli 1950, der für drei Tage in
den Kanton Graubünden führte, stand in engem Zusammenhang mit dem so genannten
Inn-Spöl-Kraftwerkprojekt. Dieses Wasserkraftprojekt, das ab der Mitte der 1940er Jahre durch ein Baukonsortium ausgearbeitet wurde, sah vor, den Fluss Inn im Unterengadin sowie dessen, durch das Gebiet des schweizerischen Nationalparks fliessenden, Zufluss Spöl, an mehreren Orten zur Energiegewinnung zu stauen. In einem Bundesratsbeschluss vom 20. Februar 194876, ist zu lesen, dass die Landesregierung beabsichtigte,
mit Italien, das durch das Kraftwerk am Spöl mitbetroffen war, in konkrete Verhandlungen zu treten; was einer klaren Zustimmung der Landesregierung zum Projekt
gleichkam. Trotz der vom Bundesrat in besagtem Bundesbeschluss angeführten Weisung, „... dafür zu sorgen, dass der Zweck des Nationalparkes und das Landschaftsbild
durch den Bau und Betrieb des Werkes möglichst wenig beeinträchtigt werden“77, erwuchs dem Projekt eine breite Opposition. Neben Bedenken, die Kraftwerkprojekte und
die damit einhergehende Zuwanderung von Arbeitskräften könnten eine Gefahr für die
rätoromanische Sprache und Kultur darstellen78, waren es insbesondere naturschützerische Gründe, welche die Gegner ins Feld führten. Die Tatsache, dass das Spölkraftwerk
76
Bund für Naturschutz, Spöl, 3f.
Bund für Naturschutz, Spöl, 4.
78
Bund für Naturschutz, Spöl, 20-24.
77
34
auf dem Gebiet des schweizerischen Nationalparks geplant war, verkomplizierte die juristische Situation und gab der Debatte zudem eine nationale Dimension. Für die Gegner wurde durch das Kraftwerkprojekt das Bestehen des Nationalparks, in Frage gestellt. Gegner des Projekts waren die Nationalparkkommission, die Naturforschende
Gesellschaft, der Schweizerische Bund für Naturschutz, wie auch das aus diesem Anlass
gegründete „Engadiner Aktionskomitee gegen das Spölwerk“. In der betroffenen Region des Unterengadins war man sich uneinig; Abstimmungen in den Gemeinden tendierten zu einer leichten Annahme des Projekts.79
In diesem Umfeld von Befürwortern und Gegnern des Projekts war es die Gemeinde
Zernez, eine Befürworterin des auf ihrem Gemeindegebiet geplanten Spölwerks, welche
den Bundesrat im Sommer 1950 zu einer Besichtigung vor Ort einlud. Dieser Einladung
folgten Bundespräsident Petitpierre, seine Kollegen von Steiger, Kobelt, Etter und Celio
sowie ein Vertreter der Bundeskanzlei. Die Abwesenheit von Bundesrat Nobs lässt sich
mit seinem krankheitsbedingten Aufenthalt in Spital und Kurhaus während dem Frühjahr und Sommer 1950 erklären.80 Der Grund für die Abwesenheit Bundesrat Rubattels
dagegen ist unklar. Es ist davon auszugehen, dass trotz der Abwesenheit der beiden, der
Ausflug den Charakter eines Anlasses im Rahmen des Gesamtkollegiums aufwies. Auf
einer kurzen Wanderung liessen sich die Bundesräte vor Ort am Spölfluss von verschiedenen Fachleuten über das Kraftwerkprojekt informieren; dabei waren auch Mitglieder
der Nationalparkkommission, die dem Projekt ablehnend gegenüberstanden, anwesend.
Nach dieser Besichtigungstour fuhr die Landesregierung weiter über den Ofenpass ins
Münstertal, wo die zweite Nacht verbracht wurde. Auf dem Rückweg nach Bern traf der
Bundesrat in Chur mit der Bündner Landesregierung zu einer Aussprache zusammen.81
Dieser erste beschriebene Bundesratsausflug ist auch aus dem Grund von Bedeutung,
weil es von diesem erstmals Zeugnisse gibt, die den Bundesrat als eine Wandergesellschaft zeigen. Im Bundesarchiv finden sich private Photos, welche die Bundesräte in
Wanderkleidung zeigen.82
Nach einem fünf Jahre dauernden Unterbruch fand im Jahre 1955 wiederum ein Bundesratsausflug in die Nationalparkregion statt. Dabei logierte die Landesregierung im
Hotel „Parc Naziunal“ am Ofenpass.83 Wiederum, wie schon fünf Jahre zuvor, fand eine
79
Bund für Naturschutz, Spöl, 1-24.
Kästli, Ernst Nobs, 273ff.
81
Eine Delegation des Bundesrates besichtigt den Nationalpark, in: Neue Bündner Zeitung, 14. Juli 1950.
82
Bundesarchiv, E 1 (-), Akzession -/9001, Bd. 102, Aktenzeichen 597, Couvert mit Vermerk „Bundesratsausflug (Spöl) Juli 1950“, Inhlalt: 6 Photos von Wandergesellschaft, erkennbar Bundesräte Etter, Petitpierre, Celio, von Steiger.
83
Der Bundesrat tagt im Nationalpark, in: Neue Bündner Zeitung, 28. Juni 1955.
80
35
Wanderung im Nationalpark statt, wiederum begab sich das Gesamtkollegium weiter
ins Münstertal, wo das Kloster von Müstair besichtigt wurde. Die Bundesräte Holenstein und Streuli hielten danach mit den Gemeindepräsidenten des Münstertales eine
Aussprache über die Frage der Wasserkraftnutzung im Münstertal ab.84 Es ist sehr
wahrscheinlich, dass auch dieser Ausflug im Zusammenhang mit dem Spölprojekt
stand, schreibt doch die Neue Bündner Zeitung: „Darauf begab sich der Gesamtbundesrat wieder nach Il Fuorn um heute weitere Verhandlungen und Besichtigungen zu pflegen ...“85 Dass solche Verhandlungen im Nationalpark fast nur im Zusammenhang mit
dem dort geplanten Kraftwerkbau möglich sind, scheint sehr wahrscheinlich. Inwieweit,
und in welcher Form, die beiden Ausflüge der Landesregeierung, welche das Projekt
unterstützte, zum späteren Bau des Kraftwerks am Spöll beigetragen haben, lässt sich
nur schwer beurteilen und soll hier nicht weiter untersucht werden.86
Im Jahre 1957 folgte ein weiterer, dreitägiger Ausflug, diesmal in den Kanton Wallis. In
diesem Jahr galt die bundesrätliche Aufmerksamkeit in erster Linie der Besichtigung
von Anlagen der Elektrizitätsgewinnung. Zu diesem Zweck wurde die bundesrätliche
Ausflugsgesellschaft während dem ersten Tag des Ausflugs getrennt. Die eine Gruppe,
bestehend aus Bundespräsident Streuli, den Bundesräten Etter und Petitpierre sowie Vizekanzler Weber, besichtigte die Baustelle der Staumauer von Mauvoisin, die zweiter
Gruppe, bestehend aus den Bundesräten Holenstein, Feldmann, Chaudet, Lepori sowie
Bundeskanzler Oser, besichtigte die Baustelle der Staumauer von Dixence. Diese bewusste Aufteilung der bundesrätlichen Reisegesellschaft und das Bestreiten unterschiedlicher Programmpunkten blieben im Laufe der Bundesratsausflugstradition unwiederholt. Die gewählte Vorgehensweise am ersten Ausflugstag des Jahres 1957 ist
dahingehend zu deuten, dass die eingehende Besichtigung möglichst vieler Anlagen
durch eine bundesrätliche Teildelegation höher gewichtet wurde als das permanente Zusammensein des Gesamtkollegiums während der gesamten Ausflugsdauer. Die weiteren
zwei Ausflugstage verbrachte das Kollegium wieder gemeinsam. Programmpunkte waren die Inspektion von militärischen Anlagen und Strassenbauprojekten. Daneben gab
es auch kurze kulturelle Programmpunkte wie beispielsweise die Besichtigung des Stockalperpalastes in Brig.87
84
Der Bundesrat besucht das Münstertal, in: Neue Zürcher Zeitung, 30 Juni 1955.
Münstertal, in: Neue Bündner Zeitung, 29. Juni 1955.
86
1957 wurde mit Italien ein Staatsvertrag über den Bau der Kraftwerke geschlossen, gegen den das Referendum ergriffen wurde. In der eidgenössischen Volksabstimmung wurde das Kraftwerkprojekt im Nationalpark Ende 1957 mit deutlicher Mehrheit gutgeheissen. Gebaut wurde schliesslich bloss die Stauung des
Spölfluss, die Stauung des Inn im Unterengadin wurde nicht realisiert. (Dolder, Nationalpark, 39f).
87
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, internes Programm Bundesratsausflug 1957.
85
36
Das Jahr 1958 brachte lediglich einen eintägigen Ausflug auf das Jungfraujoch und damit eine gegenüber dem Vorjahr zeitlich merklich kürzere Form von Ausflug. Mit diesem Ausflug wurde jedoch ein jährliches Intervall eingeführt, das bis heute anhält. Bundesrat Feldmann vermerkte in seinen persönlichen Aufzeichnungen zu diesem Ausflugtag: „Fahrt auf Jungfraujoch. Besichtigung der militärischen und PTT-Anlagen. Um 11
Uhr mit drahtlosem ‚Richtstrahltelephon’(300m unter Jungfraugipfel) Dr. Riesen Adjunkt EJPD, d. V. angerufen ... Mittagessen im Berghaus; dann Sphinx. Ueber Grindelwald – Steffisburg auf 18 Uhr zurück nach Bern.“88 Somit stand auch dieser Ausflug
im Zeichen von Besichtigungen von bundeseigenen Einrichtungen.
Das Jahr 1959 brachte zum ersten Mal bei einem Bundesratsausflug eine Übereinstimmung des Heimatkantons des Bundespräsidenten mit dem Kanton, in den der Ausflug
führte. Im Präsidialjahr von Paul Chaudet führte der Ausflug nämlich in den Kanton
Waadt. Bei diesem Ausflug wurde somit zum ersten Mal die seit 1949 bereits beim Ministerkonferenzausflug angewandte Bundespräsidentenregel auch auf den Bundesratsausflug angewendet. Noch in anderer Weise unterschied sich der Ausflug des Jahres
1959 von den vorangegangenen, denn abgesehen von der Besichtigung militärischer
Festungsanlagen in St-Maurice bestand das Programm nicht wie in den Jahren zuvor
grösstenteils aus der Besichtigung staatnaher Anlangen, sondern es wurden neue Themen ins Ausflugsprogramm integriert. Dieser Ausflug brachte somit erstmals eine Mischung bezüglich der Programmthemen, wie sie später bei Bundesratsausflügen zur Regel geworden ist.89
Der Ausflug des Jahres 1960 ist dadurch charakterisiert, dass er sich anders als im Jahr
zuvor nicht an die Bundespräsidentenregel hielt. Stattdessen wurden im Präsidialjahr
des Neuenburgers Max Petitpierre mit den Kantonen Glarus, St.Gallen, Graubünden,
Tessin und Uri eine Vielzahl von Kantonen in das Ausflugsprogramm mit einbezogen.
Die Route dieses Ausflugs, folgte verschiedenen Infrastrukturbauten und entsprach somit wieder einer Inspektionsreise. So standen in diesem Jahr unter anderem folgende
Stationen auf dem Programm: Der Bau der Walenseestrasse, die im Bau begriffenen
Kraftwerke am Hinterrhein, der Standort des in der Projektierungsphase stehenden SanBernardino-Tunnels, Einrichtungen für den Autoverlad am Gotthardeisenbahntunnel,
die Baustelle des Kraftwerks Göscheneralp.90 Während der Ausflug in den Jahren zuvor
jeweils in nur einen Kanton geführt hatte, führte die Reise im Jahr 1960 in nicht weniger als fünf Kantone. Das führte im Vorfeld des Ausflugs zu einer gewissen Unsicher88
Feldmann, Tagebuch, Bd. 5, 575.
Ausflug des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 1959.
90
Der Bundesrat auf Reisen, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. Juli 1960.
89
37
heit in Bezug auf den Umgang mit den Regierungen der zu besuchenden Kantone. Von
dieser Unsicherheit zeugt das interne Papier von Vizekanzler Weber, in dem er bundesratsintern über den Stand der Organisation orientierte: „Ich habe bisher nur die Kurdirektion Ragaz über die Absichten des Bundesrates orientiert, wegen der Zimmerbestellung. Der Plan dürfte aber bereits bei allen Kantonsregierungen, die beteiligt sind, einigermassen bekannt sein, wegen Kontakten, die während der Session mit Parlamentariern stattgefunden haben. Glarus: Die Glarner Regierung würde wohl gerne in corpore
den Bundesrat beim Mittagessen begrüssen. Schliesslich besichtigt man die Walenseestrasse, die der Kt. Glarus mit eidg. Opfersinn gegen seine eigenen Interessen bauen
hilft. Deshalb sollte man auch nicht nach Weesen gehen, weil sonst wegen der Mordnacht von Weesen im Glarnerlande heute noch gewisse Erinnerungen wach gerufen
würden. (Evt. nur Landammann und Baudirektor). St.Gallen: Mit Herrn a. Nationalrat
Albrecht habe ich vereinbart, das Einverständnis des Bundesrates vorbehalten, dass von
St.Gallen der Landamman und der Baudirektor beim Essen dabei sein werden. Evt.
Gemeindepräsident von Bad Ragaz. Graubünden: Wie mich Herr Direktor Ruckli orientiert hat, würde die Bündner Regierung Wert darauf legen, den Bundesrat in corpore zu
begrüssen. Uri: Herr Ständerat Danioth hat mir sehr entschieden erklärt, dass Uri es ausserordentlich bedauern würde, wenn sie der sic Bundesrat nicht in corpore empfangen
dürfen. Tessin: Wenn wir den Gotthard anschauen und uns von den Urnern einladen
lassen, dürfen wir die Tessiner nicht auf der Seite lassen. Es ist wahrscheinlich am
schwierigsten für die Tessiner etwas zu tun, weil zu viel Zeit verloren ginge. Soll ich bei
Uri anregen, die Tessiner nach Andermatt einzuladen?“91 Das Dokument ist ein schönes
Beispiel dafür, dass es im Jahre 1960 offensichtlich noch keine klare Vorgehensweise
gab, wie die Kontaktnahmen mit den kantonalen Behörden während des Bundesratsausfluges zu gestalten sind. Der Charakter eines in erster Linie der Inspektion von Infrastrukturanlagen gewidmeten Ausflugs und das Bedürfnis der Kantone, dem Gesamtbundesrat mit Empfängen die Ehre zu erweisen, treffen aufeinander.
Zur Programmgestaltung dieser ersten sechs Bundesratsausflüge lässt sich Folgendes
sagen: Es handelte sich zum allergrössten Teil um die Besichtigung von staatlichen Infrastrukturprojekten und bundeseigenen Anlagen. So waren es die Besichtigungen von
Baustellen oder von fertiggestellten Anlagen wie Wasserkraftwerke, Tunnelbauten,
Strassen und Fernmeldeanlagen, welche den grössten Teil der Ausflüge des Bundesrates
jener Epoche prägten. Zwar sind auch schon die einen oder anderen kulturellen Veran91
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, internes Papier von Vizekanzler F. Weber betreffend, Treffen mit Kantonsbehörden während der Besichtigungsreise 1960.
38
staltungen Teil des Ausflugsprogramms, so begeben sich die Bundesräte beispielsweise
auf Wanderungen und pflegen den Kontakt zu den kantonalen und kommunalen Behörden, trotzdem lässt sich aber sagen, dass bei den beschriebenen Ausflügen eine monothematische Programmgestaltung vorherrscht. Die Ausflüge haben noch stark den Charakter einer Inspektionsfahrt. Auch die erwähnten konkreten Gespräche anlässlich der
Ausflüge von 1950 und 1955 lassen darauf schliessen, dass diese Ausflüge einen teilweise geschäftlichen Charakter hatten, bei denen auch das Finden von konkreten politischen Ergebnissen angestrebt wurde. Weiter lässt sich sagen, dass mit Ausnahme gewisser Ausflugsziele anlässlich des Ausfluges von 1959 in die Waadt, eine deutliche
Hinwendung zum Hochgebirge feststellbar ist, denn die beschriebenen Ausflüge führten
fast ausschliesslich in den Alpenraum. Die Ausflüge der 1950er Jahre können deshalb
auch im Kontext der in dieser Zeit umfangreichen Bautätigkeit im Alpenraum gesehen
werden. Es scheint, dass der Bundesrat in dieser Epoche der Hochkonjunktur bewusst
die besagten Infrastrukturprojekte in den Vordergrund rückte, um deren Wichtigkeit für
die wirtschaftliche Entwicklung des Landes hervorzuheben. In dem Sinne ist auch das
Zitat aus der Neuen Zürcher Zeitung zu verstehen: „Der Bundesrat hat beschlossen, eine
dreitägige Orientierungsreise zu unternehmen, um die Elektrizitätswerke, die für unser
Land von so grosser Wichtigkeit sind, zu besichtigen.“92
3.2.2. Die Frage nach dem Initiator
Nachdem in diesem Kapitel die Anfänge der Bundesratsausflugstradition betrachtet
wurden und der erste solche auf das Jahr 1950 datiert wurde, soll nun noch die Frage
nach dem Initiator dieser Tradition behandelt werden. Dazu sollen zwei Quellen konsultiert werden, die jeweils eine andere These vertreten. Die erste Quelle ist der Zeitungsartikel aus dem Jahre 2005 von Thierry Meyer, dem Le-Temps-Bundeshausjournalisten.
In diesem Artikel wird Altbundeskanzler Walter Buser folgendermassen zitiert: „C’est
Philipp Etter qui a lancé l’usage. Dans les années 40 (ndlr: probablement en 1947), il a
emmené ses collègues au Parc national, dans les Grisons.»93 Die Erwähnung des Nationalparks als Ausflugsziel des ersten Bundesratsausflugs deckt sich mit den mündlichen
Nachforschungen bei alt Vizekanzler Casanova. Sie ergaben ebenfalls die Informationen über einen Ausflug in den Nationalpark in der Nachkriegszeit.94 Die Erwähnung des
Jahres 1947 als wahrscheinliches Datum durch Meyer ist kritisch zu betrachten. Es gibt
nach gründlicher Recherche keine Anzeichen für eine Reise im Jahre 1947. Es ist daher
92
Orientierungsreise des Bundesrates ins Wallis, in: Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 1957.
Thierry Meyer, Le bol d’air rituel au Conseil fédéral, in: Le Temps, 30. Juni 2005.
94
Information aus Gespräch mit alt Vizekanzler Achille Casanova.
93
39
davon auszugehen, dass Meyer die Information, wonach es Philipp Etter gewesen sei,
der als Initiator dieses Ausflugs fungiert habe, fälschlicherweise mit dem Jahr der Bundespräsidentschaft desselben in Verbindung gebracht hat. Er hat dabei, aus der heutigen
Logik, daraus geschlossen, dass es der Bundespräsident war, der das Ausflugsziel definiert hat. Die Person des Bundespräsidenten, die Organisation des Ausflugs sowie die
Wahl des Ausflugsziels stehen aber zu diesem Zeitpunkt beim Bundesratsausflug noch
in keinem Zusammenhang. Das heisst, wenn es wirklich Etter war, der diese Tradition
begründete und diesen Ausflug anregte, muss dies nicht in seinem Amtsjahr als Bundespräsident geschehen sein. Die Information, wonach Etter die treibende Kraft hinter
diesem ersten Ausflug gewesen sei, kann weder vollkommen verneint noch vollkommen bestätigt werden. Laut der Neuen Bünder Zeitung war es die Gemeinde Zernez, die
den Bundesrat im Jahre 1950 zu einer Besichtigung des Nationalparks im Zusammenhang mit dem dort geplanten Spölprojekt eingeladen habe. Dies widerspricht der EtterThese jedoch nicht, war er es doch, der im Jahre 1950 das Departement des Innern führte, welches dazumal für den Kraftwerkbau zuständig war. Das heisst, das Dossier
Spölprojekt befand sich zu diesem Zeitpunkt in seinem Zuständigkeitsgebiet, so dass
auch die Einladung für eine Besichtigung vor Ort durch die Gemeinde Zernez an Etter
gerichtet gewesen sein dürfte. Weiter ist zu berücksichtigen, dass Etter um das Jahr
1950 der starke Mann im Bundesrat war und die Stellung eines Doyens einnahm.95 In
seiner Rolle als dienstältester Bundesrat, ist die Annahme nicht unbegründet, dass er im
Kollegium eine neue Form von gemeinschaftlichem Anlass anregt haben könnte. Berücksichtigt man zusätzlich, dass Bundesrat Etter in seiner Freizeit leidenschaftlich der
Jagd frönte und somit schon eine positive Beziehung zum alpinen Naturraum mitbrachte, ist es sehr wohl möglich, dass der Ausflug von 1950 in den Nationalpark auf seine
Initiative zurückgeht.
Die zweite, anders lautende Quelle ist ein Artikel in der Neuenburger Publikation „Bulletin officiel de la Ville de Neuchâtel“. Anlässlich des Ausfluges von Bundespräsident
Graber aus dem Jahre 1975 wurde darin zur Frage der Anfänge der Bundesratsausflugstradition und dessen Initiator Folgendes geschrieben: „La tradition veut en effet, qui remonte à l’après-guerre et fut inaugurée par un autre Neuchâtelois - le Conseiller fédéral
Max Petitpierre - que le Conseil fédéral, si possible dans l’anonymat le plus total et on
l’a vu, en mettant le protocole à l’index, passe chaque année deux jours dans le Canton
95
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 392f.
40
d’origine de son président.»96 Für diese These, wonach Bundesrat Max Petitpierre der
Initiator der Bundesratsausflüge war, würde einzig die Tatsache sprechen, dass Petitpierre im Jahr des oben erwähnten Ausflugs in den Nationalpark das Amt des Bundespräsident inne hatte. Wie schon erwähnt, gibt es jedoch keine Anhaltspunkte, die zu dieser Zeit einen Zusammenhang zwischen Bundespräsidentschaft und Bundesratsausflug
erkennen lassen. Es ist vielmehr anzunehmen, dass der Verfasser des obigen Artikels in
lokalpatriotischem Bemühen, einen Neuenburger Bundesrat als Begründer des Bundesratsausflug zu präsentieren, in seiner Argumentation die Traditionen des Ministerkonferenzausfluges und des Bundesratsausfluges durcheinander brachte. Denn Bundesrat
Max Petitpierre war als Aussenminister in der Nachkriegszeit sehr wohl die treibende
Kraft bei der Ausgestaltung von Ministerkonferenz und Ministerkonferenzausflug. Bei
diesem Ausflug wurde seit 1949 konstant die Bundespräsidentenregel angewendet wurde, so dass Petitpierre in den Jahren seiner Präsidentschaft 1950, 1955 und 1960 den
Ministerkonferenzausflug in den Kanton Neuenburg führen konnte. Der Verfasser hatte
wohl einen dieser Ausflüge in Erinnerung, als er Petitpierre fälschlicherweise als den
Initiator des Bundesratsaufluges proklamierte. Die These dieser zweiten Quelle ist damit zu verwerfen.
Somit scheint es gesichert, dass es sich beim beschriebenen Ausflug vom 12.-14. Juli
1950 im Zusammenhang mit dem Spölprojekt um den ersten eigentlichen Bundesratsausflug handelte. Die Frage nach dem Initiator ist weniger klar zu beantworten. Es
ist jedoch wahrscheinlich, dass Bundesrat Philipp Etter, insofern eine wichtige Rolle
einnahm, als dass er die Einladung der Gemeinde Zernez für eine Besichtigung vor Ort
als Anlass nahm, mit seinen Kollegen der Landesregierung einen Ausflug in die Bünder
Alpen zu unternehmen.
Die dargestellten sechs Ausflüge, welche die Epoche der Anfänge der Bundesratstradition definiert, zeigten Folgendes: Am Anfang des Jahrzehnts existierte noch keine regelmässige Ausflugstradition, nach dem ersten Ausflug 1950, vergingen fünf Jahre bis
zum nächsten. Erst ab 1957 folgte eine kontinuierliche, bis in die Gegenwart fortdauernde Ausflugstätigkeit. Die Ausflugsdauer variierte in dieser Zeit noch zwischen einem
und drei Tagen, und auch die zu wählende Form der Kontaktnahmen mit den kantonalen Behörden schien noch Unklarheiten zu unterliegen. Die Bundespräsidentenregel, die
zu jener Zeit beim parallel stattfindenden Ministerkonferenzausflug angewendet wurde,
kündete sich mit der Anwendung im Jahre 1959 auch für den Bundesratsausflug an. Im
96
La ville de Neuchâtel accueille le Conseil fédéral à la Grande-Joux, in: Bulletin officiel de la Ville de Neuchâtel, 17. Juli 1975.
41
Jahr darauf wurde aber auf eine Einhaltung verzichtet, so dass erst ab 1961 eine Kontinuität diesbezüglich festgestellt werden kann. Es herrschte in diesem ersten Jahrzehnt
der Bundesratsausflugstradition, mit Ausnahme des Ausfluges im Jahre 1959, eine monothematische Programmgestaltung vor. Dies im beschriebenen Sinne, nämlich dass die
Besichtigung von Infrastrukturprojekten im Alpenraum, den grössten zeitlichen Anteil
an den Ausflügen ausmachten. Insofern hatten die Ausflüge dieser Epoche noch einen
halb geschäftlichen Inspektionscharakter. Es bleibt die Frage, inwieweit dieser Inspektionscharakter vom Kollegium mehr als Vorwand gebraucht wurde, um einen, in erster
Linie der Erholung und Geselligkeit gewidmeten, Anlass durchzuführen. Denn es zeigt
sich, dass mit der Hinwendung zum Alpenraum auch eine rege Wandertätigkeit einherging, und dass die bis in die Gegenwart bestehende bundesrätliche Wandertradition sich
in dieser Epoche herauszubilden begann.
42
3.3. Der Bundesratsausflug im „modernen Sinne“
Unter dem Begriff des Bundesratsausfluges im „modernen Sinne“, sind die Ausflüge
der Epoche vom Jahre 1961 bis ins Jahre 2005 zu verstehen. Nachdem in den beschriebenen Ausflügen der 1950er Jahre, die Form des Ausfluges noch variiert hatte, ist in
den folgenden fünfundvierzig Jahren, ab 1961, eine erstaunliche Kontinuität in Bezug
auf die formalen Rahmenbedingungen wie Ausflugsdatum, Ausflugsdauer, Wahl des
Ausflugsziel festzustellen. Eine Kontinuität, die bis in die Gegenwart hinein anhält. Aus
diesem Grund soll diese Epoche in diesem, dem umfangreichsten Kapitel nicht chronologisch, sondern thematisch behandelt werden. Das bringt mit sich, das nicht auf jeden
einzelnen Ausflug wird eingegangen werden können. Als chronologische Ergänzung ist
das Kapitel 3.4. gedacht, dass auf den, trotz der festgestellten relativen Kontinuität, vorhandenen Wandel in der Bundesratsausflugstradition eingehen und somit einen ergänzenden Längsschnitt vornehmen wird.
Als Grundlage der in diesem Kapitel vorgenommenen Analyse der Ausflüge der letzten
fünfundvierzig Jahre sollen in erster Linie Medienberichterstattungen, die offiziellen
Pressemitteilungen der Bundeskanzlei sowie interne Akten zur Organisation der Ausflüge herangezogen werden. Auch einzelne Informationen aus persönlichen Gesprächen
mit an den Ausflügen oder deren Organisation beteiligten, werden in diesem Kapitel berücksichtigt.
3.3.1. Geographische Aspekte unter besonderer Berücksichtigung der Bundespräsidentenregel
Einleitend lässt sich festhalten, dass der Bundesratsausflug ein Ausflug ist, der sich innerhalb der schweizerischen Grenzen bewegt, das nationale Territorium wurde in der
untersuchten Zeit nie verlassen. Schifffahrten auf Grenzgewässern wie auf dem Genfersee oder dem Rhein brachten zwar die Regierung zuweilen sehr nahe an das benachbarte Ausland heran, zu einem bewussten Überschreiten der Landesgrenze oder zu einer
geplanten Kontaktnahme mit der Bevölkerung oder den Behörden des grenznahen Auslandes kam es jedoch nie. Die Ausflugsziele des Bundesratsausfluges sind eng verknüpft mit der territorialen Einteilung der Schweiz in Kantone und der damit zusammenhängenden, reklamierten kulturellen Eigenständigkeit der Kantone. So handelte es
sich bei den besuchten Gebieten nie nur um geographische Räume, sondern immer explizit auch um kulturelle und politische. So gelten als Ausflugsziele beispielsweise nicht
die Alpensüdseite, das Juragebirge oder das Seeland, sondern der Kanton Tessin, der
Kanton Neuenburg etc. Referenzgrösse ist immer der Kanton. Dies auch, wenn gewisse
43
Bundespräsidenten, wie beispielsweise Arnold Koller, grössere Gebietseinheiten als
Ausflugsziel definierten. Kollers Ausflugsprogramm beinhaltete damals mehrere Kantone in der Ostschweiz. So blieb es in diesem Beispiel nicht aus, dass die einzelnen
Kantone, die der Ostschweiz zugerechneten wurden, explizit erwähnt wurden.97
Wie gesagt, gilt der Kanton als Referenzraum in Bezug auf die Ausflugziele. Ein Ausdruck davon, ist die Bundespräsidentenregel, welche das Ausflugsziel des bundesrätlichen Kollegiums und den Heimatkanton des Bundespräsidenten verknüpft. Der Begriff
Bundespräsidentenregel wurde vom Verfasser dieser Arbeit entwickelt und war bis anhin weder in der Presse, noch in der Verwaltung oder der Landesregierung gebräuchlich. Dieser Begriff soll ausschliesslich auf die Wahl des Ausflugsziels beim Bundesratsausflug sowie dessen Vorläufer, dem Ministerkonferenzausflug, Anwendung finden.
Mit der Anwendung dieser Regel wurden nicht mehr thematische Gründe für die Wahl
des Ausflugszieles herbeigezogen, wie dies beim Ausflug im Jahre 1960 zu den Stationen von Infrastrukturbauten noch der Fall war, sondern der Heimatkanton des Bundespräsidenten begründete die Wahl des Ausflugsziels. Unter Heimatkanton wird seit 1987
derjenige Kanton verstanden, für den ein Bundesrat, bedingt durch den Wohnsitz beim
Zeitpunkt der Wahl, in der Regierung Einsitz nimmt. Seit 1987 muss dieser Einsitzkanton nicht mehr mit dem Kanton übereinstimmen, in dem ein Bundesrat seinen Heimatort, sprich sein Gemeinde- und Kantonsbürgerrecht hat.
Die Bundespräsidentenregel wurde, wie schon dargestellt, ab dem Jahre 1949 kontinuierlich auf den Ministerkonferenzausflug angewendet. Im Jahre 1959 wurde sie auch auf
den unter der Präsidentschaft von Bundespräsident Paul Chaudet ins Waadtland unternommene Bundesratsausflug angewendet. Jedoch wurde im Jahr darauf schon wieder
auf die Einhaltung verzichtet. Ab 1961 ist eine Kontinuität in der Einhaltung der Bundespräsidentenregel erkennbar, wenn auch in diesen frühen 1960er Jahren noch dergestalt, dass zwar der eigene Heimatkanton besucht wurde, aber daneben zum Teil auch
noch weitere Kantone berücksichtigt wurden. Dass die Einhaltung der Bundespräsidentenregel in den späten 1960er Jahren noch nicht abschliessend gefestigt gewesen zu sein
scheint, zeigen die beiden Ausflüge aus den Jahren 1969 und 1970. Ludwig von Moos
und Hans-Peter Tschudi, die beide gleichzeitig, 1959, zu Beginn der sogenannten Zauberformelperiode, in die Landesregierung gewählt worden waren, bekleideten 1969 und
1970 jeweils zum zweiten Mal das Amt des Bundespräsidenten. Diese zweite Präsidentschaft und die damit zusammenhängende Frage, nach welchen Kriterien das Ausflugsgebiet zu wählen sei, gaben 1969 bundesratsintern offensichtlich Anlass zu Diskussio97
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 26./27. Juni 1997.
44
nen um die Form, das heisst, vor allem die Dauer und das Ziel des Bundesratsaufluges.
Davon zeugt dieser Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 16.
April 1969: „Der Bundesrat beschliesst: Als Datum für den Jahresausflug des Bundesrates werden der 3. und 4. Juli 1969 in Aussicht genommen. Wenn notwendig, wird ein
zweites Mal übernachtet und die Rückkehr erst auf Samstag, den 5. Juli 1969 in Aussicht genommen. Bezüglich des zu besuchenden Gebietes ist es nicht notwendig, dass es
unbedingt der Heimatkanton des Bundespräsidenten sein muss. Es können auch andere
Gebiete der Innerschweiz oder auch die Ostschweiz in Betracht gezogen werden.“98
Dass im Jahre 1969 die Wahl des Ausflugszieles nicht einfach zu sein schien, davon
zeugt das einen Monat nach oben erwähnter Sitzung in Umlauf gebrachte Schreiben von
Bundeskanzler Huber: „Herr Bundespräsident von Moos hat mich beauftragt, Ihnen die
beiliegenden Unterlagen für die kurze Aussprache im Bundesrat zukommen zu lassen
... Die Detailplanung kann vernünftigerweise erst dann an die Hand genommen werden, wenn man sich geeinigt hat, in welchen Raum der Ausflug erfolgen soll. Herr Bundespräsident von Moos möchte in erster Linie zur Diskussion stellen, ob die Fahrt in die
Region Ostschweiz (unter Einbezug von Obwalden und Nidwalden) oder in die Region
Westschweiz gehen soll.“99 Der Ausflug im zweiten Präsidialjahr von Ludwig von
Moos führte schliesslich am 3. und 4. Juli 1969 in die Kantone Freiburg und Waadt.
Damit hielt sich dieser Ausflug nicht an die Bundespräsidentenregel, was die Neue Zürcher Zeitung feststellen liess: „Entgegen der Tradition hat sich der Bundesrat diesmal
anlässlich seines Jahresausfluges nicht in den Heimatkanton des Bundespräsidenten,
sondern in die Westschweiz begeben.“100 Ein Jahr später, 1970, im zweiten Präsidialjahr
Hans-Peter Tschudis wurden mit Zürich, Glarus und Appenzell Innerrhoden Kantone
besucht, die nicht dem Kriterium der Bundespräsidentenregel entsprachen. Tschudis
Wahl der Ausflugsziele wurde damit gerechtfertigt, dass er Glarus, seinem zweiten
Heimatkanton, die Ehre erwiesen habe.101 Die Ausflüge in den Jahren 1969 und 1970
sind somit Beispiele dafür, dass in dieser Epoche die zu besuchende Region, und zum
Teil auch das Programm des Bundesratsausfluges, noch Gegenstand von innerbundesrätlichen Diskussionen waren, dass die Entscheidung diesbezüglich noch nicht alleine
beim Bundespräsident lag, und dass trotz der Befolgung der Bundespräsidentenregel
98
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Auszug aus Protokoll der
Sitzung des schweizerischen Bundesrates vom 16. April 1969.
99
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Notiz an Bundesräte von
Bundeskanzler Huber vom 13. Mai 1969.
100
Der Jahresausflug des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 6. Juli 1969.
101
Die Familie Tschudi ist sowohl in der Stadt Basel wie auch in der Gemeinde Schwanden (GL) heimatberechtigt. (Altermatt, Schweizer Bundesräte, 613).
45
zwischen 1961 und 1968 diese noch nicht gefestigt war. Es ist wahrscheinlich, dass es
diese Ausflüge in den Jahren 1969 und 1970 waren, die mit ihrer bewussten Übertretung der Regel durch von Moos und Tschudi die Bundespräsidentenregel eine Erweiterung erfahren liess, und die hier unter dem Begriff „erweiterte Bundespräsidentenregel“
eingeführt werden soll. Diese besagt, dass ein Bundespräsident, der zum mehrfachen
Male das Bundespräsidentenamt bekleidet, in der Wahl der zu besuchenden Kantone
freier ist und neben dem Heimatkanton noch andere Kantone als Ausflugsziele miteinbeziehen kann. Diese Erweiterung der Bundespräsidentenregel, die eigentlich nur im
mehrfachen Amtsjahr zu Anwendung kommen sollte, wurde von vielen Bundespräsidenten bereits in ihrem ersten Amtsjahr in Anspruch genommen. So war und ist es keine
Seltenheit, dass Bundespräsidenten bereits in ihrem ersten Amtsjahr neben dem Besuch
ihres Heimatkantons ihre Kollegen auch auf kurze Abstecher in einen oder sogar mehrere andere Kantone führten.
Es ist ausdrücklich festzuhalten, dass es sich bei der in diesem Kapitel dargestellten
Bundespräsidentenregel und deren Erweiterung um keine schriftlich, geschweige denn
gesetzlich festgehaltenen Regeln handelt. Vielmehr handelt es sich um rein bundesratsinterne Usanzen, die vor allem dadurch Bestand haben, indem die jeweiligen Bundespräsidenten sich daran halten, und dass bis anhin ein Konsens darüber herrschte, keine
grundsätzlichen Veränderungen diesbezüglich vorzunehmen. Eine gewisse Kontrolle
über die Kontinuität in der Gestaltung des Ausflugs und die Einhaltung der Bundespräsidentenregel unterliegt vermutlich auch der Bundeskanzlei, wo es jeweils einem der
Vizekanzler unterliegt, den Bundespräsidenten bei der Organisation des Anlasses zu unterstützen. Die Bundespräsidentenregel wurde seit den oben erwähnten Abweichungen
in den Jahren 1969 und 1970 immer eingehalten. Aber wie bereits erwähnt, wurde zum
Teil bereits im ersten Amtsjahr die Erweiterung der Regel in Anspruch genommen. So
hat beispielsweise der Berner Samuel Schmid schon in seinem ersten Präsidialjahr 2005
einen kurzen Programmteil in den Kanton Solothurn gelegt. Auf diese Praxis, schon im
ersten Präsidialjahr neben dem Heimatkanton auch andere Kantone zu besuchen, und
die Gründe dafür, soll weiter unten genauer eingegangen werden.
