RUPRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT HEIDELBERG Daniel Hengstler Untersuchung der Eigenschaften von supraleitenden Re-, Zn- und Zn:Mn-Absorbern für magnetische Mikrokalorimeter Diplomarbeit Februar 2012 KIRCHHOFF-INSTITUT FÜR PHYSIK Fakultät für Physik und Astronomie Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg DIPLOMARBEIT im Studiengang Physik vorgelegt von Daniel Hengstler aus Villingen-Schwenningen 2012 Untersuchung der Eigenschaften von supraleitenden Re-, Zn- und Zn:Mn-Absorbern für magnetische Mikrokalorimeter Die Diplomarbeit wurde von Daniel Hengstler ausgeführt am Kirchhoff-Institut für Physik unter der Betreuung von Herrn Prof. Dr. C. Enss In der vorliegenden Arbeit wurden die Eigenschaften von Re, Zn und Zn:Mn als supraleitende Teilchenabsorber für metallische magnetische Kalorimeter untersucht. Magnetische Kalorimeter sind Teilchendetektoren, die bei einer Arbeitstemperatur unter 100 mK betrieben werden. Die Energie eines absorbierten Teilchens führt zu einer Erwärmung des Detektors, die mit einer Magnetisierungsänderung eines paramagnetischen Temperatursensors einhergeht und von einem SQUID-Magnetometer nachgewiesen wird. Neben der potentiellen Bedeutung von supraleitenden Absorbern für Tieftemperaturkalorimeter wegen ihrer geringen spezifischen Wärme, ist Rhenium als Absorbermaterial von besonderem Interesse, da aus der Endpunktsenergie des β-instabilen Isotops 187 Re die Bestimmung der Neutrinomasse möglich ist. Dem Einsatz von Re und anderer Supraleiter steht bisher jedoch ein komplexes Thermalisierungverhalten nach der Absorption ionisierender Strahlung entgegen, dessen Ursache noch nicht vollständig verstanden ist. In dieser Arbeit wird der Einfluss von Kristalldefekten auf die Thermalisierung in ReEinkristallen untersucht und gezeigt, dass Tempern die längste auftretende Thermalisierungszeit kaum beeinflusst. Um zu untersuchen, ob eine Dotierung mit paramagnetischen Ionen einen beschleunigenden Effekt auf die Thermalisierungszeit hat, wurden desweiteren Detektoren mit Zn- und Zn:Mn24ppm -Absorber untersucht. Die hier diskutierten Ergebnisse bestätigen deutlich die erwartete Reduktion der Thermalisierungszeit durch die paramagnetischen Mn-Ionen. Investigation of properties of superconducting Re, Zn and Zn:Mn absorbers for magnetic microcalorimeters This thesis describes the investigation of Re, Zn and Zn:Mn for the use as superconducting absorbers for metallic magnetic calorimeters. Magnetic calorimeters are particle detectors working at temperatures below 100 mK. The energy of an absorbed particle leads to an increase of the detector temperature accompanied by a change in magnetisation of a paramagnetic temperature sensor which is detected by a SQUID-magnetometer. Besides the potential impact of superconducting absorbers for low temperature calorimeters due to their small specific heat, Rhenium is of special interest due to the possibility to determine the neutrino mass by studying the endpoint energy of the β-decaying isotope 187 Re. To date the use of Re has been prevented by the complex thermalisation following the absorption of ionising radiation, which is not yet fully understood. Within this thesis the influence of crystal defects on the thermalisation in Re single crystals is investigated and it is shown that the longest thermalisation time is barely affected by annealing. To analyse a possible reduction of the thermalisation times due to a doping with paramagnetic ions, detectors with a high purity Zn absorber and Zn:Mn24ppm absorber, respectively, have been investigated. The presented results clearly confirm the expected accelerated thermalisation due to paramagnetic Mn-ions. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Physikalische Grundlagen 3 2.1 Prinzip von Metallischen Magnetischen Kalorimetern . . . . . . . . . . 3 2.2 Detektor-Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2.1 Zylindrische Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2.2 Planare Geometrie mit mäanderförmiger Detektionsspule . . . . . . 7 Sensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.3 2.3.1 Sensormaterial Au:Er . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Magnetisierung und Wärmekapazität im Modell wechselwirkungs- 10 freier Dipole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.3.3 Modell wechselwirkender Dipole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.3.4 Einfluss der Kernspins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.3.5 Abhängigkeit der Signalgröße vom magnetischen Feld . . . . . . . . 16 Absorber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.4 2.4.1 Thermalisierung in Normalleitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.4.2 Supraleitende Absorber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.5 Detektorsignal und Rauschbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.5.1 Pulsantwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.5.2 Rauschbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.5.3 Energieauflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 i ii Inhaltsverzeichnis 3 Experimentelle Methoden 3.1 33 Kryotechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1.1 Erzeugung tiefer Temperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.1.2 Leitungsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1.3 Thermometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 SQUID-Magnetometer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.2 3.2.1 Funktionsweise eines dc-SQUIDs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3.2.2 Linearisierung des SQUID-Signals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.2.3 Zweistufiger SQUID-Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2.4 Rauschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Detektoraufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.3 3.3.1 Präparation der Absorber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.4 Aufbau des Experiments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3.5 Strahlungsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.5.1 Externe 55 3.5.2 Externe 241 3.5.3 Intrinsische 3.6 Fe-Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am-Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 43 Re-Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Präparation eines Dauerstroms in der Detektionsspule . . . . . . . . . . 44 4 Experimentelle Ergebnisse 4.1 43 Experimente mit Rhenium-Absorber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 47 4.1.1 Getemperter Einkristall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.1.2 Vergleich mit einem nicht getemperten Kristall . . . . . . . . . . . . 59 Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.2 4.2.1 Allgemeine Resultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Inhaltsverzeichnis iii 4.2.2 Zn-Absorber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 4.2.3 Zn:Mn-Absorber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4.2.4 Einfluss der Dotierung auf die Pulsform . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5 Zusammenfassung und Ausblick 85 Literaturverzeichnis 87 Danksagung 93 iv Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Das Neutrino wurde 1930 von W. Pauli postuliert, um die Energieerhaltung des BetaZerfalls zu gewährleisten. Aufgrund ihrer schwachen Wechselwirkung mit Materie dauerte es bis 1953, bis C. Cowan und F. Reines der erste experimentelle Nachweis durch den inversen Beta-Zerfall gelang. Für lange Zeit blieb unklar, ob Neutrinos eine von Null verschiedene Ruhemasse besitzen, oder wie es das Standardmodell der Teilchenphysik nahelegt, masselos sind. Die Beobachtung von Neutrino-Oszillationen im Jahr 1998 brachte schließlich den Beweis dafür, dass die Masse der Neutrinos endlich ist. Seitdem werden verstärkt Anstrengungen unternommen, die Masse des Neutrinos zu bestimmen, da hierdurch neue Erkenntnisse über eine Physik jenseits des Standardmodells erhofft werden. Eingehende Untersuchungen der Endpunktsenergie des Betaspektrums von Tritium lieferten eine obere Grenze für die Neutrinomasse von 2 eV/c2 und werden im Rahmen des KATRIN-Experiments weiterhin fortgeführt. Eine weitere komplementäre und kompetitive Möglichkeit der Endpunktsbestimmung ist die Untersuchung des Elektronenspektrums des Betastrahlers 187 Re mit Hilfe von Tieftemperatur-Mikrokalorimetern, welche von S. Vitale [Vit84] und D. McCammon [McC85] vorgeschlagen wurde. Der β-Zerfall des Isotops 187 Re zeichnet sich hierbei besonders durch seine geringe Endpunktsenergie von etwa 2,5 keV aus. Zur Untersuchung des Beta-Spektrums von Rhenium eignen sich metallische magnetische Kalorimeter, bei denen die kinetische Energie jedes emittierten β-Teilchens zu einer Temperaturerhöhung des Kalorimeters führt. Als Absorptionsmaterial für die Elektronen dient hierbei das Rhenium selbst. Bei den im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Detektoren wird die Temperaturerhöhung mit Hilfe einer paramagnetischen Au:Er-Legierung in eine Änderung eines magnetischen Flusses umgewandelt, welche mit einem sehr empfindlichen SQUIDMagnetometer gemessen wird. Auf diese Weise durchgeführte Untersuchungen zeigten jedoch einige unverstandene Eigenschaften, wie lange Abfallszeiten der Signale und eine, im Vergleich zu theoretischen Vorhersagen, verringerte Signalhöhe [Por11]. Um die Auswirkung von Kristalldefekten auf die Eigenschaften der Signale zu untersuchen, wurde im Rahmen dieser Arbeit ein metallisches magnetisches Kalorimeter in Kombination mit einem getemperten Rheniumkristall verwendet und die Ergebnisse mit einem vergleichbaren Experiment, das jedoch einen nicht getemperten Rheniumkristall benutzt, verglichen. Um weiterhin die Abhängigkeit der Signalform von der, in den Rhenium-Absorber eingetragenen, Energie zu charakterisieren, wurden die Experimente unter Verwendung einer 241 Am-Quelle untersucht, welche Röntgenphotonen über einen großen Energiebereich bis zu 60 keV emittiert. 1 2 1. Einleitung Da metallische magnetische Kalorimeter bei Temperaturen von wenigen Millikelvin betrieben werden, sind die als Quelle und Absorber dienenden Rheniumkristalle tief im supraleitenden Zustand, der eine mögliche Ursache für das beobachtete komplexe Thermalisierungsverhalten ist. Der langsame Signalabfall könnte zum Beispiel durch die Rekombination von Quasiteilchen, die durch die Absorption eines energiereichen Teilchens gebildet werden, zu Cooper-Paaren erklärt werden. Da eine Dotierung von Supraleitern mit magnetischen Verunreinigungen zusätzliche Zustände in der Energielücke erzeugt, beziehungsweise diese effektiv verringert, stellt dies eventuell eine Möglichkeit dar, um die Rekombination der Quasiteilchen in Supraleitern zu beschleunigen. Um diesen Effekt zu untersuchen, wurden zwei weitere Experimente durchgeführt, bei denen reines, ebenfalls supraleitendes Zink und mit 24 ppm Mangan dotiertes Zink als Absorbermaterial verwendet wurde. Vorangegangene Untersuchungen zeigten, dass unterhalb einer bestimmten Temperatur nicht mehr die gesamte, durch ionisierende Strahlung im Supraleiter deponierte, Energie zum Messsignal beiträgt [Cos93, Ran09]. Um das Rätsel der Thermalisierung in Supraleitern weiter zu entschlüsseln und um den vielversprechenden Effekt von magnetischen Verunreinigungen auf die Thermalisierung zu studieren wurden deshalb magnetische Kalorimeter mit Zn- und Zn:Mn-Absorber untersucht. Der Aufbau dieser Experimente wurde so gestaltet, dass ein Teil der Photonen der Energie 6 keV, die von einer 55 Fe-Quelle stammen, den Absorber durchdringen und in einer darunterliegenden normalleitenden Goldschicht absorbiert werden. Dies ermöglicht den Vergleich, der bei beiden Absorptionsereignissen detektierten Energien. In Kapitel 2 werden die theoretischen Grundlagen der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten metallischen magnetischen Kalorimeter beschrieben. Neben den thermodynamischen Eigenschaften des Au:Er-Sensors wird die Thermalisierung der Energie innerhalb des Detektors nach erfolgter Absorption eines Röntgenphotons beschrieben. Hierbei wird auf die Besonderheiten, die die Verwendung eines supraleitenden Absorbers mit sich bringen, speziell eingegangen. Die experimentelle Umsetzung wird in Kapitel 3 erläutert. Dazu gehört sowohl eine Vorstellung der verwendeten Technik zur Erzeugung tiefer Temperaturen, als auch die Prinzipien der zur Auslese der Detektoren verwendeten SQUID-Magnetometer. Weiterhin erfolgt eine Beschreibung des Aufbaus der vier Experimente und der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten radioaktiven Quellen. In Kapitel 4 werden schließlich die experimentellen Ergebnisse vorgestellt, die mit den vier Detektoren gewonnen werden konnten. Diskutiert werden sowohl grundlegende Messungen, welche Aufschluss auf wichtige Parameter der Detektoren liefern als auch Untersuchungen der Spektren, die mit Hilfe der verwendeten Röntgenquellen erlangt wurden. Weiterhin erfolgt eine ausführliche Analyse der Signalform der Detektoren mit Re-, Zn- und Zn:Mn-Absorber. 2. Physikalische Grundlagen 2.1 Prinzip von Metallischen Magnetischen Kalorimetern Metallische magnetische Kalorimeter basieren wie andere kalorimetrische Detektoren auf der Temperaturerhöhung, die ein Teilchen bei der Absorption im Detektor hervorruft. Die Temperaturänderung ist dabei umso größer, je höher die Energie des absorbierten Teilchens ist. Durch eine genaue Messung der Temperatur lässt sich somit die Energie der fraglichen Teilchen bestimmen. Bei diesen kann es sich sowohl um massive Teilchen wie Elektronen oder α-Teilchen, als auch um einzelne Photonen handeln. In Abbildung 2.1 sind die einzelnen Bestandteile eines metallischen magnetischen Kalorimeters schematisch dargestellt. Abb. 2.1: Schematische Darstellung eines metallischen magnetischen Kalorimeters. Zu Beginn steht die Absorption des Teilchens im Absorber, dessen Eigenschaften maßgeblich von der speziellen Anwendung abhängen. Zu diesen Eigenschaften gehören die Fläche, die der Detektorfläche entspricht, sowie die Dicke und das Material des Absorbers. Letztere bestimmen in Kombination die Quantenausbeute1 des Detektors. Die Temperaturerhöhung ∆T , die auf die Absorption des Teilchens erfolgt, kann 1 Der Anteil der auf den Detektor treffenden Teilchen, die auch ein Signal im Detektor auslösen. 3 4 2. Physikalische Grundlagen unter Annahme einer temperaturunabhängigen Wärmekapazität gemäß des ersten Hauptsatzes der Thermodynamik durch ∆T = ∆E Cges (2.1) beschrieben werden. Hierbei beschreibt ∆E die absorbierte Energie und Cges die Gesamtwärmekapazität des Detektors, zusammengesetzt aus den einzelnen Wärmekapazitäten des Absorbers und des Temperatursensors. Zur Bestimmung der erfolgten Temperaturänderung benötigt man eine temperaturabhängige Größe, die ihrerseits präzise messbar sein muss. Mögliche Größen sind beispielsweise der Widerstand eines Halbleiters oder der Widerstand eines Supraleiters, der im Bereich des supraleitenden Übergangs betrieben wird. Im Falle magnetischer Kalorimeter bedient man sich der Magnetisierung eines paramagnetischen Materials, dessen Dipole sich in einem externen magnetischen Feld ausrichten können. Dieser Temperatur-Sensor ist thermisch stark an den Absorber gekoppelt, um zu gewährleisten, dass sich zwischen Sensor und Absorber möglichst schnell ein thermisches Gleichgewicht einstellt. Die sich ergebende Magnetisierungsänderung ∆M ist durch ∂M ∆M ∼ ∆T = ∂T (2.2) gegeben. Diese Magnetisierungsänderung bewirkt ihrerseits eine Änderung ∂M ∆E ∆Φ ∝ ∆M ∼ = ∂T Cges (2.3) des magnetischen Flusses in einer Detektionsspule, die proportional zum ursprünglichen Energieeintrag ist und mit Hilfe eines SQUID-Magnetometers ausgelesen werden kann, worauf wir in Kapitel 3.2 eingehen werden. Um bei gegebenem Energieeintrag eine möglichst große magnetische Flussänderung im SQUID-Magnetometer zu erreichen, ist es also sinnvoll, eine möglichst kleine Wärmekapazität für den Detektor zu wählen. Deshalb ist es erstrebenswert, den Gesamtaufbau möglichst klein zu gestalten. Außerdem werden die Detektoren bei sehr tiefen Temperaturen (20 bis 100 mK) betrieben, da die spezifische Wärme bei diesen Temperaturen sehr klein ist. Desweiteren sollte zur Maximierung des Flusssignals die Magnetisierung des Sensors eine möglichst starke Temperaturabhängigkeit ∂M/∂T besitzen. Bei der Wahl des Sensormaterials scheinen paramagnetische Dielektrika wie dotiertes Yttrium-Aluminium-Granat zunächst besonders attraktiv [Büh88]. Diese besitzen jedoch aufgrund der schwachen Kopplung zwischen den magnetischen Momenten und den Phononen langsame Signalanstiegs- und Abfallszeiten. Daher sind sie für die 2.2. Detektor-Geometrie 5 meisten Anwendungen nicht geeignet, da die möglichen Zählraten des Detektors dadurch stark eingeschränkt werden. Dieses Problem kann durch metallische Sensoren, die mit paramagnetischen Ionen dotiert werden, behoben werden [Ban93]. Den Vorteil der schnelleren Thermalisierung erkauft man sich hierbei allerdings mit einer erhöhten Wärmekapazität durch das System der Leitungselektronen und verstärkter Wechselwirkung zwischen den magnetischen Momenten. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Sensoren verwendet, die mit einigen hundert ppm des Seltenerd-Metalls Erbium dotiert wurden. Mit dieser Art Detektoren wurden Anstiegszeiten von 90 ns erreicht [Fle09]. Die Abfallszeit kann hierbei durch die Stärke der thermischen Kopplung des Sensors an das Wärmebad2 weitgehend frei gewählt werden und liegt derzeit typischerweise bei etwa 1 ms. In den folgenden Kapiteln wird auf die einzelnen Bestandteile des Detektors genauer eingegangen. 2.2 Detektor-Geometrie Vom im vorigen Kapitel beschriebenen, grundlegenden Aufbau eines metallischen magnetischen Kalorimeters ausgehend, lassen sich verschiedene Geometrien verwirklichen, die sich nach der Geometrie der Detektionsschleife und der Anzahl und Form der Sensoren unterscheiden. Einige mögliche Geometrien, von denen zwei in Abbildung 2.2 zu sehen sind, werden in [Fle03] und [Fle05] vorgestellt. a) b) Ls SQUID Li B δI Sensor SQUID L I0 + δI' Sensor L Abb. 2.2: Zwei mögliche Detektorgeometrien. Links ein zylindrischer Detektor mit externer Felderzeugung. Rechts ein Detektor mit Detektionsspule in Form eines Doppelmäanders und Transformatorkopplung zum SQUID. Nähere Erläuterungen hierzu im Text. B Substrat 2.2.1 Absorber Substrat Zylindrische Geometrie Der zylinderförmige Aufbau, der in [Fle03] ausführlich beschrieben und mit dem eine Energieauflösung von 2,7 eV erreicht wurde [Lin07], ist in Abbildung 2.2 links 2 An dieses wird die eingetragene Energie abgeführt, wodurch der Detektor wieder in seinen Ausgangszustand gelangt. 6 2. Physikalische Grundlagen dargestellt. Der zylinderförmige Sensor ist von der kreisförmigen Leiterschleife eines SQUID-Magnetometers umgeben, das der Bestimmung der magnetischen Flussänderung dient. Das Magnetfeld, das für die Ausrichtung der Spins im Sensor nötig ist, wird außerhalb des eigentlichen Detektors von einer drahtgewickelten Spule erzeugt. Die gemessene Flussänderung im SQUID, die wie in Abschnitt 2.1 dargestellt, durch eine Magnetisierungsänderung des Sensors erfolgt, beträgt in diesem einfachen Fall ∆Φ = µ0 G V ∆M . R (2.4) Hierbei bezeichnet µ0 = 4π·10−7 Vs/Am die Vakuumpermeabilität, R den Radius der SQUID-Schleife und V das Volumen des Sensors. Der dimensionslose Geometriefaktor G beschreibt die Stärke der Kopplung zwischen Sensor und SQUID-Schleife und hängt hauptsächlich vom Verhältnis aus Durchmesser zu Höhe des Sensors ab. Für den Fall, dass der Durchmesser des Sensors deutlich kleiner als die SQUID-Schleife ist, liefern analytische Berechnungen G = 1/2 [Fle05]. Unter Verwendung der Gleichungen 2.1 und 2.2 erhält man ∆Φ V G ∂M µ0 = , ∆E Cges R ∂T (2.5) wobei Cges sich aus den Wärmekapazitäten des Sensors und des Absorbers zusammensetzt. Ein großer Vorteil dieser Geometrie ist die gute Kopplung zwischen Sensor und SQUID-Magnetometer. Allerdings besitzt dieses Design auch einige Nachteile. So führt die räumliche Nähe von SQUID und Sensor dazu, dass durch die Leistungsdissipation des SQUIDs (siehe Kapitel 3.2) ein zusätzlicher Wärmeeintrag im Detektor existiert. Dieser sorgt dafür, dass der Detektor und das Wärmebad thermisch entkoppeln und der Detektor typischerweise nicht unter 30 mK gekühlt werden kann. Weiterhin ist das Magnetfeld, das durch eine Magnetisierungsänderung des Sensors erzeugt wird ein Dipolfeld und fällt mit dem Abstand zum Sensor nur mit r−1 ab. Dies würde in einem Detektor-Array zu starkem Übersprechen zwischen den einzelnen Sensoren führen. Desweiteren herrscht wegen des Betriebs in einem ausgedehnten äußeren Magnetfeld am Ort des Absorbers ein großes „Streu“-Feld, das diese Geometrie für die Untersuchung supraleitender Absorber, wie sie in dieser Arbeit verwendet wurden, ungeeignet macht, da zum Beispiel das kritische Magnetfeld (siehe Kapitel 2.4.2) des Supraleiters eventuell überschritten wird. 2.2. Detektor-Geometrie 2.2.2 7 Planare Geometrie mit mäanderförmiger Detektionsspule In einer alternativen Detektor-Geometrie, die den eben genannten Anforderungen für die Untersuchung supraleitender Absorber Rechnung trägt, wird die kreisförmige Detektionsspule durch einen Mäander3 ersetzt, der zusätzlich auch der Erzeugung des Magnetfeldes dient. Dieses Prinzip und die dadurch entstehende Magnetfeldverteilung löst wie unten gezeigt viele der oben genannten Probleme eines zylindrischen Aufbaus. Bild 2.2 rechts zeigt ein Schema eines solchen Detektors. Zu sehen sind zwei parallel verschaltete, supraleitende Mäander aus Niob4 , sowie die Einkoppelspule, die parallel zu den beiden Mäandern liegt und das Signal des Detektors an das SQUIDMagnetometer weiterleitet. Eine Flussänderung innerhalb einer der beiden Mäander ruft aufgrund der Flusserhaltung in der supraleitenden Schleife einen Abschirmstrom hervor, der diesen Fluss gerade ausgleicht. Ein Teil dieses Stroms fließt durch die parallel geschaltete Einkoppelspule und erzeugt dort ein magnetisches Feld, das vom SQUID nachgewiesen werden kann. Die erzeugte Flussänderung im SQUID bei einer Flussänderung ∆Φ in einem der Mäander beträgt ∆ΦS = Mis ∆Φ . Lm + 2(Li + Lb ) (2.6) Hierbei sind Lm , Li , Ls und Lb die Induktivitäten eines Mäanders, der Einkoppelspule, des SQUIDs und der zusätzlichen Verbindungsdrähte zur Einkoppelspule (vgl. Kapitel 3.4) und Mis steht für die Gegeninduktivität zwischen Einkoppelspule und SQUID. Die indirekte Kopplung über einen Transformator ermöglicht es, das SQUID-Magnetometer auf einen getrennten Chip aufzubringen und dadurch die Erwärmung des Detektors durch Wärmeeinträge aus dem SQUID zu verringern. Wenn man beide Mäander mit identischen Sensoren versieht, sorgt das gezeigte Ausleseschema des weiteren dafür, dass das Signal, das durch die Erwärmung eines Sensors entsteht, gerade entgegengesetztes Vorzeichen zu einem Signal hat, das durch die Erwärmung des anderen Sensors erzeugt wird. Dadurch heben sich gemeinsame Temperaturschwankungen, die von außen auf den Detektor wirken, im Detektorsignal im Idealfall gerade auf. Da die beiden Mäander einen geschlossenen supraleitenden Kreis bilden, ist es zusätzlich möglich, einen Dauerstrom in diesem Kreis zu erzeugen. Dieser erzeugt das 3 Der Begriff „Mäander“ bezeichnet hierbei die gewundene Leitungsbahn aus Niob, die die Ausleseschleife bildet. 