Auf höchstem Niveau Das neue UHV-Test­ zentrum von ABB ist die modernste Hochspannungs-Gleichstrom-Prüfanlage der Welt Ralf Hartings, Thomas K. Larsson – Eine der Herausforderungen für viele Volkswirtschaften ist die effiziente Übertragung von umweltfreundlicher und erneuerbarer Energie über große Entfernungen. Eine Möglichkeit ist die Hochspannungs-Gleichstromübertragung mit 800 kV, wie sie zum Beispiel in Ländern wie China, Indien und Brasilien genutzt wird. Um dem steigenden weltweiten Bedarf an elektrischer Energie gerecht zu werden, müssen jedoch enorme Herausforderungen in verschiedenen Bereichen – angefangen beim Transport der Energie zu schwer zugäng­ lichen Orten bis hin zur Einhaltung strenger Umweltvorschriften – bewältigt werden. Auf höchstem Niveau ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­33 auch die entsprechenden Isolationsabstände und die verfügbare Prüfzeit nicht mehr ausreichend. D as Hochspannungszentrum von ABB im schwedischen Ludvika ist seit vielen Jahren wegweisend in der Entwicklung von Hochspannungs-Übertragungstechnik. Da alle neuen Systeme mit Hochspannung getestet werden müssen, wurde viel Geld in die erforderlichen Einrich­tungen investiert. Im Jahr 2007 zeichnete sich jedoch­ein dringender Bedarf zur Erhöhung der Prüfkapazität im Bereich der Ultra­ hochspannung (UHV) ab. Die Entwicklung eines neuen 800-kV-Gleichstromtrans­ formators und entsprechender Wanddurchführungen war gerade erfolgreich abgeschlossen, und angesichts anstehender Projekte zur Ultra­hochspannungsGleichstromübertragung (UHGÜ) in China und Indien sowie einem wachsenden Interesse an der UHGÜ erschien die verfüg­ bare Kapazität zur Prüfung von UHGÜDurchführungen und HGÜ-Ventilen 1 so­wohl im Hinblick auf die Höchstspannung als ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­34 ABB technik 3|10 Die neue Prüfanlage orientiert sich an den erwarteten zukünftigen Marktanforderungen für 1.200-kV-Wechselstrom- und 1.000-kV-Gleichstrom-Übertragungssysteme. Diese Spannungen erfordern sowohl bei Typprüfungen als auch bei Grenzprüfungen einen gewissen Spielraum. Obwohl formell nicht erforderlich, helfen Grenzprüfungen bei der Bestimmung des Ausfall­ risikos im Nenn- und Überspannungs­ betrieb, sodass entsprechende Maßnahmen getroffen werden können, um dieses Risiko auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Ein Ausfall in solchen UHVÜbertragungssystemen kann dramatische Auswirkungen auf die Verfügbarkeit des Übertragungsnetzes und die Versorgung von Millionen Menschen haben. Die notwendigen maximalen Prüfspannungen liegen bei: – 2.000 kV für Gleichstrom – 1.700 kV für Wechselstrom – 2.500 kV für Schaltstoßspannungs­ prüfungen – 3.600 kV für Blitzstoßspannungs­ prüfungen Ausgehend von diesen Spannungen wurden die Abmessungen der Prüfanlage ­bestimmt durch: – die Art der Bemessungsspannungs­ beanspruchung, die Schaltstoßspannung – die erwartete maximale Größe einer Wanddurchführung für 1.000 kV Gleichstrom Da alle neuen ­S ysteme mit Hochspannung getestet werden müssen, sind entsprechende Einrichtungen ­e rforderlich. – die von verschiedenen Experten weltweit definierten und von der Cigré zusammengestellten Durchschlageigenschaften von Luft Mit Innenmaßen von 35 m Höhe, 40 m Breite und 60 m Länge ist „UHVen“ 2 die modernste UHGÜ-Prüfanlage der Welt, die darüber hinaus zur dielektrischen Prüfung von Gleich- und Wechselspannungsdurchführungen sowie zur Prüfung von HGÜVentilen für die leistungsstärksten elektrischen Energieübertragungssysteme der Welt genutzt werden kann. Eine besondere Herausforderung bei allen Hochspannungs-Prüfanlagen ist die einwandfreie Abschirmung der Anlage. Dadurch wird verhindert, dass die öffentliche Stromversorgung bzw. örtliche Industriebetriebe durch den Prüfbetrieb beeinträchtigt werden. Umgekehrt darf der Prüfbetrieb nicht durch äußere elektrische Störungen beeinflusst werden. Um sicher nachprüfen zu können, dass eine Durchführung keine inneren Ent­ ladungen von über 5 pC verursacht, ist ein elektrischer Hintergrund-Störpegel von etwa 1–2 pC erforderlich. In einer Prüf­ anordnung mit solch ultrahohen Spannungen lässt sich dies ohne die richtige elektrische Abschirmung nur äußerst schwer erreichen. Bei schlechter oder unzureichender Abschirmung können die Verbindungen zwischen dem Prüfobjekt und den Spannungsquellen, die wie große Antennen wirken, selbst kleinste elektrische Störungen von außen aufnehmen. Um dies zu verhindern, ist das äußere Gebäude mit ­einem Faradayschen Käfig versehen. Das Prinzip eines Faradayschen Käfigs ist in der Theorie zwar einfach, doch bei einer Prüfanlage dieser Größe mit drei Kränen und vielen Türen stellt die Realisierung eine ziemliche Herausforderung dar. Der Käfig ist vom äußeren Gebäude durch Tausende von kleinen Isolatoren elektrisch isoliert und über ein Netz aus miteinander gekoppelten (16 m langen) Stäben, die in den Boden unter dem Gebäude getrieben ­wurden, separat geerdet. Das Testzentrum ist seit März 2009 in Betrieb und wurde im Juni 2009 offiziell eingeweiht. Ralf Hartings Thomas K. Larsson ABB Components Ludvika, Schweden [email protected] [email protected] Fußnoten 1 Beide werden in Ludvika entwickelt und gefertigt. Die UHGÜ-Durchführungen werden von ABB Components und die HGÜ-Ventile von ABB Power Systems gefertigt. Ohne die neue Prüf­anlage wäre ABB nicht in der Lage gewesen, UHGÜ-Lösungen (für 800 kV und mehr) anzubieten. 2 „UHVen“ ist eine Zusammensetzung aus „UHV“ (Ultra-High Voltage, Ultrahochspannung) und dem schwedischen Wort für Eule (uven), die in der Region Dalarna, in der sich das Zentrum befindet, häufig vorkommt. Auf höchstem Niveau ­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­35