Es ist die logische Folge der Bundespräsidentenregel, dass gewisse Kantone häufiger
Ziel eines Bundesratsausfluges werden als andere, einfach darum, weil sie häufiger
Bundesräte und somit auch Bundespräsidenten stellten. Sehr rege aufgesucht wurde beispielsweise der Kanton Neuenburg, der dank den Bundespräsidenten Pierre Graber102,
102
Pierre Graber (SP) war Bundesrat zwischen 1970 und 1978 und Bundespräsident im Jahre 1975.
46
Pierre Aubert103 und René Felber104 in den siebzehn Jahren, zwischen 1975 und 1992
nicht weniger als vier Mal Ziel des Bundesratsausfluges war. In dieser Zeitspanne wurde der Kanton Neuenburg, somit statistisch gesehen, alle vier Jahre besucht. Beim Beispiel Neuenburg fällt weiter ins Gewicht, dass alle vier erwähnten Ausflüge sich grösstenteils auf den Kanton selber beschränkten. Auch Pierre Aubert machte in seinem
zweiten Amtsjahr als Bundespräsident nur einen kleinen Abstecher in den Kanton Freiburg, beschränkte sich aber auch beim zweiten, von ihm geleiteten Ausflug grösstenteils
auf seinen Heimatkanton Neuenburg. Ähnliche Häufungen ergaben sich für den Kanton
Bern und den Kanton St.Gallen. Ersterer wurde durch die Bundespräsidenten Adolf
Ogi105 und Samuel Schmid106 innerhalb der zwölf Jahre zwischen 1993 und 2005 drei
Mal besucht. Der Kanton St.Gallen war aufgrund der langen Amtsdauer und dreimaligen Bundespräsidentschaft seines Bundesrates Kurt Furgler107 in den Jahren zwischen
1977 und 1985 ebenfalls drei Mal Ziel des Ausflugs und wurde auch durch Bundesrat
Arnold Koller 1990 und 1997 neben dessen Heimatkanton Appenzell Innerrhoden jeweils mitberücksichtigt.
Aber nicht nur der Kanton als Ziel erlebte zuweilen eine Häufung, auch Orte, Gemeinden und Programmpunkte erfuhren zuweilen Wiederholungen. Am Beispiel, des flächenmässig relativ kleinen Kantons Neuenburg wird dies deutlich: Alle vier oben erwähnten Ausflüge sahen die Städte Neuenburg sowie La Chaux-de-Fonds auf dem Programm vor. Die kleine Gemeinde St-Aubin wurde durch die Landesregierung 1975,
1983 und 1992 zumindest im Vorbeigehen besucht. Auch die thematischen Programmpunkte dieser vier Reisen sahen eine gewisse Wiederholung, so wurde das Uhrenmuseum in La Chaux-de-Fonds von den Magistraten sowohl 1975 als auch 1983 besucht, die
unterirdischen Mühlen im Col de Roches bei Le Locle waren 1983 und 1992 auf dem
Programm.108 Bundespräsident Pierre Aubert liess sowohl den Ausflug von 1983 wie
auch den von 1987 mit einem Abendessen im kleinen Rahmen in seinem persönlichem
Heim in Auvernier ausklingen.
103
Pierre Aubert (SP) war Bundesrat zwischen 1978 und 1987 und Bundespräsident in den Jahren 1983 und
1987.
104
René Felber (SP) war Bundesrat zwischen 1988 und 1993 und Bundespräsident im Jahre 1992.
105
Adolf Ogi (SVP) war Bundesrat zwischen 1988 und 2000 und Bundespräsident in den Jahren 1993 und
2000.
106
Samuel Schmid (SVP) ist Bundesrat sei 2001 und war Bundespräsident im Jahre 2005.
107
Kurt Furgler (CVP) war Bundesrat zwischen 1972 und 1986 und Bundespräsident in den Jahren 1977,
1981 und 1985.
108
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 7./8. Juli 1975, 30. Juni/1. Juli 1983, 25./26. Juni 1987,
16./17. Oktober 1992.
47
Die Kantone Uri, Schwyz, Nidwalden, Schaffhausen und Jura haben bis in die Gegenwart109 keine Bundesräte und damit auch keine Bundespräsidenten gestellt. Daneben
gibt es Kantone, die zwar im Verlaufe des bald 160-jährigen Bestehens des Landes und
der Landesregierung einen oder mehrere Bundesräte gestellt haben, jedoch keinen in der
Zeitspanne der hier untersuchten Bundesratsausflüge110. Dabei handelt es sich um die
Kantone Glarus, Basel Landschaft und Thurgau. Bei strikter Auslegung der Bundespräsidentenregel könnte ein solcher Kanton nur dann besucht werden, wenn ein Bundespräsident, der im mehrfachen Amtsjahr steht, ihn neben seinem eigenen Heimatkanton
auch noch zu besuchen wünscht. Diese Erweiterung der Bundespräsidentenregel wird
aber, wie schon dargestellt, zuweilen auch im Jahr der erstmaligen Präsidentschaft in
Anspruch genommen. Die Erweiterung der Bundespräsidentenregel kann somit als ein
Regulativ betrachtet werden, das dafür sorgt, dass auch Kantone, die keinen Bundesrat
stellen, durch den Bundesratsausflug berücksichtigt werden können.
Ein Motiv für die Inanspruchnahme der erweiterten Bundespräsidentenregel kann zuweilen auch die fehlende räumliche Grösse des Heimatkantons sein. Beispiele dafür
sind die von Bundespräsident Hans-Peter Tschudi 1965 vorgenommene Ausdehnung
des Ausflugs auf den Kanton Basel Landschaft sowie der Miteinbezug von weiteren
Ostschweizer Kantonen durch Bundespräsident Arnold Koller bei seinen beiden Ausflügen 1990 und 1997. Flächenmässig kleine Kantone wie Basel Stadt und Appenzell
Innerrhoden, die zudem landschaftlich und kulturell einen relativ homogenen Charakter
aufweisen, scheinen für den Bundesratsausflug, der auch von der Verschiedenartigkeit
seiner Programmpunkten geprägt ist, zuwenig Spielraum zu bieten. Bei den zusätzlich
zum Heimatkanton besuchten Kantonen handelt es sich in den allermeisten Fällen um
Nachbarkantone, seltener kommt es vor, dass Kantone, die sich auf dem Weg vom Ausgangspunkt Bern zum Heimatkanton befinden, miteinbezogen werden. Beispiel hierfür
wäre der Kanton Schwyz, der im Jahre 1991 unter Bundespräsident Flavio Cotti auf
dem Ausflug ins Tessin mitberücksichtigt wurde. Zuweilen sind es auch thematische
Gründe, die dafür Sorgen, einen zusätzlichen Kanton mit einzubeziehen. So begann
Samuel Schmid, die von ihm angeführte Reise 2005 mit einer Visite in der Stadt Solothurn, in der er als Jugendlicher das Gymnasium besucht hatte.111 Es ist festzustellen,
dass die Bundesräte aus der französischen Schweiz sich bei ihrer Ausflugsgestaltung
eher auf den eigenen Kanton beschränkten, sich strikter an die Bundespräsidentenregel
109
Die genannten Kantone haben bis Juli 2006 keinen Bundesrat gestellt.
Appenzell Ausserrhoden stellt zwar seit 2003 mit Hans-Rudolf Merz wieder einen Bundesrat, hat in der
durch die Bundespräsidentenregel tangierten Zeit jedoch noch keinen Bundespräsidenten gestellt.
111
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 30. Juni 2005.
110
48
hielten und nur selten die Erweiterung der Bundespräsidentenregel in Anspruch nahmen. So führten die Ausflüge der Neuenburger Bundespräsidenten Graber, Aubert und
Felber sowie die der Waadtländer Bundespräsidenten Delamuraz, Chevallaz und Chaudet zum grössten Teil in die jeweiligen Heimatkantone. Ebenso die Ausflüge der Walliser Bundespräsidenten Roger Bonvin und Pascal Couchepin, die sich allesamt im Rhonetal und dessen Seitentäler abspielten. In der Ost- und Zentralschweiz hat sich in Bezug auf die Bundesratsausflüge das Zusammenfassen einiger Kantone zu Grossregionen
eingespielt. So zogen die von Bundespräsident Kurt Furgler und Arnold Koller angeführten Ausflüge meist mehrere Kantone der Ostschweiz ins Reiseprogramm mit ein.
Die beiden Appenzell, der Kanton St.Gallen und bisweilen der Kanton Thurgau bildeten
diese Ausflugsregion Ostschweiz.112 Auch in der Innerschweiz wurden oft mehrere
Kantone aufgesucht; so führte Kaspar Villiger das bundesrätliche Kollegium in seinem
zweiten Präsidialjahr 2002, nicht nur in den Kanton Luzern, sondern auch in die Kantone Uri und Obwalden. Ihm gleich taten es auch Ludwig von Moos in seinem ersten
Amtsjahr als Bundespräsident 1964 und Hans Hürlimann 1979.
Ein Beispiel eines Kantons, der zwar nie einen Bundespräsidenten stellen konnte, aber
trotzdem rege durch die Bundesratsausflüge aufgesucht wurde, ist der Kanton Uri. So
geschehen in den Jahren 1960, 1964, 1976 und 2002. Gründe dafür könnten sowohl seine zentrale Lage auf der Nord-Südachse sein, wie auch seine mannigfaltigen Infrastrukturprojekte (Gotthardstrassentunnel, NEAT, Achsenstrasse, militärische Anlagen), sein
zentraler Platz in der Mythologie der Schweiz oder der oben erwähnte Miteinbezug in
die Grossregion Innerschweiz.
Ein interessantes Beispiel für den Miteinbezug eines weiteren Kantons, ist dasjenige des
südbündnerischen Puschlavs, das von Bundespräsident Cotti im Jahre 1998 als erste
Station des Bundesratsausfluges gewählt wurde. Dieses italienischsprachige Tal am Alpensüdhang war bis dato durch die Bundesratsausflüge unberührt geblieben. Der Besuch des Puschlavs, ist als Geste zu verstehen, dass Cotti sich nicht nur als Vertreter des
Kantons Tessin sieht, sondern auch als derjenige, der italienischsprechenden Bevölkerung des Kantons Graubünden. Es ist auch ein Bekenntnis zu einer Randregion, die weit
entfernt von den Schweizer Zentren gelegen ist und nur selten die Aufmerksamkeit der
Landesregierung geniesst.113
Es gibt keinen Kanton, der in der Geschichte des Bundesratsausfluges nicht zumindest
einmal kurz durch die Landesregierung besucht wurde. Es gibt aber sehr wohl solche,
112
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom27./28. Juni 1977, 7. Juli 1981, 27./28. Juni 1985, 28./29. Juni
1990, 26./27. Juni 1997.
113
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 2./3. Juli 1998.
49
die selten bis sehr selten aufgesucht wurden. Diese vernachlässigten Gebiete sind die
Kantone Schaffhausen, Thurgau, Genf und Basel Stadt. Zum einen sind es Kantone, die
noch nie oder selten Bundesräte, und damit auch Bundespräsidenten, stellten, zum anderen sind es Regionen, die am geographischen Rande der Schweiz gelegen sind, keine
touristisch herausragenden Landschaften aufweisen und durch ihre grenznahe Lage nur
schwer auf dem Vorbeiweg besucht werden können. Der Kanton Thurgau wurde zwar
1981 durch Kurt Furgler und 1990 durch Arnold Koller unter dem Reiseziel Ostschweiz
mitberücksichtigt, dabei hat es sich aber jeweils nur um eine zeitlich sehr kurze Stippvisite gehandelt. Das Territorium des Kantons Schaffhausen wurde ebenfalls 1981 bloss
gestreift. Basel Stadt war bloss einmal, im Jahre 1965, Ziel des Ausfluges, der Kanton
Genf, abgesehen von einer Kurzvisite 1962, im Jahr 1999 auch bloss einmal. Auffallend
ist, dass mit Genf und Basel zwei Grossstädte zu diesen wenig besuchten Gebieten, gehören. Wenn man zudem berücksichtigt, dass mit der Stadt Bern eine weitere Grossstadt
nie Zielort eines Bundesratsausfluges war, zeigt sich, dass die Ausflüge des Bundesrates, die Grossstädte klar meiden.
Wie dargestellt, ist es die Bundespräsidentenregel, die in Bezug auf den Kanton die
Wahl des Ausflugsziels vordefiniert. Innerhalb des Heimatkantons ist der Bundespräsident in der Wahl seiner Ausflugsziele frei, diese unterliegt keinen Regeln oder Traditionen. Meist versuchen die Bundespräsidenten eine Reiseroute und ein Programm vorzubereiten, mit dem sie ihren Bundesratskollegen den Heimatkanton in seiner Ganzheit
und Vielfältigkeit darstellen können. Bei grösseren Kantonen bringt das eine relativ rege Reisetätigkeit mit sich. So führte beispielsweise Bundespräsident Ogi seine Kollegen
während dem Ausflug von 1993114 durch die Berner Regionen des Seelandes, des Emmentals und des Berner Oberlandes und führte ihnen so die Verschiedenartigkeit der natürlichen Landschaften des Kantons vor Augen. Auch das Miteinbeziehen von sowohl
städtischen wie auch ländlichen Regionen eines Kantons kann als Muster festgestellt
werden. Interessant ist die innerkantonale Reisegestaltung in den Kantonen, in denen
ein ausgeprägter innerkantonaler Gegensatz herrscht, sei es aus sprachlichen oder historischen Gründen. Die Walliser Bundespräsidenten Roger Bonvin im Jahre 1967 und
1973 sowie Pascal Couchepin im Jahre 2002 achteten beide sehr genau darauf, dass sich
die Menge der Programmpunkte im deutschsprachigen Oberwallis und im französischsprachigen Unterwallis die Waage hielten. So wurde, bei den drei Ausflügen ins Wallis
jeweils ein Tag des Ausflugs dem Oberwallis, der andere dem Unterwallis gewidmet.
Ähnlich verfuhr der Tessiner Bundespräsident Nello Celio im Jahre 1972. Die oftmals
114
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 1./2. Juli 1993.
50
nicht unproblematische Beziehung zwischen den Regionen Sopraceneri und Sottoceneri
wurde dadurch nicht weiter getrübt, dass Celio je einen Tag des Ausflugs der beiden
Regionen nördlich und südlich des Ceneriübergangs einräumte.115 Ähnlich hielt es auch
Flavio Cotti, der 1998 in seinem zweiten Präsidialjahr den ersten Reisetag, neben einem
kurzen Abstecher ins italienisch-bündnerische Puschlav, dem südlichen Kantonsteil und
den zweiten Tag dem nördlichen Kantonsteil widmete. Im ersten Präsidialjahr 1991
hingegen, beschränkte sich Cotti, neben einem kleinen, dem Frühstück gewidmeten
Programmteil im Kanton Schwyz, auf die Täler des Sopraceneri. Ein aussergewöhnliches Beispiel ist die vom Berner Bundespräsidenten Friedrich Traugott Wahlen im Jahre 1961 geführte Reise. Im, zum grösseren Teil, deutschsprachigen Kanton Bern beschränkte er die Reiseroute strikt auf den französischsprachigen Teil des Kantons. Inwieweit er die zu jenem Zeitpunkt angespannten Lage um den Status des Juras mit dieser Geste zu entschärfen gedachte, bleibt Spekulation. Mit dieser Beschränkung auf den
französischsprachigen Berner Jura hat der Bundespräsident, und mit ihm die Landesregierung, aber sicher zum Ausdruck bringen wollen, dass er sich dieses Kantonsteils und
der dort herrschenden Problematik zumindest bewusst ist.116
Als einzige der grossen Schweizer Städte war die Stadt Bern nie Programmpunkt eines
Bundesratsausflugs. Auch die Bundespräsidenten aus dem Kanton Bern sahen die
Hauptstadt nie als Programmpunkt eines Ausflugs. Dies ist insofern erklärbar, als dass
die allermeisten Magistraten, bedingt durch den Arbeitsort Bundeshaus, zumindest während der Woche in der Stadt oder Region Bern wohnhaft sind, und es beim Bundesratsausflug auch darum geht, eine räumliche Distanz zum alltäglichen politischen Geschehen zu schaffen. Die Stadt Bern war aber in allen Fällen Start und Endpunkt der
Bundesratsausflüge. Die Stadt Schaffhausen ist somit neben dem erwähnten Bern, die
einzige grössere Schweizer Stadt, die nie Programmpunkt eines Bundesratsausfluges
war.117 Zwar führte Bundespräsident Leuenberger seine Kollegen im Jahre 2001 von der
zürcherischen Seite her an den Rheinfall, und auch die Reise von 1981, die eine Schifffahrt von Stein am Rhein bis an die zürcherische Grenze in ihrem Programm sah, tangierte das Kantonsgebiet Schaffhausens leicht, aber die Kantonshauptstadt selber wurde
bis anhin nie besucht.
Zusammenfassend lässt sich in Bezug auf die geographischen Aspekte Folgendes festhalten: Bedingt durch die Bundespräsidentenregel, welche eine der Hauptcharakteristi115
Die „Schulreise“ des Bundesrates, in: Der Bund, 9. Juli 1972.
Friedrich Traugott Wahlen wurde 1968, einige Jahre nach seinem Rücktritt aus der Landesregierung, in
die vom Bundesrat aufgebotene vierköpfigen, Kommission der Guten Dienste, aufgeboten. Diese Kommission bemühte sich aktiv um die Lösung des Jurakonfliktes.
117
Als grössere Stadt soll hier eine historische Stadtgemeinde mit über 30'000 Einwohner gemeint sein.
116
51
ken des Bundesratsauflugs darstellt, ist dem Heimatkanton des Bundespräsidenten ein
Grossteil des jeweiligen Ausflugs gewidmet. Die Erweitung der Bundespräsidentenregel, das heisst der Miteinbezug weiterer Kantone neben dem Heimatkanton, wird von
den Bundespräsidenten im zweiten oder dritten Präsidialjahr in den meisten Fällen und
auch im ersten Amtsjahr regelmässig praktiziert, was zu einer relativ gleichmässigen
Abdeckung des Gebietes der Schweiz durch den Bundesratsausflug in der dargestellten
Periode führte. In der Ost- und Innerschweiz zeigt sich ein Muster, wonach sich mehrere Kantone miteinbeziehende Ausflugsregionen herausgebildet haben. Allgemein ist ein
Meiden von grossen Agglomerationen und eine Konzentration auf ländliche und kleinstädtische Ausflugsräume festzustellen.
3.3.2. Zeitliche Aspekte
Die moderne Form des Bundesratsausfluges fand bis anhin mit der ausserordentlichen
Ausnahme im Jahre 1992 immer wochentags statt. In den letzten Jahren hat es sich eingebürgert, dass der Ausflug am Donnerstag und Freitag der letzten ordentlichen Arbeitswoche des Bundesrates vor der Sommerpause zu liegen kam, was bedeutete, dass
der Ausflugstermin in der Regel auf Ende Juni/Anfang Juli zu liegen kam. Somit folgte
der Ausflug auf die letzte gemeinsame Bundesratssitzung am Mittwoch und führte über
in die persönlichen Sommerferien der Magistraten. In früheren Jahren fand der Ausflug
auch gelegentlich an den Wochentagen Montag und Dienstag statt, aber nie mittwochs,
dem Tag der wöchentlichen Bundesratssitzungen. Während sich in der Frühphase des
Bundesratsausflugs, zwischen den Jahren 1950 und 1960, der Ausflug unregelmässig
zwischen einem, zwei oder wie in den Jahren 1957 und 1960 sogar über je drei Tage mit
je zwei Übernachtungen erstreckt hatte, hat sich die zweitägige Dauer des Ausfluges mit
nur einer Übernachtung ab dem Jahr 1961 fest etabliert. Im Vorfeld des Ausfluges des
Jahres 1969 stellte der damalige Bundespräsident Ludwig von Moos die Ausdehnung
des Ausfluges auf wiederum drei Tage zur Diskussion, doch wurde an der Dauer von
zwei Tagen festgehalten. Abweichungen vom Ausflugsdatum gab es in drei Fällen. Im
Jahre 1991, als die Eidgenossenschaft ihr 700-Jahr-Jubiläum feierte, fand der Bundesratsausflug am 2./3. August statt und führte ins Tessin, nachdem der Gesamtbundesrat
am Vorabend die 1. Augustfeier im Kantonshauptort Schwyz begangen hatte.118 Im Jahre 1986 fand der Bundesratsausflug Mitte August statt; dies, weil ein Mitglied des Bundesrates am angestammten Datum Ende Juni am Finalspiel der Fussballweltmeister-
118
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. August 1991.
52
schaft in Mexiko weilte.119 Der einzige Bundesratsausflug, der nicht im Sommer stattfand, war der von Bundespräsident René Felber am 16./17. Oktober 1992 angeführte
Ausflug in den Kanton Neuenburg. Diese Terminverschiebung in den Herbst war bedingt durch die Erkrankung des Bundespräsidenten im Sommer 1992 sowie die überdurchschnittliche Arbeitsbelastung, mit welcher sich die Landesregierung in diesem
Jahr, bedingt durch die europapolitische Vorlage um den EWR-Beitritt, konfrontiert
sah.120
Es hat sich in den letzten Jahren so eingebürgert, dass der Bundesrat während seiner
zweitägigen Reise, sechs Mahlzeiten einnimmt. So wird auch schon das Frühstück des
ersten Tages im Rahmen des Ausflugs eingenommen und der Start des Ausfluges dementsprechend früh angesetzt.121 Am zweiten Tag wird in der Regel auch noch das
Abendessen im Rahmen des Ausfluges eingenommen. Oft ist es diese letzte Mahlzeit,
bei welcher der Bundespräsident als Gastgeber seiner Kollegen auftritt und bei der nur
die bundesrätliche Ausflugsgesellschaft anwesend ist. Neben den sechs Mahlzeiten stehen häufig Aperos, das Reichen von Getränken und kleinen Häppchen, im Vorfeld einer
Mahlzeit auf dem Programm. Aperos und Mahlzeiten sind oftmals Anlässe, während
denen eine Kontaktnahme mit Behörden, Prominenten oder Wirtschaftsvertretern des
besuchten Ortes stattfindet. Bei frühen Reisen, beispielsweise derjenigen im Jahre 1964,
stellte das Mittagessen des zweiten Tages die letzte gemeinsame Mahlzeit dar, der
Nachmittag des zweiten Tages war der Rückfahrt gewidmet und die Ankunft in Bern
wurde jeweils um ca.18.30 geplant.122 Aber schon ab den frühen 1970er Jahren kam es
zu der oben beschriebenen zeitlichen Ausdehnung des Bundesratsausfluges bis zum
späteren Abend des zweiten Tages. Als weiterer Aspekt, ist eine kontinuierliche Verdichtung des Programms festzustellen, das heisst, die zwei Tage des Ausfluges wurden
mit mehr und mehr Programmpunkten gefüllt. Diese Tendenz habe sich, laut alt Vizekanzler Achille Casanova, ab den 1990er Jahren noch einmal erhöht.123
3.3.3. Beteiligung, Absenzen
Der Bundesratsausflug wird in corpore, das heisst im Gesamtkollegium, unternommen.
Ebenfalls Teil der Reisegesellschaft sind der Bundeskanzler und die beiden Vizekanz-
119
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 13. August 1986.
Pressecommuniques von Bundeskanzlei vom 16./17.Oktober 1992.
121
Laut Fritz Mathys (Stab Chef Logistikbasis der Armee) beginnt der Bundesratsausflug meist ca. um 7 Uhr
morgens.
122
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, internes Reiseprogramm für
Orientierungsreise vom 29./30. Juni 1964.
123
Information aus Gespräch mit alt Vizekanzler Achille Casanova.
120
53
ler. Somit besteht die Ausflugsgesellschaft in der Regel aus zehn Personen.124 Beim
Ausflug im Jahre 1960 war auch ein Weibel Teil der Ausflugsgesellschaft.125 Da der
Termin zum Monatswechsel Juni/Juli meist schon lange im voraus bekannt war und angesichts der nahen Sommerpause die politischen Geschäfte zu diesem Zeitpunkt des
Jahres grösstenteils ruhten, gelang es meistens, die Terminkalender aller sieben Magistraten für den zweitägigen Bundesratsausflug freizuhalten. Ein Beispiel, wo dies nicht
der Fall war, bezieht sich auf den Ausflug von Anfang Juli 1973, als der Vorsteher des
politischen Departements, Pierre Graber, bei Gesprächen der KSZE in Helsinki weilte.
Nicht nur aus geschäftlichen, manchmal auch aus gesundheitlichen Gründen, kam es
vor, dass das eine oder andere Mitglied des Kollegiums den Ausflug nicht, oder nur zu
Teilen, mitbestreiten konnte. Speziell in dieser Hinsicht war der Ausflug von 1962, bei
dem sowohl Bundesrat Willy Spühler wie auch Jean Bourgknecht nicht am Ausflug
teilnehmen konnten, und das bundesrätliche Kollegium somit bloss aus fünf Magistraten
bestand. Bundesrat Bourgknecht hatte bereits im Mai des selben Jahres einen Schlaganfall erlitten, der es ihm in der Folge verunmöglichen sollte, wieder in das Amt zurückzukehren.126 Der Ausflug von 1962 war noch in anderer Hinsicht speziell, wurden doch
die fünf Bundesräte während des ersten Tages durch ihre Gattinnen127 sowie von ehemaligen Bundesräten mit ihren Gattinnen begleitet. Der Ausflug 1962 brachte, zumindest während dem ersten Ausflugstag, eine substantielle Ausdehnung der Ausflugsgesellschaft. Dieser Miteinbezug der Gattinnen und der alt Bundesräte im Rahmen des
Bundesratsausflugs blieb eine Ausnahme.
Gesundheitliche Gründe waren nicht bloss verantwortlich dafür, dass die Landesregierung zuweilen unvollständig in den Ausflug startete, es kam auch während den Bundesratsausflügen zu einigen verletzungs- oder krankheitsbedingten, frühzeitigen Abbrüchen. So musste im Jahre 1979 Bundesrat Willy Ritschard den Ausflug in die Kantone
Zug und Schwyz infolge einer Herzschwäche vorzeitig abbrechen und sich im Bürgerspital Zug in Behandlung begeben. Die Schwäche ereignete sich am Morgen des zweiten Tages bei einem Spaziergang am Zugersee. Ritschard blieb in der Folge über eine
124
Vor 1967 war nur ein Vizekanzler im Amt, dementsprechend bestand der bundesrätliche Ausflugsgesellschaft vor diesem Datum bei Vollbestand nur aus neun Personen.
125
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Dokumente zur Ausflugsorganisation Orientierungsreise 1960.
126
Fahrt des Bundesrates in die Westschweiz, in: Neue Zürcher Zeitung, 3. Juli 1962.
127
Die Gattinnen der amtierenden und ehemaligen Bundesräte pflegten speziell während den 1960er Jahren
einen regen Kontakt, der auch in einem Ausflug der Bundesratsgattinnen seinen Ausdruck fand. Dieser wurde 1962 ausnahmsweise mit demjenigen der Landesregierung zusammen durchgeführt. Zusammenkünfte und
Ausflüge der Bundesratsgattinnen sind bis in die späten 1980er Jahre dokumentiert.
54
Woche in Spitalbehandlung.128 Im Rückblick erscheint diese Episode während des Bundesratsausflugs von 1979 als eine unheilvolle Ankündigung dessen, was sich im Oktober 1983 ereignen sollte, als Bundesrat Ritschard, nachdem er auf Ende Jahr den Rücktritt aus der Landesregierung bekannt gegeben hatte, auf einer Wanderung an Herzversagen verstarb.
Ende Juni 1984 verliess Bundesrat Rudolf Friedrich den Bundesratsausflug im Kanton
Graubünden aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig, was zu heftigen Spekulationen
über den Gesundheitszustand des Magistraten führte. Ende August, zwei Monate nach
besagtem abgebrochenem Ausflug, gab Bundesrat Rudolf Friedrich seinen Rücktritt
wegen mangelnder Leistungsfähigkeit bekannt. Interessant ist die Tatsache, dass Friedrich seinen Rücktritt, mit kritischen Äusserungen zum Thema Überbelastung der Bundesräte verband, einer Problematik, die bis in die Gegenwart keine wirkliche Lösung,
gefunden hat.129
Im Jahre 1995 brach sich Bundesrätin Ruth Dreifuss beim Ausstieg aus der Rigi-Bahn
den Knöchel. Diese Verletzung wurde zuerst als blosse Stauchung diagnostiziert, so
dass Frau Dreifuss das Programm des zweiten Tages unter Schmerzen mitmachte, bevor
sie sich in Spitalpflege begab.130 Abgesehen von leichten Schürfungen, die sich Bundesrätin Calmy-Rey anlässlich einer Trottinettfahrt
131
während des Ausflugs, im Jahre
2005 zuzog, blieb der Knöchelbruch von Frau Dreifuss die einzige Verletzung, die sich
bis anhin während einem Bundesratsausflug ereignete.
3.3.4. Verkehrsmittel
Da Beginn und Ende des Bundesratsausfluges in den allermeisten Fällen132 in der Stadt
Bern liegen, ergab sich in den meisten Fällen ein Transportverhalten nach folgendem
Muster: Einem Transfer von Bern in den Bestimmungsort am Morgen des ersten Ausflugstages folgen viele kürzere, örtliche Verschiebungen, bedingt durch die Programmgestaltung. Am Abend des zweiten Tages erfolgt der Rücktransfer vom Ausflugsgebiet
zurück in die Hauptstadt. Zu erwähnen ist, dass die Transportmittel während den Bundesratsausflügen nicht nur der Überbrückung einer Strecke, von einem Ort zum anderen, das heisst von einem Programmpunkt zum andern, dienen, sondern die Fahrt mit
128
Bundesrat Ritschard noch immer im Spital, in Neue Zürcher Zeitung, 10 Juli 1979.
Pressecommunique der Bundeskanzlei aus dem Jahre 1979.
129
Der Gesundheitszustand von Bundesrat Friedrich, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 1984.
130
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 29. Juni 1995.
131
In den heimatlichen Gefilden Samuel Schmids, in: Der Bund, 1. Juli 2005.
132
Im Jahre 1991 wurde der Bundesratsausflug mit der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft kombiniert, so
dass der eigentliche Ausflug im Kanton Schwyz angetreten wurde.
55
einem Transportmittel auch den eigentlichen Programmpunkt, darstellen kann. So geschehen bei Kutschen- oder Schifffahrten, oder bei Panoramaflügen. Ebenfalls nicht
unüblich ist es, dass kleinere Mahlzeiten oder Aperos während solchen Fahrten eingenommen werden.
Bei allen Bundesratsausflügen seit Anfang der 1960er Jahren kamen zumindest für eine
kurze Strecke Strassenfahrzeuge, das heisst Autos oder Busse, zum Einsatz. Bis in das
Jahr 1974 wurden dabei die bundeseigenen Limousinen der Landesregierung benutzt.
Jeweils zwei bis drei der Ausflugsteilnehmer teilten sich ein Fahrzeug mit Fahrer. Ab
1975 kam für den Transport auf der Strasse ein Postauto zur Anwendung, so dass das
Kollegium auch während den Fahrten gemeinsam unterwegs sein konnte. Heutzutage ist
es meist ein Bus eines Privatunternehmens, der diese Strassentransfers übernimmt.
Nicht selten wurde im Rahmen des Bundesratsausfluges auch die Eisenbahn benützt.
Insbesondere die Fahrt zu Beginn des Ausflugs von Bern in die Ausflugsregion wurde
vom bundesrätlichen Kollegium öfters durch einen Sonderzug unternommen. Gelegentlich wurden dabei auch historische Eisenbahnkompositionen wie der so genannten „Rote Pfeil“ für diesen Anlass reaktiviert. Das war beispielweise der Fall bei den von Bundespräsidentin Ruth Dreifuss 1999 in den Kanton Genf und dem von Bundespräsident
Kaspar Villiger in den Kanton Luzern geführten Ausflügen.133 Die Eisenbahn wurde,
wie gesagt, meist für die längeren Strecken von Bern in den Ausflugskanton benutzt.
Regelmässig begab sich der Bundesrat während seinen Ausflügen auch in die Luft. Diese Flüge dienten entweder der Überbrückung einer langen Wegstrecke, beispielsweise
dem Transfer ins Puschlav anlässlich des Ausfluges von Flavio Cotti, oder sie wurden
im Rahmen eines Panoramafluges unternommen. Mit Ausnahme des Ausfluges im Jahre 1960, bei dem militärische Kleinflugzeuge eingesetzt wurden, waren es jeweils Helikopter der Schweizer Armee, mit denen diese Flüge unternommen wurden. Die Flüge
anlässlich der Bundesratsausflüge wurden ausschliesslich durch die Schweizerische
Luftwaffe unternommen, was auch finanzielle Gründe hatte.134 Bei den von der Luftwaffe eingesetzten Helikoptern handelte es sich um solche vom Typ Alouette und in
späteren Jahren um solche des Typs Superpuma.
Schifffahrten auf den vielen Seen und Flüssen der Schweiz sind ebenfalls ein beliebtes
Element der Bundesratsausflüge. Vom Dampfschiff über Motorboote der Seepolizei bis
zu Weidlingen dienten die verschiedensten Bootstypen der Landesregierung als Transportmittel zu Wasser.
133
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 28. Juni 1995 und 24. Juni 1999.
Die, für die Bundesausflüge vorgenommenen Flüge, werden in der Regel im Rahmen von obligatorischen
Übungsflügen der Militärpiloten durchgeführt und belasten somit das Ausflugsbudget nicht zusätzlich.
134
56
Bei einigen Ausflügen wurde das Transportmittel bewusst als Programmpunkt gewählt.
So hat Bundespräsident und Verkehrsminister Moritz Leuenberger im Jahr 2001 mit der
Benützung einer S-Bahn-Komposition und eines neuartigen Trams der Stadt Zürcher
Verkehrsbetriebe, namens Cobra, auf die Probleme und Chancen des öffentlichen Agglomerationsverkehrs aufmerksam gemacht.135 Aus ökologischen Gründen wurde der
von Verkehrminister Schlumpf in den Kanton Graubünden geführte Ausflug im Jahre
1984 fast ausschliesslich mit der Bahn bewältigt. In dieser Zeit, in welcher die Waldsterbediskussion die Öffentlichkeit beherrschte, wählte Bundespräsident Schlumpf die
Bahn für den Ausflug in seinen weitläufigen und relativ weit von Bern entfernt gelegenen Heimatkanton Graubünden. Dementsprechend wählte er die Stationen des Ausfluges so aus, dass sie nahe der Bahnlinie lagen; nur die Strecke zwischen St.Moritz und
Maloja, im Oberengadin, wurde mit Strassenfahrzeugen zurückgelegt.136
3.3.5. Ausflugsprogramm
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigt wurde, wann, wohin und mit
welchen Verkehrmitteln die Ausflüge der schweizerischen Landesregierung unternommen wurden, soll in diesem Kapitel die Programmgestaltung näher betrachtet und die
Frage beantwortet werden, was die Bundesräte auf ihren Ausflügen genau unternommen
haben. Im Kapitel 3.2. wurde gezeigt, dass der Bundesratsauflug aus einer Tradition von
Orientierungsreisen heraus entstanden ist, dass heisst, dass das Besichtigen von Baustellen, Forschungsstätten, militärischen und zivilen Anlagen des Bundes ein Hauptmotiv
für die Ausflüge darstellten. Wie sich aus dem folgenden Ausschnitt eines Briefes der
Bundeskanzlei an den Landammann des Kantons Uri anlässlich der Organisation des
Bundesratsausfluges des Jahres 1964 erkennen lässt, behielt der Aspekt der Inspektion
auch im Laufe der 1960er Jahre einen bedeutenden Stellenwert: „Nun geht es dem Bundesrat bei seinen Orientierungsreisen in erster Linie darum, gewisse Einrichtungen der
Eidgenossenschaft oder vom Bunde subventionierte oder kontrollierte Werke, Bauten
und Anlagen zu besichtigen ...“137 Diese Besichtigungen von bundeseigenen Anlagen
blieben relativ lange Zeit ein wichtiges Element und haben erst in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts etwas an Bedeutung, verloren. Nichtsdestotrotz sind sie
bis in die Gegenwart weiterhin Teil der Programme der meisten Ausflüge geblieben.
135
800 Personen am Empfang des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 2001.
Ein Beitrag zum Kampf gegen das Waldsterben, in: Neue Bündner Zeitung, 29. Juni 1984.
137
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Briefkopie von Bundeskanzlei
an den Landammann und Regierungsrat des Kantons Uri vom 3. April 1964.
136
57
Zur Gestaltung des Programms muss erwähnt werden, dass der Bundesratsausflug jeweils im Vorn herein vom Bundespräsidenten, seinen persönlichen Mitarbeitern und der
Bundeskanzlei sehr detailliert vorbereitet und durchgeplant wird. Dementsprechend ist
der Anteil an spontanen Begebenheiten während dem Ausflug eher klein und hat im
Laufe der Zeit mit der noch detaillierteren Vorausplanung noch abgenommen. Es handelt sich somit bei den Programmen der Bundesratsausflüge um einen minutiös geplanten Ablauf mit Besichtigungen, Vorführungen, Mahlzeiten, körperlichen Aktivitäten,
Treffen mit Persönlichkeiten und vielem mehr. Die folgenden Unterkapitel sollen einen
Überblick über die verschiedenen Gestaltungselemente liefern.
3.3.5.1. Kontaktnahmen
Zu den tragenden Pfeilern jedes Bundesratsausfluges gehören Zusammenkünfte mit
Personen aus dem besuchten Gebiet. Fester Bestandteil eines fast jeden Bundesratsausfluges ist dabei ein Treffen mit Regierungsvertretern des besuchten Kantons, oder der
besuchten Kantone, falls es mehrere sind. Es handelt sich dabei meist um Delegationen
des jeweiligen Regierungsrates, seltener dagegen ist die Anwesenheit der gesamten
Kantonsregierung. Diese Zusammenkünfte erfolgen oft im Rahmen einer Mahlzeit oder
eines Aperos. Dieses informellen Treffen dienen in erster Linie der Kontaktpflege und
dem geselligen Beisammensein. Es finden bei solchen Treffen keine konkreten politischen Gespräche statt, was aber auch nicht bedeutet, dass jeglicher Austausch über politische Fragen zu unterbleiben hat. Oft gibt es auch Zusammenkünfte mit Vertretern
mehrerer Kantonsregierungen gleichzeitig. So traf sich der Bundesrat im Jahre 2002 anlässlich des von Bundespräsident Villiger geführten Ausfluges auf dem Rütli mit kantonalen Vertretern der Kantone Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden, Zug und Tessin.