4 Niob wird unterhalb einer Temperatur von 9,2 K supraleitend. 8 2. Physikalische Grundlagen Magnetfeld, in dem sich die magnetischen Momente des Sensors ausrichten können. Wie dieser Dauerstrom erzeugt werden kann, wird in Kapitel 3.6 beschrieben. Im Bild 2.3 ist ein Querschnitt des Detektors zu sehen. Auf dem Substrat aus Saphir sind zwei Leitungsbahnen der Niob-Mäander im Querschnitt zu sehen. Durch die beiden Bahnen der mäanderförmigen Spule fließt der Strom gegenläufig. Durch eine Isolationsschicht getrennt werden die Sensoren durch Kathodenzerstäubung auf den Mäander aufgebracht, wodurch sie planar auf diesen aufliegen. Abb. 2.3: Querschnitt durch den Detektor. Zu sehen sind zwei der Mäanderstreifen aus Niob im Querschnitt, der darüber liegende Sensor, der Abstandshalter aus Gold und darüber der Absorber. Weitere Erklärungen finden sich im Text. Ebenfalls angedeutet sind die Feldlinien des Magnetfeldes, das durch den eingefrorenen Dauerstrom I0 erzeugt wird. Im Gegensatz zur Zylindergeometrie ist dieses Feld sehr inhomogen und fällt in vertikaler Richtung annähernd exponentiell ab [Fle05]. Diese Konzentration des Feldes auf das Sensorvolumen führt einerseits zu einem deutlich höheren Füllfaktor5 und damit zu einem größeren Signal. Andererseits - und für die Untersuchung von supraleitenden Absorbern von besonderer Bedeutung - wird dadurch die Feldstärke oberhalb des Sensors stark reduziert. Zur weiteren Reduzierung des Feldes am Ort des supraleitenden Absorbers befindet sich zwischen Sensor und Absorber zusätzlich eine weitere Goldschicht, um den Abstand noch weiter zu vergrößern. Dadurch liegt das Feld am Ort des Absorbers im Bereich weniger mT und ermöglicht die Verwendung supraleitender Absorber. Signalgröße Analog zu Gleichung 2.4 lässt sich auch für Detektoren mit mäanderförmiger Detektionsspule ein Ausdruck für die Flussänderung in der Detektionsspule herleiten, die auf eine Magnetisierungsänderung des Sensors folgt [Fle05]. Im Gegensatz zum einfacheren Fall des zylinderförmigen Detektors sind sowohl der Geometriefaktor als auch die Magnetisierung jetzt allerdings ortsabhängige Größen, sodass jedes Volumenelement dV des Sensors getrennt betrachtet werden muss d(∆Φ) = µ0 5 G(~r/p) ∆M (~r)dV . p Der Anteil der magnetischen Feldenergie, die sich innerhalb des Sensors befindet. (2.7) 9 2.2. Detektor-Geometrie Hierbei steht p für den Mitte-zu-Mitte-Abstand (engl. pitch) der Mäanderstreifen. Der Geometriefaktor verbindet außerdem über eine einfache Beziehung den Dauerstrom I0 , der durch die Mäanderschleifen fließt, mit dem dadurch erzeugten Magnetfeld [Bur04] B(~r) = µ0 G(~r/p) I0 . p (2.8) Wie im Falle des zylinderförmigen Sensors lässt sich mit Hilfe der Gleichungen 2.1 und 2.2 die Flussänderung in Abhängigkeit vom Energieeintrag durch das absorbierte Teilchen ausdrücken. Geht man davon aus, dass die Thermalisierung innerhalb des Sensors hinreichend schnell geschieht, sodass die Temperatur über das gesamte Sensorvolumen konstant ist, erhält man damit nach Integration über das Sensorvolumen ∆E R ∆Φ = Ca + V cs (~r)dV Z µ0 G(~r/p) ∂M (B(~r, T )) dV . p ∂T (2.9) V Hierbei beschreibt Ca die Wärmekapazität des Absorbers und cs (~r) steht für die ortsabhängige spezifische Wärme des Sensors. Das resultierende Volumenintegral ist aufgrund der Ortsabhängigkeit des Geometriefaktors und des Magnetfeldes nur numerisch und mit sehr viel Rechenzeit zu lösen. Jedoch lässt sich das Integral vereinfachen, indem man von einer Volumenintegration zu einer Integration über den Geometriefaktor G übergeht. Mit der Einführung einer Gewichtungsfunktion P (λ) und eines gewichteten Mittelwertes als Z hAiλ = P (λ)A(λ)dλ (2.10) erhält man aus Gleichung 2.9 den Zusammenhang ∆Φ V = ∆E Ca + V hcs iG G ∂M µ0 , p ∂T G (2.11) der mit reduziertem Aufwand berechnet werden kann. Als Gewichtungsfunktion dient hierbei die Häufigkeit des Auftretens der Geometriefaktoren im Sensorvolumen, die gemäß Gleichung 2.8 aus der Magnetfeldverteilung bestimmt werden kann, wobei letztere aus Finite-Elemente-Simulationen zum Beispiel mit der Software FEMM6 gewonnen werden kann. 6 Finite Element Methods Magnetics. Freeware von David Meeker; http:\\femm.berlios.de 10 2. Physikalische Grundlagen In Abbildung 2.4 sind beispielhaft zwei solcher Simulationsergebnisse gezeigt. Simuliert wurde eine mäanderförmige Spule mit Niobstreifen der Höhe 400 nm, der Breite 20 µm und einem Mitte-zu-Mitte-Abstand von 25 µm bei einem Feldstrom von 100 mA. Der Sensor ist über eine 1,5 µm dicke Isolationsschicht mit dem Mäander verbunden und ist selbst 3 µm hoch. 5 4 3 2 1 Au:Er Sensor <0,1 |B| in mT Abb. 2.4: Simulation der Magnetfeldverteilung bei einer mäanderförmigen Detektorgeometrie, links ohne supraleitenden Absorber, rechts mit supraleitendem Absorber. Die Werte, bei denen die Simulationen durchgeführt wurden, finden sich im Text. Zu sehen sind links die simulierte Magnetfeldverteilung für eine mäanderförmige Detektorgeometrie ohne supraleitenden Absorber und rechts derselbe Detektor, wobei sich auf dem Sensor zusätzlich die zuvor erwähnte abstandshaltende Schicht aus 5 µm Gold und ein supraleitender Absorber befinden. Letzterer wird durch eine perfekt ~ = rotA ~ = 0 dargestellt. diamagnetische Fläche mit der Dirichlet-Randbedingung B 2.3 Sensor Wie bereits in Abschnitt 2.1 erwähnt, besitzen die verwendeten Detektoren als temperatursensitives Element einen paramagnetischen Sensor, der sich in einem externen Magnetfeld befindet. Bei Basistemperatur ist ein Großteil der Spins entlang dieses Magnetfeldes ausgerichtet. Steigt nun die Temperatur beispielsweise durch Absorption eines Teilchens an, so werden einige der Spins thermisch angeregt und richten sich entgegen dem Magnetfeld aus, was zu einer Reduzierung der Magnetisierung des Sensors führt. 2.3.1 Sensormaterial Au:Er Der im Rahmen dieser Arbeit verwendete Sensor besteht aus hochreinem Gold, das mit dem Seltenerd-Metall Erbium dotiert wurde. Wie in Abbildung 2.5 angedeutet, nehmen bei der gegebenen geringen Konzentration (typischerweise einige Hundert 2.3. Sensor 11 bis Eintausend ppm) die Erbium-Ionen reguläre Gitterplätze im fcc-Gitter von Gold ein. Abb. 2.5: In verdünnten Au:ErLegierungen nehmen die Er-Ionen im Wirtsgitter reguläre Gitterplätze ein. In violett und orange sind die 4fbeziehungsweise 5s- und 5d-Orbitale der Er3+ -Ionen dargestellt. Dabei gibt das Erbium-Atom drei Elektronen an das Elektronengas des Wirtsmetalls ab. Das dadurch entstehende Er3+ -Ion mit der Elektronenkonfiguration [Kr]4d10 4f 11 5s2 5p6 besitzt eine nicht vollständig gefüllte 4f-Schale, die ein magnetisches Moment trägt und für die gewünschten paramagnetischen Eigenschaften verantwortlich ist. Das 4f-Orbital besitzt eine räumliche Ausdehnung von 0,6 Å [Fra76] und ist damit deutlich kleiner als die fünfte Schale mit 2 Å. Daher werden die 4fElektronen durch die weiter außen liegenden Elektronen vom umgebenden Kristallfeld des Gold-Gitters weitgehend abgeschirmt. Bei den verwendeten tiefen Temperaturen ist der Einfluss des Kristallfeldes jedoch nicht mehr zu vernachlässigen. Durch das Kristallfeld wird der entartete Grundzustand der Erbium-Ionen in mehrere Multipletts aufgefächert. Bei den beiden energetisch am tiefsten gelegenen Multipletts, einem Γ7 -Kramers-Duplett, sowie einem Γ8 -Quartett, existiert eine Energielücke, die auf verschiedene Weise bestimmt wurde. Der derzeit wohl zuverlässigste Wert stammt aus Neutronenstreuexperimenten und beträgt ∆E/kB ≈ 17 K [Hah92]. Bei den verwendeten Temperaturen von 20 mK bis 100 mK kann also in guter Näherung davon ausgegangen werden, dass die energetisch höher gelegenen Multipletts unbesetzt sind und sich das System bei Anlegen eines äußeren Magnetfeldes wie ein 2-Niveau-System mit einem Quasi-Spin S̃ = 1/2 und einem effektiven Landé-Faktor g̃ = 34/5 [Abr70] verhält. 2.3.2 Magnetisierung und Wärmekapazität im Modell wechselwirkungsfreier Dipole Die wichtigsten Eigenschaften des Sensors für metallische magnetische Kalorimeter sind die Magnetisierung (genauer deren Temperaturabhängigkeit) und die Wärmekapazität, da diese die Signalgröße bestimmen, wie aus Gleichung 2.9 ersichtlich ist. 12 2. Physikalische Grundlagen Wie in Kapitel 2.3.1 erwähnt, kann bei den Arbeitstemperaturen des Detektors davon ausgegangen werden, dass die Er3+ -Ionen in einem äußeren Magnetfeld B ein ZweiNiveau-System bilden, sodass sie eine Energieaufspaltung gemäß ∆E = g̃µB B (2.12) erfahren. Hierbei steht µB = 9,27 · 10−24 J/T für das Bohr’sche Magneton. Geht man nun zunächst davon aus, dass die einzelnen Erbium-Ionen aufgrund ihrer geringen Konzentration als voneinander unabhängig angesehen werden können, so erhält man für die Gesamtheit der Er3+ -Ionen ein kanonisches Ensemble aus N ungekoppelten Spins, das an ein Wärmebad der Temperatur T gekoppelt und nach der Boltzmann-Verteilung besetzt ist. Aus der freien Energie F = −N kB T ln z (2.13) kann unter der Berücksichtigung der Einteilchen-Zustandssumme X − Ei ∆E − ∆E z= e kB T = e 2kB T + e 2kB T (2.14) i und unter der Verwendung des Erwartungswertes hAi = Ei 1X ai · e k B T z i (2.15) einer thermodynamischen Größe A die Wärmekapazität ∂ 2F N 2 2 CZ = −T = E − hEi = N kB ∂T 2 kB T 2 ∆E kB T 2 e∆E/kB T (e∆E/kB T + 1)2 (2.16) der Er3+ -Ionen berechnet werden. In Abbildung 2.6 ist die Wärmekapazität eines Zwei-Niveau-Systems mit Energieaufspaltung ∆E = g̃µB B gegen die reduzierte Temperatur kB T /∆E aufgetragen. Auffallend ist das dominierende Maximum bei T = 0,42 ∆E/kB , das eine Höhe von CZ = 0,44 kB besitzt und als Schottky-Anomalie bekannt ist. Ebenfalls eingezeich− ∆E net sind das Tieftemperatur-Verhalten CZ ∝ e kB T sowie das Verhalten bei hohen 2 . Temperaturen CZ ∝ B T2 Auf ähnliche Weise kann die Magnetisierung berechnet werden und man erhält 1 ∂F N ∂E N M =− =− = g̃ S̃µB BS̃ (h) (2.17) V ∂B V ∂B V 13 2.3. Sensor 0.42 0.5 CZ / kB 0.44 0.4 0.3 2 B 2 T 0.2 0.1 0.0 0.0 e - E/ kBT 0.5 1.0 Abb. 2.6: Wärmekapazität eines Zwei-NiveauSystems mit Energieaufspaltung ∆E = g̃µB B als Funktion der reduzierten Temperatur kB T /∆E. 1.5 2.0 2.5 3.0 k BT / E mit der Brillouin-Funktion BS̃ = tanh(h) für S̃ = 1/2 und h = S̃g̃µB B kB T Für T → ∞ geht dies in die bekannte Curie-Näherung über M∝ B . T (2.18) In Abbildung 2.7 ist die Brillouin-Funktion für den Fall S̃ = 1/2 dargestellt. 1.5 Curie S = 1/2 Abb. 2.7: Brillouin-Funktion BS̃ = tanh(h) für S̃ = 1/2, die die Magnetisierung eines Systems aus N unabhängigen magnetischen Momenten in einem externen Magnetfeld B beschreibt. Ebenfalls eingezeichnet ist die Curie-Näherung für kleine h, das heißt hohe Temperaturen bzw. kleine Magnetfelder. 1.0 BS(h) Brillouin 0.5 0.0 0 1 2 3 4 h Für große Werte des Parameters h, also für große Feldstärken oder tiefe Temperaturen, erkennt man eine Sättigung, die dadurch entsteht, dass alle Dipole des Systems entlang des Magnetfeldes ausgerichtet sind. Im Bereich kleiner Werte von h ist zusätzlich die Curie-Näherung eingezeichnet. 2.3.3 Modell wechselwirkender Dipole Die im vorigen Kapitel hergeleitete Wärmekapazität und Magnetisierung von Au:Er im Modell wechselwirkungsfreier magnetischer Momente geben das qualitative Verhalten der metallischen magnetischen Kalorimeter gut wieder, können jedoch das quantitative Verhalten nur unzufriedenstellend beschreiben. 14 2. Physikalische Grundlagen Grund hierfür sind die nicht zu vernachlässigenden Wechselwirkungen zwischen den Er3+ -Ionen. Diese basieren hauptsächlich auf zwei verschiedenen Effekten. Einerseits die magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung und andererseits die indirekte RKKYWechselwirkung 7 [Rud54][Kas56][Yos57], bei der die Kopplung zwischen den einzelnen Er3+ -Ionen über eine Polarisation der Leitungselektronen des Gold-Wirtsgitters erfolgt. Eine genauere Beschreibung der beiden Effekte findet sich in [Fle03]. Bezieht man diese beiden Effekte ein, so sind die daraus entstehenden Gleichungen nur noch numerisch lösbar. In [Fle03] wurden Berechnungen auf einem endlichen Gitterausschnitt und zufällig darin verteilten Dipolen durchgeführt und durch numerische Diagonalisierung des Hamilton-Operators wurde sowohl die Wärmekapazität als auch die Magnetisierung des Systems bestimmt. Magnetisierung M [A/m] 500 12,8 mT 400 5,14 mT 300 2,58 mT 200 100 0 0,87 mT 0 20 40 60 80 inv. Temperatur T -1 100 -1 120 [K ] Abb. 2.8: Wärmekapazität (links) und Magnetisierung (rechts) eines Au:Er-Sensors mit einer Konzentration von 300ppm. Die Linien zeigen numerisch berechnete Werte, während die Punkte experimentelle Messwerte darstellen. In Abbildung 2.8 links ist die dadurch ermittelte spezifische Wärme gegen die Temperatur aufgetragen. Die als durchgezogene Linien dargestellten Berechnungen wurden für einen Sensor mit einer Erbium-Konzentration von 300 ppm bei verschiedenen Magnetfeldern durchgeführt. Im Vergleich mit Abbildung 2.6 kann man gut den qualitativ ähnlichen Verlauf erkennen, auch wenn die Schottky-Anomalie hier deutlich breiter ausfällt. Ebenfalls eingezeichnet sind die Beiträge der Leitungs-Elektronen und des Wirtsgitters zur Wärmekapazität des Sensors, die jedoch beide untergeordnete Bedeutung haben. Die Magnetisierung in Abhängigkeit von der inversen Temperatur ist in Abbildung 2.8 rechts dargestellt. Auch hier ist klar die Ähnlichkeit mit der Brillouin-Funktion aus Abbildung 2.7, die die Magnetisierung im Falle nicht-wechselwirkender Dipole 7 Benannt nach ihren Entdeckern M. A. Rudermann, C. Kittel, T. Kasuya, K. Yosida 2.3. Sensor 15 beschreibt, erkennbar. Allerdings ist unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen der Wert der Magnetisierung im Tieftemperaturbereich um etwa 10% verringert. Neben den berechneten Daten der Wärmekapazität und der Magnetisierung sind in Abbildung 2.8 in Form von Symbolen auch experimentelle Messwerte eingezeichnet. Aufgrund der guten Übereinstimmung der Messergebnisse mit den berechneten Daten, kann davon ausgegangen werden, dass die Eigenschaften eines Au:Er-Sensors gut verstanden sind. 2.3.4 Einfluss der Kernspins Die Betrachtungen in den letzten beiden Kapiteln gelten nur für Erbium-Ionen ohne Kernspin. Allerdings besteht natürlich vorkommendes Erbium zu einem Anteil von 23% aus 167 Er, dessen Kerne einen Spin von I = 7/2 besitzen. Dies hat durch die Wechselwirkung zwischen den 4f-Elektronen und den Kernspins Auswirkungen sowohl auf die Wärmekapazität als auch die Magnetisierung des Detektors. Eine ausführlichere Diskussion findet sich in [Fle03]. Auf Elektronen-Spin-Resonanz-Messungen [Sjö75] basierende Berechnungen des Γ7 Dupletts von 167 Er in Gold sind in Abbildung 2.9 links zu sehen. Befindet sich dieses System in einem äußeren Magnetfeld, so erfährt das Duplett eine Energieaufspaltung in zwei verschiedene Gruppen. Bei Energieaufnahme des Systems ist es deshalb möglich, dass eine Anregung von der unteren Gruppe (Gesamtdrehimpuls F = 4) in die obere Gruppe (F = 3) stattfindet, bei der nicht zwingend eine Magnetisierungsänderung erfolgen muss. Dies führt zu einer Reduzierung der Signalgröße des Detektors. Die Auswirkungen auf die Wärmekapazität sind in Abbildung 2.9 rechts dargestellt. Zu erkennen ist ein dominantes Maximum, das auch schon bei Nichtberücksichtigung des Kernspins zu sehen ist (vgl. Abb. 2.8 links). Bei etwa 55 mK zeigt sich jedoch noch ein weiteres Maximum, das auf die oben genannten Übergänge zwischen den Niveaus mit F = 3 und F = 4 des Isotops 167 Er zurückzuführen ist. Da der Arbeitsbereich der Detektoren aber genau in diesen Temperaturbereich fällt, führt die erhöhte Wärmekapazität zu einer Reduktion des Detektorsignals. Die in dieser Arbeit verwendeten Detektoren benutzen deshalb mit 168 Er angereichertes Au:Er, dessen Erbium nur noch einen Anteil von 1,2 %8 an 167 Er besitzt. 8 Nach Angaben des Herstellers Oak Ridge National Laboratory, Oak Ridge, TE 37831, USA. 16 167 3 3 3 3 3 3 3 4 Er 0.1 0.0 -3 -2 -1 0 +1 +2 +3 +4 F mF 4 +3 4 +2 4 +1 4 0 4 -1 4 -2 4 -3 4 -4 -0.1 -0.2 0 200 400 Magnetfeld B [G] 600 20 Au:Er 480ppm 16 10.6 mT 6.6 mT 3.9 mT 2.5 mT 1.9 mT -4 Energie EF mF / kB [K] 0.2 -1 -1 Spezifische Wärme c [10 J mol K ] 2. Physikalische Grundlagen 12 8 4 0 0 20 40 60 80 100 Temperatur T [mK] Abb. 2.9: (Links) Hyperfeinstrukturaufspaltung des Γ7 -Dupletts von Au :167 Er in Abhängigkeit vom Magnetfeld. (Rechts) Daraus resultierende spezifische Wärme eines Au:ErSensors mit natürlicher Erbium-Zusammensetzung bei einer Konzentration von 480ppm und verschiedenen Magnetfeldern [Fle99] [Ens00]. 2.3.5 Abhängigkeit der Signalgröße vom magnetischen Feld In Kapitel 2.2.2 wurde gezeigt, wie eine Magnetisierungsänderung des Sensors zu einer Flussänderung wird, die anschließend von der Detektionsspule ausgelesen wird. In diesem Abschnitt wird diskutiert, wie diese Magnetisierungsänderung vom externen Magnetfeld abhängt. Die Temperaturerhöhung, die durch ein absorbiertes Teilchen erfolgt, hängt nach Gleichung 2.1 von der Gesamtwärmekapazität des Detektors ab. Da die thermische Kopplung zwischen den verschiedenen Systemen, die zur Wärmekapazität beitragen, sehr stark ist, kann davon ausgegangen werden, dass sich diese schon nach kurzer Zeit im thermischen Gleichgewicht befinden. Damit gilt für die Energie EZ , die bei einer absorbierten Energie E im Spinsystem der Erbium-Ionen gespeichert wird EZ = CZ CZ E= E. Cges CZ + Cph + Ce (2.19) Hierbei ist CZ die Wärmekapazität des Zeeman-Systems wie in den vorigen Kapiteln beschrieben, während Cph und Ce für die phononische beziehungsweise elektronische Wärmekapazität sowohl des Sensors als auch des Absorbers stehen. Diese beiden Beiträge können als magnetfeldunabhängig angesehen werden. Durch diese Energie EZ werden magnetische Momente im Au:Er-Sensor in den angeregten Zustand angehoben und tragen zu einer Magnetisierungsänderung bei. Unter 2.3. Sensor Verwendung von Gleichung 2.12 folgt 1 CZ (B) E 1 EZ g̃µB = . ∆M = V ∆E V CZ (B) + Cph + Ce B 17 (2.20) In Abbildung 2.10 ist die Änderung des magnetischen Moments δm = V ∆M eines Detektors mit Au:Er600ppm -Sensor und Gold-Absorber für verschiedene Temperaturen und bei einem Energieeintrag von E = 6 keV gegen das externe Magnetfeld aufgetragen. Magn. Moment δm [109µB] 50 40 T=30 mK 30 Abb. 2.10: Magnetisches Moment eines 200 × 200 × 5 µm3 großen Au:Er-Sensors mit einer Konzentration von 600 ppm, auf den ein Absorber aus Gold mit demselben Volumen aufgebracht wurde. Die eingebrachte Energie beträgt 6 keV. 20 T=50 mK 10 0 0 2 4 6 8 Magnetfeld B [mT] 10 12 Für kleine Magnetfelder (B kB T /g̃µB ) steigt die Wärmekapazität der ErbiumIonen gemäß Gleichung 2.16 mit CZ ∝ B 2 an. Zusammen mit Gleichung 2.20 ergibt sich ein linearer Anstieg der Signalgröße δm ∝ B. Bei größer werdendem Magnetfeld steigt die Wärmekapazität der Erbium-Ionen immer weiter an, bis CZ Cph + Ce gilt, was zu einem abfallenden Verhalten δm ∝ 1/B führt. In extrem großen Feldern (B kB T /g̃µB ) fällt die Signalgröße sogar exponentiell ab, da die SchottkyWärmekapazität in diesem Bereich mit wachsendem Magnetfeld exponentiell verschwindet. Es gibt also ein Magnetfeld, bei dem die Magnetisierungsänderung und somit die Größe des Detektorsignals für einen gegebenen Energieeintrag in den Detektor maximal wird. Unter der Annahme nicht wechselwirkender Dipole, wie sie in Kapitel 2.3.2 gemacht wurde, wird dieses Maximum erreicht, wenn CZ (B, T ) = Cph (T ) + Ce (T ) (2.21) gilt, wenn also die Wärmekapazität der magnetischen Momente gerade so groß ist wie die restliche Wärmekapazität des Detektors. Wie in Abbildung 2.10 zu erkennen ist, verschiebt sich das Maximum mit zunehmender Temperatur zu höheren Magnetfeldern. Dies ist auf die Zunahme der phononischen und der elektronischen Wärmekapazität bei steigender Temperatur zurückzuführen. 18 2. Physikalische Grundlagen 2.4 Absorber Der Absorber eines magnetischen Kalorimeters befindet sich in engem thermischen Kontakt mit dem Sensor und dient der Absorption der zu detektierenden Teilchen. Deren Energie wird im Absorber in Wärme umgewandelt und an den Sensor weitergeleitet, wo die Temperaturänderung, wie im letzten Kapitel beschrieben, als eine Änderung der Magnetisierung gemessen wird. Prinzipiell könnte auf einen getrennten Absorber verzichtet und das Teilchen direkt im Sensor absorbiert werden. Da jedoch die spezifische Wärme von Au:Er verhältnismäßig hoch ist, wären die erzielten Detektorvolumina recht klein. Es ist daher wünschenswert einen weiteren Detektor-Bestandteil zu besitzen, dessen Eigenschaften aus einem größeren Parameterbereich gewählt werden können. Zu diesen Eigenschaften gehören die spezifische Wärme, die Detektionsfläche und vor allem die Dicke des Absorbers, die zusammen mit dem Absorber-Material die Quanteneffizienz des Detektors bestimmt. Im Folgenden sollen einige Eigenschaften von normal- und supraleitenden Absorbern kurz zusammengefasst werden. 