Während des besagten Ausflugs, kam es zudem noch andernorts zu Zusammenkünften
mit Regierungsvertretern der Kantone Aargau und Luzern.138 Dieses Zusammentreffen
mit Vertretern aus acht Kantonen während der zwei Ausflugstage ist eher ungewöhnlich. Im Gegensatz dazu ist von dem durch Bundespräsident Moritz Leuenberger im
Jahr zuvor geleitete Ausflug keinerlei Kontakt mit Vertretern der Zürcher Regierung
dokumentiert.139 Da ein Aufstieg von einer kantonalen Regierung in die Bundesregierung ein unter Schweizer Politkern nicht unüblicher Werdegang darstellt, kam es auch
schon vor dass Politiker im Laufe ihrer politischen Karriere, sowohl als kantonale Regierungsvertreter wie auch als Bundesräte solchen Zusammenkünften beiwohnen konn138
139
Mit dem „roten Pfeil in die Sommerpause, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 2002.
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 4. Juli 2001.
58
ten. Ein Beispiel diesbezüglich ist Ernst Brugger, der 1968 die bundesrätliche Ausflugsgesellschaft als Regierungsrat im Kanton Zürich willkommen geheissen hatte und sechs
Jahre später als Bundespräsident die Landesregierung in seinen Heimatkanton führte.140
Neben Treffen mit den kantonalen Behörden, kommt es auch regelmässig zu Treffen
mit den kommunalen Behörden der von der bundesrätlichen Ausflugsgesellschaft besuchten Gemeinden.
Eine gelegentlich gepflegte Geste ist diejenige, ehemalige Bundesräte aus dem besuchten Kanton in den Ausflug mit einzubeziehen. So traf sich anlässlich des Ausfluges im
Jahre 2001 der Gesamtbundesrat in Winterthur auch mit dem aus dieser Stadt stammenden Altbundesrat Rudolf Friedrich und beschenkte ihn anlässlich seines 78. Geburtstags.141 Auch ein Mittagessen während dem Ausflug in die Waadt, angeführt durch
Bundespräsident Delamuraz im Jahre 1989, sah neben Vertretern der Kantonsregierung
und Vertreter regionaler Behörden die beiden alt Bundesräte Georges-André Chevallaz
und Pierre Graber142 als Gäste der Landesregierung.143 Neben den dargestellten Treffen
mit Vertretern der Kantone und Gemeinden sowie Altbundesräten kam es auch gelegentlich vor, dass es zu Zusammenkünften mit nationalen Politikern aus dem besuchten
Kanton kam. So geschehen im Jahre 1986, als der von Alphons Egli angeführte Ausflug
in den Kanton Luzern, einen „Imbiss auf dem Hof von Nationalrat Franz Jung in
Eschenbach“144 vorsah. Ebenfalls ein Besuch auf dem Bauernhof eines Parteigenossen
des Bundespräsidenten fand 2002 statt. Kaspar Villiger führte die bundesrätliche Ausflugsgesellschaft nach dem luzernischen Ettiswil, auf den Hof von Nationalrat Karl
Tschuppert.145 Bei solchen, zusätzlich ins Ausflugsprogramm integrierte Politkern, handelt es sich meist um solche aus dem politischen und persönlichen Umfeld des Bundespräsidenten.
Ab dem im Jahre 1990 von Bundespräsident Arnold Koller in die Ostschweiz geführten
Ausflug, hat sich eine bis dahin nicht gekannte Form der Kontaktnahme zwischen der
Landesregierung und der Bevölkerung der besuchten Regionen entwickelt; die so genannten Volksaperos. Über den ersten solchen Anlass wurde folgendermassen berichtet:
140
Die Zürcher Reise des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 3. Juli 1968.
800 Personen am Empfang des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 2001.
142
Pierre Graber war zwar gebürtiger Neuenburger und hat diesen Kanton auch im Bundesrat vertreten, den
grössten Teil seiner politischen Karriere verbrachte er aber im Kanton Waadt, unter anderem als Stadtpräsident von Lausanne, ein Amt, das auch Chevallaz und Delamuraz vor ihrer Einsitznahme im Bundesrat inne
hatten.
143
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 29. Juni 1989.
144
Bundesarchiv, E 1010 (C), Akzession 1996/219, Bd. 57, Aktenzeichen 336, internes Programm Bundesratsausflug vom 13./14. August 1986.
145
Franz Jung war Luzerner CVP Nationalrat von 1975-1991, Karl Tschuppert war Luzerner FDP Nationalrat von 1983-2003.
141
59
„Danach fand eine herzliche Zusammenkunft der Bundesräte ... mit der Appenzeller
Bevölkerung und dem Bezirksrat statt, die von verschiedenen musikalischen Darbietungen, beispielsweise von Stegreiflern, begleitet wurde.“146 Während zuvor die Bevölkerung den Bundesratsausflügen in erster Linie als Zuschauer beigewohnt hatte, wurde
von da an mit den Volksaperos eine Plattform geschaffen, auf der jedermann in direkten
Kontakt mit den Bundesräten treten konnte. Diese Aperos, die meist an einem zentralen
Platz in einer Gemeinde stattfinden, haben Volksfestcharakter. Speis und Trank werden
offeriert und in ungezwungener Atmosphäre, meist begleitet durch Musikdarbietungen,
kann jedermann mit den Magistraten ins Gespräch kommen. So machte beispielsweise
im Jahre 2001 „... die Winterthurer Bevölkerung ... von der Aufforderung zur ‚Begegnung mit dem Bundesrat’ regen Gebrauch. Rund 800 Personen versammelten sich
um 16.45 hinter dem Stadthaus, wo der Bundesrat zunächst musikalisch begrüsst wurde
... Die Zuschauer zeigten grösstenteils keine Scheu vor den Vertretern der Landesregierung und überhäuften diese mit Autogrammwünschen und Fragen.“147 Dieses Eintauchen in die Menschenmassen bringt den Bundesräten einen unmittelbaren und spontanen Kontakt zur Bevölkerung, „... so musste Ruth Dreifuss zum Krankenversicherungsgesetz Stellung nehmen, wobei sie einräumte, dass dieses Fehler aufgewiesen habe
und die Umsetzung schwierig sei.“148 Es ist aber darauf zu verweisen, dass auch anlässlich dieser Aperos, wie auch im sonstigen Verlauf des Ausfluges, von Seiten des Bundespräsidenten und seinen Kollegen keine öffentlichen Reden gehalten werden. Eine
Ausnahme diesbezüglich war die spontane Ansprache, die Bundespräsident Adolf Ogi
im Jahre 2000 vor Behörden und Bevölkerung in Kippel, im Lötschental, hielt, und in
der er seine Zuneigung zum Lötschental mit den Worten ausdrückte, das besuchte Tal
sei „... das Tal der Täler.“149 Daneben bergen solche Volksaperos aber auch gewisse
Sicherheitsrisiken, so wird jeder einzelne Bundesrat, während solchen Veranstaltungen
jeweils diskret von einem Polizisten in Zivil begleitet.150 Bis anhin ist es noch bei keinem solcher Anlässe zu Zwischenfällen gekommen. In jüngster Zeit hat es sich eingespielt, dass pro Ausflug zwei das heisst pro Ausflugstag ein solches Volksapero stattfindet.151
146
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 29. Juni 1990.
800 Personen am Empfang des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 2001.
148
800 Personen am Empfang des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 2001.
149
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 7. Juli 2000.
150
Information aus Gespräch mit Frau alt Vizekanzlerin Muralt und Herrn Mathys (Stab Chef Logistikbasis
der Armee).
151
Information aus Gespräch mit Herrn alt Vizekanzler Achille Casanova.
147
60
3.3.5.2. Mahlzeiten
Wie schon erwähnt, wird das bundesrätliche Ausflugsprogramm stark von den Mahlzeiten geprägt. Die sechs Hauptmahlzeiten gliedern zum einen den Ausflugsablauf, bieten
eine vorzügliche Gelegenheit zur Kontaktnahme jeglicher Art und eignen sich je nach
Gestaltung auch zum Setzen eines thematischen Schwerpunkts, wie dies beispielsweise
im Jahre 2000 Bundespräsident Ogi mit einem „währschaften Burezmorge“ in Kappelen
im Berner Seeland tat.152
Ein wichtiger Punkt betrifft auch die Gastgeberschaft, das heisst: Wer lädt wen zu einer
Mahlzeit ein. Eine Mahlzeit, oftmals das Abendessen des zweiten Ausflugstages, sieht
in der Regel den Bundespräsidenten als Gastgeber seiner Kollegen und findet ohne zusätzliche Gäste statt. Oft ist es auch die Kantons-, Stadt- oder Gemeinderegierung, die
zu einem Essen oder einem Apero einlädt. Selten ist der Bundesrat auch bei Privaten zu
einer Mahlzeit eingeladen. Ein spezielles Beispiel einer privaten Gastgeberschaft fand
1971 auf dem von Bundespräsident Rudolf Gnägi durch den Kanton Bern geführten
Ausflug statt. Damals wurde das Mittagessen des ersten Tages auf dem Hof der Emmentaler Bauernfamilie Liechti auf der Langenegg, in der Nähe von Langnau, eingenommen. Es handelte sich dabei nicht nur um ein traditionell bernisches Bauernmahl,
sondern es war auch gleichzeitig das Taufessen für den jüngsten Spross der Familie.
Der Bundesrat war somit bei einem privaten Festanlass zugegen, was jedoch eine Ausnahme darstellte.153 Das Thema Mahlzeiten und Aperos ist eng verknüpft mit dem oben
behandelten Thema der Kontaktnahme.
3.3.5.3. Wandern, sportliche Aktivitäten, Tourismus
Die Schweiz mit ihrer langen touristischen Tradition und ihrer gut ausgebauten touristischen Infrastruktur bietet sich geradezu an, das Erleben der landschaftlichen Schönheiten zum Programmpunkt eines Ausflugs zu machen. Ein wichtiger Aspekt der Bundesratsausflüge besteht deswegen darin, diese Naturschönheiten der Schweiz kennen zu
lernen und zu geniessen. Dementsprechend werden in der Regel Pogrammgestaltung
und Reiseroute so gestaltet, dass möglichst viele und möglichst schöne Ausschnitte der
Landschaft von den Magistraten wahrgenommen werden können. Eine Form, dies zu
tun, sind Spaziergänge und Wanderungen, welche seit den Anfängen ein fixer Bestandteil der Bundesratsausflüge darstellen. In der öffentlichen Wahrnehmung sind es oftmals
diese Wanderungen, mit denen der Bundesratsausflug in erster Linie in Beziehung ge152
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 7. Juli 2000.
Hanspeter Lebrument, Bitte nicht weitersagen: Bundesrat im Oberemmental, in: Emmenthaler Blatt, 29.
Juni 1971.
153
61
bracht wird, möglicherweise vor allem darum, weil die wandernden Bundesräte ein gelungenes Sujet für Medienfotografen darstellen. Aber obwohl Wanderungen ein wichtiger Bestandteil der Bundesratsausflüge sind, stellen diese viel mehr dar als reine Wanderausflüge, hat doch das Wandern innerhalb der Ausflugsprogramme nie eine dominierende Stellung eingenommen. Wanderungen in den Alpen boten öfters Anlass, eben erstellte Tourismusinfrastrukturen zu benutzen und zu besichtigen. So geschehen im Jahre
1969, als das neu entstandene Greyerzer Tourismuszentrum Moléson-Village Ziel der
bundesrätlichen Ausflugsgesellschaft war und die dortigen Bergbahnen, den Zugang zu
Wanderwegen und einer „klaren Fernsicht“ ermöglichten.154 Zwei Jahre später, im Jahre
1971, war die vier Jahre zuvor fertiggebaute Bahn auf das Schilthorn bei Mürren im
Berner Oberland und das dortige Drehrestaurant Programmpunkt des Bundesratsausfluges.155 Sind Wanderungen und Spaziergänge ein Teil des Programms, muss bei schlechten Witterungsbedingen die Möglichkeit eines Ersatzprogramms bestehen. Dies führt
dazu, dass für die Bundesratsausflüge in der Regel sowohl eine Schlechtwetter- wie
auch eine Schönwettervariante ausgearbeitet wird. So wurde die durch starke Regenfälle
verunmöglichte Wanderung durch die Aareschlucht bei Innertkirchen im Jahre 2005
durch ein Jassspiel kompensiert.156
Nachdem seit den 1950er Jahren eine Wanderung regelmässig Teil des Bundesratsausfluges gewesen war, brachte der Bundesratsausflug im Jahre 1993 eine neue Form der
körperlichen Betätigung. Bundespräsident Adolf Ogi organisierte im nahe seinem Heimatort Kandersteg gelegenen Gasterntal eine Ausfahrt auf Mountainbikes.157 Bundespräsident Kaspar Villiger wiederholte diesen sportlichen Programmpunkt während des
Bundesratsausflugs 2002 und liess seine Kollegen ebenfalls auf Mountainbikes - solcher
seiner familieneigenen Fahrradfirma158 notabene - durch ein kleines Waldstück im Luzerner Hinterland fahren.159 Das Mountainbike, welches in der ersten Hälfte der 1990er
Jahren in Westeuropa zu einem weit verbreiteten Sportgerät wurde, fand somit auch
Eingang in das Programm des Bundesratsausfluges und bereicherte diesen durch ein
sportliches Element. Eine weitere Diversifizierung in Sachen Sportgeräten brachte der
Ausflug im Jahre 2005, bei dem Bundespräsident Samuel Schmid seinen Kollegen auf
154
Der Jahresauflug des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 6. Juli 1969.
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, diverse Akten zu Bundesratsausflug 28./29. Juni 1971.
156
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 1. Juli 2005.
157
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. Juli 1993.
158
Kaspar Villiger übernahm mit 25 Jahren, nach dem Tod seines Vaters, die Führung der seit 1888 bestehenden Zigarrenfabrik Villiger Söhne AG in Pfeffikon (LU). Er erweiterte das Unternehmen mit dem Kauf
einer Fahrradfabrik in Buttisholz. Als Mitinhaber leitete er die beiden Unternehmen bis zu seiner Wahl in den
Bundesrat im Jahre 1989.
159
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 5. Juli 2002.
155
62
dem Mont-Soleil, eine kurze Fahrt auf Trottinetts bescherte, wobei sich Bundesrätin
Calmy-Rey bei einem Sturz leichte Schürfungen an Händen und Knien zuzog.160
3.3.5.4. Spiele, Singen
Speziell in den Anfängen der Bundesratsausflüge, in den späten 1950er und 1960er Jahren, gehörte das Jassspiel zum festen Bestandteil eines Bundesratsausfluges. So heisst es
etwa im internen Programm für den Ausflug, der vom 4.-6. Juli 1957 ins Wallis führte
für den Abend des zweiten Tages: „19.00 Nachtessen, anschliessend Jass fédéral.“161
Ebenfalls ganz offiziell als Programmpunkt war das Jassspiel im Jahre 1969 vorgesehen: „15.00 partie de cartes à Epesses dans le jardin d’une maison vigneronne.“162 Über
diese Partie berichtete die Presse wie folgt: „Pflichten und Sorgen vergessend, klopften
sodann die Bundesräte im schattigen Garten eines Winzers von Epesses einen Jass, bevor sie im Keller edlen Rebensaft degustierten.“163 Auch neben den genannten Ausflügen, in denen dem Jassspiel explizit Zeit eingeräumt wurde, gibt es genügend Hinweise
darauf, dass in jener, oben genannten Epoche, eine oder mehrer Partien des eidgenössischen Kartenspiels zu jedem Bundesratsausflug gehörten. Die kartenspielenden Magistraten waren jeweils ein dankbares Thema für die Presse. So schrieb beispielsweise das
Aargauer Tagblatt 1966: „Nach dem Uebernachten sic im Schlosshotel Brestenberg,
wo sie sich am Montagabend zu einem gemütlichen Jass in Hemdsärmeln niederliessen,
wurde schon recht früh Tagwache geblasen.“164 Auch aus der jüngeren Vergangenheit
gibt es Hinweise, dass die Mitglieder der Landesregierung ab und zu dem Kartenspiel
frönen. So geschehen 2005 auf dem Ausflug in den Kanton Bern, von dem berichtet
wir: „Am zweiten Tag wurde die Wanderung durch die Aareschlucht abgesagt, weil es
am Vormittag zeitweise recht stark regnete. Als Alternativprogramm wurde ein Jass geklopft.“165 Ob die Bundesräte während den Ausflügen dem Jassspiel frönten, hing stark
von der personellen Zusammensetzung des Kollegiums ab. So seien, laut alt Vizekanzler Casanova, während seiner Amtszeit, zwischen 1981 und 2005, insbesondere die
Bundesräte Flavio Cotti und Otto Stich begeisterte Kartenspieler gewesen. Seien diese
160
In den heimatlichen Gefilden Samuel Schmids, in: Der Bund, 1. Juli 2005.
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, provisorisches Programm für
die Inspektionsreise des Bundesrates vom 1.-3. Juli 1957.
162
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Internes Programm Besichtigungsreise 1969.
163
Der Jahresausflug des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 6. Juli 1969.
164
Der Bundesrat hat den Aargau wieder verlassen, in: Aargauer Tagblatt, 6. Juli 1966.
165
Der Parforce-Erholung zweiter Teil, in: Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 2005.
161
63
beiden Bundesräte ein Teil der Ausflugsgesellschaft gewesen, sei regelmässig bis in die
frühen Morgenstunden gejasst worden.166
Neben dem Jassspiel gibt es auch Indizien dafür, dass zumindest im Jahre 1974 dem
Kegelspiel eine gewisse Priorität in der Abendgestaltung eingeräumt wurde. So schreibt
Vizekanzler Sauvant über das von ihm rekognoszierte Hotel Ermitage in Küssnacht:
„Inconvénients: ... pas de jeu de quilles.“167 Ob es alleine aus diesem Grunde war,
bleibt unklar, aber der Bundespräsident entschied sich für eine Übernachtung in einem
anderen Gasthof, wobei das interne Programm für den Abend dann folgendermassen
lautete: „Nachtessen im Landgasthof Au, Jass und Kegeln, Uebernachten sic.“168 Das
Vorhandensein einer Kegelbahn am Übernachtungsort scheint im Jahre 1974 zumindest
so wichtig gewesen zu sein, dass es als ein Kriterium der Hotelwahl herangezogen wurde und lässt auf eine gewisse Relevanz diesbezüglich schliessen.
Während einer gewissen Epoche scheint auch das gemeinsame Singen ein Bestandteil
der bundesrätlichen Ausflüge gewesen zu sein. Das, auf Anregung von Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen, von Vizekanzler Feilx Weber169 zusammengestellte und herausgegebene „Bundesrätliche Liederbuch“, liebevoll „Bu-li-bu“ genannt, scheint dabei,
zumindest in den 1960er Jahren, rege zur Anwendung gekommen zu sein.170 So heisst
es als Anmerkung im internen Programm des Jahres 1965 beispielsweise: „PS. Bitte
‚Bu-li-Bu’ nicht vergessen.“171 Das Bundesrätliche Liederbuch war auch bei den Altjahrsessen des Bundesrates jeweils in Gebrauch, wie aus den von Weber in Versform
verfassten Zeilen der Einladung zum Altjahrsessen des Jahres1964 zu entnehmen ist:
„Mög` leuchten allgemein hervor
die gute Stimmung, der Humor,
auch kling` ein Liedlein ab und zu
aus unserem ‚Gesangbuäch Bulibu’.“172
166
Information aus persönlichem Gespräch mit alt Vizekanzler Achille Casanova.
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 97, Aktenzeichen 211.7, Internes Papier von Vizekanzler Sauvant betreffend Wahl des Hotels für den Bundesratsausflug 1974.
168
Bundesarchiv E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 97, Aktenzeichen 211.7, Internes Programm Bundesratsausflug 1974.
169 Dr. Felix Weber war von 1937 bis 1945 Ratsschreiber des Kantons Glarus und von 1946 bis 1967 Vizekanzler der Eidgenossenschaft. Weber pflegte als Hobby das Verfassen von Gedichten. Während seiner
Amtszeit hat der Vizekanzler unter anderem jeweils die Einladungen zu den Altjahrsessen und zum Teil auch
Verdankungsschreiben im Zusammenhang mit den Bundesratsausflügen in Versform verfasst.
170
Weber, Pegasus und Politik, S. 51.
171
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd.8, Aktenzeichen 206, internes Programm für den Ausflug des Bundesrates in die Kantone Basel Stadt und Basel Landschaft vom 5. und 6. Juli 1965.
172
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Einladung Altjahrsessen des
Bundesrates vom 29. Dezember 1964.
167
64
Jedoch scheint der Gebrauch des Bu-li-Bu, relativ schnell wieder aus dem Bundesratskollegium verschwunden zu sein. Jedenfalls war das bundesrätliche Liederbuch spätestens zu Anfang der 1980er Jahren in Vergessenheit geraten und gelangte bei geselligen
Anlässen der Landesregierung nicht mehr zum Einsatz.173
3.3.5.5. Besuch von religiösen Institutionen
Der Bundesratsausflug beinhaltete regelmässig auch den Besuch von religiösen Institutionen wie Kirchen und Klöster. So ist ein Klosterbesuch bereits aus dem Jahr 1955 in
Müstair im Münstertal bezeugt.174 Es scheint für den gemischtkonfessionellen Bundesrat bereits Mitte der 1950er Jahre kein Problem dargestellt zu haben, eine katholische
Institution zu besuchen. Der Besuch von Klöstern und Kirchen erfolgt in sehr vielen
Fällen im Rahmen von architektonischen und kunsthistorischen Führungen. Auch wird
der Besuch von Kirchen oft mit musikalischen Präsentationen verbunden. Oft finden anlässlich dieser Besichtigungen auch kurze Kontaktnahmen mit Pfarrern oder Ordensleuten statt. Ein Motiv dieser Besuche von religiösen Institutionen ist dasjenige, von Bundespräsident Schlumpf im Jahre 1984 vorgebrachte, „... der den Besuch des Klosters
Disentis als Zeichen der Verbindung von weltlicher Behörde mit der Kirche verstanden
haben will.“175
Eigentliche Gottesdienste finden im Rahmen von Bundesratsausflügen nicht statt. Der
bis anhin einzige Anlass, bei dem vom Bundesrat eine gottesdienstähnliche Handlung
vorgenommen wurde, stammt aus der jüngeren Vergangenheit, genauer gesagt vom
Ausflug 2004 in den Kanton Freiburg, über den berichtet wird: „Den Auftakt des zweiten Tages des bundesrätlichen Jahresausflugs bildete eine Andacht in der Kirche des
Klosters Fille-Dieu bei Romont, mit anschliessendem Frühstück gemeinsam mit den
dortigen Klosterfrauen.“176 Eine ebenfalls eher aussergewöhnlich intensive Programmgestaltung in Bezug auf das Thema Religion brachte der Ausflug des Jahres 1998, bei
dem die bundesrätliche Ausflugsgesellschaft die Nacht im Kloster Santa Maria del Bigorio verbrachte.177 Die beiden letzten Beispiele zeigen, dass die Intensität der religiösen Programmpunkte in der jüngeren Vergangenheit eher zugenommen hat. Dies wohl
auch deshalb, weil die konfessionellen Unterschiede in der schweizerischen Gesellschaft an Bedeutung verloren haben und somit beispielsweise eine Übernachtung der
Landesregierung in einem Kloster keinerlei Problem mehr darzustellen scheint.
173
Information aus persönlichem Gespräch mit alt Vizekanzler Achille Casanova.
Der Bundesrat besucht das Münstertal, in: Neue Zürcher Zeitung, 30. Juni 1955.
175
„A glatti Bandi“ im Kloster Disentis, in: Bündner Zeitung, 29. Juni 1984.
176
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. Juli 2004.
177
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. Juli 1998.
174
65
Das Element der religiösen Programmpunkte ist nicht zu unterschätzen. Zwar sind diese
selten Teil der medialen Berichterstattung, aber der grösste Teil der Ausflüge sah einen
Programmpunkt vor, der in einer Art und Weise mit dem Thema Religion zu tun hatte,
auch wenn es sich bloss um die Besichtigung einer nicht mehr bewohnten Klosteranlage
handelte. Mit diesen Besuchen und Besichtigungen wird den religiösen Institutionen
von Seiten der Landesregierung die Referenz erwiesen. Bei den berücksichtigten Institutionen handelt es sich jedoch ausschliesslich um solche der beiden christlichen Konfessionen. Nichtchristliche Institutionen waren bis anhin nie Teil des bundesrätlichen
Ausflugsprogramms.
3.3.5.6. Firmenbesuche
Anlässlich des Ausfluges 1961 in die französischsprachigen Gebiete des Kantons Bern,
kam es erstmals zum Besuch privatwirtschaftlicher Unternehmen. Im Tal von St-Imier
besuchte der Bundesrat am zweiten Ausflugstag mehrer Firmen der in der Region weit
verbreiteten Uhrenindustrie. In der Folge fanden solche Besuche und Besichtigungen
bei Unternehmen unterschiedlichster Grösse regelmässig, aber nicht jedes Jahr statt.
Dieser Miteinbezug von Besichtigungen von Privatunternehmen in das Ausflugsprogramm ab 1961 war aber insofern für den Bundesrat nicht etwas völlig Neues, als dass
anlässlich der Ministerkonferenzausflüge der 1950er Jahre der Besuch von Firmen
schon mehrfach vorgekommen war. So fand beispielsweise ein Besuch bei Nestlé in
Vevey im Jahr 1959 oder der Besuch von Uhrenfirmen in La Chaux-de-Fonds im Jahre
1955 statt.178 Mit dem Einbezug von Besichtigungen von Unternehmen der Privatwirtschaft ab 1961 wurde diese bereits anlässlich von Ministerkonferenzausflügen praktizierte Form der Programmgestaltung im Rahmen der Bundesratsausflüge eingeführt.
Meist beinhaltet so ein Besuch eine kurze Werksbesichtigung sowie ein Zusammentreffen und einen Meinungsaustausch mit den Firmenverantwortlichen. Ein Beispiel liefert
der Besuch der Firma Emmi im Jahre 2002, über welchen die Homepage der Firma folgendermassen zu berichten weiss: „Die Damen und Herren Bundesräte wurden in Emmen feierlich mit Alphornmusik empfangen und mit Emmi-Produkten verwöhnt. Hauptteil des Besuchs war ein Gespräch über die Pläne von Emmi bezüglich Börsengang, den
Grossausbau im Käsegeschäft sowie die Besichtigung der modernen Produktionsanlagen.“179
178
Bundesarchiv E 2800 (-), Akzession 1967/61, Bd. 66, Aktenzeichen 22, mehrere Aktenstücke zur Programmgestaltung der Ministerkonferenzsausflüge der Jahre 1959 und 1955.
179
<http://www.emmi.ch/index/aktuell-archiv-ix/aktuell-archiv/aktuell-archiv-2002/aktuell-archiv20021213.htm>, 24. August 2005.
66
In den allermeisten Fällen handelt es sich bei den besuchten Privatunternehmen um solche des industriellen Sektors. Oft besucht wurden Betriebe der Uhren-, Maschinen-, Lebensmittel- und chemischen Industrie. In der jüngeren Vergangenheit kam es zudem des
öfteren zu Besuchen bei Hochtechnologiefirmen der elektrotechnischen-, der Informatik- und der Biotechnikbranche. Anlässlich von Firmenbesuchen wurde von Seiten der
Bundesräte regelmässig die Bedeutung der Unternehmen für die Schweiz hervorgestrichen, wie dies in folgendem Ausschnitt eines Verdankungsbriefs an die Firma BrownBoveri in Baden aus dem Jahre 1963 beispielhaft zum Ausdruck kommt: „Möge es Ihrer
Firma beschieden sein, weiterhin eine erfolgreiche Tätigkeit im Interesse unserer
Volkswirtschaft zu des friedlichen technischen Fortschrittes der Menschheit zu entfalten.“180 Oft liegt es auch an der politischer Herkunft des Bundespräsidenten, ob Firmen
der Privatwirtschaft Berücksichtigung im Ausflugsprogramm finden. Bundespräsidenten, die der Wirtschaft nahe stehen, setzen meistens die Besichtigung einer Privatunternehmung auf das Programm.
3.3.5.7. Armee, Polizei, Grenzwacht:
In der oben erwähnten Logik der Inspektionsreisen anzusiedeln, sind auch die Besichtigungen von Anlagen und Verbänden des Militärs, der Grenzwacht und, zu einem gewissen Grade auch, der Polizeikräfte. Wobei letztere nicht dem Bund unterstehen und
der Bundesrat somit keine Oberaufsichtskompetenz hat. Beim Thema Militär müssen
zwei Aspekte voneinander getrennt betrachtet werden: Das Eine ist die Armee, deren
Anlangen und deren Personal während dem Bundesratsausflug besichtigt beziehungsweise besucht wurden. Das Andere sind die militärischen Dienstleistungen zugunsten
des Bundesratsausfluges in den Bereichen Transport und Logistik.
Der Bundesratsausflug beinhaltete gelegentlich die Besichtigung von militärischen Anlagen oder das Beiwohnen von kleineren militärischen Manövern. Die Bedeutung dieser
der Armee und der Landesverteidigung gewidmeten Programmgestaltung hat sich im
Laufe der Jahre gewandelt. Tendenziell kann eine Abnahme der militärischen Programmpunkte während der letzten fünfzig Jahre festgestellt werden. In den späten
1950er und frühen 1960er Jahren wurden regelmässig Anlagen der Streitkräfte besichtigt, 1957 beispielsweise die Flugzeugkavernen in Turtman im Kanton Wallis181 und
180
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Kopie von Dankesbrief von Vizekanzler an den Verwaltungsrat der Firma Brown Boveri & Cie vom 5. Juli 1963.
181
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, internes Programm Bundesratsausflug vom 4.-6. Juli 1957.
67
1959 die Festungsanlagen in St-Maurice.182 Der Ausflug 1961 in die französischsprachigen Regionen des Kantons Bern war stark geprägt durch die Besichtigung des eben
neu entstandenen Waffenplatzes in Bure; sie nahm damals nahezu einen halben Tag in
Anspruch.183 Bereits zu Beginn der 1970er Jahre nahm die Regelmässigkeit der militärischen Programmpunkte ab. Es waren in der Folge meist nur noch die Vorsteher des
Verteidigungsdepartements, welche als Bundespräsidenten militärische Programmpunkte einfliessen liessen. So war es in den Jahren 1971 und 1976 Rudolf Gnägi184 und 1980
Georges-André Chevallaz185, die militärischen Themen einen Platz im Ausflugsprogramm verschafften. Bis in die Gegenwart treten militärische Programmpunkte alle paar
Jahre als Teil der Programmgestaltung auf, dabei unterliegt es auch der Prioritätensetzung eines Bundespräsidenten, inwieweit militärische Programmpunkte miteinbezogen
werden. So verzichteten die sozialdemokratischen Bundesräte in den allermeisten Fällen
auf militärische Besichtigungen und gaben so einer eher armeekritischen Haltung Ausdruck.
Im Unterschied zu den militärischen Programmpunkten sind die Leistungen, welche die
Armee zur Unterstützung des Bundesratsausfluges erbringt, über die letzten fünfzig Jahre mindestens konstant geblieben, beziehungsweise es kann sogar von einer gewissen
Intensivierung diesbezüglich gesprochen werden. 1960 wurde der Bundesrat zum ersten
Mal anlässlich eines Bundesratsausfluges von der schweizerischen Luftwaffe transportiert. Es handelte sich damals um einen Flug von Bern-Belp nach Mollis, im Kanton
Glarus.186 In den folgenden Jahren wurden solche militärischen Lufttransfers zu einem
festen Bestandteil der meisten Bundesratsausflüge. Diese wurden meist mit Helikoptern
durchgeführt, zuerst mit solchen des Typs Alouette, ab den 1990er Jahren mit solchen
des Typs Superpuma. Neben Flugtransporten gehörte beispielsweise auch eine durch
Armeepontoniere geführte Reussfahrt auf Weidlingen im Jahre 1966187 zu den Transportdienstleistungen der Armee. Seit dem Jahre 1995 besteht zudem eine intensivierte
Mitarbeit des Verteidigungsdepartements. Es war Verteidigungsminister und Bundespräsident Kaspar Villiger, der die Logistikbasis der Armee in die Organisation des Bundesratsausflugs mit einbezog. Diese Mitarbeit wurde in der Folge beibehalten, so dass
182
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, diverse Akten zum Bundesratsausflug vom 29./30. Juni 1959.
183
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, internes Programm Bundesratsausflug vom 10./11. Juli 1961.
184
Der Bundesrat ist auf seiner traditionellen „zweitägigen“ unterwegs, in: Der Bund, 29. Juni 1971.
Pressecommunique vom 5./6. Juli 1976.
185
Pressecommunique vom 7./8. Juli 1980.
186
Der Bundesrat auf Reisen, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. Juli 1960.
187
Der Besuch des Bundesrates in Aargau, in: Neue Zürcher Zeitung, 6. Juli 1966.
68
heutzutage ein grosser Teil der Organisationsarbeit, die zuvor bei der Bundeskanzlei
lag, durch einen Mitarbeiter der Logistikbasis der Armee erledigt wird. Auf diese Weise
kann dieses militärische Know-how in die Ausflugsorganisation eingebracht werden.188
Festzuhalten ist, dass sich die Rolle der Armee im Kontext des Bundesratsausflugs dahingehend verändert hat, dass sich die Armee von einem wichtigen Programmpunkt des
Ausfluges immer mehr zu einem Dienstleistungserbringer für denselben gewandelt hat.
So sind es nicht mehr militärische Anlagen oder Manöver, die als Programmpunkte
fungieren, sondern es ist die logistische Hintergrundarbeit, welche von Seiten der Armee in den Bundesratsausflug einfliesst.
Neben den oben erwähnten Beiträgen der Armee, gelangen auch die Institutionen von
Grenzwacht, Polizei oder Rettungsflugwacht, ab und an in den Genuss, durch den Bundesratsausflug berücksichtigt zu werden. Insbesondere die Vorsteher des Finanzdepartements, welches auch den Zoll- und Grenzschutz mit einschliesst, pflegten diese Institutionen, in ihrer Ausflugsgestaltung zu berücksichtigen, so geschehen beispielsweise in
den Jahren 1988 und 1994 durch Bundespräsident Otto Stich.189
Polizeieinheiten stellten, ähnlich wie die Armee, gelegentlich Transportdienstleistungen
zur Verfügung. Beispielsweise übernahm die Seepolizei des Kantons Neuenburg die
Fahrt per Motorboot von Le Landeron, durch den Zihlkanal, über den Neuenburgersee
nach St-Aubin anlässlich des Ausfluges im Jahre 1975.190
3.3.5.8. Landwirtschaft
Viele Programmpunkte der Bundesratsausflüge standen seit jeher, und stehen immer
noch, unter dem Aspekt der Landwirtschaft. Wobei sich in dieser Betrachtung die
Landwirtschaft nicht in der reinen Produktion von landwirtschaftlichen Gütern erschöpft, denn in sehr naher Beziehung zur Landwirtschaft standen auch immer Themenbereiche wie das bäuerliche Handwerk und das ländliche Brauchtum. Landwirtschaftliche Programmpunkte waren somit auch oft eine Referenz an die ländlichbäuerliche Kultur. Diese Präsenz der Landwirtschaft und der sie umgebenden Inhalte
hat sich in der dargestellten Periode stark verändert.
So war beispielweise der Ausflug im Jahre 1966 in den Kanton Aargau noch geprägt
von Besichtigungen von stark technisierten und rationellen Landwirtschaftbetrieben
sowie der Präsentation von entsprechenden Verfahren. Es wurden unter anderem Mus188
Information aus Gespräch mit Frau alt Vizekanzlerin Muralt und Herrn Mathys (Stab Chef Logistikbasis
der Armee).
189
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 30. Juni 1988 und 30. Juni 1994.
190
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 7. Juli 1975.
69
tersiedlungen der bäuerlichen Innenkolonisation, ein neuartiges Turmgewächshaus oder
der stark technisierte, landwirtschaftliche Musterbetrieb des Industriellen Suhner besichtig.191 Die Auswahl dieser Programmpunkte zeugt von einer zu jener Zeit forcierten,
rationellen, stark technisierten Landwirtschaft. Diese Fokussierung veränderte sich aber
relativ schnell. Deshalb verlagerte sich das bundesrätliche Interesse auf andere Bereiche
der Landwirtschaft. Mittlerweile spielen etwa die bäuerlichen Ausbildungsstätten eine
wichtige Rolle in der Programmgestaltung der Bundesratsausflüge und werden dementsprechend auch oft besucht. Weiter ist auch der Fokus auf die biologische Landwirtschaft verstärkt worden. Ein beliebter Programmpunkt sind zudem kleinere Mahlzeiten,
oder auch Hauptmahlzeiten, auf einem Bauernhof. Diese Bewirtungsfunktion spielt ab
den 1990er Jahren eine immer stärker werdende Rolle. Insbesondere die so genannten
„Buurezmorge“192 sind in den letzten Jahren schon fast zu einem regelmässigen Bestanteil des Bundesratsausflugs geworden. Dieses ausgiebige Frühstück wird dabei oft unter
Miteinbezug der örtlichen Bevölkerung, nicht selten in rustikaler Umgebung, in einer
Scheune oder Stallung eingenommen.193
Diese eher modernen Aspekte der Landwirtschaft, wie die Bewirtung oder die Zuwendung zum biologischem Landbau, kontrastieren stark mit einer bis in die Gegenwart
stark gepflegten Referenz an das traditionell ländlich-bäuerliche Brauchtum. Der Auftritt von Trachtenmädchen, Jodlern und Alphornbläser ist eine Konstante, zumindest
derjenigen Ausflüge, die nicht explizit urbane Gebiete berücksichtigen. Dieser Rückgriff auf eine Ästhetik der Hirtenkultur ist dahingehend zu verstehen, dass diese ab dem
19. Jahrhundert als Nationalkultur der Schweiz verstanden wurde.194 Wobei es der Programmgestaltung des jeweiligen Bundespräsidenten unterliegt, wie stark dieses volkstümliche Element gepflegt wird. Bundespräsident Ogi beispielsweise hat diesem Aspekt
in den zwei von ihm angeführten Ausflügen relativ viel Programmzeit gewidmet. So
standen 1993 und 2000 jeweils bäuerliche Volksfeste auf dem Ausflugsprogramm.195 In
diesem Phänomen der Betonung der bäuerlich-ländlichen Kultur geht der Themenbereich der Landwirtschaft eine enge Beziehung ein mit dem Thema des nächsten Kapitels, der Kultur.
191
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, verschiedene Aktenstücke
zur Organisation des Bundesratsausfluges des Jahres 1966 in den Kanton Aargau.
192
Die Durchführung von so genannten Buurezmorge dient unter anderem auch der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ihre Wählerschaft an sich zu binden. Auch hat sich im Laufe der 1990er Jahren der so genannte
Brunch auf dem Bauernhof als eine landesweit vielbesuchte 1.-August-Tradition etabliert.
193
So geschehen anlässlich des Ausflugs im Präsidialjahr von Adolf Ogi im Jahre 2000 auf einem Bauernhof
in Kappelen bei Lyss (Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 7. Juli 2000).
194
Risi, Alltag und Fest, 22.
195
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 1./2. Juli 1993 und 7. Juli 2000.
70
3.3.5.9. Kultur
Kulturelle Veranstaltungen sind ein fixer Bestanteil jedes Bundesratsausfluges. Dabei
sind Veranstaltungen und Darbietungen in den Sparten Musik, Gesang, Theater, Oper,
Tanz, darstellende Kunst und Literatur zu betrachtet. Dieses, relativ weit gefasste Thema umfasst verschiedenste Phänomene. Auftritte von Musikgesellschaften und Gesangsvereinen sind Programmpunkte, die fast bei jedem Bundesratsausflug geboten
wurden. Eher selten organisiert, wird das Zusammentreffen mit Künstlern, wie das beispielsweise im Jahre 1998 der Fall war, als der Bundesrat vom Bildhauer Ivo Soldini in
dessen Atelier empfangen wurde.196
Was auffällt ist, dass sehr oft folkloristische Darbietungen bei Anlässen geboten werden, welche die Bundesräte mit der Bevölkerung verbringen. So sind die Volksaperos
meist untermalt von folkloristischen oder populären Musikdarbietungen. Demgegenüber
findet der Besuch von klassischen Konzerten oder Gemäldeausstellungen meist im kleinen, nur die bundesrätliche Ausflugsgesellschaft umfassenden Rahmen statt. Es ist
demnach eine gewisse Aufteilung der kulturellen Veranstaltungen auszumachen: Zum
einen in Veranstaltungen einer eher volksnahen Kultur, die geboten werden, wenn sich
die Landesregierung im Kontakt mit der Bevölkerung befindet und die Presse zugegen
ist, zum anderen in Veranstaltungen, die eher einer hochstehenden Kultur zuzurechnen
sind und dementsprechend im kleinen Rahmen genossen werden.
Es sind die erwähnten volksfestartigen Programmteile, bei denen es oft zu kulturellen
Darbietungen kommt, die von Vereinen vorgetragen werden. Die Vereine sind dabei vor
allem im Bereich Musik, Gesang, Tanz oder sonstigem Brauchtum aktiv. Insofern ist
dieser Miteinbezug der Vereine, bei explizit volkstümlichen Programmpunkten, wohl
auch als Bekenntnis zu werten, dass es sich bei den Vereinen nicht nur um Träger und
Stützen der schweizerischen Gesellschaft, sondern oft auch als Bewahrer von Tradition
und Brauchtum handelt. In den 1960er Jahren ist es Brauch, dass der Bundesrat solche
Vereine mit kleinen Geldbeträgen beschenkt und sich so erkenntlich zeigt für die Darbietungen der Vereine. In jüngerer Zeit wird die unentgeltliche, oder durch Dritte gesponserte Darbietung als Geschenk an die Landesregierung verstanden.
Im Jahre 2001 hat Bundespräsident Moritz Leuenberger seinen Ausflug explizit im Zeichen der Kultur gestaltet. So bestanden die Programmpunkte dieses Ausfluges im Kanton Zürich unter anderem aus einem Orgelkonzert, dem Besuch einer Gemäldegalerie,
dem Besuch einer Theatergeneralprobe, einer Besichtigung der Oper, einer Kabarettvor196
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. Juli 1998.
71
führung sowie einer Darbietung des TonArt Orchesters.197 Diese Wahl eines der urbanen Kultur gewidmeten Programms durch Moritz Leuenberger stellt eine Ausnahme dar
und ist als eine bewusste Akzentsetzung von Seiten dieses Bundespräsidenten zu verstehen.
3.3.5.10. Bildungsinstitutionen
Schon seit Anbeginn der Bundesratsausflugstradition ist der Besuch von Bildungs- und
Forschungsinstitutionen ein oft miteinbezogener Programmpunkt. Prominent vertreten
waren dabei Hochschulen, technische Forschungs- und Bildungsinstitute wie das CERN
bei Genf im Jahre 1962,198 Institute der ETH Zürich im Jahre 1968199, das Technikum in
Rapperswil200 oder ein Reaktorforschungsinstitut in Würenlingen im Jahre 1982.201
Ebenfalls gut besucht wurden Schulen, die eine Spezialausbildung anbieten wie etwa
die Hotelfachschule in Lausanne, die im Jahre 1980 besucht wurde202 oder verschiedene
Landwirtschaftsschulen, die ebenfalls sehr gerne ins Besuchsprogramm aufgenommen
wurden.
Ab den 1990er Jahren ist es vermehrt vorgekommen, dass auch Besuche in Grundschulen und Gymnasien zu Programmpunkten wurden, damit auch Kinder und Jugendliche
die Aufmerksamkeit der Landesregierung geniessen konnten. Der erste solche Besuch
führte Bundespräsident Ogi an eine Gesamtschule in Ladholz, im Berner Oberland.203
Bei solchen Schulbesuchen wurden auch direkte Kontakte mit Jugendlichen hergestellt,
wie das 1997 im Gymnasium des Ortes Appenzell geschah. Von dieser Begebenheit
heisst es: „Nach einem herzlichen Empfang ... traf sich jedes Mitglied der Landesregierung mir einer Klasse. Die Jugendlichen hatten Gelegenheit, Fragen zur politischen
Aktualität zu stellen. Bei diesem Gedankenaustausch entwickelten sich lebhafte Diskussionen, von denen beide Seiten profitieren konnten.“204
3.3.5.11. Soziale Institutionen
Erst relativ spät fanden auch Besuche bei sozialen Institutionen Eingang in das Programm des Bundesratsauflugs. Das erste Mal, dass eine Bundespräsident eine soziale
Institution besuchte, war 1983 der Ausflug unter der Leitung von Bundespräsident Pi197
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 4./5. Juli 2001.
Fahrt des Bundesrates in die Westschweiz, in: Neue Zürcher Zeitung, 3. Juli 1962.
199
Der Bundesrat im Kanton Zürich, in: Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 1968.
200
Der Bundesrat im Kanton Zürich, in: Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 1974.
201
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. Juli 1982.
202
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 8. Juli 1980.
203
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. Juli 1993.
204
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 27. Juni 1997.
198
72
erre Aubert. Dabei besuchten die Magistraten ein Kinderheim und nahmen mit den Kindern und ihren Betreuungspersonen das Mittagessen an einer Feuerstelle ein.205 1994
führte Bundespräsident Otto Stich den Ausflug in ein Alterszentrum206 und Bundespräsident Kaspar Villiger, ein Jahr darauf, in ein Behindertenheim.207 Im Jahre 1999 brachte Bundespräsidentin Ruth Dreifuss das Kollegium im Kanton Genf in Kontakt mit arbeitslosen Menschen, die in der Vereinigung „Le bateau“ mit dem Restaurieren eines
Schiffes eine Tätigkeit gefunden hatten.208 2002 besuchte Bundespräsident Kaspar Villiger und seine Bundesratskollegen die Strafanstalt Wauwilermoos und trafen dort mit
Sträflingen eines Wiedereingliederungsprojektes zusammen.209 Und 2004 wurde auf
dem von Bundespräsident Joseph Deiss geführten Ausflug eine geschützte Werkstatt
besucht.210 Die aufgeführten Besuchsereignisse blieben die einzigen, die sich mit der
Thematik von Menschen befassten, die eher am Rande der schweizerischen Gesellschaft
leben. Dennoch kann festgehalten werden, dass sich ab der Mitte der 1990er Jahre eine
Zunahme solcher Themen eingestellt hat. Es ist zu konstatieren, dass es neben dem
Freisinnigen Villiger, der in beiden Ausflügen soziale Institutionen berücksichtigte, und
dem Christdemokraten Deiss nicht unerwartet die sozialdemokratischen Bundespräsidenten Pierre Aubert, Otto Stich und Ruth Dreifuss waren, die sich der Thematik angenommen und in ihre jeweiligen Programme aufgenommen haben.
3.3.6. Motive der Programmgestaltung
Seit mindestens Anfang der 1980er Jahre sind den sechs Ratskollegen des Bundespräsidenten bis am Morgen des ersten Ausflugstages die genauen Ziele und Programmpunkte
unbekannt. Bundesrätin Ruth Metzler formulierte diese Situation wie folgt: „Für die
Bundesräte war es eine Fahrt ins Blaue, wir wussten nur, in welchen Kanton es geht.
Und aufgrund der Tenü- und Schuh-Vorgaben konnte man abschätzen, ob es eine Bergtour gab oder ob man sich hauptsächlich in urbaner Gegend aufhielt. Das definitive Reiseprogramm wurde immer erst am frühen Donnerstagmorgen bei der Besammlung verteilt.“211 Der originellen Gestaltung dieses, wie erwähnt, jeweils zu Beginn des Ausfluges verteilten Programmheftes wurde von den Bundespräsidenten in jüngerer Zeit immer grössere Bedeutung zugemessen, so liessen beispielsweise Adolf Ogi das Pro-
205
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 30. Juni 1983.
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 1. Juli 1994.
207
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 29. Juni 1995.
208
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 25. Juni 1999.
209
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 5. Juli 2002.
210
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. Juli 2004.
211
Metzler-Arnold, Grissini, 268.
206
73
gramm für den Bundesratsausflug 2000 auf ein Küchentuch drucken, Moritz Leuenberger den gesamten Ablauf des Ausfluges durch einen Comiczeichner zu einem Cartoon
verarbeiten oder Kaspar Villiger, als Vorsteher des Militärdepartements, 1995 das Programm in Form eines Dienstbüchleins verteilen.212 Diese individuelle Gestaltung des
Programmheftes ist als ein Ausdruck des Bundespräsidenten zu werten, dem Ausflug
eine zusätzliche persönliche Note verleihen zu wollen. Ganz allgemein ist festzustellen,
dass auch in der Gestaltung der Programmpunkte des Ausflugs als Ganzes, ab den frühen 1990er Jahren eine vermehrte In-Bezugsetzung zur Person des Bundespräsidenten
zu beobachten ist. Ein sehr gutes Beispiel war Bundespräsident Ogi, der die Programmpunkte und die besuchten Ortschaften seines Ausflugs im Jahre 1993 dergestalt wählte,
dass sie Stationen seines persönlichen biographischen Werdegangs darstellten. „Auf den
Pfaden seiner Jugend präsentierte Bundespräsident Adolf Ogi seinen Bundesratskollegen und seiner Bundesratskollegin, dem Bundeskanzler François Couchepin sowie dem
Vizekanzler und der Vizekanzlerin den Kanton Bern ins seiner natürlichen Schönheit
und seiner kulturellen Vielfalt.“213 So waren neben seiner Heimatgemeinde Kandersteg,
seinem Wohnort Fraubrunnen, der gleichzeitig die Heimatgemeinde seiner Frau ist,
auch La Neuveville, wo Bundesprsäsident Ogi in jungen Jahren, die Ecole supérieure de
commerce besucht hatte, Programmstationen des Ausfluges. Dieses Gestaltungselement, Stationen des eigenen persönlichen und politischen Werdeganges nachzugehen,
wurde auch von anderen Bundespräsidenten angewendet. Gerade das Aufsuchen von
ehemals besuchten Bildungsstätten ist ein oft gewählter Programmpunkt.214 Eine weitere Form, dem Ausflug eine persönliche Note zu geben, wählte Pierre Aubert, der seine
Kollegen bei den beiden von ihm organisierten Bundesratsausflügen in den Jahren 1983
und 1987 jeweils am zweiten Abend zu sich in sein persönliches Haus in Auvernier bei
Neuenburg zum Abendessen einlud. Diese, von Aubert praktizierten Einladungen des
Gesamtkollegiums in die eigenen vier Wände im Rahmen des Bundesratsausflugs blieb
eher die Ausnahme.
Der Waadtländer Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz liess sich in Bezug auf die Programmgestaltung des Bundesratsausfluges in seinem zweiten Präsidialjahr 1996 etwas,
bis dahin Unbekanntes, einfallen: Er widmete jedem seiner Mitreisenden, sprich seinen
Bundesratskollegen sowie den drei Vertretern der Bundeskanzlei, je einen Abschnitt des
zweitägigen Ausflugs und gestaltete den jeweiligen Abschnitt gemäss den Interessen
212
Thierry Meyer, Le bol d’air rituel du Conseil fédéral, in: Le Temps, 30 Juni 2005.
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 1. Juli 1993.
214
Beispiele dafür sind: Bundespräsident Hürlimann besuchte 1979 die Klosterschule Einsiedeln, Bundespräsident Koller 1997 die Kantonsschule in Appenzell.
213
74
und Vorlieben der jeweiligen Person. So war beispielsweise „Die erste Etappe in der
Bergwelt der Waadt ... für Bundesrat Adolf Ogi, den Vorsteher des eidgenössischen
Militärdepartements, vorgesehen.“215 Ein anderer, kultureller Teil mit Museumsbesuchen war Bundesrat Moritz Leuenberger gewidmet. In ähnlicher Weise wurden die anderen Ausflugsteilnehmer im Laufe der zwei Tage mit einem persönlichen Programmpunkt beglückt. Die von Jean-Pascal Delamuraz im Jahre 1996 gewählte Form der
Widmung einzelner Programmpunkte wurde in den Jahren darauf von keinem weiteren
Bundespräsidenten aufgenommen und blieb, bis in die Gegenwart, unwiederholt.
Die Programmgestaltung der Bundesratsausflüge bezieht sich fast ausschliesslich auf
nationale Themen, nur äusserst selten greift der Bundesratsausflug Themen auf, die über
die Schweiz hinausgehen. Bei dem von Bundespräsident Moritz Leuenberger im Jahre
2001 unter dem Zeichen der Kultur organisierten Ausflug wurde ein Programmpunkt
eingebaut, der sich thematisch mit der Einbettung, der Schweiz in einen grösseren internationalen Rahmen befasste. Auf dem Friedhof Fluntern, in Zürich, besuchten die Magistraten die Gräber der beiden in Zürich verstorbenen und auf besagtem Friedhof begrabenen Schriftsteller James Joyce und Elias Canetti.216 An Canettis Grab liess Bundespräsident Moritz Leuenberger den Zürcher Literaturprofessor Peter von Matt217 eine
kurze Rede halten, in der dieser die grosse Bedeutung der internationalen Kulturschaffenden für Zürich und die Schweiz mit den Worten zum Ausdruck brachte: „Canetti und
Joyce gehören zur Schweiz. Sie gehören zur kulturellen Wirklichkeit dieses Landes. Sie
sind aber nicht unser Besitz. Die Kultur der Schweiz ist kein Museum, sondern ein dynamischer Raum. Die Kultur der Schweiz ist ein Labor der Begegnungen, der unerwarteten Reaktionen, der unberechenbaren Zündungen ... so ziehen immer wieder grosse
Geister wie Canetti und Joyce durch diese Stadt, durch dieses Land. Sie machen hier
Station, bleiben oder ziehen weiter. Sie gehören uns nicht und gehören doch zu uns. Sie
verwandeln die Stadt und das ganze Land in einen dynamischen Raum, in eine Heimat
mit offenen Fenstern und kräftigem Durchzug.“218 Die Wahl eines Programmpunktes,
215
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 27. Juni 1996.
James Joyce, 1882 in Dublin geboren, lebte bereits während dem 1. Weltkrieg für ein paar Jahre in Zürich
und kam nach der Besetzung Frankreichs 1940 nach Zürich, wo er 1941 starb. (Brockhaus, die Enzyklopädie).
Elias Canetti, 1905 in Rustschuk in Bulgarien geboren, verbrachte schon Teile seiner Kindheit in Zürich,
welches später neben London zu seinem zweiten Wohnsitz wurde und wo er 1994 starb. Elias Canetti wurde
1981 für sein Werk der Literaturnobelpreis verliehen. (Brockhaus, die Enzyklopädie).
217
Peter von Matt; 1937 in Luzern geboren, war von 1976 bis 2002 Professor für Neuere Deutsche Literatur
an der Universität Zürich. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt,
der Akademie der Wissenschaften in Berlin und der Sächsischen Akademie der Künste.
218
v. Matt, Verehrung Luftgeister, 273f.
216
75
der sich dem Thema Ausländer in der Schweiz widmete, blieb bis in die Gegenwart unwiederholt.219
Nicht selten gestalteten die Bundespräsidenten das Programm des von ihnen organisierten Ausfluges in der Form, dass Themen oder Institutionen aus ihrem Departement vorgestellt oder besucht wurden. Bundesrat und Finanzminister Otto Stich war dabei besonders eifrig, seinen Kollegen die verschiedenen Tätigkeitsbereiche des eigenen Departements näher zu bringen. So zeigte Stich in seinem ersten Präsidialjahr 1988 seinen
Kollegen in Delsberg das Lager der Eidgenössischen Alkoholverwaltung und liess an
der schweizerisch-französischen Grenze beim solothurnischen Kleinlützel, einen Augenschein nehmen bei der Arbeit der Grenz- und Zollwacht.220 1994, im zweiten Jahr
als Bundespräsident, führte Otto Stich die Reisegesellschaft zum Areal der SEGA, der
Schweizerischen Effekten Giro AG, in Olten, wo Wertpapiere mit Milliardenwert aufbewahrt werden. Und später, während dieses Ausflugstages, führte Stich seine Kollegen
noch in die Zollschule in Liestal. Mit diesen Programmpunkten, auf den Ausflügen der
Jahre 1988 und 1994, präsentierte Bundespräsident Stich seinen Regierungskollegen
weniger bekannte Tätigkeitsfelder aus seinem Finanzdepartement. Diese von Stich gewählte Programmgestaltung hat auch den Anspruch, eine informative Funktion zu übernehmen und seine Kollegen auf die verschiedenen Arbeitsfelder des Finanzdepartements hinzuweisen.221 Wie beim Thema Armee schon dargestellt, waren es auch öfter
die Verteidigungsminister, die durch die Aufnahme militärischer Programmpunkte eine
thematische Beziehung zwischen dem eigenen Departement und der Ausflugsgestaltung
herstellten.
Es lässt sich festhalten, dass die Programmgestaltung des Bundesratsausflugs a priori
immer eine persönliche, eine durch den Bundespräsidenten vorgenommene ist. Sei es,
dass der Bundespräsident Aspekte der Arbeit in seinem Departement einbringt, politisch-ideologische Akzente setzt oder dass er persönliche Inhalte einbringt. Die bewusste Gestaltung des Ausflugsprogramms hat in den letzten fünfzehn Jahren zugenommen.
3.3.7. Bundesratsausflug und Politik
Der Bundesratsausflug hat unter anderem den Zweck, der Landesregierung für zwei Tage Abstand von den politischen Geschäften in Bern zu gewähren. Das wird dadurch
versucht zu bewerkstelligen, dass der Ausflug von konkreter Politik so weit als möglich
frei gehalten wird. So sind die Treffen mit kantonalen und kommunalen Behörden auch
219
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 4./5. Juli 2001.
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 30. Juni 1988.
221
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 30. Juni 1994.
220
76
deutlich als inoffizielle Treffen deklariert, kennen keine Traktandenliste und verfolgen
keinen geschäftlichen Zweck. Dies bedeutet hingegen nicht, dass es nicht auch während
dieser informellen Gespräche zu Erläuterungen beispielsweise regionaler Probleme
kommen kann.
Dieses Fernhalten der Politik vom Bundesratsausflug gelang jedoch nicht immer. Es
gab einige Ereignisse, die offenbarten, dass es sich bei der Ausflugsgesellschaft um die
Landesregierung handelte. So sah sich die Landesregierung, während des Ausflugs im
Jahre 1995 mit einer Demonstration und der Übergabe einer Petition konfrontiert, die
von der Luzerner Sektion des Verkehrs-Clubs der Schweiz sowie Politikern der Grünen
und der SP angeregt worden war. In dieser Petition wurde der Bundesrat gebeten, auf
seinen Entscheid zurückzukommen und auf den Autobahnen rings um Luzern wieder
Tempo 80 zu diktieren. Die Übergabe dieser Petition verlief trotz zusätzlicher Ansprachen von Petitionären und Gegnern der Petition in gesittetem Rahmen und rief, ausser
einer Verspätung im Zeitplan, keine weiteren Unannehmlichkeiten hervor. „Bundespräsident Villiger machte gute Miene zum Ganzen und meinte: ,Ich freue mich, dass es in
diesem Land möglich ist, den Unmut über einen Entscheid, mit dem man nicht einverstanden ist, dem Bundesrat so direkt kundzutun.’ Irgendwelche Versprechen machte er
jedoch nicht.“222 Neben dieser Übergabe einer Petition kam es bis anhin kaum zu grösseren Manifestationen. Eine Ausnahme ereignete sich während des Bundesratsausflugs
2005. Anlässlich eines Volksaperos wurden in St-Imier von Anhängern der separatistischen Jugendorganisation Béliers verunglimpfende Sprechchören skandiert und Transparente vorgezeigt. Diese kleine Demonstration richtete sich in erster Linie gegen die
Person von Bundesrat Christoph Blocher. Interessant ist, dass diese Episode einer kleinen Demonstration während des Bundesratsausflugs in den grossen Zeitungen des Landes keine Erwähnung fand.223
Ausser diesen erwähnten Ereignissen im Verlauf des Ausfluges gab es auch aussenpolitische Ereignisse, die den Bundesrat während seines zweitägigen Ausflugs zurück ins
tagespolitische Geschehen zwangen. So sah sich das bundesrätliche Kollegium am 27.
Juni 1985 veranlasst, in Quinten am Walensee eine ausserordentliche Sitzung einzuberufen, bei der es um Ereignisse im Libanon ging. Der Bundesrat musste dabei auf die
Anfrage des libanesischen Justizministers reagieren, der die Schweiz angefragt hatte, ob
sie kurzfristig bereit wäre, in ihrer Botschaft in Beirut, 39 amerikanische Geiseln aufzunehmen, die wenige Tage zuvor aus einer TWA-Maschine auf dem Beiruter Flughafen
222
223
Schulreise mit Tempo 80, in: Luzerner Neuste Nachrichten, 30 Juni 1995.
Information aus Gespräch mit Herrn alt Vizekanzler Casanova.
77
entführt worden waren. Das aus dieser Sitzung resultierende Pressecommunique der
Bundeskanzlei lautete: „’Die Schweiz ist bereit, die Geiseln in ihrer Botschaft in Beirut
aufzunehmen, jedoch nur wenn keine Bedingungen gestellt werden und sie die Zusicherung erhält, dass es ihr freisteht, die betroffenen Personen in die Schweiz oder an einen
anderen Ort zu bringen und sie freizulassen’“224
Ebenfalls ein politisches Intermezzo erlebte der von Bundesrat Adolf Ogi angeführte
Bundesratsausflug im Sommer 1993: „Während seiner zweitägigen Schulreise musste
der Bundesrat am ersten Abend in Kandersteg eine kurze Sitzung abhalten, um eine
weitere Lagebeurteilung in der Angelegenheit der türkischen Botschaft vorzunehmen.“225 Bei dieser Angelegenheit handelte es sich um die Folgen der Erschiessung eines kurdischen Demonstranten, anlässlich einer tumultartigen Kundgebung vor der türkischen Botschaft in Bern, am 24. Juni 1993. Nach Abklärungen ging die Polizei davon
aus, dass die tödlichen Schüsse vom türkischen Botschaftspersonal abgegeben wurden.
Das diplomatisch-juristische Nachspiel um die genaue Aufklärung des Hergangs dauerte mehrere Tage und verlangte, wie gezeigt, auch eine kurze Sitzung der Landesregierung während des zweitägigen Ausflugs im Kanton Bern.226
Diese beiden Beispiele aus den Jahren 1985 und 1993 zeigen, dass die Landesregierung
im Stande war, auch während ihrer Erholungsfahrt kurzfristig auf politische Ereignisse
zu reagieren und die nötigen Entscheidungen zu treffen. Somit kann festgehalten werden, dass die Handlungsfähigkeit der Schweizer Regierung auch während des Bundesratsausflugs jederzeit gewährleistet zu sein scheint. Jedenfalls ist kein Fall dokumentiert, bei dem die Landesregierung durch ihren sommerlichen Ausflug eine gewichtige
Amtshandlung oder ein erfordertes Einschreiten unterlassen hätte.
Im Jahre 2003 hat der Bundesrat von sich aus während des Bundesratsausflugs ein kurzes politisches Gespräch angeregt und so hielt er am Morgen des zweiten Tages, im Hotel Riffelalp in Zermatt, eine kurze informelle Sitzung zum Thema Europäische Union.
„Dabei diskutierte er den Stand der bilateralen Verhandlungen mit der Europäischen
Union (EU) und aktualisierte die Position, die Bundespräsident Pascal Couchepin am
kommenden Montag, 7. Juli 2003 in Rom der italienischen EU-Präsidentschaft darlegen
wird.“227 Dieses, eher ungewöhnliche Vorgehen ist darauf zurückzuführen, dass dringend zu behandelnde Fragen offen gestanden hatten, die nach der vorangegangenen
Bundesratssitzung noch ungeklärt geblieben waren.
224
Bereitschaft der Schweiz zur Aufnahme der Geiseln in Beirut, in: Neue Zürcher Zeitung, 28. Juni 1985.
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 2. Juli 1993.
226
Schauplatz Schweiz der Kurdendemonstrationen, in: Neue Zürcher Zeitung, 25. Juni 1993.
227
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 4. Juli 2003.
225
78
Festzuhalten bleibt, dass trotz des in erster Linie der Erholung gewidmeten Charakters
des Bundesratsausfluges, dieser kein vollkommen von Politik freier Raum ist, dass sowohl in den Treffen mit kantonalen und kommunalen Behörden wie auch innerhalb des
Kollegiums politische Gespräche vorkommen, und dass die Landesregierung auch während ihrem sommerlichen Ausflug im Stande ist, auf unvorhergesehene politische Ereignisse zu reagieren.
3.3.8. Kosten, Finanzierung
Eine oft gestellte Frage ist diejenige nach den Kosten eines bundesrätlichen Ausfluges
sowie die Frage, wer genau diese Kosten trägt. Speziell die Medien haben die Frage
nach den Ausgaben anlässlich des Bundesratsausfluges gelegentlich thematisiert. In besonderer Weise geschah dies im Anschluss, an den Ausflug im Jahre 1980. Am 7./8. Juli des besagten Jahres führte der damalige Bundespräsident Georges-André Chevallaz
seine Bundesratskollegen in seine Heimat, den Kanton Waadt. Um seinen Kollegen alle
Facetten dieses grossen Kantons präsentieren zu können, wurden am ersten Tag des
Ausflugs die Dienste mehrerer Alouette-Helikopter der Schweizer Armee in Anspruch
genommen. Diese gelangten für den Transfer der Landesregierung von Bern ins Waadtland sowie zur Überführung vom Vallé de Joux, im Jura, ins Pays d’Enhaut zum Einsatz. Zudem stand am Dienstag, dem zweiten Tag des Ausflugs, ein Mittagessen bei
dem für seine teure Küche bekannten Gourmetkoch Freddy Girardet in Cressier bei
Lausanne, auf dem Programm. Diese beiden Programmpunkte, die Helikopterflüge sowie das Mittagessen in einem Gourmetrestaurant bei einem international bekannten
Starkoch, waren die Gründe, welche den Bundesratsausflug des Jahres 1980 für einige
Tage zum Thema in den Medien werden liessen. Es war die Lausanner Zeitung Le Matin, welche in einer groben Schätzung für den zweitägigen Ausflug die Kosten von 1200
Franken pro Person errechnete und diese Zahl mit Entrüstung als Luxusausgabe kommentierte.228 Die Kritik an den vermeintlich hohen Kosten des Bundesratsausfluges kam
grösstenteils aus den Medien der französischen Schweiz.229 Angesichts dieser Kritik sah
sich der Bundesrat gezwungen, sich kurz darauf zu erklären und informierte in einer
Medienkonferenz detailliert über die Kosten des vorangegangenen Ausflugs. So liess er
verkünden, die Helikopterflüge seien im Rahmen von Übungsflügen der Luftwaffe vorgenommen worden, deren Kosten über das Verteidigungsbudget abgerechnet würden.
Zu den Kosten des Mittagessens hiess es, diese seien weit tiefer ausgefallen, als dies in
228
229
Nos sept sages en course d’école, in: Tribune-Le Matin, 8. Juli 1980.
Bundesratsessen für unter 50 Fr., in: Tagwacht, 11. Juli 1980.
79
den Medien kolportiert worden sei. Diese Rechtfertigung der Landesregierung führte in
den Deutschschweizer Medien zu ironischen Kommentaren. Hans Rudolf Böckli in der
Basellandschaftlichen Zeitung meinte beispielsweise: „Aber den Vogel schiesst wohl
der Umstand ab, dass der Bundesrat an einer Sitzung wertvollste Zeit dafür aufwendet,
sich für solche Eskapaden fast zerknirscht öffentlich zu entschuldigen. Denn eine kurze
Überlegung zeigt, dass dieser unverhältnismässige Aufwand an gequälten Public Relations effektiv mehr gekostet haben muss, als die kritisierte Ausgabe selbst. Eine Regierung, die sich einen solchen Luxus an Albernheit und Empfindlichkeit leisten kann, ist
um das Ausmass ihrer staatsmännischen Sorgen wirklich zu beneiden. Die Schweiz ist
immer noch ein glückliches Land, solange sie sich solche Kabarettnummern im Bundesratszimmer leisten kann!“230
Die Polemik um die Helikopterflüge während des Bundesratsausfluges 1980 ist insofern
nur schwer verständlich, als dass auch für die Ausflüge in den Jahren zuvor von den
bundesrätlichen Ausflüglern regelmässig militärische Helikopterflüge in Anspruch genommen wurden. Es handelte sich somit, bei den per Armeehelikopter unternommenen
Verschiebungen keineswegs um ein Novum des besagten Ausfluges im Jahre 1980. Es
ist deshalb davon auszugehen, dass es sich bei der besagten Medienkampagne in erster
Linie um ein durch die waadtländische Presse bewusst zur Polemik gewähltes Thema
handelte. Das Thema dieser welschen Medienpolemik war aber wohl nicht zufällig gewählt in der Schweiz, mit ihrer spartanischen politischen Repräsentationstradition, hält
die Öffentlichkeit grundsätzlich ein waches Auge auf die Ausgaben der Regierung. Interessant ist auch, wie sich der Bundesrat geflissentlich, verpflichtet fühlte, über die Ausgaben Rechenschaft abzulegen.
Von dieser Episode aus dem Jahre 1980 weiter zu allgemeineren Betrachtungen über
die Finanzierung des Bundesratsausfluges: Über die Kosten des Bundesratsausfluges ist
die Landesregierung der Öffentlichkeit von Gesetzes wegen grundsätzlich keine Rechenschaft schuldig. In der Finanzrechnung des Bundes existiert eine generelle Rubrik
„Auslagen des Bundesrates“, über die Veranstaltungen wie der Bundesratsausflug verbucht werden. Diese Rubrik wird von der Finanzverwaltung betreut und untersteht der
Kontrolle der Finanzkommission des Parlaments.231 Dass diese Kontrolle funktioniert,
zeigte eine wenig bekannte Episode anlässlich der Reise im Jahre 1972, bei der Bundespräsident Celio Wein auftischen liess, dessen Preis deutlich mehr als einhundert
Franken pro Flasche betrug. Der später erfolgten Reklamation der Finanzkontrolle be230
Hans Rudolf Böckli, Bundesrätliches Kabarett, in: Basellandschaftliche Zeitung, 11. Juli 1980.
E-Mail-Information von Hansruedi Moser (Chef Information und Kommunikation der Bundeskanzlei)
vom 14. August 2005.
231
80
gegnete Celio dadurch dass er die Auslagen für den besagten Wein aus dem eigenem
Sack berappte.232
In jüngerer Vergangenheit hat es sich eingebürgert, dass bei der Organisation des Ausfluges darauf geachtet wird, dass der bundesrätlichen Ausflugsgesellschaft, sei es durch
Gemeinden, Firmen oder Private, Programmpunkte als Geschenk offeriert werden, um
so das Ausflugsbudget zu entlasten. Ein Beispiel dafür findet sich in nachfolgendem
Ausschnitt eines internen Schreibens der Bundeskanzlei aus dem Jahre 1986: „Für die
Fahrt von Vitznau nach Freibergen bzw. Rigi-Kaltbad haben wir provisorisch den
Dampfzug reserviert. Wie bereits früher erwähnt, hat sich Herr Direktor Werner Willi
bereit erklärt, diese Fahrt dem Bundesrat zu offerieren. Die Gemeindebehörden von
Vitznau und Weggis haben sich bereit erklärt, den Apéritif auf Freibergen zu offerieren.“233 Trotz dieser offerierten Dienstleitungen verbleibt ein Teil der Kosten beim
Bundesrat und wird über den erwähnte Posten „Auslagen des Bundesrates“ beglichen.
Beispiele konkreter Zahlen zu den Kosten von Bundesratsausflügen sind nur sehr spärlich verfügbar und unterliegen, zum Teil, den Sperrfristen der Archive. Aus der Frühphase der Bundesratsausflüge, im Jahre 1960, ist folgende Zusammenstellung von gewissen Ausgaben erhalten:
„-Rechnung Hotel Krone Andermatt (Uebernachten und Frühstück) (Zahlung durch
Postmandat) Fr. 121.80
-Rechnung Dr. F. Weber für Trinkgelder und Auslagen (Harmoniemusik Näfels, Harmoniemusik Bad Ragaz, Dorfmusik Andermatt, Personal Hotel Quellenhof und Grandhotel Hof Ragaz, Erfrischung auf Bernhardin Hospiz) Fr. 410
531.80 Total dieser Rechnung, d. V.“234
Die tiefen Kosten für die Übernachtung in Andermatt sowie das Nichtvorhandensein einer Hotelrechnung für die Übernachtung in Bad Ragaz deuten darauf hin, dass wohl
auch beim Zustandekommen dieser Kosten ein starkes Entgegenkommen von Seiten der
Wirte vorgelegen hatte. Es ist somit davon auszugehen, dass schon damals ein grosser
Teil der Kosten des Ausflugs nicht von der Landesregierung übernommen wurde, sondern dieser als Geschenk erlassen wurde.
232
Information aus Gespräch mit alt Vizekanzler Achille Casanova.
Bundesarchiv, E 1010 (C), Akzession 1996/219, Bd. 57, Aktenzeichen 336, Bericht zu organisatorischen
Fragen des Bundesratsausfluges von Staatskanzlei des Kantons Luzern vom 15. Juli 1986.
234
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Auszug aus dem Protokoll der
Sitzung des Schweizerischen Bundesrates vom 14. Juli 1960 betreffend Orientierungsreise des Bundesrates
in die Ost-, Süd-, und Zentralschweiz.
233
81
3.3.9. Der Bundesratsausflug - ein Medienereignis
Damit der Bundesratsausflug von einem kollegiumsinternen Ereignis, zu einem von der
nationalen Öffentlichkeit wahrgenommene Anlass wird, bedarf es der medialen Berichterstattung in Wort und Bild. Ab den 1960er Jahren entdeckten die Medien das Potential des Bundesratsausflugs. Insbesondere Photographen stellten ab dieser Zeit der
bundesrätlichen Ausflugsgesellschaft auf der Suche nach Schnappschüssen nach. Dass
dieses Interesse der Medien beim Bundesrat anfangs nicht auf Begeisterung stiess, davon zeugen folgende Auszüge aus Schreiben der internen Ausflugorganisation der Jahre
1966 und 1967: „Im Hinblick auf die Reporterphotographen bitte ich zu überlegen, wie
man verhindern kann, dass sie uns stören und zu sehr lästig fallen. ... Da wir über eine
motorisierte Patrouille der Kantonspolizei unter Adj. Hofmann verfügen, sollte es nicht
zu schwer sein, Ordnung zu halten.“235 Und im Jahr darauf: „Die Polizeipatrouille sorgt
dafür, dass wir flüssig vorwärts kommen. Sie begleitet uns über Münster-Fiesch bis Betten. Sie sorgt dafür, dass wir nicht übermässig von Photographen und Autogrammjägern
belästigt werden und dass uns in Betten die Photographen nicht mir der nächsten Kabine
der Luftseilbahn nachfahren. Auf Riederalp möchten wir ganz für uns sein! ... Sollten
uns Photographen in Grimentz entdecken, so dürfen sie bei der Ankunft einige Aufnahmen machen, dann ist es aber Schluss. Auf Riederalp wollen wir, wie gesagt von
Photographen verschont bleiben.“236 Die Beziehung zwischen den Pressephotographen
und der bundesrätlichen Ausflugsgesellschaft schien zu dieser Zeit recht angespannt zu
sein, die Landesregierung sah durch die Medienleute ihre Privatsphäre verletzt. Auf der
Gegenseite wurde hingegen darauf beharrt, den Ausflug der Landesregierung in Bildern
festhalten zu können. Daraus resultierte, von Seiten der Landesregierung, ein Bestreben
hin zu vermehrter Geheimhaltung des Ausflugsprogramms. Diese Geheimhaltung konnte jedoch kaum eingehalten werden. Dazu die leicht ironische Bemerkung, einer Emmentaler Lokalzeitung aus dem Jahre 1971: „Das ‚Schulreislein’ dient zum gemütlichen
Zusammensein und deshalb wird dieses Schulreislein wie die ‚geheimste Staatssache’
gehandhabt. Der Bundesrat will in diesen zwei Tagen für sich sein, will privat unter sich
diese Tage geniessen. So haben wir uns vor der Reise strikte an die Parole gehalten
‚Bitte nicht weitersagen, der Bundesrat ist im oberen Emmental’“237 Im Laufe der
235
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Brief von Vizekanzler Weber an Herrn Ernst Haller, Pflanzenkulturen in Brugg, vom 27. Juni 1966.