2.4.1 Thermalisierung in Normalleitern Die Energieabsorption und anschließende Thermalisierung zu einem Gleichgewichtszustand erfolgt über mehrere Zwischenschritte und wird in [Koz11, Koz00b] beschrieben. Für den Fall, dass das absorbierte Teilchen ein Röntgenquant ist, wird zuerst über den Photoeffekt ein Elektron aus der Atomhülle eines Absorber-Atoms geschlagen. Die Thermalisierung dieses hochenergetischen Photoelektrons erfolgt dann auf die selbe Weise wie bei der direkten Absorption eines massiven Teilchens. Die erste Phase der Thermalisierung beruht hauptsächlich auf Elektron-ElektronWechselwirkung und erfolgt zu etwa gleichen Teilen über Sekundärionisation und durch kaskadierte Emission von Plasmonen9 . Die entstandenen Plasmonen zerfallen schnell weiter zu stark wechselwirkenden Elektron-Loch-Paaren, die ihrerseits schnell rekombinieren. Während der nun folgenden Thermalisierung der Elektronen und Löcher über Elektron-Elektron-Streuung steigt der Wirkungsquerschnitt für Elektron-Phonon-Prozesse an, wodurch eine große Anzahl an hochenergetischen Phononen10 erzeugt wird. Da diese Phononen verhältnismäßig langlebig sind, wird nach kurzer Zeit der Großteil der absorbierten Energie von dieser athermischen Phononenblase getragen und nur ein kleiner Teil verbleibt im Elektronensystem. 9 10 Kollektive Schwingungsanregungen im Fermigas. Die Frequenz der Phononen liegt hierbei in der Nähe der Debye-Frequenz ωD . 2.4. Absorber 19 Bei weiterer Thermalisierung der Phononen und Elektronen entstehen durch Phononenabsorption wiederum viele angeregte Elektronen, die im Folgenden durch Elektron-Elektron-Wechselwirkungen untereinander und mit den Elektronen des Sensors thermalisieren. Die gesamte hier beschriebene Prozess-Kette läuft auf Zeitskalen ab, die von metallischen magnetischen Kalorimetern nicht aufgelöst werden können, da deren Signalanstieg durch die Korringa-Relation beschränkt ist. 2.4.2 Supraleitende Absorber Normalleitende Absorber sind jedoch aufgrund ihrer verhältnismäßig großen spezifischen Wärme Einschränkungen unterworfen was ihre Größe angeht. Mit zunehmendem Volumen steigt auch die Wärmekapazität, was sich nach Gleichung 2.11 nachteilig auf die Signalgröße auswirkt. Daher lohnt die Untersuchung von supraleitenden Materialien, bei denen im Gegensatz zu normalleitenden Metallen die Elektronen bei Temperaturen weit unter Tc nicht mehr zur Wärmekapazität beitragen. Da außerdem die phononische Wärmekapazität bei den verwendeten tiefen Temperaturen vernachlässigbar klein ist, könnte das Volumen des Absorbers bei gleicher Wärmekapazität deutlich größer gewählt werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Eigenschaften von Supraleitern im Hinblick auf ihre Verwendung als Absorber für metallische magnetische Kalorimeter erläutert. Grundlegende Eigenschaften Der Effekt der Supraleitung wurde 1911 von H. K. Onnes entdeckt [Onn11], als er Quecksilber mit Hilfe von flüssigem Helium abkühlte und dabei feststellte, dass der Widerstand der Probe bei einer kritischen Temperatur Tc um mehrere Größenordnungen abnahm. Neben dieser Widerstandslosigkeit zeigen Supraleiter auch annähernd das Verhalten eines perfekten Diamagneten. Externe Magnetfelder werden bis zu einer kritischen Feldstärke Bc aus dem supraleitenden Material verdrängt [Mei33]. Diese beiden Effekte wurden 1935 phänomenologisch durch F. London und H. London durch die sogenannten London-Gleichungen beschrieben [Lon35], bevor 1950 mit der Ginzburg-Landau-Theorie eine weitere makroskopische Theorie vorgestellt wurde [Gin50]. Erst 1957 gelang J. Bardeen, L. N. Cooper und J. R. Schrieffer eine zufriedenstellende mikroskopische Erklärung der Supraleitung durch die BCS-Theorie [Bar57]. Nach dieser Theorie koppeln die Leitungselektronen des Metalls über Phononen zu sogenannten Cooper-Paaren, die für den verlustfreien Stromtransport zuständig sind. Diese Cooper-Paare besetzen einen gemeinsamen Grundzustand, der durch eine Energielücke vom Kontinuum der freien Elektronen getrennt ist. 20 2. Physikalische Grundlagen Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten von metallischen Supraleitern. Bei den Supraleitern erster Art gibt es nur eine supraleitende Phase. Wie bereits oben erwähnt, werden in dieser Phase externe Magnetfelder weitestgehend aus dem Supraleiter verdrängt. Dieser Meißner-Ochsenfeld-Effekt erfolgt durch Ausbildung von Abschirmströmen, die entlang der Oberfläche des Supraleiters fließen und ein Gegenfeld induzieren, wodurch das äußere Feld im Supraleiter auf der Skala der London’schen Eindringtiefe11 exponentiell abfällt. Ab einer kritischen Feldstärke Bc (T ) = Bc (0) 1 − T Tc 2 ! (2.22) geht das Metall jedoch in den normalleitenden Zustand über. Im Gegensatz dazu zeigen Supraleiter zweiter Art zwei unterschiedliche supraleitende Phasen. Unterhalb einer Feldstärke Bc1 , in der sogenannten Meißner-Phase, unterscheiden sie sich nicht von Supraleitern erster Art. In einem Bereich bis zu einem höheren Feld Bc2 zeigen Supraleiter zweiter Art jedoch abweichendes Verhalten. In dieser Shubnikov-Phase wird der Strom zwar weiterhin durch Cooper-Paare getragen, das Magnetfeld kann jedoch in Form von Flussschläuchen in den Supraleiter eindringen. 11 Typische Größen liegen hier im Bereich von 10 bis 100 nm. 21 2.4. Absorber Spezifische Wärme Die Bildung von Cooper-Paaren hat auch einen entscheidenden Einfluss auf die spezifische Wärme eines Supraleiters. Die spezifische Wärme eines normalleitenden Metalls wird durch Cnl = γT + βT 3 (2.23) beschrieben. Sie setzt sich zusammen aus der spezifischen Wärme der Elektronen, die proportional zu T zunimmt, und der spezifischen Wärme der Phononen Cph ∝ T 3 . Letztere ist bei tiefen Temperaturen jedoch vernachlässigbar (vgl. Abbildung 2.8). Im Falle von Supraleitern hingegen folgt die spezifische Wärme der Beziehung Csl = Ces + βT 3 (2.24) wobei die spezifische Wärme der Elektronen Ces = aγTc e−bTc /T (2.25) aufgrund der Energielücke ∆0 = bTc für T Tc einen exponentiellen Abfall hin zu tiefen Temperaturen zeigt. Bei T = Tc selbst besitzt die Wärmekapazität einen Sprung mit Ces − γTc = 1,43 . (2.26) γTc Tc In Abbildung 2.11 ist der Beitrag der elektronischen Wärmekapazität für Supraleiter und normalleitende Metalle skizziert. Abb. 2.11: Reduzierte elektronische Wärmekapazität eines Supraleiters (rot) und eines normalleitenden Metalls (schwarz), aufgetragen über der reduzierten Temperatur. 22 2. Physikalische Grundlagen Energie-Umwandlung Betrachtet man die Thermalisierung in einem supraleitenden Absorber, so stellt man einen wichtigen Unterschied zur in Abschnitt 2.4.1 beschriebenen Thermalisierung in normalleitenden Metallen fest. Auf die Bildung der athermischen Phononenblase folgt eine Phase, in der die schwach gebundenen Cooper-Paare durch Wechselwirkung mit den Phononen aufgebrochen werden. Eine ausführliche Beschreibung dieser Prozesse findet sich in [Koz00b, Koz00a]. Zu Beginn werden die hochenergetischen Phononen durch Aufbrechen von CooperPaaren absorbiert. Die dabei entstehenden Quasiteilchen geben ihre Energie in Form von niederenergetischen Phononen ab. Dies geschieht mit der charakteristischen Zeitkonstante tI . In der anschließenden Phase (mit der Zeitkonstanten tII ), die dadurch geprägt ist, dass das Phononensystem seine gespeicherte Energie verliert, werden weitere CooperPaare aufgebrochen. Hierbei entstehen in großer Zahl Quasiteilchen, welche unter Abgabe von niederfrequenten Phononen semistabile Quasiteilchen-Zustände mit relativ langen Lebensdauern besetzen. Die darauf folgende Rekombination der Quasiteilchen zu Cooper-Paaren durch Abgabe weiterer Phononen ist entscheidend für die Zeit, die der Absorber benötigt, um die gespeicherte Energie an den Sensor weiterzugeben und wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren. Für den Fall eines unendlich großen Supraleiters im thermischen Gleichgewicht werden in [Kap76] charakteristische Zeitkonstanten, sowohl für die Relaxation der Quasiteilchen zur Energielücke als auch für die nachfolgende Rekombination zu CooperPaaren hergeleitet. Für die Relaxation bei tiefen Temperaturen gilt in erster Näherung τ0 (T ) ∼ =Γ τs s 7/2 7 7 kB Tc T ζ . 2 2 2∆(0) Tc (2.27) Hierbei steht ∆(0) für die halbe Energielücke bei T = 0, Tc für die kritische Temperatur und τ0 für eine Zeitkonstante, die nur von Materialeigenschaften abhängt. Für die Rekombination der Quasiteilchen gilt √ τ0 (T ) ∼ = π τr s 2∆(0) kB Tc 5 T Tc 1/2 e ∆(0) BT −k . (2.28) In Abbildung 2.12 ist der Temperaturverlauf der beiden Zeitkonstanten für Zink aufgetragen. Die starke Temperaturabhängigkeit besonders der Rekombinationszeiten über mehrere Größenordnungen ist gut ersichtlich. 23 Relaxations-/ Rekombinationszeit [s] 2.4. Absorber 10 6 10 4 10 2 10 0 Rekombination Abb. 2.12: Zeitkonstanten der Relaxation der Quasiteilchen zur Energielücke, sowie der Rekombination zu Cooper-Paaren nach [Kap76]. Relaxation 10 -2 0.00 0.05 0.10 0.15 Temperatur T [mK] Für einige supraleitenden Materialien sind die verschiedenen Zeitkonstanten, die bei der Thermalisierung eine Rolle spielen, in Tabelle 2.1 aufgelistet. Element Zink Aluminium Zinn Tc (K) 0,875 1,19 3,75 tI (ps) tII (ps) 900 10000 86,1 1300 160 21,8 τ0 (ns) 780 438 2,30 τs [ms] 8,4 14 4,7 τr [s] 2 · 105 2 · 1010 1 · 1062 Tab. 2.1: Sprungtemperatur und Zeitkonstanten der Thermalisierung für einige supraleitende Materialien. Daten entnommen aus [Koz00a] (tI , tII ) und [Kap76] (τ0 ). Neben den eben erwähnten Konstanten für die Relaxation und die Rekombination der Quasiteilchen sind auch die Konstanten tI und tII aufgeführt. Wie man sehen kann, geschehen die dazugehörigen Prozesse, die in Abschnitt 2.4.1 beschrieben werden, auf so kurzen Zeitskalen, dass sie für die Untersuchung mit den verwendeten Detektoren keine Rolle spielen. Die Relaxationszeiten hingegen sind in etwa so groß, wie die üblichen Signalabfallszeiten, während die Rekombination um viele Größenordnungen langsamer sein sollte. Experimentell konnten solch extrem lange Abfallszeiten jedoch bisher nicht nachgewiesen werden. Über einer empirischen Temperatur von 2·10−4 ΘD , die von der DebyeTemperatur ΘD abhängt, unterscheidet sich das Abklingverhalten supraleitender Absorber nicht merklich von Detektoren mit normalleitendem Absorber [Cos93, Ran09]. Unterhalb dieser Temperatur scheint ein Teil der eingebrachten Energie erst auf längeren Zeitskalen den Absorber zu verlassen, jedoch deutlich schneller als von obiger Theorie vorhergesagt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Gleichungen 2.27 und 2.28 für einen perfekten Kristall hergeleitet wurden. Die in den Experimenten verwendeten Absorber weichen davon aufgrund ihrer endlichen Größe und durch die Anwesenheit von Kristalldefekten und magnetischen Restfeldern, welche zur Bildung von Flussschläuchen führen können, ab. 24 2. Physikalische Grundlagen Dotierung mit magnetischen Verunreinigungen Wie weiter oben gesehen, kann das Aufbrechen von Cooper-Paaren zu Quasiteilchen und deren langsame Rekombination zu sehr langen Thermalisierungszeiten des Absorbers führen. Dies sorgt dafür, dass die im Absorber gespeicherte Energie nur sehr langsam an den Sensor weitergegeben wird, was Detektoren mit supraleitenden Absorbern für hohe Zählraten ungeeignet erscheinen lässt. Bereits 1961 entdeckten Abrikosov und Gor‘kov den Einfluss von magnetischen Verunreinigungen auf die Eigenschaften von Supraleitern und sagten die Bildung von zusätzlichen, lokal begrenzten Energiezuständen innerhalb der Energielücke des Supraleiters voraus [Abr61]. Von A.G. Kozorezov et al. wurde in [Koz09b] und [Koz09a] ausführlich beschrieben, wie solche Zustände die Rekombinationszeit von Quasiteilchen deutlich verkürzen können. In Abbildung 2.13 ist eine schematische Darstellung der Streuprozesse zu sehen, die durch die zusätzlichen Energieniveaus ermöglicht werden. Abb. 2.13: Schematische Darstellung der zusätzlichen Energiezustände durch magnetische Verunreinigungen und des zusätzlichen Rekombinationsprozesses der Quasiteilchen nach [Koz09a]. Links Einfangen eines Quasiteilchens in einem lokalen Zustand. Rechts Rekombination zu einem Cooper-Paar mit Hilfe eines bereits gefangenen Quasiteilchens. Dargestellt ist der Grundzustand der gebundenen Cooper-Paare, das Kontinuum der Quasiteilchen und dazwischen ein möglicher zusätzlicher Energiezustand 0 , der durch die Dotierung entsteht. Links ist zu sehen, wie ein Quasiteilchen unter Abgabe eines Phonons in einem zusätzlichen Zustand gefangen und dabei lokalisiert wird. Im rechten Schema rekombiniert ein Quasiteilchen aus dem Energiekontinuum mit einem weiteren Quasiteilchen, das in einem solchen Zustand gefangen ist, zu einem Cooper-Paar. 25 2.4. Absorber Die durch die Zwischenzustände deutlich beschleunigte Rekombination wird durch Rt nt,T (∆) ∝c RnT r 2∆ exp πkB T ∆ − 0 ∆ + 0 kB T 2∆ (2.29) beschrieben. Hierbei sind RnT und Rt nt,T die Rekombinationsraten für die direkte Rekombination zweier ungebundener Quasiteilchen beziehungsweise die Rekombination zwischen einem ungebundenen und einem gebundenen Quasiteilchen. Die Konzentration der Verunreinigungen wird durch den dimensionslosen Parameter c beschrieben, ∆ steht für die Energielücke und 0 für die Energie der zusätzlichen Zustände. Durch die exponentielle Abhängigkeit von ∆ − 0 sollten sich bereits kleine Konzentrationen an Verunreinigungen stark auf die Rekombinationsgeschwindigkeit und damit auf die Abklingzeit des Detektors auswirken. Neben der beschleunigten Rekombination hat die Dotierung mit magnetischen Atomen auch eine Auswirkung auf die kritische Temperatur von Supraleitern. So wird durch das Einbringen der zusätzlichen Zustände effektiv die Energielücke verringert und die Sprungtemperatur gesenkt. Dieser Effekt konnte an mehreren Supraleitern, die mit verschiedenen magnetischen Übergangsmetallen dotiert wurden, beobachtet werden [Boa66]. Diese Absenkung wird durch ein theoretisches Modell von Müller-Hartmann et al. beschrieben [MH71]. Demnach sinkt die Sprungtemperatur zuerst linear mit steigender Konzentration bevor sie dann einen schnellen Abfall erfährt. Eigenschaften der verwendeten Supraleiter In Tabelle 2.2 sind einige relevante Parameter der im Rahmen dieser Arbeit verwendeten supraleitenden Materialien aufgelistet. 3 Dichte [g/cm ] Kristallstruktur Absorptionslänge für 6 keV-Photonen [µm] Absorptionslänge für 60 keV-Photonen [µm] Debye-Temperatur ΘD [K] Kritische Temperatur Tc [K] Rhenium 21,0 hcp 1,3 123 430 1,70 Zink 7,14 hcp 10,9 796 327 0,85 Tab. 2.2: Einige Parameter der verwendeten Materialien im Überblick. Daten entnommen aus [Win07], [Hub96] und [Kit05]. 26 2. Physikalische Grundlagen Rhenium Eine große Attraktivität von Rhenium für die Verwendung als Absorber für Tieftemperaturkalorimeter liegt in dessen natürlicher Isotopenzusammensetzung begründet. Diese enthält zu 63 % das instabile Isotop 187 Re, welches durch die niedrige Endpunktsenergie seines β-Spektrums (vgl. Kapitel 3.5) ein idealer Kandidat zur Bestimmung der Neutrinomasse ist [Por11]. Allerdings zeigen Absorptionsereignisse in Rhenium einige seltsame Auffälligkeiten, die trotz eingehender Untersuchung noch nicht abschließend geklärt werden konnten [Por07, Kir10, Por11]. Eine weitere Besonderheit von Rhenium stellen die elektrischen Kern-Quadrupolmomente der beiden Isotope 185 Re und 187 Re dar, welche für zusätzliche Beiträge zur Gesamtwärmekapazität sorgen. Nach [GH71] beträgt die gesamte spezifische Wärme von normalleitendem Rhenium C = 41(T /K)−2 + 0,034(T /K)−1 + 2290(T /K) + 27(T /K)3 µJ . mol · K (2.30) Die ersten beiden Terme gehen auf die Kern-Quadrupolmomente zurück, die restlichen beiden auf die Leitungselektronen beziehungsweise Phononen. Die Kopplung der Quadrupole an das Kristallgitter ist nur sehr schwach. Da im supraleitenden Zustand keine freien Elektronen zur Verfügung stehen, die die Anregung übernehmen könnten, sollten die Kern-Quadrupole im supraleitenden Zustand auf relevanter Zeitskala von wenigen Millisekunden keinen Beitrag zur Wärmekapazität liefern. Zink-Mangan Wie in Abschnitt 2.4.2 beschrieben wurde, sollte das Dotieren mit magnetischen Verunreinigungen zu einer verkürzten Thermalisierungsdauer in supraleitenden Absorbern führen. Jedoch konnte dieser Effekt in Experimenten mit Mangan-dotiertem Aluminium nicht festgestellt werden [Wel08]. Eine plausible Erklärung wurde in der Abschirmung der Mangan-Atome durch die Leitungselektronen gegeben [Ran09]. Durch diesen Kondo-Effekt würde der Einfluss der Dotierung reduziert werden. Bei dem System Zink-Mangan wurde die Kondo-Temperatur zu TK = 240 mK bestimmt [New71]. Zwar liegt diese Temperatur, unter der die Abschirmung der Verunreinigungen beginnt, noch immer über den typischen Arbeitstemperaturen eines metallischen magnetischen Kalorimeters, jedoch besteht die Hoffnung, dass die Abschirmung im Gegensatz zum System Aluminium-Mangan, bei dem die Kondotemperatur etwa 500 K beträgt [Smi72], nicht vollständig ausfällt. Die Absenkung der Sprungtemperatur gemäß dem Modell von Müller-Hartmann et al. [MH71] wurde durch Messungen an Mangan-dotiertem Zink bis zu einer kriti- 2.5. Detektorsignal und Rauschbeiträge 27 schen Konzentration Cc = 18 ppm bestätigt. Bei stärkeren Konzentrationen konnte innerhalb des zugänglichen Temperaturbereichs bis 50 mK jedoch kein supraleitender Übergang mehr festgestellt werden [Kae77]. Durch Vaccarone et al. konnte bei diesem System ebenfalls eine Absenkung von Tc beobachtet werden, jedoch blieben die supraleitenden Eigenschaften auch bei höheren Konzentrationen noch erhalten, wenngleich die Breite des Übergangs oberhalb von 17 ppm deutlich zunahm [Vac73]. 2.5 Detektorsignal und Rauschbeiträge Für eine Analyse der Energieauflösung eines magnetischen Kalorimeters ist es notwendig, die grundlegenden Eigenschaften des Detektorsignals zu kennen. Im ersten Abschnitt wird in einem vereinfachten Modell kurz die grundlegende Signalform hergeleitet. Darauf folgen zwei Abschnitte über die Rauschbeiträge eines metallischen magnetischen Kalorimeters und die damit theoretisch erreichbare Energieauflösung. 2.5.1 Pulsantwort Für den Fall eines metallischen magnetischen Kalorimeters mit normalleitendem Absorber, der sich in gutem Kontakt zum Sensor befindet, lässt sich die Signalform in einem etwas vereinfachten Modell analytisch bestimmen. Wie bereits in Kapitel 2.3.5 erwähnt, setzt sich die Gesamtwärmekapazität des Detektors aus den Wärmekapazitäten des Zeemansystems des Au:Er-Sensors (Cz ), der Leitungselektronen (Ce ) und der Phononen (Cph ) zusammen, wobei letztere jedoch vernachlässigbar ist. In Abbildung 2.14 sind die beiden relevanten Systeme Cz und Ce schematisch dargestellt. Sie stehen über eine Wärmeleitfähigkeit Gze in thermischem Kontakt zueinander, während das Elektronensystem zusätzlich über Geb schwach an ein Wärmebad der Temperatur T0 gekoppelt ist. Abb. 2.14: Schematische Darstellung der einzelnen Wärmekapazitäten und deren thermischer Verbindungen in einem metallischen magnetischen Kalorimeter. Ebenfalls eingezeichnet sind zusätzliche Rauschquellen. 28 2. Physikalische Grundlagen In [Fle05] wird ausführlich beschrieben, wie solch ein System auf einen Energieeintrag Eδ(t) reagiert. Bezeichnet man die Temperaturen der beiden Wärmekapazitäten mit Tz beziehungsweise Te und geht man von folgendem System gekoppelter Differentialgleichungen für die Energieänderung der einzelnen Komponenten aus, Ėe = Ce Ṫe = −Gze (Te − Tz ) − Geb (Te − T0 ) + Eδ(t) (2.31) Ėz = Cz Ṫz = Gze (Te − Tz ) (2.32) so erhält man folgende Lösung für die Temperaturerhöhung des Zeeman-Systems ∆Tz (t) = Tz − T0 = E E −e−t/τ0 + e−t/τ1 = p(t) , Cz + Ce Cz + Ce (2.33) die nach Kapitel 2.3 als Magnetisierungsänderung gemessen werden kann. Die Lösung setzt sich zusammen aus einem schnellen Anstieg mit Zeitkonstante τ0 , der den Wärmeübertrag vom System der Leitungselektronen auf das Zeeman-System der Er3+ -Ionen beschreibt, und einem langsameren exponentiellen Abfall mit Zeitkonstante τ1 . Dieser erfolgt durch das Abfließen der Wärme ins Wärmebad und gibt die Zeit an, die das System benötigt, bis es sich wieder im Gleichgewicht befindet. Die beiden charakteristischen Zeitkonstanten τ0 und τ1 sind durch τ0/1 Ce Gze + Cz (Gze + Geb ) 1 = ∓ 2Gze Geb 2 s 4Cz Ce (Ce Gze + Cz (Gze + Geb ))2 − 2 2 Gze Geb Gze Geb (2.34) gegeben und hängen von den verschiedenen Wärmekapazitäten und Wärmeleitfähigkeiten ab. 2.5.2 Rauschbeiträge Bevor die Energieauflösung eines Detektors bestimmt werden kann, ist es nötig, einen Blick auf die intrinsischen Rauschquellen zu werfen, die dem eigentlichen Detektorsignal überlagert sind. Thermodynamische Fluktuationen Ein wichtiger Beitrag zum Gesamtrauschen sind thermodynamische Fluktuationen der Energie zwischen den verschiedenen Untersystemen des Detektors. Dieser lässt sich ausgehend vom oben beschriebenen thermodynamischen Modell herleiten. 29 2.5. Detektorsignal und Rauschbeiträge In Abbildung 2.14 werden diese Fluktuationen als zusätzliche Rauschquellen Pze und Peb dargestellt. Diese repräsentieren ein weißes Rauschen mit der Leistungsdichte SPze /Peb = 4kB T 2 Gze/eb . Aus den Gleichungen 2.31 und 2.32 wird damit ohne äußeren Energieeintrag Ce Ṫe = −Gze (Te − Tz ) − Geb (Te − T0 ) − Pze + Peb (2.35) Cz Ṫz = Gze (Te − Tz ) + Pze . (2.36) Durch Lösen dieses Gleichungssystems erhält man nach Fouriertransformation das Leistungsspektrum der Fluktuationen der Energie innerhalb des Zeeman-Systems [Fle05]. Unter der Annahme, dass Cz ≈ Ce und τ0 τ1 , gilt SEz (f ) = kB Cz T (1 − β) 2 4τ1 4τ0 +β 2 1 + (2πτ0 f ) 1 + (2πτ1 f )2 . (2.37) Hierbei ist β = Cz /(Cz + Ce ) der Anteil der Wärmekapazität des Zeeman-Systems an der Gesamtwärmekapazität. Magnetisches Johnson-Rauschen Durch die endliche Temperatur kommt es in den metallischen Detektorbestandteilen zur Brownschen Bewegung der Leitungselektronen, dem sogenannten JohnsonRauschen. Da bewegte Ladungen magnetische Felder erzeugen, führt die thermische Bewegung der Elektronen in normalleitenden Komponenten des Detektors zu wechselnden magnetischen Feldern in der Umgebung des Detektors. Diese koppeln über die Detektionsspule oder über das SQUID-Magnetometer in das Detektorsignal ein und tragen auf diese Weise zum Gesamtrauschen bei. In [Pie08] wurde das annähernd weiße Johnson-Rauschen eines metallischen Quaders der Fläche A, Höhe h, sowie der elektrischen Leitfähigkeit σ, der sich in Kontakt mit einer mäanderförmigen Detektionsschleife mit Mitte-zu-Mitte-Abstand p befindet, basierend auf [Har68] und [Ens00] simuliert. Für die spektrale Leistungsdichte des in der Schleife hervorgerufenen magnetischen Flussrauschens gilt demnach p SΦ,J = 2,376 2 µ kB T σAp(1 − e−2πh/p ) . 4π 0 (2.38) Bei hohen Frequenzen nimmt das Johnson-Rauschen jedoch aufgrund des SkinEffekts ab. Die Abschneidefrequenz hängt von Geometrie und elektrischer Leitfä- 30 2. Physikalische Grundlagen higkeit ab und liegt bei den hier auftretenden Materialkombinationen jedoch typischerweise bei f 10 kHz und ist daher hier nicht von Bedeutung. 