236
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Brief von Vizekanzler Weber an Norbert Roten, Staatsschreiber des Kantons Wallis, vom 28. Juni 1967 betreffend Organisation Orientierungsreise.
237
Hanspeter Lebrument, Bitte nicht weitersagen: Bundesrat im Oberemmental, in: Emmenthaler Blatt, 29.
Juni 1971.
82
1970er Jahre entschärfte sich dieser Konflikt und die Landesregierung und die Medienschaffenden fanden Wege, beiderseitige Interessen zu erfüllen und Kompromisse zwischen den Forderungen der Einhaltung der Privatsphäre einerseits, und der Möglichkeit
der Berichterstattung andererseits, zu finden. Dies wurde dadurch gelöst, dass zweimal
pro Ausflugstag ein Programmpunkt eingeplant wurde, bei dem die Medienschaffenden
explizit eingeladen wurden, Fotos und Fernsehbilder zu machen. Die Direktive der
Bundeskanzlei dazu lautete fortan folgendermassen: „Auch dieses Jahr haben die BildJournalisten die Möglichkeit, bei einigen Phototerminen Aufnahmen zu machen. Andererseits bitten wir darum, den Bundesrat in der übrigen Zeit seinen Ausflug allein geniessen zu lassen.“238 Diese Medientermine sind meist so gestaltet, dass sie es den Medienschaffende erlauben, interessante, unterhaltsame und einprägsame Bilder zu machen. Beispiele solcher für die mediale Berichterstattung äusserst dankbaren Pressebilder sind jene, welche die Bundesräte im Jahre 1995 beim Verrichten traditioneller
Handwerksberufe239 oder bei der Überquerung der Saane in Freiburg im Jahre 2004240
zeigen. Die meisten Medienschaffenden halten sich heute an diese Medientermine und
respektieren das Bedürfnis der Bundesräte, für die restliche Zeit des Ausfluges unter
sich zu bleiben. In der dargestellten Phase der 1960er Jahre mag das Medieninteresse,
für die Bundesräte noch ein Ärgernis dargestellt haben, später hat sich jedoch auch eine
gewisse Selbstdarstellung einiger Bundesräte eingespielt und die Bundesräte scheinen
die mediale Aufmerksamkeit auch zu geniessen. Ein Bundesratsausflug ohne mediale
Berichterstattung wäre in der Gegenwart nicht mehr denkbar. Seit der Einführung der
Volksaperos tritt zuweilen das Problem auf, dass gewisse Medienleute, speziell von Regionalmedien, die Volksaperos als Fragestunden missbrauchen und so den eigentlichen
Zweck der Aperos, der darin besteht, den Bürgern den Kontakt zu den Magistraten zu
ermöglichen, hintertreiben.241
In Bezug auf das Thema Presse und Medienberichterstattung gilt es festzuhalten, dass
erst die mediale Verbreitung, den Ausflug zu einem für die Öffentlichkeit wahrnehmbaren Anlass machte. Ohne diese Berichterstattung würde neben der Ausflugsgesellschaft
bloss die Bevölkerung der besuchten Gebiete vom Anlass Kenntnis nehmen. Wie gesagt, sind die Berichterstattungen der Bildmedien meist auf Programmpunkte beschränkt zu denen sie gemäss den Abmachungen explizit eingeladen sind. Dank den relativ ausführlichen Pressecommuniques der Bundeskanzlei, ist die Presse und somit
238
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 14. Oktober 1992.
.Bundesräte als Goldwäscher, in: Neue Zürcher Zeitung, 29. Juni 1995.
240
In Gummistiefeln über den Röstigraben, in: Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 2004.
241
Information aus E-Mail Kontakt mit Bundesrat Leuenberger vom 24. Oktober 2005.
239
83
auch die Öffentlichkeit aber auch über die Inhalte der nicht direkt durch die Medien begleiteten Programmpunkte informiert. Ein grosser Teil seiner Bedeutung erlangt der
Bundesratsausflug erst dadurch, dass er ein von grossen Teilen der Bevölkerung wahrgenommener Anlass ist.
3.3.10. Verdankung
Ein wichtiger Aspekt, und die letzte formale Handlung jedes Bundesratsausfluges, ist
die Verdankung im Namen des Gesamtbundesrates. Dabei geht es darum, den Aufenthalt bei Kantonen, Gemeinden sowie den besuchten Institutionen und Betrieben zu verdanken. Weiter werden die erhaltenen Geschenke sowie jede einzelne Darbietung und
Dienstleistung, welche die bundesrätliche Ausflugsgesellschaft während den zwei Tagen genossen hat, verdankt. Diese Verdankungen geschehen in der Regel mittels eines
persönlichen Verdankungsbriefes, der vom Bundespräsidenten unterschrieben ist. Solche Verdankungsbriefe gehen neben den Behörden von Kantonen und Gemeinden auch
an Musikgesellschaften, Transportunternehmen, Gaststätten, Firmen, Armeeeinheiten242, Helikopterpiloten, Schulklassen243 und viele mehr. Heutzutage ergeben dies pro
Bundesratsausflug ca. 60-70 Verdankungsbriefe, die in der Regel bereits am Montag
nach dem Bundesratsausflug abgeschickt werden.244 Charakteristisch für diese Verdankungen ist die Tatsache, dass wenn möglich jede Person, oder zumindest jede Personengruppe, die in irgendeiner Weise zum Gelingen des Ausfluges beigetragen hat, in
den Verdankungsschreiben erwähnt wird. Das in die Verdankung Miteinbeziehen von
möglichst vielen Beteiligten zeigt sich gut im folgenden Ausschnitt aus einem in Versform gehaltenen Verdankungsschreiben an die Betreiber der Lötschbergstrecke aus dem
Jahre 1967:
„... die Stewardess hat’s gut gemacht!
Auch war des Zuges Personal
qualitativ ganz maximal.
Zugführer sehr korrekt, doch heiter,
der richt’ge Bundesratsbegleiter;
der Lokiführer immerzu
ein Bild von Sicherheit und Ruh’;
242
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Dankesbrief von Vizekanzler an Oberst J. Menn, Schulkommandant der Genietruppen Bremgarten, vom 25. Juli 1966.
243
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Dankesbrief von Landammann
und Regierungsrat des Kantons Uri an den Bundesrat vom 29. Oktober 1964.
244
Information aus Gespräch mit Frau alt Vizekanzlerin Muralt und Herrn Mathys (Stab Chef Logistikbasis
der Armee).
84
doch auch die Fahrplanstrategen,
die funktionieren überlegen,
und all’ die Dienste auf der Strecke,
sie halfen mit zum gleichen Zwecke, ...“245
Aus den 1960er Jahren sind etliche Verdankungen dokumentiert, in denen der Bundesrat
kleine Bargeldgeschenke in der Höhe von ca. 100 bis 300 Franken beilegte. Davon zeugt
beispielsweise folgender Ausschnitt aus einem Verdankungsbrief an die Musikgesellschaft
Beinwil am See, die anlässlich des Bundesratsausfluges 1966 eine musikalische Darbietung geboten hatte: „Die nette Ueberraschung sic, die Sie dem Bundesrat mit Ihrem
Ständchen am Landungssteg geboten haben, wobei wir besonders auch des Bonvinmarsches gedenken, ist ebenfalls unvergessen. Wir danken Ihnen für Ihre liebenswürdige
Aufmerksamkeit und legen diesem Brief eine kleine Weihnachtsgabe in Form einer Note
bei, weil wir wissen, dass es für gute Musik auch Noten braucht.“246 In späteren Jahren
wurde diese Praxis der Geldgeschenke auch aus Gründen der Finanzknappheit aufgegeben
und wird heute nicht mehr praktiziert.
Das Verdankungsschreiben dient auch dazu, dem Empfänger seine Teilhaftigkeit an
Staat und Nation zu bestätigen. Insbesondere die Grussformeln sind dabei wichtige
Elemente, die diese Verbundenheit verdeutlichen, wie dies die Grussformel aus einem
Verdankungsbrief an den Regierungsrat des Kanton Zürich zeigt: „... wir benützen
diesen Anlass, um Euch, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu
empfehlen.“247 Die Verdankungsschreiben sind der letzte Akt des In-Beziehung-Tretens
der Landesregierung mit den Menschen, Vereinen und Institutionen des besuchten Kantons. Sie sind ein Zeichen der Wertschätzung und ein Dank für die erfahrene Gastfreundschaft. Als solches sind sie ein nicht zu unterschätzendes Element des Ausflugs.
Nicht selten werden solchen, vom Bundespräsidenten unterschriebenen Verdankungsschreiben von den Empfängern grossen Wert beigemessen und mit Sorgfalt aufbewahrt.248
245
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Dankesbrief in Versform
von Vizekanzler F. Weber an die Direktion der Berner Alpenbahn-Gesellschaft vom 26. Juli 1967.
246
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Dankesbrief an die Musikgesellschaft Beinwil am See vom 6. Dezember 1966.
247
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Dankesschreiben von Bundeskanzlei an den Regierungsrat des Kantons Zürich vom 4. Juli 1968.
248
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, mehre Schriftstücke, die
von der fehlenden Unterschrift, Bundespräsident Schaffners, auf dem Verdankungsschreiben an den Unternehmer Suhner, handeln.
85
3.4. Längsschnitt
In diesem kurzen Kapitel soll der erste Teil der Arbeit zusammengefasst werden und ein
Längsschnitt von den dargestellten Vorläufertraditionen des Ministerkonferenzausflugs
bis in die Gegenwart gezogen werden. Auf diese Weise wird der Komponente der Veränderung im Laufe der Zeit, die im Hauptkapitel wegen der thematischen Gliederung
vernachlässigt wurde Rechnung getragen.
Der Aspekt der zeitlichen Dauer des Ausfluges hat sich wie folgt entwickelt: Der Ministerkonferenzausflug entwickelte sich ab 1946 von einer halbtägigen zu einer eintägigen
Veranstaltung. Die sich neu entwickelnde, Bundesratsausflüge der 1950er Jahre wechselten zwischen dreitägiger zweitägiger und eintägiger Dauer. Ab 1961 fand sich die
zweitägige Form, die bis heute beibehalten wurde. Innerhalb dieser zwei Tage kam es
zu einer kontinuierliche Verdichtung des Programms, und die zwei Tage werden mittlerweile auf das Äusserste ausgenutzt, so dass heutzutage der Beginn des Ausfluges, am
ersten Tag, jeweils auf sieben Uhr morgens angesetzt wird.249
Der weitere Ausbau der Diplomatie nach 1945, unter Aussenminister Petitpierre, führte
zu einer starken Zunahme des diplomatischen Korps der Schweiz. Gleichzeitig nahm
auch die Bedeutung der Ministerkonferenz zu, und dementsprechend entwickelte sich
der Ministerkonferenzausflug zu einem grösseren und unpersönlicheren Ereignis. Rein
räumlich hatte sich der Ministerkonferenzausflug bis zum 2. Weltkrieg in erster Linie
im Mittelland und im Voralpengebiet bewegt. Die Anfänge des Bundesratsausfluges ab
1950 brachten demgegenüber eine starke Hinwendung zum hochalpinen Raum des
Landes. Diese Hinwendung war auch durch die thematische Programmgestaltung bedingt, die in diesem ersten Jahrzehnt, neben dem zweimaligen Aufsuchen des Nationalparks, stark durch den Besuch von Infrastrukturbaustellen, insbesondere von Kraftwerken und Strassen, geprägt war. Zusammen mit dem Besuch von Militäranlagen wies
somit der Bundesratsausflug zu dieser Zeit den Charakter einer Inspektionsfahrt bundeseigener Projekte und Institutionen auf, und die Orientierungsfunktion des Ausflugs
wurde in den Vordergrund gestellt. Zwar haben die Ausflüge dieses Jahrzehnts, zwischen 1950 und 1960 bereits auch andere Programmpunkte aufgewiesen, diese blieben
jedoch eher am Rande. Somit kann in dieser Epoche von einer monothematischen Programmgestaltung gesprochen werden.
Ab den frühen 1960er Jahren findet eine kontinuierliche Diversifizierung des Programms statt. Der Besuch von Privatunternehmen und der Besuch von kulturellen Veranstaltungen, Programmpunkte, die während den 1950er Jahren beim parallel stattfin249
Informationen aus Gespräch mit alt Vizekanzler Achille Casanova.
86
denden Ministerkonferenzausflug250 bereits Teil des Programms waren, finden auch
Einlass ins Ausflugsprogramm des Bundesratsausfluges. Somit findet ab diesem Zeitpunkt eine Tendenz weg von der monothematischen, hin zu einer polythematischen
Ausflugsgestaltung statt. Ab den 1960er Jahren erkannten die Medien das Potential des
Ausfluges, insbesondere die Photographen stellen in diesen Jahren ein gewisses Problem dar, weil sie der Ausflugsgesellschaft in zum Teil als störend empfundener Manier
nachstellen. Dementsprechend früh kam auch von Seiten der Bundesräte der Wunsch,
den Ausflug so ungestört wie möglich durchführen zu können. So heisst es im Jahr 1971
beispielsweise: „Im Gegensatz zu früheren Jahren wünschten die Herren keine grosse
Publizität, um einmal ganz schlicht und einfach unter sich zu sein und zusammen einige
Dinge anzusehen, welche fürs Regieren von Nutzen sein können.“251 Später schwächt
sich dieses Problem ab, das Interesse der Medien wurde von den Bundesräten akzeptiert
und es spielte sich eine gegenseitige Rücksichtnahme ein.252 Dieses Medieninteresse
machte aus dem kleinen, internen Ereignis Bundesratsausflug ein Medienereignis, das
mittels Bildmedien, und später auch Fernsehbildern, die breite Öffentlichkeit daran teilhaben liess.
Die beiden Ausflüge der Jahre 1969 und 1970 brachten bundesratsintern noch einmal
eine Diskussion um die Form des Ausfluges auf. Das Nichtbefolgen der Bundespräsidentenregel in den zweiten Präsidialjahren der Bundesräte von Moos und Tschudi stellten die Dauer und die Form des Ausfluges in Frage. Dies waren jedoch die letzten Diskussionen in Bezug auf die Rahmenbedingungen, seither herrscht bis in die Gegenwart
eine sehr grosse Konstanz in Bezug auf diese formellen Aspekte. Nachdem das Programm ab den 1960er Jahren die oben erwähnte Diversifizierung hin zu einer polythematischen Gestaltung erfahren hatte, blieb es lange Zeit sehr konstant. Eine Veränderung in Bezug auf die Programmgestaltung zeigte sich in den frühen 1990er Jahren.
Ganz allgemein kann gesagt werden, dass ab diesem Zeitpunkt der Ausflug persönlicher
wird. Dies in zweierlei Hinsicht: Zum einen findet mit den neu entstandenen Volksaperos eine neue Form der Interaktion mit der Bevölkerung statt. Eine Annäherung an die
Bevölkerung, die sich auch daran zeigt, dass bis anhin kaum berücksichtigte Bevölkerungsgruppen wie Schüler, Kranke und Arbeitslose, wenn auch spärlich, Aufnahme ins
Besuchsprogramm der Landesregierung fanden. Zum anderen wurde die Programmgestaltung dadurch persönlicher dass die Person des Bundespräsidenten sich vermehrt ein250
Bundesarchiv, E 2800 (-), Akzession 1967/ 61, Bd. 66, Aktenzeichen 22, Programm Ministerkonferenzausflug vom 10. September 1949, in welchem der Besuch der Kunstsammlung Reinhart vorgesehen ist.
251
Die Bundesräte am Thunersee, in: Thuner Tagblatt, 29. Juni 1971.
252
Information aus Gespräch mit alt Vizekanzler Achille Casanova.
87
brachte, es schien allgemein mehr origineller Gestaltungswille, den Ausflug zu einer Art
Visitenkarten zu machen und mit persönlichen und symbolischen Elementen zu bereichern, entstanden zu sein. Diese Tendenz ist wohl zu einem gewissen Grad auch auf die
Persönlichkeit der Bundespräsidenten jener Jahre zurückzuführen. Gerade Bundespräsidenten wie Adolf Ogi und Moritz Leuenberger pflegten die Bundesratsausflüge auf ihre
jeweils eigene Art zu gestalten. Diese Veränderung des Bundesratsausflugs, aus einer
Logik der Inspektionsreise hin zu einem Anlass, bei dem auch der Kontakt zur Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt, lässt sich gut folgendermassen dokumentieren: Im Jahre
1964 beschreibt die Bundeskanzlei dem Landammann des Kantons Uri den Sinn und
Zweck des Bundesratsausfluges folgendermassen: „Nun geht es dem Bundesrat bei seinen Orientierungsreisen in erster Linie darum, gewisse Einrichtungen der Eidgenossenschaft oder vom Bunde subventionierte oder kontrollierte Werke, Bauten und Anlagen
zu besichtigen, und sich vor allem etwas vom strengen Alltagsleben zu entspannen. Sie
werden daraus schon entnehmen können, dass es sich nicht darum handeln könnte, so
schön und sympathisch es wäre, in den einzelnen Kantonen der Innerschweiz grössere
offizielle Empfänge oder gar Volksfeste durchzuführen.“253 Ab den 1990er Jahren
kommt es hingegen gerade dazu, die Volksaperos, oft an zentraler Lage einer Gemeinde
abgehalten, mit Speiss, Trank und Musik umrahmt sowie der Besuch von Bauernfesten
wie die Schangnauerchilbi im Jahre 1993254 oder einer so genannten Appenzeller „Stobete“ 1997255 gaben den Rahmen genau dieser Art von Volksfesten, die noch dreissig
Jahr zuvor explizit nicht Programmpunkt des Bundesratsausfluges gewesen zu sein hatten.
Abschliessend soll das Interesse der Wandlung der Begrifflichkeit gehören, denn diese
Betrachtungsweise ergänzt das bisher Dargestellte. In den 1950er und 1960 Jahren ist
offiziell meist noch der Begriff Orientierungsreise256 oder Besichtigungsreise, Besuchsreise257, Informationstour258, zuweilen auch Inspektionsfahrt259 in Gebrauch. Diese Begriffe zeugen vom Charakter der Reise, bei dem offiziell die Orientierungsfunktion im
Vordergrund stand. Dies in der Logik, wonach die Bundesräte die durch den Bund finanzierten Projekte und die bundeseigenen Betriebe zu inspizieren hatten. Im internen
Gebrauch ist jedoch bereits im Jahre 1950 der wenig geschäftlich tönende Ausdruck
253
Bundesarchiv, E 1010 (A), Akzession 1973/88, Bd. 8, Aktenzeichen 206, Briefkopie von Bundeskanzlei
an den Landammann und Regierungsrat des Kantons Uri vom 3. April 1964.
254
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 1. Juli 1993.
255
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 27. Juni 1997.
256
Orientierungsreise des Bundesrates ins Wallis, in: Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 1957.
257
Der Bundesrat auf Reisen, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. Juli 1960.
258
Der Bundesrat im Jura, in: Neue Zürcher Zeitung, 11. Juli 1961.
259
Der Bundesrat auf Reisen, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 1960.
88
Bundesratsausflug aufgetreten.260 1959 ist in der NZZ ganz einfach von einem bundesrätlichen Ausflug die Rede. Schon bald aber kam auch der Begriff „traditioneller Sommerausflug“261 in Gebrauch, welcher zum einen die Etablierung als Tradition andeutete
und zum anderen darauf hinwies, dass dieser Ausflug auch einen erholsamen Charakter
hat. Diese begriffliche Uneinigkeit in den Anfangsjahren hängt wohl auch damit zusammen, dass sowohl bundesratsintern wie auch in den Medien der Charakter dieses
Ausfluges noch nicht restlos geklärt war. So gebraucht im Jahre 1961 die NZZ innerhalb weniger Zeilen die drei Begriffe: Traditioneller Sommerausflug, Orientierungsreise, Informationstour.262 1968 spricht die Zeitung Der Bund im Zusammenhang mit dem
Bundesratsausflug erstmals von einer „Schulreise“.263 Die Etablierung dieses Begriffs,
noch liebevoller in seiner Verkleinerungsform, „Schulreislein“264, zeugt vom Eingang
dieser Ausflugstradition in die Alltagssphäre. In den Pressemitteilungen der Bundeskanzlei ist bezüglich Terminologie ebenfalls keine Konstanz auszumachen. Bis und mit
dem Jahr 1999 wurde der Begriff Bundesratsausflug verwendet, ab dem Jahr 2000 ist
von Bundesratsreise die Rede.265
260
Bundesarchiv, E 1 (-), Akzession -/9001, Bd. 102, Aktenzeichen 597, Couvert mit Vermerk „Bundesratsausflug (Spöl)“.
261
Vor dem Sommerausflug des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 1961.
262
Vor dem Sommerausflug des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 1961.
263
Gespräch in der Gartenlaube - oder: Bundesräte auf „Schulreise“, in: Der Bund, 3. Juli 1968.
264
Hanspeter Lebrument, Bitte nicht weitersagen: Bundesrat im Oberemmental, in: Emmenthaler Blatt, 29.
Juni 1971.
265
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 7. Juli 2000.
89
4. Die Bedeutung des Bundesratsausfluges in Bezug auf die politische
Kultur der Schweiz
In diesem zweiten Hauptteil der Untersuchung, der sich um die Deutung des Phänomens
Bundesratsausflug in Bezug auf die politische Kultur der Schweiz bemüht, sollen auch
Elemente aus den Vorläufertraditionen und Paralleltraditionen in die Betrachtung miteinbezogen werden. Die vier im Einleitungskapitel vorgestellten Schlüsselbegriffe der
politischen Kultur der Schweiz: Kollegialität, Föderalismus, direkte Demokratie und
Konkordanz/Konsens sollen dabei als Aufhänger für jeweils ein Kapitel dieser Deutung
dienen, die sich in relativ freier Form vollziehen wird. Zur vertiefteren Darstellung der
hier vorgenommenen Deutung wird auch das eine oder andere Beispiel herangezogen
werden.
4.1. Untersuchungsthema Kollegialität: Die innerkollegiale Funktion des Bundesratsausfluges
Wie im Einleitungskapitel dargestellt, ist die schweizerische Landesregierung eine sogenannte Kollegialbehörde. Die Gleichwertigkeit der sieben Bundesräte wird durch den
jeweiligen Bundespräsidenten nur unwesentlich relativiert, da dieser durch sein Amt
ausser der Führung der wöchentlichen Bundesratsitzungen und einigen repräsentativen
Aufgaben keine weitergehende Führungsfunktion inne hat. Entscheide werden im Bundesrat durch Mehrheitsentscheide getroffen, wobei in der Regel weder die Sitzungsprotokolle noch das innerkollegiale Stimmverhalten publik werden. Eine vom Kollegium
getroffene Entscheidung wird von allen Mitgliedern mitgetragen. Diese Art der Entscheidungsfindung und Vermittlung kann bei den im politischen Ringen unterlegenen
Magistraten zuweilen zu Frustration führen, insbesondere wenn sich ein Bundesrat regelmässig von seinen Kollegen überstimmt sieht. Auch das so genannte Mitberichtsverfahren266, bei dem sich die Bundesräte zu Geschäften eines anderen äussern und sich
somit in einem gewissen Sinne in dessen Arbeit einmischen und gleichzeitig diese kontrollieren, ist ein Verfahren, welches das Potential hat, zu Verstimmungen innerhalb des
Kollegiums zu führen. Zusätzlich kommt erschwerend dazu, dass durch den von den
vier grossen Parteien FDP, CVP, SVP und SP seit 1959 durchgehend praktizierten freiwilligen Proporz unter dem Begriff der Konkordanz, jeweils Politiker aus vier verschiedenen Parteien in Bundesrat Einsitz haben. Die politische Herkunft, die Werte und
Weltanschauung unter den Bundesräten können somit recht disparat sein. Nicht selten
266
Linder, Schweizerische Demokratie, 230f.
90
treffen Politiker im Bundesrat aufeinander, die sich zuvor im Parlament als politische
Gegner gegenübergestanden haben. Das Fehlen einer institutionalisierten Hierarchie innerhalb des Kollegiums und das Hinzustossen neuer Mitglieder nach Ergänzungswahlen
führt dazu, dass sich eine solche Hierarchie immer wieder neu, in informeller Weise
einstellen muss, sei es durch Anciennität, Persönlichkeit oder dem politischen Rückhalt,
der in Parlament und Bevölkerung genossen wird. Dieses Ringen um den Platz innerhalb der Gruppe kann dem bundesrätlichen Kollegium eine weitere, nicht zu unterschätzende, destabilisierende Dynamik verleihen. Kommt dazu, dass ein langes Verbleiben
im Amt die Regel darstellt, gewisse Magistraten also während vieler Jahre miteinander
in einem Regierungskollegium sitzen, auf dessen Zusammensetzung sie keinen Einfluss
nehmen können. Dem bundesrätlichen Kollegium können somit Züge einer Schicksalsgemeinschaft zugesprochen werden.
Diese schweizerische Art der kollegialen Regierungsführung, wie sie im Bundesrat
praktiziert wird, bedarf somit einer relativ hohen Sozialkompetenz ihrer Mitglieder, da
das Austragen politischer Konflikte, bei gleichzeitiger Wahrung einer kollegialen Einheit, ein hohes Mass an Kompromissfähigkeit, Selbstbeherrschung und Willen an der
Aufrechterhaltung dieser Kollegialität mitzuarbeiten erfordert. Das Aufrechterhalten einer einigermassen stabilen und von Respekt geprägten innerkollegialen Atmosphäre ist
für diese Form von Behörde ungemein wichtig, da allzu schmutzig ausgetragene
Machtkämpfe und Ränkespiele eine negative Wirkung auf die Funktionsfähigkeit der
Regierung haben können. Dies ist umso bedeutsamer, als ein Scheitern der Regierung,
deren Auflösung und Neuwahlen im schweizerischen System nicht vorgesehen sind.
Das bundesrätliche Kollegium ist somit in einem gewissen Sinne zum Regieren verdammt, ist gezwungen in seiner Zusammensetzung auch nach harten politischen und
persönlichen Auseinandersetzungen weiter zu funktionieren.
Die Herausforderungen dieser Kollegialität und politische Konkordanz vereinigenden
Regierungsform sind wie dargestellt mannigfaltig. Es ist deshalb wichtig, dass sich in
der Agenda dieser Art von Regierungstätigkeit immer wieder Räume finden, in denen
ein Ausgleich stattfinden kann, dass Platz geschaffen und gefunden wird, um innerkollegiale Rituale zu pflegen, die dem Zusammenhalt der Landesregierung, der „innerkollegialen Psychohygiene“ und dem Spannungsabbau dienen und ein Klima von Vertrauen und Respekt schaffen, unabhängig von den politischen Differenzen, die zwischen
den Magistraten bestehen. Der Bundesrat, das heisst seine jeweiligen Mitglieder und die
Vertreter der Bundeskanzlei, hat im Laufe der Zeit verschiedene Formen entwickelt um
diese, durch die kollegiale Organisation der Regierungsbehörde bedingten Spannungen
91
auszugleichen und die Gruppe funktionsfähig, sprich regierungsfähig zu halten. Die Institution Bundesratsausflug kann neben anderen Anlässe und Institutionen als ein solches Ritual der Kollegialitätspflege betrachtet werden.
Die zwei Tage des Bundesratsauflug schaffen eine Auszeit von der politischen Arbeit in
Bern, was schon durch die geographische Verschiebung demonstriert wird. Auch die
gegenüber dem Arbeitsalltag legerere Kleidung ist ein Ausdruck dafür, dass es sich bei
den zwei Tagen um einen Kontrast zum Regierungsalltag handelt. So besteht die Möglichkeit, den Kollegen nicht mehr nur in seiner Funktion, beispielsweise als Finanzminister, wahrzunehmen, sondern als Wander- oder Jasskollege im Ausflugskontext zu erleben. Nicht die politische Arbeit und das Ringen um Lösungen stehen während den
zwei Tagen im Vordergrund, sondern ein entspannter Ausflug in der sommerlichen Natur und das Beisammensein bei Speis, Trank und Spiel. Dabei wird die Möglichkeit geschaffen, die Kollegen von einer anderen Seite als derjenigen des Regierungspolitikers
kennen zu lernen. Die zwei Tage des Ausflugs bieten eine Atmosphäre, in der persönliche Gespräche geführt werden können und in der man mehr über den jeweils Anderen
erfahren kann. Bundesrätin Ruth Metzler äusserte sich im Rückblick folgendermassen
über den Bundesratsausflug: „Beim Nachtessen waren jeweils die Mitglieder des Bundesrates, die Kanzlerin und die Vizekanzler unter sich; die Gespräche dauerten manchmal bis in die frühen Morgenstunden.“267 Gemeinsame positive Ausflugserlebnisse
schaffen eine Gruppenbiographie und können als Fundamente einer weiteren persönlichen Annäherung zwischen den Mitgliedern des Bundesrats dienen.
Auch das so genannte Weihnachtsessen, oder Altjahrsessen wie es in früheren Jahren
genannt wurde, ist in diesem Zusammenhang zu nennen, denn wie der Bundesratsausflug dient auch dieses dem geselligen Beisammensein im Bundesratskollegium, unter
Miteinbezug der Vertreter der Bundeskanzlei. Im Unterschied zum Bundesratsausflug
sind jedoch beim Weihnachtsessen die Lebenspartner der Bundesräte mit von der Partie.
Interessant festzustellen ist, dass die beiden Anlässe ziemlich genau ein halbes Jahr auseinander liegen. Der Bundesratsausflug findet Ende Juni/Anfang Juli vor den Sommerferien und in etwa in der Hälfte der Amtszeit des Bundespräsidenten statt, und das
Weihnachtsessen Ende Dezember vor den Festtagsferien und zum Abschluss der Amtszeit des Bundespräsidenten. So finden, gut verteilt über das politische Jahr, zwei für die
innerkollegiale Atmosphäre wichtige Anlässe statt. Wie beim Bundesratsausflug ist es
auch beim Weihnachtsessen der Bundespräsident, dem die Organisation des Anlasses
unterliegt und der durch seine Gestaltung eine persönliche Note einbringen kann, wie
267
Metzler-Arnold, Grissini, 268.
92
dies beispielsweise Bundespräsident Moritz Leuenberger mit seinem eigenhändigen
Zubereiten der Mahlzeit im Jahre 2001 getan hat.
Bundesrätliche Rituale, die den oben genannten insofern ähnlich sind, als dass sie innerhalb der geschäftlichen Abläufe der Regierungstätigkeit Freiräume des privaten Kontakts ermöglichen, gibt es einige weitere. Solche sind zum Beispiel auch die Kaffeepausen zwischen, und die gemeinsamen Mittagessen des Bundesrates nach den wöchentlichen Bundesratssitzungen. Auch diese dienen dazu, Abstand von rein geschäftlichen
Umgang zu nehmen und sich nach einer Sitzung wieder auf einer persönlicheren Ebene
begegnen zu können. Seinen Ausdruck findet diese Abgrenzung zwischen geschäftlichem und halbprivatem Kontakt auch darin, dass die Bundesräte sich während den geschäftlichen Sitzungen siezen und in den Pausen und nach den Sitzungen das umgänglichere Du pflegen. Es muss jedoch erwähnt werden, dass dieses Mittagessen im Anschluss an die Bundesratssitzung, im Gegensatz zum Bundesrausausflug und dem
Weihnachtsessen, einen weit weniger speziellen Charakter aufweist, vielmehr gehört es
zur Routine einer bundesrätlichen Arbeitswoche. Nichtsdestotrotz kann auch diesem
wöchentlichen gemeinsamen Essen eine kollegialitätspflegende Funktion zugesprochen
werden.268
Es lässt sich festhalten, dass es im Umgang innerhalb des bundesrätlichen Kollegiums
eine relativ strikte Abgrenzung der geschäftlichen Sphäre von einer Sphäre des privaten
Umgangs gibt. Die Institution Bundesratsausflug ist in dem Sinne klar der Sphäre des
privaten Umgangs zuzurechnen.
Im Zusammenhang mit dem Bundesratsausflug wird der Öffentlichkeit ins Bewusstsein
gebracht, dass auch die drei Mitglieder der Bundeskanzlei Teil des Regierungskollegiums sind und somit in die beschriebenen innerkollegialen Verhältnisse miteinbezogen
sind. Die Personen, welche die Ämter des Bundeskanzlers und der beiden Vizekanzler
bekleiden, sind in der Öffentlichkeit oft wenig bekannt und auch ihr Beitrag zum Regierungsgeschehen wird selten wahr genommen. Dabei ist gerade der gruppenbildende
Beitrag der Vertreter der Bundeskanzlei, zu deren Aufgaben es unter anderem gehört
die Koordinations- und Vermittlungsfunktionen zwischen den Departementen sowie der
Kommunikation gegen aussen wahrzunehmen, nicht zu unterschätzen. Im Zusammenhang mit dem Bundesratsausflug rücken die Personen, die das Amt des Bundeskanzlers
und der beiden Vizekanzler innehaben, ins Licht der Öffentlichkeit, es wird einem be-
268
Martin Beglinger, Ein bunter Haufen, in: Das Magazin (wöchentliche Beilage zum Tages Anzeiger), Nr.
28, 16.-22. Juli 2005, 24-28.
93
wusst, dass auch sie Teil der bundesrätlichen Gruppe sind und nicht unwesentlich zum
Funktionieren dieser beitragen.
Wie gesagt, dient der Bundesratsausflug auch dazu, eine Möglichkeit zu schaffen, dass
sich die Bundesräte auf einer persönlichen Ebene besser kennen lernen können. Eine
spezielle Rolle kommt dabei dem Bundespräsidenten zu. Durch die von ihm vorgenommene Programmgestaltung des Ausflugs nimmt er eine Art Präsentation seiner
Sicht auf den Heimatkanton vor. Dabei besteht für ihn die Möglichkeit, relativ viel von
sich als Person zu offenbaren. Wie erwähnt, hat sich diese Tendenz der persönlich gefärbten Programmgestaltung seit den frühen 1990er Jahren verstärkt; ab diesem Zeitpunkt wurden von den Bundespräsidenten häufiger explizit persönliche Inhalte in die
Programmgestaltung integriert. Erinnert sei hier an das Beispiel von Bundespräsident
Adolf Ogi, der das Ausflugsprogramm entlang von biographischen Stationen seiner Vita
konzipiert hatte. Dieses Preisgeben von Persönlichem ist ein interessantes Element dieses innerkollegialen Vorgangs der Vertrauensbildung. Es scheint im Kontext des bundesrätlichen Kollegiums ein Charakteristikum zu sein, dass ein persönlicher Umgang als
Voraussetzung für ein Funktionieren der Regierung angesehen wird und dementsprechend gepflegt wird.
Die Rolle des Bundespräsidenten innerhalb des Kollegiums ist eine spezielle, und hat
sich im Laufe der Geschichte des Schweizerischen Bundesstaates leicht verändert. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm der Bundespräsident eine deutlich
stärkere Stellung ein, mit der Übernahme des Präsidiums übernahm er damals auch jeweils das Politische Departement, das somit die Rolle eines Präsidialdepartementes einnahm.269 Auch war das Bundespräsidentschaftsamt den starken Persönlichkeiten im Rat
vorbehalten, die Usanz einer quasi automatischen Wahl zum Bundespräsidenten, nach
dem Anciennitätsprinzip, wurde noch nicht praktiziert. Der Bundesratsausflug, der für
den Bundespräsidenten die Möglichkeit der Repräsentation mit sich bringt, ist daher
auch als eine Art Surrogat für die fehlende politische Macht, die diesem Amt innewohnt, zu betrachten. Die Agenda gibt dem Bundespräsidenten die Möglichkeit, während seines Amtsjahres gewisse Auftritte nach seinem Gusto zu gestalten, sich in einem
gewissen Sinne einzubringen, sei es bei der von ihm gehaltenen Neujahrsansprache, bei
der Gestaltung des offiziellen Bundesratsphotos, beim Auftritt an eidgenössischen Anlässen oder, wie schon dargestellt, beim bundesratsinternen Weihnachtsessen und dem
Bundesrastausflug. Alle diese Handlungen beschränken sich jedoch darauf, eine leichte
Akzentsetzung vorzunehmen, diverse Themen in symbolischer Form einzubringen und
269
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 33.
94
eine gewisse Atmosphäre zu schaffen. In diesem Sinne erlangt der Bundespräsident in
seinem Amtsjahr eine gewisse symbolische Macht, aber keine konkrete politische
Macht. Mit dem jährlichen Wechsel des Bundespräsidenten wird diese Macht zudem in
relativ kurzen Intervallen zwischen den Bundesräten, und damit auch den Parteien und
Kantonen, herumgereicht. Mit diesem letzten Element wird auch schon auf den Aspekt
des nächsten Kapitels hingewiesen, auf denjenigen des Föderalismus.