1/f-Rauschen Ein weiterer Rauschbeitrag, der in metallischen magnetischen Kalorimetern beobachtet und erstmals in [Dan05] phänomenologisch beschrieben wurde, scheint seine Ursache im Sensor zu haben. Für die spektrale Leistungsdichte des magnetischen Flussrauschens wurde eine Frequenzabhängigkeit SΦ,Er ∝ f −n mit n ∼ = 1 gemessen, allerdings scheint der Exponent geringfügig von der Art der Sensor-Präparation beziehungsweise von dessen Geometrie abzuhängen. So wurde in [Pab08] eher SΦ,Er ∝ f −0,8 beobachtet. Das Rauschen scheint nicht temperaturabhängig zu sein [Fle03]; aufgrund der Abhängigkeit von der Konzentration der Er3+ -Ionen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass diese eine wichtige Rolle bei dessen Erzeugung spielen [Fle03]. Für das Rauschen findet man empirisch 2 µ0 G SΦ,Er (f ) = Sm (f )NEr , p (2.39) mit dem Geometriefaktor G, dem Mitte-zu-Mitte-Abstand der Mäanderbahnen p und der spektralen Leistungsdichte Sm (f ) der Fluktuationen der z-Komponente des magnetischen Moments eines einzelnen Erbium-Ions, wobei Sm (1Hz) ≈ 0,12 µ2B /Hz gilt. 2.5.3 Energieauflösung Ausgehend von Abschnitt 2.5.1 und den eben diskutierten Rauschbeiträgen lässt sich, wie in [Fle03] beschrieben, die erwartete Energieauflösung eines metallischen magnetischen Kalorimeters bestimmen. Unter der Annahme, dass τ0 τ1 und Cz ∼ = Ce (also β ∼ = 0,5), folgt aus der Punktantwortfunktion p(t) aus Gleichung 2.33 durch Fouriertransformation und bei Beschränkung auf positive Frequenzen 2βτ1 p |p̃(f )| ∼ . =p 1 + (2πf τ0 )2 1 + (2πf τ1 )2 (2.40) Unter Berücksichtigung von Gleichung 2.37 erhält man hieraus das Signal-zu-RauschenVerhältnis |p̃(f )|2 . (2.41) SNR(f ) = SEz (f ) 31 2.5. Detektorsignal und Rauschbeiträge Die erreichbare Energieauflösung hängt stark vom Algorithmus ab, den man verwendet, um aus der gemessenen Signalform die zugehörige Energie des absorbierten Teilchens zu bestimmen. Unter Verwendung eines Optimalen Filters, wie er in [Fle03] beschrieben wird und bei Beschränkung auf die Rauschbeiträge, die durch die Energiefluktuationen des Zeeman-Systems zurückgehen, erhält man ∆EFWHM ∞ −1/2 Z √ = 2 2 ln 2 (SNR(f ))2 df (2.42) 0 p √ = 2 2 ln 2 4kB Ce T 2 1 β(1 − β) 1/4 τ0 τ1 1/4 . Einen wichtigen Einfluss auf die Auflösung haben also die Wärmekapazität Ce der Leitungselektronen, oder allgemein des Absorbers und vor allem die Temperatur T . Weiterhin lässt sich die Auflösung verbessern, indem der Signalanstieg beschleunigt oder der Signalabfall verlangsamt wird. Ersteres ist jedoch nur eingeschränkt möglich, da τ0 aufgrund der Korringa-Relation, die die thermische Kopplung zwischen den Leitungselektronen und den magnetischen Momenten beschreibt, durch die Materialwahl begrenzt ist. Eine Vergrößerung von τ1 kommt nur dann in Betracht, wenn die mögliche Zählrate des Detektors dadurch nicht zu stark eingeschränkt wird. 32 2. Physikalische Grundlagen 3. Experimentelle Methoden 3.1 Kryotechnik In diesem Kapitel wird zuerst die Methode vorgestellt, die im Rahmen dieser Arbeit verwendet wurde, um die tiefen Temperaturen, die zum Betrieb der untersuchten Detektoren notwendig sind, zu erreichen. Anschließend wird kurz auf die Leitungsführung und die Thermometrie des verwendeten Kryostaten eingegangen. 3.1.1 Erzeugung tiefer Temperaturen Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein adiabatischer Entmagnetisierungs-Kryostat1 verwendet, um die untersuchten Detektoren abzukühlen. Diese Kühltechnik ist ausführlich in [Pob07] und [Ens05] beschrieben. Im Folgenden werden die Eigenschaften des verwendeten Entmagnetisierungs-Kryostaten näher beschrieben. Abb. 3.1: Schematische Darstellung des relevanten Teils des verwendeten adiabatischen Entmagnetisierungs-Kryostaten. 1 Entmagnetisierungskryostat B04, CSP/Vericold GmbH. Ismaning (heute Oxford Instruments) 33 34 3. Experimentelle Methoden In Abbildung 3.1 ist ein Schema des Kryostaten zu sehen. Von außen nach innen sind verschiedene Temperaturstufen zu erkennen, die durch ein gemeinsames Isolationsvakuum thermisch voneinander getrennt sind. Die äußerste Stufe bildet der VakuumTopf, der sich auf Raumtemperatur befindet. Dahinter befindet sich ein Schild, das durch flüssigen Stickstoff auf einer Temperatur von 77 K gehalten wird. Nach einer weiteren Zwischenstufe folgt der innerste Topf. Dieser steht in Kontakt mit einem Bad, das mit flüssigem Helium gefüllt ist. Durch Verringern des Dampfdrucks in diesem Bad lässt sich die Temperatur des Heliums und die des zugehörigen Schildes auf bis zu 1,5 K verringern. Der Vorteil der ineinander verschachtelten Schilde besteht darin, dass parasitäre Wärmeeinträge von außen bereits auf möglichst hohen Temperaturen abgefangen werden und damit einen möglichst geringen Einfluss auf die kälteren Stufen ausüben können. Das Herzstück des adiabatischen Entmagnetisierungs-Kryostaten bilden zwei paramagnetische Salzpillen. Die erste Pille besteht aus Gadolinium-Gallium-Granat2 (GGG) und ist durch Kevlarfäden3 am Helium-Topf befestigt. Sie dient als thermische Zwischenstufe zwischen Heliumbad und der zweiten Pille. Diese ist durch Kevlarfäden mit der GGG-Pille verbunden und besteht aus Eisen-Ammonium-Alaun4 (FAA). An ihr befindet sich in gutem thermischen Kontakt die eigentliche Experimentierplattform aus Kupfer, an der wiederum die Experimente befestigt werden. Das Abkühlen der Plattform erfolgt durch adiabatische Entmagnetisierung der beiden Pillen mit Hilfe eines äußeren Magnetfeldes. Durch einen Strom von bis zu 36 A erzeugt ein supraleitender und von flüssigem Helium umgebener Magnet eine Feldstärke von etwa 6 Tesla. Die magnetischen Momente der Salzpillen richten sich entlang des Feldes aus und setzen dabei Wärme frei. Diese muss aus den Pillen und der Experimentierplattform abgeführt werden. Dazu kann durch einen mechanischen Wärmeschalter ein guter thermischer Kontakt zwischen den Pillen und der als Wärmebad fungierenden Helium-Stufe hergestellt werden. Sobald sich die Temperatur der Pillen an das Helium-Bad angeglichen hat, wird der thermische Kontakt zum Heliumbad durch Öffnen des Wärmeschalters unterbrochen und die Stärke des Magnetfeldes langsam verringert. Dabei sinkt die Temperatur der Pillen und der Experimentier-Plattform bis auf eine Minimaltemperatur von etwa 21 mK. Da es sich bei der adiabatischen Entmagnetisierung nicht um eine kontinuierliche Kühlung handelt, erfolgt nach vollständiger Entmagnetisierung eine langsame Erwärmung der Pillen durch äußere Energieeinträge, typischerweise in etwa 30 Stunden auf 30 mK. Um Temperaturen über längere Zeit stabil halten zu können, kann der Magnet mit Hilfe eines PID-Reglers angesteuert werden. Hierzu wird das Ma2 Gd3 Ga5 O12 Kevlar besitzt bei hoher Stabilität eine geringe Wärmeleitfähigkeit. 4 Fe2 (SO4 )3 (NH4 )2 SO4 · 24H2 O 3 3.2. SQUID-Magnetometer 35 gnetfeld erhöht, bis die gewünschte Temperatur erreicht ist und die Erwärmung der Experimentierplattform durch entsprechendes Anpassen der Feldstärke, das heißt Entmagnetisieren der Salzpillen, ausgeglichen. 3.1.2 Leitungsführung Um eine möglichst niedrige Basistemperatur und eine möglichst lange Standzeit zu erreichen, muss der Energieeintrag auf die kälteste Stufe des Kryostaten so gering wie möglich gehalten werden. Daher wurde jede elektrische Leitung, die zum Betrieb des Kryostaten oder der Experimente nötig ist und von Raumtemperatur zu den kälteren Stufen geführt wird, an allen Zwischenstufen thermisch gut angekoppelt. Während die Leitungen, die zwischen Raumtemperatur und Heliumbad verlaufen aus Kupfer bestehen, das sowohl elektrische Ströme, als auch Wärme gut leitet, wurden zwischen Heliumbad und Experimentierplattform supraleitende Drähte aus Nb:Ti in einer Cu:Ni-Matrix verwendet, die eine vergleichsweise geringe Wärmeleitfähigkeit besitzen. Zur Abschirmung von äußeren hochfrequenten elektromagnetischen Störfeldern wurden die SQUID-Leitungen in dünnwandigen Edelstahl-Kapillaren verlegt. 3.1.3 Thermometrie Um die Temperatur der Experimentierplattform auszulesen wurde ein RutheniumoxidThermometer verwendet, dessen Widerstand zwischen 21 mK und 40 mK mit d log(R)/d log(T) = −1,5 sehr stark von der Temperatur abhängt. Der Widerstand des Thermometers wurde über eine Vierdrahtmessung durch eine Widerstandsmessbrücke5 ausgelesen und über eine Kalibrationstabelle in eine Temperatur umgerechnet. 3.2 SQUID-Magnetometer Das Signal eines metallischen magnetischen Kalorimeters besteht, wie in Kapitel 2.2 beschrieben, aus einer Änderung der Magnetisierung eines paramagnetischen Temperatursensors. Die derzeit empfindlichsten Messgeräte für Änderungen des magnetischen Flusses bei gleichzeitig hoher Bandbreite sind SQUID6 -Magnetometer. Diese beruhen auf dem Josephson-Effekt [Jos62] und sind entweder als dc(direct current)oder rf(radio frequency)-SQUIDs erhältlich. Im Folgenden werden die Eigenschaften von dc-SQUIDs, wie sie im Rahmen dieser Arbeit verwendet wurden, kurz vorgestellt. 5 6 AVS-47, Pico Watt Elektronika, Finnland Superconducting Quantum Interference Device 36 3. Experimentelle Methoden 3.2.1 Funktionsweise eines dc-SQUIDs In Abbildung 3.2 ist das Prinzip eines dc-SQUIDs zu sehen. Es besteht aus einer supraleitenden Leiterschleife, die an zwei Stellen durch dünne7 , nichtleitende Bereiche, sogenannte Josephson-Kontakte, unterbrochen ist. Die beiden Kontakte werden durch Shunt-Widerstände überbrückt, um Hysterese-Effekte zu vermindern [Cla04]. Durch die Kontakte ist es zudem möglich, dass magnetischer Fluss in die Leiterschleife eindringen oder austreten kann. Abb. 3.2: Schematische Darstellung eines SQUIDMagnetometers. Wenn wie angezeigt ein Strom Ib durch die Schleife fließt, so können die stromtragenden Cooper-Paare kohärent durch die Josephson-Kontakte tunneln, solange der Strom eine bestimmte kritische Stromstärke Ic nicht überschreitet. Dieser kritische Strom hängt periodisch vom magnetischen Fluss Φ innerhalb der Leiterschleife ab. Die Periode beträgt gerade ein Flussquant Φ0 = h/2e. Hierbei steht h für das Planck’sche Wirkungsquantum und e für die Elementarladung. Steigt der Strom über Ic an, so tunneln statt der Cooper-Paare Quasiteilchen durch die Kontakte wodurch eine Spannung US über diesen abfällt. Abb. 3.3: StromSpannungs-Charakteristik (links) und Abhängigkeit der SQUID-Spannung vom magnetischen Fluss bei konstantem Strom (rechts). Abbildung nach [Wei96]. 7 Die Dicke beträgt typischerweise wenige Nanometer. 3.2. SQUID-Magnetometer 37 Die Strom-Spannungs-Kennlinie ist für die beiden Extremfälle des durchdringenden magnetischen Flusses in Abbildung 3.3 links zu sehen. Rechts ist bei festgehaltenem Betriebsstrom Ib zu sehen, wie die abfallende Spannung ebenfalls periodisch vom magnetischen Fluss abhängt. Diese Periodizität führt unter anderem dazu, das nur relative Änderungen des magnetischen Flusses gemessen werden können. 3.2.2 Linearisierung des SQUID-Signals Die nicht-monotone Fluss-Spannungs-Kennlinie macht es schwierig Flussänderungen größer als etwa Φ0 /4 richtig zu quantifizieren. Eine Methode um das Messsignal zu linearisieren, wird zum Beispiel in [Dru04] beschrieben. tiefe Temperaturen Raumtemperatur Verstärker Integrator Abb. 3.4: Prinzipieller Aufbau einer SQUIDAuslese mit Flussrückkopplung. Mfb Wie in Abbildung 3.4 zu sehen ist, bedient man sich hierbei einer Elektronik, die den Spannungsabfall über dem SQUID mit einer Referenzspannung Ub vergleicht. Die verstärkte Differenz der beiden Spannungen wird zeitlich integriert und liegt an einem Widerstand Rfb an, sodass durch diesen ein Strom fließt, der wiederum über eine Spule ein magnetisches Feld erzeugt. Dieses koppelt seinerseits in das SQUID ein und erzeugt einen kompensierenden magnetischen Fluss, der den ursprünglichen Flusszustand wieder herstellt und somit die Spannungsdifferenz am Verstärker ausgleicht. Dadurch wird das SQUID auf einem festen Arbeitspunkt Ub gehalten, der an einem möglichst steilen Punkt der Fluss-Spannungs-Kennlinie gewählt wird. Das linearisierte Messsignal einer Flussänderung ∆Φ kann als Spannung über dem Rückkoppelwiderstand Rfb abgegriffen werden und beträgt U= Mfb ∆Φ . Rfb (3.1) Hierbei beschreibt Mfb die Gegeninduktivität zwischen der Rückkoppelspule und der SQUID-Schleife. 38 3.2.3 3. Experimentelle Methoden Zweistufiger SQUID-Aufbau Durch Verwendung eines rauscharmen Zwischenverstärkers bei tiefen Temperaturen kann der Beitrag des Eingangsspannungsrauschens der, bei Raumtemperatur betriebenen, Elektronik stark verringert werden. Abb. 3.5: Zweistufiger SQUID-Aufbau mit Flussrückkopplung und einer zwischengeschalteten, rauscharmen Serienschaltung aus SQUIDs. Abbildung 3.5 zeigt einen entsprechenden Aufbau, wie er auch in dieser Arbeit verwendet wurde, in dem eine Serienschaltung aus 16 identischen SQUIDs als rauscharmer Verstärker des SQUID-Signals dient. Diese SQUIDs werden im Folgenden als Verstärker-SQUIDs und das SQUID, das das Signal des Detektors aufnimmt als Detektor-SQUID bezeichnet. Eine Flussänderung im Detektor-SQUID erzeugt einen Spannungsabfall über dem parallel geschalteten Widerstand Rg und dadurch einen Strom, der durch eine Spule fließt und in den Verstärker-SQUIDs eine Fluss- und damit über diesen eine Spannungsänderung erzeugt. Dieses Spannungssignal wird wie im Fall des einstufigen Aufbaus benutzt, um durch die Elektronik den magnetischen Fluss im Detektor-SQUID konstant zu halten. 3.2.4 Rauschen Zu den in Kapitel 2.5.2 beschriebenen Rauschquellen kommt in der Gesamt-Auslesekette noch das Rauschen der SQUIDs hinzu. Es setzt sich aus zwei Beiträgen zusammen. Einerseits gibt es durch das Johnson-Rauschen in den Shunt-Widerständen R des SQUIDs ein Beitrag zum weißen Rauschen. Simulationen [Tes77] eines optimierten SQUIDs ergeben für die spektrale Leistungsdichte des magnetischen Flussrauschens p p SΦ,w ∼ = Ls 16kB T /R . (3.2) Bei den verwendeten Detektor-SQUIDs √ liegt die Stärke dieses Rauschbeitrags üblip cherweise bei etwa SΦ,w ≈ 0,6 µΦ0 / Hz. 3.3. Detektoraufbau 39 Zusätzlich existiert ein Rauschbeitrag mit einer SΦ,1/f ∝ 1/f -Abhängigkeit, der bei niedrigen Frequenzen dominiert und der wahrscheinlich auf magnetische Verunreinigungen der SQUID-Schleife oder der atomaren Tunnelsysteme in den JosephsonKontakten zurückzuführen √ ist. Dessen Stärke beträgt für die hier verwendeten SQUIDs p etwa SΦ,1/f ≈ 5 µΦ0 / Hz bei 1 Hz. 3.3 Detektoraufbau Die verwendeten Detektoren wurden, bis auf die Absorber, vollständig auf 2"-SaphirWafern mikrostrukturiert. Die verschiedenen Schritte und Techniken der Herstellung werden ausführlich in [Pie08] und [Pab08] beschrieben. Die Detektor-Chips, die für die Experimente benutzt wurden, sind jeweils 3,5 mm × 3,5 mm groß und sind in Abbildung 3.6 dargestellt. Links sieht man einen Chip, wie er für die beiden Experimente mit den Absorbern aus Rhenium verwendet wurde. Dieser wurde bereits ausführlich in [Por11] beschrieben. Rechts ist ein Chip für die Experimente mit Zink- und Zink-Mangan-Absorber abgebildet. Abb. 3.6: Mikroskopische Aufnahme der verwendeten Detektorchips. Links für die Rhenium- und rechts für die Zn/Zn:Mn-Experimente. In rot ist ein Teil der mäanderförmigen Detektionsschleife angedeutet. Die Nummern bezeichnen einen einzelnen Mäander (1), den Dauerstromschalter (2), den Au:Er-Sensor (3), die Goldstämme (4) und die Thermalisierungsfläche (5). Bei der Detektionsspule (1) handelt es sich in beiden Fällen um einen gradiometrisch verschalteten Doppelmäander mit induktiver Kopplung an das Detektor-SQUID, wie er in Kapitel 2.2.2 beschrieben wurde. Zusätzlich befindet sich in der Detektionsschleife noch ein supraleitender Dauerstromschalter (2), dessen Funktionsweise in 40 3. Experimentelle Methoden Abschnitt 3.6 erläutert wird. Auf jeweils einer der mäanderförmigen Detektionsspulen befindet sich ein paramagnetischer Au:Er-Sensor (3). Durch den Verzicht auf einen zweiten Sensor geht zwar die Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Temperatureinflüssen verloren, allerdings ermöglicht dies auch die experimentelle Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der Sensormagnetisierung und deren Vergleich mit der Theorie (vgl. Kapitel 2.3.2). Im Falle des Detektor-Chips für die Zn/Zn:MnExperimente befindet sich auf dem Sensor zunächst eine zusätzliche Schicht aus galvanisch abgeschiedenem Gold der Dicke 5 µm. Auf dieser zusätzlichen Goldschicht (rechts) beziehungsweise dem Sensor (links) sind des weiteren Stämme aus Gold (4) zu sehen. Über diese Stämme wurde später der jeweilige Absorber mit dem Sensor verbunden8 . Sie verringern die Kontaktfläche zwischen Absorber und Sensor, wodurch der Verlust an athermischen Phononen an das Substrat verhindert werden soll [Fle09]. Weiterhin erkennt man mehrere Thermalisierungsflächen (5) aus Gold, die über Gold-Bonddrähte mit dem Probenhalter verbunden werden können, um den Sensor an das Wärmebad des Kryostaten zu koppeln. In Tabelle 3.1 sind einige relevante Parameter der beiden Detektoren gegenübergestellt. Mitte-zu-Mitte Abstand der Mäanderbahnen Breite der Mäanderbahnen Höhe der Mäanderbahnen Fläche des Sensors Höhe des Sensors Erbium-Konzentration Höhe der Au-Schicht auf dem Sensor Anzahl der Stämme Durchmesser der Stämme Höhe der Stämme Re-Chip 6 µm 3 µm 400 nm 245 × 245 µm2 1,5 µm 300 ppm 5 30 µm 7 µm Zn/Zn:Mn-Chip 10 µm 5 µm 400 nm 1 × 1 mm2 3,3 µm 880 ppm 5 µm 16 100 µm 7 µm Tab. 3.1: Einige Parameter der beiden verwendeten Detektor-Chips. 3.3.1 Präparation der Absorber Im Folgenden wird beschrieben, wie die verschiedenen supraleitenden Materialien für die Verwendung als Absorber bearbeitet und auf den zuvor beschriebenen Detektoren aufgebracht wurden. 8 Zur besseren Übersicht sind die Detektoren hier dargestellt, bevor ein Röntgenabsorber aufgebracht wurde. 3.3. Detektoraufbau 41 Rhenium Die Rhenium-Einkristalle9 mit der Reinheit 5N wurden mit Hilfe einer Drahtsäge auf eine Größe von 250 × 250 × 500 µm3 zugesägt. Die dabei verwendete Korngröße des Sägematerials liegt bei 22 µm. Für eines der beiden Experimente wurde der Kristall nach dem Zuschneiden für etwa einen Tag bei 1000◦ C getempert, um mögliche Kristalldefekte auszuheilen. Anschließend wurde eine der Stirnflächen (250 × 250 µm2 ) mittels Ionenstrahl-Ätzen gereinigt und durch Kathodenzerstäubung (Sputtern) mit einer 500 nm-dicken Schicht aus Kupfer versehen. Diese Schicht dient als Haftvermittler zwischen Rhenium und Gold. Zum Schutz vor Oxidation wurde auf das Kupfer eine 10 nm-dünne Schicht aus Gold aufgebracht. Die restlichen Flächen wurden nicht weiter bearbeitet. Das Aufbringen des Kristalls auf den Sensor erfolgte schließlich durch Diffusionsverschweißen. Dabei wird der Kristall mit der beschichteten Seite auf den Goldstämmen des Detektors platziert. Unter Druck und bei einer Temperatur von 245◦ C diffundiert das Kupfer in die Stämme, wodurch sich nach 30 Minuten ein guter metallischer Kontakt zwischen Absorber und Sensor bildet. Eine ausführlichere Beschreibung dieses Vorgangs findet sich in [Kir10]. Zink Zur Herstellung des Zink-Absorbers wurde das Ausgangsmaterial10 der Reinheit 6N durch Walzen zu einer Folie mit einer Dicke von ungefähr 50 µm verarbeitet. Anschließend wurde die Folie mit Salpetersäure auf eine Dicke von etwa 22 µm geätzt. Dadurch werden auch alle Unreinheiten, die sich in den oberflächennahen Schichten befinden, aus der Probe entfernt. Das Zuschneiden auf die gewünschte Fläche von 1×1 mm2 erfolgte mit einem Keramik-Skalpell, um das Einbringen von magnetischen Verunreinigungen durch den Kontakt mit Stahl zu verhindern. Das Aufbringen auf den Sensor erfolgte auch hier durch 30-minütiges Diffusionsverschweißen bei einer Temperatur von 160◦ C. Zink-Mangan Das Ausgangsmaterial des Absorbers bestand aus Zink, das mit einer Konzentration von 24 ppm mit Mangan dotiert worden war. Um eine stochastische Verteilung der Mangan-Atome zu gewährleisten, wurde die Probe in einem Lichtbogenofen für 9 10 Hergestellt von Goodfellow GmbH, D-61213 Bad Nauheim Geliefert von MaTecK GmbH, D-52428 Jülich 42 3. Experimentelle Methoden etwa ein bis zwei Sekunden aufgeschmolzen und danach rasch abgekühlt. Die weitere Verarbeitung auf die benötigte Größe erfolgte auf die selbe Weise wie eben für den Absorber aus Zink erläutert. Statt den Absorber durch Diffusionsschweißen auf dem Sensor zu befestigen, wurde er jedoch mit Hilfe eines ZweikomponentenEpoxidharzes11 aufgeklebt. Dadurch wird vermieden, dass die Mangan-Atome durch die hohen Temperaturen beim Diffusionsverschweißen diffundieren können, was zu einer Anreicherung zum Beispiel an Korngrenzen und somit zu einer Herabsetzung der effektiven Konzentration führen könnte. 3.4 Aufbau des Experiments Im Folgenden wird beschrieben, wie die in den letzten beiden Abschnitten besprochenen Haupt-Bestandteile des Detektors zusammengeführt und im Kryostaten eingebaut wurden. Der gesamte Detektoraufbau ist in Abbildung 3.7 skizziert. Abb. 3.7: Schematische Darstellung eines Probenhalters mit den darauf angebrachten Detektor- und SQUID-Chips. Weitere Erläuterungen finden sich im Text. Das Herzstück bilden die beiden Chips, auf denen sich das metallische magnetische Kalorimeter beziehungsweise die SQUIDs befinden. Sie sind beide auf einen Messinghalter aufgeklebt12 , der an die Experimentierplattform des Kryostaten angeschraubt wird. Messing eignet sich dafür besonders gut aufgrund seiner mäßigen elektrischen Leitfähigkeit bei gerade noch ausreichender Wärmeleitfähigkeit. Die geringe elektrische Leitfähigkeit sorgt im Vergleich zu einem Halter aus Kupfer für eine Verringerung des magnetischen Johnson-Rauschens im Detektor. Die elektrische Kontaktierung der beiden Chips erfolgt mittels dünner AluminiumDrähte mit einem Durchmesser von 25 µm, die durch Ultraschall-Wedge-Bonden angebracht wurden. Ebenfalls zu sehen sind die Golddrähte, mit denen der Sen11 12 Stycast 1266 A/B, FT, Emerson & Cuming, Westerlo, Belgien GE 7031 Varnish, Lake Shore Cryotronics, Westerville, USA 3.5. Strahlungsquellen 43 sor über die Thermalisierungsfläche (siehe Abschnitt 3.3) mit dem Messinghalter in thermischem Kontakt steht. Die Leitungen zur SQUID-Elektronik und die Feld- und Heizer-Leitungen, die für die Präparation des Dauerstroms benötigt werden, sind aus supraleitenden Nb:Ti/Cu:Ni-Drähten gefertigt und jeweils paarweise verdrillt, um das Einkoppeln von externen Störungen zu minimieren. Der gesamte Aufbau wird von einer supraleitenden Bleihülle umgeben, die der Abschirmung äußerer Magnetfelder sowie als mechanischer Schutz dient. Durch ein Loch in der Oberseite der Hülle können Photonen aus den verwendeten radioaktiven Quellen zum Absorber gelangen. Um zu verhindern, dass auch andere Teile des Detektorchips bestrahlt werden, befindet sich über diesem noch ein Kollimator aus Gold (Zn/ZnMn-Experiment) beziehungsweise Blei (Rhenium-Experimente), in dem für die Photonen ein Loch mit 100 µm bis 160 µm Durchmesser eingearbeitet war. 3.5 Strahlungsquellen Zur Charakterisierung der Detektoren wurden zwei Röntgenquellen verwendet, die im Folgenden kurz beschrieben werden. Bei Verwendung der Rhenium-Absorber kommt in diesen Fällen eine weitere, intrinsische Quelle hinzu. 3.5.1 Externe 55 Fe-Quelle Das Isotop 55 Fe zerfällt mit einer Halbwertszeit von 2,7 Jahren über Elektroneneinfang in 55 Mn. Das dabei entstehende Loch in der Elektronenhülle wird aus den höhergelegenen Schalen unter Abgabe eines Röntgenphotons oder eines Auger-Elektrons aufgefüllt. Die größte Intensität besitzen hierbei die Kα -Linie mit einer Energie von 5,9 keV und die Kβ -Linie bei 6,5 keV. Beide besitzen zusätzlich eine Feinstrukturaufspaltung, die jedoch für diese Arbeit nicht relevant ist. Die Auger-Elektronen und weitere Emissionslinien bei niedrigeren Energien werden bei der verwendeten Quelle durch ein 200 µm dickes Beryllium-Fenster absorbiert. 3.5.2 Externe 241 Am-Quelle Bei 241 Am handelt es sich um einen α-Strahler, der mit einer Halbwertszeit von 433 Jahren in angeregtes 237 Np zerfällt. Die α-Teilchen werden jedoch durch die Kapselung der Quelle absorbiert und gelangen nicht zum Detektor. Die dominanten Linien des anschließenden γ-Zerfalls liegen bei 26,3 keV und 59,5 keV. In der Folge des Zerfalls strahlt das Neptunium-Atom Fluoreszenz-Photonen ab, deren Energien zwischen 10 keV und 25 keV liegen. Die Energien und Intensitäten der einzelnen Linien finden sich in [Bea67] und [Lép08]. 44 3.5.3 3. Experimentelle Methoden Intrinsische 187 Re-Quelle Natürliches Rhenium besteht zu 63% aus dem Isotop 187 Re. Bei diesem handelt es sich um einen β-Strahler mit einer Halbwertszeit von 4 · 1010 Jahren und einer Endpunktsenergie des β-Spektrums von 2,5 keV. 3.6 Präparation eines Dauerstroms in der Detektionsspule Wie in Kapitel 2.2.2 erwähnt wurde, erlaubt es die verwendete Geometrie, dank der geschlossenen supraleitenden Leiterschleife aus den zwei mäanderförmigen Detektionsspulen, in diese einen Dauerstrom einzuspeisen, der das Magnetfeld erzeugt in dem sich die Dipole des Sensors ausrichten können. In Abbildung 3.8 ist dargestellt, wie dieser Dauerstrom oberhalb einer Temperatur von 1,2 K in die Mäander „eingefroren“ werden kann. Bei dieser Temperatur sind die Verbindungsdrähte zur Einkoppelspule normalleitend, sodass im entsprechenden Zweig mit der Induktivität Li der parallelgeschalteten Induktivitäten kein Gleichstrom fließen kann. Die Induktivität LM entspricht dabei der Induktivität jedes der beiden Mäander und LH bezeichnet die Induktivität des Dauerstromschalters. Abb. 3.8: Schematische Darstellung der Präparation des Dauerstroms im Detektor oberhalb einer Temperatur von 1,2 K. Einspeisen des Stroms If in die Feldleitungen (links). Umleiten des Stromflusses in den Mäander durch einen Heizpuls (mitte). Fertig präparierter Dauerstrom in den Mäandern nach Abschluss des Vorgangs (rechts). Zu Beginn des Vorgangs speist man den gewünschten Strom IF wie gezeigt durch die Feldstromleitungen (±IF ) ein. Aufgrund der kleineren Induktivität LH des Dauerstromschalters, fließt zunächst kaum Strom durch die Detektionsspule mit der größeren Induktivität 2LM . Im nächsten Schritt wird der Dauerstromschalter durch einen kurzen Heizpuls erwärmt, sodass lokal die kritische Temperatur der Niobbahn von 9,3 K überschritten wird. Der Heizpuls wird dabei durch einen Strom IH erzeugt, 3.6. Präparation eines Dauerstroms in der Detektionsspule 45 der durch einen AuPd-Dünnschicht-Widerstand fließt, welcher durch eine isolierende SiO2 -Schicht auf dem Dauerstromschalter mikrostrukturiert wurde. Dadurch, dass der Dauerstromschalter nun normalleitend ist, ist der supraleitende Kreis unterbrochen, sodass magnetischer Fluss eindringen kann. Dies ermöglicht dem eingespeisten Feldstrom wie in Abbildung 3.8 (mitte) zu sehen, durch den Doppelmäander zu fließen. Sobald der Schalter wieder abgekühlt und supraleitend ist, bildet sich wieder ein geschlossener supraleitender Kreis, in dem der magnetische Fluss erhalten ist. Um die Flusserhaltung zu gewährleisten fließt der Dauerstrom auch nach Abschalten der äußeren Stromzufuhr weiterhin durch die Detektionsschleife (Abb. 3.8 rechts). Da die Induktivität des Dauerstromschalters LH ∼ = 100 pH sehr viel kleiner ist als die ∼ Induktivität der Detektionsspule 2LM = 9 nH (Rhenium-Experimente) beziehungsweise 2LM ∼ = 70 nH (Zn/Zn:Mn-Experimente), stimmt der präparierte Dauerstrom 2LM I0 = 2LM +LH · IF in guter Näherung mit dem eingespeisten Strom IF überein. 46 3. Experimentelle Methoden 4. Experimentelle Ergebnisse In diesem Kapitel werden die Messergebnisse, die mit den im Kapitel 3.3 beschriebenen Detektoren gewonnen wurden, vorgestellt und diskutiert. Im ersten Abschnitt werden die Resultate der Messungen an dem Detektor mit aufgeschweißtem und getempertem Rhenium-Absorber beschrieben und anschließend mit Ergebnissen aus dem Experiment mit einem nicht getemperten Rhenium-Einkristall verglichen. Im zweiten Teil dieses Kapitels werden die Ergebnisse der Experimente mit Absorbern aus reinem Zink beziehungsweise Zink-Mangan diskutiert. 4.1 4.1.1 Experimente mit Rhenium-Absorber Getemperter Einkristall Zuerst werden einige grundlegenden Detektoreigenschaften wie das magnetische Flussrauschen im Detektor-SQUID und die Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung des Au:Er-Sensors analysiert und mit Simulationen verglichen. Dadurch können Rückschlüsse auf die Induktivität der Detektionsschleife und die Konzentration des Au:ErSensors gewonnen werden. Anschließend wird die Antwortfunktion des Detektors auf die Absorption eines Röntgenquants untersucht. Schließlich werden Röntgen- und Gamma-Spektren der 241 Am-Quelle, die mit den hier diskutierten Detektoren gemessen wurden, analysiert und daraus Rückschlüsse auf die Linearität des Detektors gezogen. Detektorrauschen Für eine Untersuchung des Rauschverhaltens des Detektors werden dessen Ruhesignale1 aufgenommen und durch eine diskrete Fouriertransformation in ein Frequenzspektrum umgerechnet. Hierbei muss das Signal gemäß des Nyquist-Theorems in verschieden langen Zeitfenstern aufgenommen werden, um eine Überhöhung des Rauschens zu tiefen Frequenzen hin zu verhindern. Durch eine Messung des magnetischen Flussrauschens im Detektor-SQUID bei einer Temperatur T = 4,2 K lassen sich Informationen über die Induktivität der Detektionsschleife gewinnen. Da bei dieser Temperatur die Aluminium-Bonddrähte, die die mäanderförmigen Detektionsspulen mit der Einkoppelspule des SQUIDs verbinden 1 Dabei handelt es sich um Zeitfenster, in denen kein Absorptions-Ereignis stattfindet. 47 48 4. Experimentelle Ergebnisse (vgl. Kapitel 3.4), normalleitend sind, erzeugen sie wie alle Widerstände ein weißes Spannungsrauschen mit der spektralen Leistungsdichte SU = 4kB T R. Dieses bewirkt in der Einkoppelspule des Detektor-SQUIDs ein frequenzabhängiges Stromrauschen mit der spektralen Leistungsdichte SI = 4kB T 1 cot , R 1 + (f /fgr )2 (4.1) wobei fgr = R/(2πLges ) mit Lges = Lm /2 + Li + Lb ist. Hierbei beschreibt R den Widerstand der Aluminum-Drähte und Li , Lb und Lm stehen für die Induktivitäten der Einkoppelspule, der Aluminium-Drähte und einer der mäanderförmigen Detektionsspulen. 10 10 mag. Flussrauschen S [0/Hz] Spektrale Leistungsdichte S [0/ Hz] D10w3A11S1, EBIT-Design 2 Widerstand 3.84 m Gesamtinduktivität 4.51 nH Induktivität der Einkoppelspule 1,8 nH Mäanderinduktivität 4,42 nH 1 10 2 10 3 10 4 10 Frequenz f [Hz] 5 10 6 Tcorr= 0.030 [K] E= 4.26 [eV] TD gesamt Au:Er 1/f SQUID Gesamtrauschen 10 1 Detector SQUID: small PTB SQUID Li = 1.80 nH Lw = 0.50 nH 10 Time constants: 0 0 = 2 s 1 = 4 ms Noise parameters: Swhite = 1.80 0/Hz S1/f = 10.0 0/Hz 10 0 10 2 10 4 10 6 Frequenz f [Hz] Abb. 4.1: Spektrale Leistungsdichte des magnetischen Flussrauschens im Detektor-SQUID bei einer Temperatur von 4,2 K (links) beziehungsweise 27 mK (rechts). Nähere Erläuterungen finden sich im Text. In Abbildung 4.1 links ist das gemessene magnetische Flussrauschen im DetektorSQUID bei einer Temperatur von 4,2√K dargestellt. Man erkennt ein weißes Rauschen mit einer Stärke von etwa 45 µΦ0 / Hz, aus dem nach Gleichung 4.1 bei bekannter Temperatur der Widerstand der Bonddrähte zu R = 3,84 mΩ bestimmt werden kann. Bei einer Frequenz von etwa 100 kHz ist ein Abschneiden des Rauschplateaus zu erkennen. Aus der Grenzfrequenz fgr = 135 kHz lässt sich die Induktivität des Flusstransformators zu Lges = 4,51 nH bestimmen. Bei bekannten Induktivitäten der Einkoppelspule Li und der Bonddrähte2 Lb kann über Lm = 2 · (Lges − Li − Lb ) die Induktivität eines Mäanders bestimmt werden. Das Ergebnis aus obiger Anpassung liefert für einen einzelnen Mäander Lm = 4,42 nH. Bei dem zweiten Plateau, das bei höheren Frequenzen von etwa 1 MHz zu sehen ist, 2 dPhidE= 40.4487 [m0/keV] I= 60.00 [mA] Cabs(0.030) = 0.34 pJ/K+0.00 pJ/K Csens(0.030) = 4.63 pJ/K hsens = 1.50 m ConcEr = 300 Diese kann aus deren Widerstand zusammen mit Erfahrungswerten abgeschätzt werden. Exponent of SQUID 1/f noise = 0.86 4.1. Experimente mit Rhenium-Absorber 49 handelt es sich um das weiße Rauschen des SQUID-Magnetometers, das in Kapitel 3.2.4 beschrieben wurde. Das Abschneiden bei noch höheren Frequenzen wird durch die endliche Bandbreite der SQUID-Ausleseelektronik verursacht. In Abbildung 4.1 rechts ist das Rauschen des selben Detektors bei einer Badtemperatur von 27 mK dargestellt. Bei dieser Temperatur sind die oben erwähnten Aluminiumdrähte supraleitend und tragen daher nicht mehr zum Rauschen bei. Um den gesamten gezeigten Frequenzbereich abzudecken wurden Zeitfenster mit den Längen 1600 ms, 164 ms und 1,64 ms aufgenommen. Die Diskontinuität bei etwa 10 kHz geht auf das Zusammenfügen der entsprechenden Frequenzbereiche zurück. Die verschiedenen erwarteten Rauschbeiträge, die in den Kapiteln 2.5.2 und 3.2.4 diskutiert wurden, sind ebenfalls eingezeichnet. Bei hohen Frequenzen wird das Gesamtrauschen durch das weiße Fluss-Rauschen √ des Detektor-SQUIDs dominiert, das hier mit einem p Wert von SΦ,w ≈ 1,8 µΦ0 / Hz verhältnismäßig hoch ist. Zu tieferen Frequenzen hin stellen die thermodynamischen Energiefluktuationen zwischen Sensor und Bad den größten Beitrag und im Bereich unter 10 Hz dominieren das 1/f-Rauschen der SQUIDs und der Beitrag der Erbium-Ionen. Wie man sehen kann, stimmen Messung und Simulation bei Frequenzen über 100 Hz gut überein. Die Abweichungen unter 100 Hz lassen sich vermutlich dadurch begründen, dass die Daten aus den Ruhesignalen während der Messung eines Spektrums gewonnen wurden. Falls hierbei versehentlich auch einige sehr kleine und kaum diskiminierbare Pulse, die das Detektorrauschen nur knapp übersteigen, mit aufgenommen wurden, wird dadurch das niederfrequente Rauschspektrum stark verfälscht. Da bei dem hier diskutierten Detektor nur eine der mäanderförmigen Detektionsspulen mit einem Sensor bestückt ist, ist das Detektorsignal zusätzlich deutlich empfindlicher auf Schwankungen der Temperatur des Kryostaten als das Widerstandsthermometer der Experimentierplattform. Dadurch erfolgte niederfrequente Schwankungen der Badtemperatur könnten ebenfalls zu solch einer Erhöhung des Flussrauschens bei niedrigen Frequenzen führen. Magnetisierung und Temperaturkorrektur Zur Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung des Sensors wurde zuerst ein felderzeugender Dauerstrom wie in Abschnitt 3.6 beschrieben in die Detektionsspule eingespeist. Anschließend wurde die Temperatur des Kryostaten von etwa 1 K auf 25 mK gesenkt und dabei der Fluss im Detektor-SQUID aufgezeichnet. In Abbildung 4.2 sind links die entsprechenden Messwerte für zwei verschiedene Dauerströme als durchgezogene Linien eingezeichnet. Die entspechenden theoretischen Erwartungen sind in Form der gestrichelten Linien dargestellt. Die gute Übereinstimmung bei höheren Temperaturen lässt darauf schließen, dass sowohl die ErbiumKonzentration des Sensors, als auch der Dauerstrom in der Detektionsschleife mit 50 4. Experimentelle Ergebnisse 80 60mA 30 mA 60 mA 30mA Sensor-Temperatur T [mK] Magn. Fluss s [0] 50 40 30 20 60 40 20 10 0 0 10 20 30 Inverse Temperatur 1/T [1/K] 40 0 0 20 40 60 80 Kryostat-Temperatur T [mK] Abb. 4.2: Links: Gemessene Magnetisierung als Funktion der inversen Temperatur des Au:Er-Sensors in Einheiten von magnetischem Fluss im Detektor-SQUID für zwei verschiedene felderzeugende Dauerströme (durchgezogene Linien) und entsprechende Simulationen (gestrichelte Linien). Rechts: Anhand der Magnetisierungsmessung durchgeführte Temperaturkorrektur bei tiefen Temperaturen. den erwarteten Werten übereinstimmen. Zu tiefen Temperaturen hin kann man jedoch eine deutliche Abweichung zwischen Messdaten und Theorie feststellen. Der Grund dafür liegt erfahrungsgemäß in einer thermischen Abkopplung des Detektors vom Wärmebad des Kryostaten trotz möglichst guter Anbindung an das Wärmebad über die in Kapitel 3.4 erwähnten Gold-Bonddrähte. Dadurch stimmt die Temperatur, die mit dem RuO-Thermometer des Kryostaten ausgelesen wird, nicht mehr mit der Temperatur des Au:Er-Sensors überein. Aus der gemessenen Abweichung kann jedoch auf die tatsächliche Detektortemperatur geschlossen werden. Diese Temperaturkorrektur ist in Abbildung 4.2 rechts dargestellt. Pulsform Die Ergebnisse der letzten beiden Kapitel lassen darauf schließen, dass die thermodynamischen Eigenschaften des Au:Er-Sensors gut verstanden sind und insbesondere durch die Wärmebehandlung während des Diffusionsschweißens nicht degradiert wurden. Daher ist es anzunehmen, dass jedes von der Theorie abweichende Verhalten, wie es in diesem Abschnitt beschrieben wird, auf den supraleitenden Rhenium-Absorber zurückzuführen ist. Um Aussagen über das Verhalten des Detektors nach der Absorption eines Photons zu treffen, wurde der Absorber mit Hilfe der in Abschnitt 3.5 beschriebenen 241 AmQuelle bestrahlt. Die dabei entstehenden Temperaturpulse wurden jeweils über einige 51 4.1. Experimente mit Rhenium-Absorber hundert Absorptionsereignisse der gleichen Art gemittelt, um die Signalform analysieren zu können. In Abbildung 4.3 ist die Änderung des magnetischen Flusses im Detektor-SQUID nach der Absorption eines Röntgenquants mit der Energie E = 59,5 keV für verschiedene Temperaturen aufgetragen. Zu höheren Temperaturen hin, nimmt die gemessene Pulshöhe stark ab, wie es nach Gleichung 2.11 erwartet wird. Dies liegt in erster Linie an der Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung ∂M/∂T , die bei höheren Temperaturen sehr viel kleiner ausfällt. Weiterhin verläuft der beobachtete Signalabfall bei tieferen Temperaturen auf längeren Zeitskalen, was wegen der sinkenden Wärmeleitfähigkeit und der steigenden Wärmekapazität des Sensors zunächst plausibel erscheint. Wie in der Vergrößerung in Abbildung 4.3 zu sehen ist, ist das Signal bei einer Badtemperatur von T = 27 mK auch nach einer Sekunde noch nicht wieder auf den Ausgangswert gesunken. 10 -1 Am 60keV Am 26keV Np L Magn. Fluss s [0] Np L1 Np L 10 -2 10 -3 0 20 40 60 80 100 120 Zeit t [ms] Abb. 4.3: Links: Abhängigkeit der Pulsform von der Temperatur des Detektors bei einem felderzeugenden Dauerstrom von 60 mA und einem Energieeintrag von 59,5 keV. Im kleinen Bild ist das Detektorsignal bei 27 mK auf längeren Zeitskalen dargestellt. Rechts: Abhängigkeit der Pulsform von der Energie des absorbierten Photons bei einem felderzeugenden Dauerstrom von 30 mA und einer Temperatur von 35 mK. Die Verwendung der 241 Am-Quelle ermöglicht auch die Untersuchung der Abhängigkeit der Pulsform von der eingetragenen Energie über einen weiten Energiebereich. Wie in Abbildung 4.3 rechts in logarithmischer Darstellung zu sehen ist, zeigt die Pulsform keinerlei Abhängigkeit von der Energie des absorbierten Photons im hier betrachteten Energiebereich zwischen 14 keV und 60 keV. 52 4. Experimentelle Ergebnisse Für die nun folgende quantitative Analyse der Pulsformen wird eine Summe aus Exponentialfunktionen n √ X ∆Φ(t) = a0a e−t/τ0a + a0b e− t/τ0b + ai e−t/τi (4.2) i=1 an die gemittelten Pulse angepasst. Die ersten beiden Summanden beschreiben den Pulsanstieg und besitzen negative Einzelamplituden a0a und a0b . Um den zweiten Teil des Anstiegs besser mit den Messdaten in Übereinstimmung zu bringen wurde wie in [Por11] und [Kir10] der Exponent durch eine Wurzel modifiziert. In den genannten Arbeiten wurde dies mit einer langsamen Diffusion durch den verhältnismäßig großen Kristall begründet. Um den Abfall der Pulse zufriedenstellend zu beschreiben sind, wie schon in [Por11] beobachtet wurde, bei Verwendung von Rhenium-Absorbern mehrere Exponentialfunktionen nötig, wobei deren Bedeutung noch nicht geklärt ist. In Abbildung 4.4 ist beispielhaft für einen felderzeugenden Dauerstrom von 60 mA und eine Badtemperatur von 27 mK dargestellt, wie sich das Messsignal aus den einzelnen Exponentialfunktionen zusammensetzt. 0.05 0.10 Gemittelter Puls 0.06 0.04 0.03 0.02 0.02 0.01 0.00 0.00 0 20 40 Zeit t [ms] 60 1 2 3 4 0.04 Magn. Fluss s [0] 0.08 Magn. Fluss s [0] Gemittelter Puls 1 2 3 4 80 100 0 200 400 600 800 1000 Zeit t [ms] Abb. 4.4: Anpassung des Abfalls eines Pulses durch eine Summe aus vier Exponentialfunktionen bei einem felderzeugenden Dauerstrom von 60 mA und einer Temperatur von 27 mK. Die Parameter, die sich aus der Anpassung ergeben, sind in den Tabellen 4.1 und 4.2 aufgelistet. Für die Messungen bei 90 mK und 120 mK konnte der langsame Abfall mit der Zeitkonstanten τ4 durch das schlechte Signal-zu-Rauschen-Verhältnis nicht mehr beobachtet werden. Die Anstiegszeiten bei höheren Temperaturen sind durch das Rauschen des Detektorsignals nur schwer zu bestimmen. 53 4.1. Experimente mit Rhenium-Absorber T [mK] 27 30 45 60 90 τ0a [µs] 2,31 2,29 1,94 1,52 2,67 τ0b [µs] 66,2 62,6 41,0 15,6 3,70 a0a [mΦ0 ] -42,0 -41,3 -31,5 -20,0 -13,1 a0b [mΦ0 ] -52,4 -51,9 -41,1 -28,4 -9,50 Tab. 4.1: Parameter der numerischen Anpassung des Pulsanstiegs bei 60 keV Energieeintrag und einem felderzeugenden Dauerstrom von 60 mA. τ1 [ms] 5,78 4,77 1,92 1,07 0,315 0,370 T [mK] 27 30 45 60 90 120 τ2 [ms] 24,2 21,0 9,37 6,56 3,92 1,81 τ3 [ms] τ4 [ms] 106 467 92,6 418 36,2 153 17,6 68,7 10,9 4,66 - a1 [mΦ0 ] 30,4 30,0 21,5 13,8 4,25 4,62 a2 [mΦ0 ] 32,4 31,0 20,1 13,1 14,4 8,13 a3 [mΦ0 ] 24,0 24,6 26,8 19,6 2,92 1,46 a4 [mΦ0 ] 9,04 7,72 4,31 1,81 - Tab. 4.2: Vergleich der Parameter der numerischen Anpassung des Pulsabfalls bei 60 keV Energieeintrag und einem felderzeugenden Dauerstrom von 60 mA. Mit Hilfe der ermittelten Parameter der Anpassung lässt sich über A(t = 0) = n X ai (4.3) i=1 die auf t = 0 extrapolierte Pulshöhe bestimmen, was einem Puls mit unendlich schnellem Anstieg entspräche. Annealed Re; 0.00 % of Re normal 30 mA 60 mA Skalierung: x40 S/E (Simulaton) [0/keV] 0.06 0.05 0.0015 0.04 0.0010 0.03 0.02 0.0005 0.01 0.00 0 20 40 60 80 Temperatur T [mK] 100 120 S/E (Messwerte) [0/keV] 0.07 Abb. 4.5: Temperaturabhängigkeit der Pulshöhe für zwei verschiedene Dauerströme. Die Messwerte sind als Datenpunkte eingezeichnet, die durchgezogenen Linien zeigen Simulationen unter der Annahme eines vollständig supraleitenden Re-Absorbers. Man beachte die unterschiedliche Achsenskalierung für Messwerte und Simulationsdaten. 0.0000 Ein Vergleich der so gewonnenen Pulshöhen mit der erwarteten Flussänderung im Detektor-SQUID pro Energieeintrag aus den in Kapitel 2.2.2 und 2.3.3 beschriebenen numerischen Berechnungen ist in Abbildung 4.5 zu sehen. Die Theoriewerte sind 54 4. Experimentelle Ergebnisse auf der linken Achse aufgetragen, die Messwerte auf der rechten, welche um einen Faktor 40 gestreckt ist. Eine so stark reduzierte Signalgröße wurde auch in [Por11] gefunden. Bei einem Dauerstrom von I = 60 mA weicht neben der Signalhöhe auch der Kurvenverlauf der Temperaturabhängigkeit von der Simulation ab. Um eine annähernde Übereinstimmung der Kurvenform mit den gemessenen Daten bei 60 mA zu bekommen, müsste zum Beispiel angenommen werden, dass 0,1 % des Kristallvolumens normalleitend ist und somit merklich zur Wärmekapazität des Detektors beiträgt. Dieses normalleitende Volumen könnte auf Magnetfelder in Bereichen des Kristalls nahe der stromtragenden Detektionsspule, welche lokal zum Zusammenbruch der Supraleitung führen, zurückgehen. Für die Wärmekapazität des normalleitenden Bereichs wurde hierbei nur die spezifische Wärme der Leitungselektronen und nicht die der Kern-Quadrupolmomente berücksichtigt, was durch deren allgemein schwache Kopplung an die übrigen Systeme gerechtfertigt erscheint. Jedoch lässt sich auch bei Annahme dieses normalleitenden Bereichs die insgesamt so stark reduzierte Signalhöhe nicht erklären. Da die vielen verschiedenen Abklingzeiten, die für die Beschreibung der Pulse in Rhenium benötigt werden, auf eine Vielzahl innerer Wärmekapazitäten oder athermischer Freiheitsgrade hindeuten, darf jedoch in einem solch komplexen System ein einfacher Zusammenhang, wie er durch Gleichung 2.11 gegeben ist, vielleicht auch nicht erwartet werden. Thermische Leitfähigkeit zum Wärmebad Das Integral über einen Temperaturpuls steht über Z E = G· ∂T ∆T (t)dt ∼ =G · ∂Φ Z ∂T ∆Φ(t)dt = G ∂Φ a0a τ0a + 2a0b τ0b + n X ! ai τ i (4.4) i=1 in direktem Zusammenhang mit der in den Detektor eingebrachten Energie. Hierbei steht G für die thermische Leitfähigkeit zwischen Temperatursensor und Wärmebad. Dieser Zusammenhang hängt nicht vom genauen Verlauf der Thermalisierung ab und ist daher gut geeignet, um festzustellen, ob die gesamte absorbierte Energie innerhalb des betrachteten Zeitfensters3 vom Sensor detektiert wird. Die über Gleichung 4.4 bestimmten Werte für die thermische Leitfähigkeit G sind in Abbildung 4.6 dargestellt. 3 Durch die Verwendung der Fläche unter den angepassten Exponentialfunktionen wird genaugenommen bereits über das aufgenommene Zeitfenster hinaus extrapoliert. 4.1. Experimente mit Rhenium-Absorber Wärmeleitfähigkeit G [nW/K] 50 55 60mA 30mA g(T)=aT+bT 40 3 30 20 Abb. 4.6: Thermische Leitfähigkeit des Sensors zum Wärmebad. Die Symbole stellen gemessene Werte dar, während die durchgezogene Linie eine numerische Anpassung zeigt. 