95
4.2. Untersuchungsthema Föderalismus/Kleinräumigkeit:
4.2.1. Die Verwurzelung des Bundespräsidenten im kleinräumigen Heimatgemeinwesen
Ein ausgeprägter Föderalismus ist eine wesentliche Charaktereigenschaft des Schweizerischen Bundesstaates. Die 26 Gliedstaaten (20 Kantone und 6 Halbkantone) verfügen
über weitreichende Kompetenzen, unter anderem im Bildungs-, Gesundheits- und Polizeiwesen. Auch besitzen die Kantone die Steuerautonomie und können so eigene Steuern erheben. Der Kerngehalt des Föderalismusbegriffs, welcher der Amerikaner Duchacek, als „gesamtstaatliche Einheit bei grösstmöglicher Autonomie seiner Gliedstaaten“270 bezeichnet, ist für sich betrachtet, noch nichts spezifisch Schweizerisches. Föderalistisch organisierte Staaten sind keine Seltenheit, jedoch haben sich in der Schweiz
spezielle Prägungen des Föderalismus eingespielt. So spricht Linder im Zusammenhang
mit der geschichtlichen Entwicklung der schweizerischen Staatlichkeit von einer NichtZentralisierung.271 Das heisst, die Kompetenzen der Kantone wurden diesen nicht vom
Gesamtstaat zugewiesen, sondern die Kantone haben sie gar nie an einen übergeordneten Staat abgetreten, was zu der in der Schweiz verbreiteten Vorstellung führt, dass die
Kantone und nicht der Gesamtstaat als die tragenden Säulen des Staates zu betrachten
seien. Dementsprechend bleiben die Kantone, speziell in ländlichen Gebieten, wichtige
staatliche Referenzräume für breite Bevölkerungsschichten. Im Weiteren beinhaltet die
Tradition des schweizerischen Föderalismus auch den Gedanken, wonach zwischen den
Kantonen und Landesteilen eine Solidarität herrschen soll, die auf einen Ausgleich zwischen starken und schwachen, das heisst reicheren und ärmeren Regionen hinzielt. Ziel
soll es sein, Bedingungen zu schaffen, die es den Bürgern ermöglichen, in ihrer engeren
Heimat eine Existenzmöglichkeit zu finden. Somit steht in der Schweiz, anders als beispielsweise in den USA, wo eine ausgeprägte Konkurrenz zwischen den Teilstaaten
herrscht, der Ausgleich der unterschiedlichen Lebensbedingungen als Wohlfahrtsziel
des schweizerischen Föderalismus im Vordergrund. Eine Folge dieses auf dem Solidaritätsgedanken fussenden Föderalismus ist ein komplexes System von Transferzahlungen
unter den Kantonen.272
Dieser Föderalismus, die dezentrale Entwicklung der Industrialisierung sowie die Verschonung von kriegerischen Ereignissen sind Gründe dafür, dass in der Schweiz im internationalen Vergleich eine relativ schwache Binnenmigration zu verzeichnen war, und
das Verbleiben in der Heimatregion lange Zeit eine verhaltensbestimmende Wertvorstellung geblieben ist. Somit ist eine starke Verwurzelung der einheimischen Bevölke270
Linder, Schweizerische Demokratie, 135, zitiert: Duchacek, Comparative Federalism.
Linder, Schweizerische Demokratie, 136.
272
Linder, Schweizerische Demokratie, 137f.
271
96
rung in ihrem kleinräumigen Gemeinwesen zu beobachten, die sich nach der Terminologie von Hirschmann273 in der Form einer „Loyalty-Gemeinschaft der Sesshaften“ manifestiert. Ein Ausdruck dieser starken Verwurzelung in einer Gemeinde findet sich in
der, der Schweiz eigenen Institution des Heimatortes oder Bürgerortes.274 Die Tatsache,
dass ein Gemeindebürgerrecht die Voraussetzung für ein Bürgerrecht auf kantonaler
und nationaler Ebene darstellt, zeigt, als wie wichtig die Zuordnung jedes Individuums
in ein Kleinkollektiv bewertet wird. Weiter gestärkt und aufrechterhalten werden diese
Kleingemeinschaften durch ein weiteres Charakteristikum des Föderalismus schweizerischer Prägung, einer umfangreichen Gemeindeautonomie.275 Diese erlaubt den Gemeinden, einen relativ grossen Teil der anfallenden Aufgaben selbst zu gestalten, was
wiederum zu Gemeindetypen von sehr unterschiedlicher Grösse und Ausgestaltung
führt.276 Kreis fasst dies folgendermassen zusammen: „Die helvetische Vielfalt beruht
nicht so sehr auf individueller als auf kleinkollektiven, territorial verankerten Unterschieden und manifestiert sich als Phänomen der sozialen Kammerung. Die Vielfalt bildet, verbunden mit der Eigenständigkeit, unter dem Begriff des Föderalismus eine wichtige Kategorie im politischen Denken der Schweiz.“277 Dieses Zitat spricht noch einen
weiteren Punkt an, denjenigen nämlich, wonach der schweizerische Föderalismus mehr
als bloss Eigenständigkeit für die Teilkörperschaften beinhaltet. Es schliesst ebenso die
Möglichkeit der Vielfalt und Andersartigkeit mit ein.
In diesem Kontext eines kleinräumigen Föderalismus, gepaart mit einem historisch positiv bewerteten Hang zur Sesshaftigkeit, bewegt sich auch die Institution Bundesratsausflug. Die Bundespräsidentenregel, die seit 1961, abgesehen von den Jahren 1969
und 1970, die Ausflugsregion bestimmt, führt dazu, dass es am jeweiligen Bundespräsidenten liegt, das Kollegium in seinen Heimatkanton zu führen und den Regierungskollegen seine Herkunftsregion zu präsentieren. „... er zeige seinen Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat den Teil des Kantons Zürich, den er liebe, Dazu gehöre neben der
Stadt Zürich ganz klar auch Winterthur.“278 Dies meinte beispielsweise Moritz Leuenberger zu dem von ihm angeführten Ausflug des Jahres 2001. Durch die Anwendung
der Bundespräsidentenregel fällt das Augenmerk auf die Beziehung des Bundespräsidenten zu seinem Herkunftsgemeinwesen. Kommt hinzu, dass die mediale Verbreitung
273
Hirschman, Abwanderung und Widerspruch, 65-83.
Ein Ausdruck dieses Gemeindebürgerrechtes sind die bis heute in 20 Kantonen verbreiteten Bürgergemeinden, die parallel zu den Einwohnergemeinden bestehen und nur die Bevölkerung mit Gemeindebürgerrecht vereinigen. (Hugger, Hirtenidylle, 32).
275
Linder, Schweizerische Demokratie, 156f.
276
Linder, Schweizerische Demokratie, 188.
277
Kreis, Handbuch der Volkskultur, 903.
278
em., 800 Personen am Empfang des Bundesrates, in: Neue Zürcher Zeitung, 5. Juli 2001.
274
97
des Bundesratsausflugs dazu führt, dass seit den 1960er Jahren auch die nationale Öffentlichkeit Anteil nimmt, an dieser vom jeweiligen Bundespräsidenten vorgenommenen Präsentation seines Heimatkantons. Somit ist aus dem Bundesratsausflug bis zu einem gewissen Grade auch eine Leistungsschau geworden, bei der es darum geht, den
eigenen Kanton in einem positiven Licht darzustellen und einen guten Eindruck zu machen. Als Beispiel hier ein Auszug aus einem Brief, in dem sich Bundespräsident Hans
Hürlimann im Anschluss an den Bundesratsausflug von 1979 an den Regierungsrat des
Kantons Zug wandte: „Zugleich aber freut es mich, dass Sie alter Zuger Tradition gemäss nichts unterlassen haben, um die Gäste würdig zu empfangen und für unsere gemeinsame Heimat Ehre einzulegen. Ich darf Ihnen versichern, dass ich am Ende des Besuches des Bundesrates nicht nur Genugtuung empfand, sondern recht eigentlich stolz
war auf unsern Stand Zug.“279 Dieses Bestreben, ein möglichst günstiges Bild des eigenen Kantons zu zeigen, ist wohl auch ein Grund dafür, dass die Programmgestaltung in
der Regel eher die schönen und unproblematischen Aspekte eines Kantons in den Vordergrund rückt. Die Tatsache, dass ein Politiker seiner Herkunftsregion gegenüber positive Gefühle hegt, und diese angemessen präsentieren möchte, ist an und für sich nichts
Aussergewöhnliches. Im schweizerischen Kontext ist jedoch eine spezielle Form der
Verbundenheit des Politikers zum heimatlichen Gemeinwesen zu beobachten und lässt
der Institution Bundesratsausflug eine weiteres Dimension zukommen.
In diesem Zusammenhang muss die klassische Karriereentwicklung von Bundesräten
mit in die Betrachtung einbezogen werden, insbesondere in das in diesem Kapitel zu untersuchende Thema des kleinräumigen Föderalismus. Die Karriereentwicklung verläuft
in der Regel über kantonale Ämter, nicht selten über die Kantonsregierungen, parallel
oder nachfolgend kommen die Mandate auf nationaler Ebene. Es ist für die politische
Karriere eines schweizerischen Politikers in keiner Weise ein Nachteil, ein Grossteil
seiner Karriere auf kantonaler Ebene, das heisst in der Provinz, verbracht zu haben. Im
Gegenteil, in einem Land, das kein dominierendes politisches Zentrum kennt, ist die
Verwurzelung und die bleibende Verbundenheit mit der Herkunftsregion eher ein Verdienst. Natürlich war ein Mandat in der Bundesversammlung während der ganzen Zeit
des Bundesstaates nahezu eine Voraussetzung für die Wahl in den Bundesrat, da aber
das schweizerische Parlament, das heisst sowohl National- wie Ständerat, bis in die Gegenwart ein nicht ständig tagendes Milizparlament war, blieb für die meisten, auf nationaler Ebene tätigen Politiker, die Verwurzelung zum Herkunftskanton bestehen, da sie
279
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 97, Aktenzeichen 211.7, Dankesbrief von Bundespräsident Hans Hürlimann an den Regierungsrat des Kantons Zug vom 16. Juli 1979.
98
nur die Zeit während der Sessionen in der Hauptstadt verbrachten. Eine politische Karriere, die parallel ein Exekutivamt auf Kantonsebene wie auch ein Mandat in der Bundesversammlung beinhaltete, war lange Zeit keine Seltenheit. Auch blieb der Wohnsitz
der Parlamentarier, bedingt durch den Sessionsrhythmus und die relativ gute Erreichbarkeit der Hauptstadt Bern, in der Regel im Herkunftskanton. Das bedeutet, dass das
Einsitznehmen im nationalen Parlament nicht zu einer Abwendung von der Politik auf
kantonaler Ebene führen musste, und die Bande zu den Institutionen und politischen
Entscheidungsträgern des Heimatkantons und der kantonalen Partei bestehen blieben.280
Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war ein Politiker fast nur als Bundesrat wählbar,
wenn er der Mehrheitspartei in seinem Kanton angehörte. Das heisst, Bundesrat wurde
nur, wer politisch im eigenen Staatswesen breit abgestützt war. Diese Praxis ist unter
dem Begriff der Stammlanderegel281 bekannt. Nicht selten kommt die Wahl in den
Bundesrat durch die Unterstützung der eigenen kantonalen oder überregionalen Hausmacht der eigenen Partei sowie die dazukommende Unterstützung von parteifremden
Stimmen aus dem eigenen Kanton und der Grossregion zustande. Die regionale Komponente spielt bei der Wahl in die Landesregierung eine nicht zu unterschätzenden Rolle. Kommt weiter dazu, dass die Verbindung vom Politiker zu seinem Heimatkanton
lange Zeit schon von Gesetzes wegen ein Entscheidungskriterium über die Wählbarkeit
des Politikers darstellte, denn die Kantonsklausel verunmöglichte bis zum Jahre 2000
die Einsitznahme von mehr als einem Vertreter aus dem gleichen Kanton. Bis in das
Jahr 1987 nahmen die Bundesräte für denjenigen Kanton Einsitz, von dem sie Inhaber
des Kantonbürgerrechts waren, sprich in dem sich ihr Heimatort befand. Speziell bei
den bürgerlichen Bundesräten ist bis in die Gegenwart hinein eine sehr grosse Übereinstimmung von Kantonsbürgerrecht und Wohnsitzkanton festzustellen, so dass diese Regelung lange Zeit als natürlich erschien. 1987 wurde die Kantonsklausel dahingehend
geändert, dass neu nicht mehr der Heimatkanton ausschlaggebend für die Einsitznahme
für einen Kanton war, sondern der Wohnsitzkanton.282 Diese Änderung hatte sich aufgedrängt, weil bei einige Bundesräten, insbesondere von der Sozialdemokratischen Partei, der Kanton, in dem sie lebten und politisch tätig waren, nicht derjenige war, in dem
sie heimatberechtigt waren. Das führte dazu, dass sie für einen Kanton Einsitz nehmen
280
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 71f.
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 52.
282
Ab 1987 hat sich eine gewisse Vermischung der Begriffe eingespielt, so wird ab diesem Datum auch gelegentlich der Einsitznahmekanton als Heimatkanton bezeichnet. Beispielsweise wird im Zusammenhang mit
dem Ausflug im Jahre 1999 von Genf als Heimatkanton von Bundespräsidentin Dreifuss gesprochen, dabei
ist Frau Dreifuss in Endingen Kanton Aargau heimatberechtigt.
281
99
mussten, mit dem sie bloss noch das Kantonsbürgerrecht gemeinsam hatten.283 Diese
Änderung ist darauf zurückzuführen, dass eine neue Generation von Politikern auftrat,
deren politische Biographien nicht mehr den althergebrachten entsprachen. Trotzdem ist
auch heute eine starke Korrelation zwischen Heimatkanton und Einsitznahmekanton
festzustellen.284
Dieses Hervorgehen aus dem Heimatgemeinwesen sowie die identitätsformende Wirkung dieser Herkunftsgemeinschaft wird von Bundesräten gerne in Bezug gesetzt mit
der eigenen erfolgreichen politischen Karriere. Die Herkunft wird dann zu einem bestimmenden Faktor für den erfolgreichen politischen Werdegang. So meinte etwa Bundesrat Joseph Deiss: „Bei der Neujahrsansprache war es für mich beispielsweise logisch, dass ich meine Rede dort halte ... wo ich meine Persönlichkeit auch bilden
konnte.“285
Ein weiteres, nicht selten zu beobachtendes Phänomen ist, dass Bundesräte durch ihre
Wahl in die Landesregierung ihre Parteizugehörigkeit in den Hintergrund rücken und
von einem Vertreter einer Partei oder einer ideologischen Richtung zu einem „kantonalen“ Bundesrat werden, der sich dem Kanton als Ganzes verpflichtet fühlt. Geradezu
beispielhaft sind dazu die Schilderungen der Ereignisse nach der Wahl Giuseppe Mottas
zum Bundespräsidenten für das Jahr 1915: „... wurde Motta im Schoss des Tessinervereins in Bern gefeiert, wo er am 17. Dezember eine eindrückliche Rede hielt. Vor allem betonte er, er wolle in den Tessinern nichts anderes mehr sehen denn eine ‚einzige
Familie von Brüdern’; den Abgeordneten des Tessins in der Bundesversammlung versicherte er, er werde dieser Familie zuliebe für immer das Parteikleid ablegen. Indem er
des Heimatortes Airolo gedenkt, sagt der Redner: ‚Keiner wird je in einer höheren
Sphäre seinen Mann stellen, wenn er es nicht verstanden, vorher die Wurzeln seines Lebens in einer weniger hohen, engeren Sphäre zu vertiefen.’ Die Liebe zum engeren Vaterland sei die Grundlage des Wirkens im Gesamtstaat.“286 Das Amt als Bundesrat, das
in einer typischen Schweizer Politikerkarriere den Höhepunkt und meist auch das letzte
Mandat287 darstellt, ermöglicht es somit den Magistraten, parteipolitische Kämpfe hinter
sich zu lassen und sich als quasi überparteiliche Vertreter eines Kantons zu präsentieren.
Nach einer Wahl in die Landesregierung nimmt die Verbundenheit zum Heimatge283
Ein sehr anschauliches Beispiel diesbezüglich ist Bundesrat Paul Graber, der den grössten Teil seines Lebens im Kanton Waadt verbrachte, wo er auch seine politische Tätigkeit entfaltete. Im Bundesrat sass er aber
für den Kanton Neuenburg, seinen Heimatkanton. (Altermatt, Bundesratslexikon, 528-533).
284
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 53.
285
Grenzen und Hindernisse überschreiten, in: Freiburger Nachrichten, 28. Januar 2004.
286
v. Salis, Giuseppe Motta, 80.
287
Viele Bundesräte nahmen nach dem Rücktritt aus dem Bundesrat in nationalen oder internationalen Organisationen Einsitz, eine Wiederaufnahme gewählter Ämter war und ist aber unüblich.
100
meinwesen somit tendenziell noch zu; den Kämpfen der kantonalen Tagespolitik in die
Exekutive der Landesregierung entstiegen, wird ein Bundesrat nicht selten zu einer, im
gesamten Kanton, höchstangesehenen Persönlichkeit.
Es wurden Elemente dargestellt, welche die Verwurzelung zum und Verbundenheit mit
dem Heimatkanton eines Politikers als eine Voraussetzung für die Wahl in den Bundesrat darstellten, wie auch Elemente, die eine Folge dieser Wahl sind. Diese Verwurzelung eines Politikers im kleinräumigen Gemeinwesen, gekoppelt mit einer gegenseitigen starken Loyalität, kann als ein Folge der föderalistischen Organisation der Landes
betrachtet werden. Diese Verwurzelung, die den Politiker in ein enges Verhältnis zu
seinem Herkunftsgemeinwesen stellt, funktioniert nach dem Prinzip von Geben und
Nehmen. Der Politiker profitiert von der Stabilität seines Herkunftsmilieus, das ihm eine Politikkarriere ermöglicht hat, was wiederum nach einer Gegenleistung gegenüber
dem Gemeinwesen verlangt. Es soll hier nicht untersucht werden, ob und in welchem
Masse Bundesräte in ihrer politischen Arbeit die Interessen ihres Heimatkantons oder
ihrer Heimatregion speziell wahrgenommen und vertreten haben. Vielmehr gilt die
Aufmerksamkeit dem Aspekt einer symbolischen Gegenleistung. Als Beispiele solcher
Gegenleistungen können die besagten Wahlfeiern wie auch die Institution Bundesratsausflug betrachtet werden. Ein wichtiges Element ist dabei die Ehre, die vom Inhaber des Bundespräsidentenamtes auf die Bewohner des Heimatkantons übergeht. Schön
zeigt sich dieser Aspekt der Ehre in Reden anlässlich von Wahlfeiern. So meinte Joseph
Zemp, anlässlich der Wahlfeier zu seiner ersten Präsidentschaft 1895 beispielsweise:
„Ihr habt diese Sympathie für mich zwar schon oft an den Tag gelegt. Aber ihr habt an
der Ehre auch teilnehmen wollen, welche Eurem Landsmanne zu teil geworden ist, und
wenn ich durch meine Anwesenheit dazu beitragen kann, Eure Freude zu erhöhen, so
tue ich das gerne. Man kommt ohnehin immer gerne nach dem Orte, wo man gelebt hat,
wo man eine Existenz gegründet und wo die Eltern bestattet sind. Hier gilt das süsse
Wort Vaterland. Daher danke ich Euch für die Einladung zur heutigen Feier.“288 Auch
Arnold Koller gebrauchte am 5. Dezember 1996, ein gutes Jahrhundert später, anlässlich seiner Bundespräsidentenwahlfeier ganz ähnliche Worte: „Es ist ein guter helvetischer Brauch, auch neugewählte Bundespräsidenten nicht im eidgenössischen Bern zu
feiern, sondern dort, wo sie herkommen, wo sie ihre Wurzeln haben, wo sie geformt
wurden. Das tut allen gut. Dem Gefeierten, weil es ihn fast handgreiflich daran erinnert,
dass er in seinem hohen Amt nur dem Volk und seinem Gewissen verpflichtet ist und
288
Winiger, Josef Zemp, 338f.
101
damit jede Versuchung des Abhebens schon im Keime erstickt wird; den feiernden
Landsleuten, weil ein grosser Teil der Ehre auf sie zurückfällt ...“ 289
Die Bundespräsidentschaft kann somit auch als eine Art Trophäe betrachtet werden, die
ein Bundesrat für die ihn tragenden Schichten in seiner Heimatregion miterwirbt. Auch
wenn die effektive Macht des Bundespräsidenten in neuerer Zeit abgenommen hat290,
bleibt die Präsidentschaft als symbolischer Ausdruck der Macht bestehen. Durch den
jährlichen Turnus der Präsidentschaft wird diese symbolische Macht unter den Kantonen und den politischen Parteien herumgereicht. Bundesratsausflüge und Wahlfeiern
sind dabei Manifestationen dieser rotierenden symbolischen Macht. In diesem Sinne
sind auch die folgenden Ausschnitte aus dem Interview zu verstehen, welches Bundesrat Joseph Deiss anlässlich des Antritts seines Bundespräsidentenamtes zu Beginn des
Jahres 2004 den Freiburger Nachrichten gegeben hat: „Ich hoffe, dass sich die Freiburgerinnen und Freiburger und der ganze Kanton darüber freuen können, dass wieder
einmal jemand aus ihren Reihen dieses Amt ausüben kann ... Mein Ziel und mein Auftrag bestehen darin, der Präsident für die ganze Schweiz zu sein ... Trotzdem kann
auch der Kanton davon profitieren, weil der Präsident seinen Kanton allen Schweizerinnen und Schweizern näher bringen kann. Diesbezüglich unterlasse ich nichts, damit klar
ist, woher ich komme ... gibt es im Präsidialjahr viele Gelegenheiten, bei denen es
Tradition ist, dass man in den Kanton des Präsidenten geht. Das ist etwa beim Bundesratsausflug der Fall. Mit Gästen aus dem Ausland möchte ich so oft wie möglich meinen
Heimatkanton aufsuchen. Der Botschafterausflug wird uns wohl ebenfalls in den Kanton Freiburg führen ... Jedenfalls wird es etliche Gelegenheiten geben, um den Kanton
Freiburg vermehrt zu präsentieren.“291
Der Bundesratsausflug verschafft dem Kanton und dessen Eliten eine gewisse Anerkennung und Wertschätzung. Seien es Regierungsräte, Gemeindepräsidenten, lokale Unternehmer, Polizeikommandanten und andere - sie kommen im Laufe eines Bundesratsausflugs in den Genuss der bundesrätlichen Aufmerksamkeit. Dieser Anlass ist somit auch
eine Art Gegenleistung des Bundespräsidenten an die Führungsschicht seiner Herkunftsregion. Denn diese Führungsschicht hat einen Anteil dazu beigetragen, dass dem
Bundespräsidenten die Karriere in der nationalen Politik gelingen konnte, weil er auch
von der Unterstützung und Loyalität, die ihm vom Herkunftsgemeinwesen entgegengebracht wurde, profitieren konnte.
289
Koller, starke Schweiz, 355f.
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 26f.
291
Grenzen und Hindernisse überschreiten, in: Freiburger Nachrichten, 28. Januar 2004.
290
102
Es wurde in den vorausgegangenen Erläuterungen da und dort vorschnelle Vermengungen von kommunaler und kantonaler Verwurzelung der Politiker vorgenommen. Gerade
bei kleinen Kantonen ist die kommunale Ebene oft sehr stark mit der kantonalen Ebene
verbunden, das heisst, kommunale und kantonale Verwurzelung eines Politikers gehen
oft Hand in Hand. Es gibt aber auch Kantone mit starken regionalen Gegensätzen, in
denen kommunale und kantonale Verwurzelung nicht deckungsgleich sind, und wo sich
die Situation in Bezug auf die Loyalitäten der Bevölkerung gegenüber einem Politiker
komplexer darstellt. Auch ist die Bedeutung der Verwurzelung eines Politikers im heimatlichen Gemeinwesen ein Phänomen, das sich vor allem in den kleinen Kantonen der
Schweiz beobachten lässt. Zur Grösse in Bezug auf Bevölkerung lässt sich Folgendes
sagen: Ein Drittel der Kantone weist eine Einwohnerzahl von unter 100'000 auf und
über die Hälfte der Kantone eine von unter 200'000292. Es kann somit festgestellt werden dass ein beträchtlicher Teil der Teilstaaten in der Schweiz Gemeinwesen von relativ
kleiner Grösse sind, in denen ein naher, persönlicher Kontakt unter den Eliten sowie
starke Loyalitätsbeziehungen wichtige Merkmale der politischen Kultur darstellen.
Ein spezielles Beispiel für dieses Phänomen der Verwurzelung eines Bundespräsidenten
in seiner Heimatregion war Bundesrat Adolf Ogi von der Schweizerischen Volkspartei.
Speziell insofern, weil Adolf Ogi zum einen ein sehr typisches Beispiel, aber zum anderen zugleich ein atypisches ist. Wie kaum ein zweiter Schweizer Politiker verstand er es,
seine engere Heimat, in seinem Fall das Dorf Kandersteg, dessen Bewohner sowie seine
Familie immer wieder ins Licht der nationalen und auch internationalen Öffentlichkeit
zu rücken. Das Sichtbarmachen der Verbundenheit mit seinem Geburts- und Heimatort
war eine Konstante der Selbststilisierung dieses, den Medien sehr zugetanen Magistraten. Die dörfliche Welt des Berneroberländer Bergdorfes und das, dieses umgebende
Hochgebirge, dienten Adolf Ogi immer wieder als Erklärung seiner Herkunft, für die
Erfahrungen, die er gemacht hat, und die zu den Werten und Ideen führten, denen er
sich im politischen Wirken verpflichtet fühlt. Ogi handelt nach dem Motto: „Ich zeige,
woher ich stamme, wo meine Wurzeln liegen, damit man versteht wie meine Werte zustande gekommen sind, welche Kultur, natürliche Umwelt mich geprägt hat, aus welchem Selbstverständnis heraus ich Politik betreibe.“ Aus dieser Logik heraus ist zu verstehen, dass Ogi seine Bundesratskollegen in seinen beiden Bundespräsidentenjahren
jeweils in sein Heimatdorf führte und der Halt dort jeweils ein gewichtiger Programmpunkt der Reise darstellte. Sowohl im Jahre 1993 wie auch im Jahre 2000 fanden die
292
AI, AR, GL, OW, NW, JU, SH, UR haben eine Einwohnerzzahl von unter 100'000, ZG, SZ, GR, NE, BS
eine von unter 200'000 (Statistik Economiesuisse, Stand 2004).
103
Übernachtungen in Kandersteg statt. Beide Male sah das Programm einen intensiven
Kontakt der Kandersteger Bevölkerung mit den Mitgliedern der Landesregierung vor.
Ogi nahm auch andere Gelegenheiten wahr, seinen Heimatort zu präsentieren, so führte
er in seinem Bundespräsidentenjahr 2000 auch die Teilnehmer der Botschafterkonferenz
in die Bergwelt Kanderstegs.293 Und nicht bloss nationale Politiker wurden von Ogi
nach Kandersteg geführt, auch internationale Prominenz wurde mit einem Besuch dorthin beehrt, so führte Ogi im Dezember 1993 den damaligen französischen Präsidenten
François Mitterand sowie bei anderer Gelegenheit den UNO-Generalsekretär Kofi Annan in sein Heimatdorf zuhinterst im Kandertal.
Atypisch ist die Verwurzelung Ogis insofern, als sich sein Werdegang nur bedingt mit
der idealtypischen Politikerkarriere eines ländlichen Schweizer Politikers vergleichen
lässt. Denn Adolf Ogi war bloss ein Jahr vor seinem Einzug in den Nationalrat in die
SVP eingetreten und hatte weder auf kommunaler, noch auf kantonaler Ebene je ein politisches Amt versehen. Seiner nationalen Bekanntheit verdankend, die er sich durch die
Tätigkeit im Schweizerischen Skiverband in den 1970er Jahren erworben hatte, startete
Ogi seine politische Karriere als Quereinsteiger. Seine Verwurzelung war deshalb in
erster Linie eine, auf die Region des Kandertals und weniger eine, auf die kantonale
Partei oder die kantonalen Institutionen bezogene.
Ein Beispiel, für eine fehlende Verwurzelung eines Bundespräsidenten im Heimatkanton, ist dasjenige von Bundespräsident Hans Schaffner, der 1966 den Ausflug in den
Kanton Aargau führte. Bundespräsident Hans Schaffners war insofern ein spezieller
Fall, als dass er eine, für einen Bundesrat unübliche Karriere beschrieben hatte. Er war
zwar Bürger der Aargauer Gemeinde Gränichen, war aber weder im Kanton Aargau
aufgewachsen, noch hat er dort je gelebt. Die fehlende persönliche und politische Verankerung im Kanton wird wohl auch mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die Programmgestaltung des Bundesratsausflugs im Jahre 1966 von einigen Problemen und
Missverständnissen geprägt war. Dazu kommt, dass die Persönlichkeit von Bundesrat
Schaffner folgendermassen beschrieben wurde: „... er hat sich um Beliebtheit nie bemüht. Sein Intellekt war zu scharf, seine Missbilligung des Mittelmässigen zu deutlich,
die Ansprüche, die er an sich selber und an seine Umgebung stellte, waren zu hoch, als
dass er als Bundesrat einen populären Landesvater abgegeben hätte. Seine Bestätigung
fand er im ganz konkreten Resultat seines Wirkens und nicht in dessen Würdigung
durch die Öffentlichkeit.“294 Dem öffentlichen Auftritten distanziert gegenüberstehen293
294
Zurlinden, Der Ogi, 113.
Altermatt, Schweizer Bundesräte, 510.
104
den, ehemaligen Chefbeamten295 Schaffner bereitete die Organisation und insbesondere
die Wahl des Ausflugsprogramm einige Mühe. Im Vorfeld des Ausflugs wurde das Programm mehrmals geändert, auch auf Grund eines Berichts, der von Vizekanzler Weber
nach einer Rekognoszierungsfahrt verfasst wurde. Auf dieser Rekognoszierungsfahrt,
gemäss dem provisorischen Ausflugsprogramm, war Vizekanzler Weber auch mit kantonalen Vertretern zusammengetroffen. In Webers Bericht an den Bundespräsidenten
war unter anderem Folgendes zu lesen: „Er Regierungsrat Schwarz, d. V. befürchtet
auch sehr, dass man es im Aargau dem Bundespräsidenten und Aargauer Vertreter im
Bundesrat übel nehmen werde, wenn der Bundesrat ohne Halt und irgendwelche Geste
der Verbundenheit die Hauptstadt Aarau durchfahre. Ungeschickt sei es auch, dass man
Ihren Heimatort Gränichen durchfahre, ohne dies irgendwie zu markieren. Dies werde
umsomehr empfunden werden, wenn man vernehme, dass der Bundesrat trotz Zeitnot,
die Einladung eines privaten Stumpenfabrikanten angenommen habe. Ich antwortete,
dass der Herr Bundespräsident Aarau und Gränichen bei der Feier seiner Wahl in nachhaltiger Weise die Referenz erwiesen habe, und dass die Reise des Bundesrates gerade
bezwecke, den Bundesräten Gegenden und Einrichtungen zu zeigen, die weniger bekannt und nicht so häufig zu erreichen seien wie ein Hauptort von der Bedeutung Aaraus. Herr Schwarz blieb hartnäckig und schlägt nun sehr entschieden vor ... eine Einladung der Stadt Aarau in ihren alten Stadtturm ... Wollen Sie bitte entscheiden, welche Lösung zu berücksichtigen ist ... die politisch-psychologischen Momente zu gewichten kommt wohl in erster Linie Ihnen zu.“296 Bundespräsident Schaffner nahm
nach dem Bericht Webers Änderungen am Ausflugsprogramm vor, die einen Besuch
der Stadt Aarau und ein Zusammentreffen mit den dortigen kommunalen Behörden vorsah. Im Nachgang zum Ausflug verdankte die Landesregierung dieses Zusammentreffen
in Aarau folgendermassen: „Die Befürchtung, dass wir die grösste Mühe haben werden,
uns aus einem so gastlichen Kreise zu lösen und der Wunsch, das Reiseprogramm nicht
zu überladen, waren ja die Hauptgründe, weshalb wir den Aufenthalt in Aarau erst
nachträglich ins Programm aufgenommen haben. Heute dürfen wir bekennen, dass wir
es bereuen würden, wenn wir Ihre freundliche Einladung nicht angenommen hätten.“297
Neben der dargestellten Episode gab es während dem Ausarbeitungsprozess zu besagtem Ausflug noch weitere problematische Punkte, so wurde von Seiten von Aargauer
295
Schaffner war vor seinem Eintritt in den Bundesrat Direktor der Handelsabteilung (Altermatt, Schweizer
Bundesräte, 506-511).
296
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Bericht über Rekognoszierungsfahrt von Vizekanzler Weber an Bundespräsident Schaffner vom 20. Juni 1966.
297
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Dankesbrief von Bundespräsident Schaffner an den Stadtrat von Aarau vom 8. Juli 1966.
105
Persönlichkeiten im Vorfeld des Ausflugs angeregt, „... dass es eine nette Geste wäre,
wenn die Herren Bundesräte kurz die Gedenkstätte für Edmund Schulthess besuchen
wollten.“298 Dieser Vorschlag, eines Haltes am Denkmal Schulthess’ in Brugg, fand jedoch schliesslich keinen Platz im zur Durchführung gelangenden Programm. Auch ergaben sich in Bezug auf die Gestaltung des der Landwirtschaft gewidmeten Teils des
Ausflugs mehrere Irritationen, insbesondere der geplante Kontakt mit dem in Brugg beheimateten Bauernverband und den dortigen Vertretern war von unterschiedlichen Vorstellungen geprägt.299 Es lässt sich festhalten, dass im Vorfeld des Ausflugs verschiedenste Kreise und Institutionen im Kanton Aargau einen Miteinbezug ins bundesrätliche
Ausflugsprogramm oder eine zeitlich und inhaltliche Höhergewichtung desselben gefordert hatten. Der Ausflug des Jahres 1966 verlief schliesslich ohne Unstimmigkeiten,
trotzdem fühlten sich im relativ grossen Kanton Aargau im Anschluss an den Ausflug
viele Institutionen übergangen, so dass der Bundesrat in einem Verdankungsschreiben
unter anderem auch den Gemeinden gedachte, die nicht Programmpunkt des Ausflugs
sein konnten: „Wir wissen aber auch, dass es zahlreiche Gemeinden im schönen Rübliland gibt, die uns sicher gerne auch gefeiert hätten. Diese hatten aber das Pech, an unserer Autostrecke zu liegen, Sie haben deshalb auf unseren besonderen Wunsch Zurückhaltung geübt, um uns nicht den Zeitplan des reich befrachteten Programms zu stören.
Diesen Gemeinden müssen wir natürlich für die geübte Rücksichtnahme dankbar
sein.“300 Der dargestellte Ausflug in den Kanton Aargau und die damit einhergegangenen Probleme um die Programmgestaltung sind ein gutes Beispiel für eine fehlende
Verwurzelung eines Bundespräsidenten im Gemeinwesen und eine damit einhergehende
Fehleinschätzung der dort herrschenden politischen Sensibilitäten bei der Ausarbeitung
des Ausflugsprogramms. So gingen die Vorstellungen des Bundespräsidenten Schaffner
und der kantonalen Eliten des Kantons, darüber wie der Bundesratsausflug im Kanton
Aargau zu gestalten sei, offensichtlich weit auseinander. Weil Bundespräsident Schaffner im Kanton keine politische Vergangenheit hatte, war es unklar, wem gegenüber er
verpflichtet gewesen wäre durch eine Kontaktnahme, die Referenz zu erweisen. Dementsprechend hatten auch verschiedenste Kreise Anspruch darauf erhoben, dass der
Bundespräsident die Landesregierung zu ihnen führe. Dieses Gerangel um die bundesrätliche Aufmerksamkeit war im Kanton Aargau zusätzlich geprägt von regionalen
298
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Brief betreffend Programmvorschläge von Dr. E. Lauchenauer an Bundespräsident H. Schaffner vom 27. April 1966.
299
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Bericht über Rekognoszierungsfahrt von Vizekanzler Weber an Bundespräsident Schaffner vom 20. Juni 1966.
300
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Dankesbrief des Bundesrates an den Gemeinderat von Mellingen vom 11. Juli 1966.
106
Animositäten; zudem war mit Hans Schaffner ein Bundespräsident für die Programmgestaltung zuständig, der durch seine Beamtenlaufbahn und seinen Charakter, nur wenig
Gefühl entwickelt hatte, für diese Art von symbolischer Zuwendung, wie sie durch den
Kontakt mit der Landesregierung im Rahmen des Bundesratsausflugs den kantonalen
und kommunalen Honorationen dargebracht wird.
4.2.2. Die Beziehung Teilstaat-Gesamtstaat im föderalistischen System der Schweiz
Während der Bundesratsausflüge erfolgen Kontakte der Exekutivbehörde des Gesamtstaates mit den politischen Behörden, sonstigen Eliten und der Bevölkerung eines Teilstaates. Auf einer weiteren Ebene finden solche Kontakte auch mit Vertretern der Gemeinden statt. Es sind diese Kontaktnahmen, welche die Institution Bundesratsausflug
zu einem interessanten Objekt machen, um Formen des In-Beziehung-Tretens zwischen
Gesamtstaat und Teilstaat zu betrachten.
Schon geographisch wiederspiegelt sich dieses In-Beziehung-Treten dadurch, dass der
Bundesratsausflug immer in der Hauptstadt Bern seinen Anfang nimmt, von dort in die
Ausflugsregion führt und dann wieder zurück nach Bern führt. Somit wird die Beziehung zwischen der Bundeshauptstadt und dem Teilgebiet durch die Reiseroute räumlich
ausgedrückt. Die gemeinsam im Kollegium erfolgende Hin- und Rückfahrt ins Ausflugsgebiet ist explizit immer schon Teil des Ausfluges. Die Überbrückung dieses Weges kann als verbindendes Band zwischen dem politischen Zentrum und dem Teilgebiet
verstanden werden. Die Reiseroute symbolisiert zudem zu Beginn des Ausflugs eine aktive Hinwendung der Landesregierung zum Kanton, aber am Ende des Ausflugs auch
wieder ein Rückzug.301 Im Zusammenhang mit der Verwurzelung der Politiker im Gemeinwesen wurde auch die Tradition der Wahlfeien erwähnt. Ein Unterschied von
Wahlfeiern zu Bundesratsausflug besteht in folgendem Punkt: Während die Wahlfeiern,
seien es solche zur Wahl in den Bundesrat oder solche zur Wahl zum Bundespräsident,
in erster Linie die Verbundenheit des Politikers mit seinem Gemeinwesen und seiner
dortigen politischen Hausmacht ausdrückt, bringt die Institution Bundesratsausflug eine
Erweiterung insofern, als neben dem einheimischen Bundespräsidenten auch seine Regierungskollegen, die aus anderen Landesteilen und zum Teil auch anderen Parteien
kommen, in den Anlass miteinbezogen sind. Der Fokus des Anlasses bleibt dadurch
nicht auf den eigenen Kanton und die dortige Bevölkerung beschränkt, sondern stellt die
Verbindung her zum Gesamtstaat, welcher durch das bundesrätliche Gesamtkollegium
301
Auch eine individuelle An- und Abreise der Bundesräte, in das, und vom Ausflugsgebiet wäre denkbar.