10 0 0 20 40 60 80 100 120 Temperatur T [mK] Zusätzlich ist eine numerische Anpassung der Form g(T ) = aT + bT 3 (4.5) mit den Parametern a = 16,1 nW/K2 und b = 2,62 · 10−5 W/K4 zu sehen. Der erste Term steht hierbei für die Wärmeleitung durch die metallische Verbindung des Au:Er-Sensors zum Wärmebad. Der zweite Term beschreibt die Wärmeleitfähigkeit zwischen Sensor und dem Substrat des Detektorchips. Auf die Kontaktfläche normiert entspricht der Vorfaktor des zweiten Terms b̃ = 435 W . K4 m2 Theoretisch erhält man für den Kapitza-Grenzflächenwiderstand der Materialkombination Gold-Saphir einen Wert von b̃ = 529 KW 4 m2 [Swa89]. Für die metallische Verbindung zum Bad erwartet man aus dem Detektor-Design zusammen mit typischen Werten für die Dicke und das Restwiderstandsverhältnis der gesputterten Gold-Bahn a = 22,7 nW/K2 . Die Vorfaktoren der beiden Beiträge fallen etwas niedriger aus als erwartet. Im Falle des Kapitza-Widerstands ist dies plausibel, da sich zwischen Au:Er-Sensor und Saphir-Substrat noch eine Lage aus SiO2 und auf der Hälfte der Fläche die Niob-Schicht der Detektionsspule befindet. Der erwartete Vorfaktor des linearen Terms hängt von der tatsächlichen Dicke und der Qualität des gesputterten Goldfilms ab und Abweichungen der hier zu sehenden Art sind erfahrungsgemäß normal. Unter der Annahme, dass die hier ermittelte Wärmeleitfähigkeit G(T ) mit den Erwartungen übereinstimmt, könnten wir im Umkehrschluss folgern, dass die gesamte deponierte Energie auch im Signalverlauf auf der hier betrachteten Zeitskala wiedergefunden wird. Würde die Diskrepanz zwischen gemessenem und erwartetem G(T ) durch eine Vergleichsmessung an einem baugleichen Detektor ohne 56 4. Experimentelle Ergebnisse supraleitendem Absorber oder einer Bestimmung des Restwiderstands des gesputterten Goldes bestätigt, so müsste man auf eine im Detektorsignal fehlende Energie von etwa 8% schließen. Spektrum und Nichtlinearität In Abbildung 4.7 ist links ein gemessenes Photonenspektrum der in Abschnitt 3.5 beschriebenen 241 Am-Quelle mit etwa 10000 Ereignissen bei einem felderzeugenden Dauerstrom von 30mA und einer Badtemperatur von 35mK dargestellt. Re_annealed 30mA, 30mK 400 Chi2 < 0.100000 80 Anzahl Pulse pro 40eV Anzahl Pulse pro 100eV Chi2 > 0.100000 300 200 100 0 187 Re 60 40 20 0 20 40 Energie E [keV] 60 80 0 0 1 2 3 4 Energie E [keV] Abb. 4.7: Gemessenes Photonenspektrum einer 241 Am-Quelle bei einer Temperatur von 35 mK und einem felderzeugenden Dauerstrom von 30mA (links) und Vergrößerung des Rhenium-Spektrums (rechts). Überlagert ist das theoretische β-Spektrum von 187 Re. Bei einer Energie von 60 keV ist die dominante Gamma-Linie, die aus dem α-Zerfall von 241 Am folgt, zu erkennen. Der Bereich zwischen 10 keV und 30 keV wird hauptsächlich durch Fluoreszenz-Photonen des Tochter-Isotops 237 Np bestimmt. Am linken Rand des Spektrums, bei Energien unterhalb von 5 keV, ist das β-Spektrum des Rhenium-Isotops 187 Re zu sehen. In Abbildung 4.7 rechts ist eine Vergrößerung dieses Bereichs dargestellt. In rot überlagert ist der Verlauf des β-Spektrums von 187 Re nach [Hau06]. Die numerische Anpassung erfolgte hierbei an den Energiebereich von 1,5 keV bis 2 keV. Die fehlenden Ereignisse im Energiebereich unter 1 keV sind auf die Trigger-Schwelle zurückzuführen. Im Hinblick auf eine geplante Bestimmung der Neutrinomassen ist eine signifikante Bestimmung des Endpunktes des β-Spektrums aufgrund der geringen Statistik nicht möglich. In Abbildung 4.8 links ist ein Ausschnitt aus dem mittleren Energiebereich des Spektrums zu sehen. Den Messwerten überlagert ist eine numerische Anpassung der ein- 57 4.1. Experimente mit Rhenium-Absorber zelnen erwarteten Linien. Diese besteht aus einer Summe von Gauß-Funktionen X 2 I= ai e−0,5((x−x0i )/b) . (4.6) i Das Verhältnis der Intensitäten der Neptunium-Linien wurde bei der Anpassung nicht variiert. Die Energieauflösung des Detektors beträgt ∆EFWHM = 374 eV und ist damit deutlich größer als die natürliche Linienbreite und rechtfertigt die Annäherung durch Gauß-Funktionen und den Verzicht auf eine Faltung mit der natürlichen Linienform. Re_annealed 30mA, 30mK Re_annealed 30mA, 30mK 80 80 241 Am 60 EFWHM = 1299 eV Anzahl Pulse pro 25eV Anzahl Pulse pro 25eV EFWHM = 374 eV Np L Np L 40 Np L 20 241 0 15 20 Energie E [keV] 25 60 40 20 Am 30 0 56 58 60 62 64 66 Energie E [keV] Abb. 4.8: Vergrößerte Ausschnitte des Spektrums aus Abbildung 4.7. Dargestellt sind ein Teil der Röntgenfluoreszenz-Linien von 237 Np (links) und die dominante Linie des α-Zerfalls von 241 Am (rechts). Die überlagerten Gauß-Funktionen zur Bestimmung der Energieauflösung werden im Text erläutert. Die Linie des Spektrums mit der größten Intensität liegt bei E = 59,5 keV und ist in Abbildung 4.8 rechts zu sehen. Die Anpassung einer Gauß-Funktion an den Energiebereich von 58,5 keV bis 60,5 keV führt im Vergleich zu den eben gezeigten Linien zu einer deutlich größeren Halbwertsbreite von ∆EFWHM ≈ 1300 eV. Weiterhin fällt eine deutlich erhöhte Intensität bei höheren Energien auf. Die Ursache dafür ist noch unklar, allerdings könnte eine Positionsabhängigkeit des Absorptionsprozesses eine Rolle spielen. Dafür spricht, dass die Photonen unterhalb von 30 keV, welche eine Absorptionslänge von maximal 20 µm besitzen, kein solches Verhalten zeigen. Photonen mit einer Energie von 60 keV können mit 123 µm Absorptionslänge hingegen auch in tieferen Bereichen des Rhenium-Kristalls absorbiert werden. Davon ausgehend ist für diese Ereignisse eine Ortsabhängigkeit nicht auszuschließen, da sie über das gesamte Kristallvolumen verteilt auftreten. Um dies näher zu untersuchen wurde das, in Abbildung 4.9 dargestellte, Streudiagramm der verschiedenen Ereignisse erstellt. Hierzu wurde aus der Np Lβ1 -Linie ein gemittelter Musterpuls erzeugt und 58 4. Experimentelle Ergebnisse anschließend wurden alle Einzelpulse durch vertikales Verschieben und Strecken an diesen Musterpuls angepasst. Aus der Streckung ergibt sich für jeden Puls eine Amplitude, die in eine Energie umgerechnet werden kann, sowie ein Wert χ2 für die mittlere quadratische Abweichung vom gestreckten Musterpuls. Re_annealed 30mA, 30mK 0.08 2 0.06 0.04 Abb. 4.9: Ausschnitt aus dem Streudiagramm der Ereignisse im Rhenium-Absorber bei einem felderzeugenden Dauerstrom von 30 mA und einer Temperatur von 35 mK. 0.02 0.00 0 20 40 60 80 Energie E [keV] Bei einer quadratischen Abweichung von etwa χ2 = 0,01 kann man im Streudiagramm Häufungen von Punkten bei den verschiedenen Linien des in Abbildung 4.7 links gezeigten Spektrums erkennen. Interessanterweise besitzen sowohl die Punktwolke der 60 keV-Linie als auch die des Rhenium-Spektrums eine zusätzliche „angehängte“ Punktwolke, welche sich zu größeren quadratischen Abweichungen hin erstreckt. Die Pulse, denen eine Energie von etwa 70 keV zugeordnet wird, besitzen im Vergleich zu den Pulsen der eigentlichen Linie bei 60 keV eine größere Amplitude und eine leicht abweichende Pulsform im Bereich der ersten 70 ms. Davon ausgehend, dass es sich bei der zusätzlichen Ereignis-Familie, die an die eigentliche Familie der Rhenium-Pulse anschließt, um Ereignisse handelt, die im inneren und somit von der Oberfläche entfernten Teil des Kristalls erzeugt werden, kann der Anteil des „oberflächennahen“ Kristallvolumens zu etwa 70% bestimmt werden. Dies entspräche einem Bereich entlang der Oberfläche mit 45 µm Dicke. Die Photonen aus der 241 Am-Quelle mit einer Energie unter 30 keV sind nach dem Durchlaufen dieser Strecke bereits zu über 85% absorbiert, weshalb diese jeweils nur eine Wolke im Streudiagramm zeigen. Die vielen verschiedenen Linien der 241 Am-Quelle geben die Möglichkeit über einen großen Energiebereich die Linearität des Detektors zu studieren. Hierzu ist in Abbildung 4.10 die gemessene und über die Anpassung einer Gauß-Funktion bestimmte Energie gegen die tatsächliche Energie der absorbierten Photonen aufgetragen. Den Messwerten überlagert ist als durchgezogene Linie das Verhalten eines idealen Detektors und eine gestrichelte Parabel der Form Eg = aE + bE 2 . Die beste 4.1. Experimente mit Rhenium-Absorber 59 Gemessene Energie Eg [keV] 60 50 Abb. 4.10: Gemessene Signalamplitude der verschiedenen Linien in Abhängigkeit der tatsächlichen Photonenenergie. Ebenfalls eingezeichnet ist eine Ursprungsgerade mit Steigung 1 (durchgezogene Linie) und eine angepasste Parabel der Form Eg = 0,986 E + 0,000269/keV E2 (gestrichelte Linie). 40 30 20 10 0 0 10 20 30 40 50 60 Energie E [keV] Übereinstimmung der Parabel mit den Messergebnissen wurde mit den Parametern a = 0,986 und b = 2,69·10−4 keV−1 erreicht. Die erhöhte Signalamplitude der 60 keVPhotonen geht vermutlich mit der oben bereits diskutierten Positionsabhängigkeit der Ereignisse im Rheniumabsorber einher. 4.1.2 Vergleich mit einem nicht getemperten Kristall Um den Einfluss der Kristallqualität auf die Pulsform zu quantifizieren, wurde ein weiteres Experiment durchgeführt, bei dem der Rhenium-Einkristall nach dem Zuschneiden auf die gewünschte Größe nicht getempert wurde, sodass insbesondere an der Oberfläche Kristalldefekte zu erwarten sind. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurde der Absorber auf einem baugleichen Detektor-Chip aufgebracht. Induktivität und Magnetisierung Abbildung 4.11 links zeigt die spektrale Dichte des magnetischen Flussrauschens bei einer Temperatur von 4,2 K. Daraus kann analog zur in Abschnitt 4.1.1 dargestellten Analyse ein Wert für die Gesamtinduktivität des Flusstransformators berechnet werden, welcher höher als für den Detektor mit getempertem Rhenium-Kristall liegt. Allerdings lässt sich aufgrund des ebenfalls höheren ermittelten Widerstands auch auf längere Aluminium-Bonddrähte schließen. Unter Berücksichtigung der dadurch erhöhten Induktivität dieser Drähte erhält man für die Induktivität eines einzelnen Mäanders Lm = 4,46 nH und damit einen übereinstimmenden Wert zum Experiment mit getempertem Kristall. Die gemessene Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung in Abbildung 4.11 rechts zeigt ebenfalls eine zufriedenstellende Übereinstimmung mit der Theorie, auch wenn unterhalb von 50 mK ein starkes Abweichen der Detektortemperatur von der Badtemperatur zu beobachten ist. 60 10 10 50 2 Magn. Fluss s [0] Spektrale Leistungsdichte S [0/ Hz] 4. Experimentelle Ergebnisse Widerstand 7.39 m Gesamtinduktivität 4.85 nH Induktivität der Einkoppelspule 1,9 nH Mäanderinduktivität 4,46 nH 1 10 2 10 3 10 4 10 5 30 mA 60 mA 40 30 20 10 10 0 6 Frequenz f [Hz] 0 10 20 30 40 Inverse Temperatur 1/T [1/K] Abb. 4.11: Spektrale Leistungsdichte des magnetischen Flussrauschens im DetektorSQUID bei T = 4,2 K (links) und gemessene Magnetisierung des Au:Er-Sensors in Einheiten von magnetischem Fluss im Detektor-SQUID in Abhängigkeit von der Temperatur des Wärmebades für zwei verschiedene felderzeugende Dauerströme (durchgezogene Linien) und entsprechende Simulationen (gestrichelte Linien) (rechts). Vergleich der Pulsformen In Abbildung 4.12 sind die ersten 50 ms der Pulsantwort der beiden Detektoren mit getempertem beziehungsweise ungetempertem Rhenium-Absorber bei einem Energieeintrag von 60 keV dargestellt. Zur besseren Vergleichbarkeit wurde die gemessene Änderung des magnetischen Flusses im Detektor-SQUID in eine Temperaturänderung ∆T (t) ∼ = ∂T /∂Φexp · ∆Φ(t) umgerechnet. getempert Temperatur T [mK] 0.10 nicht getempert Abb. 4.12: Zeitlicher Verlauf der Sensortemperatur bei der Absorption eines 60 keV Photons im Detektor mit getempertem beziehungsweise nicht getempertem Rheniumabsorber bei einer Badtemperatur von 30 mK und einem Dauerstrom von 60 mA. 0.05 0.00 0 10 20 30 40 50 Zeit t [ms] Bei dem nicht getemperten Absorber zeigt sich sowohl ein schnellerer Anstieg, sowie ein deutlich schnellerer Abfall in den ersten 20 ms des Pulses. Der schnellere Anstieg, 61 4.1. Experimente mit Rhenium-Absorber der in Abbildung 4.13 links vergrößert dargestellt ist, wird in beiden Fällen durch zwei Exponentialfunktionen beschrieben, von denen die zweite wie in Gleichung 4.2 angep geben den Exponenten − t/τ0b besitzt, also ein „stretched exponential“-Verhalten beschreibt. Insbesondere dieser zweite Anstieg erfolgt beim nicht getemperten Absorber mit einer deutlich kürzeren Zeitkonstante. Die im Abschnitt 4.1.1 erwähnte Diffusion für den langsamen zweiten Anstieg im getemperten Kristall scheint deshalb nicht länger plausibel, da man für einen Kristall mit weniger Defekten auch eine leichtere Diffusion der Phononen oder Quasiteilchen zum Sensor erwarten würde. Eine alternative Erklärung könnte in den Quasiteilchen zu finden sein, die durch das Aufbrechen von Cooper-Paaren im Supraleiter entstehen. Sowohl die Relaxation der angeregten Quasiteilchen zur Bandkante, als auch deren Rekombination zu Cooper-Paaren käme hierbei in Betracht, da beide Prozesse durch die Anwesenheit von Defekten beschleunigt werden könnten. Dies wäre auf zusätzliche Streuung an den Defekten oder auf erleichterte Rekombination durch zusätzliche Energiezustände in der Defektumgebung zurückzuführen. Im Rahmen einer solchen Erklärung könnte der erste Anstieg des Pulses durch Phononen erzeugt werden, die direkt nach Absorption des Photons entstehen, während der zweite Anstieg durch Phononen entstünde, die im Rahmen der Relaxation beziehungsweise Rekombination der Quasiteilchen entstehen. 10 -1 10 -2 10 -3 getempert nicht getempert Temperatur T [mK] Temperatur T [mK] 0.10 getempert 0.05 nicht getempert 0.00 -0.05 0.00 0.05 0.10 Zeit t [ms] 0.15 0.20 0 200 400 600 800 1000 Zeit t [ms] Abb. 4.13: Vergleich des Anstiegs (links) und des Abfalls (rechts) der in Abbildung 4.12 gezeigten Signale. Geht man davon aus, dass es sich beim zweiten Anstieg um den Prozess einer schnellen Rekombination in einer Phase handelt, in der die Dichte an Quasiteilchen noch sehr hoch ist, was zu einer leichteren Bildung von Cooper-Paaren führt, so könnten die Abklingzeiten mit 15 ms/20 ms beziehunsgweise etwa 100 ms die Relaxation beziehungsweise Rekombination der Quasiteilchen zu einem späteren Zeitpunkt beschreiben. Wechseln wir nun zum Thermalisierungsverhalten bei langen Zeiten zeigt der getemperte Kristall eine schnellere Thermalisierung, wie in der logarithmischen 62 4. Experimentelle Ergebnisse Darstellung in Abbildung 4.13 rechts dargestellt wird. Wie in Tabelle 4.3 zu sehen ist, ist das Produkt aus Zeitkonstante und Amplitude für die letzte Abfallszeit in beiden Fällen etwa gleich groß, was ein Hinweis darauf ist, dass in beiden Absorbern derselbe Anteil der Energie in der entsprechenden langlebigen Anregungen, deren mikroskopische Natur jedoch zunächst unbekannt ist, gespeichert ist. Als Ursache für dieses System mit sehr langer Relaxationszeit kommen wieder Quasiteilchen an der Bandkante oder auch die Kernquadrupolmomente des Rhenium in Betracht. Kurz nach der Absorption eines Photons ist es möglich, dass über die entstehenden Quasiteilchen Energie in das System der Kernquadrupole übertragen wird. Sobald die Quasiteilchen daraufhin wieder zu Cooper-Paaren rekombiniert sind, steht dieser Kanal der Energieübertragung nicht länger zur Verfügung, sodass die Energie im System der Quadrupole gespeichert bleibt. Nur über die schwache Kopplung an die Phononen gelangt diese Energie dann langsam zum Au:Er-Sensor, wo sie detektiert werden kann. Getempertes Rhenium Zeitkonstante [ms] Amplitude [µK] 2,29·10−3 -37,3 −3 62,6·10 -46,8 4,77 21,0 92,6 418 27,1 28,0 22,2 6,97 Nicht getempertes Rhenium Zeitkonstante [ms] Amplitude [µK] 4,33·10−3 -63,2 −3 3,96·10 -51,5 0,778 17,2 3,34 58,8 14,3 27,6 110 10,6 604 4,78 Tab. 4.3: Vergleich der Zeitkonstanten und der Amplituden der Anpassungsrechnung zu beiden Detektoren bei einer Badtemperatur von 30 mK und einem Dauerstrom von 60 mA. Die Fläche unter den Pulsen, die nach Gleichung 4.3 bestimmt wurde, ist für den nicht getemperten Kristall mit A ≈ 4,66 mK · ms deutlich kleiner wie für den getemperten Kristall mit A ≈ 5,69 mK · ms. Nach Gleichung 4.4 hängt die Fläche unter dem Temperaturpuls nur von der Kopplung an das Wärmebad und der detektierten Gesamtenergie ab. Mit Hilfe der theoretischen Werte aus Abschnitt 4.1.1 kann die erwartete Wärmeleitfähigkeit des Sensors zum Bad berechnet werden. Geht man davon aus, dass diese Wärmeleitfähigkeit für beide Detektoren mit diesem Wert übereinstimmt und bestimmt man mit ihr die vom Sensor registrierte Energie, so erhält man für den nicht getemperten Absorber E ≈ 45,6 keV und für den getemperten Kristall E ≈ 54,7 keV bei einem tatsächlichen Energieeintrag E = 59,5 keV. Die Tatsache, dass der so ermittelte Absolutwert der im Temperaturpuls beobachteten Energie beider Detektoren geringfügig kleiner ist, als die deponierte Photonenenergie ist wegen der Unsicherheit bei der Berechnung der Wärmeleitfähigkeit noch nicht signifikant. 63 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern Da die beiden Detektorchips jedoch vom selben Wafer stammen, sollten die beiden Wärmeleitfähigkeiten von Sensor zum Bad annähernd identisch sein. Unter dieser Annahme könnte man jedoch immernoch folgern, dass im getemperten Einkristall ein geringerer Anteil der Energie in Anregungen fließt, die erst auf längeren Zeitskalen, das heißt deutlich länger als die hier gewählte Beobachtungszeit von etwas über einer Sekunde, mit dem Sensor thermalisieren. 4.2 Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern In diesem Kapitel werden die experimentellen Ergebnisse, die mit magnetischen Kalorimetern mit reinem Zink-Absorber beziehungsweise Zn:Mn24ppm -Absorber erzielt wurden, vorgestellt und diskutiert. Zu Beginn erfolgt eine Gegenüberstellung einiger grundlegender Eigenschaften beider Detektoren. Anschließend werden getrennt die Form der Detektorsignale bei der Absorption von Röntgenphotonen beschrieben und im letzten Abschnitt die Auswirkungen der Dotierung mit Mangan diskutiert. 4.2.1 Allgemeine Resultate Magnetisches Flussrauschen bei T=4,2 K 10 2 10 1 10 Spektrale Leistungsdichte S [0/ Hz] Spektrale Leistungsdichte S [0/ Hz] Wie schon beim Experiment mit Rhenium-Absorber beschrieben wurde, kann über eine Rauschmessung bei 4,2 K die Induktivität der Detektoren bestimmt werden. Zn Widerstand 6.30 m Gesamtinduktivität 25.00 nH Induktivität der Einkoppelspule 6,7 nH Mäanderinduktivität 35,4 nH 0 10 2 10 3 10 4 10 Frequenz f [Hz] 5 10 6 10 2 10 1 10 Zn:Mn Widerstand 14.50 m Gesamtinduktivität 21.60 nH Induktivität der Einkoppelspule 2,1 nH Mäanderinduktivität 36,1 nH 0 10 2 10 3 10 4 10 5 10 6 Frequenz f [Hz] Abb. 4.14: Spektrale Leistungsdichte des magnetischen Flussrauschens im DetektorSQUID der Detektoren mit Zn-Absorber (links) beziehungsweise Zn:Mn-Absorber (rechts) bei einer Temperatur von 4,2 K. 64 4. Experimentelle Ergebnisse Abbildung 4.14 zeigt das gemessene magnetische Flussrauschen SΦ im DetektorSQUID, links für den Detektor mit Zn- und rechts für den Detektor mit Zn:MnAbsorber. Aus den jeweiligen ermittelten Gesamtinduktivitäten kann die Induktivität einer einzelnen mäanderförmigen Detektionsspule berechnet werden. Für die beiden Experimente beträgt diese Induktivität 35,4 nH (Zn) beziehungsweise 36,1 nH (Zn:Mn) und entsprechen damit Werten, wie sie für eine Schleife der gegebenen Geometrie auch in anderen Experimenten gemessen wurden. Magnetisierung Die Magnetisierungmessungen, die auch hier während des Abkühlens der Experimentierplattform von 1 K auf etwa 25 mK erfolgten, sind in Abbildung 4.15 dargestellt. 700 400 Magn. Fluss s [0] 80 mA Magn. Fluss s [0] 80mA; Sept., 22nd 40mA; Oct., 15th 600 Zn 300 30 200 Zn:Mn 40 mA 80 mA 500 400 300 200 100 100 -10 0 0 10 20 0.8 1.6 30 Inverse Temperatur 1/T [1/K] 40 0 0 10 20 30 40 Inverse Temperatur 1/T [1/K] Abb. 4.15: Gemessener magnetischer Fluss im Detektor-SQUID der beiden Detektoren mit Absorbern aus Zink (links) beziehungsweise Zink-Mangan (rechts) in Abhängigkeit von der Temperatur für verschiedene felderzeugende Dauerströme (durchgezogene Linien) und entsprechende Simulationen (gestrichelte Linien). In der Vergrößerung ist der supraleitende Übergang des Zinks bei T = 0,85 K zu sehen. In beiden Fällen ist bei tiefen Temperaturen kein Abknicken der Magnetisierung unter die simulierten Werte zu erkennen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Temperatur des Au:Er-Sensors mit der gemessenen Temperatur der Experimentierplattform übereinstimmt. Für den Detektor mit Absorber aus Zink zeigt sich bis auf eine kleine Abweichung bei tiefen Temperaturen eine sehr gute Übereinstimmung zwischen experimentellen Werten und der Theorie. Wie in der Vegrößerung in Abbildung 4.15 links zu sehen ist, wird bei einer inversen Temperatur von 1/T ≈ 1,25 K−1 , was einer Temperatur T ≈ 0,8 K entspricht, jedoch ein sehr starker Anstieg des magnetischen Flusses im Detektor-SQUID beobachtet. In diesem Sprung zeigt sich der supraleitende Übergang 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern 65 des Zink-Absorbers, der bei T = 0,85 K stattfindet. Durch den Meißner-OchsenfeldEffekt (siehe Kapitel 2.4.2) wird das magnetische Feld aus dem Absorber verdrängt. Dadurch erhöht sich die magnetische Feldstärke im Sensor (siehe Abbildung 2.4), was zu dem beobachteten Anstieg des Signals führt. Für den Detektor mit Zn:Mn-Absorber ist im Gegensatz dazu kein klarer Sprung, der einen supraleitenden Übergang kennzeichnen würde, erkennbar. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Mangan-Atome als Pinning-Zentren für magnetische Flussschläuche dienen. Dadurch würde die Magnetfeldverteilung beim Übergang in den supraleitenden Zustand in seiner ursprünglichen Form eingefroren und eine Verdrängung des Feldes würde nicht stattfinden. Allerdings zeigt sich zu tiefen Temperaturen eine Abweichung vom erwarteten Magnetisierungsverhalten, die vom felderzeugenden Dauerstrom abhängt und bei 25 mK bis zu 9% beträgt. Da, wie in Abschnitt 2.4.2 erwähnt wurde, die Sprungtemperatur von Zn:Mn im Vergleich zu reinem Zink stark herabgesetzt sein sollte, wäre es möglich, dass es sich hierbei um einen breiten Übergang in den supraleitenden Zustand handelt. In [Vac73] wurde auch beobachtet, dass der supraleitende Übergang ab einer Mangan-Konzentration von 17 ppm über einen sehr großen Temperaturbereich verläuft. Streudiagramm Um das Thermalisierungsverhalten der supraleitenden Absorber zu charakterisieren, wurde deren Dicke so gewählt, dass etwa 10% der einfallenden Röntgenphotonen mit einer Energie von 6 keV den Absorber ungehindert durchdringen und in der darunterliegenden Schicht aus normalleitendem Gold absorbiert werden. Neben einem Vergleich der Pulsformen ermöglicht dies auch einen direkten Vergleich der Integrale der Temperaturpulse und damit nach Gleichung 4.4 einen Vergleich der Energie, die durch den Sensor erfasst wird. Da die Absorptionsereignisse in den beiden Materialien eine unterschiedliche Pulsform besitzen, lässt sich jeder einzelne Puls einer der beiden Pulsgruppen zuordnen. Hierzu werden von Hand einige Pulse mit der gleichen Form ausgewählt und daraus durch Mittelung ein Musterpuls generiert, dem die Amplitude 1 zugeordnet wird. Anschließend wird jeder einzelne Puls durch Verschieben und Strecken in Flussrichtung mit der Methode der kleinsten Abweichungsquadrate an diesen Musterpuls angepasst. Der gefundene Skalierungsfaktor wird dem entsprechenden Einzelpuls als Amplitude zugeordnet. Die dadurch gewonnenen Amplituden und Abweichungsquadrate χ2 der einzelnen Pulse sind für die beiden verschiedenen Detektoren in Abbildung 4.16 aufgetragen. Hierbei entspricht jeder Datenpunkt einem gemessenen Einzelereignis. 66 4. Experimentelle Ergebnisse 0.25 Zn 0.20 Ereignisse in Au K K 2 0.15 0.10 Ereignisse in Zn K K 0.05 0.00 0.9 1.0 1.1 1.2 1.3 1.4 Amplitude Abb. 4.16: Ausschnitte aus den Streudiagrammen für den Zn-Detektor (links) und den Zn:Mn-Detektor (rechts). Aufgetragen ist die mittlere quadratische Abweichung χ2 gegen die Amplitude der einzelnen Pulse realtiv zum Musterpuls, aufgenommen bei einem felderzeugenden Dauerstrom von 80 mA und einer Temperatur von 27 mK (Zn) beziehungsweise 30 mK (Zn:Mn). In den gezeigten Ausschnitten sind jeweils zwei Gruppen zu sehen, die sich eindeutig durch ihr Abweichungsquadrat vom skalierten Musterpuls unterscheiden. Dieser Unterschied kommt durch die abweichende Pulsform der Absorptionsereignisse im Absorber beziehunsgweise in der Goldschicht zustande. Für die rechts gezeigten Daten des Experiments mit Zn:Mn-Absorber ist die Abweichung deutlich größer, da sich die Pulsformen hier sehr viel stärker unterscheiden. Da man aufgrund der Dicke der Absorber erwartet, dass etwa 90% der Ereignisse im Zn- beziehungsweise Zn:Mn-Absorber gestoppt werden, können die einzelnen Gruppen in den Diagrammen eindeutig über die relative Anzahl der Datenpunkte zugeordnet werden. Wie man sehen kann, ist jede dieser Gruppen nochmals in zwei Untergruppen unterteilt, die sich in der Amplitude um 10% unterscheiden. Dies ist auf die verwendete 55 Fe-Quelle zurückzuführen, die wie in Kapitel 3.5 beschrieben, Photonen der Energie 5,9 keV (90%) und 6,5 keV (10%) emittiert. Im Falle des Zn:Mn-Detektors konnten zusätzlich mehrere andere (hier nicht gezeigte) Pulsgruppierungen beobachtet werden, die jedoch auf schlechte Positionierung des Kollimators zurückzuführen sind und demnach Signalen von Photonen entsprechen, die in anderen Bereichen wie dem Saphir-Substrat absorbiert wurden. 67 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern Pulshöhen Auf die gleiche Art wie in Abschnitt 4.1.1 für den Detektor mit Rhenium-Absorber beschrieben, wurden die gemittelten Pulse durch eine Summe aus Exponentialfunktionen angenähert und daraus die Pulshöhe bestimmt. Die so bestimmten und auf den Zeitpunkt der Absorption zurückextrapolierten Pulshöhen werden in Abbildung 4.17 mit Theoriekurven verglichen. Die Ereignisse in der Goldschicht sind durch volle Punkte dargestellt, die Ereignisse in den Absorbern durch offene Kreise. Für den Detektor mit Zn-Absorber sind Messergebnisse bei einem felderzeugenden Dauerstrom von 80 mA gezeigt, für den Detektor mit Zn:MnAbsorber die Werte für 40 mA und 80 mA. 0.005 0.006 0.005 Zn 0.004 Zn:Mn S/E [0/keV] S/E [0/keV] 80 mA 0.003 0.002 40 mA 80 mA 0.004 0.003 0.002 Simulation for: 0.001 0.000 Simulation for: 0.001 0 20 40 60 80 Temperatur T [mK] 100 0.000 0 20 40 60 80 100 120 Temperatur T [mK] Abb. 4.17: Abhängigkeit der Pulshöhe von der Temperatur. Neben simulierten Daten (durchgezogene Linien) sind auch die Messwerte für Ereignisse in Gold (volle Kreise) und im Absorber (offene Kreise) zu sehen. In beiden Experimenten liegt die beobachtete Pulshöhe der Ereignisse in der Goldschicht geringfügig über der Erwartung. Während die Abweichung bei einem Strom von 80 mA für den Zn-Detektor etwa 10% beträgt, ist sie beim Zn:Mn-Detektor etwas größer. Jedoch kann im letzteren Fall ein Teil der Erhöhung mit der, in Abbildung 4.15 dargestellten, deutlich steileren Magnetisierungskurve bei tiefen Temperaturen erklärt werden. Weiterhin ist es nicht auszuschließen, dass beim Galvanisieren der in Abschnitt 3.3 beschriebenen Goldschicht auf dem Sensor und der Goldstämme durch fehlerhafte Parameter4 weniger Material aufgetragen wurde als beabsichtigt. Dies würde zu einer Verringerung der Wärmekapazität führen und damit nach Gleichung 2.11 einer Vergrößerung des erwarteten Signals insbesondere zu hohen Temperaturen hin entsprechen. 4 Durch Verwendung einer Stromquelle, die später als fehlerhaft identifiziert wurde. 68 4. Experimentelle Ergebnisse Die Photonen, die in den aufgebrachten Supraleitern absorbiert wurden, erzeugen Signale mit einer kleineren Höhe als die Photonen, die in der Goldschicht absorbiert werden. Eine Ausnahme ist bei hohen Temperaturen im Zink-Detektor erkennbar. Dies liegt jedoch daran, dass in diesen Fällen die Anstiegszeit vergleichsweise lang ist. Während dieser Zeit fließt weniger Energie vom Sensor zum Bad ab, wodurch die Signalamplitude zu späteren Zeiten und damit auch die auf t = 0 extrapolierte Signalamplitude, größer ist. 4.2.2 Zn-Absorber Pulsform In Abbildung 4.18 ist für mehrere Temperaturen ein Vergleich der gemittelten Ereignisse im supraleitenden Zn-Absober (links) und in der normalleitenden Gold-Schicht (rechts) zu sehen. Man beachte die unterschiedlichen Skalierungen der Fluss-Achse. 0.025 27mK 27mK 0.020 32mK 32mK 40mK 40mK Magn. Fluss s [0] Magn. Fluss s [0] 0.010 60mK 80mK 100mK 120mK 0.005 0.000 60mK 80mK 0.015 100mK 120mK 0.010 0.005 0.000 0 10 20 Zeit t [ms] 30 40 0 10 20 30 40 Zeit t [ms] Abb. 4.18: Vergleich der Pulsform der Ereignisse im Absorber aus Zink (links) und im Abstandshalter aus Gold (rechts) bei verschiedenen Temperaturen und einem felderzeugenden Dauerstrom von 80 mA. Auffallend ist der deutlich langsamere Anstieg der Signale im Supraleiter und deren Höhe, die nur etwa halb so groß ist wie die der Ereignisse in Gold. Diese Unterschiede werden in Abbildung 4.19 im direkten Vergleich der beiden Pulsformen weiter verdeutlicht. Die gezeigten Pulse wurden bei T = 32 mK und einem felderzeugenden Dauerstrom If = 80 mA aufgenommen. Der Anstieg der Signale in Gold ist durch die Bandbreite der Datenaufnahme beschränkt und mit einer Zeitkonstanten τ0 < 4,4 µs sehr viel schneller als der Anstieg der Signale im Supraleiter. Nach Erreichen des Maximums zeigen die im Gold stattfindenden Ereignisse einen sehr schnellen ersten Abfall mit τ1 = 430 µs. Dieses Verhalten wird auf das Abfließen 69 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern 0.020 Ereignisse in Au 10 -2 10 -3 10 -4 10 -5 Ereignisse in Au Ereignisse in Zn Summe aus zwei Exp-Funktionen 0.015 Magn. Fluss s [0] Magn. Fluss s [0] Ereignisse in Zn 0.010 0.005 0.000 0 2 4 6 8 10 0 50 100 150 200 250 Zeit t [ms] Zeit t [ms] Abb. 4.19: Gegenüberstellung der Ereignisse in Zink und in Gold auf kurzer (links) und langer (rechts) Zeitskala bei einer Badtemperatur von 32 mK und einem felderzeugenden Dauerstrom von 80 mA. der Energie aus dem Zeemann-System der Erbium-Ionen in das System der Kernquadrupolmomente des Gold-Wirtsgitters zurückgeführt [Ens00]. Dieser Abfall trat nur bei Temperaturen unter 40 mK auf, was mit früheren Beobachtungen übereinstimmt [Kem07, Heu11]. Der weitere Abfall lässt sich sehr gut durch zwei Exponentialfunktionen beschreiben. Dabei beschreibt der erste Abfall das Abfließen der Energie aus dem Detektor in das Wärmebad. Die zugehörige Zeitkonstante τ2 erfüllt auch in guter Näherung die Beziehung τ2 = Cges /Gsb mit den zugehörigen erwarteten Werten für die Gesamtwärmekapazität des Detektors und der Wärmeleitfähigkeit Gsb zum Bad. Die Ursache für die letzte Relaxationszeit τ3 = 60 ms ist bisher nicht eindeutig identifiziert. Es könnte jedoch sein, dass das in Kapitel 2.4.2 beschriebene komplexe Thermalisierungsverhalten von Quasiteilchen in Supraleitern eine wichtige Rolle spielt. T [mK] 32 40 60 80 100 120 τ0 [µs] 4,4 3,8 6,6 1,2 1,7 2,4 a0 [mΦ0 ] -35,3 -25,5 -15,8 -9,63 -7,30 -5,52 Tab. 4.4: Zeitkonstanten und Amplituden für den exponentiellen Anstieg der Ereignisse im Au-Abstandshalter bei einem Dauerstrom von 80mA. Die Ereignisse im Absorber zeigen einen Anstieg, der im Vergleich zu den Ereignissen in Gold deutlich langsamer ist und bei T = 32 mK durch die Summe von zwei Expo- 70 4. Experimentelle Ergebnisse T [mK] 32 40 60 80 100 120 τ0a [µs] 77 80 - τ0b a0a [mΦ0 ] 450 -3,54 321 -2,42 157 116 119 114 - a0b [mΦ0 ] -13,1 -12,2 -14,0 -11,9 -10,5 -6,81 Tab. 4.5: Zeitkonstanten und Amplitudenanteile für den exponentiellen Anstieg der Ereignisse im Zn-Absorber bei einem Dauerstrom von 80mA. nentialfunktionen mit den Zeitkonstanten τ0a = 77 µs und τ0b = 450 µs beschrieben werden kann. Der im Vergleich zu den Gold-Ereignissen langsame erste Anstieg könnte durch Phononen zustande kommen, die durch die Stämme zum Sensor gelangen und kann dadurch erklärt werden, dass beim Diffusionsverschweißen kein guter thermischer Kontakt zwischen Absorber und Sensor zustande kam. Der zweite Anstieg deutet auf im Absorber gespeicherte Energie hin, die den Absorber nur sehr langsam verlassen kann. Dabei könnte es sich um die Relaxation von Quasiteilchen zur Bandkante oder auch um deren Rekombination zu Cooper-Paaren handeln. Die Tabellen 4.4 und 4.5 listen die entsprechenden Anstiegszeiten der beiden Pulsarten auf. T [mK] 32 40 60 80 100 120 τ1 [ms] 0,432 0,251 - τ2 [ms] 3,94 2,35 0,836 0,431 0,230 0,175 τ3 [ms] 60,4 25,0 5,09 1,50 0,666 0,604 a1 [mΦ0 ] 4,01 3,01 - a2 [mΦ0 ] 15,4 14,7 12,1 8,63 5,32 4,64 a3 [mΦ0 ] 1,12 0,900 0,913 1,04 2,14 1,05 I [Φ0 · ms] 0,130 0,0575 0,0147 0,00527 0,00263 0,00141 Tab. 4.6: Zeitkonstanten und Amplituden der Exponentialfunktionen, deren Summe den Signalabfall der Ereignisse in der Au-Schicht bei einem Dauerstrom von 80mA beschreibt. R Zusätzlich eingetragen ist das Integral I = ∆Φ(t)dt über den gesamten Puls, ermittelt aus den angepassten Exponentialfunktionen. Der Abfall wird wie bei der Absorption in Gold gut durch die Summe zweier Exponentialfunktionen beschrieben. Dabei sind die benötigten Zeitkonstanten tendenziell ein wenig größer als bei den Pulsen in der Goldschicht, wie in den Tabellen 4.6 und 4.7 zu sehen ist. Ein Blick auf Abbildung 4.19 rechts, in der die Pulse auf einer Zeitskala bis 250 ms verglichen werden, zeigt deren annähernde Übereinstimmung auf längeren Zeitskalen. Das unterschiedlich starke Rauschen geht darauf zurück, dass für das Diagramm mehrere Pulse gemittelt wurden, wobei sich die Zahl der verwendeten Einzelpulse unterschied. Weiterhin wurden die Pulse in zwei verschiedenen 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern T [mK] 32 40 60 80 100 120 τ1 [ms] 4,06 2,52 1,02 0,485 0,322 0,276 τ2 [ms] 57,9 28,9 8,47 2,16 1,29 1,20 a1 [mΦ0 ] 15,1 14,6 12,5 10,9 9,86 6,74 a2 [mΦ0 ] 1,12 0,792 0,477 0,658 0,527 0,262 71 I [Φ0 · ms] 0,120 0,0556 0,0146 0,00533 0,00261 0,00140 Tab. 4.7: Zeitkonstanten und Amplituden der Exponentialfunktionen, deren Summe den Signalabfall der Ereignisse im Zn-Absorber bei einem Dauerstrom von 80mA beschreibt. R Zusätzlich eingetragen ist das Integral I = ∆Φ(t)dt über den gesamten Puls, ermittelt aus den angepassten Exponentialfunktionen. Zeitfenstern aufgenommen, um eine bessere zeitliche Auflösung im ersten Teil der Pulse zu erreichen. Da auch hier unterschiedlich viele Pulse zur Mittelung herangezogen wurden, unterscheidet sich die Größe des Rauschens in den ersten 60 ms von dem zu späteren Zeiten. Die Unterschiede in der Pulsform beschränken sich also hauptsächlich auf die ersten 2 ms, in denen die im Gold stattfindenden Ereignisse ein größeres Signal zeigen. Bei späteren Zeiten ist es für das Auge zum Teil schwer zu entscheiden, ob der Signalverlauf der beiden Ereignisarten identisch ist, oder ob die Absorber-Ereignisse nicht innerhalb des Rauschens, aber doch systematisch über denen der Sensor-Ereignisse liegen. Für die Analyse der insgesamt nachgewiesenen Energie, die bei identischen Betriebsparametern des Detektors proportional zum InR tegral ∆Φ(t)dt des Detektor-Signals ist, spielt dieses Detail eine große Rolle. Fehlende Energie Die bei tiefen Temperaturen beobachtete fehlende Fläche unter den Pulsen der Absorber-Ereignisse entspricht nach Gleichung 4.4 einer fehlenden, auf der Zeitskala der Messung nicht durch den Sensor detektierten Energie. In Abbildung 4.20 ist das Flächenverhältnis der beiden verschiedenen Ereignissorten gegen die Temperatur aufgetragen. Wie man erkennt, ist das aus den hier gezeigten Daten ermittelte Verhältnis der Flächen bei tiefen Temperaturen etwas kleiner als 1 und nähert sich diesem Wert mit steigender Temperatur an, bis die Integrale über die Temperaturpulse der verschiedenen Ereignisse bei etwa 60 mK im Rahmen der Messgenauigkeit den gleichen Wert annehmen. Diese Beobachtung bestätigt ein empirisches Gesetz, das in [Cos93] aufgestellt wurde. Demnach zeigen Absorptionsereignisse in Supraleitern für T > 2 · 10−4 ΘD die volle eingetragene Energie. Bei tieferen Temperaturen und Beobachtungszeiten von etwa einer Sekunde scheint die nachgewiesene Energie kleiner als die in den De- 72 4. Experimentelle Ergebnisse 1.02 Amplitude, 80mA Area, 80mA Zn dt / Au dt 1.00 0.98 0.96 0.94 0.92 0.90 Abb. 4.20: Verhältnis der Integrale der Detektorsignale in Zink und Gold. 20 40 60 80 100 120 Temperatur T [mK] tektor eingetragene Energie zu sein. Hierbei bezeichnet ΘD die Debye-Energie des entsprechenden Materials. Bei Zink, dessen Debye-Temperatur 327 K beträgt, liegt diese kritische Temperatur bei 65 mK und damit in guter Übereinstimmung zu den Messergebnissen. Energieauflösung Eine grundlegende Eigenschaft von metallischen magnetischen Kalorimetern ist die, in Kapitel 2.5.3 diskutierte Energieauflösung, die als Linienbreite des Absorptionsspektrums einer monoenergetischen Linie bestimmt ist. Zwar lag das Hauptaugenmerk in dieser Arbeit auf dem Thermalisierungverhalten, jedoch ist es nicht uninteressant einen kurzen Blick auf die erreichte Energieauflösung zu werfen. In Abbildung 4.21 ist links die Verteilung der Ruhesignale bei einer Badtemperatur von 27 mK dargestellt. Um diese zu bestimmen wurde vor jedem fünften aufgezeichneten Puls ein Zeitfenster aufgenommen, in dem die Spannungsschwelle zur Auslösung des Triggers nicht überschritten wurde. Diese Ruhesignale enthalten somit nur das stationäre Rauschen des Detektorsignals und wurden wie alle Pulse an den gemittelten Musterpuls angepasst. Aus den dabei bestimmten Amplituden wurde das in Abbildung 4.21 links zu sehende Histogramm berechnet. Durch die numerische Anpassung einer Gauß-Funktion kann die Halbwertsbreite zu 93 eV bestimmt werden. Dieser Wert beschreibt die rauschlimitierte Auflösung des Detektors in der gegebenen Konfiguration ohne externen Energieeintrag. Um die tatsächliche Linienbreite bei der Absorption von Röntgenquanten endlicher Energie zu bestimmen, wurde aus den gemessenen Amplituden der Kα - und Kβ -Pulse von 55 Mn ein Histogramm erstellt. Dieses ist für die Ereignisse im supraleitenden Absorber in Abbildung 4.21 rechts zu sehen. Um hieraus die tatsächliche instrumentelle 73 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern Zn 80mA, 27mK 40 20 10 0 150 EFWHM = 132 eV 30 Anzahl Pulse pro 15eV Anzahl Pulse pro 5eV EFWHM = 93 eV -0.15-0.10 -0.05 0.00 0.05 Energie E [keV] 0.10 0.15 100 50 0 5.6 5.8 6.0 6.2 6.4 6.6 Energie E [keV] Abb. 4.21: Links: Gemessene Energie-Verteilung der Ruhesignale bei einer Temperatur von 27 mK und einem Dauerstrom von 80 mA. Überlagert ist eine Gauß-Verteilung mit einer Halbwertsbreite von ∆EFWHM = 93 eV. Rechts: Histogramme der Kα - und Kβ -Linien von 55 Mn, absorbiert im Zink-Absorber. Überlagert werden sie von zwei Gaußfunktionen mit der Halbwertsbreite ∆EFWHM = 132 eV. Linienbreite zu bestimmen müsste im Prinzip eine Faltung der natürlichen Linienform mit einer Gauß-Funktion an das Spektrum angepasst werden. Da die natürliche Linienbreite mit 2,5 eV und die Feinstrukturaufspaltung der Kα - und Kβ -Linien mit 12 eV jedoch für diesen Detektor weit unter der Auflösungsgrenze liegen, konnte darauf verzichtet werden. Das Ergebnis der Anpassung jeweils einer einfachen, ungefalteten Gauß-Funktion an die beiden Linien führt zu einer gemessenen Energieauflösung von 132 eV bei 6 keV. Eine solche Abweichung von der Auflösung der Ruhesignale wurde schon bei Verwendung von supraleitenden Absorbern aus Aluminium beobachtet [Ran09]. Eine mögliche Ursache könnte in einer geringfügigen Abhängigkeit der Signalform vom Absorptionsort im Absorber liegen. Sowohl die Ausbreitung von Phononen und Quasiteilchen, wie auch deren Rekombination hängt im Detail vom Ort des Ereignisses ab. Eine Bestimmung der Energieauflösung aus den Ereignissen in der normalleitenden Goldschicht könnte hier eine interessante Vergleichsmöglichkeit bieten, ist jedoch aufgrund deren geringer Statistik hier nicht sinnvoll durchführbar. 74 4.2.3 4. Experimentelle Ergebnisse Zn:Mn-Absorber Pulsform In Abbildung 4.22 sind die gemittelten Pulsformen für die Absorption eines Kα Röntgenphotons im Zn:Mn-Absorber (links) beziehungsweise im Abstandshalter aus Gold (rechts) für verschiedene Temperaturen dargestellt. Man beachte hierbei die unterschiedlichen Skalierungen sowohl der Zeit- als auch der magnetischen FlussAchse. 0.03 0.006 26mK 30mK 30mK 45mK 45mK Magn. Fluss s [0] Magn. Fluss s [0] 60mK 75mK 90mK 0.004 105mK 120mK 0.002 60mK 75mK 0.02 90mK 105mK 120mK 0.01 0.00 0.000 0 10 20 30 Zeit t [ms] 40 50 0 5 10 15 20 Zeit t [ms] Abb. 4.22: Vergleich der Pulsform der Ereignisse im Absorber aus Zink-Mangan (links) und im Abstandshalter aus Gold (rechts) bei verschiedenen Temperaturen und einem felderzeugenden Dauerstrom von 80 mA. Wie erwartet nehmen die Pulshöhen mit steigender Temperatur ab und die Thermalisierung des Sensors findet auf kürzeren Zeitskalen statt. Der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Ereignissorten findet sich im sehr langsamen Anstieg der Ereignisse im Zn:Mn-Absorber, welcher um vier bis fünf Größenordnungen langsamer ist als bei den Ereignissen in Gold. Der Grund hierfür ist der verhältnismäßig schwache thermische Kontakt zwischen Sensors und Absorber, da dieser wie in Abschnitt 3.3.1 beschrieben, nur aufgeklebt wurde. Dies führt dazu, dass der Wärmeübertrag statt direkt über Ladungsträger nur durch die Phononen stattfinden kann und damit deutlich langsamer verläuft. In den Tabellen 4.8 und 4.9 sind die Parameter für die Anpassung des Anstieges mit einer einzelnen Exponentialfunktion zusammengefasst. Aufgrund des Rauschens und durch den schnellen Anstieg war es bei der Absorption in der Goldschicht für Temperaturen über 60 mK nicht möglich, die Anstiegszeiten zuverlässig zu bestimmen. 75 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern T [mK] 23 30 45 60 75 90 τ0 [µs] 9571 5185 1872 876 459 266 a0 [mΦ0 ] -14,1 -12,2 -8,08 -6,35 -4,80 -3,01 Tab. 4.8: Zeitkonstanten und Amplituden des exponentiellen Anstiegs der Ereignisse im Zn:Mn-Absorber bei einem Dauerstrom von 80 mA. T [mK] 23 30 45 60 τ0 [ns] 114 87,5 80,9 91,6 a0 [mΦ0 ] -36,8 -27,8 -20,3 -16,5 Tab. 4.9: Zeitkonstanten und Amplituden des exponentiellen Anstiegs der Ereignisse im Au-Abstandshalter bei einem Dauerstrom von 80 mA. Spektrale Leistungsdichte S [0/ Hz] Im Gegensatz zu den Ereignissen im Absorber zeigen die Ereignisse in Gold mit etwa 100 ns einen sehr schnellen Anstieg, der in Abbildung 4.23 für 30 mK gesondert dargestellt ist. Für diese Messung wurde ein 10 MHz-Tiefpass verwendet und die Abschneidefrequenz der SQUID-Elektronik so hoch wie möglich gewählt, ohne dass ein Übersteuern auftritt. Das resultierende Frequenzspektrum des gemessenen Flussrauschens wird in Abbildung 4.23 rechts gezeigt. Magn. Fluss s [0] 0.03 0.02 30mK, 0 = 87,5 ns 0.01 0.00 0.0 0.2 0.4 Zeit t [s] 0.6 0.8 10 0 10 -1 10 -2 10 5 10 6 3 MHz 10 7 Frequenz f [Hz] Abb. 4.23: Pulsanstieg der Kα -Ereignisse im Abstandshalter aus Gold bei 80 mA felderzeugendem Dauerstrom und 30 mK Badtemperatur (links). Hochfrequentes Rauschspektrum des Detektors bei der links gezeigten Messung (rechts). 76 4. Experimentelle Ergebnisse Die eingezeichnete Grenzfrequenz f0 = 3 MHz ist ein Wert für die Bandbreite des Messaufbaus. Die zugehörige Zeitkonstante von 54 ns liegt deutlich unter der gemessenen Anstiegszeit der Pulse, sodass davon ausgegangen werden kann, dass der Pulsanstieg nicht durch die Bandbreite der Messung verfälscht wurde und durch die Korringa-Relation für Erbium in Gold inklusive der zugehörigen Wärmekapazitäten gegeben ist. Betrachtet man den direkten Vergleich der beiden Pulstypen in Abbildung 4.24, so werden die Unterschiede im Anstieg besonders deutlich. Abb. 4.24: Gegenüberstellung der Pulsform für Ereignisse in Zink-Mangan und in Gold bei 30 mK und einem felderzeugenden Dauerstrom von 80 mA. Allerdings scheint das Abklingen des Signale im Absorber langsamer zu sein. Passt man auch hier eine Summe aus Exponentialfuntionen an, so stellt man fest, dass sich die Ereignisse im Absorber durch eine einzige Abfallszeit beschreiben lassen, während für die Gold-Ereignisse drei Exponentialfunktionen benötigt werden (vgl. Tabellen 4.10 und 4.11). T [mK] 23 30 45 60 75 90 τ1 [ms] 29,7 18,6 9,15 4,82 3,23 2,23 a1 [mΦ0 ] 14,1 12,3 8,32 6,46 4,66 3,43 I [Φ0 · ms] 0,285 0,166 0,061 0,0256 0,0129 0,00681 Tab. 4.10: Zeitkonstanten und Amplituden des exponentiellen Abfalls der Ereignisse im Zn:Mn-Absorber bei einem Dauerstrom von 80 mA. Zusätzlich eingetragen ist die Fläche R I = ∆Φ(t)dt unter dem gesamten Puls, ermittelt aus den angepassten Exponentialfunktionen. 