Ein solches Vorgehen war aber von Ausnahmen abgesehen nicht der Fall.
107
verkörpert wird. Die Rolle des Bundespräsidenten ist die eines Mittlers zwischen dem
kleinräumigen föderalen Gemeinwesen, aus dem er stammt, und der Regierung des Gesamtstaates, von der er ebenfalls ein Teil ist. Dabei scheint der Aspekt wichtig, dass das
Bundesratskollegium wie auch die begleitenden Bundeskanzler und Vizekanzler als
Gäste des einheimischen Bundespräsidenten in den Kanton kommen. Das heisst, die
Regierung des Gesamtstaates kommt auf Einladung und unter Führung eines Einheimischen, denn es ist der Bundespräsident, der seinen Kollegen, seinen Teil des Landes,
sprich seinen Kanton, seine Kultur, seine Mitbürger vorstellt. Dieses Vorgehen fördert
die Legitimation und die Sympathie für das Gesamtkollegium bei der besuchten Bevölkerung. Diese Deutung vertritt auch Bundesrat Moritz Leuenberger, der meint: „Das
ermöglicht der Gruppe, aus der er der Bundespräsident, d. V. stammt, sich mit der
Landesregierung zu identifizieren.“302
Eine, in diesem Zusammenhang ebenfalls interessante Tradition, die sich sowohl bei
Wahlfeiern wie zuweilen auch bei Bundesratsausflügen zeigt, ist das Begrüssungskomitee an der Kantonsgrenze. Dazu ein Beispiel vom Bundesratsausflug 1966: „Es war für
den Bundesrat eine freudige Überraschung, auf seiner diesjährigen Orientierungsreise
beim Eintritt ins Gebiet des Kantons Aargau und Ihrer Gemeinde so herzlich von Ihnen
und der reizenden Trachtengruppe und anschliessend von der ganzen Bevölkerung Ihrer
Gemeinde begrüsst zu werden.“303 Mit dieser Geste wird der Eigenständigkeit des einzelnen Kantons dadurch Rechnung getragen, dass das Begrüssungskomitee die Grenze
zum eigenen Territorium markiert und diese bekräftigt. Diese Manifestation kann somit
als ein Ausdruck einer Bestätigung und Bekräftigung der Staatlichkeit des Kantons interpretiert werden. In der Regel werden die Bundesräte auf ihrem Ausflug an den Kantonsgrenzen auch von einer Patrouille der jeweiligen Kantonspolizei in Empfang genommen und auf ihrem Weg durch den Kanton eskortiert. Das Stellen einer kantonalen
Polizeieskorte kann auch als Bekräftigung der kantonalen Souveränität im Polizeiwesen
interpretiert werden.
Kommt der Gesamtbundesrat anlässlich eines Bundesratsausfluges in einen Kanton,
findet fast immer ein Zusammentreffen mit der Kantonsregierung statt. In vielen Fällen
ist dieses Zusammentreffen mit dem Einnehmen einer Mahlzeit verbunden. Dabei wird
die Atmosphäre so gestaltet, dass die Kantonsregierung der Landesregierung auf Augenhöhe begegnet, das heisst, es ist dem Wesen dieser informellen Zusammenkünfte eigen, dass sich zwei gleichwertige Partner treffen. So scheint auch die Haltung das Zu302
Leuenberger, Die Rose und der Stein, 125.
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Dankesbrief von Bundespräsident Schaffner an den Gemeinderat von Gontenschwil vom 12. Juli 1966.
303
108
sammentreffen zu prägen, wonach es für den Kanton nicht bloss eine Ehre ist, dass die
Landesregierung dem Kanton einen Besuch abstattet, sondern es für den Bundesrat
ebenso eine Ehre darstellt dem Kanton einen Besuch abstatten zu können. Diese Haltung entspricht dem schweizerisch föderalistischen Verständnis der Beziehung zwischen den Kantonen und dem Gesamtstaat, wonach die Kantone tragende Säulen des
Staates sind, und somit nur ein sehr schwaches Machtgefälle zwischen Teilstaat und
Gesamtstaat zu bestehen habe. So wird der Bundesrat zwar ehrenvoll empfangen, sei es
bei Volksaperos oder bei Empfängen durch kantonale und kommunale Behörden, es
findet aber in keiner Weise eine Verehrung oder eine überhöhte Huldigung der Landesregierung statt. Republikanische Schlichtheit, gepaart mit dem föderalistischen Selbstvertrauen der Kantone, sorgen dafür, dass jeglicher Kult um die Landesregierung unterbleibt. Diese Wertschätzung der kantonalen Sphäre und die relative Herabsetzung der
Landesregierung kommt auch in der von Bundesrat Philipp Etter, anlässlich der Trauerfeier zum Tode seines ehemaligen Kollegen, Johannes Baumann, am 12. September
1953 in Herisau, gehaltenen Ansprache zum Ausdruck. In dieser blickt Etter auf den bereits erwähnten Ausflug des Gesamtbundesrate im Jahre 1938 zurück: „Nur einmal, ein
einziges Mal habe ich ihn Bundesrat Johannes Baumann, d. V. stolz gesehen. Das war
damals, als er in seinem Präsidialjahr, 1938, alle Mitglieder des Bundesrates mit ihren
Frauen zu Eurer Landgemeinde nach Trogen eingeladen hatte. Dort an Eurem Landgemeindeplatz, strahlte sein Auge voll Freude und voll des edelsten Stolzes, als er uns sein
und Euer Volk zeigen durfte in der einzigartigen grandiosen Kundgebung seiner jahrhundertealten Freiheit, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit. Er trug seinen Degen,
das Zeichen der Würde des Landsgemeindebürgers, die er vielleicht höher schätzte als
die Toga des Bundesrates.“304
Der Bundesratsausflug kann als eine gegenseitige Ehrerweisung zwischen den Vertretern des Gesamtstaates und des Teilstaates betrachtet werden, und zudem auch als eine
Möglichkeit, sich der gegenseitigen Verbundenheit zu versichern. Ein wichtiger Bestandteil besteht dabei darin, dass die Landesregierung die Eigenart des besuchten Kantons, dessen Naturschönheiten und dessen Bevölkerung wahrnimmt, lobt und anerkennt.
Damit wird dem Kanton seine Zugehörigkeit zur Nation Schweiz versichert. Ausdrucksmittel dieser den Kantonen dargebrachten Würdigungen und Anerkennungen
sind auch die umfangreich und sorgfältig vorgenommenen Verdankungen zuhanden der
kantonalen Behörden, wie auch zuhanden der verschiedenen, im Laufe des Ausflugs be304
Ansprache von Herrn Bundespräsident Dr. Philipp Etter, in: zum Andenken an Dr. jur. Johannes Baumann.
109
suchten Institutionen. Formulierungen wie die Folgende zeugen davon: „Wir benützen
diesen Anlass, um Euch, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu
empfehlen.“305 Dem Kanton, dessen Behörden und Bevölkerung wird von Seiten des
Teilstaates die Möglichkeit geboten, die Verbundenheit mit der Regierung des Gesamtstaates Schweiz sowie ihre patriotische Gesinnung kund zu tun. Zwar haben in jüngster
Zeit die explizit patriotischen Gesten und Reden im Rahmen des Bundesratsausfluges
stark an Bedeutung eingebüsst, Zeugnisse der Verbundenheit mit der Nation Schweiz
sind jedoch weiterhin ein Bestandteil.
305
Bundesarchiv, E 1010 (B), Akzession 1986/151, Bd. 96, Aktenzeichen 211.7, Dankesschreiben von Bundeskanzlei an den Regierungsrat des Kantons Zürich vom 4. Juli 1968.
110
4.3. Untersuchungsthema Direkte Demokratie: Die Regierung und das Volk
Durch das Instrument der direkten Demokratie hat das Volk in der Schweiz sehr weitgehende Kompetenzen, um auf die Themensetzung und Entscheidungsfindung im politischen Prozess einzuwirken. Volksinitiative und Gesetzesreferendum sind nur zwei von
weiteren Mitteln, die von den weitreichenden politischen Mitsprachemöglichkeiten der
Schweizer Bevölkerung zeugen. Dies führt dazu, dass in der Schweiz die allermeisten
wegweisenden Entscheidungen durch eine Volksabstimmung entschieden werden und
so eine hohe Legitimation erlangen. Diesen direkten Einfluss des Volkes auf die Politik
führt dazu, dass Regierung und Parlament der Stimmung im Volk ihre Aufmerksamkeit
schulden, wenn sie wollen, dass die politischen Geschäfte nicht durch Volksabstimmungen scheitern. Entscheidungen sind nicht gegen die Volksmeinung durchsetzbar,
was dazu führt, dass von den politischen Führungsträgern ein gewisses Einfühlungsvermögen für die Stimmungen in der Bevölkerung erwartet wird und eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Regierungstätigkeit darstellt. Von Bundesräten wird deswegen von je her eine gewisse Volkstümlichkeit erwartet. Eine Bescheidenheit im Auftritt
und die Bereitschaft und Fähigkeit mit dem einfachen Bürger in Kontakt zu treten, gelten als Primärtugenden eines Bundesrates.306 Durch die Volkstümlichkeit der politischen Eliten und deren aktive Hinwendung zu den lebensweltlichen Ausdrucksformen
des Volkes wird, dessen politische Potenz anerkannt und gewürdigt.
Untersucht man die Institution Bundesratsausflug in Bezug auf Anzeichen der direktdemokratischen Tradition, fallen speziell die ab den frühen 1990er Jahren eingeführten
Volksaperos auf. Bei diesen Volksaperos ist die Bevölkerung eingeladen, mit den Bundesräten in Kontakt zu treten, sich mit diesen zu unterhalten. Dabei besteht auch die
Möglichkeit, mit den Magistraten mit einem Glas Wein oder einem anderen Getränk
anzustossen. Bei den Volksaperos stehen die Vertreter der Landesregierung mitten unter
der Bevölkerung, keine physischen Schranken trennt sie von den Menschen, was auch
dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Bundesräte bei solchen Anlässen in Freizeitkleidung erscheinen. Ein Aspekt dieser Anlässe besteht zudem in der Möglichkeit für
die Menschen, ein direktes, wenn auch meist kurzes Gespräch mit einem Bundesrat führen zu können. Regierung und Volk stehen bei solchen Anlässen in unmittelbarem Kontakt, das gemeinsame Einnehmen einer kleinen Mahlzeit und das Trinken schaffen eine
Atmosphäre der Verbundenheit. Auch wird bei solchen Aperos das Volk in einem gewissen Sinne als der oberste Souverän bestätigt, es wir ihm die Ehre erwiesen. Dementsprechend sind solche Anlässe auch explizite Einladungen an das Volk, Getränke und
306
Rosmus, die Schweiz als Bühne, 192.
111
Häppchen werden zur Verfügung gestellt. Zu erwähnen ist auch, dass es bis anhin bei
solchen Volksaperos noch nie zu ernsthaften Zwischenfällen gekommen ist. Die Bevölkerung scheint sich seiner Verantwortung bewusst zu sein, auch benehmen sich die anwesenden Personen den Bundesräten gegenüber in der Regel höflich, so dass dieser
Meinungsaustausch im Rahmen von Volksaperos auch von den Bundesräten meist als
positiv und bereichernd beurteilt wird. Bundesrätin Metzler äusserte sich wie folgt dazu:
„Die Ausflüge waren für mich gelebte Bürgernähe, wir kamen an Apéros bei Besuchen
in Firmen, Schulen, Museen und vielem mehr mit der Bevölkerung in Kontakt.“ 307 Diese Volksaperos finden nicht selten an einem zentralen Platz einer Gemeinde statt. Dieses Zusammenkommen der Bevölkerung an einem zentralen Platz hat gewisse Ähnlichkeiten mit der direktdemokratischen Tradition der Landsgemeinde. Vielleicht nicht zufällig, fand der erste Volksapero 1990 im Landsgemeindekanton Appenzell Innerrhoden
statt.308
Dadurch, dass es Gemeinden, Kantone und Firmen sind, die durch ihre Beiträge einen
nicht unerheblichen Teil der Kosten für den Ausflug tragen, sind diese auch an der Ausgestaltung der einzelnen Programmpunkte mitbeteiligt. Es ist zwar sehr wohl der Bundespräsident, der das Programm bestimmt, die konkrete Umsetzung liegt aber an den
Ausführenden an Ort und Stelle. So liegt es beispielsweise am Ausrichter eines Apéros
zu bestimmen, wie üppig dieses ausfällt. Dies führt dazu, dass es zu einem gewissen
Grade auch an den Institutionen im besuchten Kanton liegt, zu entscheiden wie luxuriös, oder eben nicht, die Bundesräte ihren Ausflug verbringen. Dieser Mitgestaltung der
besuchten Institutionen ist es wohl auch zuzuschreiben, dass die Programmgestaltung
der meisten Bundesratausflüge neben der bereits angesprochenen Bürgernähe auch von
einer gewissen republikanischen Sparsamkeit und Bescheidenheit geprägt ist. Die Auftritte des Bundesrat gestalten sich meist ohne Pomp, in einer lockeren Atmosphäre, die
zuweilen nicht ganz frei von einer gewissen Biederkeit ist. Dass die Öffentlichkeit einen
allzu luxuriösen Ausflugsstil nicht goutiert, zeigte sich an der dargestellten Empörung,
die von Seiten gewisser Medien im Nachgang zum Bundesratsauflug im Jahr 1980, im
Kanton Waadt, geäussert wurde.
Die umfangreichen Verdankungsaktionen im Nachgang zu jedem Bundesratsausflug
zeugen von einer Wertschätzung, die der Bundesrat gegenüber der Bevölkerung an den
Tag legt. Neben den besuchten Kantonregierungen, den Institutionen und Firmen wird
auch grossen Wert darauf gelegt, dass die Beiträge, die von Teilen der Bevölkerung er307
308
Metzler-Arnold, Grissini, 268.
Pressecommunique der Bundeskanzlei vom 19. Juni 1990.
112
brachten wurden, minuziös verdankt werden. Mit diesem Akt der Verdankung zeigt die
Landesregierung, dass sie auch die Anstrengungen des gewöhnlichen Volkes würdigt
und sich nicht zu schade ist, den Aufwand der Verdankung auch für den gewöhnlichen
Bürger auf sich zu nehmen.
Ein Beispiel aus dem Episodenschatz der Bundesratsausflüge, das den Aspekt von
Volksnähe und Direkter Demokratie schön zum Ausdruck bringt, ist das Erlebnis von
Frau Bundesrätin Dreifuss aus dem Jahre 1993, welches sie in einer Rede anlässlich des
Eidgenössischen Jodlerfestes im Jahre 2002 erzählte: „Dölf Bundespräsident Adolf
Ogi, d. V. führte uns am 1. Juli 1993 nach Schangnau. Dort standen eine Emmentaler
Chilbi und verschiedene Kostproben aus dem Emmentaler Brauchtum auf dem Programm - unter anderem die Darbietung eines Schangnauer Jodlerchores. Wenige Tage
vor diesem Ausflug hatte aber der Bundesrat beschlossen, den Milchpreis zu senken ...
Auch mit mir, der frischgebackenen Bundesrätin, waren sie nicht zufrieden. Der Hochmoorschutz des Bundes ... erweckte den Unmut der Landbevölkerung. Kurzum: Die
Schangnauer Jodlerinnen und Jodler waren sich alles andere als sicher, ob sie nach den
jüngsten Ereignissen und Beschlüssen dem Bundesrat das angekündigte Ständchen
bringen wollten ... Sie stimmten nach guter schweizerischer Manier ab. Der Ausgang
der Abstimmung soll äusserst knapp gewesen sein. Aber glücklicherweise resultierte ein
Ja. Die Schangnauerinnen und Schangnauer jodelten für uns ... Adolf Ogi hat uns damals nicht nur Einblick in Schweizer Brauchtum und Volksmusik beschert. Wir haben
auch eine Lektion in Basisdemokratie erhalten ... Demokratie bedeutet: reagieren auf
das, was um uns herum geschieht, mitunter auch auf das, was scheinbar von oben oder
von aussen verordnet wird. Demokratie bedeutet: Wir beschliessen gemeinsam, was zu
tun ist, wobei jeder und jede die eigene Stimme abgeben darf. Demokratie bedarf der
Auseinandersetzung und der Bereitschaft, sich immer wieder zusammenzuraufen und
vorwärts zu gehen. Dieses Vorgehen taugt nicht nur, wenn es darum geht, ob ein Dorfchor für dir Regierung aus Bern jodeln will oder nicht. Es taugt auch, wenn wir Entscheidungen fällen, die über ein Dorf - oder über die Landesgrenzen - hinausreichen.
Entscheidungen, die nicht nur den siebenköpfigen Bundesrat auf Schulreise, sondern
grosse Teile oder sogar die ganze Gesellschaft betreffen.“309
Diese auf einen zurückliegenden Bundesratsausflug bezugnehmende Rede von Bundesrätin Dreifuss ist ein Beispiel dafür, wie das Prinzip der Basisdemokratie mit Hilfe einer
anschaulich vorgetragenen Episode durch die Regierung bekräftigt wird. Bundesrätin
309
Ansprache Ruth Dreifuss, <http://www.admin.ch/ch/d/cf/referate/edi/2002/020704jodlerfest-d.pdf >, 1.
Juli 2005.
113
Dreifuss bringt zum Ausdruck, dass das Fällen von Entscheidungen auf direktdemokratischem Wege und das Akzeptieren von, in solchem Verfahren gefällten Entscheidungen, als ein in der Schweizer Politiktradition tief verwurzeltes und zu pflegendes Verhalten gilt. Die Rede von Frau Bundesrätin Dreifuss ist weiter ein Beispiel dafür, wie
Episoden aus Bundesratsausflügen zu einer Art historischem Erfahrungsschatz werden,
der später immer wieder abgerufen werden kann. Die Geschichte der Jodler, die sich in
einer internen Abstimmung für das Vorsingen entschieden haben, wird somit zu einem
Schlüsselerlebnis, das in Bezug zum Prinzip der Direkten Demokratie immer wieder
erwähnt werden kann und so zu einer Art Metapher wird.
Der Bundesratsausflug ist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen die Bevölkerung
einem öffentlichen Auftritt des Gesamtkollegiums beiwohnen kann und mit den Bundesräten auch interagieren kann. Der Bundesratsausflug befriedigt dabei zweifellos auch
ein Bedürfnis von Teilen der Bevölkerung nach einer Repräsentation der Landesregierung und einer, wenn auch äusserst diskreten und zurückhaltenden Form der Huldigung
der Regierenden. Diese schweizerische Form der Repräsentation beinhaltet zusätzlich
noch den Aspekt der Möglichkeit der Interaktion zwischen Bevölkerung und Regierung.
Als solcher kann dieser, das Volk miteinbeziehende Auftritt der Regierung auch als eine
Anerkennung der Macht des Volkes betrachtet werden, welches diese durch die Institution der Direkten Demokratie besitzt.
114
4.4. Untersuchungsthema Konkordanz/Konsens: Der Bundesratsausflug als Beitrag zur Schaffung einer nationalen Identität
„Eigentlich gibt es zwanzig Voll- und sechs Halbschweizen. Zwar heisst das Land, das
sie verbindet, der Einfachheit halber ebenfalls Schweiz. Indessen: Für einen Berner ist
die wirkliche Schweiz Bern, für einen St.Galler ist es St.Gallen, für eine Urnerin der beliebte Kanton mit drei Buchstaben. Für die Romands gilt sinngemäss das Gleiche, und
südlich des Gotthards herrschen zumindest in dieser Hinsicht erst recht eindeutige Verhältnisse.“310 Dieses Zitat von Martin Heller drückt aus, was weiter oben mit der erwähnten Vielfalt als Prinzip des föderalistischen Verständnis der Schweiz angedeutet
wurde. Die Versuche der Überbrückung dieser sprachlichen, konfessionellen und kulturellen Vielfalt und die Etablierung einer nationalen Identität ist eine Grundkonstante der
Geschichte der Willensnation Schweiz. Der Zusammenhalt innerhalb des schweizerischen Bundesstaats wurde und wird seit nunmehr beinahe 160 Jahren mit unterschiedlichsten Institutionen und Strategien teils bewusst, teils unbewusst mehr oder weniger
erfolgreich bewerkstelligt. Eine wichtige Funktion nahm dabei das Abhalten von ritualisierten Anlässen wie den aus dem 19. Jahrhundert stammenden Traditionen der eidgenössischen Feste der Schützen, Turner, Sänger und Schwinger. Auch Landesaustellungen oder die alljährlichen 1.-August-Feiern dienten und dienen neben vielen anderen
der Überbrückung regionaler Gegensätze und dem Zusammenhalt der Willensnation
Schweiz. Der Miteinbezug und der Auftritt von Bundesräten ist bei vielen der genannten Anlässe in irgendeiner Form vorgesehen.311
Die Deutung sei erlaubt, dass auch die noch verhältnismässig junge Tradition des Bundesratsausfluges ebenfalls unter diesem Aspekt der ritualisierten nationalen Feierlichkeiten betrachtet werden kann. Zwar handelt es sich beim Bundesratsausflug nicht in
erster Linie um einen Festakt, aber gerade die beschriebene Tatsache, dass seit dem Beginn der 1990er Jahren der Bundesratsausflug auch teilweise Volkfestcharakter angenommen hat, lässt diese Deutung durchaus plausibel erscheinen. Auch wird durch die
Medien, insbesondere die Bildmedien wie Fernsehen und Illustrierten, der zweitägige
Anlass von sehr vielen Menschen wahrgenommen. Diese können somit Anteil am Ausflug der Landesregierung nehmen, auch wenn sie physisch dem Anlass nicht beiwohnen. Theoretisch kann somit die ganze Schweizer Bevölkerung Zeuge des Anlasses
werden, nicht nur diejenige aus dem besuchten Gebiet. Der Bundesratsausflug wird dadurch zu ein Anlass von nationalem Interesse.
310
311
Wurzenberger, Die Schweiz in der Vernehmlassung, 203.
Handbuch der schweizerischen Volkskultur, Bd. 2, 811-832.
115
Die Öffentlichkeit wird mit konkreten Bildern der Schweiz versorgt. Bilder der Landschaft, der Ortschaften und der Sehenswürdigkeiten des durch den bundesrätlichen Ausflug aufgesuchten Kantons. Durch den dokumentierten Ausflug der Landesregierung
werden dem Medienkonsumenten womöglich noch wenig bekannte Gebiete der
Schweiz vorgestellt und näher gebracht. Die Bilder und Berichte über den Bundesratsausflug können somit alljährlich den Fokus der medialen Öffentlichkeit für einen
kurzen Moment auf eine bestimmte Region des Landes lenken.
Neben diesen konkreten Bildern werden durch den Bundesratsausflug aber auch symbolische Bilder verbreitet, es sind Bilder des Regierungskollegiums im Kontakt unter sich,
mit der Bevölkerung, den Behörden und Institutionen des besuchten Kantons. Es sind
dies Bilder, die zeigen, was die Schweiz ausmacht, welche Werte dieser Nation zugrunde liegen, es sind atmosphärische Bilder. Dadurch, dass der Bundesratsausflug zum einem sehr grossen Teil ein inszenierter Anlass ist, der Ablauf ist im vornherein zum Teil
bis auf die Minute genau vorausgeplant, kommt dem Bundespräsidenten, der diese Inszenierung vornimmt, eine nicht unwesentliche Rolle bei der Schaffung dieser atmosphärischen Bilder zu. So wie er durch die Ausflugsgestaltung einen Teil seiner Persönlichkeit offenbart, so bringt er auch seine Sicht zum Ausdruck, dessen, was seinen Kanton und was die Schweiz ausmacht. Die Programmgestaltung und insbesondere die
Wahl der zu besuchenden Institutionen kommt einer „jährlichen Landesaustellung im
Kleinen“ nahe, denn es wird durch den bundesrätlichen Ausflug jedes Jahr wieder ein
Stück Schweiz inszeniert und damit auch reproduziert. Dabei werden die, aus der Sicht
des Programmgestalters relevanten Stützen der Gesellschaft miteinbezogen, ihnen sozusagen die Referenz erwiesen. Seien dies beispielsweise die KMU, die Landwirtschaft,
die Kirche, die Musikvereine, die Armee oder die Kunstschaffenden. Der Besuch bei
Institutionen und die Kontaktnahme mit gewissen Bevölkerungsgruppen bescheren ihnen die bundesrätliche Aufmerksamkeit und können als ein Zeichen deren Relevanz für
die nationale Gesellschaft der Schweiz betrachtet werden. Wobei eine gewisse Verschiebung in der Wichtigkeit der einzelnen Institutionen und Gruppen durch die Zeit erkennbar ist, wie sich an der Wandlung der Bedeutung der Armee zeigen liess.
Die Tradition Bundesratsausflug ist als solches parteipolitisch oder ideologisch kaum
vereinnahmt, da durch den jährlichen Wechsel des Bundespräsidentenamtes Vertreter
verschiedener Parteien die inhaltliche Gestaltung prägen. Dies ist mit ein Grund, weshalb die Tradition des Bundesratsausfluges politisch kaum umstritten ist. Der Ausflug
kann zwar einer leichten ideologischen Gestaltung unterliegen, durch den jährlichen
116
Wechsel der Bundespräsidentschaft wird aber auch in diesem Punkt eine politische Austarierung herbeigeführt.
In der Nachkriegszeit wurde unter dem Begriff der Konkordanz, mit dem Miteinbezug
der Sozialdemokraten in die Landesregierung, die Integration aller relevanter politischen Kräfte in die Gesellschaft vollzogen312. Damit einhergehend hat sich in jener Zeit
eine Kultur des nationalen Konsens’ entwickelt. „Den 1950er Jahren ... kommt bei der
Ausgestaltung dieser Werte- und Identitätsstrukturen eine Schlüsselstellung zu: Noch
nie seit der Gründung des modernen Bundesstaates schien der Konsens über das, was
die Schweiz ausmacht, so breit getragen und akzeptiert worden zu sein ... In der
schweizerischen Gesellschaft vollzog sich ein eigentlicher Integrations- und Nationalisierungsschub, der bis in die Gegenwart nachhaltig wirkt:“313 Sinnbild dieser Strategie
ist die Periode der sogenannten Zauberformelperiode zwischen 1959 und 2003, die mit
verändertem Parteienverhältnis bis in die Gegenwart weiterwirkt. Damit einhergehend
ist das Finden von politischem Konsens eine Grundkonstante dieses Regierungssystems
und der politischen Kultur dieser Epoche an sich.314 Auch wenn die Etablierung der
Tradition Bundesratsausflug sich zeitlich mit der Etablierung der Zauberformelregierung deckt, ist ein direkter Zusammenhang in Bezug auf die Entstehung der Bundesratsausflugstradition nicht erkennbar. Aber der Miteinbezug aller politisch relevanten
Kräfte in der Landesregierung ab 1959 hatte offensichtlich einen Einfluss auf die Ausgestaltung der Ausflüge und die Atmosphäre, in der sich die Tradition in den weiteren
Jahre entwickelte. Die Tatsache, dass die Bundesratsausflüge, mit Ausnahme der erwähnten kleinen Demonstration während dem Ausflugs 1995 in Luzern, bisher von politischen Manifestationen und Störaktionen verschont geblieben sind, ist wohl nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich keine grössere politische Gruppe aus der Regierung ausgeschlossen sah und sich die Institution als solche, gerade wegen der jährlichen
Rotation der Bundespräsidentschaft, nicht ideologisch besetzen liess.
Anlässe wie die Volksaperos leben davon, dass die grosse Mehrheit der Bevölkerung
sich mit der Landesregierung oder zumindest mit Teilen davon identifizieren kann. Man
kann sagen, dass es beim Auftritt des Siebnerkollegiums für jeden politischen Geschmack eine Magistratsperson hat, mit der man sich identifizieren kann. Unter diesem
Aspekt ist auch der folgende Pressebericht vom Bundesratsausflug 2005 zu betrachten:
„Die Bevölkerung von Büren liess sich von den vielen Mikrofonen und Kameras nicht
abschrecken. Micheline Calmy-Rey wurde von vielen Frauen angesprochen und mit
312
Linder, Schweizerische Demokratie, 47-53.
Furrer, in: Konstruktion einer Nation, 102.
314
Linder, Schweizerische Demokratie, 295-324.
313
117
Müttern mit ihren Babys auf dem Arm fotografiert. Christoph Blocher bekam von einem Mann aufmunternde Worte zu hören: ‚Weiter so! Es ist wichtig, dass einer Klartext
spricht und aufräumt.’ Blocher bedankte sich und relativierte: ‚So denken längst nicht
alle.’“315 Während der Auftritt einzelner Bundesräte unter Umständen Proteste gewisser
Bevölkerungskreise mit sich bringen könnte, hat der Auftritt der im Parteienproporz zusammengestellten Landesregierung eine mässigende Wirkung. Als Gesamtkollegium
verkörpert der Bundesrat das auf allen Ebenen der Schweizer Politik angewandte System, das auf der Suche nach Konsens beruhende Konkordanzsystem. Die Institution
Bundesratsausflug kann somit auch als ein Geschöpf der so genannt „langen 1950er
Jahre“316 betrachtet werden, in denen sich das, auf Konsens und Konkordanz beruhende
nationale Selbstverständnis der Schweizer Gesellschaft zu etablieren und verfestigen
begann.
Ein Aspekt dieser Konsensmentalität besteht darin, dass die Programmgestaltung nicht
selten die Aufgabe wahr nimmt, zwischen einer modernen und einer traditionellen
Schweiz einen Ausgleich zu schaffen. Das geschieht beispielsweise dadurch, dass im
Laufe eines Bundesratsausfluges sowohl ein Unternehmen der Hochtechnologie- Branche besucht wird, wie auch der Besuch einer folkloristischen Darbietung Teil des Programms ist. So geschehen beispielsweise im Jahre 2003 anlässlich des Ausflugs in den
Kanton Wallis, wo sowohl die Besichtigung des Biotechnologiezentrums der Lonza in
Visp, wie auch ein Empfang durch Trachtenmädchen in Isérables auf dem bundesrätlichen Ausflugsprogramm standen.317 So und ähnlich ist der Aufbau von vielen Ausflugsprogrammen um einen weltanschaulichen Ausgleich bemüht. Denn auch wenn viele Programmpunkte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und nur vom Bundesratskollegium bestritten wird, nimmt die Öffentlichkeit durch die Medienberichterstattung sehr wohl wahr, welche Prioritäten bei der Besichtigung des Kantons gesetzt
werden. Dementsprechend sind die meisten Programmgestaltungen eine Austarierung
zwischen moderner und traditioneller Schweiz.
Ein wichtiger Aspekt der Institution Bundesratsausflug ist der Bezug zur natürlichen
Landschaft und den dortigen Naturschönheiten. Dabei ist es insbesondere das alpine
Berggebiet, welchem oft die Aufmerksamkeit des bundesrätlichen Ausflugs zu Teil
wird. Dieser Bezug wird oft im Rahmen von Wanderungen, Schifffahrten oder Panoramaflügen hergestellt. Diese Inszenierung der Schweizer Landschaft, an der wiederum
auch die Bildmedien beteiligt sind, dient auch dazu, im positiven Zugang zur natürli315
In den heimatlichen Gefilden Samuel Schmids, in: Neue Zürcher Zeitung, 1. Juli 2005.
Blanc, achtung: die 50er Jahre!, 8.
317
Pressecommuniques der Bundeskanzlei vom 3. und 4. Juli 2003.
316
118
chen Landschaft des Landes, ein Element zu schaffen, das alle politischen und sozialen
Schichten zu verbinden vermag. Zu diesem Aspekt meint der Ethnologe Walter
Leimgruber: „Die Verherrlichung der Alpen und ihrer Bewohner dient als nationale
Klammer, die versucht, die Spannungen zwischen den Kantonen, zwischen den sozialen
Schichten, zwischen Stadt und Land, zwischen den Konfessionen, zwischen Föderalisten und Zentralisten zu überbrücken.“318 Während manche der Programmpunkte der
Bundesratsausflüge ideologisch besetzt sind, lässt das Element der natürlichen Landschaft eine Identifikation der Mehrheit der Bevölkerung zu. Die Landschaft wird somit
zu einem einigenden Element und wird dementsprechend während den Bundesratsausflügen auch zelebriert. Das Kundtun der Schönheit des besuchten Gebietes ist eine
wichtige und oft praktizierte Handlung. Jedoch lässt sich die Zelebrierung der natürlichen Landschaft nicht bloss als überideologisches Bindeglied verwenden, auch eine
ideologisch gefärbte In-Szene-Setzung der Landschaft, die eine Verknüpfung zwischen
der natürlichen Berglandschaft und der volkstümlichen Hirtenkultur vornimmt, wird bis
in die Gegenwart hinein von gewissen Bundespräsidenten ins Ausflugsprogramm miteinbezogen. Typisch dafür sind die Auftritte von Alphornbläser, Trachtengruppen und
anderen Elementen des volkstümlichen Brauchtums.319
Das einigende Element der Landschaft, die Bestrebung sowohl die progressiven wie die
traditionellen Bevölkerungsteile mit Codes zu versorgen, und die polythematische Programmgestaltung, die es erlaubt, verschiedenen Institutionen und Milieus das Gefühl
der Relevanz zu vermitteln, sind alles Elemente, die es der Tradition Bundesratsausflug
erlauben, von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen der Gesellschaft positiv wahrgenommen zu werden. Als solches ist die Tradition Bundesratsausflug ein Ausdruck der
sich in der Nachkriegszeit unter dem Primat der Konkordanz, etablierenden Mentalität
des Konsenses, welcher einen Grossteil der Bevölkerung zu erreichen vermochte. Es ist
klar, dass es nur ein sehr kleiner Beitrag ist, der die Institution Bundesratsausflug an den
komplexen Mechanismus zur Herausbildung einer nationalen Identität leistet.
318
Die Schweiz in der Vernehmlassung, 193.
Walter Leimgruber ist Professor für Kulturwissenschaft und europäische Ethnologie an der Universität Basel.
319
Die von Bundespräsident Adolf Ogi angeführten Ausflüge in den Jahren 1993 und 2000 bedienten sich zu
grossen Teilen einer Ästhetik, die der Hirtenkultur seine Referenz erweist.
119
5. Synthese
Will man die Entwicklung der Tradition Bundesratsausfluges verstehen, kommt man
nicht darum herum, auch die vorangegangene Tradition des Ministerkonferenzausflugs
zu betrachten. Es lässt sich klar feststellen, dass es sich beim Ministerkonferenzausflug
um den eigentlichen Vorläufer des Bundesratsausfluges handelt. Diese Interpretation
lässt sich in erster Linie damit begründen, dass ein wichtiges Charakteristika des Bundesratsausfluges, die so genannte Bundespräsidentenregel, von der Ministerkonferenzausflugstradition übernommen wurde. Zudem zeigen sich auch an der Programmgestaltung klare Indizien, die es erlauben, eine Kontinuität der beiden Ausflugstraditionen
festzustellen. Weiter gibt es Anzeichen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung schon
die Tradition des Ministerkonferenzausflugs in erster Linie als ein Ausflug des Bundesrates angesehen wurde und somit der ab den 1950er Jahren neu entstandene Bundesratsausflug im kleinen Kreise des Kollegiums von der Öffentlichkeit zunächst kaum als
eine Neuerung empfunden wurde. Es ist interessant zu sehen, dass die Ausflugstradition
der Landesregierung seine Wurzeln im Zusammenhang mit der Entwicklung der Aussenpolitik und der Diplomatie hat. Es war das sogenannte System Droz, das eine erste
Zuwendung zu einer intensiveren Aussenpolitik der Landesregierung brachte und damit
auch die Einführung der so genannten Ministerkonferenz initiierte, deren informeller
Teil der dazugehörende Ausflug darstellte. So scheint es im jungen Bundesstaat der
1880er Jahre diese diplomatische Sphäre zu sein, in der sich am ehesten die Legitimation und die Finanzen finden liessen, um auf Kosten der Bundeskasse einen Ausflug mitsamt Mahl abzuhalten.
Die Phase der Herausbildung der eigentlichen Bundesratsausflugstradition kann auf die
1950er Jahre festgelegt werden. Wobei der erste solche Ausflug im Jahr 1950 statt fand.
Im Juli dieses Sommers besuchte die Landesregierung den Nationalpark im Kanton
Graubünden, und es kann angenommen werden, dass dieser Ausflug auf Initiative des
damaligen Doyens im Kollegium, Philipp Etter, zustande gekommen ist. In dieser Phase
waren die Ausflüge des Bundesrates stark von einem Inspektionscharakter geprägt, so
waren die ersten beiden Ausflüge, die in den Jahren 1950 und 1955 in den Nationalpark
führten, stark vom Thema des dortigen Wasserkraftprojektes am Spölfluss geprägt. Die
Besichtigung von Infrastrukturbauten bildeten den Hauptteil und wohl auch den, zumindest offiziellen Grund der Ausflüge in den 1950er Jahren. Auch hatte sich die Form
des Ausfluges in dieser Phase noch nicht gefunden; Dauer und Austragungsrhythmus
variierten und die Kontaktpflege mit den kantonalen Behörden war in dieser Phase noch
nicht klar geregelt. Auch bezüglich des Ausflugsziels gab es noch keine klare Regelung,
120
vielmehr schienen sich die Ausflugsziele den zu besuchenden Bauprojekten anzupassen,
was dazu führte, dass in dieser Phase eine Hinwendung zum Alpenraum festzustellen
war. Mit diesen Ausflügen in den Alpenraum fand auch die bundesrätlich Wandertradition ihren Anfang.