77 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern τ1 [ms] 0,311 0,325 0,250 - T [mK] 23 30 45 60 75 90 τ2 [ms] 7,72 5,40 1,98 0,769 0,433 0,242 τ3 [ms] a1 [mΦ0 ] 19,0 7,94 13,0 5,10 7,97 3,01 4,32 3,28 1,89 - a2 [mΦ0 ] 13,3 16,5 14,6 12,9 10,6 8,26 a3 [mΦ0 ] 10,3 5,18 3,85 3,56 2,66 2,51 I [Φ0 · ms] 0,299 0,158 0,0596 0,0252 0,0133 0,00670 Tab. 4.11: Zeitkonstanten und Amplitudenanteile der verschiedenen Abfallzeiten der Ereignisse im Au-Abstandshalter bei einem Dauerstrom von 80 mA. Zusätzlich eingetragen ist die Fläche unter dem gesamten Puls, ermittelt aus den angepassten Exponentialfunktionen. Die erste Abklingzeit der Gold-Ereignisse lässt sich wie bei dem Experiment mit ZnAbsorber durch die Kernquadrupolmomente des Gold-Gitters erklären. Auffallend ist der zweite Abfall, dessen Zeitkonstanten ab 30 mK in relativ guter Übereinstimmung mit den Anstiegszeiten der Absorber-Ereignisse stehen. Dies lässt sich leicht verstehen, wenn man annimmt, dass durch die schlechte thermische Kopplung zwischen Goldschicht und Absorber bei einem Ereignis in der Goldschicht zuerst der Sensor thermalisiert. Dies führt zum oben beschriebenen schnellen Anstieg des Signals, sowie der ersten Relaxation von Energie zu den Kernquadrupolmomenten im Sensor. Anschließend thermalisieren Sensor und Absorber durch die Klebeschicht hindurch, wodurch Wärme aus dem Sensor an den Absorber übertragen wird, was wiederum zu einem Abfall des Signal führt. Die dritte Abklingzeit entspricht zumindest bei Temperaturen über 45 mK etwa der Abklingzeit der Absorber-Ereignisse und beschreibt das Abfließen der Energie in das Wärmebad. 10 2 Zn:Mn Abfall a11 Zn:Mn Abfall 1 Zeitkonstante [ms] Au Abfall 1 10 10 10 Au Abfall 2 1 Au Abfall 3 0 Einzelfläche a[m0ms] Zn:Mn Anstieg 0 10 2 10 1 10 0 Au Abfall a11 Au Abfall a22 Au Abfall a33 -1 0 20 40 60 Temperatur T [mK] 80 100 0 20 40 60 Temperatur T [mK] 80 100 Abb. 4.25: Temperaturabhängigkeit der Zeitkonstanten (links) und der einzelnen Beiträge zur Gesamtfläche (rechts) der Ereignisse in Zink-Mangan (offene Symbole) und der Ereignisse in Gold (volle Symbole). 78 4. Experimentelle Ergebnisse Zum einfacheren Vergleich sind die relevanten Zeitkonstanten in Abbildung 4.25 links dargestellt. Rechts sieht man den Beitrag der einzelnen Abklingprozesse zu den jeweiligen Gesamtflächen der beiden Pulsformen. Die generell kurzen Abklingzeiten des Detektors, die nicht stark von den erwarteten Werten abweichen (die thermische Verbindung zum Wärmebad zusammen mit der Wärmekapazität des Au:Er-Sensors ohne Absorber führt theoretisch zu einer Abfallszeit von 15 ms bei 30 mK) sind ein Hinweis darauf, dass in Zn:Mn nach der Absorption eines Röntgenquants keine Energie in Freiheitsgraden mit langen Relaxationszeiten gespeichert wird. Ursache hierfür könnte sein, dass das Material bei Temperaturen über 20 mK noch normalleitend oder nur knapp unter der kritischen Temperatur ist, oder aber, dass die Dotierung mit magnetischen Verunreinigungen tatsächlich den erwünschten Effekt auf die Thermalisierung in Supraleitern zeigt. Auch die Fläche unter den Pulsen, die sich für Supraleiter untypisch nicht von der Fläche unter den Gold-Ereignissen unterscheidet unterstützt beide möglichen Vermutungen. Eine Ausnahme bildet hierbei die Messung bei 23 mK, bei der die Fläche der Absorber-Ereignisse um 5% kleiner ist als die Fläche der Ereignisse in Gold. Zusammen mit der in Abschnitt 4.2.1 diskutierten Magnetisierungsmessung ist dies ein Hinweis darauf, dass sich der Absorber bei dieser Temperatur zumindest teilweise im supraleitenden Übergang befindet. Energieauflösung Wie in Abschnitt 4.2.2 beschrieben, wurde auch hier die Energieauflösung bestimmt. Die Ergebnisse der Anpassungsrechnungen sind in Abbildung 4.26 zu sehen. Zn 80mA, 30mK 60 EFWHM = 103 eV 25 EFWHM = 223 eV Anzahl Pulse pro 25eV Anzahl Pulse pro 5eV 50 40 30 20 15 10 5 10 0 20 -0.15-0.10 -0.05 0.00 0.05 Energie E [keV] 0.10 0.15 0 5.6 5.8 6.0 6.2 6.4 6.6 Energie E [keV] Abb. 4.26: Links: Gemessene Energie-Verteilung der Ruhesignale bei einer Temperatur von 30 mK und einem Dauerstrom von 80 mA. Überlagert ist eine Gauß-Verteilung mit ∆EFWHM = 103 eV. Rechts: Histogramme der Kα - und Kβ -Linien von 55 Mn, absorbiert im Zn:Mn-Absorber. Überlagert werden sie von zwei Gaußfunktionen mit ∆EFWHM = 223 eV. 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern 79 Die Energieauflösung der Ruhesignale ist mit ∆EFWHM = 103 eV etwas schlechter als im Zink-Experiment, jedoch lassen sich diese Werte aufgrund der unterschiedlichen Temperatur nicht direkt vergleichen. Unterschiede in der Auflösung zwischen den beiden Experimenten lassen sich durch ein hier etwas höheres Rauschen erklären. Betrachtet man die Energieauflösung bei einer Röntgenenergie von 6 keV, so stellt man fest, dass diese mit ∆EFWHM = 223 eV deutlich schlechter als die Energieauflösung bei 0 keV ist. Dies kann als Hinweis auf eine Abhängigkeit der Signalamplitude vom Absorptionsort interpretiert werden. Bestimmung der Wärmekapazitäten und der thermischen Leitfähigkeiten Wie im letzten Abschnitt gezeigt wurde, lässt sich die Pulsform der Absorptionsereignisse im Absorber durch eine einfache Summe aus zwei Exponentialfunktionen beschreiben. Dies erlaubt die Bestimmung der Wärmekapazitäten des Absorbers und des restlichen Detektors sowie der thermischen Leitfähigkeiten im Gesamtsystem bestehend aus Absorber, Sensor und Wärmebad im Rahmen eines einfachen Modells. Abb. 4.27: Schematische Darstellung der einzelnen Wärmekapazitäten und der thermischen Verbindungen des Detektors mit Zn:Mn-Absorber, wie sie im Text erläutert werden. Ein solches Modell des Detektors ist in Abbildung 4.27 dargestellt. Der Energieeintrag erfolgt im Absorber mit der Wärmekapazität Ca . Dieser ist durch eine Kleberschicht mit Wärmeleitfähigkeit Gas an den Sensor mit der Wärmekapazität Cs gekoppelt. Diese Wärmekapazität beinhaltet hierbei neben der Wärmekapazität des Au:Er-Sensors auch die der Zwischenschicht und der Stämme aus Gold, die auf dem Sensor aufgebracht sind. Dieses System ist wiederum über die thermische Leitfähigkeit Gsb an das Wärmebad der Temperatur T0 gekoppelt. Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zum Modell, das in Kapitel 2.5.1 bei der Bestimmung der Impulsantwort des Detektors vorgestellt wurde. Dort wurde jedoch von einer starken thermischen Kopplung zwischen Absorber und Sensor ausgegangen, die hier nicht gegeben ist. Im hier betrachteten Fall hängt die Anstiegszeit nicht von der Kopplung der Elektronen an die Spins des Zeeman-Systems ab, sondern von der Wärmeleitfähigkeit des Klebers, mit dem der Absorber aufgebracht ist. 80 4. Experimentelle Ergebnisse Analog zu Kapitel 2.5.1 ergibt sich ein Gleichungssystem aus zwei gekoppelten Differentialgleichungen für die Temperaturen Ta des Absorbers und Ts des Sensors. In [Por07] wurde auf die gleiche Weise ein umfangreicheres System betrachtet, dessen Lösung auf dieses einfachere Problem angewandt werden kann. Demnach ergibt sich für die Temperaturänderung des Sensor, die für das Messsignal sorgt Ts (t) − Tb = ∆T −e−t/τ0 + e−t/τ1 (4.7) mit ∆T = τ1 τ0 Gas E. τ1 − τ0 Ca Cs (4.8) Die Zeitkonstanten unterscheiden sich als Lösung des homogenen Gleichungssystems in ihrer Struktur nicht von denen in Kapitel 2.5.1 und sind durch τ0/1 Cs Gas + Ca (Gas + Gsb ) 1 = ∓ 2Gas Gsb 2 s (Cs Gas + Ca (Gas + Gsb ))2 4Ca Cs − 2 2 Gas Gsb Gas Gsb (4.9) gegeben. Diese Lösung wurde an bei verschiedenen Temperaturen gemittelte Pulse der Absorber-Ereignisse numerisch angepasst. Da das Signal mit nur drei Parametern beschrieben werden kann (eine Amplitude und zwei Zeitkonstanten), muss einer der vier Parameter Cs , Ca , Gas , Gsb vorgegeben werden. Da sich die Sensorwärmekapazität aus der Höhe der Signale in der Goldschicht bestimmen lässt, wurde Cs für eine gegebene Temperatur als konstant angenommen und die übrigen Parameter variiert. Prinzipiell lässt sich die Wärmekapazität Cs des Au:Er-Sensors durch Simulationsrechnungen (vgl. Kapitel 2.3.3) und aus der bekannten spezifischen Wärme von Gold bestimmen. Aufgrund der, in Abbildung 4.17 rechts gezeigten, bekannten Abweichung der gemessenen Signalhöhe von der Simulation muss jedoch ein zusätzlicher, über alle Temperaturen konstanter, Korrekturfaktor für die Sensor-Wärmekapazität bestimmt werden. In der so bestimmten Wärmekapazität ist der Anteil der KernQuadrupolmomente der Goldatome im Sensor nicht enthalten. Unterhalb einer Temperatur von etwa 50 mK ist dieser jedoch nicht zu vernachlässigen. Für Absorptionsereignisse im Zn:Mn-Absorber kann, aufgrund der schwachen thermischen Verbindung zwischen Absorber und Sensor, davon ausgegangen werden, dass die Goldquadrupole während des gesamten Signalverlaufs im thermischen Gleichgewicht mit dem Zeemann-System der Erbium-Ionen stehen. Dies wurde durch eine geringe Vergrößerung der Sensorwärmekapazität bei Temperaturen unter 50 mK berücksichtigt. 81 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern Ca: 106.29 pJ/K Cs: 306.99 pJ/K Gas: 16.20 nW/K Gsb: 113.82 nW/K Temperaturänderung T [K] 0.6 0.4 0.2 Abb. 4.28: Anpassung der Pulsform im Zn:Mn-Absorber mit Hilfe zweier Exponentialfunktionen bei einer Temperatur von 45 mK. 0.0 0 10 20 30 40 Zeit t [ms] In Abbildung 4.28 ist die Anpassung des Pulses mit einem exponentiellen Anstieg und einem exponentiellen Abfall beispielhaft für eine Badtemperatur von 45 mK zu sehen. Die Ergebnisse der Anpassung sind in Grafik 4.29 aufgetragen. Links ist die so ermittelte Wärmekapazität der beiden Systeme durch Symbole dargestellt. Die, nicht als Anpassungsparameter verwendete, Wärmekapazität des Sensors zeigt wie erwartet einen Anstieg zu tiefen Temperaturen, wie er für den Au:Er-Sensor und die Goldlage aus den bekannten thermodynamischen Größen berechnet wurde. 350 600 Ca 400 300 200 100 0 Wärmeleitfähigkeit G [nW/K] Wärmekapazität C [pJ/K] normalleitendes Zink 500 Gsb 300 Cs Gas 250 200 150 100 50 0 20 40 60 Temperatur T [mK] 80 0 0 20 40 60 80 Temperatur T [mK] Abb. 4.29: Ergebnisse der im Text erläuterten Anpassungsrechnung. Wärmekapazitäten des Sensors und des Absorbers (links), sowie die Wärmeleitfähigkeiten des Detektors (rechts). Zur Bestimmung des Fehlers wurde eine um 5% variierte Sensor-Wärmekapazität angenommen. Die Wärmekapazität des Zn:Mn-Absorbers liegt für höhere Temperaturen deutlich über dem Wert eines normalleitenden Zink-Absorbers desselben Volumens. Zwischen 30 mK und 60 mK zeigt sich jedoch ein starker Abfall der Wärmekapazität mit sinkender Temperatur, was als Hinweis auf einen gerade beginnenden supraleitenden 82 4. Experimentelle Ergebnisse Übergang des Absorbers gewertet werden kann. Allerdings wird in Abbildung 4.29 links auch klar, dass der Fehler der Anpassung, der durch eine Variation der angenommenen Sensorwärmekapazität um 5% bestimmt wurde, in diesem Temperaturbereich verhältnismäßig groß ist. Rechts sind die thermischen Leitfähigkeiten zwischen den Systemen aufgetragen. Die Kopplung zwischen Bad und Sensor Gsb ist besser als die zwischen Absorber und Sensor Gas . Die richtige Zuordnung der angepassten Parameter zu den physikalischen Systemen wird durch eine alternative Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit zum Wärmebad Gsb mit Hilfe von Gleichung 4.4 bestätigt und die schlechte Kopplung zwischen Absorber und Sensor ist durch die Klebeschicht zwischen diesen erklärbar. Neben den Datenpunkten sind auch Anpassungen der Form Gas (T ) = (304 ± 18) µW 3 T K4 und µW 3 µW T + (90 ± 26) T K2 K4 eingezeichnet. Die Wärmeleitfähigkeit zwischen Sensor und Bad Gsb setzt sich dabei zusammen aus einem metallischen Kontakt zum Wärmebad (G ∝ T ) und dem Kapitza-Grenzflächenwiderstand zwischen Sensor und Substrat (G ∝ T 3 ). Messungen mit einem baugleichen Detektorchip zeigen eine zufriedenstellende Übereinstimmung mit den hier gezeigten Werten von Gsb . Wegen der T 3 -Abhängigkeit der Leitfähigkeit Gas zwischen Absorber und Sensor spricht vieles dafür, dass der KapitzaWiderstand den Wärmefluss zwischen Absorber und Sensor maßgeblich limitiert. Gsb (T ) = (2,29 ± 0,16) 4.2.4 Einfluss der Dotierung auf die Pulsform In einem direkten Vergleich der Signalformen der Detektoren mit Zn- und Zn:MnAbsorber, lässt sich der Einfluss der Dotierung von Zink mit 24 ppm Mangan auf das Thermalisierungsverhalten sehr gut erkennen. In Abbildung 4.30 sind die ersten 70 ms der Absorber-Ereignisse beider Experimente im Vergleich dargestellt. Der eingefrorene Dauerstrom betrug in beiden Fällen 80 mA und die Badtemperatur 30 mK (Zink) beziehungsweise 32 mK (Zink-Mangan). Wie in Abschnitt 4.2.3 erläutert wurde, ist der sehr viel langsamere Anstieg der Zn:MnEreignisse auf die Art zurückzuführen, wie die jeweiligen Absorber auf die Sensoren aufgebracht wurden. Während das Aufkleben des Zn:Mn-Absorbes zu einem schlechten thermischen Kontakt führt, wurde der Zn-Absorber diffusionsverschweißt und besitzt damit eine metallische Verbindung zwischen Absorber und Sensor. Weiterhin fällt auch der schnellere erste Abfall im Zink-Absorber auf. Dieser Unterschied ist jedoch darauf zurückzuführen, dass die verwendeten Detektorchips eine unterschiedlich starke Kopplung des Sensors an das Wärmebad besitzen. 83 4.2. Experimente mit Zn/Zn:Mn-Absorbern 0.012 0.010 Zn Magn. Fluss s [0] Zn:Mn 0.008 0.006 0.004 Abb. 4.30: Gegenüberstellung der Pulsform für Ereignisse in Zink und in Zink-Mangan bei 30 mK beziehunsgweise 32 mK und einem Dauerstrom von 80 mA. 0.002 0.000 0 20 40 60 Zeit t [ms] Betrachtet man die Pulse in dem in Abbildung 4.31 rechts dargestellten größeren Zeitbereich, so stellt man fest, dass der Puls in reinem Zink eindeutig durch zwei exponentielle Abfälle beschrieben wird und neben der oben genannten Abklingzeit, welche den Wärmefluss vom Sensor zum Bad beschreibt, eine weitere längere Zeitkonstante von etwa 60 ms besitzt. Wie in Kapitel 2.4.2 beschrieben wurde, treten solch lange Thermalisierungszeiten in vielen supraleitenden Absorbern bei tiefen Temperaturen auf und sind eventuell auf die Rekombination von Cooper-Paaren zurückzuführen, welche unmittelbar nach der Absorption des Röntgenphotons aufgebrochen wurden. 10 -2 Zn Zn:Mn 0.010 Zn:Mn Magn. Fluss s [0] Magn. Fluss s [0] Zn 0.005 0.000 0 2 4 Zeit t [ms] 6 8 10 10 -3 10 -4 0 50 100 Zeit t [ms] 150 200 Abb. 4.31: Vergleich der Ereignisse in Zink und in Zink-Mangan zu Beginn (links) und am Ende (rechts) des Pulses. Im Gegensatz dazu zeigt der Puls in Mn-dotiertem Zink dieses Verhalten nicht. Dieser Unterschied kann verstanden werden, wenn man annimmt, dass der Zn:Mn-Absorber bei dieser Temperatur durch die Dotierung gerade noch normalleitend ist und das Verhalten eines Normalleiters zeigt. 84 4. Experimentelle Ergebnisse 5. Zusammenfassung und Ausblick Im Rahmen dieser Arbeit wurden supraleitende Absorber aus Re, Zn und Zn:Mn für magnetische Kalorimeter untersucht. Durch die Absorption eines Röntgenquants im Absorber erhöht sich die Temperatur des Detektors, was zu einer Magnetisierungsänderung eines paramagnetischen Temperatur-Sensors aus Au:Er führt. Über eine mäanderförmige Detektionsspule wird diese Magnetisierungsänderung induktiv an ein empfindliches SQUID-Magnetometer, welches ein messbares Spannungssignal erzeugt, weitergeleitet. Die thermodynamischen Eigenschaften der für die Experimente verwendeten Au:Er-Sensoren sind gut verstanden, sodass Abweichungen vom vorhergesagten Verhalten auf Eigenschaften der zusätzlich aufgebrachten Absorber zurückzuführen sind. Zwei der durchgeführten Experimente verwendeten supraleitende Rhenium-Einkristalle als Absorber, die über mikrostrukturierte Stämme aus reinem Gold durch Diffusionsverschweißen auf den Au:Er-Sensor aufgebracht wurden. Einer der beiden Kristalle wurde getempert, um die Auswirkung von Kristalldefekten auf das Verhalten des Absorbers zu untersuchen. Hierzu wurden die Detektoren bei verschiedenen Temperaturen mit einer externen 241 Am-Quelle bestrahlt und die Form der dabei entstehenden Temperaturpulse durch eine Summe aus mehreren Exponentialfunktionen beschrieben. Die im Vergleich zur numerischen Simulation deutlich verringerte Signalhöhe und die Anzahl der im Signalabfall auftretenden Zeitkonstanten lassen auf ein komplexes System aus thermischen und athermischen Komponenten schließen. Sowohl aufgebrochene Cooper-Paare als auch die Kern-Quadrupolmomente des Rheniums können hierbei eine Rolle spielen. Im Vergleich zum nicht getemperten Kristall zeigte der getemperte Kristall einen deutlich verlangsamten Signalanstieg, jedoch konnte auch eine Verkürzung der längsten Signalabfallszeit beobachtet werden. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Energie, die innerhalb des zugänglichen Zeitfensters durch den Au:Er-Sensor detektiert wird, im Falle des getemperten Kristall größer ist als für den nicht getemperten Kristall und nur um 10 % unter der Energie der signalerzeugenden Gammaquanten liegt. Ein Vergleich der Signale für Photonen unterschiedlicher Energie zeigte keine Abhängigkeit der Pulsform von der Energie im Bereich von 10 keV bis 60 keV. Jedoch deutet eine eingehendere Untersuchung an, dass die Pulsform eine Abhängigkeit vom Absorptionsort des Photons im Absorber aufweist. Bei der Untersuchung des Detektors konnte im Rahmen der Messgenauigkeit keine Abweichung von einem linearen Verhalten zwischen Signalamplitude und deponierter Energie festgestellt werden. In einer zweiten Reihe von Experimenten wurden zwei Detektoren mit Absorbern 85 86 5. Zusammenfassung und Ausblick aus reinem Zink beziehungsweise mit 24 ppm Mangan dotiertem Zink verglichen. Aufgrund der gewählten Dicke der Absorber konnte ein Teil der 6 keV-Photonen den Absorber durchdringen und wurde in einer Schicht aus normalleitendem Gold absorbiert. Die dadurch ermöglichte Bestimmung der „fehlenden Energie“ im Detektor mit Zink-Absorber bestätigte das empirische Gesetz, wonach unter einer Temperatur von 2 · 10−4 ΘD , die von der Debye-Temperatur ΘD des betreffenden Materials abhängt, weniger als die deponierte Energie detektiert wird [Cos93]. Die Pulse der im supraleitenden Zn-Absorber absorbierten Photonen lassen sich durch zwei Exponentialfunktionen beschreiben. Der erste Abfall lässt sich dem thermischen Kontakt zum Wärmebad zuordnen, während der zweite Abfall eine für Supraleiter typische große Zeitkonstante aufweist und möglicherweise durch die langsame Rekombination von Quasiteilchen zu Cooper-Paaren herrührt. Der Zweck der Dotierung des Zn-Absorbers mit 24 ppm Mangan im zweiten Experiment war es, deren Auswirkung auf diese langsame Rekombination zu untersuchen. Die Dotierung führte zwangsläufig auch zu einer Verringerung der Sprungtemperatur und damit dazu, dass der Absorber bei den erreichten Temperaturen das Verhalten eines Normalleiters zeigte. So ist weder ein klarer Hinweis auf einen supraleitenden Übergang in der Magnetisierungsmessung zu sehen, noch zeigt sich die für Supraleiter typische fehlende Energie der Absorptionsereignisse bei tiefen Temperaturen. Die Signale der in Zn:Mn absorbierten Photonen lassen sich durch einen exponentiellen Anstieg und einen exponentiellen Abfall beschreiben. Dieser einfache Signalverlauf erlaubte die Bestimmung der Wärmekapazität des Absorbers und der Wärmeleitfähigkeiten zwischen den einzelnen Untersystemen des Detektors. Somit konnte gezeigt werden, dass es mit Hilfe von metallischen magnetischen Kalorimetern aufgrund ihrer kleinen Eigenwärmekapazität möglich ist, Wärmekapazitäten im Bereich einiger pJ/K zu messen. Diese Arbeit hat gezeigt, dass Kristalldefekte die Eigenschaften der Signale in supraleitenden Rhenium-Absorbern beeinflussen können. Jedoch wurde auch klar, dass weitere Experimente nötig sind, bevor Rhenium-Absorber zur Messung der Endpunktsenergie des eigenen Betaspektrums und damit zur Bestimmung der Neutrinomasse eingesetzt werden können. Um die Ursache der komplexen Thermalisierung in Supraleitern besser zu verstehen wäre beispielsweise die Untersuchung eines Zink-Absorbers mit einer geringeren Konzentration an Mangan-Atomen hilfreich. Da der Kondo-Effekt zu einer Abschirmung der Verunreinigungen führen kann, scheint es weiterhin sinnvoll, nach anderen Materialkombinationen zu suchen, die im relevanten Temperaturbereich von diesem Effekt nicht beeinflusst werden. Hinsichtlich der Thermalisierung in Rhenium-Absorbern wären desweiteren Experimente interessant, die die Untersuchung von Legierungen aus Rhenium und Aluminium mit kubischer Kristallsymmetrie zum Ziel haben und Aufschluss über den Einfluss der Quadrupolmomente des Rhenium geben könnten. Literaturverzeichnis [Abr61] A.A. Abrikosov und L.P. Gor’kov, , Sov. Phys. JETP, 12, 1243, 1961. [Abr70] A Abragam und B Bleaney, Electron paramagnetic resonance of transition metals, Claredon Press Oxford, 1970. 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Besonders Danken möchte ich: Prof. Christian Enss für die freundliche Aufnahme in seiner Arbeitsgruppe und für die Gelegenheit an der interessanten und spannenden Arbeit auf dem Gebiet der Tieftemperatur-Teilchendetektoren teilhaben zu dürfen. Loredana Gastaldo für ihre aufmunternde Art und ihr reges Interesse besonders an ungelösten Fragen zu supraleitenden Absorbern. Andreas Fleischmann für wichtigen Rat zu allen wissenschaftlichen Fragen und insbesondere für die Betreuung während des Schreibens und das Korrigieren dieser Arbeit. Andreas Reiser und Rudi Eitel für den ständigen Nachschub an flüssigem Helium und Unterstützung bei allen erdenklichen technischen Problemen. Philipp C.-O. Ranitzsch, JP Porst und Christian Pies für die Unterstützung in den Laboren und besonders für die Einführung in die Arbeit mit Kryostaten. Den weiteren „Bolos“ Nadine Foerster, Sönke Schäfer, Alex Kampkötter, Sebastian Kempf, Sarah Vick, Sebastian Heuser, Emil Pavlov, Simon Uhl und Giulio Pizzigoni sowohl für hilfreiche Tipps zu Detektoren und Kryostaten, aber auch für Gespräche abseits der Physik, die den Arbeitsalltag sehr angenehm gestalteten. Den „Gläsern“ Marius Hempel, Daniel Rothfuss, Masoomeh Bazrafshan, Angela Halfar, Gudrun Fickenscher, Manfred von Schickfuß, Gernot Kasper, Christian Schötz und David Vogel, sowie Clemens Hassel die zur Belebung des Gruppenklimas nicht nur am mittäglichen Kaffetisch beitrugen. Annina Luck, mit der ich während des Jahres einige lustige Abende verbrachte und die mir während des Schreibens öfters eine moralische Stütze war. Schließlich möchte ich noch ganz besonders meinen Eltern und meinem Bruder Christian danken, die mir das Studium überhaupt erst ermöglicht und mich immer unterstützt haben. 93 Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegeben Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Heidelberg, den 14.02.2012 ........................................... (Daniel Hengstler)