In dieser Untersuchung wurde der Begriff des Bundesratsausfluges im modernen Sinne
eingeführt. Dieser definiert die Epoche von 1961 bis in die Gegenwart. Vom Ausflug im
Jahre 1961 bis in die Gegenwart kann eine hohe Kontinuität bezüglich der Rahmenbedingungen festgestellt werden. So sind die Dauer von zwei Tagen sowie das Ausflugsdatum kurz vor der Sommerpause zu verbindlichen Rahmenbedingungen geworden und
insbesondere die den Bundesratsausflug stark charakterisierende Bundespräsidentenregel wurde ab 1961 kontinuierlich angewendet. Durch die Bundespräsidentenregel, die
abgesehen von zwei Ausnahmen in den Jahren 1969 und 1970 kontinuierlich angewendet wurde, wird der Heimatkanton des jeweiligen Bundespräsidenten als die zu besuchenden Gegend definiert. Auch andere formale Elemente wie die Abgabe eines internen Programmheftes, die Treffen mit den Kantonsregierungen, das Essen im rein bundesratsinternen Rahmen und die Verdankungsschreiben haben sich während der ganzen
Periode seit 1961 gehalten und diese geprägt. Mit dieser erreichten Konstanz entwickelte sich der Bundesratsausflug im Laufe der 1960er Jahre von einem internen Anlass,
welcher in erster Linie das bundesrätliche Kollegium betraf, zu einem Ereignis von öffentlichem Interesse, das von den Medien begleitet und dokumentiert wird. Damit einhergehend verlor der Anlass zu einem gewissen Grade auch seinen intimen Charakter.
Diese Auseinandersetzung um den Grad der Privatsphäre der bundesrätlichen Ausflugsgesellschaft prägten die Ausflüge bis in die frühen 1970er Jahre. In der Folge konnte die
Art der medialen Berichterstattung im gegenseitigen Einvernehmen geregelt werden.
Das Verhältnis zwischen Landesregierung und Medien hat sich kontinuierlich gebessert,
und in neuster Zeit hat sich, im Bewusstsein des medialen Wertes der Berichterstattung,
sogar eine gewisse In-Szene-Setzung der Bundesräte eingespielt. Eher ungeplant wurde
der Bundesratsausflug so zu einem inoffiziellen Repräsentationsanlass. Seit den frühen
1990er Jahren und den damals eingeführten Volksaperos nimmt der Bundesratsausflug
zeitweilig auch Züge eines Volksfestes an, bei dem ein persönlicher Kontakt zwischen
der Landesregierung und der Bevölkerung stattfinden kann.
Dem Bundespräsidenten wird im politischen System der Schweiz keinerlei konkrete
Macht zugestanden. Der Bundesratsausflug ist ein Anlass, der dem Bundespräsidenten
zumindest die Möglichkeit gibt, auf einer symbolischen Ebene Macht auszuüben. Mit
der inhaltlichen Gestaltung des Bundesratsausflugs wird es der Person des Bundespräsi121
denten ermöglicht, seiner Amtszeit eine persönliche und zu einem gewissen Grade auch
symbolisch-politische Note zu verleihen. Trotz der innerhalb des Kollegiums unausgesprochenen Übereinkunft, den Ausflug nicht zu konkreten politischen Zwecken zu
missbrauchen, besteht für den Bundespräsidenten dennoch die Möglichkeit, gewisse
Aussagen bezüglich seinem politischen Verständnis und seinen Werten zu machen. Zudem wird dem Bundespräsidenten durch die Bundespräsidentenregel, ähnlich den Wahlfeiern, eine Repräsentationsmöglichkeit in seinem Heimatkanton ermöglicht. Neben
dem Heimatkanton des Bundespräsidenten werden zuweilen zusätzlich noch andere
Kantone ins Ausflugsprogramm aufgenommen. Im zweiten oder dritten Amtsjahr als
Bundespräsident wird diesem die Erweiterung der Bundespräsidentenregel und den
Miteinbezug weiterer Kantonen neben seinem Heimatkanton erlaubt. Manche Bundespräsidenten nehmen die Erweiterung der Regel auch schon in ihrem ersten Amtsjahr in
Anspruch und Dehnen den Ausflugsraum aus. Besonders in der Zentral- und Ostschweiz haben sich grössere Ausflugregionen herausgebildet, und es wurde fast zur
Normalität, dass ein Bundespräsident aus einem dieser Kantone auch noch andere Kantone ins Ausflugsprogramm aufnimmt. Diese Erweiterung der Bundespräsidentenregel
ist deshalb sinnvoll, weil so auch Kantone, die selten oder noch nie einen Bundespräsidenten gestellt haben, in den Genuss der bundesrätlichen Aufmerksamkeit kommen,
was bei strikter Auslegung der Regel nicht der Fall wäre.
Es gibt gewisse Elementen, die fast in jedem Jahr Teil des Ausflugsprogramms waren,
so etwa Wanderungen oder Spaziergänge, die Kontaktnahmen mit den Kantonsregierungen und ab den frühen 1990er Jahren die Volksaperos. Neben diesen fast schon fixen
Programmpunkten besteht für den Bundespräsidenten die Möglichkeit, dem Ausflugsprogramm mit einer eigenen Themensetzung eine spezielle Note zu verleihen. Dies
kann beispielsweise dadurch geschehen, dass Unternehmungen, militärische Anlagen,
Kunstausstellungen, kirchliche oder soziale Institutionen besucht werden. Weiter bieten
die Wahl von musikalischen Darbietungen oder der Miteinbezug von Vereinen weitere
Möglichkeiten, das Ausflugsprogramm zu prägen. Der Bundesratsausflug ist ein Anlass,
der grundsätzlich offen ist für verschiedenste thematische Inhalte. Ab den 1990er Jahren
ist eine gewisse Intensivierung in Bezug auf die Anwendung symbolischer Inhalte festzustellen. Die Bundespräsidenten legten einen grösseren Gestaltungswillen an den Tag,
den Ausflug auch mit Aussagen zu füllen, seien es solche zur eigenen Person oder zu
den eigenen politischen Werten. Inwieweit dieser vermehrte Einsatz von Symbolen eine
Reaktion auf die im Laufe der 1990er Jahre die Schweiz erfassende, nationale Identitätskrise darstellt, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht vertiefter behandelt wer122
den. Es ist aber interessant, ein zeitliches Zusammentreffen von Identitätskrise und
vermehrtem Gestaltungswille von Seiten der Bundespräsidenten, festzustellen.
Ausgehend von vier Untersuchungsthemen zur politischen Kultur der Schweiz, wurden
in dieser Arbeit folgende Deutungsansätze herausgearbeitet: In Bezug auf das Prinzip
der Kollegialität lässt sich zur Tradition des Bundesratsausflugs sagen, dass der Anlass
eine nicht zu unterschätzende innerkollegiale Geselligkeitsfunktion wahrnimmt. Es ist
ein Anlass, der es den sieben Mitgliedern der Landesregierung und den drei Vertretern
der Bundeskanzlei ermöglicht, fernab vom geschäftlichen Alltag, in einen vertiefteren
persönlichen Kontakt zueinander zu treten und sich als Gruppe zu finden. Dies ist umso
bedeutender, in Anbetracht der hohen Anforderungen, welche das politische System der
Schweiz, an die Teamfähigkeit der Mitglieder seiner Regierungsbehörde stellt. Der
Bundesratsausflug kann als Ausdruck der innerkollegialen Bestrebungen betrachtet
werden, die durch die Regierungstätigkeit entstehenden Konflikte zu entschärfen, das
Kollegium zu stärken und die Handlungsfähig zu erhalten.
Ein Bezug zum Prinzip des kleinräumigen Föderalismus lässt sich durch die Bundespräsidentenregel herstellen. Durch diese wird die Beziehung der Person des Bundespräsidenten mit seinem Heimatgemeinwesen thematisiert. Der Bundesratsausflug und insbesondere das damit einhergehende Präsentieren des Heimatkantons durch den Bundespräsidenten kann als ein Indiz einer in der Schweiz stark verbreiteten Verwurzelung eines Politiker in seinem Heimatgemeinwesen betrachtet werden. Begründet unter anderem durch Prinzipien wie der Kantonsklausel und der Stammlanderegel, liess die kantonale Herkunft für die Karriere eines Politikers von grosser Bedeutung werden. Im Weiteren ist das Phänomen beobachtbar, dass ein Politiker durch die Wahl in den Bundesrat
zu einem gewissen Grad zu einem kantonalen, die parteipolitischen Bindungen hinter
sich lassenden Bundesrat wird. Diese starke Verwurzelung lässt sich im Speziellen bei
bürgerlichen Politikern aus kleinen ländlichen Kantonen beobachten, wo sie sowohl als
Bedingung wie auch als Folge einer Bundesratskarriere zu betrachten ist. Der Bundesratsausflug kann als eine Zeichen der Wertschätzung und als einen Akt des Dankes an
das Heimatgemeinwesen verstanden werden. Beides erbringt der Bundespräsident dadurch, dass er die Landesregierung in seinen Heimatkanton führt. Das Abhalten eines
Anlasses wie dem Bundesratsausflug ist, ähnlich demjenigen der Wahlfeiern, als eine
Gegenleistung an das kleinräumige Gemeinwesen und dessen Eliten zu verstehen. Diese
Gegenleistung erbringt der Bundespräsident dafür, dass dieses Gemeinwesen ihn durch
seine politische Karriere hindurch unterstützt und ihm den Aufstieg ins die Landesregierung ermöglicht hat.
123
Die Tradition des Bundesratsausflugs kann auch als eine symbolische Bekräftigung und
Erneuerung des Prinzips des Föderalismus betrachtet werden, als ein Ausdruck davon,
wie sich die Beziehung von Gesamtstaat und Teilstaat in der Schweiz darstellt. Den
Kontaktnahmen mit den Kantonsregierungen und anderen kantonalen Würdeträgern
kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Diese werden in der Regel so gestaltet, dass die
Bundesräte und die Behörden der Kantone sich als gleichwertige Partner begegnen. Es
geht bei der Tradition Bundesratsausflug auch darum, dass der besuchte Kanton seine
Eigenart darstellen kann, und dass diese von der Landesregierung wahrgenommen und
gutgeheissen wird. Insofern zeigt sich in diesen Ausflügen das Bestreben der Kantone,
ihre Eigenart zum Ausdruck zu bringen, aber auch gleichzeitig zur Einheit der Willensnation Schweiz beizutragen. Die Rolle der Landesregierung besteht darin, durch die
Würdigung und den Ausdruck von Wohlwollen den Kanton als Teil des Gesamtstaates
zu bestätigen.
In Bezug auf die direkte Demokratie gilt es, die so genannten Volksaperos zu betrachten. Bei diesen, ab den frühen 1990er Jahren meist zweimal pro Ausflug an zentralen
Orten einer Gemeinde abgehaltenen Anlässen, wird der Bevölkerung der besuchten Regionen die Möglichkeit geboten, mit der Landesregierung in Kontakt zu treten. Spontan
und ungehindert kann sich bei solchen Veranstaltungen jeder Bürger mit den Bundesräten austauschen. In dieser Form der Kontaktpflege, aber auch in Elementen wie den ausführlichen Verdankungen oder der bewusst nicht elitären Art des Auftretens, manifestiert sich eine Wertschätzung der Landesregierung gegenüber dem Volk. Im Wissen
darum, dass im direktdemokratisch organisierten Staat die Regierung nicht ohne die
Kooperation der Bevölkerung regieren kann, findet sich in der Institution Bundesratsausflug ein Anlass, an dem die Beziehung zwischen Regierenden und Regierten gepflegt und vertieft werden kann.
In Bezug auf das Untersuchungsthema Konkordanz/Konsens, lässt sich die Institution
Bundesratsausflug als ein Geschöpf der so genannten langen 1950er Jahre betrachten.
Zu dieser Zeit entwickelte sich vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Hochkonjunktur in der Schweizer Gesellschaft eine Mentalität des Konsenses, welche 1959 auch
zur Wahl einer Regierung nach dem Prinzip der Konkordanz führte und welche fortan
unter dem Begriff Zauberformelregierung bekannt wurde. Zwar ist die Entstehung der
Tradition Bundesratsausfluges nicht direkt auf die Zauberformelregierung zurückzuführen, aber insbesondere die inhaltliche und atmosphärische Gestaltung der Ausflüge in
den Jahren ab 1961 kann auch unter dem Aspekt der Herbeiführung eines nationalen
Konsens’ verstanden werden. Denn die in einer Mentalität des nationalen Konsens’ zu124
sammengestellte Regierung verbreitet diese Mentalität wiederum durch ihre Auftritte
und Programmgestaltung anlässlich der Bundesratausflüge; sei es durch die Wahl des
kulturellen Rahmenprogramms oder die Wahl der besichtigten Institutionen und Betriebe. Durch jede Besichtigung und jede Kontaktnahme werden Aussagen konkreter und
symbolischer Art gemacht. Aussagen, die nicht bloss die anwesenden Personen, sondern
durch die mediale Berichterstattung auch weite Teile der Bevölkerung aufnehmen. Es
sind dies einerseits Aussagen über den besuchten Kanton, aber in stärkerem Masse noch
Aussagen darüber, was das Wesen der Schweiz ausmacht, wie die Kontakte zwischen
den politischen Akteuren ablaufen, welche Gruppen und Institutionen als Stützen der
Gesellschaft betrachtet werden und viele mehr. Dabei wird eine Ästhetik gepflegt, in
der Schlichtheit, Lockerheit, Bürgernähe, manchmal auch eine gewisse Biederkeit als
positive Elemente gepflegt werden. Es ist zudem die Tendenz erkennbar, dem Geschmacksempfinden möglichst weiter Teile der Bevölkerung nahe zu kommen und ein
Gleichgewicht zwischen einem traditionellen und einem progressiven Bild der Schweiz
herzustellen. Staatsmännisches Auftreten tritt beim Anlass Bundesratsausflug in den
Hintergrund, so wie auch auf Symbole der Macht verzichtet wird. Durch die breite Akzeptanz der Tradition durch alle politischen Lager hindurch, werden die von den Medien vermittelten Bilder und Inhalte des Bundesratsausfluges breit aufgenommen und
verinnerlicht. Der Bundesratsausflug und insbesondere dessen Programmgestaltung
kann somit als ein Ausdruck einer spezifisch in der Nachkriegsschweiz zelebrierten
Form von nationalem Konsens betrachtet werden, der bis in die Gegenwart hinein
nachwirkt und Teil der politischen Kultur der Schweiz geworden ist.
Der Bundesratsausflug ist ein Anlass, der stark geprägt ist vom Element der Kontaktpflege, es kann von einem eigentlichen Ritual der Kontaktpflege gesprochen werden.
Diese Kontaktpflege findet in Bezug auf fünf Beziehungsebenen statt. Erstens sind da
die innerkollegialen Beziehungen zwischen den Bundesräten und den Vertretern der
Bundeskanzlei. Zweitens findet zwischen dem Bundespräsidenten und seinem Heimatgemeinwesen inklusive dessen Eliten eine Kontaktpflege statt. Drittens tritt der Gesamtstaat in der Form der Landesregierung mit dem Teilstaat, dem Kanton und dessen Behörden in Kontakt. Viertens ergeben sich im Rahmen des Bundesratsausflug Kontaktmöglichkeiten zwischen Landesregierung und Bevölkerung. Als Fünftes kann auch davon gesprochen werden, dass der Bundesratsausflug durch die mediale Verbreitung einer Konsensmentalität die Funktion einer nationalen Klammer einnimmt, welche die
Unterschiede zwischen den Kantonen, den sozialen und politischen Gruppen in der
Schweiz zu überbrücken versucht. Insofern kann von der Tradition Bundesratsausflug
125
als einer Kontaktpflege zwischen den verschiedenen Teilen der Gesellschaft gesprochen
werden. Bei all diesen dargestellten Beziehungen ist die Tendenz spürbar, die Form der
Kontaktpflege möglichst frei von Hierarchien und Machtunterschieden zu gestalten.
Sich möglichst auf einer gleichen Ebene begegnen zu können, ist ein feststellbares
Bestreben. Der Bundesratsausflug kann somit als eine Art „Schmiermittel“ im politischen Getriebe der Schweiz betrachtet werden. Mit Hilfe eines jährlichen Rituals wie
dem Bundesratsausflug werden die Beziehungen zwischen den politischen Akteuren
gepflegt und die Konflikte, die im politischen Tagesgeschäft entstehen, entschärft und
relativiert.
Auch wenn der Bundesratsausflug grösstenteils von konkreter Politik freigehalten wird,
ist die Tradition insofern eine politische, als sie ein Ausdruck, dass heisst eine Manifestierung oder, um auf den schon erwähnten Begriff zurückzukommen, ein Artefakt der
politischen Kultur der Schweiz ist. Als solches ist der Bundesratsausflug ein Träger und
auch ein alljährlicher Vermittler der in dieser Arbeit dargestellten Werte, Muster und
Verhaltensweisen. Natürlich sind im Phänomen Bundesratsausflug nur Teile der politischen Kultur der Schweiz erkennbar, es kann in keiner Weise davon gesprochen werden, dass in dieser Tradition eine umfassende Aussage über diese politische Kultur gemacht werden kann. Tatsache ist aber, dass die in den Untersuchungsthemen eingeführten Prinzipen der politischen Kultur im Phänomen Bundesratsausflug in der dargestellten Form ihren Niederschlag finden. Den, im Phänomen Bundesratsausflug aufscheinenden Elementen der politischen Kultur folgernd, kann man sagen, dass die Schweiz
eine politische Kultur hat, die im untersuchten Zeitrahmen eine relativ grosse Konstanz
gezeigt hat, der aber auch eine gewisse Veränderbarkeit inhärent ist. In welcher Weise
sich die Tradition Bundesratsausflug in Zukunft entwickeln könnte, soll im nächsten,
die Arbeit abschliessenden Kapitel kurz erörtert werden.
5.1.1. Ausblick des Verfassers
Wie gezeigt, war der Bundesratsausflug in den letzten 45 Jahren von einer relativ hohen
Kontinuität geprägt. Eine Kontinuität, die sich fast parallel mit der politisch äusserst
stabilen Periode der sogenannten Zauberformelregierung festmachen lässt. Die Frage,
ob und inwieweit sich die Tradition des Bundesratsausfluges in der Zukunft verändern
wird, hängt stark davon ab, wie sich die Landesregierung an und für sich entwickeln
wird, sei es in Fragen der Organisation, der politischen Kräfteverhältnisse oder nicht zuletzt der Persönlichkeiten, die in die oberste Landesbehörde gewählt werden.
126
In Bezug auf eine allfällige Veränderung der organisatorischen Voraussetzungen der
Landesregierung wird der Verlauf der seit Jahren diskutierten, aber noch nie ernsthaft
an die Hand genommenen Regierungsreform320 zu verfolgen sein. Diese wird allenfalls
eine veränderte, wenn möglich gestärkte Stellung des Bundespräsidenten, mit einer längere Amtszeit desselben mit sich bringen. Dies würde wiederum mit grosser Wahrscheinlichkeit die Bundespräsidentenregel beim Bundesratsausflug tangieren. Ebenfalls
eine Auswirkung auf die Bundespräsidentenregel könnte die kurz aufeinanderfolgende
Präsidentschaft von Bundesräten aus dem gleichen Kanton mit sich bringen. Eine solche
ist, bedingt durch die Aufhebung der Kantonsklausel, in näherer Zukunft durchaus möglich.321
Die sich seit der Mitte der 1990er Jahren abzeichnende Stärkung der politischen Pole
und die damit einhergehende Schwächung der Mitteparteien wurde mit der Abwahl von
Bundesrätin Metzler und der Wahl Christoph Blochers im Jahre 2003 auch in die Landesregierung getragen. Die Veränderung des Parteienverhältnisses nach einer jahrzehntelangen Periode der Stabilität brachte eine verstärkte „Politisierung“ der Landesregierung. Durch die Wahl Blochers wurde zudem die Praxis der Partien, Konsenspolitiker in
die Landesregierung wählen zu lassen, fallen gelassen, es kann somit damit gerechnet
werden, dass in Zukunft weitere, pointiert auftretende Führungspolitiker im Bundesrat
Einsitz nehmen werden. Es kann somit angenommen werden, dass damit einhergehend,
der innerkollegialen Atmosphäre dienenden Anlässen wie dem Bundesratsausflug eine
noch grössere Bedeutung zukommen werden. Mit der beschriebenen Polarisierung der
politischen Landschaft werden auch die, bis anhin angewandten Prinzipien von Konkordanz und Konsens nicht mehr als selbstverständlich betrachtet. So wird gelegentlich
die Forderung nach einem Wechsel zu einer Regierung im Konkurrenzsystem erhoben.
Es scheint klar, dass ein Bundesratsauflug einer Regierung im Konkurrenzsystem mit
Sicherheit einen anderen Charakter aufweisen würde als bis anhin. Denn eine solche
Landesregierung könnte bei ihrem Auftreten nicht automatisch auf die Sympathie der
grossen Mehrheit der Bevölkerung zählen.
Es wurde aufgezeigt, wie der Bundesratsausflug auch dazu beiträgt, durch die Auswahl
von Institutionen und Programmpunkten jeweils ein Bild der Schweiz zu schaffen. Damit trägt er auch zur Frage der Identität des Landes bei. Es wird interessant sein, ob, und
wenn ja, wie sich die Programmgestaltung des Ausfluges in den nächsten Jahren verändern wird, wie und ob sich Bundespräsidenten Themen, wie dasjenige der ausländische
320
Linder, Schweizerische Demokratie, 232ff.
So ist beispielsweise nicht ausgeschlossen, dass nach der Bundespräsidentschaft des Zürchers Moritz Leuenberger im Jahre 2006, im Jahre 2008 mit Christoph Blocher wieder ein Zürcher Bundespräsident wird.
321
127
Wohnbevölkerung, der nichtchristliche Religionsgemeinschaften oder der Stellung der
Schweiz in Europa, annehmen werden. Wenn es auch nicht direkt das Ziel des bundesrätlichen Ausfluges sein kann, aktuelle politische Debatten anzuregen, darf es nicht dazu kommen, dass das im Laufe des Ausflugs durch die Regierung vermittelte Bild der
Schweiz allzu weit von den Lebenswelten der Bürger entfernt zu liegen kommt. Es
bleibt weiter zu hoffen, dass der Bundesratsausflug, der durch die Nähe zwischen den
Regierungsmitgliedern und der Bevölkerung sowie durch ein grosses Medieninteresse
gekennzeichnet ist, nicht für politische Aktionen, Demonstrationen oder Ähnliches
missbraucht werden wird, und dass er auch in Zukunft seine Funktion als ein Anlass der
Kontaktpflege zwischen den politischen Akteuren dieses Landes wird wahrnehmen
können.
128
6. Anhang
6.1. Bilder der Ministerkonferenzausflüge und Bundesratsausflüge
(Abkürzungen: BP= Bundespräsident, BR= Bundesrat, BK= Bundeskanzler, VK= Vizekanzler.)
Bild 1: 19. September 1903, an Bord des Dampfschiffs Helvetia auf dem Neuenburgersee:
BR Zemp (2. v. links), BK Schatzmann (5. v. links mit Melone und weissem Hemd), BR Brenner (7. v.
links), BR Comtesse (9. v. links mit Zylinder), BP Deucher (10. v. links), BR Ruchet (11. v. links). Der
Ministerkonferenzausflug fand 1903 zum ersten Mal ausserhalb des Kantons Bern statt (Schweizerische
Landesbibliothek).
129
Bild 2: 4. September 1937, Schlegwegbad/Oberdiessbach (BE):
Vorderste Reihe vlnr.: BR Minger, BR Meyer, BR Baumann, BP Motta, BR Pilet-Golaz, BR Obrecht, BK
Bovet. Bis zum Zweiten Weltkrieg bestand der Ministerkonferenzausflug zum grössten Teil aus einem
Mahl in einem Landgasthof (Schweizerische Landesbibliothek).
130
Bild 3: 8. Juli 1970, Kronberg (AI):
Vlnr.: BR Brugger, BR N. Celio, BR Gnägi, BR Graber, BP Tschudi. Der Bundesratsausflug dient dem
lockeren Beisammensein (Keystone).
Bild 4: 1. Juli 1974, Kanton Zürich:
Im Vordergrund vlnr.: BP Brugger, BR Ritschard, BR Gnägi. Wanderungen sind ein wichtiger Bestandteil des Bundesratsausfluges (Keystone).
131
Bild 5: 2. Juli 1979, Kanton Zug:
Vlnr.: VK Buser, BR Furgler, BR Ritschard, BR Chevallaz. Bundesrat Furgler nimmt während eines
Pressetermins seinerseits die Presse ins Visier (Keystone).
Bild 6: 29. Juni 1990, Kanton Appenzell Innerrhoden:
Vlnr. inmitten einer Kinderschar: BR Ogi, BR Felber, VK Casanova, BP Koller, BR Delamuraz, BR Villiger, BR Cotti. Ab den 1990er Jahren findet vermehrt ein persönlicherer Kontakt zur Bevölkerung statt.
In diesem Fall traf sich der Bundesrat mit einer Schulklasse. Der Bundesratsausflug wird zuweilen auch
als „Schulreise“ bezeichnet (Keystone).
132
Bild 7: 1. Juli 2004, Freiburg:
Vlnr.: BR Leuenberger, BR Couchepin, BR Merz, BR Calmy-Rey, BP Deiss, BR Blocher, BR Schmid.
Im Rahmen von Bundesratsausflügen sind zuweilen auch symbolische Gesten Teil des Programms. Der
Gesamtbundesrat beim Durchqueren der Saane, welche die Sprachgrenze bildet (Keystone).
Bild 8: 30. Juni 2005, Mont Soleil (BE):
Vlnr.: BR Deiss, BR Leuenberger, VK Casanova, BR Merz, BP Schmid, BR Couchepin, BR Calmy-Rey,
BR Blocher. In jüngster Zeit bestreitet der Bundesrat vermehrt unkonventionelle Programmpunkte, wie
diese Fahrt auf Trotinetts (Keystone).
133
6.2. Zusammenstellung Bundesratsausflüge
Tabelle 1: Chronologische Auflistung der Bundesratsausflüge
Datum:
besuchte Kantone:
Bundespräsident:
Einhaltung BP-Regel:
30. Juni/1. Juli 2005
1./2. Juli 2004
3./4. Juli 2003
4./5. Juli 2002
4./5. Juli 2001
6./7. Juli 2000
24./25. Juni 1999
2./3. Juli 1998
26./27. Juni 1997
27./28. Juni 1996
28./29. Juni 1995
30. Juni/1.Juli 1994
1./2. Juli 1993
16./17 Oktober 1992
2./3. August 1991
28./29. Juni 1990
29./30. Juni 1989
30. Juni/ 1. Juli 1988
25./26. Juni 1987
13./14. August 1986
27./28. Juni 1985
28./29. Juni 1984
30. Juni/1. Juli 1983
1./2. Juli 1982
6./7. Juli 1981
Bern, Solothurn
Freiburg
Wallis
Luzern, Uri, Obwalden
Zürich
Bern, Jura, Wallis
Genf, Waadt,
Tessin, Graubünden
Appenzell Innerrhoden, St.Gallen
Waadt
Luzern
Solothurn, Baselland, Baselstadt
Bern
Neuenburg
Tessin, Schwyz
Appenzell Innerrhoden, Thurgau, St.Gallen
Waadt
Solothurn, Jura
Neuenburg
Luzern
St. Gallen
Graubünden
Neuenburg
Zürich
St. Gallen, Glarus, Schaffhausen, Thurgau,
Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden
Waadt
Zug, Schwyz
Solothurn
St. Gallen
Bern, Luzern, Uri, Freiburg, Waadt
Neuenburg
Zürich, St.Gallen
Wallis
Tessin
Bern
Glarus, Zürich, Appenzell Innerrhoden
Freiburg, Waadt
Zürich
Wallis
Aargau
Baselstadt, Baselland
Obwalden, Nidwalden, Schwyz, Uri,
Zürich, Aargau, Tessin
Waadt, Genf, Wallis
Bern
Glarus, St. Gallen, Graubünden, Tessin, Uri
Waadt
Bern
Wallis
Graubünden
Graubünden
S. Schmid
J. Deiss
P. Couchepin
K. Villiger (2)
M. Leuenberger
A. Ogi (2)
R. Dreifuss
F. Cotti (2)
A. Koller (2)
J.-P. Delamuraz
K. Villiger
O.Stich (2)
A. Ogi
R. Felber
F. Cotti
A. Koller
J.-P. Delamuraz
O. Stich
P. Aubert
A. Egli
K. Furgler (3)
L. Schlumpf
P. Aubert
F. Honegger
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
K. Furgler (2)
G.-A. Chevallaz
H. Hürlimann
W. Ritschard
K. Furgler
R. Gnägi (2)
P. Graber
E. Brugger
R. Bonvin (2)
N. Celio
R. Gnägi
H.-P. Tschudi (2)
L. v. Moos (2)
W. Spühler (2)
R. Bonvin
H. Schaffner
H.-P. Tschudi
L. v. Moos
W. Spühler
P. Chaudet (2)
F. T. Wahlen
M. Petitpierre (3)
P. Chaudet
T. Holenstein
H. Streuli
M. Petitpierre (2)
M. Petitpierre
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
nein
nein
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
ja
nein
ja
nein
nein
nein
nein
7./8. Juli 1980
2./3. Juli 1979
3./4. Juli 1978
27./28. Juni 1977
5./6. Juli 1976
7./8. Juli 1975
1./2. Juli 1974
2./3. Juli 1973
6./7. Juli 1972
28./29. Juni 1971
8./9. Juli 1970
3./4. Juli 1969
1./2. Juli 1968
3./4. Juli 1967
4./5. Juli 1966
5./6. Juli 1965
29./30. Juni 1964
2./3. Juli 1963
2./3. Juli 1962
10./11. Juli 1961
4.-6. Juli 1960
29./30. Juni 1959
5. Juli 1958
4.-6. Juli 1957
28./29. Juni 1955
12.-14. Juli 1950
-Der Kanton in fetter Schreibweise bezeichnet den Heimatkanton des Bundespräsiden. Bei Bundesräten,
die mehrmals als Bundespräsidenten amteten, ist in Klammer vermerkt, um welches Präsidialjahr es sich
handelt.
134
7. Bibliographie
7.1. Quellen
7.1.1. ungedruckte Quellen
-Bestände Bundesarchiv:
E 1 (-), E 1010 (A), E 1010 (B), E 1010 (C) Bundeskanzlei.
E 2, E 2001 (A) Politisches Departement.
E 2800 (-) Handakten Bundesrat Max Petitpierre.
-Pressecommuniques der Bundeskanzlei, Jahrgänge 1975-1994 (Eingesehen am 13. Mai
2005, im Büro von Informationschef Hansruedi Moser, Bundeskanzlei, Bundeshaus
West).
-Pressecommuniques der Bundeskanzlei, Jahrgänge 1995-2005, einsehbar unter:
<http://www.admin.ch/cp/d/index.html>, 10. Mai 2005.
-Ruth Dreifuss, Ansprache am 25. Eidgenössischen Jodlerfest vom 7. Juli 2002,
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-Gespräch mit alt Vizekanzler Achille Casanova (Bern, 11. Oktober 2005).
-Gespräch mit alt Vizekanzlerin Hanna Muralt-Müller und Fritz Mathys (Stab Chef Logistikbasis der Armee) (Bern, 1. November 2005).
-E-Mail Kontakt mit Bundesrat Moritz Leuenberger (24. Oktober 2005).
-E-Mail Kontakt mit Hansruedi Moser, Chef Information und Kommunikation der Bundeskanzlei (14. August 2005).
7.1.2. gedruckte Quellen
-Aargauer Tagblatt
-Basellandschaftliche Zeitung
-Bulletin officiel de la Ville de Neuchâtel
-Der Bund
-Emmenthaler Blatt
-Feuille d’avis de Neuchâtel
-Freiburger Nachrichten
-Gazette de Lausanne
-La Liberté
-Le Temps
-Luzerner Neuste Nachrichten
-Neue Bündner Zeitung
-Neue Zürcher Zeitung
135
-Tagwacht
-Thuner Tagblatt
-Tribune-Le Matin
7.2. Literatur
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-Alois
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-Walter Gut, Politische Kultur in Staat und Gesellschaft, Freiburg i. Ü. 1992.
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und nationale Identität“, Basel/Frankfurt a. M. 1993.
-Moritz Leuenberger, Die Rose und der Stein. Grundwerter in der Tagespolitik: Reden
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erweiterte Auflage, Bern/Stuttgart/Wien, 2005.
-Peter von Matt, Kleine Ansprache an die Mitglieder des Schweizerischen Bundesrates
am Grab von Elias Canetti, in: Öffentliche Verehrung der Luftgeister. Reden zur Literatur, München/Wien 2003.
-Thomas Meyer, Was ist Politik? 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Opladen
2003.
-Marius Risi, Alltag und Fest in der Schweiz. Eine kleine Volkskunde des kulturellen
Wandels, Zürich 2003.
-Daniela Rosmus, Die Schweiz als Bühne, Staatsbesuche und politische Kultur 18481990, Zürich 1994.
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-Werner Seitz, Die politische Kultur und ihre Beziehung zum Abstimmungsverhalten.
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-Felix Weber, Pegasus und Politik im Rathaus und im Bundeshaus, Glarus 1974.
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-Gerda Wurzenberger/Nicole Schiferer (Hg.), Die Schweiz in der Vernehmlassung. Warum wir sind, wie wir sind, Zürich 2003.
149
8. Curriculum Vitae
Am 30. Juli 1976 wurde ich in Samedan im Kanton Graubünden geboren, wo ich eingeschult wurde und die ersten beiden Schuljahre verbrachte. Nach dem Umzug der Familie nach Muri bei Bern, absolvierte ich die weiteren Schuljahre an den Schulen dieser
Gemeinde. Ab der siebten Klasse besuchte ich das Untergymnasium in Bern und später
das Wirtschaftsgymnasium Bern-Kirchenfeld, an welchem ich im Juni 1997 die Maturität des Typus E erlangte. Während der Gymnasialzeit verbrachte ich zudem ein Austauschjahr an einer High-School in Perth (Westaustralien). Nach dem Studium eines
Semesters Geographie sowie vier Semestern Rechtswissenschaft an der Universität
Bern, immatrikulierte ich mich 2001 an der Universität Freiburg für das Studium der
Gesellschaftswissenschaft. Im Rahmen diese Studiums, belegte ich neben dem Hauptfach Zeitgeschichte die Nebenfächer Religionswissenschaft und Humangeographie.
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich meine Lizentiatsarbeit selbständig und ohne unerlaubte fremde Hilfe verfasst habe.
150
Anfrage „Bundesratsreisli“
Aufgabenstellungen:
a)
b)
Wann fand die erste Bundesratsreise (in gleicher Form wie heute) statt?
Wer hat die Bundesratsreise initiiert?
Würdigung / Analyse
Die erste Bundesratsreise, in ähnlicher Form wie heute, fand im Jahr 1950 statt. Die ersten Ausflüge
des Gesamtbundesrates (in den Jahren 1950, 1955, 1957, 1958) führten jedoch nicht in die
Heimatkantone der amtierenden Bundespräsidenten. 1 Erst ab 1957 fand die Bundesratsreise
jährlich statt.
Als Ausflugziel wurde 1959 erstmals der Heimatkanton des Bundespräsidenten gewählt (sogenannte
Bundespräsidentenregel); führte damals doch der Ausflug im Präsidialjahr von Paul Chaudet in
dessen Heimatkanton Waadt. 2
Im Jahr 1960 unter dem Bundespräsidenten Petitpierre (Neuenburg) führte der Ausflug wiederum in
fünf Kantone anstelle in den Heimatkanton des Präsidenten. Die Bundespräsidentenregel wurde
somit nicht eingehalten. 3
Ab 1961 fand die Bundesratsreise jährlich statt und die Bundespräsidentenreise wurde jeweils
eingehalten. 4
Wer als Initiator der Bundesratsreise gilt, ist ungewiss. Es werden diesbezüglich zwei Thesen
vertreten: Einerseits wird Altbundesrat Philipp Etter als Initiator erwähnt. 5 Andererseits wird
Altbundesrat Max Petitpierre als Initiator genannt. 6 Diese zweite These wird aber von Michael
Brupbacher aufgrund zeitlicher Differenzen resp. Ungenauigkeiten verworfen. 7 Gemäss Brupbacher
sei es wahrscheinlich, dass Altbundesrat Philipp Etter bezüglich die Einführung der Bundesratsreise
zumindest eine wichtige Rolle eingenommen habe. Ob er jedoch tatsächlich die treibende Kraft
gewesen sei, sei heute unklar. 8
1
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 34ff / Ausflug des Bundesrates,
in: Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 1959.
2
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 37 / Ausflug des Bundesrates, in:
Neue Zürcher Zeitung, 2. Juli 1959.
3
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 37 / Der Bundesrat auf Reisen, in:
Neue Zürcher Zeitung, 7. Juli 1960.
4
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 41f.
5
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 41 / Thierry Meyer, Le bol d’air
rituel au Conseil fédéral, in: Le Temps, 30. Juni 2005.
6
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 41 / La ville de Neuchâtel
accueille le Conseil fédéral à la Grande-Joux, in : Bulletin officiel de la Ville de Neuchâtel, 17. Juli 1975.
7
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 41.
8
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 41.
Schlussfolgerungen/Antworten
Gemäss den vorangehenden Ausführungen lassen sich die gestellten Fragen wie folgt beantworten:
a)
Wann fand die erste Bundesratsreise (in gleicher Form wie heute) statt?
Die erste Bundesratsreise fand im Jahr 1950 statt, jedoch noch ohne Einhaltung der
Bundespräsidentenregel. Folglich war die erste Bundesratsreise nach heutigem Verständnis im
Jahr 1959. Seit 1961 findet die Bundesratsreise jährlich statt und führt jeweils in den
Heimatkanton des Bundespräsidenten.
b)
Wer hat die Bundesratsreise initiiert?
Der Initiator der Bundesratsreise ist unklar. Es scheint jedoch wahrscheinlich zu sein, dass
Bundesrat Philipp Etter zumindest eine tragende Rolle einnahm. 9
9
Brupbacher Michael, Der Bundesrat auf der Schulreise, Freiburg, 2006, pag. 41. / Thierry Meyer, Le bol d’air
rituel au Conseil fédéral, in: Le Temps, 30. Juni 2005.
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